Der Mythos „Granulom“ am Beispiel der Zahnwurzelresorption

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29.02.2008
15:28 Uhr
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Endodontics special
Der Mythos „Granulom“
am Beispiel der Zahnwurzelresorption
von Dr. Kurt A. Ebeleseder
GRAZ – Als im Jahr 2002 der
Medizin-Nobelpreis an S. Brenner, H.R. Horvitz und J.E. Sulston für die Entdeckung und Erforschung der Apoptose verliehen wurde, blieb das Blätterrauschen weitgehend aus. Das
Phänomen des „programmierten Zelltodes“ oder gar „zellulären Selbstmordes“ schien
mehr eine Kuriosität zu sein als
ein grundlegendes Gesetz, welches unser medizinisches Verständnis verändern könnte:
eine Zelle beginnt plötzlich,
sich selber zu Vesikeln zu paketieren, bis nichts mehr von ihr
übrig ist – wofür sollte das gut
sein?
Schon bald aber lag ein überzeugendes Erklärungsmodell für
dieses Phänomen vor: Wird eine
Zelle durch äußere Faktoren
(Fremdorganismen, chemisches
oder physikalisches Trauma)
überlastet, so zerreißt oftmals
ihre Membran und ihr Zytoplasma ergießt sich in den Interzellularraum. Dadurch beginnen
etliche, nur für das Zellinnere geschaffene Stoffwechselvorgänge
unkontrolliert außerhalb abzulaufen und drohen sowohl die
interzelluläre Struktur als auch
die Nachbarzellen zu schädigen.
Der Tod einer Zelle ist kein Stillstand, sondern nur der Verlust eines Systems, das eine physische
Konstanz und aktive Reproduktion ermöglicht hat.
Als Antwort auf diese „metavitale“ Störung reagiert der Kör-
Abb. 1: Oberflächenresorption bei einem 16-jährigen Patienten. 13 Monate
nach einem parodontalen Trauma
zeigt sich bei den Zähnen 11 und 21
eine wellige Oberflächenkontur mit
teilweise leicht erweitertem Parodontalspalt. Als Stimulus für die aktuelle
Resorption müssen Zellnekrosen angesehen werden, welche die angelegte
festsitzende kieferorthopädische Apparatur verursacht hat.
per sinnvoller Weise mit Exsudation (Verdünnung und Zersetzung der postzellulären Irrläufer), Gerinnung (lokale Fixation)
und u.U. sogar Einblutung (Aktivierung zahlreicher Informationskaskaden).
Fresszellen
(Makrophagen) erscheinen und
holen genau das nach, was bei einer Apoptose spontan geschehen
wäre: sie paketieren die Zellreste mittels Membranhüllen zu
Vesikeln. Indem sie diese auch
gleich „inhalieren“, räumen sie
das geschädigte Gefüge ab. Es
folgen bindegewebige, von Kapillaren begleitete Stammzellen,
welche vorerst nur die Aufgabe
haben, den Defekt aufzufüllen.
Diese heilende Dreieinigkeit,
vom Zahntraumatologen J.O.
Andreasen punktgenau „Wound
healing module“ (WHM) genannt, wird generell als „Granulationsgewebe“ (Gg) bezeichnet und zählt zu den entzündlichen, also pathologischen
Gewebsreaktionen. Genau genommen ist das WHM die normologische Reaktion auf einen pathologischen (weil unorganisierten) Zelltod, die Nekrose.
Der normologische (organisierte) Zelltod, die Apoptose,
kommt hingegen ohne diesen
geweblichen Großeinsatz aus.
Nur wenige Makrophagen werden benötigt, um die schon fertigen „Minisärge“ (Vesikel) zu
„bestatten“ (zu phagozytieren).
Dieser Ablauf ist strukturschonend und energiesparend. Aus
diesem Grund gibt es ihn auch
schon bei Einzellern (!), wo er
dem Wohle des Kollektivs dient.
Bei vielzelligen Organismen ist
er im Laufe der Jahrmillionen zu
einem unverzichtbaren Werkzeug geworden, das z.B. bestimmte Schritte in der Embryonalentwicklung
mitgestaltet
oder eine Verjüngung von Geweben ohne deren Expansion ermöglicht.
Zurück zum Gg, dem täglichen Begleiter zahnärztlicher
Diagnose und Behandlung. Die
„Granula“ (Körnchen), nach
denen es benannt ist, sind jene
mit freiem Auge sichtbaren, kapillarreichen und daher rot gefärbten Gewebsnasen, die
sichtbar werden, wenn das Gg
wie z.B. beim Ulcus cruris nach
außen nicht begrenzt ist. Der
rein deskriptive, mindestens
150 Jahre alte Ausdruck „Gg“
gibt also unser heutiges Wissen
nicht wieder, ja verwirrt sogar,
indem er sprachlich auch noch
zu einem Tumor („Granulom“)
mutiert wird, wenn das Gg immer größer zu werden scheint
und keinen Willen erkennen
lässt, zu „heilen“, also zu verschwinden.
Wer das Gg jedoch als WHM
versteht, dem ist klar, dass es nur
deshalb immer noch anwesend
ist, weil es weiterhin Zellnekrosen, d.h. pathologische Zellvernichtung zu bewältigen gibt. Jeder fortgesetzte Schaden muss
weitere Reparaturen in Form
von Gg nach sich ziehen. Je länger die Noxe einwirkt, umso umfangreicher wird das direkt oder
„kollateral“ geschädigte Areal
und umso mehr zusätzliche
Abwehrzellen werden über
Gewebsbotschaften (Entzündungsmediatoren wie z.B. Interleukine, Prostaglandine, Tumor-Nekrosis-Faktor) angelockt, um die Noxe endlich auszuschalten. Ist dies unmöglich,
bildet sich ein Abwehrwall aus
Leukozyten, der von innen nach
außen eine typische Schichtung
bis hin zu einer bindegewebigen
Kapsel aufweisen kann und je
nach Menge und Virulenz der
Noxe konstant groß bleibt oder
expandiert, bis er u.U. durch die
nächste Oberfläche bricht und
so die Noxe abstoßen kann. Wer
diesen Prozess beenden will,
sollte selektiv die Noxe und nicht
das Granulom als Ganzes bekämpfen.
Im Falle der apikalen Parodontits hat dieses Umdenken bereits gefruchtet: nicht mehr das
„minutiöse Auskürettieren“ des
„Granuloms“ (wie früher gelehrt) ist vordringlich, sondern
die Ausschaltung der Bakterien
im Wurzelkanal, zu welcher der
ª
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Abb. 2: Ersatzresorption bei einer
9-jährigen Patientin. 10 Monate
nach Replantation des avulsierten
und unsachgemäß gelagerten Zahnes 21 ist die Wurzelkontur verschwommen bis verschwunden.
Knochentrabekel reichen bis an die
Wurzelkanalfüllung. Die Prognose
ist infaust.
ª
Körper nicht imstande ist. Nur
dann, wenn ein chirurgischer
Eingriff diese Ausschaltung besser bewirkt als ein konservativer,
ist ersterer indiziert. Die „Ausheilung“ des „Granuloms“ richtet sich nur nach der noch oder
nicht mehr vorhandenen, zumeist bakteriellen Noxe und besteht in der Weiterentwicklung
der eingewanderten Stammzellen zu dem Gewebe, von dem sie
stammen: Pulpa, parodontales
Ligament oder Alveolarknochen.
Im Gegensatz zur apikalen
Parodontitis gelten Zahnwurzelresorptionen auch heute noch
als geheimnisumwittertes Damoklesschwert unter dem Zeichen der Autoaggression: das
Granulom wird von vielen Autoren noch immer als unkontrolliert wucherndes Gewebe gesehen, welches an einem Zahn
knabbert, bis dieser hinüber ist.
Inzwischen sind jedoch die sechs
wesentlichen Typen so ausreichend erforscht, dass sie auf
plausiblere Erklärungen zurückgeführt werden können, in
welchen das WHM eine zentrale
Rolle spielt:
1. Die Oberflächenresorption
(Abb. 1). Hier wird ein traumatisch bedingter, nicht infizierter
Zellschaden am Zahnzement
durch Odontoklasten (mehrker-
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Austrian Edition · Nr. 3/2008 · 7. März 2008
Abb. 3: Endodontisch bedingte Wurzelresorptionen bei den Zähnen 22,
21 und 11 eines 11-jährigen Patienten, 5 Monate nach einem Intrusionstrauma. Man beachte die mottenfraßartig veränderte Wurzelkontur
und die begleitenden Aufhellungen
im Zahnbett, die nur bei massiver
bakterieller Infektion des Dentins beobachtet werden. Diese wiederum
stammt von der nekrotischen, nicht
anbehandelten Pulpa.
Abb. 4: Zervikale Wurzelresorption
bei Zahn 13 eines 34-jähigen Patienten, vier Jahre nach operativer Freilegung des bis dorthin impaktierten
Zahnes. Wegen einer aufgetretenen
Ankylose wurde drei Jahre später
eine Lockerung mit der Zange
zwecks kieferorthopädischer Einreihung vorgenommen. 3 Traumen
(Freilegung, Lyse und KFO) kommen
hiermit als Ursache für die ursprüngliche Resorption infrage, welche
schließlich von sulkulären Bakterien
sekundär infiziert und damit chronisch wurde.
Abb. 5: Interne Resorption nach
Wurzelfraktur der Zähne 21 und 11
bei einem 9-jährigen Patienten. Die
Resorption zwei Monate nach dem
Trauma liegt typischerweise auf
Höhe des Bruchspaltes und beschränkt sich auf die Stelle der mechanischen Schädigung. Die Sensibilitätsreaktion ist bei beiden Zähnen
positiv. Spontane Ausheilung ist zu
erwarten.
Abb. 6: Internes Granulom bei einer
9-jährigen Patientin. Deutlich ist zu
erkennen, dass der betroffene Zahn
11 nach einer Kronenfraktur trepaniert worden ist, aufgrund der zu
kleinen Trepanationsöffnung jedoch
die Pulpa nicht vollständig exstirpiert werden konnte. 13 Monate
nach dem Eingriff zeigt sich ein apikal vitaler Pulpastumpf, der gegen
den koronalen nekrotischen Teil hin
ein Granulom gebildet hat. Quasi
als Kollateralschaden wird hierbei
das Dentin kugelförmig anresorbiert. Die Behandlung erfolgte in
diesem Fall konventionell durch Exstirpation der gesamten Pulpa.
nige Form der Makrophagen)
abgebaut und der Defekt anschließend durch Zementoblasten aufgefüllt (d.h. klassische Reparatur über das WHM mit
Stammzellen vom Typ der Präzementoblasten). Im Kleinbild entsteht eine wellige Kontur der
Wurzeloberfläche, die sich – bei
stets scharf begrenztem Parodontalspalt – allmählich wieder
glättet. Das Ausgangstrauma
kann auch eine kieferorthopädische Bewegung gewesen sein.
beginnt nach einem schweren
Parodontaltrauma (z.B. Avulsion) als Oberflächenresorption.
Erreichen die Klasten das Dentin, so strömen ihnen aus den
Dentintubuli Toxine aus der
gangränös zerfallenden Pulpa
entgegen, worauf sich die Resorption verstärkt. Der Zahn
kann so binnen weniger Monate
völlig resorbiert werden (das
WHM wird in der Resorptionsphase arretiert). Die Resorption
kommt erst durch eine Desinfektion des Wurzelkanals zum
Stillstand.
lich des koronalen Anteils sollte
daher zu spontaner Verkleinerung des „Granuloms“ durch
Differenzierung seiner Stammzellen zu Odontoblasten und anschließender Hartgewebsbildung führen. Als „State of the
Art“ wird allerdings die besser
praktikable Exstirpation der
gesamten Pulpa mit anschließender Füllung des gesamten
Hohlraumes angesehen.
wirksamere Behandlungen als
die der Immunsuppression gefunden werden. Oder sind wir
tatsächlich überzeugt, dass hunderte Millionen Jahre der Evolution nicht ausgereicht haben,
um unserem Körper beizubringen, was fremd und was er selber
ist?? DT
2. Die Ersatzresorption (Abb. 2).
Sie tritt zumeist bei avulsierten
Zähnen auf, die nach stärkerer
extraoraler Schädigung der
Wurzelhaut (z.B. trockene Lagerung) wieder replantiert wurden. Aus Mangel an noch vorhandenen parodontalen Stammzellen wird der Parodontalspalt
durch ein WHM repariert, welches ausschließlich Knochenstammzellen mit sich führt. Der
Zahn verknöchert (Ankylose)
und wird fortan in den laufenden
Knochenumbau einbezogen,
was zu einem vollständigen Ersatz der Zahnwurzel durch Knochen führt. Der ständige Umbau
provoziert sehr häufig eine zervikale Resorption (s. Punkt 4), die
den Verlust des Zahnes bewirkt.
Eine Therapie dieser Resorption
ist bislang nicht bekannt.
3. Die endodontisch bedingte
Wurzelresorption (Abb. 3). Sie
4. Die zervikale Wurzelresorption (Abb. 4). Auch hier ist eine
Oberflächenresorption der Ausgangspunkt (bei replantierten
Zähnen eine Ersatzresorption),
allerdings kommt es über den
benachbarten Sulcus gingivae
zu einer permanenten Infektion
der Resorptionsstelle. Dieser
Prozess kann naturgemäß auch
pulpavitale Zähne befallen und
entspricht wie im Punkt 3 einem
WHM in permanenter Resorptionsphase. Therapeutisch muss
die Resorptionsstelle bis in die
Dentintubuli hinein desinfiziert
und dann gegen das Mundmilieu
hermetisch abgedichtet werden.
Abschließend ist zu sagen,
dass die lückenlose Aufklärung
„granulomatöser“ Prozesse um
den Zahn (zu denen auch die
marginale Parodontitis zählt)
Anlass zur Hoffnung gibt, dass es
auch für andere, „geheimnisumwitterte“ Erkrankungen, z.B.
die des „Rheumatischen Formenkreises“, überzeugendere
Erklärungen als die der Autoaggression gibt. Damit sollten auch
ao. Univ.-Prof.
Dr. Kurt A. Ebeleseder
Universitäts-Klinik für Zahn-,
Mund- und Kieferheilkunde
Graz
Abteilung Zahnerhaltungskunde
8036 Graz
Auenbruggerplatz 6A
Tel.: 03 16/3 85-39 67
Fax: 03 16/3 85-33 75
kurt.ebeleseder@
meduni-graz.at
Über den Autor
– 1994 Gründung der ARGE
Zahntraumata in der ÖGZMK
– 1998 Habilitation und Ernennung zum ao. Univ.-Prof.
5. Interne Resorption nach
Wurzelfraktur (Abb. 5). Sie
kann als Variante der Oberflächenresorption an der pulpalen
Seite betrachtet werden. Das
WHM bringt Stammzellen der
bipolaren Pulpazone mit sich,
was in einem dichten Neuanbau
von Dentin resultiert, welches
die Frakturenden physisch vereinigt.
6. Internes Granulom (Abb. 6).
Die nach einem Trauma (Dislokation, Trepanationsversuch,
Beschliff) apikale vital verbliebene Pulpa bildet ein WHM
(in permanenter Resorptionsphase) gegen den koronalen,
gangränösen Rest. Eine Exstirpation und Desinfektion ledig-
Kontakt:
ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt A. Ebeleseder
– 1983 Promotion
– 1987 allgemeinmedizinisches
ius practicandi
– 1989 Facharzt für ZMK
Wissenschaftliche Aktivitäten:
– wissenschaftliches Zahntrauma – Archiv
– 60 schriftliche Publikationen
– 200 Vorträge
– 11 nationale und internationale Auszeichnungen
– Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Zeitschriften „Endodontie“ und „Oralprophylaxe“
– Mitglied der EAPD (European
Academy for Pediatric Dentistry) und IADT (International
Association for Dental Traumatology)
– Gutachter für die wissenschaftlichen Zeitschriften
Bone, Histology and Histopathology, Stomatologie
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29.02.2008
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14 Endodontics special
ª
steht darin, kleinste (anatomische) Zahnstrukturen zu erkennen und zu differenzieren. Häufig werden Wurzelkanäle aufgrund unzureichender Sichtund Lichtbedingungen übersehen oder nicht ausreichend dargestellt, weil sie von vorhandenen Zahnstrukturen verdeckt
werden. Wissenschaftliche Studien belegen seit vielen Jahren,
dass nicht aufgefundene und unbehandelt gebliebene Wurzelkanäle Ursachen für fortbeste-
hende Symptome und eine fehlende Ausheilung darstellen.
Mithilfe eines Dentalmikroskops
werden nach zahlreichen Studien die besten Ergebnisse erzielt, um Wurzelkanäle und Isthmen auszumachen.
Im weiteren Verlauf einer
endodontischen Therapie erfolgen zahlreiche Einzelschritte, in
denen das Wurzelkanalsystem
optimal gereinigt, desinfiziert
und ein bakteriendichter Verschluss vorbereitet wird. Erfolgt
dies ohne optische Kontrolle, besteht die Gefahr, dass der Abtransport von Dentinspänen und
Weichteilgeweben
(Debris)
unterbleibt. Zudem könnten biologische Komplikationen entstehen, beispielsweise durch den
Transport von infiziertem Material über das Wurzelkanalsystem
hinaus in das umliegende Gewebe. Seitliche Kanalerweiterungen verbergen oftmals infiziertes Material, das ebenfalls einen Behandlungserfolg verhindert. Diese Lakunen lassen sich
Austrian Edition · Nr. 3/2008 · 7. März 2008
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DTA0308_15-16_Holly
29.02.2008
13:15 Uhr
DENTAL TRIBUNE
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Endodontics special 15
Austrian Edition · Nr. 3/2008 · 7. März 2008
Diagnoseabhängige endodontische Therapie
von Dr. Matthias Holly und DDr. Johannes Klimscha
WIEN – Eine korrekte Diagnosestellung ist der Schlüssel zu
einer endodontischen Behandlung mit vorhersagbarer Prognose. Hierbei sollten vorhandene Symptome, die zeitliche
Entwicklung der Symptome
sowie diagnostische Tests und
klinische Inspektionen in Betracht gezogen werden. Die gestellte Diagnose determiniert
die entsprechende Therapiedurchführung, die wiederum
ein ausschlaggebendes Kriterium für den Langzeiterfolg einer Wurzelkanalbehandlung
ist.
Eine Vielzahl von diagnostischen Einteilungen der Entzündungsstadien der Pulpa ist in der
Literatur zu finden. Die meisten
beschreiben sehr ausführlich die
histologischen Verlaufsformen
der Pulpitis, die jedoch ohne vorherige Entfernung des Pulpengewebes nicht bestimmt werden
kann. Des Weiteren lassen sich
nicht eindeutig die histologischen Verlaufsformen klinischen Symptomen zuordnen.
Zurzeit findet hauptsächlich
eine modifizierte Version der
Klassifikation von Morse et al.1
von 1977 ihre Anwendung. Diese
bezieht sich in gewisser Weise
auch auf den histologischen Zustand der Pulpa, führt den Behandler allerdings in die Richtung einer je nach Diagnose spezifischen endodontischen Therapie.
Reversible Pulpitis
Bei der klinischen Diagnose
einer reversiblen Pulpitis ist die
Pulpa vital, dennoch gibt es lokale Areale mit entzündetem Gewebe, die durch die endodontische Therapie der vitalen Pulpa
ausheilen können. Dazu zählen
Maßnahmen wie die indirekte
und direkte Überkappung als
auch die Beseitigung einer kariösen Läsion, einer undichten
Füllung oder eines Vorkontaktes.
Die beste endodontische
Therapie stellt auf jeden Fall die
Vitalerhaltung des Zahnes dar.
Die beste Füllung des Kanals ist
die vitale gesunde Pulpa.
Die Problematik der Diagnosestellung besteht allerdings
hauptsächlich in der Unterscheidung zwischen einer reversiblen
und einer irreversiblen Pulpitis.
Also genau dort, wo die Möglichkeit einer Vitalerhaltung des
Zahnes endet und ein Einschreiten im Sinne einer vollständigen
Entfernung des Pulpagewebes
beginnt.
Vorhandene Symptome können aber in diesem Fall irreführend sein. Es kann schwierig
sein zwischen einer reversiblen
und irreversiblen Pulpitis mit
den uns zur Verfügung stehenden Tests genau zu unterscheiden. Außerdem besteht, wie
schon erwähnt, eine schwache
Korrelation zwischen histopathologischem Zustand der Pulpa
und den klinischen Symptomen.
Im Falle einer reversiblen
Pulpitis sollte die Pulpa jedenfalls
rasch abheilen, wenn die Irritation entfernt wurde. Es ist jedoch
in weiteren Sitzungen zu kontrollieren, ob sich nicht aufgrund einer nicht diagnostizierten irreversiblen Pulpitis mit milden
Symptomen eine asymptomatische Nekrose entwickelt hat.
darstellt. Die Ausbildung einer
apikalen Parodontitis wäre die
weitere Folge in diesem Szenario.
Symptome können auch hier
irreführend sein und es ist gut
dokumentiert, dass eine irreversible Pulpitis in den meisten Fällen vollkommen asymptomatisch verlaufen kann.2 Je älter
der Patient, umso geringer
scheint eine Assoziation mit
Schmerzbildern zu sein.3 Momentan ist nicht bekannt, wie
ein asymptomatisches Absterben der Pulpa zustandekommt.
Eine Vermutung ist, dass die Progression der Entzündung zur
Nekrose in manchen Fällen zu
rasch abläuft, um Schmerzsymptome zu erzeugen. Auf der
anderen Seite wird gegensätzlich propagiert, dass der Prozess
so langsam abläuft und die klassischen Entzündungsmediatoren niemals ein kritisches Level
überschreiten.
In der täglichen Praxis liegt
das Augenmerk hauptsächlich
auf den symptomatischen Fällen
der irreversiblen Pulpitis, und
diese reagieren meist auf thermale Veränderungen und das
Schmerzbild zeigt auch nach
Entfernung des Reizes einen andauernden Schmerzcharakter.
Irreversible Pulpitis
Das klarste Zeichen für eine
irreversible Pulpitis stellt das
Auftreten von früheren spontanen Schmerzen dar, die ohne
thermalen Reiz ausgelöst wurden und meistens nachts auftreten.
Im Falle einer irreversiblen
Pulpitis ist die Pulpa zwar noch
vital, allerdings hochgradig entzündet, sodass rein vitalerhaltende Maßnahmen unweigerlich zu einer Nekrose führen, die
eine ideale Ausgangssituation
für eine vollständige Infektion
des Wurzelkanals mit Bakterien
Die endodontische Maßnahme bei einer irreversiblen
Pulpitis stellt die Reinigung des
Kanalsystems unter sauberen
Bedingungen dar, um den Zutritt
von Bakterien während der Behandlung zu vermeiden. Um
diese Bedingungen zu erfüllen ist
DIAGNOSE
STATUS
THERAPIE
ZIEL
Reversible Pulpitis
Vital
Vitalerhaltung
Prävention
Irreversible Pulpitis
Vital
Wurzelkanalbehandlung
Infektionskontrolle:
• Kariesentfernung
• Aufbaufüllung
• Kofferdam
• Chemomechanische Aufbereitung
• Raschestmögliche Obturation
Prävention
Pulpennekrose
ohne
apikaler Parodontitis
Devital
Wurzelkanalbehandlung
Infektionskontrolle:
• Kariesentfernung
• Aufbaufüllung
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• Chemomechanische Aufbereitung
• Hauptaugenmerk: Desinfektion
•Medizinische Einlage
Prävention
Pulpennekrose
mit
apikaler Parodontitis
Devital
Wurzelkanalbehandlung
Infektionskontrolle:
• Kariesentfernung
• Aufbaufüllung
• Kofferdam
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• Hauptaugenmerk: Desinfektion
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Elimination
Dr. Matthias Holly
DDr. Johannes Klimscha
es essenziell, eine vollständige
Kariesentfernung vor der Trepanation und eventuell die Entfernung der alten Füllung durchzuführen. Um eine gute weitere
Infektionskontrolle während der
Behandlung zu gewährleisten, ist
die Anfertigung einer dichten
Aufbaufüllung, das Anlegen von
Kofferdam und der dichte provisorische Verschluss des Zahnes
ausschlaggebend. Eine raschestmögliche Füllung des Wurzelkanals, wenn möglich, in derselben Sitzung sollte angestrebt
werden.
Diese Unterscheidung ist natürlich klinisch nicht leicht nachvollziehbar und hat ihre Bedeutung hauptsächlich in der Behandlung von Zähnen mit nicht
abgeschlossener Apexbildung.
In diesem Fall kann eine Eröffnung der Pulpenkammer und
Entfernung des nekrotischen
Gewebes bis zu einem eventuell
vorhandenen vitalen Pulpenrest
erfolgen.
Nekrotische Pulpa
Ist es zu einer Nekrose der
Zahnpulpa gekommen, kann
man histologisch in partielle und
totale Nekrose unterscheiden.
Im vollständig ausgebildeten
Zahn ist die Hauptfrage, ob der
nekrotische Zahn eine Infektion
aufweist oder nicht. Es zeigt sich,
dass alle Zähne mit periapikalen
Läsionen einen infizierten Pulpenraum aufweisen. Nekrotische Zähne ohne periapikale Lä-
ª
Fall 1:
Irreversible Pulpitis 17, Kariesentfernung, Aufbaufüllung, Exstirpation, Aufbereitung, Reinigung und Füllung in einer Sitzung.
A
B
Fall 2:
A: Apikale Parodontitis 46, Entfernung undichte Füllung, Aufbaufüllung, Revision, Desinfektion mit NaOCl, EDTA, CHX, CaOH-Einlage, dichte provisorische Füllung.
B: Apikale Läsion in Heilung, Zustand 4 Monate nach Obturation.
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DENTAL TRIBUNE
16 Endodontics special
ª
sion sind möglicherweise infiziert oder auch nicht. Da aber die
Läsion radiologisch erst nach einem signifikanten Knochenverlust sichtbar wird, ist die Empfehlung, alle nekrotischen
Zähne als bereits infiziert anzusehen und nach dem entsprechenden Protokoll mit dem
Hauptaugenmerk auf der Desinfektion zu behandeln.
Apikale Parodontitis
Das zentrale Krankheitsbild
der Endodontie stellt die apikale
Parodontitis dar. Das Ziel der
Endodontie ist die Prävention
bzw. die Heilung der apikalen Parodontitis. Die präventiven Maßnahmen beziehen sich vorwiegend auf die vitale Pulpa, während die Elimination bzw. Heilung der apikalen Parodontitis
durch eine Desinfektion des Kanalsystems erreicht wird.
Die Heilung der apikalen Parodontitis kann nur durch eine
Reduktion der Bakterienanzahl
im Kanalsystem und einem anschließenden dichten Verschluss
erreicht werden. Die Reduktion
der Bakterien erfolgt neben der
mechanischen Präparation, dem
Einsatz von Spülmitteln vor
allem durch medikamentöse
Zwischeneinlagen oder dem zusätzlichen Einsatz von Laserbestrahlung.
Die apikale Parodontitis ist
eine rein bakteriell induzierte
Erkrankung. Das Keimspektrum einer primären intraradi-
Austrian Edition · Nr. 3/2008 · 7. März 2008
kulären Infektion besteht aus einer Mischflora von 10–30 Spezies, vor allem aus gramnegativen anaeroben Keimen. Die sekundäre intraradikuläre Infektion umfasst zusätzlich zum
Keimspektrum der primären
Problemkeime, wie z.B. Enterococcus faecalis, den bekanntesten aus dieser Gruppe. Diese
Problemkeime besiedeln jedoch
größtenteils erst während oder
nach der Behandlung das Wurzelkanalsystem aufgrund fehlender aseptischer Arbeits-
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SPRUNG
weise. Daraus kann sich in weiterer Folge eine therapieresistente, persistierende Infektion
entwickeln. Wir müssen daher,
um dem Ziel der Endodontie,
der Prävention bzw. Heilung der
apikalen Parodontitis gerecht zu
werden, eine aseptische Arbeitsweise einhalten.
Dazu zählen Maßnahmen
wie die vollständige Kariesentfernung vor der Trepanation, die
Entfernung der alten Füllung,
Anfertigung einer neuen Füllung
in SÄT, Anlegen von Kofferdam,
und der dichte provisorische
Verschluss nach der Reinigung
des Kanalsystems
Endodontischer Erfolg
Die Hauptindikationen für
eine endodontische Therapie
sind die irreversible Pulpitis und
die Nekrose der Pulpa mit oder
ohne das Vorhandensein einer
apikalen Läsion. Beide können
mit Schmerzsymptomen assoziiert sein oder auch nicht. Bei
symptomatischen Zähen ist
das primäre Ziel der Behandlung selbstverständlich das Erreichen von Schmerzfreiheit.
Dies stellt auch das augenscheinlichste Erfolgskriterium
einer Wurzelbehandlung dar, sowohl für den Patienten als auch
den Zahnarzt. In den meisten
Fällen ist die Schmerzfreiheit
durch die endodontische Therapie auch leicht zu erreichen.4
Entscheidend für den Langzeiterfolg der Behandlung ist
allerdings die Abwesenheit, Abheilung oder Elimination einer
apikalen Entzündung.
Eines der wichtigsten Kriterien für den Langzeiterfolg der
Behandlung ist eine aseptische
Behandlungsweise.
Mit einer diagnoseabhängigen Arbeitsweise und Einhaltung der geforderten Infektionskontrolle im Behandlungsprotokoll können heutzutage unabhängig von der ursprünglichen
Anwesenheit einer apikalen Entzündung Langzeiterfolgsraten
von 80 bis sogar 98 Prozent erreicht werden. DT
Literatur
1. Morse DR, Seltzer S, Sinai I, Biron
G. Endodontic classification. J Am
Dent Assoc 1977: 94: 685–689.
%INæINNOVATIVESæ3YSTEM
EFlZIENTæEINFACHæSICHER
2. Bender IB. Reversible and irreversible painful pulpitides: diagnosis
and treatment. Aust Endod J 2000:
26: 10–14.
3. Michaelson PL, Holland GR. Is pulpitis painful? Int Endod J 2002: 35:
829–832.
4. Siqueira JF Jr, Rôças, Favieri A, Machado AG, Gahyva SM, Oliveira
JCM, Abad EC. Incidence of postoperative pain following intracanal procedures based on an antimicrobial strategy. J Endod 2002: 28:
457–460.
0RAXISSTEMPEL
Kontakt
Dr. Matthias Holly
[email protected]
DDr. Johannes Klimscha
[email protected]
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Endodontics special 17
Patientenfall:
Prämolar mit ungewöhnlichem
röntgenologischen Erscheinungsbild
von Dr. Jörg Schröder, Deutschland
BERLIN – Die klinische Inspektion und die röntgenologische Darstellung eines Zahnes
ermöglichen es, Rückschlüsse
hinsichtlich der zu erwartenden Wurzelkanalanatomie zu
ziehen.
Der vorliegende Fall soll zeigen, dass in Fällen mit präoperativ nicht eindeutig zu beurteilender Kanalanatomie durch ein
exploratives Vorgehen unter Einsatz des Dentalmikroskopes auch
klinisch seltener anzutreffende
Behandlungssituationen bewältigt werden können.
Fallbeispiel
Ein 37-jähriger Patient mit
unauffälliger Allgemeinanamnese wurde aufgrund einer seit
einem Jahr bestehenden, nicht
schmerzhaften Fistelung an Zahn
15 zur Behandlung überwiesen.
Der Patient war völlig beschwerdefrei. Er berichtete über eine
zeitweilige Sekretion aus der Fistelöffnung, die ihn aber nicht weiter gestört habe. Nachdem sich
röntgenologisch eine recht große
laterale Aufhellung zeigte, wurde
er von seinem behandelnden
Zahnarzt zur Revisionsbehandlung überwiesen.
Anamnestisch ergab sich,
dass Zahn 15 vor ca. zwei Jahren
endodontisch behandelt wurde.
Ein Jahr später erfolgte die Eingliederung eines Keramikinlays
(Abb. 1). Kurz darauf, die keramische Restauration wurde im Übrigen ohne Kofferdam eingegliedert, zeigte sich vestibulär eine
Fistelöffnung.
Die klinische Inspektion offenbarte eine suffiziente keramische Restauration. Die Sondierungstiefen lagen innerhalb
physiologischer Grenzen. Es zeigte sich keine erhöhte Beweglichkeit. Es gab keine Anzeichen
für eine Vertikalfraktur. Der Zahn
war weder vertikal noch lateral
perkussionsempfindlich. Es gab
keine palpatorische Druckdolenz. Vestibulär fiel ein 11 mm
horizontal sondierbarer Fistelgang mit Sekretion auf. Das angefertigte präoperative Röntgenbild
mit im Fistelgang eingeführtem
Guttaperchapoint (Abb. 2) zeigte
eine Verbindung des Fistelganges
zu einer mesial im mittleren Wurzeldrittel gelegenen Aufhellung.
Die vorhandene Wurzelfüllung
war ungewöhnlich weit und
erschien apikal zu kurz. Weiter
koronal fielen rundliche Ausbuchtungen auf. Es wurde die
Anfangsdiagnose chronische apikale Parodontitis nach unvollständiger Wurzelkanalfüllung
gestellt. Aufgrund einer vor Jahren erfolgten kieferorthopädischen Behandlung mit Entfernung von Zahn 14 kam differen-
zialdiagnostisch als Ursache für
die laterale Aufhellung neben einer tiefen Vertikalfraktur auch
ein eventuell belassener Wurzelrest oder eine odontogene Zyste
infrage.
Dem Patienten wurde aufgrund des ungewöhnlichen radiologischen Erscheinungsbildes
der Vorschlag gemacht, zunächst
eine nichtchirurgische Revision
der Wurzelkanalbehandlung unter dem Dentalmikroskop durchzuführen. Im Zuge dieser Behandlung können mehrere Ursachen (Leakage, unvollständige
Wurzelfüllung und Vertikalfraktur) ausgeschlossen werden.
Nach Lokalanästhesie und
Applikation des Kofferdams
stellte sich nach Anlegen der
Zugangskavität heraus, dass das
ehemalige Pulpakavum vollständig mit Guttapercha gefüllt war
(Abb. 3). Nach Reduktion mittels
langsam rotierender Rosenbohrer bis auf Höhe des Wurzelkanaleingangs konnte an der mesiopalatinalen Wand ein feiner
Haarriss festgestellt werden
(Abb. 4). Es schienen zwei Kanalsysteme obturiert zu sein. Das
bukkal gelegene System zeigte
mehrere Guttaperchaspitzen lateral kondensiert (Abb. 5). Weiter
nach distal konnten in einer
Rinne am Pulpaboden kleine Gewebereste identifiziert werden
(Abb. 6), die durch ultraschallunterstützte Irrigation entfernt werden konnten (Abb. 7). Nach der
Reduktion der bukkalen Guttapercha und Instrumentierung einer kleinen Vertiefung am vermeintlichen Pulpaboden konnte
weiter apikal ein großer Hohlraum dargestellt werden (Abb. 8
und 9). Die ursprünglich für den
Pulpaboden gehaltene Dentinstruktur erwies sich als extrem
großer Dentikel, der vom Vorbehandler, vermutlich aufgrund
fehlender Vergrößerungshilfen,
an zwei Stellen im Zuge der Wurzelkanalbehandlung perforiert
und anschließend mit Guttapercha verschlossen worden war.
Nach Reduktion des Dentikels
mittels Ultraschall konnten weiter apikal große Mengen nekrotischen Gewebes entfernt werden
(Abb. 10 und 11). Nach vollständiger Aufbereitung gab es eine Erklärung für das ungewöhnliche
röntgenologische Erscheinungsbild des Zahnes: Es lag ein großer, nahezu kreisrunder Kanalquerschnitt vor (Abb. 12), der im
koronalen Anteil einen, den Kanal fast vollständig versperrenden, Dentikel enthielt. Bei der
Vorbehandlung wurde dieser an
zwei Stellen perforiert und anschließend, in der Annahme
zweier getrennt verlaufender Kanalsysteme, obturiert. Das in großen Mengen belassene nekroti-
Abb. 1: Zahn 15, Ansicht von okklusal,
Keramikinlay od.
Abb. 2: Präoperatives Röntgenbild mit
im Fistelgang eingeführtem Guttaperchapoint.
Abb. 3: Endodontische Zugangskavität durch Keramikinlay.
Abb. 4: Haarriss an mesiopalatinaler
Kanalwand.
Abb.5:Vorhandene Wurzelfüllung,dazwischen zementgefüllte Vertiefung.
Abb.6:Bukkale Obturation,gewebegefüllte Rinne.
Abb. 7: Rinne nach ultraschallunterstützter Irrigation.
Abb. 8: Dentikel zentral perforiert.
Abb. 9: Guttapercha in bukkalem Kanal entfernt, zentrale Vertiefung eröffnet.
Abb. 10: Mobiles Dentikelfragment.
Abb. 11: Dentikelfragment nach Ultraschalleinsatz.
Abb. 12: Foramen ISO 120.
Abb. 13: Messaufnahme.
Abb. 14: Papierspitze ISO 120.
Abb. 15: CaSO4-Widerlager.
Abb. 16: MTA-Plug.
Abb. 17: MTA-Plug.
Abb. 18: DT-LightPost.
Abb. 19: Capillary-Tip zum Einbringen des Komposits.
Abb. 20: Dualhärtendes Komposit eingebracht.
Abb. 21: Okklusaler Verschluss.
sche, infizierte Pulpagewebe
führte über den an der mesiopalatinalen Kanalwand gelegenen
Haarriss – vermutlich im Sinne
eines iatrogenen Portal of Exit in
der Folge einer lateralen Kon-
densationstechnik – zur Entstehung der lateralen Aufhellung.
ª
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18 Endodontics special
ª
Nach ausgiebiger, ultraschallunterstützter Irrigation
mit 5 %igem NaOCl und 2 %igem
CHX konnte unter endometrischer Kontrolle ein Reamer der
ISO-Größe 120 mit leichter
Klemmung auf Arbeitslänge eingebracht werden. Anschließend
wurde die Röntgenmessaufnahme angefertigt (Abb. 13), eine medikamentöse Einlage mit
CaOH2 eingebracht und der
Zahn dentindadhäsiv verschlossen.
In der zweiten Behandlungssitzung 4 Wochen später zeigte
sich ein vollständiger Verschluss
der Fistelöffnung. Nach absoluter
Trockenlegung und ausgiebiger
Spülung mit 5 %igem NaOCl und
17 %iger EDTA wurde der Kanal mittels steriler Papierspitzen
getrocknet (Abb. 14). Der ausgeprägte periradikuläre knöcherne Hohlraum wurde anschließend bis zum Foramen mit
medizinischem Gips aufgefüllt.
Damit wurde für das als Obturationsmaterial einzubringende
DENTAL TRIBUNE
Abb. 22: Postoperatives Röntgenbild.
Abb. 23: Recall 8 Monate.
Abb.24:22 Monate nach der Revisionsbehandlung zeigt sich der Bereich der knöchernen Läsion vollständig regeneriert.
MTA ein apikales Widerlager geschaffen (Abb. 15–17). Zur best-
möglichen Stabilisierung des
Zahnes erfolgte der vollständige
Kanalverschluss koronal des
MTA dentinadhäsiv. Ein eingebrachter Quarzfaserstift diente
als Makrofüller, um die Menge an
dualhärtenden Komposite und
somit auch die polymerisationsbedingte Schrumpfung zu minimieren (Abb. 18 und 19). Der
Quarzfaserstift wurde vollständig
in das Komposit eingebettet
(Abb. 20). Nachdem es chemisch
ausgehärtet war, wurde der okklusale Kavitätenteil mit einem
lichthärtenden Hybridkomposit
verschlossen (Abb. 21). Um eine
optimale Bindung an das noch
vorhandene Keramikinlay zu erzielen, wurden die Ränder der keramischen Restauration zuvor
angeätzt und silanisiert. Die postoperativ angefertigte Röntgenaufnahme zeigt einen vollständigen randständigen Verschluss
des Wurzelkanals (Abb. 22). Aufgrund der scharf abgegrenzten
lateralen Aufhellung mit fast vollständigem Verlust der knöchernen Struktur kann von einem fast
durchgängigen Knochendefekt
ausgegangen werden. Angesichts
dieser Ausgangssituation zeigt
das 8 Monate postoperativ erstellte Recallbild eine erfreuliche
Heilungstendenz (Abb. 23).
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Austrian Edition · Nr. 3/2008 · 7. März 2008
Der vorliegende Fall zeigt
anschaulich, dass durch den
Einsatz des Dentalmikroskopes
Zähne mit ungewöhnlichen
anatomischen Strukturen erfolgreich endodontisch behandelt
werden können. DT
Informationen zum Autor
– 1982–88 Studium der Zahnmedizin an der FU Berlin
– seit 2000 kontinuierliche Fortbildung im Bereich der Endodontie auf nationaler und
internationaler Ebene
– seit 2003 Einzelordination in
Berlin
– seit 2005 Behandlungsschwerpunkt Endodontie
– seit 2005 nationale und internationale Referententätigkeit
– seit 2006 Certified Member
der Europäischen Gesellschaft für Endodontologie
(ESE)
– Mitglied folgender wissenschaftlicher Gesellschaften:
• Deutsche Gesellschaft für
Endodontie, DG Endo
• Arbeitsgemeinschaft Endodontologie und Traumatologie, AGET
• European Society of Endodontology, ESE
Kontakt:
Dr. Jörg Schröder
Holsteinische Straße 53
D-10717 Berlin
Tel.: +49-30/86 39 63 35
Fax: +49-30/86 39 57 63
[email protected]
www.endodontie-in-berlin.de
DTA0308_19_Humanchemie
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Austrian Edition · Nr. 3/2008 · 7. März 2008
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Hamburg und Tübingen) entwickeltes stabilisiertes Gleichgewichtssystem. Durch seine
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ren Zähnen sind bei der Behandlung mittels Depotphorese Erfolgsquoten von bis zu 96 % belegt.
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bildung in der Parodontologie
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konventionellen Wurzelbehandlung. Eine grundsätzliche Voraussetzung für die erfolgreiche
Endodontiebehandlung ist bekanntlich die Schaffung einer
permanenten Sterilität im gesamten Wurzelkanal. Die Depotphorese ist bis heute das einzige
Verfahren, für das ein Sterilitätsnachweis für das gesamte apikale Delta und angrenzende
Wurzeldentin
dokumentiert
werden konnte. Herkömmliche
endodontische Verfahren behandeln dagegen überwiegend
nur den sog. Hauptkanal. Dadurch wird das Nebenkanalgebiet (oft über 70 % der Gesamtpulpa) infiziert hinterlassen und
eine röntgenologisch meist nicht
darstellbare Parodontitis apicalis chronica konserviert. Darüber hinaus bietet die Depotphorese der Endodontie ein viel weiteres Indikationsgebiet als bisher (z.B. obliterierte Kanäle). Die
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20 Endodontics special
DENTAL TRIBUNE
Austrian Edition · Nr. 3/2008 · 7. März 2008
Was ein moderner Apexlocator kann
von Harald Schlepper
MÜNCHEN – Über Jahrzehnte
galt für die Bestimmung der Arbeitslänge bei der Wurzelkanalbehandlung die Methode
der röntgenologischen Messung als Goldstandard. Die
Technik der elektronischen
Längenbestimmung wurde
zwar schon vor etwa 40 Jahren
entdeckt, aber der Weg zum
praxistauglichen Apexlocator
war weit und deswegen lange
Zeit keine echte Alternative.
Doch längst gibt es zuverlässige Geräte, die der Röntgenmethode eindeutig überlegen
sind.
Die Problematik bei der röntgenologischen Längenmessung
liegt hauptsächlich darin begründet, dass ein dreidimensional verlaufender Wurzelkanal nur zweidimensional dargestellt werden
kann. Die exakte Umrechnung
einer Kanalkurvatur ist anhand
des zweidimensionalen Bildes
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eines Wurzelkanals. Sie sind
kein Messgerät im Sinne des Medizinproduktegesetzes. Tatsächlich ist es nicht einmal korrekt,
von elektronischer Längenmessung zu sprechen. Und trotzdem
sind die Geräte der neuesten Generation präziser als Röntgen.
Harald Schlepper
schwierig. Hinzu kommt, dass gerade im Molarenbereich Kanäle
oft verdeckt liegen.
Ein moderner Apexlocator
kennt diese Probleme nicht, er
funktioniert einfach anders.
Allerdings gibt es ein weit verbreitetes Missverständnis über
die Messresultate: Diese elektronischen Geräte geben keine direkte Auskunft über die Länge
Eine elektrometrische (oder
endometrische) Messung müsste per definitionem ein metrisches Ergebnis produzieren,
also eine exakte Angabe in Millimeter. Das konnte und kann kein
Apexlocator. Auch nicht, wenn
das Gerät eine Millimeterskala
hat. Ein Apexlocator bestimmt
durch Auswertung elektronischer Signale einen Referenzpunkt. Das ist die engste Stelle
am Ende des Kanals, die apikale
Konstriktion, denn dort ist der
elektrische Widerstand am größten. Am physiologischen Apex
nimmt der Widerstand schlagartig ab. Ein gutes Gerät kann des-
Abb. 1: Der Apexlocator Raypex 5 von VDW.
wegen sehr präzise sowohl die
Lage der Konstriktion als auch
des Apex ermitteln, jedoch nicht
in einer metrischen Einheit.
Der Apexlocator (hier Raypex 5,
VDW) errechnet die Lage der
apikalen Konstriktion durch Impedanzmessung. Kurz bevor die
Spitze der Messfeile die apikale
Konstriktion erreicht, wird der
Apexzoom eingeschaltet. Diese
Anzeige visualisiert die apikale
Konstriktion in ihrer gesamten
Länge stark vergrößert. Allerdings stellt die Skala keine Millimeter dar, sondern die gesamte
Strecke von der Konstriktion bis
zum Foramen apicale. Diese
Strecke, egal ob sie < 1 mm oder
> 2 mm ist, wird mit Teilstrichen
skaliert. Der Zahnarzt entscheidet nach seiner Aufbereitungsphilosophie, ob er exakt an der
apikalen Konstriktion, an einem
beliebigen Punkt zwischen Konstriktion und Foramen apicale
oder erst am Apex seinen Aufbereitungspunkt festlegt. Der empfohlene Aufbereitungspunkt am
Eintritt der apikalen Konstriktion ist auf dem Display durch
grüne Balken zu erkennen (Abb.
1). Die tatsächliche Arbeitslänge
in Millimeter kann durch Ablesen von der Stopperposition am
Messinstrument ermittelt werden, falls gewünscht.
Der Apexlocator gibt zwar
keine Millimeter an, bestimmt
aber den gewünschten Aufbereitungspunkt genauer als Röntgen.
Denn er findet zuverlässig die
engste Stelle und auch deren Aus-
tritt am physiologischen Apex.
Nur darauf kommt es wirklich an.
Ein Apexlocator lässt sich auch
durch die Krümmung des Kanals
nicht ablenken. Auch die im Röntgenbild nur schwer oder gar nicht
darstellbaren verdeckten Kanäle
drei- oder vierwurzeliger Molaren stellen für den Apexlocator
nicht das geringste Problem dar.
Dass der Apexlocator im
Sinne des Medizinproduktegesetzes kein Messgerät ist, hat
auch einen praktischen Vorteil:
Er muss nicht regelmäßig gewartet (oder geeicht) werden.
Moderne Geräte müssen auch
nicht kalibriert werden. Und die
präzise Messung ohne Millimeterangabe ist strahlungsfrei, liefert sofort die Ergebnisse und der
Patient bekommt nur mit, dass
der Zahnarzt mit einem piepsenden Hightech-Apparat arbeitet.
Die DGZMK stellt in ihrer
wissenschaftlichen Stellungnahme 03/2004 (2) fest: Die Endometrie ist der röntgenologischen Bestimmung der apikalen
Konstriktion überlegen. Elektrometrische Längenbestimmung
ist als zusätzliche Leistung nach
GOZ 240 abrechenbar. Die Anschaffung eines Apexlocators
amortisiert sich schon nach ca.
60 Kanälen (3,5-facher Satz). Patienten-Informationsbroschüren mit vorgedruckter Behandlungsvereinbarung können kostenlos per Fax +49-89/62 73 41 95
unter Angabe des Stichwortes
„P-Info VW000190“ angefordert
werden.
Abb. 2: Die detaillierte Darstellung der Feilenposition im apikalen Bereich ist in
der Praxis ein großer Vorteil
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