Ackerbau N-Spätdüngung: Mehr Ertrag, bessere Qualität Für schwere Körner mit viel Eiweiß ist ausreichend Stickstoff nötig. Dr. Schönberger, N.U. Agrar GmbH, informiert. 54 top agrar 6/2011 M it spät gedüngtem Stickstoff nehmen wir Einfl uss auf den Ertrag und die Qualität des Weizens. Die Ertragswirkung beruht auf der Förderung der Blütenfertilität (= Bekörnung je Ährchen) und des Kornwachstums (= Bildung von Speicherzellen im Korn). Zudem wird durch eine rechtzeitige Spätdüngung der Wurzelabbau hinausgezögert, der mit dem Ährenschieben einsetzt. Diese Faktoren werden beeinfl usst, wenn Sie die Versorgung mit Stickstoff ab dem Fahnenblatt-Stadium bis zur Blüte anheben. Dadurch wird das Gewicht der zuerst gebildeten (Außen-) Körner gefördert. Wenn jedoch zusätzliche (Mittel-) Körner ausgebildet werden, kann trotzdem das mittlere TKG geringer ausfallen. Mehr Stickstoff ab dem Fahnenblatt Die Wirkung der Spätgabe auf die Qualität kommt zum Tragen, wenn die Speicherzellen gebildet worden sind. Hohe Proteingehalte setzen voraus, daß bereits im Pedunkel (= oberstes Halmstück) ein hoher Stickstoffvorrat vorhanden ist. Damit wird gewährleistet, dass ausreichend Stickstoff in den ersten 14 Tagen nach der Befruchtung für den Keimling und die Eiweißeinlagerung in In diesem Stadium können Sie durch das Vergleichen der Blattverfärbung sicher beurteilen, die Speicherzellen zur Verfü- ob der Weizen noch ausreichend mit Stickstoff versorgt ist oder die N-Nachlieferung aus dem Fotos: agrarfoto.com gung steht. Eine hohe N-Ver- Boden nachlässt. sorgung in der späten Schossphase wirkt sich nicht nur auf die Ertragsleistung, sondern auch auf die Backqualität positiv aus. In den ersten 14 Tagen nach der Befruchtung müssen immerhin 5 bis 8 kg/ha N aus Blättern und Halmen in die Körner umgelagert bzw. aus dem Boden aufgenommen werden. Für die Beurteilung der aktuellen N- die Pflanzen noch reichlich mit StickVersorgung hat sich der Blattvergleich stoff versorgt. Die Mehrzahl unserer Böden ist nicht zum Zeitpunkt des Fahnenblattstadi- ● Hellt das vierte gegenüber dem dritin der Lage, in der Phase der Kornbildung und Eiweißeinlagerung ausreichend ums zusammen mit dem Bestandesauf- ten Blatt auf, ist noch eine gute Versorbau als geeignetes Hilfsmittel erwiesen. gung gewährleistet. Stickstoff für hohe Erträge mit hohen Dünne Bestände haben in EC ● Sofort gedüngt werden muss, wenn Eiweißgehalten zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist eine N-Spätdüngung erfor37/39 weniger als 400, auf besse- das dritte gegenüber dem zweiten Blatt ren Standorten weniger als 600 aufhellt. derlich, wenn nicht durch langjährige orkräftige Halme und kaum noch unViel zu dichte, überzogene ganische Düngung ein hoher Stickstoffpool im Boden geschaffen wurde. Aber terständige Triebe ohne Ährenanlage. Bestände haben in EC 37/39 ● Sind in diesen Beständen die vier selbst in diesen Fällen wird meist pro Tag deutlich mehr als 600, auf besoberen Blätter eines Halmes gleich seren Böden mehr als 700 kräftinicht genug Stickstoff mineralisiert, um den N-Bedarf zu decken. grün, dann ist die Pflanze noch gut mit ge Triebe und eine Vielzahl noch nicht Stickstoff versorgt. reduzierter, unterständiger Triebe. ● Wird das vierte Blatt (von oben ge● Vier gleich grüne Blätter bedeuten in Wie hoch ist der N-Bedarf? zählt) gegenüber dem dritten Blatt be- diesem Fall, dass der Bestand heillos Bei 100 dt/ha Kornertrag und 13 % Eireits deutlich heller, ist dies ein Indiz für mit Stickstoff überzogen ist. ● Hellt das vierte gegenüber dem driteine nachlassende N-Nachlieferung. weiß müssen innerhalb von etwa 30 Ta● Beginnt bereits das dritte gegenüber gen nach der Blüte rund 190 kg N/ha ins ten Blatt auf, ist der Bestand immer Korn gepumpt werden. Ein vergleichbadem zweiten Blatt aufzuhellen, ist die noch reichlich mit Stickstoff versorgt. rer N-Bedarf ergibt sich bei 75 dt/ha mit N-Versorgung zu knapp; der Bestand Das Aufhellen bzw. Vergilben ist meist 15 % Eiweiß. Pro Tag müssen über 6 kg beginnt zu hungern. eine Reaktion auf den Lichtmangel im N/ha in das wachsende Korn transporEin dichter Bestand hat im Bestand. Stadium EC 37/39 auf schwä- ● Wird allerdings das dritte gegenüber tiert werden. cheren Böden über 600, auf bes- dem zweiten Blatt heller, lässt offenEin gut geführter Bestand nimmt bis zur Blüte insgesamt zwischen 150 und seren Böden über 700 kräftige Trie- sichtlich die N-Nachlieferung nach. be. Unterständige Triebe sind aber noch 180 kg N/ha auf. In Stroh und Spelzen Die Unterschiede in der Blattfarbe vorhanden. können Sie auch mit dem N-Tester verbleiben nach der Ernte 50 bis 70 kg/ha ● Bei vier gleich grünen Blättern sind N. Aus Blättern und Halmen werden sonachvollziehen. mit 80 und 130 kg N/ha ins Korn umgela- Diese Symptome zeigen die N-Versorgung an top agrar 6/2011 55 Ackerbau Übers. 1: N-Gesamtbedarf von Winterweizen Bodenart Bodenpunkte Ertragsziel dt/ha für Körner bei 13 % Eiweiß für Stroh + Wurzeln Reststickstoff Gesamt N-Bedarf S/lS 30 65 sL/L lU/uL tL/lT 60 80 50 90 100 80 N-Bedarf in kg/ha 120 170 180 155 50 45 215 65 55 290 70 60 310 60 70 285 Den je nach Standort notwendigen N-Gesamtbedarf aus Tabelle 1 setzen Sie in Tabelle 2 oben ein. Danach wird über Zu- oder Abschläge die erforderliche N-Spätgabe zu Weizen ermittelt. gert. Der Boden muss demnach zwischen 70 und 100 kg N/ha in der Zeit zwischen Blüte und beginnender Teigreife nachliefern. Das sind pro Tag zwischen 2 und 3 kg pro ha N. Selbst auf Spitzenböden ist im Juni/Juli nicht mehr mit derart hohen Freisetzungsraten zu rechnen. Wird zu Beginn des Kornwachstums, bis zwei Wochen nach der Blüte, nicht genügend Stickstoff ins wachsende Korn transportiert, leidet der Einzelährenertrag. Bereits befruchtete Kornanlagen werden nicht ausgebildet, das TKG begrenzt. Je mehr Stickstoff dagegen in der dritten bis vierten Woche nach der Blüte ins Korn kommt, umso mehr Eiweiß wird gebildet. Dazu ist allerdings auch ausreichend Sonne notwendig, genauso wie genug Schwefel und andere Nährstoffe, damit der Stickstoff in Eiweiß eingebaut werden kann. Nicht zu viel Stickstoff vorhalten Nimmt der Weizen vor der Blüte zu viel Stickstoff auf, der nicht in Eiweiß eingebaut werden kann, wird die Kornbildung verzögert. Eine überhöhte N-Versorgung vor und zur Blüte wirkt sich vor allem bei nachfolgender Hitze und unzureichender Wasserversorgung, aber auch bei verzögerter Abreife durch nasskaltes Wetter nachteilig aus. Eine überzogene Vorhaltestrategie bei der N-Spätdüngung verbietet sich deshalb nicht nur aus Kostengründen und wegen der Gefahr der späteren N-Auswaschung, sondern auch wegen möglicher Ertrags- und Qualitätseinbußen. Das Risiko ist umso höher, je geringer die Sonneneinstrahlung in dieser Zeit ist, weil dann nicht genug Kohlehydrate für die Proteinbildung zur Verfügung stehen. Wird sehr spät noch viel (Nitrat-) Stickstoff gedüngt oder viel Stickstoff aus dem Boden freigesetzt, verzögert sich die 56 top agrar 6/2011 Auslagerung von Stickstoff aus Blättern und Stängeln mit der Folge, dass die Ähre abreift, während das Stroh noch grün bleibt. Die Verzögerung der natürlichen Abreife wird durch Fungizide mit seneszenzverzögernder Wirkung verstärkt und geht zu Lasten der Kornbildung und der Eiweißeinlagerung ins Korn. Reichen Schwefel und Spurenelemente? Für den Einbau von Stickstoff in Amide und Eiweiß sind Enzyme verantwortlich. Deren wesentlicher Bestandteil besteht aus Spurenelementen. Dazu gehören beispielsweise Molybdän und Kupfer, aber auch Mangan und Magnesium. Zudem muss genug Schwefel und Phosphor als Bestandteil von Eiweiß verfügbar sein. Reicht die Versorgung mit einem dieser Elemente nicht aus, wird die Eiweißbildung begrenzt. Das wirkt sich umso ungünstiger aus, je mehr Stickstoff angeboten wird. Auch wenn nicht genug Kohlehydrate zur Verfügung stehen, kann der Stickstoff nicht in Proteine eingebaut werden. Deshalb spielt die Versorgung mit Kalium und Bor eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Qualität des Weizens. Vorzeitig abstürzende Fallzahlen bei hoher N-Versorgung stehen oft Übers. 2: So können Sie die N-Spätgabe kalkulieren Beispiel 1. Aufdüngungsziel 290 Standort (s. Übersicht 1) z. B. sL, 60 BP, 80 dt/ha 2. Abweichende Bodengüte bei gleicher Bodenart 10 Bodenpunkte weniger +15 kg/ha N 10 Bodenpunkte mehr -10 kg/ha N +15 3. Nachlieferung aus langjähriger org. Düngung Gülle, Mist (Faustzahl) -20 kg/ha N 0 4. Vorfruchtwirkung Getreide -10 kg/ha N Zuckerrüben -40 kg/ha N 2) Raps, Kartoffeln -60 kg/ha N Körnermais -20 kg/ha N Silomais -30 kg/ha N -60 Leguminosen (auch Zwischenfrüchte) -70 kg/ha N 5. abzgl. Nmin im Wurzelraum im Frühjahr1) -25 6. abzgl. vorangegangene N-Düngung (Frühjahr) -140 Kalkulierte N-Spätgabe = 80 Anpassung der Spätgabe 7. Abweichende Ertragserwartung 10 dt/ha weniger -25 kg/ha N -25 10 dt/ha mehr +30 kg/ha N 8. Angestrebter Eiweißgehalt unter 11 % Eiweiß -30 kg/ha N 12 % Eiweiß -15 kg/ha N 13 % Eiweiß 0 kg/ha N 14 % Eiweiß +25 kg/ha N 15 % Eiweiß +50 kg/ha N 0 9. Korrektur aktueller Versorgung vier gleich grüne Blätter -20 kg/ha N 4. Blatt heller als 3. 0 kg/ha N 3. Blatt heller als 2. +25 kg/ha N 0 10. Erforderliche N-Spätgabe (bei intakter Bodenstruktur) = 55 1) wenn eigene Werte fehlen, Durchschnittswerte einsetzen, 2) Speisekartoffeln Ihr Bestand kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha Mit diesem Schema lässt sich die N-Spätdüngung an Standort, Vorfrucht, Verwertungsziel und Bestandesentwicklung angepassen. im Zusammenhang mit knapper Kaliund Schwefelversorgung. Woran Sie die Versorgung mit Stickstoff „ablesen“ können, haben wir im Kasten (Seite 55) zusammengestellt. Anhand der Übersichten (links) können Sie den Spätdüngungs-Bedarf, abhängig von Standort, Verwertungsziel und Bestandesaufbau sowie von der vo­ rangegangenen N-Düngung abschätzen. Die Wasserversorgung muss stimmen Damit die Spätdüngung noch voll umgesetzt werden kann, muss ausreichend Wasser im Boden für die Pflanze verfügbar sein. Das sind zum Zeitpunkt des Ährenschiebens auf sandig-lehmigen Böden wenigstens 70 bis 80 l/m², auf tonigen Böden wenigstens 100 bis 120 l/m². Oder es muss sicher sein, dass während der Kornbildung und -füllung (Juni bis Anfang Juli) wenigstens 50 bis 70 mm Regen fallen. Ist das nicht gewährleistet, schlägt sich die Spätgabe nicht mehr im Ertrag, höchstens noch im Eiweißgehalt nieder und kann sogar ertragsmindernd wirken. Auf eine Spätgabe sollten Sie in stark ausgedünnten Beständen verzichten, wenn die Böden bereits stärker ausgetrocknet sind. Mit späteren Niederschlägen wird auch der Weizen zwiewüchsig und bildet Nachschosser. Die bringen keinen Ertrag und gehen zu Lasten der kräftigen Ähren. Immerhin kosten 30 % Nachschosser 10 % Ertrag. Wenn es um die Ertragsleistung geht, muss der Stickstoff ab Fahnenblattstadium bis Beginn der Blüte wirken. Dann wird der Keimling gebildet und die Speicherzellen im Korn werden angelegt. Für die Eiweißeinlagerung (Qualität!) muss der Stickstoff in den 14 Tagen nach der Blüte voll zur Wirkung kommen. Der Düngungstermin richtet sich nach den Feuchteverhältnissen des Standortes und der Einschätzung der aktuellen N-Versorgung des Bestandes. Auf Standorten mit unsicheren Niederschlägen ist eine Spätgabe bis zum Fahnenblattstadium (EC 37) angebracht, um eine sichere Wirkung zu gewährleisten. Die frühe Spätdüngung in EC 32/37 verbietet sich, wenn die Gefahr besteht, dass Niederschläge nach einer Trockenperiode den Nitrat-Pool in der Pflanze zu hoch ansteigen lassen und dann die Blüte und Kornbildung verzögern. Die frühe Spätgabe ist auf Trockenstandorten aber angebracht, um die noch vorhandene Bodenfeuchte zu nutzen. Nitrat-Dünger richtig einsetzen Auf Standorten mit gesicherter Wasserversorgung und hoher, notwendiger Spätgabe sollten Sie N-Mengen ab 70 kg/ha aufteilen. Die Teilgaben fallen dann in kurzem Abstand in EC 37 und in EC 49/51. Für eine rechtzeitige und sichere Wirkung ist es auf sorptionsstarken Böden in der Regel besser, nitrathaltige N-Dünger (KAS, ASS) einzusetzen. Auch auf Böden mit nicht optimalen pH-Werten sind nitrathaltige N-Dünger effektiver. Auf wenig sorptionsfähigen Böden mit meist ausreichend hohen Niederschlägen ist dagegen eine Überkonzentration an NO3-Stickstoff zu vermeiden. Auf diesen Standorten ist die Spätgabe mit Harnstoff oder Piamon S zu empfehlen, wie mehrjährige Versuche der Uni München in Roggenstein zeigen. Dort war es in der Regel am effektivsten, wenn die Spätgabe in EC 39 fiel. top agrar 6/2011 57