Projekt „Wissen zum Anfassen“ Interaction Design Sommersemester 2015 Prof. Ralph Ammer Wissen zum Anfassen – Kommunikation im Raum Worum geht es? Wir wollen uns in diesem Semester mit der physischen Gestaltung von Information beschäftigen. Wir gestalten Kommunikation durch physische Objekte. Tacit knowledge Wir haben einen Körper und sind gleichzeitig Körper. Und mit diesem Körper erschließen wir uns die Welt. Wir lernen nicht nur über die Augen und die Ohren, nicht nur über Bilder und Sprache, sondern auch mit unseren Händen, Beinen, all unseren Sinnen. Unserem Wissen liegt körperliche Wahrnehmung zugrunde, was sich nicht zuletzt in Ausdrücken wie „be-greifen“ oder „er-leuchten“ bemerkbar macht. Wir müssen nicht darüber nachdenken, wie man Fahrrad fährt und unsere Hand greift – meistens – automatisch in die richtige Tasche, wenn wir unsere Schlüssel brauchen. Objekte werden zu Daten „Digitalisierung“ von Information meint meist einen ganz einfachen Trick: Man übersetzt Information in Zahlen. Dadurch kann sie von Computern verarbeitet und über Datenleitungen transportiert werden. Die Information wird dabei vom Trägermedium gelöst. Wir brauche keine Schecks mehr, um zu bezahlen und Fotos, die früher schwere Papieralben füllten, finden unsichtbar Platz auf kleinen USB-Sticks. Wenn wir eine Taschenlampe, einen Kompass, eine Landkarte, ein Wörterbuch oder eine Kamera benötigen, so finden wir alles auf einem Gerät. Die fast vollständige Reduktion der Schnittstelle auf einen Touchscreen ermöglicht dem Smartphone, die Rollen unzähliger Objekte und Geräte einzunehmen. Die Form von Objekten wird immer weniger durch Technologie vorgegeben Im Industriedesign ist eine wesentliche Aufgabe, eine Brücke zu gestalten zwischen dem Körper des Objekts und dem Menschen, der es benutzt. Was passiert nun aber, wenn dieses Objekt gar keinen Körper mehr benötigt? Lösen wir es dann zwangsläufig auf und reduzieren es auf einen Bildschirm? Oder gilt es hier, physische Formen für Schnittstellen zu finden, die an den Menschen ausgerichtet sind, nicht mehr an der Technik. Wer schon einmal Schwierigkeiten hatte, im Cockpit eines Autos die Lüftung einzuschalten oder eine Adresse in ein Navigationssystem einzugeben weiß, dass es offenbar gar nicht so einfach ist, körperliche Schnittstellen zu gestalten und dass hierarchische Menüs auf Bildschirmen nicht immer die beste Lösung sind. Objekte als Medium Die Dominanz von Daten und Software hat uns von der Notwendigkeit vieler physischer Objekte befreit. Dabei wird gleichzeitig auch oft ignoriert, dass wir als körperliche Wesen auch die Welt körperlich begreifen. Die Bewegung, die ich ausführe, um ein Buch umzublättern ist eine andere als die, eine Tür zu öffnen. Auf Touchscreens sind diese Bewegungen oft körperlich identisch: man tippt auf eine Glasfläche. Unsere körperliche Interaktion mit Information wird auf eine sehr begrenzte Anzahl von Gesten und Materialien reduziert. Wenn keine physische Form mehr durch das Medium oder die Technologie vorgegeben ist bleibt es uns überlassen, gelungene Gestaltungslösungen zu finden und erfinden. Dieses Projekt steht an der Schnittstelle von Kommunikations- und Industriedesign. Wie läuft das Semester ab? Teil 1 Im ersten Drittel des Semesters finden wir uns in 3 kurzen Inspirationsaufgaben in das Thema ein: Inspirationsaufgabe 1: „Informationsmaterial“ Der Medienkünstler Karlheinz Jeron bot 1997 Screenshots von Websites aus Stein an. Tobie Kerridge, Nikki Stott und Ian Thompson entwickelten 2003 Eheringe, die aus dem Knochenmaterial des Brautpaars gezüchtet wurden. Welcher Information würdest Du gerne eine materielle Form geben? Welches Material wäre würdest Du dafür wählen und warum? Wie verändert sich dieses Material über die Zeit? Inspirationsaufgabe 2: „Tacit knowledge“ Such Dir eine Information aus, die sich von ihrem physischen Trägermedium gelöst hat (wie z.B. Musik von der Schallplatte oder CD) und überlege Dir eine neue materielle Form für diese Information. Inspirationsaufgabe 3: „Intelligente Objekte“ Daniel Düsentrieb hat eine Glühbirne, die ihn bei der Arbeit unterstützt. Welches Objekt könnte dir im Alltag helfen, wenn es ein bisschen schlauer wäre, und wie? Im Rahmen dieser Inspirationswochen findet auch eine intensive Einführung in die Programmierung von Elektronik in der Elektrowerkstatt statt (Processing + Arduino). Dadurch lernen wir, was man alles mit den gängigen Technologien machen kann und wie wir sie selbst in unseren Projekten einsetzen können. Außerdem verreisen wir für einige Tage, um unseren Horizont zu erweitern. Teil 2 Im zweiten Drittel des Projekts setzen wir – in Teams oder Einzelarbeit – ein eigenes Projekt um. Das kann eine der Lösungen aus den Inspirationsaufgaben sein oder ein völlig eigenständiges Projekt. Die einzige Anforderung ist dabei, dass ein Objekt herauskommt, das körperlich kommuniziert. Diese Umsetzung wird durch gestalterische Besprechungen sowie technische und handwerkliche Unterstützung begleitet. Teil 3 Im letzten Drittel des Semesters fassen wir unsere Ergebnisse in einer gemeinsamen Ausstellung zusammen. Wir beschäftigen uns dafür mit der Gestaltung von Raumbildern und der Führung von Besuchern durch eine Ausstellung. Wir besuchen dabei auch Bühnenbildner und reisen gemeinsam nach London, um uns die Jahresausstellungen der dortigen Hochschulen anzusehen. Den Abschluss bildet unsere Ausstellung im Rahmen der Werkschau. Literatur In diesem Semester werden wir viel lesen und über das Gelesene sprechen. Dafür sind unter anderem folgende Bücher und Texte relevant: Florian Pfeffer, „To Do: Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt“ Andy Clark, „Being there – Putting Brain, Body and World Together Again“ Andy Clark, „Supersizing the Mind“ Alva Noe, „Out of our Heads – Why You Are Not Your Brain, and Other Lessons from the Biology of Consciousness“ Arthur S. Reber, „Implicit Learning and Tacit Knowledge“ „Designing for the Internet of Things“ (kostenlose Probekapitel aus verschiedenen Büchern des O‘Reilly-Verlags) Kenya Hara, „Designing Design“ Richard Sennet, „The Craftsman“ Glenn Adamson, „The Craft Reader“ Konrad Liessmann, „Das Universum der Dinge: Zur Ästhetik des Alltäglichen“ und viele mehr Was lernen wir dabei? Dieses Projekt ist ein vergleichsweises freies Projekt. Es soll eine Plattform bilder, auf der jeder und jede Studierende eigene Interessen vertiefen kann. Gleichzeitig vermitteln wir dabei auch ganz konkrete Fähigkeiten, die Designerinnen und Designer benötigen: - Wissen über Interfacesign, Internet of things, Systemgestaltung, User Experience Design und Informationsgestaltung - Formale Gestaltungsfähigkeiten (Farbe, Typografie, Bildsemantik, Formsprache, Ästhetik) - Prototyping (Processing, Arduino, Elektronik, Rapid Prototyping (3D-Druck, Lasercutter, etc.) ) Es wird neben diesen handwerklichen und gestalterischen Fähigkeiten vor allem auch darum gehen, in Diskussionen das Verständnis zu erweitern, welche Design-Tätigkeiten möglich sind und dabei helfen, einen eigenen Weg zu finden. Was für Ergebnisse kommen dabei heraus? Wir gestalten dynamische Informationsobjekte. Pro Team kommt also eine solche „physische Infografik“ heraus. Diese kann statisch oder durch Elektronik bewegt sein, analog oder digital. Am Ende des Semesters steht eine Ausstellung und eine Website mit den Ergebnissen. Was wird dabei vorausgesetzt? Wir benötigen gestalterische Grundkenntnisse und Freude am Lesen, Nachdenken und Machen. Technische Vorkenntnisse werden nicht vorausgesetzt aber begrüßt. Wie hoch ist die maximale Anzahl von TeilnehmerInnen? Da der Kurs intensiv betreut wird ist eine Anzahl von 10 Personen optimal. Es können maximal 15 Personen an dem Projekt teilnehmen. Wünschenswert ist eine Mischung von TeilnehmerInnen aus allen Studienrichtigungen. Wann und wo geht es los? Wir treffen uns zu einem ersten Informationsgespräch am Dienstag den 17.3.2015 um 10:00 Uhr in Raum 12.