CIO-Interview: "Der Bau ist inzwischen Hightech"

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ITMAGAZINE
CIO-Interview: "Der Bau ist inzwischen Hightech"
von Marcel Wüthrich
1. Oktober 2017 - Christian Schollenberger treibt als Leiter Informatik bei Kibag die Digitalisierung voran und hat
in den letzten Jahren die Firmen-IT des Baukonzerns auf Vordermann gebracht. "Swiss IT Magazine": Wie viel Informatik findet man auf einer modernen Baustelle? Christian Schollenberger: Extrem viel, und vor allem immer mehr. Denkt man an eine Baufirma, hat man oft noch
das Bild von Schaufel und Pickel im Kopf. Doch der Bau ist inzwischen Hightech, Baustellen werden immer
smarter. Die grossen Maschinen kommunizieren mit uns, es gibt 3D-Steuerungen, welche automatisch, basierend
auf CAD-Zeichnungen arbeiten, unsere Lastwagen sind vernetzt, unsere Waagen digitalisiert und vieles mehr.
Heute ist es so, dass wir, wenn die IT einen Tag nicht läuft, elementare Probleme bei Kibag haben. Können Sie einige Ansätze, die sie rund um diese smarten Baustellen verfolgen, ausführen? Seit Anfang Jahr läuft bei uns ein Digitalisierungsprojekt. Im Rahmen dieses Projekts sind wir daran,
Digitalisierungsthemen aufzunehmen und zu prüfen, wo man mit Hilfe von IT Prozesse anpassen und Dinge
anders verrichten könnte. Sehen Sie, die Margen in der Baubranche sind sehr schmal, der Konkurrenzdruck ist
gross, und wir sind überzeugt, dass IT uns helfen kann, die Effizienz zu steigern. Ein grosses Thema in dem
Zusammenhang ist IoT (Internet of Things). Wir versuchen zu wissen, wo unsere Baumaschinen sind, ob sie im
Moment gerade laufen oder nicht und wie sie vergangene Woche in Betrieb waren. So können wir deren Einsatz
effizienter machen, denn wenn die Maschinen stillstehen, verdienen wir nichts. Hierbei setzen wir auf das Low
Power Network LoRa von Swisscom. Warum setzten sie auf LoRa und nicht auf das Handynetz mit SIM-Karten? Zum einen sind die Kosten für LoRa-Sensoren tiefer. Hauptgrund ist aber der geringere Energieverbrauch. Sobald
man SIM-Karten ansteuern muss, geht der Stromverbrauch massiv in die Höhe, und man muss die Sensoren
verkabeln. Wir aber wollen die Sensoren möglichst flexibel anbringen können, ohne dass sie via Kabel mit Strom
versorgt werden müssen. Gibt es weitere Digitalisierungsprojekte? Das Projektspektrum ist riesig, und wir entscheiden von Fall zu Fall, welche Projekte verfolgt werden und welche
nicht. So träumen wir von selbstfahrenden Lastwagen, allerdings verfolgen wir dies nicht als Projekt, weil wir
hier kaum Einfluss haben und die Lastwagenhersteller diese Entwicklung vorantreiben. Handkehrum schwebt
uns ein Sortierroboter vor, der unsere Sortieranlagen automatisiert. Ein solches Projekt haben wir selbst in der
Hand, daran arbeiten wir. Ausserdem verfolgen wir ein Projekt, um Muldenfüllstände digital zu erfassen. Das Ziel
ist zu wissen, wann die Mulden voll sind, um so deren Abholung besser koordinieren zu können. Hier arbeiten wir
mit der Hochschule Rapperswil zusammen. Mit der digitalen Erfassung der Füllstände wäre es dann sogar
möglich, das Businessmodell anzupassen und dem Kunden beispielsweise ein Muldenabo anbieten zu können, bei
dem er nicht pro Mulde bezahlt, sondern einfach immer Muldenkapazität garantiert bekommt. Allerdings ist das
Abrufen der Information, wie viel Schutt in einer Mulde liegt, nicht ganz einfach. In der Regel geht es bei diesen Projekten um Effizienzsteigerung? Unser Ziel mit Projekten wie diesem lautet, eine führende Rolle im Management von Baustellen zu besetzen. Wir
wollen ein Vorreiter sein, wir wollen Lösungen und Produkte generieren, damit für die Kunden klar ist, dass sie
ihr Projekt mit Kibag umsetzen wollen. Wer treibt diese Projekte voran? Die Projekte werden vollumfänglich von der Geschäftsleitung getragen. Operativ bin ich der Projektleiter. Also geniesst die IT einen hohen Stellenwert bei Kibag? Ja, auf jeden Fall. Jedem in der Geschäftsleitung ist bewusst, wie wichtig die Informatik ist und welchen Vorteil
wir uns mit Hilfe von IT verschaffen können. wir uns mit Hilfe von IT verschaffen können. Wie haben Sie für dieses Bewusstsein gesorgt? Haben Sie die IT zu Demonstrationszwecken mal aussteigen
lassen? (Lacht…) Fast! Die IT bei Kibag blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Noch vor sieben Jahren war die
Informatik des Unternehmens in einem sehr schlechten Zustand, hatte einen Rückstand von mindestens zehn
Jahren. Bereits ein Jahr zuvor wurde entsprechend im Rahmen eines Audits festgestellt, dass man das
Unternehmen existentiell in Gefahr bringt, wenn man im Bereich IT nicht modernisiert. Im Sommer 2013 folgte
dann noch ein Schlüsselerlebnis. Damals stieg in einer heissen Freitagnacht die Klimaanlage in unserem
Rechenzentrum aus, das wir damals nahe unseres Sitzes in Zürich unterhielten. Niemand bemerkte den Ausfall,
und wir hatten Glück, dass nicht das ganze Gebäude niederbrannte. Damals wurde wirklich allen klar, dass etwas
geschehen muss, und mir wurden ohne grosse Diskussion die Budgets gesprochen, die ich brauchte, um die
Informatik auf Vordermann zu bringen. Heute sind wir bezüglich IT bestens aufgestellt und befinden uns auf
einem sehr guten Stand.
Und wie schwierig ist es für Sie heute, für die zukunftsgerichteten Projekte, über die wir gesprochen haben,
Budget zu erhalten? Kibag ist ein Familienunternehmen, und wenn der Inhaber der Meinung ist, ein Projekt ist nötig, dann ist das so.
Kommt hinzu, dass unser Inhaber sehr IT-affin und offen für Neues ist. Stemmen können Sie die Projekte kaum alle selbst. Wer hilft Ihnen dabei? Cisco ist ein grosser und wichtiger Partner für uns. Swisscom ist ebenfalls ein wichtiger Partner, genauso wie
auch die Hochschule Rapperswil, die im Bereich Sensorik, IT und Kommunikation stark ist und mit der
zusammen wir Lösungen erarbeiten. In der Regel bringen wir die Idee, und unsere Partner liefern dann die
Löschungsvorschläge. Den Anfang hierbei machte ein System, um das Gewicht einer Lastwagenladung zu
messen. Es kommt vor, dass ein Lastwagen mit Aushubmaterial überladen wird, was sowohl für Chauffeur wie
Firma problematisch ist, wenn es eine Kontrolle gibt. Also wollten wir eine Lösung. Es gibt bestehende Systeme,
um die Zuladung zu messen, diese kosten aber gut und gerne einmal 25’000 Franken pro Lastwagen. Bei 200
Lastwagen ist das eine schöne Stange Geld, also brauchten wir ein einfacheres System. Wir haben dann eine
Lösung gefunden mit Sensoren, die an den Blattfedern angebracht werden, die deren Lage messen und so
errechnen können, wie viel Last geladen ist. Diese Information wird dann gleich auf einem Display in der
Fahrerkabine angezeigt. Die Sensoren, die Cisco für uns gefunden hat, wurden in den USA eigentlich für eine
völlig andere Anwendung entwickelt. Wir konnten das Ganze aber adaptieren, und die Lösung kostet uns pro
Lastwagen nun 2000 Dollar. Gibt es auch Projekte, die Sie gerne umsetzen würden, aber nicht können, weil ihnen die finanziellen oder
personellen Ressourcen fehlen? Projekte, die sinnvoll fürs Unternehmen sind, können wir ohne Wenn und Aber in Angriff nehmen. Können Sie ausführen, wie ihre IT abseits von Projekten in den Grundzügen ausschaut? Wir zählen 650 PC-Benutzer, wobei ein Drittel mit Notebooks und zwei Drittel mit Zero-Clients arbeitet. Dabei
setzen wir auf Citrix Xendesktop. Zusätzlich setzen wir knapp 400 iPads ein, die von unseren Polieren auf den
Baustellen für Rapporte genutzt werden. Die iPads managen wir mittels MDM, wir setzen dabei auf Microsoft
Intune. Weiter betreiben wir eine virtualisierte Infrastruktur in einem Rechenzentrum von Swisscom hier in
Zürich. Ausserdem haben wir Microsoft Azure integriert und lassen gewisse Services auch in Irland laufen. Irland
ist ausserdem auch unser Backup im Falle eines Katastrophenszenarios, damit wir die wichtigsten Services auch
erbringen könnten, wenn die Systeme in der Schweiz ausfallen. Alles in allem unterhalten wir in der Schweiz 63
Standorte, die mittels Enterprise WAN durch Swisscom vernetzt sind. Und wie steht es um die Verfügbarkeit ihrer Systeme. Welche Anforderungen müssen Sie erfüllen? Unsere Systeme müssen rund um die Uhr 24/7 verfügbar sein. Zum einen deshalb, weil Kibag ja nicht nur im
Bauwesen tätig ist. Unter anderem gehört auch ein Golfplatz zur Gruppe, wo typischerweise am Abend und am
Wochenende gearbeitet wird, und der Ballautomat, der mittels Chipkarte Bälle ausspuckt, funktioniert auch nur,
wenn die Server am Hauptsitz laufen. Zum anderen herrscht auf Grossbaustellen wie etwa derjenigen am
Flughafen Zürich vor allem in der Nacht Betrieb. Auch da muss die Infrastruktur laufen, entsprechend gibt es
kaum Wartungsfenster, was vor allem für unsere Partner herausfordernd ist. Und für Sie ist die 24/7-Verfügbarkeit nicht auch eine Herausforderung? Nein, eigentlich nicht. Dies vor allem, weil wir unseren Job gerne machen. Kibag ist eine coole Firma, man kann in
der IT enorm viel machen, das macht den Job sehr spannend. Kommt hinzu, dass es durchaus ein Erlebnis ist,
mitten in der Nacht auf dem Rollfeld am Flughafen Zürich auftauchen zu müssen, weil es ein Problem gibt. Die
Verfügbarkeit ist höchstens deshalb herausfordernd, weil man sie nicht mit externen Partnern abdecken kann.
Das wäre viel zu teuer. Was ist denn Ihre grösste Herausfor-derung? Eine der grossen Herausforderungen ist die Datenmenge, die laufend zunimmt. Das Datenvolumen ist dabei ein
Aspekt, fast noch schwieriger ist es aber, die Daten zu strukturieren, um sie sinnvoll verwenden zu können.
Ebenfalls eine Herausforderung ist zudem die Tatsache, dass inzwischen alles vernetzt ist und nur
zusammenspielt, wenn die Konnektivität gewährleistet ist. Können Sie zum Abschluss noch ausführen, wie ihr Team aufgebaut ist? Alles in allem sind bei Kibag zehn Leute in der IT tätig – inklusive mir selbst. Im Team arbeiten je zwei
System-Engineers, die sich um den Betrieb, aber auch den Support und neue Projekte kümmern, und zwei
Abacus-ERP-Spezialisten – wir sind einer der grössten Abacus-Kunden in der Schweiz. Ein Mitarbeiter kümmert
sich um die Digitalisierungsprojekte und einer ist für den Support zuständig. Ausserdem bilden wir zwei
Lehrlinge aus und beschäftigen einen Praktikanten. Und mit diesen zehn Mitarbeitern -decken Sie auch den 24/7-Betrieb ab? Im Wesentlichen teilen wir den Pikett-Dienst unter den beiden Engineers und mir auf. Das funktioniert sehr gut,
allerdings habe ich auch sehr gute Mitarbeiter, die ihren Job mit viel Herzblut erledigen. Und wie einfach ist es, solche Mitarbeiter zu finden? Das ist nicht ganz einfach. Allerdings darf ich sagen, dass der Kern des Teams schon lange an Bord ist – seit
nunmehr sieben Jahren. Wir sind zusammen durch dick und dünn gegangen, das hat den Teamgeist geformt. Copyright by Swiss IT Media 2017 
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