[E n-DIMENSIONALEN SPHÄREN UND PROJEKTIVEN RÄUME IN

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[E n-DIMENSIONALEN SPHÄREN UND PROJEKTIVEN RÄUME IN
DER TOPOLOGIE
HEINZ H O P F
Dieser Vortrag ist nicht für Topologen bestimmt; ihnen werde ich nichts
3ues sagen, und die Probleme, die ich hier nur oberflächlich streife, werden
û gründlicher in der Topologie-Konferenz behandelt werden. Ich wende
ich vielmehr ausdrücklich an die Mathematiker, denen die Topologie ferner
gt, und möchte versuchen, sie über einen Teil dessen zu informieren, was uns
der Topologie heute beschäftigt und bewegt; ich werde versuchen, dies
durch zu tun, dass ich über einige aktuelle Probleme spreche—aktuell in
Igendem Sinne: sie sind ungelöst, aber es wird an ihnen gearbeitet, und man
t den Eindruck, dass sie ihrer Lösung näher gebracht werden.
Glücklicherweise ist eine ganze Reihe aktueller topologischer Probleme so
lfach zu formulieren, dass es leicht ist, sie auch den fernerstehenden Matheitikern auseinanderzusetzen. Insbesondere werden im Folgenden keine anderen
pologisclien Räume vorkommen als, neben den euklidischen Räumen Rn,
ò w-dimensionalen Sphären Sn und die w-dimensionalen projektiven Räume
\ Der Raum Rn ist der Koordinatenraum der reellen ?i-Tupel (xi ,x2, • • • , xn) ;
3 Sphäre Sn ist im Rn+1 durch die Gleichung ^2i+1x2 = 1 definiert, und der
ojektive Raum Pn ist der Raum aller Verhältnisse (x!:x2: • • • 'xn+i), wobei
:0: • • • :0) ausgeschlossen ist. Man kann den Raum Pn auch als den Raum
er Geraden interpretieren, die durch den Nullpunkt des Rn+1 gehen; betrachtet
m gleichzeitig die Sn, so sieht man, dass zwischen Sn und Pn folgender Zusaminhang besteht: durch Identifikation je zweier antipodischer Punkte d e r £ n
fcsteht der Pn.
1. Ich beginne mit einer alten Geschichte, nämlich mit dem berühmten
tz von H. Poincaré (1885), dass es unmöglich ist, die gewöhnliche Kugelfläche
mit einer einfachen Kurvenschar ohne Singularität zu überdecken (etwa
3 sie auf der Torusfläche existiert). Denken wir dabei nur an stetig differenrbare Kurven; dann ist der Satz im wesentlichen mit dem folgenden identisch:
Lf der S2 gibt es kein stetiges Feld tangentialer Richtungen ohne Singularität.
E. J. Brouwer hat (1910) gezeigt, dass dieser Poincarésche Satz für alle
hären gerader Dimension seine Gültigkeit behält: Auf der S2m gibt es kein
tiges Feld tangentialer Richtungen. Dagegen existieren auf den Sphären
gerader Dimension S2m+1 derartige Felder: man bringe in dem Punkt der
*+1, dessen Koordinaten c0, Ci, • • • , c2m+i sind, den Vektor mit den Kontinenten
— Ci , Co , — Cz , C2 , ' • ' , — C2m+1 , C2m
193
194
HEINZ HOPF
Man kann diesen Unterschied zwischen den geraden und den ungerade
Dimensionszahlen auch so formulieren: wir betrachten die lineare Gleichung
(1) ^
COSO + C&l + • • • + CA = 0
und suchen für alle Koeffizienten c3 mit J^cJ = 1 Lösungen (zo, Zi, • • • , zr
welche nirgends trivial sind, d.h., für welche ^z2 9^ 0 ist und welche stet
von den cy abhängen (c ist der Punkt auf der Sn, z der Vektor, der die Ta:
gentialrichtung bestimmt). Der Brouwersche Satz lehrt, dass bei geradem
die Gleichung (1) keine Lösung der gewünschten Art besitzt; für ungerad
n = 2m + 1 dagegen ist
(2)
ZQ =
— C\ ,
Z± =
Co ,
' •' ,
Z2m
=
— ß2w+l ,
#2m+l
=
C
2m
eine solche Lösung. Hat man einmal dem Satz diese Formulierung im Rahme
der "stetigen linearen Algebra" gegeben, wobei die Koeffizienten c3 und d
Unbekannten z3 reelle Zahlen sind, so erhebt sich in natürlicher Weise die Frag
ob der analoge algebraische Satz gilt, wenn man statt der reellen Zahlen komple:
zulässt, wobei wir natürlich ^c2 und ^z) durch ]C I c i P u n d 2 I zi P 5
ersetzen haben. Die Tatsache, dass bei ungeradem n die Lösung (2) existiei
bleibt unverändert bestehen; bleibt, als Analogon des Brouwerschen Satze
auch die Behauptung richtig, dass bei geradem n = 2m die Gleichung (1) fi
X) | cy p = 1 keine stetige und nirgends triviale Lösung besitzt? Setzen wi
um_diese Frage zu untersuchen,
Cj = a3 + ibj,,
Zj = Xj +
iyj
mit reellen c&y, &y, x3-, y3-, so ist (1) gleichbedeutend mit dem Gleichungssyste
<to — 602/0 + • ' ' + anXn — bnVn = 0
aQyo + boxo + • • • + anyn + bnxn = 0;
deuten wir a 0 , fco, • • • , a n , fcn als Koordinaten von Punkten c im R2n+2, i
liefert jede Lösung dieses Systems zwei Vektoren
XQ
,
2/0 j ' ' ' j xn ,
yn
2/0 > #0 y * ' * j Vn j Xn j
die im Punkte e tangential an die Sphäre S2n+1 und überdies, falls ]C | 2y |a ^
ist, linear unabhängig voneinander sind. Die Vermutung, dass unsere obe
formulierte Frage (bezüglich der Nicht-Existenz einer stetigen, nirgends ti
vialen Lösung im Komplexen für n = 2m) zu bejahen ist, führt daher zu d
Vermutung, dass, in Analogie zu dem alten Brouwerschen Satz über die Rid
tungsfeider auf den Sphären S2m, der folgende Satz gilt: Auf den Sphären d
Dimensionen 4m + 1 existieren nicht zwei stetige tangentiale Richtungsfelde
die frei von Singularitäten und überall linear unabhängig voneinander sind.
Dieser Satz ist von B. Eckmann und von G. Whitehead bewiesen word(
(1941). Man weiss also: auf der Sn gibt es, wenn n gerade ist, kein Richtungsfe
îi-DIMENSIONALE SPHÄREN UND PROJEKTIVE RÄUME
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(tangential, stetig, ohne Singularität) ; wenn n ungerade ist, so gibt es ein solches
Feld; wenn n = 4??i + 1 ist, so gibt es zwar ein Feld, aber nicht zwei Felder, die
überall unabhängig voneinander sind. Es ist weiter leicht zu verifizieren—
durch Formeln, die zu (2) analog sind,— dass es für n = 4m + 3 auf der Sn
wenigstens 3 unabhängige Felder gibt; auf welchen Sphären gibt es 4 unabhängige Felder? Diese Frage gehört zu dem folgenden allgemeineren Problem,
das eines der aktuellen Probleme ist, auf die ich hier hinweisen wollte: Wie
gross ist, bei gegebenem n, die Maximalzahl linear unabhängiger Felder auf
der Sphäre Sn?
2. Die analoge Frage ist sinnvoll nicht nur für die Sphären, sondern für
beliebige differenzierbare w-dimensionale Mannigfaltigkeiten, und sie ist in
dieser Allgemeinheit von E. Stiefel in einer wichtigen Arbeit behandelt worden
(1936). Es würde mein Programm überschreiten, über diese Arbeit zu berichten,
und ich werde nur von einer Anwendung sprechen, die Stiefel von seiner allgemeinen Theorie auf die projektiven Räume gemacht hat (1940). Die Sphären
selbst entziehen sich dieser Theorie aus Gründen, auf die ich ebenfalls hier
nicht eingehe; ich möchte aber darauf hinweisen, dass Richtungsfelder im Pn
üls spezielle Richtungsfelder auf der Sn gedeutet werden können: da der Pn
aus der Sn entstellt, wenn man auf dieser je zwei antipodische Punkte miteinander identifiziert, ist ein Feld im Pn nichts anderes als ein Feld auf der Sn, welches
:
'ungerade" in dem Sinne ist, dass die in zwei antipodischen Punkten angebrachten Richtungen immer einander entgegengesetzt sind; daher ist es auch verständich, dass wir über die Richtungsfelder in den Räumen Pn mehr wissen als
aber die Felder auf den Sphären. Der Satz von Stiefel, den ich anführen will,
autet: Man schreibe die Zahl n + 1 in der Form n + 1 = 2ru mit ungeradem u;
lann ist die Maximalzahl linear unabhängiger Richtungsfelder im Pn kleiner
ils 2 r . Für r = 0 ist dies der Brouwersche Satz, dass es bei geradem n kein
.tetiges Richtungsfeld im Pn gibt; für r = 1 ist es der Eckmann-Whiteheadsche
3atz für die projektiven Räume.
3. Eine besonders interessante Konsequenz des Stiefeischen Satzes ist die
'olgende: Im n-dimensionalen projektiven Räume können n unabhängige
Etichtungsfelder höchstens dann existieren, wenn n + 1 eine Potenz von 2 ist.
3b diese notwendige Bedingung auch hinreichend ist, ist fraglich; die Existenz
/on n unabhängigen Feldern im Pn ist bekannt nur für n = 1, 3, 7. Ebenso
/erhält es sich für die Sphären: auf denen der Dimensionen 1, 3, 7, und nur auf
iiesen, kennt man Systeme von n unabhängigen Feldern, und man weiss nicht,
)b noch andere Sphären die analoge Eigenschaft haben.
Diese Frage nach der Existenz von n unabhängigen Richtungsfeldern auf der
Sn oder im Pn (oder auch in einer anderen w-dimensionalen Mannigfaltigkeit)
st aus verschiedenen Gründen interessant. Erstens: wenn man n solche Felder
îat, so kann man in jedem Punkt n linear unabhängige Vektoren der Länge
L auszeichnen, die stetig mit dem Punkte variieren; diese Vektoren kann man
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HEINZ HOPP
als Basisvektoren in den lokalen tangentialen Vektorräumen benutzen und
nun zwischen den Tangentialvektoren in verschiedenen Punkten den folgenden
natürlichen Begriff des Parallelismus erklären: zwei Vektoren sind parallel,
wenn sich ihre Komponenten in bezug auf die genannten lokalen Basen nur um
einen positiven Faktor unterscheiden. Umgekehrt folgt, wie man leicht sieht,
aus der Möglichkeit, einen Parallelismus einzuführen, der einige plausible
Bedingungen erfüllt, die Existenz von n unabhängigen Richtungsfeldern. Diese
Existenz ist also gleichbedeutend mit der Möglichkeit, in der betrachteten
Mannigfaltigkeit, in unserem Fall in der Sn oder im Pn, einen "stetigen Fernparallelismus" zu definieren oder, wie man auch sagt, die Mannigfaltigkeit
zu "parallelisieren". Dass die Frage, welche Mannigfaltigkeiten in diesem
Sinne "parallelisierbar" sind, an und für sich geometrisches Interesse verdient,
ist wohl klar.
4. Dasselbe Problem ist aber auch aus anderen Gründen interessant, welche
mehr algebraischer Natur sind und mit dem Problemkreis der kontinuierlichen
oder topologischen Gruppen zu tun haben. Nehmen wir an, dass wir in der
Sn oder i m P S unabhängige Richtungsfelder haben; durch eine kanonische
Orthogonalisierung kann man erreichen, dass sie sogar orthogonal zueinander
sind. Dann existiert in der Gruppe der Drehungen der Sn, bezw. der elliptischen
Bewegungen des Pn, eine einfach transitive Schar in folgendem Sinne: ein Punkt
e sei willkürlich ausgezeichnet, und für jeden Punkt a sei Tajiiejemige^Dj'ehung,
bezw. elliptische Bewegung, welche e ina und die nine ausgezeichneten Feldrichtungen unter Erhaltung ihrer Reihenfolge in die analogen Richtungen im Punkte
a befördert; die Schar dieser Ta ist einfach transitiv in bezug auf den Punkt e.
Diese Schar kann man nun benutzen, um zwischen den Punkten der Sn, bezw.
des Pn, eine Multiplikation zu definieren: man setze Ta(x) = ax (für beliebige
Punkte a, x)\ da Ta(e) = a ist, ist ae = a; da Te die Identität ist, ist ea = a.
Das Produkt hängt natürlich stetig von den beiden Faktoren ab. Wenn also die
Sphäre Sn parallelisierbar ist, so lässt sich auf ihr eine "algebraische Struktur"
mit den soeben genannten Eigenschaften einführen: eine stetige Multiplikation
mit einem Einselement; und das Analoge gilt für die projektiven Räume Pn.
In diesem Fall kann Sn, bezw. Pn, als verallgemeinerter Gruppenraum aufgefasst
werden; das assoziative Gesetz wird allerdings im allgemeinen nicht gelten.
Gewöhnliche, assoziative Gruppenräume sind 8n und Pn bekanntlich nur für
n = 1 und n = 3 : Sl = P1 ist die multiplikative Gruppe der komplexen Zahlen
vom Betrage 1, $ 3 die Gruppe der Quaternionen vom Betrage 1, P 3 die Gruppe
der projektiv gemachten (d.h., nur bis auf einen reellen, von 0 verschiedenen
Faktor bestimmten) Quaternionen (oder auch die Gruppe der Drehungen der
S2). Neben den komplexen Zahlen und Quaternionen gibt es noch ein interessantes hyperkomplexes System mit 8 Einheiten über dem Körper der, reellen
Zahlen: die Cayleyschen Oktaven, deren Eigenschaften denen der Quaternionen
verwandt sind (insbesondere gibt es keine Nullteiler), für welche aber das
assoziative Gesetz nicht gilt; mit ihrer Hilfe kann man in der £7 und im P
n-DIMENSIONALE SPHÄREN UND PROJEKTIVE RÄUME
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wohl eine stetige Multiplikation mit Einselement als auch einen Parallelismus
aführen. Auf der Existenz der komplexen Zahlen, der Quaternionen und der
ayleyschen Oktaven beruht die früher erwähnte Ausnahmestellung der DimenDnszahlen 1, 3, 7 im Rahmen dessen, was wir über die Parallelisierbarkeit der
)hären und der projektiven Räume wissen. Aus dem zitierten Stiefeischen
itz über die Parallelisierbarkeit der projektiven Räume folgt leicht: der Grad
ties hyperkomplexen Systems über dem Körper der reellen Zahlen, das keine
ullteiler besitzt, aber nicht assoziativ zu sein braucht, ist notwendigerweise
ne Potenz von 2; für diesen, auf topologischem Wege entdeckten Satz hat
)rigens F . Behrend einen rein algebraischen Beweis angegeben (1939); ob
)er ein solches System mit einem Grade 2 r > 8 existiert, das konnte bis heute
3der mit topologischen, noch mit algebraischen Methoden entschieden werden.
Das Problem, auf das ich hier hinweisen wollte, ist das, ob sich in der Sn
1er im Pn gewisse algebraische Strukturen, von der oben besprochenen oder
ich von allgemeinerer oder von speziellerer Art, einführen lassen.
5. Ich will darauf aber hier nicht weiter eingehen, sondern kurz von dem
'oblem der Existenz einer speziellen analytischen Struktur auf einer Sn, nämlich
mer "komplex-analytischen" Struktur sprechen. Die Fragestellung hat nur
d geradem n = 2m einen Sinn; dass die S2m—oder allgemeiner eine 2ra-dimen3nale Mannigfaltigkeit—eine komplex-analytische Struktur besitzt, oder
irz: dass sie eine "komplexe Mannigfaltigkeit" ist, soll bedeuten, dass sie
istande ist, die Rolle einer (mehrdimensionalen) abstrakten Riemannschen
[äche zu spielen, dass also auf ihr Begriffe wie "analytische Funktion von m
xmplexen Variablen", "komplex-analytisches Differential," usw. sinnvoll
ad. Dies ist dann und nur dann der Fall, wenn man sie mit lokalen Systemen
m m komplexen Parametern (z\, • • • , zm), (wi, • • • , wm), • • • so überdecken
mn, dass die Parametertransformationen, die dort entstehen, wo mehrere
eser Systeme übereinandergreifen, analytisch sind. Die Frage ist also: auf
slchen Sphären S2m ist eine solche komplex-analytische Parametrisierung
öglich? Der klassische Fall ist der der S2; das ist die Riemannsche Zahlkugel der
wohnlichen Funktionentheorie. Gibt es für eine Sphäre S2m mit m > 1 etwas
tinliches? Man weiss es nicht, und dies zu entscheiden, ist auch eines der
:tuellen Probleme, mit denen sich heute Topologen beschäftigen. Das am
äitesten gehende Resultat (bei Beschränkung auf Sphären) ist der folgende,
hr einfach beweisbare Satz von A. Kirchhoff (1947): Wenn die Sn eine komex-analytische Struktur besitzt, so ist die /S n+1 parallelisierbar. Hieraus und
is dem früher besprochenen Satz von Eckmann-Whitehead folgt, dass die
)hären S*k keine komplex-analytische Struktur besitzen. Im Lichte des Kirch)ffschen Satzes hängt die komplexe Struktur der S2 mit der Parallelisierbarkeit
.r £ 3 zusammen, die ihrerseits etwas mit den Quaternionen zu tun hat; aber
i auch die S1 parallelisierbar ist, kann der Kirchhoffsche Satz keinen Aufschluss
irüber geben, ob die S6 eine komplex-analytische Struktur zulässt. Gerade
ii der ä 6 haben bisher alle Versuche, die Nicht-Existenz einer solchen Struktur
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HEINZ HOPF
zu beweisen, versagt; in der Tat besitzt die S6 eine sogenannte "fast-komplexe
Struktur—ich kann darauf hier aber nicht eingehen und brauche es auch im
soweniger zu tun, als Herr Ehresmann in der Topologie-Konferenz ja ausführlic
über diesen Fragenkreis sprechen wird, ohne sich übrigens auf Sphären zu b<
schränken.
6. Über die Methoden, mit denen man die Probleme behandelt, von dene
ich gesprochen habe, kann ich natürlich in diesem kurzen Vortrag nicht vi'
sagen. Ich möchte nur an einem Spezialfall erläutern, welcher Art oft der Kei
der Schwierigkeit ist, die man zu überwinden hat. Nehmen wir an, wir wolle
untersuchen, ob es, bei gegebenem n und k, auf der Sn k linear unabhängig
oder, was auf dasselbe, hinauskommt, k zueinander orthogonale Richtungsfelde
gibt. Es ist leicht, ein solches System von k Feldern zu konstruieren, das i
einem einzigen Punkte singular wird: im Rn ist die'Existenz eines solchen Systen
ohne Singularität trivial; man projiziere den Rn samt diesem System stere(
graphisch auf die Sn; dann entsteht auf dieser ein System der gewünschten A_
mit dem Projektionszentrum o als einziger Singularität. Diese Singularité
versuchen wir zu beseitigen. Wir betrachten eine Umgebung U von o, die w:
als Vollkugel in einem n-dimensionalen euklidischen Raum auffassen könnei
und tilgen die im Inneren von U schon definierten Feldrichtungen; dann hande]
es sich darum, die folgende Randwertaufgabe zu lösen: die auf dem Rande Sn~
der__Vollkugel C/Lgegebeneir k orthogonalen.. Richtungsfelder_sollen stetig ai
U erweitert werden, sodass sie auch dort orthogonal sind. Diese Aufgabe läss
sich so deuten: wir betrachten die Mannigfaltigkeit V aller geordneten orthc
gonalen ft-Tupel in einem Punkt des Rn; dann definieren die auf dem Rand Sn~
gegebenen Ä-Tupel in natürlicher Weise (vermittels der" Parallelität im R7
eine stetige Abbildung / von AS"-1 in V, und unsere Randwertaufgabe ist offenba
äquivalent mit der folgenden: / soll zu einer stetigen Abbildung der Vollkug«
U in V erweitert werden. Diese Aufgabe aber ist ihrerseits, wie man sehr leich
sieht, gleichbedeutend mit der Aufgabe, das Sphärenbild /(/S n_1 ) in der Mar
nigfaltigkeit V stetig auf einen Punkt zusammenzuziehen. Die entscheidend
Frage ist also schliesslich die, ob diese Zusammenziehung möglich, also, um di
übliche Terminologie zu benutzen: ob /(ASW_1) in V homotop 0 ist.
Damit habe ich schon angedeutet, in welches Gebiet man bei der Behandlun
unserer Probleme gerät: in die Homotopietheorie, durch deren Begründun
(1935) W. Hurewicz der ganzen Topologie einen so grossartigen neuen Impul
gegeben hat.
Bei der Frage, auf die wir soeben geführt worden sind, beachte man, das
die Abbildung / der Sphäre Ä n_1 eine ganz spezielle, wohldefinierte Abbildun
ist, die man, wenn man will, durch explizite Formeln beschreiben kann; vo]
dieser speziellen Abbildung also soll man entscheiden, ob sie homotop 0 is
oder nicht. Ich betone das deswegen, weil gerade in dieser Hinsicht eine irrtüm
liehe Meinung darüber weit verbreitet ist, was die Topologen eigentlich tui
und von welcher Art ihre Schwierigkeiten sind : es handelt sich in der Topologi
n-DIMENSIONALE SPHÄREN UND PROJEKTIVE RÄUME
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gar nicht ausschliesslich um Theorien von sehr hoher Allgemeinheit, sondern
gerade unter unseren aktuellsten Probleme gibt es solche von ausgesprochen
speziellem Charakter.
7. Ich will die spezielle Frage, von der wir hier gesprochen haben, aber verlassen; oft treten ähnliche Fragen auf, bei denen es sich darum handelt, ob eine
Abbildung einer Sphäre in einen Raum V (der nicht der vorhin betrachtete
zu sein braucht) homotop 0 ist. Ein besonders einfacher Fall, dessen Untersuchung übrigens auch für die Behandlung vieler anderer Falle von ausschlaggebender Bedeutung ist, ist natürlich der, in dem V selbst eine Sphäre ist.
Von den Abbildungen von Sphären auf Sphären also—sagen wir: einer SN
auf eine Sn—will ich jetzt sprechen. Wie kann man einen Überblick über sie
gewinnen, oder besser: nicht so sehr über die Abbildungen selbst, als über
die Abbildungsklassen? Dabei werden zwei Abbildungen zu einer Klasse gerechnet, wenn man sie stetig ineinander überführen kann. Die "unwesentlichen"
oder null-homotopen Abbildungen, d.h., diejenigen, die man stetig in Abbildungen auf einen einzigen Punkt überführen kann, bilden eine Klasse, die
"Nullklasse".
Die erste und wichtigste Frage ist natürlich: Gibt es, bei gegebenem N und
n, auch "wesentliche" Abbildungen, mit anderen Worten: ist die Anzahl der
Klassen grösser als 1? Es ist trivial, dass es für N < n nur unwesentliche Abbildungen gibt, und es ist leicht beweisbar, dass es sich für N > n = 1 ebenso
verhält. Aber man weiss nicht, ob dies die einzigen Fälle ohne wesentliche Abbildungen sind. Hier liegt ein besonders wichtiges ungelöstes Problem vor.
Längst erledigt ist der Fall N = n: die Brouwersche Theorie des Abbildungsgrades (1911) lehrt, dass es unendlich viele Abbildungsklassen gibt. Unendlich
viele Klassen gibt es auch für alle Paare N = fan — 1, n = 2m (H. Hopf 1935).
Andere Fälle mit unendlich vielen Klassen sind nicht bekannt. Auch hier haben
wir ein ungelöstes Problem.
Auf die allgemeine Frage nach der Anzahl A(N, n) der Abbildungsklassen
SN —» 8n, die nach dem Gesagten nur für N > n > 1 interessant ist, kennen
wir nur Bruchstücke von Antworten; dieses Problem ist heute wohl eines der
merkwürdigsten in der Topologie. Die einzige Aussage von allgemeinem Charakter, die man bis heute über die Abhängigkeit der Zahl A von den Argumenten
N und n machen konnte, ist in einem schönen Satz von H. Freudenthal (1937)
enthalten, der besagt, dass A(N, n), wenn n im Verhältnis zu N nicht zu klein
ist, nur von der Differenz N — n abhängt; der Satz lautet: Bei festem k haben in
der Folge A(n + k, n) mit n = 1, 2, • • • alle Zahlen A von n — k + 1 an, und
bei geradem k sogar schon von n = k an, denselben Wert. Es ist nun natürlich
wichtig, diesen Wert, den wir A'(k) nennen wollen, zu bestimmen. Ausser für
den Fall k = 0, in dem Af = <*> ist, ist Af bisher nur für k = 1 und k = 2 bestimmt worden: in beiden Fallen ist Af(k) = 2 (H. Freudenthal 1937 für k — 1;
L. Pontrjagin 1950 für k = 2, womit er seine frühere Behauptung (1936), es
sei A'(2) = 1, korrigiert hat). Ferner hat Freudenthal noch bewiesen, dass
200
HEINZ HOPF
A'(3) > 1 und A'(7) > 1 ist. Das ist, soviel ich sehe, alles, was man über Ar(k)
weiss.
Noch weniger wissen wir, wenn n im Verhältnis zu N klein ist. Eine spezielle
bekannte Tatsache (W. Hurewicz 1935) ist die, dass A(AT, 2) = A(N, 3) für
alle N > 2 ist. Ich nenne noch einige weitere spezielle Tatsachen, die in dem
bisher Gesagten nicht enthalten sind: A(6, 2) = A(6, 3) > 1; A(N, 4) > 1
für N = 8, 10, 14; dagegen ^eiss man—soviel mir bekannt ist—z.B. nicht, ob
sich eine Sphäre einer Dimension N > 6 wesentlich auf die S2 abbilden lässt
(Literatur: G. Whitehead, Ann. of Math. 1950).
Die gegenwärtige Situation in diesem Gebiet ist sehr unübersichtlich, und
es ist verständlich und erfreulich, dass sich viele Geometer bemühen, hier
Klarheit zu schaffen und ein Gesetz zu erkennen.
Ich habe hier nur von den Anzahlen A(N, n) der Klassen, gesprochen; sie
sind die Ordnungen der N-ten Hurewiczschen Homotopiegruppen der n-dimensionalen Sphären, und die Aufgabe, die A zu bestimmen, ist ein Teil der schärferen Aufgabe, die Strukturen dieser Homotopiegruppen zu ermittelii; andererseits wird auch die Bestimmung der Anzahlen A selbst erleichtert und
geklärt, wenn man die Homotopiegruppen heranzieht. Ich möchte aber auf die
Homotopiegruppen hier nicht eingehen.
8. Aber ich will noch eine Bemerkung anderer Art zu dem Problemkreis
der Abbildungen VOIL Sphären auL Sphären machen. Auf der SN, die nü. RN+1
liegt, seien n + 1 stetige Funktionen /o, / i , • • • , fn gegeben, die keine gemeinsame Nullstelle haben. Man kann sie natürlich stetig in die ganze, von der SN
berandete Vollkugel U hinein fortsetzen; wir fragen: ist dies so möglich, dass
auch im Inneren keine gemeinsamen Nullstellen entstehen? Der einfachste
Fall ist der, in dem N = n = 0 ist : dann ist U ein Intervall, sein Rand S° besteht
aus zwei Punkten, und in diesen sind zwei Werte gegeben, die nicht 0 sind; diese
beiden Werte sind dann und nur dann die Randwerte einer in U stetigen und
von 0 verschiedenen Funktion, wenn sie das gleiche Vorzeichen haben. Das ist
das klassische Prinzip von Bolzano, und unsere obige Frage kann aufgefasst
werden als die Frage, ob das Bolzanosche Prinzip eine Verallgemeinerung auf
Systeme von n + 1 Funktionen von N + 1 Variablen besitzt. Kehren wir also
zu beliebigen positiven N und n zurück. Ausser der SN betrachten wir eine
Sphäre Sn in einem Ä n + 1 mit Koordinaten yQ, y[, • • • , yn . Die auf SN gegebenen
Funktionen /o, / i , • • • , fn , die keine gemeinsame Nullstelle haben, vermitteln
eine Abbildung / von SN auf 8n, die durch die Formeln
yj = fr(EfrW,
j =
0,l,-.-,n,
gegeben ist. Eine nullstellenfreie Fortsetzung der Funktionen f3 in U hinein
ist gleichbedeutend mit einer Fortsetzung der Abbildung / zu einer Abbildung
U —» Sn, und die Existenz einer solchen Abbildung ist, wie man sehr leicht
sieht, gleichbedeutend mit der Deformierbarkeit der Abbildung / von SN in
eine Abbildung auf einen einzigen Punkt, also mit der Unwesentlichkeit von /.
n-DIMENSIONALE SPHÄREN UND PROJEKTIVE RÄUME
201
Wir sehen also: wenn die durch die Randwerte /y bestimmte Abbildung / der
SN auf die Sn wesentlich ist, so existieren für jede Fortsetzung des Randwertsystems ins Innere von U gemeinsame Nullstellen der Funktionen /y ; man
hat also eine, durch die Randwerte ausgedrückte hinreichende Bedingung für
die Existenz einer Lösung des Gleichungssystems
/y(#o, xi, • • • , xN) = 0,
j = 0, 1, - • • , n,
in U. Randwerte, welche diese Bedingung erfüllen, gibt es aber dann und nur
dann,,wenn—in unserer früheren Terminologie—A(N, n) > 1 ist.
Diese Formulierung dürfte zeigen, dass unser Problem der Abbildungen von
Sphären auf Sphären recht natürlich ist und etwas mit den Grundtatsachen
der reellen Analysis zu tun hat. Vielleicht wäre es auch für die Behandlung
unseres Problems ganz nützlich, über die hier angedeuteten Zusammenhänge
mit der Analysis etwas nachzudenken.
9. Ich habe jetzt einige Zeit von den Sphären gesprochen und möchte nun
noch kurz auf ein Problem hinweisen, das für die Sphären trivial, aber für
andere Mannigfaltigkeiten, besonders auch für die projektiven Räume interessant ist. Der projektive Raum Pn ist nicht als Punktmenge in einem euklidischen Raum erklärt, wie z.B. die Sphäre, sondern auf eine etwas abstraktere
Weise. Da aber die Teilmengen der euklidischen Räume als besojiders "konkret"
oder "anschaulich" gelten, entsteht die Aufgabe, den Pn in einen euklidischen
Raum Rk einzubetten, d.h., ihn eineindeutig und stetig in den Rk hinein abzubilden; das Bild ist dann ein Modell des Pn. Diese Einbettung ist leicht
vorzunehmen, wenn k hinreichend gross ist. Interessant ist aber die Aufgabe,
bei gegebenem n das kleinste k zu finden, für welches ein Modell des Pn im
Rk existiert; wir wollen dieses minimale k mit k(n) bezeichnen. Die projektive
Gerade Pl ist eine einfach geschlossene Linie und besitzt daher ein Modell in
der Ebene R2; es ist also k(l) = 2. Die projektive Ebene P2 ist eine nicht-orientierbare geschlossene Fläche und besitzt daher bekanntlich kein Modell im
Raum .B3; das Analoge gilt nicht nur für alle Pn mit geraden n, die ebenfalls
nicht-orientierbar sind, sondern auch für die orientierbaren Pn mit ungeraden
n > 1; es ist somit k(n) ^ n + 2 für alle n > 1 (H. Hopf 1940). Für n = 2
und n = 3 verifiziert man leicht, dass k(n) = n + 2 ist, d.h., dass man P2 in
RA und P 3 in R5 einbetten kann. Für gewisse andere n ist bekannt, dass k(n) ä
n + 3 ist (S. S. Chern 1947). Die Aufgabe, k(n) allgemein zu bestimmen, ist
ungelöst und scheint schwierig zu sein.
Wenn der Pn in den Rk eingebettet ist, so sind die Koordinaten 2/1, • • • , 2/ä
des Rk stetige Funktionen in Pn; da Pn aus Sn durch Identifikation antipodischer Punkte entsteht, können die y3 als Funktionen auf der Sn aufgefasst
werden, welche "gerade" sind, d.h., in antipodischen Punkten immer gleiche
Werte haben; die Tatsache, dass die Abbildung des Pn in den Rk eineindeutig
ist, äussert sich in den y3 auf der Sn in naheliegender Weise. Das genannte
Einbettungsproblem der projektiven Räume ist somit gleichbedeutend mit
202
HEINZ HOPF
der Frage nach der Existenz gewisser Funktionensysteme auf den Sphären.
Wenn man verlangt, dass die Einbettung differenzierbar sei (was wohl keine
wesentliche Einschränkung bedeutet), so kommt man zu interessanten differentialgeometrischen Fragen. Ferner ist es vom algebraischen Standpunkt interessant, das Problem unter der zusätzlichen Forderung zu diskutieren, dass die
2/y homogene Formen (geraden Grades) der Koordinaten x0, x1} • • • , xn des
Rn+1 sind, in dem die S n liegt.
' •
Ich kann aber hierauf nicht mehr eingehen, und auch nicht auf einige andere
Punkte, die eigentlich noch auf meinem Programm standen (komplexe projektive
Räume; Faserungen von Sphären), denn die Zeit, die für diesen Vortrag zur
Verfügung steht, ist abgelaufen.
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Z ü R I C H ,
S W I T Z E R L A N D .
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