Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik für Studierende der Informatik PD Dr. U. Ludwig Vorlesung 2 1 / 21 § 1 Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie § 1.1. Grundlegende Begriffe (Fortsetzung) 2 / 21 Ereignisalgebra Definition 1.3. Ein System A von Teilmengen von Ω heißt eine Ereignisalgebra oder σ-Algebra auf Ω, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: (i) Ist A ∈ A, so ist auch A = Ω \ A ∈ A. (ii) Es ist stets Ω ∈ A. (iii) Sind A1 , A2 , . . . An ∈ A , so ist auch n [ Ak ∈ A. Desgleichen, k=1 sind A1 , A2 , . . . , Ak , . . . ∈[A für k ∈ N, so ist auch die unendliche Vereinigung Ak ∈ A. k∈N 3 / 21 Wahrscheinlichkeitsraum Definition 1.6. Es sei A eine Ereignisalgebra auf Ω; eine Abbildung (oder: eine Mengenfunktion) p : A → [0, 1] heißt ein Wahrscheinlichkeitsmaß oder eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, wenn p folgende Axiome erfüllt: (i) p(Ω) = 1. (ii) σ-Additivität: Sind A1 , A2 , . . . ∈ A paarweise disjunkte Ereignisse so gilt ! [ X p Ak = p(Ak ). k k Das Tripel (Ω, A, p) heißt Wahrscheinlichkeitsraum. 4 / 21 Endliche Wahrscheinlichkeitsräume Wahrscheinlichkeitsräume mit endlichem Grundraum heißen endliche Wahrscheinlichkeitsräume. Sei Ω = {ω1 , . . . , ωn } ein endlicher Grundraum. Als Ereignisalgebra auf Ω nimmt man oft die Potenzmenge P(Ω). Um das Wahrscheinlichkeitsmaß p zu definieren reicht es p({ωi }), i = 1, . . . , n, anzugeben, so dass p({ωi }) ≥ 0 und p({ω1 }) + . . . p({ωn }) = 1. 5 / 21 Diskrete Wahrscheinlichkeitsräume Definition (Abzählbare (unendliche) Menge) Eine Abbildung f : M → N heißt bijektiv, wenn für jedes n ∈ N das Urbild f −1 ({n}) einelementig ist. Eine Menge M heißt abzählbar, wenn es eine bijektive Abbildung f : M → N gibt. Salopp gesagt: In einer abzählbaren Menge lassen sich die Elemente “durchnummerieren.” Definition (Diskreter Wahrscheinlichkeitsraum) Ein Wahrscheinlichkeitsraum mit endlichem oder abzählbarem Grundraum heißt diskreter Wahrscheinlichkeitsraum. Unendlich oftes wiederholtes Werfen einer Münze ist ein Experiment mit diskretem Wahrscheinlichkeitsraum. Temperaturmessung ist kein diskreter Wahrscheinlichkeitsraum. 6 / 21 Laplace-Raum Definition 1.8 Ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum Ω = {ω1 , . . . , ωn } in dem gilt p({ω1 }) = p({ω2 }) = . . . = p({ωn }), heißt Laplace’scher Wahrscheinlichkeitsraum (oder Laplace-Raum). Beispiele: Münzwurf, Würfeln, Lottospiel sind Laplace-Räume Temperaturmessung, Wahlbefragung sind keine Laplace-Räume 7 / 21 Wahrscheinlichkeit in einem Laplace-Raum Sei Ω = {ω1 , . . . , ωn } ein Laplace-Raum. Wir haben aus den Axiomen in Definition 1.6 1 = p(Ω) = p({ω1 }) + p({ω2 }) + . . . + p({ωn }) = np({ωi }). Damit gilt, für jedes i ∈ {1, . . . , n}, dass 1 . n Sei A ⊂ Ω eine Teilmenge mit k Elementen. Dann gilt p({ωi }) = p(A) = X ωi ∈A p({ωi }) = k Anzahl der Elemente in A = n Anzahl der Elemente in Ω 8 / 21 Erste Folgerungen aus den Axiomen eines Wahrscheinlichkeitsraums Satz 1.7. Sei (Ω, A, p) ein Wahrscheinlichkeitsraum und seien A, B, A1 , A2 , . . . ∈ A. Dann gilt: (1) p(∅) = 0 und p(A) ≤ 1 für alle A ∈ A. (2) p(Ā) = 1 − p(A). (3) A ⊂ B ⇒ p(A) ≤ p(B) i.e. p ist monoton. (4) p(A ∪ B) = p(A) + p(B) − p(A ∩ B) ≤ p(A) + p(B). ∞ ∞ [ X (5) p( Ai ) ≤ p(Ai ). i=1 i=1 (6) A ⊂ B ⇒ p(B \ A) = p(B) − p(A). 9 / 21 Organisatorisches Bitte beachten Sie: Die Tutoratstermine sind auf der Homepage angegeben! Bitte beachten Sie für die Abgabe der Übungen: Abgabetermin ist Mi 10h. Verspätet abgegebene Übungen werden nicht gewertet. Schreiben Sie jede Aufgabe auf ein eigenes Blatt. Falls Sie mehrere Blätter benötigen, so sollten diese zusammengetackert werden. Werfen Sie Aufgabe 1 in Kasten 1, Aufgabe 2 in Kasten 2 im LE, 4. Etage. Schreiben Sie auf jedes abgegebene Blatt Ihren Vornamen und Nachnamen. Schreiben Sie bitte leserlich. Nicht leserliche Abgaben werden nicht gewertet. 10 / 21 § 1.2 Berechnung von Wahrscheinlichkeiten durch kombinatorische Überlegungen 11 / 21 Binomialkoeffizienten Sei n ∈ N. Wir bezeichnen mit n! = 1 · 2 · . . . · n, und sagen n-Fakultät. Konvention: 0! = 1. Seien k, n ∈ N0 mit k ≤ n. Wir bezeichnen mit n n! = k (n − k)!k! den Binomialkoeffizienten n über k. 12 / 21 Kartesisches Produkt. Geordnete r -Tupel Seien A1 , . . . , Ar Mengen. Definition (Kartesisches Produkt) Die Menge A1 × . . . × Ar := {(a1 , . . . , ar ) | ak ∈ Ak für k = 1, . . . , r } heißt kartesisches Produkt der Mengen A1 , . . . , Ar . Die Elemente in A1 × . . . × Ar heißen geordneten r -Tupel. Die Menge Ak habe nk Elemente. Die Anzahl der geordneten r -Tupel (a1 , . . . , ar ) mit ak ∈ Ak ist |A1 × . . . × Ar | = r Y ni = n1 · n2 · . . . · nr . i=1 13 / 21 Permutationen (ohne Wiederholung) Definition Sei A eine Menge. Ein geordnetes r −Tupel (a1 , . . . , ar ) mit ai ∈ A (nicht notwendigerweise verschieden) heißt r-Permutation der Menge A. Wir schreiben Perr (A) := Ar = {(a1 , . . . , ar ) | ai ∈ A} . Hat die Menge A n-Elemente, so ist die Anzal der r -Permutationen der Menge A genau nr , also |Ar | = nr . 14 / 21 Permutationen ohne Wiederholung Ein geordnetes r −Tupel (a1 , . . . , ar ) mit ai ∈ A paarweise verschieden heißt r -Permutation der Menge A ohne Wiederholung. Wir schreiben Perr∗ (A) := {(a1 , . . . , ar ) | ai 6= aj ∈ A.} . Sei A eine Menge mit n Elementen. Sei r ≤ n. Die Anzahl der r -Permutation der Menge A ohne Wiederholung ist gleich n! n = · r! n · (n − 1) · .... · (n − (r − 1)) = (n − r )! r 15 / 21 r -Kombinationen (mit und ohne Wiederholung) Sei A = {1, . . . , n}. Ein r −Tupel (a1 , . . . , ar ) mit a1 < a2 < . . . < ar heißt r-Kombination aus A ohne Wiederholung. Wir schreiben Komr∗ (A) := {(a1 , . . . , ar ) | 1 ≤ a1 < · · · < ar ≤ n} . Komr (A) := {(a1 , . . . , ar ) | 1 ≤ a1 ≤ · · · ≤ ar ≤ n} ; ist die Menge der r-Kombinationen aus A mit Wiederholung. 16 / 21 Anzahl der Kombinationen Die Anzahl der r -Kombinationen mit bzw. ohne Wiederholung ist n n+r −1 ∗ |Komr (A)| = , |Komr (A)| = . r r 17 / 21 Urnenmodell Wir betrachten eine mit n durchnummerierten Kugeln gefüllte Urne. Nun ziehen wir r -mal hintereinander je eine Kugel aus der Urne und notieren nach jeder Ziehung die Nummer der gezogenen Kugel. ohne Zurücklegen mit Zurücklegen ohne Berücksichtigung der Reihenfolge mit Berücksichtigung der Reihenfolge Wie groß ist der Grundraum des Experiments? 18 / 21 Urnenmodell Bezeichne mit Ω = {1, . . . , n}. ohne Zurücklegen ohne Berücksichtigung der Reihenfolge mit Berücksichtigung der Reihenfolge n r | Kom∗r (Ω) |= | Per ∗r (Ω) |= n r · r! mit Zurücklegen | Komr (Ω) |= n+r −1 r | Per r (Ω) |= nr 19 / 21 Beispiel 1.9: 6-er im Lotto Die Anzahl der Elemente im Grundraum ist p(6-er im Lotto) = 1 49 6 = 49 6 . 1 ' 7, 1511 · 10−8 . 13983816 20 / 21 Fächermodelle Es sollen r Teilchen auf n von 1 bis n nummerierte Fächer verteilt werden. Die Anzahl der Besetzungen sowie des Ergebnisraums hängen davon ab, ob die Teilchen unterscheidbar sind und ob Mehrfachbesetzungen zugelassen werden oder nicht. Teilchen Mehrfachbesetzung unterscheidbar? erlaubt? Ja Ja Nein Nein Ja Nein Ja Nein Ergebnisraum Perr (Ω) Perr∗ (Ω) Komr (Ω) Komr∗ (Ω) 21 / 21