FORTBILDUNG – SCHWERPUNKT – Koautor: Dr. med. Michael Bührlen, München Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Palitzsch Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Angiologie und Innere Medizin Zentrale Notaufnahme, Klinikum Neuperlach Städt. Klinikum München GmbH Screening und frühzeitige Präventionsmaßnahmen So kann die Diabetesflut eingedämmt werden Deutschland hat, wie andere Industrienationen auch, ein großes Problem mit der wachsenden Zahl übergewichtiger und adipöser Menschen. Infolgedessen steigt die Inzidenz des Typ 2-Diabetes rasant. Um dem entgegenzuwirken, sollten Sie wissen, wer ge­ fährdet ist und eines Screenings bedarf. Zudem sollten Sie blut­ zuckersenkende Maßnahmen nicht zu zögerlich einsetzen. _ Die Internationale Diabetes Federa­ tion (IDF) schätzt, dass ca. 12% der 20bis 70-jährigen Deutschen an Diabetes mellitus erkrankt sind. Das wären knapp acht Millionen Betroffene plus Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1/2. Betrach­ tet man die Entwicklung in anderen In­ dustrienationen, scheint diese Schät­ zung trotz vieler Einwände von Exper­ ten nicht abwegig. Screening bei Erwachsenen Die Amerikanische Diabetes Gesellschaft (ADA) empfiehlt als Screening bei allen über 45-Jährigen die Bestimmung der Nüchternglukose bzw. einen oralen Glu­ kosebelastungstest. Sind diese Untersu­ chungen unauffällig, sollte eine erneute Kontrolle nach drei Jahren erfolgen. Aus­ genommen sind sog. Hochrisikogruppen, d. h. Menschen mit einem Body-Mass-In­ dex (BMI) über 25 kg/m² und zusätz­ lichen Risikofaktoren im Sinne des Meta­ bolischen Syndroms. Körperliche Inaktivi­ tät, gestörte Nüchternblutzuckerwerte oder der Nachweis einer gestörten Gluko­ setoleranz anlässlich früherer Untersu­ MMW-Fortschr. Med. Nr. 9 / 2012 (154. Jg.) chungen, vorhandene Insulinresistenz so­ wie makrovaskuläre Erkrankungen und die Zugehörigkeit zu gefährdeten eth­ nischen Gruppen wie z. B. Menschen la­ teinamerikanischer oder afrikanische Herkunft, sollten unmittelbar Anlass zu einer Screeninguntersuchung geben. Screening bei Kindern Es wird empfohlen, wenn ■ der BMI die 85. Perzentile für Alter und Geschlecht überschreitet ■ das Gewicht gemessen an der Größe über der 85. Perzentile oder 120% über dem Idealgewicht für die jeweilige Kör­ pergröße liegt ■ Kinder Verwandte ers­ten und zweiten Grades mit einem Typ 2-Diabetes ha­ ben, an hohem Blutdruck oder Dyslipi­ dämie leiden, oder Zeichen der Insulin­ resistenz aufweisen. Das Screening sollte mit zehn Jahren oder mit der Pubertät beginnen und alle drei Jahre wiederholt werden. Warum ist ein Screening so wichtig? Der Übergang von einer normalen Glu­ coseregulation zum „Prädiabetes“ mit erhöhtem Nüchternblutzucker (IFG; im­ paired fasting glucose) und/oder ge­ störter Glukosetoleranz (IGT; impaired glucose tolerance) vollzieht sich schlei­ chend. Nicht selten beträgt die Prädia­ betesphase fünf bis sieben Jahre, bevor ein Typ 2-Diabetes endgültig diagnosti­ ziert wird. Während sich die mikrovas­ kulären Ereignisse in aller Regel erst mit Beginn des manifesten Typ 2-Diabetes entwickeln, muss aufgrund des heutigen Kenntnisstands davon ausgegangen – Tabelle 1 Progression zu manifestem Typ 2-Diabetes bei IFG, IGT oder beidem [3–5] Jährliche Progressionsrate zu manifestem DM 95% KI Normale Glukosetoleranz 0,3 0,2–0,3 IFG 2,5 1,9–3,3 IGT 3,8 3,0–4,9 IFG und IGT 9,3 7,1–12,2 45 FORTBILDUNG – SCHWERPUNKT störter Glukosetoleranz postprandial im Bereich um 140 mg/dl oder knapp un­ terhalb des festgesetzten Grenzwertes von 200 mg/dl befindet. Während die ADA zusätzlich zu den genannten Kriterien für erhöhten Nüch­ ternblutzucker und/oder gestörte Glu­ kosetoleranz auch den HbA1c-Wert als Diagnostikum für den Prädiabetes zuge­ lassen hat, ist dies in Deutschland nicht der Fall. Gemäß amerikanischen Leitli­ nien darf die Diagnose Prädiabetes bei einem HbA1c-Wert zwischen 5,7 und 6,4% gestellt werden [7]. In Deutschland hält man die Sensitivität des HbA1cWertes < 5,7% für ausreichend, um ei­ nen Diabetes mellitus auszuschließen, empfiehlt aber, bei HbA1c-Werten zwi­ schen 5,7 und 6,4% die Nüchterngluko­ se zu bestimmen oder einen oralen Glu­ kosebelastungstests durchzuführen. – Tabelle 2 Interventionsstudien zur Diabetesprävention [9-13] Studie Art der Intervention RR für die Entwicklung eines Diabetes mellitus DPS (Finnland) Diät und Aktivität 0,42 (0,30–0,70) DPP (USA) Diät und Aktivität 0,42 (0,34–0,52) Da Qing (China) Diät/Aktivität oder beides 0,62 (0,44–0,86) Toranomon (Japan) Diät und Aktivität 0,33 (0,10–1,00) IDPP-1 (Indien) Diät und Aktivität 0,71 (0,63–0,79) Möglichkeiten der Früherkennung Eine gestörte Nüchternglukose liegt vor, wenn sich der Nüchternblutzucker im Bereich von > 100 bis 125 mg/dl bewegt. Von einer gestörten Glukosetoleranz wird gesprochen, wenn im 2 h-Wert des oralen Glukosetoleranz­testes (oGTT) der Blutzucker zwischen > 140 und 199 mg/dl liegt. Das Risiko für einen Über­ gang zu einem manifesten Diabetes mel­ litus bei gestörter Nüchternglukose, ge­ störter Glukosetoleranz oder beidem zeigt Tab. 1. Es ist klar zu erkennen, dass das Risiko bei Vorliegen der Kombina­ tion gestörte Nüchternglukose/gestörte Glukosetoleranz am höchs­ten ist. Pathophysiologisch weist die gestörte Nüchternglukose auf eine verminderte frühe Insulinsekretion hin. Eine gestörte Glukosetoleranz spricht dagegen für ei­ ne verminderte frühe und späte Insulin­ sekretion. Zahlreiche Studien haben ge­ zeigt, dass eine gestörte Glukosetoleranz mit erhöhter Gesamt- und kardiovasku­ lärer Mortalität assoziiert ist. Ob dies bei gestörter Nüchternglukose ähnlich ist, war bisher nicht eindeutig geklärt. In einer aktuellen Untersuchung, die 97 prospektive Studien an über 820 000 Personen ausgewertet hat, konnte klar nachgewiesen werden, dass eine Nüch­ ternglukose über 100 mg/dl mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist, wo­ hingegen Nüchternglukosewerte zwi­ schen 70 und < 100 mg/dl diese Assozia­ tion nicht aufweisen. Analysiert man die entsprechenden Todesfälle, zeigt sich eindeutig, dass mit steigenden Nüch­ ternblutzuckerwerten > 100 mg/dl die 46 Häufigkeit für vaskuläre und non-vas­ kuläre Todesfälle ebenso wie für krebs­ bedingte Todesfälle deutlich ansteigt. Darüber hinaus ist bekannt, dass be­ reits bei steigenden Nüchternblut­ zuckerwerten im Normbereich das Dia­ betesrisiko ansteigt [6]. Personen mit einem Nüchternblutzucker zwischen 90 und 94 mg/dl (definitiv im Normbe­ reich) haben ein 1,5-fach höheres Dia­ betesrisiko als Personen mit einem Nüchternblutzucker unter 85 mg/dl [6]. Gleiches gilt für die Grenzwerte der gestörten Glukosetoleranz und die Ent­ wicklung des kardiovaskulären Risikos. Zwar reicht der Blutzucker bei gestörter Glukosetoleranz von > 140 bis 199 mg/ dl, jedoch sind steigende Werte ab 140 mg/dl aufwärts mit einem deutlichen Anstieg der kardiovaskulären Mortalität verbunden. Insofern spielt es eine erheb­ liche Rolle, ob sich ein Mensch mit ge­ © sexcamp graphics/fotolia werden, dass sich bereits in der prädia­ betischen Phase makrovaskuläre Kom­ plikationen ausbilden [1–2]. Kann er dem Diabetes noch davonlaufen? Validierte Fragebögen zur Risikobeurteilung Mittels individueller Fragebögen (z. B. FINDRISK, Deutscher Diabetes-RisikoTest) lässt sich nicht invasiv mit leicht abfragbaren Risikofaktoren das ge­ schätzte 5- oder 10-Jahres-Risiko für ei­ nen Typ 2-Diabetes ermitteln. Die ge­ nannten Fragebögen orientieren sich entweder am finnischen Diabetes-Risi­ ko-Score (FINDRISK) oder wurden vom Deutschen Institut für Ernährungs­ forschung (Deutscher Diabetes-RisikoTest) erstellt. Beide Testverfahren kön­ nen im Internet abgerufen werden. Mit Fragen z. B. nach Alter, BMI, Hüftumfang, vorausgegangener antihy­ pertensiver Behandlung, bereits früher erhöhten Blutzuckerwerten, Ernäh­ rungsgewohnheiten, körperlicher Akti­ vität sowie Diabetesrisiko innerhalb der Familie werden je nach Antworten Punkte vergeben, die zur Risikobewer­ tung dienen. ■ Im FINDRISK bedeuten z. B. ≤ 10 Punkte ein geringes Risiko, einen Diabe­ tes zu entwickeln. Betroffene, die diese Punktzahl aufweisen, sollten nur eine allgemeine Information zum Thema Blutzuckerstoffwechsel erhalten. ■ Bei einem Score von 11–19 Punkten besteht ein erhöhtes Risiko. Hier sind Präventionsmaßnahmen sinnvoll. Mit MMW-Fortschr. Med. Nr. 9 / 2012 (154. Jg.) FORTBILDUNG – SCHWERPUNKT den Betroffenen sollte ein Gesprächs­ termin vereinbart werden und man sollte sie über die Möglichkeiten moderner In­ terventionsprogramme informieren. ■ Bei ≥ 20 Punkten besteht ein stark er­ höhtes Risiko, einen Diabetes mellitus zu entwickeln. Hier sollte außer einem informativen Gespräch entsprechende Labordiagnostik inklusive eines oralen Glucosebelastungstestes stattfinden. Wie einen Typ 2-Diabetes verzögern oder verhindern? Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten: ■ Eine profunde Lebensstiländerung ist am effektivsten. Sie sollte Ernährungs­ gewohnheiten, die zu einer Gewichtsre­ duktion führen sowie vermehrte körper­ liche Bewegung beinhalten. Idealerweise geht beides Hand in Hand. ■ Darüber hinaus existieren pharmako­ logische Möglichkeiten. ■ In jedem Fall sollten gefährdete Per­ sonen das Rauchen einstellen, da es das Risiko, einen Typ 2-Diabetes zu entwi­ ckeln, deutlich erhöht. Ob man nur mit diätetischen Maß­ nahmen einen Typ 2-Diabetes vermei­ den kann, ist eher unwahrscheinlich. In einer Studie an über 48 000 postmeno­ pausalen Frauen, mittleres Alter 62 Jah­ re [8], erhielt die eine Gruppe eine fett­ reduzierte Diät, während die Kontroll­ gruppe keine Ernährungsmodifikation vorzunehmen hatte. Nach einem Zeit­ raum von acht Jahren war die Inzidenz des selbstberichteten Diabetes mellitus in beiden Gruppen gleich. Auch wesent­ liche Gewichtsunterschiede waren nicht zu beobachten. Für eine optimale Diät ist die Ernäh­ rungszusammensetzung und die Kalo­ rienzufuhr entscheidend. Die Ernäh­ rungszusammensetzung sollte sich so­ wohl am metabolischen Status als auch an den Essensvorlieben des Betroffenen orientieren, da ein kompletter Entzug bevorzugter Lebensmittel nicht zu dau­ erhaftem Erfolg führen wird. Die Kalo­ rienzufuhr sollte unabhängig von der Nahrungszusammensetzung dem Ge­ wichtsziel angepasst werden. Eine mo­ natliche Gewichtsreduktion zwischen 1 und 1,5 kg sollte angestrebt werden, um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen. MMW-Fortschr. Med. Nr. 9 / 2012 (154. Jg.) – Tabelle 3 Lebensstil- und medikamentöse Intervention [3–4] Population IFG oder IGT IFG oder IGT und einer der folgenden Faktoren: Alter < 60 a BMI ≥ 35 kg/m2 Positive Familienanamese Erhöhte Triglyzeride Vermindertes HDL Hypertonie HbA1c > 6,0% Sehr hohes Risiko für die Progression zu einem Diabetes __ __ __ _ Diäten mit sehr niedrigem Kohlen­ hydratgehalt sind nicht zu empfehlen, da z. B. Früchte und Gemüse reich an Vitaminen und Mineralien sind. Wäh­ rend kohlenhydratreduzierte Diäten ini­ tial einen größeren Gewichtsverlust be­ wirken als z. B. fettreduzierte Diäten, lassen sich nach einem Jahr zwischen diesen beiden Diätformen keine signifi­ kanten Unterschiede mehr nachweisen. Hinsichtlich der Fette sollten gesättigte und trans-ungesättigte Fettsäuren sowie Cholesterin reduziert und die Aufnah­ me von ein- und mehrfach ungesät­ tigten Fettsäuren gesteigert werden. Körperliche Aktivität sollte unter aeroben Bedingungen stattfinden. An­ zustreben ist eine mäßig intensive Be­ lastung (50–70% der max. Herzfre­ quenz) mit einer Intensität von ≥ 150 Min. pro Woche. Krafttraining verbes­ sert die Insulinsensitivität ähnlich wie aerobes Training und ist bei älteren Typ 2-Diabetikern in der Lage, zu einer HbA1c-Senkung zu führen. Analog zum Ausdauertraining kann es dreimal pro Woche erfolgen. Die Kombination von Krafttraining und aerobem Training hat einen synergistischen Effekt. Was bringt was im Einzelnen? In den meisten Präventionsstudien wur­ den Diät und körperliche Aktivität kom­ Behandlung __ _ Lebensstiländerung Gewichtsreduktion um 5–10% K örperliche Aktivität moderrater Intensität für ca. 30 min/d U nterstützung durch Programme und Beratung Lebensstiländerung (s. o.) Metformin biniert und es kam im Studienverlauf zu einer mittleren Gewichtsabnahme zwi­ schen 0,3 und 5,2 kg, je nach Ausgangs­ lage. Die relative Risikoreduktion, einen Diabetes mellitus zur entwickeln, betrug je nach Studie 29–67% und die Number needed to treat durchschnittlich 21–25 Personen für ein Jahr, um einen Diabe­ tesfall zu vermeiden (s. auch Tab. 2). Meist sind diese Interventionsstudien sehr aufwendig konzipiert. Allein in der Finnischen Diabetes Prevention Study mussten sieben Sitzungen zum Thema Ernährung im ersten Jahr und vier wei­ tere Termine im Folgejahr absolviert werden. Im Amerikanischen Diabetes Prevention Program (DPP) wurde die physische Aktivität mit 150 Min. pro Woche sowohl individuell ge­plant als auch entsprechend betreut. Bereits initial fand eine 16-stündige Einführung zum Thema „Gewicht“, „Lifestyle“ etc. statt. Wenn man die Studien aufmerksam liest, wird sehr schnell klar, dass diese Form der Prävention leider nicht kos­ tengünstig, aber hochgradig effektiv ist. Einzelnen Teilnehmern im Amerika­ nischen Präventionsprogramm gelang es, im ersten Halbjahr mittels kalorienre­ duzierter Diät, täglicher Selbstdokumen­ tation von Kalorienzufuhr und Gewicht sowie gesteigerter körperlicher Aktivität pro Woche 0,5–1 kg abzunehmen. 47 FORTBILDUNG – SCHWERPUNKT Es sollte sowohl dem Arzt als auch dem Patienten klar sein, dass bei der Le­ bensstilintervention die Zahl der er­ reichten Ziele entscheidend ist. Gelingt es, das Gewichts um 5%, die Fettzufuhr um 30% des Energiebedarfs, gesättigte Fettsäuren auf ein Mindestmaß von 10% des Energiebedarfs zu reduzieren, eine ballaststoffreiche Kost zu etablieren und das oben aufgeführte Maß an körper­ licher Aktivität [14] umzusetzen, lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit ein Typ 2-Diabetes vermeiden. Bemerkenswert ist die Nachhaltigkeit von Lebensstilinterventionen [15–17]. In einer chinesischen Präventionsstudie zeigte sich z. B. in einem 20-JahresFollow-up, dass die Reduktion der Kon­ version zu einem Diabetes, wenn auch in abgeschwächter Form, erhalten blieb. Medikamentöse Diabetesprävention Es gibt zahlreiche Studien, v. a. mit Thia­ zolidinedionen, sog. Glitazonen. Sie spielen aktuell in Deutschland nur noch eine untergeordnete Rolle. Glitazone sind sog. Insulinsensitizer, die die hepatische Glukoseproduktion re­ duzieren, die Glukoseverwertung im Stoffwechsel fördern und die Insulin­ sekretion stimulieren. Aufgrund kardio­ vaskulärer Neben­wirkungen (insbesonde­ re bei Rosiglitazon) wurden Glitazone seit längerer Zeit kritisch gesehen. Derzeit ist nur noch Pioglitazon auf dem Markt. Gemäß Pressemitteilung des IQWiG und des gemeinsamen Bundesaus­ schusses steht nach gründlicher Ab­ wägung fest, dass der mögliche Schaden einer Glitazontherapie deren Nutzen übersteigt. Da be­obachtet wurde, dass es unter Pio­glitazon zu einer erhöhten Inzi­ denz von Harnblasenkarzinomen kam, hat auch das BfArM empfohlen, Pa­tienten nicht neu auf pioglitazonhaltige Arznei­ mittel einzustellen. Der Zulassungs­ inhaber ist aufgefordert, eine Studie zur Klärung der offenen Fragen hinsichtlich der Glitazontherapie vorzulegen. Die sog. Stop-NIDDM-Studie [22] konnte zeigen, dass sich mittels dreimal täglich 100 mg Acarbose die Entwick­ lung eines Typ 2-Diabetes während ei­ ner Be­obachtungszeit von 39 Monaten verzögern bzw. vermeiden ließ. Aller­ 48 dings gab es 31% Studienabbrüche in­ folge u. a. gastrointestinaler Nebenwir­ kungen. Darüber hinaus zeigte sich nach Studienende nach einer dreimonatigen Wash-out-Phase, dass Personen in der Acarbosegruppe häufiger einen Typ 2-Diabetes entwickelten als in der Placebogruppe. In der sog. XENDOS-Studie [23] wurde versucht, mittels des Lipase-Inhi­ bitors Orlistat über eine Gewichtsreduk­ tion längerfristig einen Typ 2-Diabetes zu vermeiden. Zwar zeigte sich im Stu­ dienzeitraum von vier Jahren gegenüber den Kontrollen eine 37%ige Risikore­ duktion, allerdings traten auch hier in einem erheblichen Prozentsatz gastroin­ testinale Nebenwirkungen auf. Aktuell kann Orlistat zur Prävention des Typ 2-Diabetes nicht empfohlen werden. Gute Erfolge sind mit Metformin [10, 18] zu verzeichnen. In der oben zitierten DPP-Studie konnte Metformin gegen­ über Placebo die Diabetes­inzidenz um 31% reduzieren. Die NNT betrug 13,9 Personen pro 100 Personenjahre, um in drei Jahren einen Diabetesfall zu ver­ meiden. Im Studienverlauf führte Met­ formin zu einer deutlichen Verbesse­ rung der Insulinsensitivität und die meis­ ten Probanden nahmen bis zu 2 kg ab. Interessanterweise war der Gewinn hinsichtlich der Abnahme der Diabetes­ inzidenz durch Diät- und Bewegungs­ maßnahmen bei den über 59-jährigen im Amerikanischen Diabetes-Präven­ tionsprogramm am ausgeprägtesten, wohingegen die jüngeren Studienteil­ nehmer mit hohem BMI (> 34 kg/m²) tendenziell von einer Metforminthera­ pie mehr profitierten als von einer Lebensstiländerung. Auch nach Beendi­ gung der Metforminmedikation zeigte sich in der DPP-Studie nach entspre­ chender Wash-out-Phase eine 25%ige Risikoreduktion von Metformin gegen­ über Placebo. Metformin besonders geeignet Da Metformin die prä- und postprandi­ alen Blutzuckerwerte beeinflusst, die In­ sulinsensitivität und den BMI verbes­ sert, zu einer Erhöhung des HDL- und zu einer Senkung des LDL-Cholesterins und der Triglyzeride beitragen kann so­ wie eine hohe Arzneimittelsicherheit be­ sitzt, ist dieser Wirkstoff ideal für die pharmakologische Diabetes­prävention. Tab. 3 zeigt, wer mit Metformin behan­ delt werden sollte. Verschiedene Studien [26–27], die mit anderen Medikamenten wie z. B. Gliniden, ACE-Inhibitoren, Sartanen sowie der Kombination Östrogen/Pro­ gesteron zur Diabetesprävention durch­ geführt wurden, konnten keine überzeu­ genden Ergebnisse liefern. Literatur unter mmw.de Für die Verfasser: Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Palitzsch Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Angiologie und Innere Medizin Zentrale Notaufnahme, Klinikum Neu­ perlach, Städt. Klinikum München GmbH Oskar-Maria-Graf-Ring 51 D-81737 München, E-Mail: klaus-dieter. [email protected] Keywords Prevention of typ 2 diabetes mellitus Diabetes prevention – diabetes pre­ diction strategies – impaired fasting glucose – impaired glucose tolerance – lifestyle modification Fazit für die Praxis Obwohl uns mittels Screeningverfahren und entsprechender Labordiagnostik adäquate Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 frühzeitig zu erkennen, werden diese Möglichkeiten derzeit in Deutschland nicht flächendeckend genützt. In Anbetracht der Größenordnung des Problems wäre dies aber dringend angezeigt. Die Hemmschwelle für den frühzeitigen Einsatz einer blutzuckersenkenden Therapie ist heute noch zu hoch, selbst dann, wenn bereits die Diagnose gestellt wurde. Da sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft den amerikanischen Vorgaben hinsichtlich der Diagnostik des Prädiabetes mittels HbA1c nicht angeschlossen hat, besteht derzeit auch keine leitlinienabgesicherte Therapiemöglichkeit mit Metformin in dieser Phase der Erkrankung. Es sollte uns allen jedoch bewusst sein, dass nach einer durchschnittlichen Prädiabeteslaufzeit von fünf bis sieben Jahren unsere pharmakologischen Therapiemaßnahmen in vielen Fällen zu spät beginnen. MMW-Fortschr. Med. Nr. 9 / 2012 (154. Jg.) FORTBILDUNG – SCHWERPUNKT Literatur 1. Fuller JH, Shipley MJ, Rose G, et al. Coronaryheart-disease risk and impaired glucose tolerance. The Whitehall study. Lancet 1980; 1:1373. 2. Barr EL, Zimmet PZ, Welborn TA, et al. Risk of cardiovascular and all-cause mortality in individuals with diabetes mellitus, impaired fasting glucose, an impaired glucose tolerance: the Australian Diabetes, Obesity, and Lifestyle Study (AusDiab). Circulation 2007; 116:151. 3. Edelstein SL, Knowler WC, Bain RP, et al. Predictors of progression from impaired glucose tolerance to NIDDM: an analysis of six prospective studies. Diabetes 1997; 46:701. 4. Nathan DM, Davidson MB, De Fronzo RA, et al. 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