MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT GRAZ BACHELORSTUDIUM GESUNDHEITS- UND PFLEGEWISSENSCHAFT Bachelorarbeit Die Leber – das zentrale Stoffwechselorgan des Menschen Sabrina Lichtenegger Datum der Einreichung: 01.09.2014 Begutachterin: Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Anna Gries Institut für Physiologie Harrachgasse 21/V 8010 Graz Lehrveranstaltung: Physiologie Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 01. September 2014 Sabrina Lichtenegger eh Zusammenfassung Ziel Ziel dieser Arbeit ist es, die Leber und deren Aufgabe im Energiestoffwechsel zu beschreiben. Zudem sollen die Folgen von Störungen des Energiestoffwechsels erörtert werden. Daher lauten die Forschungsfragen wie folgt: 1. Welche für den Energiestoffwechsel relevanten Prozesse finden in der Leber statt? 2. Welche Auswirkungen haben Stoffwechselstörungen auf den Gesamtorganismus? Methode Durch eine empirische Literaturrecherche werden die relevanten Literaturquellen ausfindig gemacht und das Thema eingegrenzt. Bereitgestellt wird die Literatur aus den Bibliotheken der Medizinischen Universität Graz und der Karl-Franzens-Universität Graz; zudem werden auch Onlineressourcen wie die Datenbank PubMed hinzugezogen. Ergebnisse In der Leber wird Glukose mittels Glykolyse verbrannt sowie in Form von Glykogen gespeichert. In Hungerzeiten stellt sie mittels Glukoneogenese selbst Glukose her. Fette werden in der Leber unter anderem zu Cholesterin synthetisiert. Fettsäuren verbrennt sie in der β-Oxidation zur Energiebereitstellung. Die Leber ist auch ein Ort der Proteinsynthese: Es werden Plasmaproteine sowie Enzyme hergestellt. Außerdem baut die Leber Muskelprotein zur Versorgung lebenswichtiger Organe um; den toxischen Ammoniak wandelt sie in den unschädlichen Harnstoff um. Stoffwechselstörungen haben enorme Auswirkungen auf den Gesamtorganismus. Diabetes mellitus führt neben weiteren Spätkomplikationen zu Makro- und Mikroangiopathien, die letal als Herzinfarkt, Schlaganfall oder Niereninsuffizienz enden können. Hyperlipoproteinen führen zu Arteriosklerose und erhöhen damit das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Kann der toxische Ammoniak nicht abgebaut werden, führt er im Gehirn zu weitreichenden Schäden und neurologischen Defiziten. Diskussion Stoffwechselstörungen beeinträchtigen den Organismus auf verschiedene Weise und können ebenso letal enden. Vor allem erworbene Störungen sind weit verbreitet und deren schwerwiegende Spätkomplikationen werden von den Betroffenen oftmals unterschätzt. Viele Erkrankungen wären mit einer Ernährungsumstellung und vermehrter körperlicher Aktivität zu heilen. Leider sind sich viele Erkrankte dessen nicht bewusst. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................................. 1 2. Morphologie der Leber ......................................................................................... 3 2.1 Anatomie ....................................................................................................... 3 2.2 Histologie ....................................................................................................... 5 2.3 Pfortaderkreislauf........................................................................................... 7 3. Der Energiestoffwechsel ...................................................................................... 8 3.1 Der Kohlenhydratstoffwechsel ..................................................................... 10 3.1.1 Glykolyse ............................................................................................ 10 3.1.2 Glukoneogenese ................................................................................. 14 3.2 Der Fettstoffwechsel .................................................................................... 16 3.2.1 β-Oxidation ......................................................................................... 17 3.2.2 Cholesterinbiosynthese ...................................................................... 20 3.3 Der Proteinstoffwechsel ............................................................................... 22 3.3.1 Proteinsynthese .................................................................................. 23 3.3.2 Proteolyse & Harnstoffzyklus .............................................................. 26 4. Störungen des Energiestoffwechsels ................................................................. 29 4.1 Kohlenhydratstoffwechselstörungen ............................................................ 29 4.2 Fettstoffwechselstörungen ........................................................................... 33 4.3 Proteinstoffwechselstörungen ...................................................................... 37 5. Schlussfolgerung und Diskussion ...................................................................... 39 6. Literaturverzeichnis ............................................................................................ 42 7. Abbildungsverzeichnis........................................................................................ 44 1. Einleitung Der Stoffwechsel des Menschen – ein komplexer Vorgang, dessen Dreh- und Angelpunkt die Leber ist. Ein sehr relevantes Thema, wenn man bedenkt, dass die Prozesse des Stoffwechsels auch den Ausgangspunkt für zahlreiche Pathologien bieten. Stoffwechselstörungen können mitunter schon als Gesellschaftsproblem bezeichnet werden. Die Zahl an Personen, die an Diabetes mellitus oder einer Hyperlipidämie leiden, steigt rasant an, um nur zwei der Stoffwechsel-Entgleisungen zu erwähnen. Auch die Funktion der Leber ist sehr vielfältig. Sie wirkt nicht nur als exokrine Drüse, indem sie die Galle produziert und abgibt, die für die Verdauung essentiell ist. Wie bereits erwähnt, ist sie auch stark in den Intermediärstoffwechsel involviert. Sie filtert die Nährstoffe im Blut, scheidet sie gegebenenfalls aus oder baut sie um. So wandelt sie beispielsweise Glukose in ihre speicherbare Form Glykogen um. Des Weiteren speichert sie auch Vitamine und Spurenelemente. Als Entgiftungsorgan ist sie befähigt, Hormone und Medikamente zu inaktivieren. In der Fetalzeit war sie der Ort der Blutbildung und noch heute leistet sie einen wichtigen Beitrag zu den Blutbestandteilen – sie produziert Plasmaproteine und Blutgerinnungsfaktoren (vgl. Anderhuber et al. 2012, p. 546). Ziel dieser Arbeit ist es, die Leber und deren Aufgabe im Energiestoffwechsel zu beschreiben. Zudem sollen die Folgen von verschiedenen Stoffwechselstörungen auf den Gesamtorganismus erörtert werden. Daher lauten die Forschungsfragen wie folgt: Welche für den Energiestoffwechsel relevanten Prozesse finden in der Leber statt? Welche Auswirkungen haben Stoffwechselstörungen auf den Gesamtorganismus? Um diese zu beantworten, wird in dieser Arbeit auf die Methode der empirischen Literaturrecherche zurückgegriffen. Hinzugezogen wird Literatur aus den Bibliotheken der Medizinischen Universität Graz und der Karl-Franzens-Universität Graz; zudem werden Internet-Recherchen in der Datenbank PubMed, dem Onlinekatalog des klinischen Wörterbuches Pschyrembel und diversen fachspezifischen Internetseiten durchgeführt. 1 Zu Beginn der Arbeit soll die Morphologie der Leber durch einen Einblick in die Anatomie und Histologie nähergebracht werden; dies ist wichtig um die Funktionsweise dieses Organes besser zu verstehen. Anschließend soll der Energiestoffwechsel des Menschen betrachtet werden. Dessen Komponenten – der Kohlenhydratstoffwechsel, der Fettstoffwechsel und der Proteinstoffwechsel – finden natürlich nicht ausschließlich in der Leber statt, jedoch begrenzt sich diese Arbeit auf die dort stattfindenden Prozesse. Diese biochemischen Mechanismen sollen aber im Zusammenhang mit dem Zustand des Gesamtorganismus verstanden werden; Begriffe wie Resorptionsphase und Postresorptionsphase sollen daher nicht unerwähnt bleiben. Darauffolgend werden Pathologien des Energiestoffwechsels vorgestellt. Die Verstoffwechselung eines jeden Nährstoffes kann auf verschiedene Weisen gestört sein; der Hauptfokus liegt in der vorliegenden Arbeit aber auf der Beschreibung der Krankheiten Diabetes mellitus, Hyperlipoproteinämie und Phenylketonurie und Hyperammoniämie. In der Schlussfolgerung dieser Arbeit sollen noch einmal alle gesammelten Erkenntnisse zusammengefasst werden, um die Forschungsfragen zufriedenstellend zu beantworten. 2 2. Morphologie der Leber In diesem Kapitel soll der Aufbau des Organs betrachtet werden. Neben der anatomischen und histologischen Beschreibung des Organs selbst liegt der Fokus auf der Blutversorgung der Leber, da der Pfortaderkreislauf unerlässlich für die Funktionsweise des Stoffwechsels ist. Daher ist ihm auch ein eigenes Unterkapitel gewidmet. 2.1 Anatomie Die Leber ist mit einem Gewicht von etwa 1.500 Gramm das größte Organ des Verdauungssystems; das auch Hepar genannte Organ entwickelt sich in der vierten Embryonalwoche aus dem hepatopankreatischen Ring des Vorderdarms. Beim Neugeborenen ist die Leber relativ zum Körpergewicht gesehen viel größer als beim Erwachsenen; im Alter atrophiert sie. Außerdem nimmt ihr Volumen während des Verdauungsvorganges zu (vgl. Anderhuber et al. 2012, pp. 536f.). Abbildung 1: Lage der Leber. Fritsch & Kühnel 2009, p. 213. Durch ihre Verwachsung mit dem Zwerchfell folgt die Leber nicht nur den Atembewegungen, sie passt sich auch der Form der Zwerchfellkuppeln an, die sie kranial begrenzen; damit liegt der Leber-Oberrand rechts auf Höhe des vierten Intercostalraumes und links etwas tiefer, im Bereich des fünften Intercostalraumes. Der tastbare LeberUnterrand reicht rechts etwa bis zum rechten Rippenbogen hinunter und verläuft dann schräg nach oben zur rechten Körperhälfte. Dabei folgt sie einer Linie, die sich zwischen 3 dem Ansatz des Rippenknorpels der neunten Rippe rechts und der Knochenknorpelgrenze der siebenten Rippe links erstreckt (vgl. Anderhuber et al. 2012, pp. 538f.). Abbildung 1 soll diese Lagebeziehungen verdeutlichen. Die Form der Leber ist aufgrund ihrer weichen Struktur geprägt von den ihr anliegenden Organen. Bis auf die dreieckige Area nuda, an der die Leber mit dem Zwerchfell verbunden ist, ist die Leber vom Peritoneum viscerale, dem inneren Blatt des Bauchfelles, überzogen, weshalb ihre Oberfläche glänzend und glatt erscheint. Sie gliedert sich in eine bauchwärts zeigende, konkave Facies visceralis und eine den Rippen zugewandte, konvexe Facies diaphragmatica. Der Unterrand der Leber, Margo inferior wird durch das Ligamentum teres hepatis eingeschnitten; diese Stelle wird Incisura lig. teretis genannt (vgl. Anderhuber et al. 2012, p. 537). An der Facies diaphragmatica (vgl. Abbildung 2) kann man dorsokranial die Area nuda erkennen; dieser auch Pars affixa genannte Bereich ist in der Abbildung als hellbraune, dreieckige Fläche gekennzeichnet. Sie ist durch das Kranzband (Ligamentum coronarium), das sich aus dem Ligamentum triangulare dextrum und sinistrum zusammensetzt, vom Rest der Leberoberfläche, der als Pars libera bezeichnet wird, abgegrenzt. Am Lobus hepaticus dexter kann man schräge Furchen erkennen, die durch das enge Anliegen an den Rippen entstehen (vgl. Anderhuber et al. 2012, p. 537). Abbildung 2: Leber des Erwachsenen. Facies diaphragmatica. Anderhuber et al. 2012, p. 537. 4 Die Eingeweidefläche der Leber, die Facies visceralis, weist aufgrund ihrer engen Lagebeziehungen Abdrücke von den Nachbarorganen auf: Am linken Lappen sind dies die Impressio oesophagealis durch den Bauchabschnitt der Speiseröhre und die Impressio gastrica durch die kleine Kurvatur des Magens. Am rechten Leberlappen hinterlassen die rechte Niere und die rechte Nebenniere die Impressio renalis und suprarenalis. Hier erzeugen auch Colon und Duodenum Abdrücke, die Impressio colica und die Impressio duodenalis. Der Magenpförtner erzeugt am Lobus quadratus eine Impressio pylorica. Im Zentrum der Facies visceralis liegt die Leberpforte, Porta hepatis, an der die Pfortader mit der Lebervene und –arterie und den Lebergängen ein- und austritt. Links davon verläuft die Nebengrenzspalte der Leber, die Fissura sagittalis sinistra. Rechts neben der Leberpforte bildet die Fissura sagittalis dextra die Hauptgrenzspalte. Die Hauptgrenzspalten und die Leberpforte ergeben zusammen das „H“ der Leber. Außerdem schnürt die Fissura sagittalis dextra vom rechten Lappen hinten den Lobus caudatus und vorne den Lobus quadratus ab (vgl. Anderhuber et al. 2012, p. 538.). Diese anatomischen Bezeichnungen können mithilfe der Abbildung 3 nachvollzogen werden. Abbildung 3: Leber des Erwachsenen. Facies visceralis. Anderhuber et al. 2012, p. 539. 2.2 Histologie Lichtmikroskopisch kann man eine Kapsel aus straffem Bindegewebe erkennen, die das Organ überzieht – die Capsula fibrosa, auch Glisson-Kapsel genannt. Dieses Bindegewebe zieht mit blutführenden Gefäßen durch die Leberpforte bis ins Innere des Organes, wo es an den periportalen Feldern die Capsula fibrosa perivascularis bildet und die Gefäße umhüllt (vgl. Hartmann et al. 2011, p. 125). 5 Wie Abbildung 4 zeigt, ist die Leber aus Läppchen aufgebaut; diese werden Zentralvenenläppchen genannt. Sie sind von unregelmäßiger Form und etwa ein bis zwei Millimeter groß. Die Mitte eines solchen Läppchens bildet eine Zentralvene, in die die radiär auf sie ausgerichteten Lebersinus münden. Die Lebersinus sind Kapillaren und verfügen über ein sogenanntes diskontinuierliches Endothel – das heißt ihre Wände sind sehr dünn und von zahlreichen Poren durchsetzt; an ihrer Lumenseite befinden sich Kupffer-Zellen, die im Sinne der Immunabwehr Phagozytose betreiben. Jede der Leberzellen (Hepatozyten) grenzt mit mindestens einer Seite an einen Lebersinus. Zwischen deren Zellmembran und dem Endothel der Kapillare liegt der sogenannt DisseRaum, in dem der Stoffaustausch stattfindet. „Hier werden Stoffe aus dem Blut aufgenommen (z. B. Glukose, Aminosäuren, auszuscheidende Stoffe) und Syntheseprodukte (z. B. Proteine) und Glukose an das Blut abgegeben“ (zit. nach Hartmann et al. 2011, p. 126). In diesem Bereich findet man auch Ito-Zellen, die mithilfe von Fetttröpfchen Vitamin A in ihrem Zytoplasma speichern können. Außerdem liegen auch die Hepatozyten einander unmittelbar an: Zwischen ihnen werden die dicht abgeschlossenen Gallenkanälchen gebildet, in die die von den Hepatozyten produzierte Galle hinein sezerniert wird. Diese Kanälchen ziehen an die Enden der Läppchen, wo sie in die intralobulären Gallengänge übergehen (vgl. Hartmann et al. 2011, p. 126). Abbildung 4: Leberläppchen. Vergrößerung 4x. Hartmann et. al 2011, Übungs-DVD. Leberläppchen (gelb), Zentralvene (rot) und periportales Feld (grün) 6 Dort, wo mindestens drei Zentralvenenläppchen aneinander grenzen, bildet sich ein periportales Feld. Hier liegen, eingebettet in die Capsula fibrosa perivascularis, die Venae interlobulares, die Arteriae interlobulares und die Ductus interlobulares biliferi; gemeinsam werden sie Glisson-Trias genannt (vgl. Hartmann et al. 2011, p. 127). 2.3 Pfortaderkreislauf Die Pfortader, Vena portae, steht im Dienste des Gesamtorganismus und wird deshalb als Vas publicum der Leber bezeichnet. Sie entsteht aus dem Zusammenfluss der Vena mesenterica inferior, der Vena mesenterica superior, der Vena splenica und der linken und rechten Vena gastrica; diese werden als Pfortaderwurzeln bezeichnet. „Die Pfortader führt das mit Hormonen (Pankreas), Nährstoffen und Stoffwechselzwischenprodukten (Darm) sowie Abbaustoffen (Milz) beladene Blut direkt zur Leber. Sie sammelt das Blut aus dem größten Teil des Darmkanals, von der Cardia des Magens bis zur oberen Hälfte des Mastdarmes, vom Pankreas und von der Milz. Hinter dem Pankreas vereinigen sich 4 Venen (Pfortaderwurzeln) zum Hauptstamm“ (zit. nach Anderhuber et al. 2012, p. 544). Im Bereich der Leberpforte teilt sich die Vena portae in einen linken und einen rechten Ast auf, welche am periportalen Feld zu Venae interlobulares zerfallen und schließlich in die Lebersinusoide münden (vgl. Anderhuber et al. 2012, pp. 544f.). Neben diesem Pfortaderkreislauf bedarf es noch eines weiteren Systems, das der Versorgung der Leber mit Sauerstoff und Nährstoffen dient. Die deshalb als Vas privatum bezeichnete Arteria hepatica propria bildet somit das Hochdrucksystem der Leber (vgl. Anderhuber et al. 2012, p. 539). Sie teilt sich auf in die linke und rechte Leberarterie. Im Leberparenchym teilen sich diese Äste in Segmentarterien, die anschließend zu den Arteriae interlobulares zerfallen. Sie ziehen mit den beiden anderen Gefäßen der Glisson Trias zu den periportalen Feldern. Schließlich gehen sie über in die Lebersinusoide (vgl. Anderhuber et al. 2012, p. 544). Somit fließt sowohl das arterielle Blut des Vas privatum als auch das nährstoffreiche Blut des Vas publicum in die Lebersinusoide, wo sich das Blut mischt. Dieses kommt in die Zentralvenen der Leberläppchen. Mehrere solcher Zentralvenen bilden gemeinsam Sammelvenen, welche schließlich in die Lebervenen münden und das Blut an die untere Hohlvene abgeben (vgl. Hartmann et al. 2011, p. 127). 7 3. Der Energiestoffwechsel Aufgabe des Energiestoffwechsels ist es – wie der Name an sich schon deutlich macht – den Organismus adäquat mit Energie zu versorgen. Da wir nicht kontinuierlich Nährstoffe über die Nahrung aufnehmen, kommt es zwangsläufig zur Unterscheidung von zwei verschiedenen Stoffwechsellagen – der Resorptionsphase und der Postresorptionsphase. Erstere stellt sich unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme ein. Der Körper bekommt ein Überangebot an Nährstoffen, das es durch die Leber zu portionieren und zu verteilen gilt. Ist eine Mahlzeit schon einige Zeit her, müssen die gespeicherten Reserven für den Organismus wieder bereitgestellt werden; man spricht nun von der Postresorptionsphase (vgl. Horn et al. 2005, p. 350). Geregelt werden diese Vorgänge fast ausschließlich durch fünf verschiedene Hormone. Ihr gemeinsamer Wirkmechanismus ist die Beeinflussung des Glukosespiegels im Blutplasma; nicht nur deshalb ist die Glukose eines der zentralen Moleküle im Energiestoffwechsel. Die hauptverantwortlichen Hormone der Blutzuckerregulation sind das Insulin, das als einziges den Blutzuckerspiegel zu senken vermag und das Glukagon, welches ihn steigen lässt – so wird der physiologische Spiegel von 80-120mg/dl gehalten. Zudem bewirkt temporärer Stress mittels Adrenalin-Ausschüttung das Ansteigen des Glukosespiegels; bei chronischer Stress-Exposition vermitteln Glukokortikoide die Erhöhung; auch Schilddrüsenhormone tragen zur längerfristigen Anhebung des Blutglukosespiegels bei (vgl. Horn et al. 2005, p. 350). Die Resorptionsphase In der Resorptionsphase steigt die Konzentration von Glukose, Aminosäuren und Lipiden im Blutplasma stark an; darauf antwortet der Organismus mit der Ausschüttung des anabolen Hormons Insulin. Es bewirkt die Verarbeitung und Speicherung von Glukose. In der Leber werden also die Produktion von Glykogen, der Speicherform der Glukose und auch die Fettsäuresynthese initiiert. Im Fettgewebe wird Insulin-vermittelt Lipogenese betrieben; das heißt die Fettsäuren aus der Leber werden in ihre Speicherform Triacylglycerin umgewandelt und im Fettgewebe als Reserve gespeichert. Das Fettgewebe gewinnt die für diesen Prozess notwendige Energie aus der Glykolyse – die dazu notwendige Glukose ist in der Resorptionsphase ohnehin zur Genüge im Blut vorhanden. Im Muskelgewebe sind die Stoffwechselprozesse eher der Arbeitsleistung als dem Substratangebot angepasst. Jedoch füllt auch die Muskulatur bei großem 8 Nährstoffangebot seine Glykogen- und Kreatin-Reserven auf; resorbierte Aminosäuren werden zu Proteinen umgewandelt. Der Herzmuskel braucht eine konstant hohe Energiezufuhr und verbrennt – wie glatte Muskelzellen – hauptsächlich Fettsäuren im Rahmen der β-(„Beta“)-Oxidation und Glukose über die Glykolyse. Herzmuskelzellen vermögen zudem auch Laktat und Ketonkörper zur Energiebereitstellung zu verwerten. Hirn- und Nervengewebe sind auf die Bereitstellung von Glukose angewiesen – sie gewinnen ihre Energie ausschließlich durch Glykolyse. Herrscht jedoch große Knappheit der Glukosereserven, sind sie in der Lage, auch Ketonkörper zu verstoffwechseln um den Energiebedarf zu decken (vgl. Horn et al. 2005, pp. 538f.). Die Postresorptionsphase Diese Phase ist geprägt durch das Wirken des Hormons Glukagon; allgemein vermittelt es die Freisetzung von Nährstoffen aus ihrer Speicherform zur Energiebereitstellung. Die Leber stellt vor allem die Glukose für Gehirn, Nierenmark und Erythrozyten bereit, da sie deren obligate Energiequelle darstellt. In erster Linie werden die Glykogenspeicher abgebaut; ist dies zu wenig betreibt sie Glukoneogenese: neue Glukosemoleküle werden aus anderen Nährstoffen wie Aminosäuren, Glycerin und Laktat aufgebaut. Außerdem betreibt die Leber mittels Fettsäuren aus dem Fettgewebe die Biosynthese von Ketonkörpern; verstoffwechseln kann sie die Leber selbst allerdings nicht. Im Fettgewebe initiiert das Glukagon die Lipolyse: Das Enzym Lipase spaltet das Speicherfett in Glycerin und Fettsäuren; Glycerin wird zur Glukoneogenese in der Leber verwendet und die Fettsäuren werden einerseits durch β-Oxidation in Muskeln, Herz und Nierenrinde verbrannt und andererseits in der Leber zur oben bereits angesprochenen Ketonkörper-Biosynthese verwendet. Das Muskelgewebe deckt seinen Energiebedarf in der Postresorptionsphase über den Verbrauch seiner Kreatinphosphat-Reserven. Ist dieser Vorrat erschöpft, betreibt es – gefördert von Adrenalin und hohem Kalziumspiegel – Glykogenolyse zur Glukosegewinnung und -verstoffwechselung. Während einer länger andauernden Hungerperiode allerdings beginnt die Muskelzelle Proteolyse zu betreiben: Proteine werden abgebaut, um der Leber Aminosäuren zur Biosynthese von Ketonkörpern für die obligaten Glukoseverwerter bereitzustellen. Das Herz lässt sich wie das Gehirn und die Erythrozyten von anderen Organen mit Nährstoffen versorgen; Glukose und auch Ketonkörper sichern ihnen die Energieversorgung (vgl. Horn et al. 2005, pp. 539f.). 9 3.1 Der Kohlenhydratstoffwechsel Im Kohlenhydratstoffwechsel geht es um die kontinuierliche Versorgung aller Organe des menschlichen Organismus mit Glukose. Für das Gehirn und die Erythrozyten ist sie wie bereits erwähnt unabdinglich zur Energieversorgung; die roten Blutkörperchen verbrauchen pro Stunde rund 1,5 Gramm Glukose, das Gehirn ganze sechs Gramm. Durchschnittlich werden bei einer Mahlzeit aber dreißig bis sechzig Gramm Glukose aufgenommen. Dieses Überangebot an Monosacchariden aus der Nahrung wird im Darm resorbiert und gelangt über die Pfortader in die Leber, wo die Verstoffwechselung stattfindet (vgl. Horn et al. 2005, pp. 540f.). In der Resorptionsphase werden, abhängig vom Energiebedarf, verschiedene Stoffwechselprozesse in Gang gesetzt: Überschüssige Glukose wird als Reserve in Form von Glykogen gespeichert. Die Glykolyse hingegen stellt sofort Energie bereit, indem die Glukosemoleküle verbrannt werden; da die Glykolyse ein sehr wichtiger Prozess ist, wird sie in Kapitel 3.1.1 noch einmal genauer beschrieben. Neben der Speicherung und Verbrennung kann die Glukose auch noch zur Produktion von Glykoproteinen im Blutplasma herangezogen werden und dient der Produktion von Nukleotiden und anderen wichtigen Molekülen (vgl. Horn et al. 2005, p. 541). In der Hungerphase ist der Kohlenhydratstoffwechsel davon geprägt, dass die Leber alle anderen Organe mit ausreichend Glukose versorgt. Dafür werden die Glykogenspeicher aufgebraucht, was etwa 4,5 Gramm Glukose pro Stunde bringt. Ist dies nicht ausreichend, beginnt die Leber zusätzlich Glukoneogenese zu betreiben: aus Laktat, Aminosäuren sowie Glycerin werden pro Stunde etwa drei Gramm Glukose bereitgestellt (vgl. Horn et al. 2005, p. 541). Da die Glukoneogenese ebenfalls ein essentieller Stoffwechselweg ist, wird in Kapitel 3.1.2 noch einmal genauer auf darauf eingegangen. 3.1.1 Glykolyse Die Glykolyse findet in jeder unserer Körperzellen statt und dient der Energiegewinnung. Die Glukose wird, dem Schema in Abbildung 5 folgend, aerob zu Pyruvat oder anaerob zu Laktat umgewandelt, wobei Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat) frei wird. Der aerobe Weg bringt wesentlich mehr Energie, jedoch ist die Laktat-produzierende Variante bei Sauerstoffmangel lebensrettend für unsere Körperzellen (vgl. Horn et al. 2005, p. 77). 10 Abbildung 5: Glykolyse. Horn et al. 2009, p. 83. 11 Grundprinzip der im Zytoplasma der Zelle stattfindenden Glykolyse ist es, Energie freizusetzen, indem Verbindungen gespalten werden, die im Rahmen des Abbaus von Glukose entstehen. Unter diesem Aspekt kann man zwei Phasen der Glykolyse unterscheiden: Die ersten fünf Reaktionsschritte gehören zur Vorbereitungsphase, in der zunächst Energie – also ATP – vom Körper zur Verfügung gestellt werden muss, um die zweite Phase, die Phase der Energieerzeugung, überhaupt erst zu ermöglichen (vgl. Horn et al. 2005, p. 78). Ziel der ersten Phase ist es, die aufgenommene Glukose in zwei Moleküle Glyceral-3Phosphat zu teilen – dabei handelt es sich um phosphorylierte 3er Zucker. Zunächst gelangt die Glukose mittels eines Transporters in die Zelle, wo sie durch das Enzym Hexokinase unter ATP-Verbrauch phosphoryliert wird; so entsteht Glukose-6Phosphat, welches aufgrund der Übertragung des Phosphatrestes das Zytoplasma nicht mehr verlassen kann. Da es sich hierbei um eine irreversible Reaktion handelt (vgl. Abbildung 5: Pfeil geht nur in eine Richtung), handelt es sich um eine der drei Schlüsselreaktionen der Glykolyse. Im nächsten Schritt verändert die Glukose-6-Phosphat-Isomerase die Form des Moleküls, sodass Fruktose-6-Phosphat entsteht; diese Formveränderung ist wichtig für die spätere Teilung des Zuckers. Nun wird dem 6er Zucker noch ein weiterer Phosphatrest angehängt und Fruktose-1,6Bisphosphat entsteht – dies ist notwendig, damit nach der Aufspaltung jedes Molekül immer noch phosphoryliert ist. Auch diese Phosphorylierung benötigt ATP und erfolgt durch das Enzym Phosphofruktokinase. Dieser Reaktionsschritt ist sehr wichtig, da es sich zum einen wieder um eine irreversible Reaktion handelt (Schlüsselreaktion) und zum anderen auch am meisten Zeit in der ganzen Glykolyse benötigt; damit ist sie die Schrittmacherreaktion. Wie auf Abbildung 5 ersichtlich, erfolgt eine strenge Rückkoppelung mit anderen Substanzen – so hemmen zum Beispiel ATP, NADH/H+ und Citrat die Phosphofruktokinase, da diese in einer Lage der guten Energieversorgung zuhauf vorhanden sind und die Glykolyse damit nicht benötigt wird. Jetzt kann die Teilung des 6er Zuckers in zwei 3er Zucker erfolgen: das Enzym Aldolase spaltet Fruktose-1,6-Bisphosphonat in Glyceral-3-Phosphat und Glyceron-3-Phosphat; die beiden Moleküle sind Isomere, das heißt ihre Atome sind identisch, jedoch unterscheidet sich ihre Struktur. Daher muss das Enzym Triosephosphat-Isomerase das Glyceron- noch in das Glyceral-3-Phosphat umwandeln. Damit können die beiden identischen Moleküle nun in die Phase der Energiegewinnung eintreten (vgl. Horn et al. 2005, p. 78ff.). 12 Wie in Abbildung 5 ersichtlich, laufen nun alle Vorgänge doppelt ab, da ja zwei Moleküle Glyceral-3-Phosphat aus einem Molekül Glukose bereitgestellt wurden. Diese werden durch das Enzym Glyceral-3-Phosphat-Dehydrogenase oxidiert; dafür wird ein Redoxpartner benötigt, nämlich das Coenzym NAD+, das infolge dieser Reaktion zu NADH/H+ reduziert wird. So kann dem 3er Zucker ein anorganisches Phosphat angefügt werden – es wird also ohne ATP-Verbrauch phosphoryliert (vgl. Horn et al. 2005, p. 80). „Das Produkt ist 1,3-Bisphosphoglycerat mit einer energiereichen Säureanhydridbindung am C1“ (zit. nach Horn et al. 2005, p. 80). Im nächsten Schritt wird das erste Mal Energie erzeugt. Durch die Abspaltung des vorhin eingefügten Phosphates und dessen Übertragung auf ADP entstehen pro Molekül Glukose 2 ATP; dies bewerkstelligt das Enzym Phosphoglycerat-Kinase, das damit einhergehend das 1,3-Bisphosphoglycerat in 3-Phosphoglycerat ändert. Bei diesem wird unter Einwirkung des Enzyms Phosphoglycerat-Mutase die Bindungsstelle des Phosphats umgelagert, um die folgenden Reaktionen zu ermöglichen; so entsteht 2-Phosphoglycerat (vgl. Horn et al. 2005, p. 80). „Durch eine simple Wasserabspaltung mittels der Enolase entsteht Phosphoenolpyruvat, das Molekül mit dem höchsten Phosphatgruppen-Übertragungspotential unseres Körpers (…). Phosphoenolpyruvat ist damit wesentlich energiereicher als ATP (…) und kann daher für die Herstellung von ATP aus ADP genutzt werden“ (zit. nach Horn et al. 2005, p. 80). Nun folgt der letzte Schritt der Glykolyse. Die Pyruvat-Kinase, das letzte der drei Schlüsselenzyme der Glykolyse, überträgt den Phosphatrest des Phosphoenolpyruvats auf ADP; damit entstehen je zwei Moleküle Pyruvat und ATP (vgl. Horn et al. 2005, p. 81). Was den Energiegewinn der Glykolyse betrifft, wurden somit nicht nur die zwei in der Vorbereitungsphase investierten Moleküle ATP wieder hereingeholt, sondern auch weitere zwei ATP Nettoausbeute erwirtschaftet. Zudem kann in der Weiterverarbeitung des Pyruvats noch viel mehr Energie entstehen: Bei anaerober Stoffwechsellage – das heißt es ist zu wenig Sauerstoff vorhanden, oder die entsprechende Zelle verfügt über keine Mitochondrien zur Verarbeitung wie zum Beispiel die Erythrozyten – wird das Pyruvat durch die Laktat-Dehydrogenase im Zytosol zu Laktat umgewandelt; das heißt es bleibt bei den zwei ATP aus der Glykolyse. Unter aeroben Bedingungen jedoch kann das Pyruvat in den Mitochondrien durch die Pyruvat-Dehydrogenase zu Acetyl-CoA abgebaut werden, welches in den Citratzyklus einfließt und sehr viel Energie in Form von ATP bringt (vgl. Horn et al. 2005, pp. 85, 90). 13 3.1.2 Glukoneogenese In Horn et al. 2005 (p. 97) wird die Glukoneogenese folgendermaßen definiert: „Die Glukoneogenese (gr. neo = neu; genesis = Erzeugung) ist die endogene Biosynthese von Glukose aus Nicht-Zuckern.“ Sie dient der Energieversorgung der Glukose-abhängigen Zellen, also vor allem der Erythrozyten und des Gehirns, während der Hungerstoffwechsellage. Normalerweise reicht es aus, die in der Leber als Glykogen gespeicherte Glukose abzubauen um deren Versorgung zu gewährleisten, jedoch ist dieser Speicher mit 150 Gramm Glukose pro Tag begrenzt. Deshalb muss schon nach einer Nacht Glukoneogenese betrieben werden; besonders während längerer Fastenperioden oder nach sehr starker körperlicher Aktivität läuft dieser Reaktionszyklus verstärkt ab (vgl. Horn et al. 2005, pp. 96f.). Grundbausteine, aus denen endogen Glukose aufgebaut werden kann, sind Moleküle, die gerade in der Hungerstoffwechsellage vermehrt vorhanden sind – allen voran das Laktat, das beim anaeroben Stoffwechsel der Erythrozyten kontinuierlich anfällt; zudem wird es auch in den Muskelzellen produziert, wenn schwere körperliche Arbeit verrichtet wird. Abgesehen davon liefert die Muskulatur weitere Substrate für die Glukoneogenese: der Proteinabbau kann hier relativ schnell vonstattengehen, und so ist Alanin gemeinsam mit einigen anderen Aminosäuren rasch verfügbar. Auch das Fettgewebe ist an der Glukoseherstellung beteiligt: die beim Fettabbau freiwerdenden Fettsäuren können zwar nicht direkt in die Glukoneogenese einfließen, jedoch liefern sie der Leber die dafür nötige Energie; zudem fällt bei diesem Prozess auch Glycerin an, das sehr wohl zum Aufbau der Glukose verwendet werden kann (vgl. Horn et al. 2005, p. 100). Wie in Abbildung 6 ersichtlich, gelangen alle diese Substrate aus dem Blutstrom in das Zellplasma der Leberzellen und werden in die gemeinsame Glukose-Vorstufe Pyruvat umgewandelt; Laktat benötigt dazu das Enzym Lakat-Dehydrogenase (LDH), Alanin die Alanin-Transaminase (ALT). Wie das Pyruvat als Startpunkt der Glukoneogenese schon nahelegt, kann man diesen Prozess im Großen und Ganzen als Umkehr der Glykolyse ansehen – mit einigen wichtigen Veränderungen, die sich daraus ergeben, dass die drei Schlüsselreaktionen der Glykolyse nicht frei umkehrbar sind wie die übrigen Reaktionen. Man muss sie also umgehen, was zum einen den Einsatz anderer Enzyme erfordert und zum anderen auch erklärt, warum die Glukoneogenese in drei verschiedenen Zellkompartimenten stattfindet: dem Zytosol, dem Mitochondrium und dem endoplasmatischen Retikulum (ER) (vgl. Horn et al. 2005, pp. 96f.). 14 Abbildung 6: Glukoneogenese. Horn et al. 2009, p. 101. Wie auf Abbildung 6 ersichtlich, wird das Pyruvat in das Mitochondrium der Leberzelle eingeschleust; dort erfolgt die Oxidation zum Oxalacetat mithilfe des Enzyms PyruvatCarboxylase, welches das Coenzym Biotin benötigt um die Reaktion zu ermöglichen. Eben genanntes Oxalacetat muss zur weiteren Reaktionsabfolge wieder ins Zytoplasma befördert werden, jedoch kann es die Mitochondrienmembran nicht durchdringen. Daher wird es zunächst in Malat umgewandelt, welches problemlos die Barriere überwindet, um 15 dann im Zytosol wieder in Oxalacetat umgewandelt zu werden; dieser Ausweichprozess wird als Malat-Shuttle bezeichnet. Auch NADH/H+, das für eine spätere Reaktion gebraucht wird, gelangt so in das Zellplasma. Nun kann die Reaktion des Oxalacetats zum Phosphoenolpyruvat erfolgen; dafür spaltet das Enzym Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase (PEP-CK) CO2 vom Oxalacetat ab und hängt einen Phosphat-Rest an den nun entstandenen 3er Zucker an. Die nun folgenden Reaktionsschritte bis zum Fruktose-1,6-Bisphosphat können auf Abbildung 6 eingesehen werden; sie sind ident mit denen der Glykolyse, sie laufen nur rückwärts ab. Da die nun folgende Reaktion des Fruktose-1,6-Bisphosphat zum Fruktose-6-Phosphat eine der Schlüsselreaktionen der Glykolyse umkehren soll, muss nun ein anderes Enzym anstelle der aus der Glykolyse bekannten Phosphofruktokinase zum Einsatz kommen: die Fruktose-1,6-Bisphosphatase; sie spaltet einen der beiden Phosphatreste des Fruktose1,6-Bisphosphats ab. Das entstandene Produkt kann nun bei Bedarf reversibel in Glukose-6-Phosphat umgewandelt werden, welches für die letzte, entscheidende Reaktion ins endoplasmatische Retikulum (ER) eingeschleust werden muss. Dort wird der verbliebene Phosphatrest abgespalten und freie Glukose, die ins Blut abtransportiert werden kann, entsteht. Diese letzte Reaktion wird durch das Enzym Glukose-6-Phosphatase bewerkstelligt, das nur in den Glukoneogenese-betreibenden Zellen vorhanden ist (vgl. Horn et al. 2005, pp. 98f.). 3.2 Der Fettstoffwechsel Lipide aus der Nahrung gelangen in der Resorptionsphase nicht wie alle anderen Nährstoffe über den Pfortaderkreislauf zur Leber, sondern umgehen diese zunächst: „Bemerkenswert ist, dass die Lipide nach der Aufnahme in die Darmzellen nicht ans Blut, sondern ans Lymphsystem abgegeben werden. Erst über den Ductus thoracicus gelangen die Lipide in den linken Venenwinkel und damit ins Blut. Der Grund für diesen Umweg ist die Funktion der Lipide als Energiespeicher unseres Körpers: Nach der Nahrungsaufnahme ist unser Körper mit reichlich Nährstoffen (Glukose, Aminosäuren, Lipide) versorgt. Er muss also nicht auf die Lipide als Energiequelle zurückgreifen, sondern kann sie als Energiespeicher – an der Leber vorbei – direkt ins Fettgewebe transportieren“ (zit. nach Horn et al. 2005, p. 121). 16 Überschüssige Lipide, die vom Fettgewebe nicht als Triacylglycerin gespeichert werden, kommen zurück in die Leber, wo sie entweder modifiziert und erneut zum Fettgewebe entsandt werden oder aber zur Biosynthese verwendet werden: Aus den Fettsäuren entstehen für den Organismus essentielle Moleküle wie Phosphoglyceride, die als Membranbausteine fungieren und somit der Aufrechterhaltung des Zellmilieus dienen. Eine der wichtigsten anabolen Funktionen der Leber im Bezug auf den Fettstoffwechsel ist wohl ihre Fähigkeit zur Cholesterin-Biosynthese (vgl. Horn et al. 2005, p. 541). Diese wird in Kapitel 3.2.2 daher detaillierter betrachtet. In der Postresorptionsphase verarbeitet die Leber überschüssige Fettsäuren aus der Peripherie bei der β-Oxidation zu Acetyl-CoA, einer sehr energiereichen Verbindung, oder – bei Glukosemangel – zu Ketonkörpern zur Versorgung der Glukose-abhängigen Organe (vgl. Horn et al. 2005, p. 541). Diesem Prozess widmet sich das nachfolgende Kapitel 3.2.1. 3.2.1 β-Oxidation Der Abbau von Fettsäuren erfolgt über die β-Oxidation in den Mitochondrien aller Körperzellen mit Ausnahme der Gehirnzellen – Fettsäuren können die Blut-Hirn-Schranke nicht durchdringen – und der Erythrozyten; diese besitzen wie bereits erwähnt keine Mitochondrien. Wichtigster Abbauort ist jedoch die Leber, die wie der Herzmuskel und die Arbeitsmuskulatur den Großteil ihrer Energie aus dem Abbau von Fettsäuren bezieht. Allerdings müssen die Fettsäuren erst im Zytosol aktiviert werden, bevor die energiebringende Reaktion im Mitochondrium gestartet werden kann. Da allerdings aktivierte Fettsäuren die Mitochondrienmembran nicht durchdringen können, wird nun ein spezieller Transporter benötigt, um sie hineinzubringen (vgl. Horn et al. 2005, pp. 122f.). Das Schema dieses Prozesses ist in Abbildung 7 dargestellt. Der Name β-Oxidation leitet sich vom Mechanismus ab, wie die Fettsäuren abgebaut werden: sie werden am β-C-Atom oxidiert, das heißt hier wird ein Sauerstoffatom in das Molekül eingefügt (vgl. Horn et al. 2005, p. 124). Wo diese Stelle liegt, wird folgendermaßen erklärt: „Das α-C-Atom stellt das Kohlenstoffatom dar, das zu einer funktionellen Gruppe direkt benachbart ist und dient der Nummerierung. Das folgende heißt β-C-Atom usw. entsprechend dem griechischen Alphabet“ (zit. nach DocCheck Flexikon, http://flexikon.doccheck.com/de/Alpha-C-Atom, aufgerufen am 9. August 2014). 17 Abbildung 7: Abbau der Fettsäuren. Horn et al. 2009, p. 128. Fettsäuren werden aktiviert indem sie zu Acyl-CoA umgewandelt werden; dazu werden das Enzym Acyl-CoA-Synthetase, das Coenzym A und ein Molekül ATP benötigt. Die Fettsäure verbindet sich mit dem ATP, wobei Pyrophosphat (in der Abbildung als P~P bezeichnet) abgespalten wird und das ATP zu AMP wird; das Zwischenprodukt dieser Reaktion ist Acyl-Adenylat. An dieses bindet nun anstelle des AMP das Coenzym A und die aktivierte Fettsäure Acyl-CoA entsteht. Die Acyl-CoA-Synthetase dient dabei beiden Schritten als Katalysator. 18 Nun wird das Acyl-CoA für den Transport in das Mitochondrium vorbereitet, welcher mittels der Carnitin-Acylcarnitin-Translokase vonstattengeht. Dazu wird der Acyl-Teil des Acyl-CoA von Coenzym A abgelöst und auf Carnitin übertragen; so wandelt die CarnitinAcyl-Transferase I es in Acylcarnitin um. In diesem Zustand durchdringt das Molekül die Mitochondrienmembran und erfährt, innen angekommen, sogleich die Rückumwandlung in Acyl-CoA durch die Carnitin-AcylTransferase II. So kann einerseits das Acyl-CoA gleich in die β-Oxidation einfließen und andererseits der Transportprozess durch die Mitochondrienmembran aufrecht erhalten werden; wie ihr Name bereits nahe legt, schleust die Carnitin-Acylcarnitin-Translokase nämlich nur Acylcarnitin in das Mitochondrium ein, wenn im Gegenzug auch freies Carnitin ins Zytosol ausgeschleust wird (vgl. Horn et al. 2005, pp. 123f.). Nun kann der wesentliche Teil des Fettsäure-Abbaus beginnen – die β-Oxidation. Sie wird am unteren Ende der Abbildung 7 als Kreislaufsprozess mit vier Reaktionsschritten dargestellt; sie ist deshalb als Zyklus abgebildet, weil sich die Schritte so lange wiederholen, bis die Fettsäure komplett abgebaut ist. Dabei entstehen im Verlauf FADH 2 und NADH/H+, wobei es sich um Reduktionsäquivalente handelt, die später zur Energiegewinnung genutzt werden können. Das Endprodukt der β-Oxidation – Acetyl-CoA – wird im Citratzyklus zu einer beträchtlichen Menge ATP verstoffwechselt. Der erste Schritt der β-Oxidation ist eine Oxidation – am Acyl-CoA werden mittels des Enzyms Acyl-CoA-Dehydrogenase zwei Wasserstoffatome abgespalten; dieser Vorgang wird als Dehydrierung bezeichnet. Das Produkt dieser Reaktion ist Enoyl-CoA. Diesem wird sogleich durch die Enoyl-CoA-Hydratase Wasser (H2O) angelagert und das Molekül Hydroxyacyl-CoA entsteht. Nun erfolgt die zweite Oxidation: von der eben genannten Verbindung werden durch die Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase zwei weitere Wasserstoffatome abgespalten und Ketoacyl-CoA entsteht. So wird, wie in Abbildung 7 zu sehen, aus der OH-Gruppe am β-CAtom eine Ketogruppe. Im vierten und letzten Schritt der β-Oxidation wird das Ketoacyl-CoA thiolytisch gespalten – das heißt, das Molekül wird unter Anlagerung von Schwefel durch das Enzym Thiolase in zwei Hälften geteilt; dabei wird die Acyl-Hälfte im selben Schritt an Coenzym A gebunden. So entstehen schlussendlich das Acetyl-CoA, das zur Energiegewinnung in den Citratzyklus eingeführt wird und ein neues Molekül Acyl-CoA, das den Kreislauf der βOxidation erneut durchläuft – wie oben erwähnt so lange, bis die Fettsäure komplett abgebaut ist (vgl. Horn et al. 2005, pp. 125f.). 19 3.2.2 Cholesterinbiosynthese Das Cholesterin ist die wohl bekannteste Verbindung aus dem Bereich des Fettstoffwechsels. Es ist unabdinglich für unseren Körper und sein Tagesbedarf ist mit 1.000 Milligramm pro Tag recht hoch; dabei wird aber weniger als die Hälfte mit der Nahrung zugeführt; der Hauptanteil wird über die endogene Cholesterinbiosynthese, die hautsächlich in der Leber stattfindet, gedeckt. Abgebaut werden kann das Cholesterin nicht – es wird nach seiner Umwandlung in Gallensäure über den Darm ausgeschieden (vgl. Horn et al. 2005, p. 146). Abbildung 8: Biosynthese des Cholesterins. Horn et al. 2009, p. 151. 20 Im Gastrointestinaltrakt erfüllt es als Gallensäure aber auch eine wichtige Aufgabe als Emulgator von Nahrungsfetten und erleichtert so die Fettverdauung. Des Weiteren wird Cholesterin benötigt, um Steroidhormone zu produzieren; zu ihnen zählen unter anderem die Sexualhormone Östrogen und Testosteron. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Cholesterin, wie bereits erwähnt, in Zellmembranen eingebaut wird und somit für jede einzelne Körperzelle unerlässlich ist (vgl. Horn et al. 2005, pp. 149f., p. 402). Ausgangspunkt für die Synthese des Cholesterins ist das bereits aus der β-Oxidation bekannte Acetyl-CoA. Aus diesem Molekül mit zwei C-Atomen wird im Verlauf eines komplexen Reaktionsweges das Cholesterin mit 27 C-Atomen aufgebaut. Wie dieser Prozess vonstattengeht, veranschaulicht Abbildung 8. Generell ist zu sagen, dass die Reaktionen in zwei Zellkompartimenten stattfinden, nämlich im Zytosol (linke Seite) und im endoplasmatischen Retikulum (ER; rechte Seite) (vgl. Horn et al. 2005, pp. 145f.) Der erste Teilschritt in der Cholesterinbiosynthese ist die Bildung des Mevalonats; dieses besteht aus fünf C-Atomen. Dazu werden zwei Moleküle Acetyl-CoA mithilfe des Enzyms Thiolase zu einem Acetoacetyl-CoA verschmolzen, dem ein weiteres Acetyl-CoA angelagert wird, sodass daraus β-HMG-CoA (β-Hydroxy- β-Methylglutaryl-CoA) entsteht; diese Reaktion vermittelt das Enzym β-HMG-CoA-Synthase. Nun folgt die Schlüsselreaktion der Cholesterinbiosynthese; sie bestimmt die Geschwindigkeit der Reaktionsabfolge: Durch die β-HMG-CoA-Reduktase wird die Reduktion des zuvor entstandenen Moleküls durch NADPH/H+ ermöglicht; es werden zwei Wasserstoffionen eingefügt und das Mevalonat entsteht. Daraus wird im nächsten Teilschritt Isopentenyl-PP mit ebenfalls fünf C-Atomen hergestellt; PP steht dabei hier und im Folgenden für Pyrophosphat. Dazu erfolgen am Mevalonat drei Phosphorylierungen, von denen jede für sich Energie in Form eines ATP benötigt. So entsteht ein Molekül mit dem komplexen Namen 3-Phospho-5-PyrophosphoMevalonat, bei dem sogleich einer der Phosphatreste sowie CO2 abgespalten wird – damit wurde Isopentenyl-PP (IPP) synthetisiert. Im vorletzten Teilschritt wird aus dem IPP Squalen gebildet: Dazu wird ein Molekül IPP zu Dimethyl-Allyl-PP isomerisiert; das heißt der Stoff an sich verändert sich nicht, nur seine Form. Dieses lagert sich dann unter Abspaltung eines PP mit einem weiteren Molekül IPP zusammen und das Geranyl-PP entsteht, welches bereits über zehn C-Atome verfügt. Diesem wird nun ein weiteres Molekül IPP unter PP-Abspaltung angelagert, welches somit zum Farnesyl-PP mit 15 C-Atomen wird. Die letzte Reaktion dieses Teilschrittes erfolgt im 21 endoplasmatischen Retikulum: Drinnen werden zwei Farnesyl-PP unter Mithilfe der bereits bekannten Reduktionsäquivalente NADPH/H+ zum Squalen mit 30 C-Atomen verschmolzen. Nun kann der letzte Teilschritt und damit die endgültige Bildung des Cholesterins erfolgen. Aus Squalen stellt die Squalen-Monooxigenase das Squalen-2,3-Epoxid her; dazu werden molekularer Sauerstoff und einmal mehr NADPH/H+ benötigt. Eine Zyklase verhilft diesem Molekül nun zum Ringschluss und das Lanosterin, das dem fertigen Cholesterin schon sehr ähnlich sieht, entsteht. Um die Biosynthese zu vollenden folgen darauf noch etwa zwanzig weitere Reaktionen, die unter anderem dazu führen, dass drei Methyl-Gruppen (3 CH3) abgespalten werden. Unter Verzicht auf eine komplexere Darstellung wurde nun das Ende, nämlich ein Molekül mit 27 C-Atomen erreicht: Das Cholesterin (vgl. Horn et al. 2005, pp. 146ff.). 3.3 Der Proteinstoffwechsel In der Resorptionsphase wird die große Menge an Aminosäuren aus der Nahrung dazu verwendet, um Proteine neu zu synthetisieren (vgl. Horn et al. 2005, p. 541). Grundsätzlich handelt es sich um die folgenden fünf Grundtypen an Proteinen, die dabei hergestellt werden. Der Weg der Proteinbiosynthese wird zudem nachfolgend in Kapitel 3.3.1 noch genauer erörtert. Zum einen sind es die Faktoren der Blutgerinnung (Faktor V, VII, IX, X, XI, XII), die in der Leber synthetisiert werden – dies erklärt auch die erhöhte Blutungsneigung bei Personen mit einer Lebererkrankung. Außerdem wird das häufigste Protein des Blutplasmas, das Albumin gebildet. Neben seiner Funktion als Transportprotein ist es auch sehr wichtig für die Stabilität des kolloidosmotischen Drucks, der dafür sorgt, dass das Wasser nicht aus den Gefäßen ins Gewebe entweicht und zu Ödemen und Aszites führt. Des Weiteren werden Lipoproteine wie VLDL und LDL hergestellt; ihre Aufgabe ist der Transport von Fettmolekülen im Blut. Bei gewissen Leberkrankungen ist ihre Anzahl oft deutlich pathologisch verändert (vgl. Horn et al. 2005, p. 542). Auch der Großteil an Enzymen wird aus Aminosäuren aufgebaut. Enzyme werden benötigt, um den Ablauf aller biochemischen Reaktionen zu beschleunigen und somit überhaupt erst zu ermöglichen. Sie sind sehr spezifisch und wirken nur auf die gerade benötigten Prozesse. Von den Enzymen, deren Name aus dem Griechischen (en zyme) kommt, sind derzeit etwa 2.000 verschiedene bekannt (vgl. Horn et al. 2005, p. 52, p. 542). 22 Der letzte wichtige Subtyp von Proteinen, die aus Aminosäuren synthetisiert werden, sind die biogenen Amine. Da dieser Prozess aber zumeist nicht in der Leber stattfindet, sondern peripher wie etwa die Histamin-Biosynthese in Mastzellen, wird an dieser Stelle nicht näher auf sie eingegangen (vgl. Horn et al. 2005, pp. 193f., p. 542). Bei einem Energiemangel werden Proteine aus den Muskeln abgebaut; die anfallenden Aminosäuren werden in der Leber zur Produktion von Nährstoffen für die Glukoseabhängigen Organe verwendet: Glukogene Aminosäuren werden in der Glukoneogenese verarbeitet und aus ketogenen Aminosäuren entstehen Ketonkörper. Werden gewisse Aminosäuren nicht mehr gebraucht, erfolgt ihr Ab- beziehungsweise Umbau in der Leber. Jedoch entsteht bei diesem Vorgang ein Produkt, das für den Körper nicht ungefährlich ist – Ammoniak (NH3). Das zytotoxische Molekül wird in der Leber im Rahmen des Harnstoffzyklus zum unschädlichen Harnstoff abgebaut und kann so über die Nieren ausgeschieden werden (vgl. Horn et al. 2005, p. 542). In Kapitel 3.3.2 werden Proteolyse und Harnstoffzyklus noch einmal genauer behandelt. 3.3.1 Proteinsynthese Täglich werden rund 400 Gramm Proteine im menschlichen Organismus hergestellt; dieser Prozess erfolgt an den Ribosomen der Zellen, welche frei im Zytoplasma vorliegen. Die gesamte Information über den Aufbau, die Funktion und den Einsatzort des herzustellenden Proteins ist dabei schon auf der DNA festgelegt. Die eigentliche Synthese erfolgt dabei in einem Prozess namens Translation. Dafür wird die Erbinformation aus dem Zellkern in Form von mRNA in das Zytosol ausgeschleust. Diese wird an den Ribosomen gebunden; anhand dieses Informations-Moleküls werden nun aus einzelnen Aminosäuren lange Peptidketten geformt (vgl. Horn et al. 2005, p. 166). Nun müssen die neu synthetisierten Proteine in Bezug auf ihren späteren Bestimmungsort sortiert werden. Man unterscheidet dabei den zytosolischen vom sekretorischen Weg der Proteine; dies zeigt auch Abbildung 9. Zytosolische Proteine, also Proteine, die im Zytosol der Zelle verbleiben, werden an den Ribosomen fertiggestellt. In diese Kategorie fallen vor allem Enzyme, beispielsweise jene der Glykolyse, die ja im Zytosol stattfindet. Auch die meisten Proteine der Mitochondrien werden auf diese Art und Weise hergestellt. Bei Proteinen, die für den Zellkern oder die Peroxisomen bestimmt sind, wird genauso verfahren (vgl. Horn et al. 2005, pp. 166f.). 23 Abbildung 9: Zytosolischer und sekretorischer Weg der Proteinbiosynthese. Horn et al. 2009, pp. 172f.. Proteine, die den sekretorischen Weg einschlagen, verbleiben nicht in der Zelle, sondern werden nach außen abgegeben. Dazu zählen unter anderem Exportproteine wie Kollagen und Insulin, aber auch Membranproteine und Proteine für die Lysosomen, das endoplasmatische Retikulum und den Golgi-Apparat. Diese Proteine verfügen über eine Signalsequenz, sodass sie nach dem Synthesebeginn an den freien Ribosomen zur Weiterverarbeitung abtransportiert werden können. Zunächst gelangen sie ins endoplasmatische Retikulum, in dessen Lumen die Translation weitergeht und einige Modifikationen wie beispielsweise eine Glykosylierung stattfinden. Danach werden sie an den Golgi-Apparat abgegeben, wo ebenfalls noch gewisse Veränderungen an den Proteinen vorgenommen werden können; zudem werden sie dort auch in Vesikel verpackt, damit sie an ihren zukünftigen Bestimmungsort transportiert werden können (vgl. Horn et al. 2005, pp. 167f.). Jedoch funktionieren die hergestellten Proteine noch nicht; sie müssen erst Modifikationen wie der zuvor erwähnten Glykosylierung unterzogen werden. Zusammengefasst werden all diese Bearbeitungsschritte nach Abschluss der Translation bis hin zum funktionstüchtigen Protein als posttranslationale Prozessierung. 24 Zunächst müssen die Proteine gefaltet werden; diese Ausbildung der so genannten Tertiärstruktur ist wichtig für ihre spätere Funktionstüchtigkeit; bewerkstelligt wird dies durch die Chaperone, die die Faltung katalysieren. Das HSP60 (Hitzeschock-Protein 60) beispielsweise arbeitet als solch ein Helfer in der Proteinfaltung. Nun erfolgt die Modifizierung der Proteine; dabei gibt es neben der zuvor erwähnten Glykosylierung noch die kontrollierte Proteolyse, die später besprochen wird. Bei der Glykosylierung wird ein Kohlenhydrat-Rest an eine der Aminosäuren des Proteins angehängt. Eine derartige Modifikation liegt beispielsweise bei den Blutgruppenantigenen auf der Oberfläche der Erythrozyten vor. Glykosyliert wird im endoplasmatischen Retikulum und im Golgi-Apparat; daraus folgt, dass bei zytosolischen Proteinen nie eine derartige Modifikation vorliegt. Je nachdem, an welcher Aminosäure der KohlenhydratRest angefügt wird, unterscheidet man eine N-glykosidische von einer O-glykosidischen Bindung: als O-glykosidisch bezeichnet man die Anheftung an die Aminosäuren Serin oder Threonin, weil sie an einer OH-Gruppe erfolgt; bei den N-glykosidischen Bindung wird der Zucker an einen NH-Rest der Aminosäure Asparagin angehängt, wobei die letztere Variante etwas häufiger ist (vgl. Horn et al. 2005, pp. 168f.). Auch die kontrollierte Proteolyse ist, wie bereits erwähnt, ein wichtiger Bestandteil der posttranslationalen Prozessierung. Zum einen können die Signalsequenzen auf diese Weise entfernt werden, wenn das Protein an seinem Bestimmungsort angekommen ist und zum anderen hat dieser Vorgang auch eine wichtige Schutzfunktion: Vor allem Verdauungsenzyme werden als inaktive Vorstufen synthetisiert und erst im Darmlumen durch limitierte Proteolyse in ihre aktive Form umgewandelt. Dies schützt die Zellen des Gastrointestinaltrakts vor Selbstverdauung; eine Störung dieser Funktion liegt beispielsweise bei einer Pankreatitis vor (vgl. Horn et al. 2005, p. 172). „Ein weiteres Anwendungsgebiet der kontrollierten Proteolyse ist das Herausschneiden von definierten Peptiden aus großen Vorläuferproteinen, wie es z.B. beim Proopiomelanocortin (POMC) der Fall ist. Durch die proteolytische Spaltung an bestimmten Stellen im POMC entstehen die gewünschten Endproteine Kortikotropin, verschiedene Melanotropine, Lipotropine, Enkephaline und Endorphine, die alle sehr verschiedene Aufgaben haben (…)“ (zit. nach. Horn et al. 2005, p. 172). Ein sehr wichtiges Produkt der Proteinsynthese stellt die Gruppe der Plasmaproteine dar, welche in der Leber nach dem zuvor beschriebenen Schema gebildet werden; sie gehen den sekretorischen Weg, da sie ja mithilfe von Vesikeln ins Blut gelangen müssen. 25 Um einen Überblick über die vielen verschiedenen Plasmaproteine zu bekommen, ist es sinnvoll, sie in fünf verschiedene Gruppen einzuteilen: Transportproteine Das wahrscheinlich wichtigste Plasmaprotein überhaupt, das Albumin, wurde bereits auf Seite 22f. vorgestellt. Weitere Transportproteine sind das Transferrin, das Eisen im Blutstrom transportiert, das Caeruloplasmin, das an Kupfer bindet und das Haptoglobulin für den Transport von frei im Blut vorliegendem Hämoglobin. Proteine der Immunabwehr Alle Proteine des Komplementsystems, also der unspezifischen, humoralen Immunabwehr sind Plasmaproteine. Auch Akute-Phase-Proteine wie das CRP (C-reaktives Protein) zählen dazu und dienen gleichzeitig als wichtige Entzündungsparameter. Ebenfalls in diese Gruppe fallen Proteasehemmer wie das α 1-Antitrypsin, welche – wie ihr Name schon sagt – Proteasen hemmen können und damit beispielsweise bei einer Infektion Gewebezerstörungen eindämmen können. Proteine der Blutgerinnung Diese wurden bereits auf Seite 22f. besprochen und sollen nicht näher betrachtet werden. Lipoproteine Eine weiterführende Darstellung dieser fetttransportierenden Proteine folgt in Kapitel 4.2. Cholinesterase Die Funktion dieses Plasmaproteins ist noch wenig erforscht, jedoch kann es als Laborparameter zur Erkennung von Leberfunktionsstörungen benutzt werden (vgl. Horn et al. 2005, pp. 545f.). 3.3.2 Proteolyse & Harnstoffzyklus Um Energie bereitstellen zu können, betreibt der menschliche Organismus neben der Fettverbrennung auch Proteolyse von Muskelproteinen; diese sind leicht verfügbar und können somit schnell verwertet werden. Vor allem bei länger andauerndem Fasten bedient sich der Körper dieser Form der Energiebereitstellung. So werden beim Abbau der Muskelproteine, die ja aus einzelnen Aminosäuren bestehen, deren Amino-Gruppen auf Pyruvat, welches bereits aus dem Kohlenhydratstoffwechsel bekannt ist, übertagen; diese Reaktion nennt sich Transaminierung und wird mithilfe der Alanin-Aminotransferase (ALT) bewerkstelligt. Das Produkt dieser Reaktion ist Alanin, welches über den Blutweg die Leber erreicht und dort mithilfe eines weiteren Enzyms ALT in Pyruvat rückumgewandelt wird. Nun kann Glukoneogenese betrieben werden und der Energiemangel ist beseitigt. 26 Doch nicht nur zu diesem Zweck erfolgen in der Leber Transaminierungen – um die Konzentrationen der verschiedenen Aminosäuren auf ihrem physiologischem Level halten zu können, werden sie durch Aminotransferasen ineinander umgewandelt oder, wenn sie nicht mehr benötigt werden, abgebaut. Wie bereits erwähnt, wird der dabei anfallende Ammoniak zu unschädlichem Harnstoff abgebaut (vgl. Horn et al. 2005, pp. 178f.). Die Harnstoff-Biosynthese erfolgt im Rahmen des Harnstoffzyklus, welcher im Zytosol und in den Mitochondrien der Leberzellen stattfindet; eine schematische Darstellung ist in Abbildung 10 ersichtlich (vgl. Horn et al. 2005, p. 186). Abbildung 10: Der Harnstoffzyklus. Horn et al. 2009, p. 190. 27 Startpunkt des Harnstoffzyklus ist zumeist die Aminosäure Glutamat, die mittels diverser Transaminierungsreaktionen aus den anderen Aminosäuren entsteht. Deren Aminogruppe (NH2-) aus der NH3 (Ammoniak) entsteht, soll zum Harnstoff abgebaut werden, der renal eliminiert werden kann. Die erste Reaktion, die im Mitochondrium stattfindet, ist gleichzeitig die Schrittmacherreaktion: Der NH3 wird mithilfe der Carbamoyl-Phosphat-Synthase I an CO2 gebunden; dafür ist Energie in Form von 2 ATP erforderlich. Das so entstandene Produkt Carbamoyl-Phosphat besteht aus Kohlenstoff (C), an dem ein Amino-Rest (H2N) und ein Phosphat-Rest (P) gebunden sind. Dieses Molekül verbindet sich mit dem sich ebenfalls im Mitochondrium befindlichen Ornithin zu Citrullin; dies geschieht unter Abspaltung des Phosphat-Restes und wird durch das Enzym Ornithin-Carbamoyl-Transferase katalysiert. Das Citrullin vermag die Mitochondrien-Membran zu passieren, sodass der weitere Reaktionsweg im Zytosol der Leberzelle stattfinden kann. Hier wird dem Citrullin eine weitere Aminosäure, nämlich Aspartat, angelagert. Auch das erfordert ATP, von dem im Zuge der Reaktion Pyrophosphat (P~P) abgespalten wird; so stellt die Arginino-Succinat-Synthase das Produkt Argininosuccinat her. Nun wird vom Argininosuccinat durch die Arginino-Succinase Fumarat abgespalten, welches, wie in Abbildung 10 ersichtlich, über mehrere Reaktionsschritte wieder zu Aspartat umgewandelt wird und so erneut in den Harnstoffzyklus einfließen kann. Das Produkt dieser Reaktion ist die Aminosäure Arginin, die nun entweder für diverse Biosynthese-Wege genutzt werden kann (vgl. Abb. 10) oder endgültig zu Harnstoff abgebaut wird. Dazu wird das Arginin unter Wasseranlagerung durch die Arginase gespalten; so entsteht zum einen Isoharnstoff, der sich spontan in Harnstoff umwandelt und ausgeschieden werden kann und zum anderen Ornithin, das wieder in das Mitochondrium zurücktransportiert wird und so zur erneuten Harnstoffbildung dient (vgl. Horn et al. 2005, pp. 187ff.). 28 4. Störungen des Energiestoffwechsels Stoffwechselstörungen sind weit verbreitet und können Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. Eine häufige Ursache dafür ist eine Fehlregulation auf hormoneller Ebene, wie es beispielsweise bei Diabetes mellitus der Fall ist; dieses Krankheitsbild wird in Kapitel 4.1 aufgegriffen. Ebenfalls weit verbreitet sind Fehlfunktionen aufgrund von defekten Enzymen; bei diesen sogenannten Enzymopathien handelt es sich um Funktionsstörungen, die sich bereits auf der genetischen Ebene manifestieren – durch einen Gendefekt können die Enzyme im Rahmen der Proteinbiosynthese nicht korrekt hergestellt werden; siehe auch Kapitel 3.3.1. Eine solche Enzymopathie zieht unterschiedliche Auswirkungen nach sich: Einerseits steigt die Konzentration jenes Substrates, das normalerweise von diesem Enzym verarbeitet wird. Aufgrund dessen kann es vorkommen, dass das angestaute Substrat eingespeichert wird, wie es bei Speicherkrankheiten wie Glykogenosen oder Lipidosen der Fall ist. Zudem ist es auch möglich, dass das nicht bearbeitete Substrat in höheren Dosen für den menschlichen Organismus gefährlich ist. Kann beispielsweise Harnsäure nicht ordnungsgemäß verstoffwechselt werden, fällt sie aus und führt zu schmerzhaften Gichtanfällen. Andererseits verursacht das defekte Enzym auch einen Mangel an dem Stoff, den es im Regelfall selbst produziert. Um wieder das Beispiel der Glykogenosen aufzugreifen, verursacht der Enzym-Ausfall einen Energiemangel, da keine Glukose und damit kein ATP produziert werden kann (vgl. Silbernagl & Lang 2009, p. 260). 4.1 Kohlenhydratstoffwechselstörungen Auch Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels können sowohl hormonelle Dysregulation oder Enzymopathien zugrunde liegen. Zunächst sollen Enyzmdefekte am Beispiel der Galaktosämie kurz erläutert werden, anschließend wird die Volkskrankheit Diabetes mellitus näher betrachtet. Bei der Galaktosämie fehlt im Gastrointestinaltrakt das Enzym Galaktose-1-PhosphatUridyltransferase; infolgedessen kann Galaktose-1-Phosphat nicht abgebaut werden und lagert sich im menschlichen Organismus ab (vgl. Silbernagl & Lang 2009, p. 262). Die erhöhte Konzentration des Galaktose-1-Phosphats kann im Blut gemessen werden, was üblicherweise auch im Rahmen des Neugeborenen-Screenings passiert. Im Krankheitsfall muss das Stillen sofort beendet und auf galaktosefreie Kost umgestellt werden, um Spätfolgen wie beispielsweise eine Leberzirrhose zu vermeiden (vgl. Reinhardt et al. 2014, p. 117). 29 Bei einer anderen Enzymopathie, der hereditären Fruktoseintoleranz, ist das Enzym Fruktose-1-P-Aldolase funktionsunfähig und die Fruktose in Obst oder Saccharose kann nicht abgebaut werden; dadurch sammelt sich das Substrat Fructose-1-P an, das die Hemmung von Enzymen des Kohlenhydratstoffwechsels bewirkt; dies äußert sich in einer Hypoglykämie und führt schlimmstenfalls zu einer Leberzirrhose oder einem akuten Leberversagen (vgl. Silbernagl & Lang 2009, p. 262). Diabetes mellitus Diabetes mellitus wird definiert als „Glukosestoffwechselstörung unterschiedlicher Ätiologie und Symptomatik mit relativem oder absolutem Mangel an Insulin und Hyperglykämie als gemeinsame Kennzeichen“ (zit. nach Pschyrembel, http://www.degruyter.com/view/kw/4383116, aufgerufen am 20. August 2014). Bei Diabetes mellitus Typ I liegt ein absoluter Insulinmangel vor; Ursache dafür ist die Zerstörung der β-Zellen des Pankreas, welche das Insulin produzieren. Ausgelöst wird dies durch eine Autoimmunreaktion, die durch eine Virusinfektion getriggert werden kann. Des Weiteren ist auch eine genetische Disposition bekannt. Jedoch liegt bei lediglich zehn Prozent der an Diabetes mellitus erkrankten Personen ein Typ I vor. Damit ist mit etwa 90 Prozent Diabetes mellitus Typ II die häufigste Form; hier liegt ein relativer Insulinmangel vor – das heißt es wird eine ausreichende oder sogar überschießende Menge an Insulin produziert, jedoch sind die Zielzellen weniger empfindlich für das Hormon. Generell ist bei den Erkrankten das Verhältnis zwischen Nährstoffaufnahme und Nährstoffverbrauch zugunsten der Nährstoffaufnahme verschoben; dazu trägt unter anderem auch eine gewisse genetische Veranlagung bei. Dieses Missverhältnis führt neben Bewegungsmangel dazu, dass die meisten Typ II Diabetikerinnen und Diabetiker an Adipositas leiden. Durch das Übergewicht steigt die Konzentration der freien Fettsäuren im Blut, weswegen in weiterer Folge in der Muskulatur und dem Fettgewebe weniger Glukose verarbeitet wird. Daraus entwickelt sich eine Insulinresistenz; um die Unempfindlichkeit der Zielzellen gegenüber dem Insulin auszugleichen, wird mehr Insulin ausgeschüttet. Allerdings erfolgt darauf reaktiv eine Downregulation der Rezeptoren an den Zielzellen – folglich werden weniger Rezeptoren an der Zelloberfläche ausgebildet, wodurch sich die Insulinresistenz noch stärker ausprägt. Des Weiteren hemmt die erhöhte Insulinausschüttung auch die Lipolyse, wodurch die Entwicklung von Adipositas abermals begünstigt wird. Dieser Verlauf macht sich unter anderem durch eine erhöhte Plasmaglukosekonzentration bemerkbar (vgl. Silbernagl & Lang 2009, pp. 308f.). 30 Welche enormen Auswirkungen die Hyperglykämie bei nicht oder schlecht behandeltem Diabetes mellitus hat, soll anhand von Abbildung 11 beschrieben werden: Abbildung 11: Diabetes mellitus: Spätkomplikationen. Silbernagl & Lang 2009, p. 313. 31 Viele Zellen sind mit dem Enzym Aldosereduktase ausgestattet, wodurch die Glukose, die in diese Zellen aufgenommen wird, in den Polyalkohol Sorbit umgewandelt wird. Sorbit kann die Zellmembran nicht mehr passieren und verbleibt in den Zellen; zudem begünstigt er die Wassereinlagerung, wodurch es zu einer osmotischen Zellschwellung kommt. Dieser pathophysiologische Vorgang äußert sich an der Augenlinse als Linsentrübung (Katarakt), an den Schwann-Zellen des Nervensystems schädigt er die Nervenleitung und führt so zu einer Polyneuropathie und auch die Endothelzellen der Gefäße werden beeinträchtigt. Andere Zellen, die nicht genügend Glukose aufnehmen, schrumpfen aufgrund der Hyperosmolarität des Extrazellulärraumes, in dem sich eine hohe Glukosekonzentration befindet. Zu diesen zählen unter anderem Zellen des Immunsystems, nämlich die Lymphozyten; gehen diese zugrunde, treten vielfach Infekte auf, besonders häufig als Furunkel der Haut oder Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis). Des Weiteren erhöht die hohe Plasmaglukosekonzentration die Bereitschaft, Proteine zu glykosylieren. Dadurch werden vermehrt Proteine gebildet, die die Viskosität des Blutes steigern, was sich in einem stark erhöhten Thromboserisiko manifestiert. Zu diesen gerinnungsfördernden Proteinen zählen die Gerinnungsfaktoren V und VIII sowie die Plasmaproteine Fibrinogen und Haptoglobulin. Außerdem kann die freie Glukose an die Aminogruppen von Proteinen anhaften, wodurch sogenannte „advanced glycation end products“ (AGEs) entstehen. Diese AGEs sind für zahlreiche pathophysiologische Vorgänge verantwortlich; unter anderem fördern sie die Einlagerung von Kollagen in die Basalmembranen von Gefäßen, die infolgedessen verdicken und zu einer Mikroangiopathie führen. Unter der anhaltenden Hyperglykämie werden auch vermehrt Wachstumsfaktoren wie TGFβ (tumor growth factor beta) und PAI-1 (plasminogen activator inhibitor 1) synthetisiert, welche ebenfalls Kollageneinlagerungen begünstigen und damit die Nieren schädigen indem sie eine Glomerulosklerose hervorrufen. Dadurch sinkt die Filtrationsleistung der Nieren, was sich als Proteinurie, also als vermehrte Proteinausscheidung mit dem Harn, äußert. Sowohl die Glomerulosklerose als auch die zuvor erwähnte Pyelonephritis können terminal eine Niereninsuffizienz verursachen; zudem wird die Entstehung von Bluthochdruck gefördert. Der Hypertonus ist neben der bereits angesprochenen Mikroangiopathie ein ursächlicher Faktor für Retinopathie; hierbei handelt es sich um eine verstärkte Neubildung von Blutgefäßen an der Netzhaut, was bei schwerwiegenden Formen zum Erblinden führen kann. 32 Eine weitere wichtige Komplikation ist die Makroangiopathie; hervorgerufen wird sie durch das Zusammenspiel von Hypertonie, Thromboseneigung und geschädigten Endothelzellen. Die Makroangiopathie äußert sich unter anderem als Hirninfarkt, Herzinfarkt, Niereninsuffizienz oder als diabetischer Fuß im Rahmen einer peripheren Durchblutungsstörung. Außerdem bewirkt die hohe Glukosemenge eine Glykosylierung des sauerstofftransportierenden Hämoglobins im Blut: HbA wird in HbA1c umgewandelt. Der Prozentsatz an HbA1c im Blut gibt Auskunft über das Andauern der Hyperglykämie und kann somit als Laborparameter verwendet werden. Außerdem bindet es stärker an Sauerstoff als normales Hämoglobin, was zu einer schlechteren Sauerstoffversorgung im Gewebe führt. Dieser Effekt wird durch den Mangel an BPG (2,3-Bisphosphoglycerat), welcher durch Insulinmangel hervorgerufen wird, verstärkt; BPG ist nämlich in der Lage, die Sauerstoffaffinität des Hämoglobins zu senken und somit eine ausreichende Sauerstoffabgabe in der Peripherie zu gewährleisten (vgl. Silbernagl & Lang 2009, p. 312). 4.2 Fettstoffwechselstörungen Zu den häufigsten Störungen des Lipidstoffwechsels zählen die Hyperlipoproteinämien; diese werden definiert als „Krankheiten mit erhöhten Blutfetten im Nüchternserum. Da Lipide grundsätzlich an Proteine (Apolipoproteine) gebunden sind, sind Hyperlipidämien immer auch Hyperlipoproteinämien“ (zit. nach Arastéh et al. 2013, p. 700) Sie sind besonders in der westlichen Welt sehr häufig und nehmen, bedingt durch die weite Verbreitung eines Lebensstils, der ungesunde Ernährung und wenig Bewegung beinhaltet, immer mehr zu; Schätzungen zufolge weist derzeit mehr als die Hälfte der Personen mit einem Lebensalter von über 40 Jahren einen erhöhten Cholesterinspiegel auf (vgl. Arastéh et al. 2013, p. 700). Lipoproteine, die es ermöglichen, die hydrophoben Fettmoleküle im wässrigen Milieu des Blutes zu transportieren, können anhand ihrer Dichte in vier verschiedene Klassen eingeteilt werden (vgl. Arastéh et al. 2013, p. 700). Eine Übersicht über diese verschiedenen Arten von Lipoproteinen und welche Fette sie transportieren bietet Abbildung 12. 33 Abbildung 12: Charakteristika der Lipoproteine. Arastéh et al. 2013, p. 700. Lipoproteine sind aus verschiedenen Fetten zusammengesetzt – unter anderem Triglyceride, Cholesterin oder auch Phospholipide – und verfügen zudem über Apolipoproteine an ihrer Oberfläche. Diese übernehmen eine Vielzahl an verschiedenen Aufgaben: sie dienen der Bindung an einen Rezeptor an der Zielzelle, sie wirken selbst als Enzyme oder vermögen andere Enzyme zu stimulieren. Die kleinsten Lipoproteine sind die Chylomikronen, die das Nahrungsfett aufnehmen und es in die Peripherie transportieren. Dort werden die Triglyceride aufgespalten und die daraus entstehenden freien Fettsäuren entweder gleich zur Energieversorgung genutzt oder im Fettgewebe gespeichert. Von den Chylomikronen sind dann nur noch sogenannte Remnants vorhanden, die noch reichlich mit Cholesterin beladen sind; dieses wird zur Leber transportiert und fließt in die endogene Lipidproduktion ein. Fette, die von der Leber synthetisiert werden, werden als VLDL zu den Zielzellen transportiert; sie werden dort nach demselben Prinzip wie exogene Lipide verarbeitet; nach diesem Vorgang sind auch von den VLDL nur noch Remnants übrig – diese sind Vorläufer des LDL und werden als IDL (intermediate density lipoproteins) bezeichnet. LDL spielt eine Schlüsselrolle im Lipidstoffwechsel; es ist unter anderem verantwortlich für die Regulation des Cholesterinspiegels. Seine Aufgabe ist es, Zellen in der Peripherie mit Cholesterin zu versorgen; diese verfügen zu diesem Zweck über LDL-Rezeptoren, die die Aufnahme des Cholesterins regeln. Liegt ein Defekt an einem solchen LDL-Rezeptor vor 34 oder sind zu wenige davon an der Zelloberfläche exprimiert, verbleiben die cholesterinreichen Moleküle im Blutstrom. Um sie dennoch aus dem Blut zu entfernen, versuchen die Makrophagen des Immunsystems das LDL durch Endozytose zu eliminieren. Bei diesem Vorgang gehen sie jedoch selbst zugrunde und werden zu Schaumzellen, die sich in die Gefäßwand einlagern und so zur Entstehung von Arteriosklerose führen. Diesem Prozess kann ein anderes Lipoprotein, das HDL, entgegenwirken: es transportiert überschüssiges Cholesterin zurück in die Leber, was protektiv auf die Gefäßwände wirkt und somit das Risiko einer Arteriosklerose mindert (vgl. Arastéh et al. 2013, pp. 700f.). Generell kann man Hyperlipoproteinämien in zwei Formen einteilen: Primäre Hyperlipoproteinämien sind genetisch bedingt, während sekundäre Hyperlipoproteinämien sich als Symptom anderer Erkrankungen oder Medikamente äußern. Von den primären Hyperlipoproteinämien gibt es zahlreiche Unterarten; um einen groben Überblick zu erhalten, sind diese in Abbildung 13 kurz dargestellt (vgl. Arastéh et al. 2013, p. 701). Abbildung 13: Primäre hereditäre Hyperlipoproteinämien. Arastéh et al. 2013, p. 702. Mit Abstand die häufigste Form ist die polygene Hypercholesterinämie. Hierbei liegt eine gewisse genetische Prädisposition für erhöhte Cholesterinspiegel vor, jedoch ist dies nicht der ausschlaggebende Faktor – vor allem ein ungesunder Lebensstil einschließlich Adipositas führt zu diesem Krankheitsbild. Der Zustand ist für gewöhnlich asymptomatisch, jedoch steigt das Risiko von Folgeerkrankungen wie KHK (koronare Herzerkrankung) und Herzinfarkt signifikant an. Eine weitere Form ist die familiäre Hypercholesterinämie; sie ist mit einer Häufigkeit von 0,1-1,5 Prozent seltener als die zuvor beschriebene Form. Jedoch beruhen beide auf 35 demselben Pathomechanismus – bei beiden Formen weist der LDL-Rezeptor eine pathologische Veränderung auf; er ist entweder zu wenig aktiv oder in zu geringer Zahl exprimiert. Bei der familiären Hypercholesterinämie beruht dies jedoch auf einem Gendefekt, der autosomal-dominant vererbt wird. Klinisch manifestiert sich der zu hohe Cholesterinspiegel durch Xanthome, vorwiegend an der Haut um die Augen und an Sehnen, insbesondere an der Achillessehne (vgl. Arastéh et al. 2013, p. 703). Als Xanthom bezeichnet man einen gelben Knoten, der durch Einlagerung von überschüssigen Lipoproteinen entsteht (vgl. Pschyrembel, http://www.degruyter.com/view/kw/4409887, aufgerufen am 21. August 2014). Je nach Ausprägung der genetischen Veranlagung kann die familiäre Hypercholesterinämie unbehandelt schon sehr früh zu KHK führen; homozygote Erkrankte können bereits im Kindesalter einen Herzinfarkt erleiden (vgl. Arastéh et al. 2013, p. 703). Wesentlich häufiger sind sekundäre Hyperlipoproteinämien. Sie treten aufgrund verschiedener Grunderkrankungen auf; werden diese angemessen behandelt, ist auch die Hyperlipoproteinämie zumeist beseitigt. Häufig tritt sie im Rahmen von Diabetes mellitus Typ II auf; dieser begünstigt die Synthese von VLDL durch eine Kombination aus Triggerfaktoren wie Übergewicht, Hyperglykämie und zu hohe Insulinspiegel. Etwa die Hälfte der Diabetikerinnen und Diabetiker leidet auch an einer Hyperlipoproteinämie. Auch Lebererkrankungen können sich in einer Hyperlipoproteinämie äußern: bei einer Zirrhose verändert sich das LDL pathologisch und der Cholesterinspiegel steigt. Bei entzündlichen Prozessen wie einer Hepatitis-Infektion steigt der Triglyceridspiegel. Bei einer Niereninsuffizienz kommt es ebenso zu Hyperinsulinismus wie beim Diabetes mellitus Typ II – dies hemmt den Abbau von Triglyceriden und fördert deren Produktion. Bei einer weiteren Nierenerkrankung, dem nephrotischen Syndrom, kommt es auch zu einem Anstieg des LDL; auch eine Erhöhung der Triglyceride ist möglich. Im Rahmen einer Schilddrüsenunterfunktion kann das LDL ansteigen, da der Cholesterinabbau aufgrund der Verlangsamung des katabolen Stoffwechsels beeinträchtigt wird. Ein ungesunder Lebensstil mit einer auf Zucker, Fett und Alkohol betonten Ernährung begünstigt die Entwicklung einer sekundären Hyperlipoproteinämie ebenso wie die Einnahme bestimmter Medikamente wie beispielsweise hormoneller Kontrazeptiva oder Kortikosteroide (vgl. Arastéh et al. 2013, p. 702). 36 4.3 Proteinstoffwechselstörungen Auch im Proteinstoffwechsel kann es zu Fehlfunktionen kommen; die Defekte betreffen dabei die Bausteine der Proteine – die Aminosäuren. Nicht nur Proteine werden aus ihnen auf- und abgebaut, auch die Synthese von Hormonen, Transmittern und anderen Molekülen des menschlichen Organismus beginnt mit Aminosäuren. Störungen sind häufig in einem Missverhältnis der verschiedenen Aminosäuren zueinander begründet. Fehlt eine essentielle Aminosäure, kann die Ursache in unausgewogener Ernährung liegen. Auch jene Moleküle, die die Aminosäuren transportieren – so genannte Carrier – können defekt sein und Erkrankungen hervorrufen. Zudem kann der Abbau des toxischen Ammoniaks im Rahmen des Harnstoffzyklus gestört sein (vgl. Silbernagl & Lang 2009, p. 260). Bei diesen sogenannten Hyperammoniämien ist eines der verschiedenen Enzyme, die die Schritte des Harnstoffzyklus katalysieren, defekt. Durch den verminderten oder sogar ganz fehlenden Abbau von Ammoniak zu Harnstoff steigt der Plasmaspiegel des Ammoniaks drastisch an, was schwere Folgen hat. Vor allem das Gehirn ist davon betroffen. In schweren Fällen kann dies sogar zum Tod des Neugeborenen führen. Bei milderen Verlaufsformen führt die Hyperammoniämie unbehandelt zu Gehirnentwicklungsstörungen und Intelligenzdefiziten. Bei einer anderen, ebenfalls leichten Form zeigt sich in den ersten Lebensjahren überhaupt keine Symptomatik; sie bricht erst bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus. Die Erkrankung ist mit einer Erkrankungsrate von 1 von 30.000 Lebendgeburten relativ häufig (vgl. Röhm 2014, pp. 352f.). Abbildung 14: Phenylketonurie. Silbernagl & Lang 2009, p. 261. 37 Neben diesen gibt es noch viele weitere Störungen des Aminosäurenstoffwechsels; eine der bekanntesten Erkrankungen ist die Phenylketonurie. Die Störung geht hervor aus einem Defekt der Phenylalanin-4-Monooxygenase, einem Enzym, das die Umwandlung von Phenylalanin in Tyrosin katalysiert. Eine schematische Darstellung der Erkrankung zeigt Abbildung 14. Die erhöhte Konzentration an Phenylalanin beeinträchtigt den Transport anderer Aminosäuren wie Tryptophan in das Gehirn und bewirkt dadurch neurologische Störungen und geistige Defizite. Zudem weicht das Phenylalanin auf einen alternativen Stoffwechselweg zum Abbau aus, aus welchem das Phenylpyruvat hervorgeht. Dieses Produkt wird mit dem Harn ausgeschieden, was als Phenylketonurie bezeichnet wird und damit namensgebend für die Erkrankung ist. Des Weiteren fehlt durch den Mangel an Tyrosin ein wichtiger Grundstoff zur Melaninproduktion; dies äußert sich als ausgeprägte Lichtempfindlichkeit und Pigmentierungsstörung. Basis einer erfolgreichen Therapie der Phenylketonurie ist das frühzeitige Erkennen der Erkrankung und darauffolgend eine Phenylalanin-arme Diät. Im linken Teil der Abbildung 14 ist eine seltenere Variante der Phenylketonurie dargestellt. Die mit der Ziffer 2 gekennzeichnete Dihydropteridin-Reduktase ist hierbei aufgrund eines Defekts funktionslos, sodass die Umwandlung von Dihydropteridin in Tetrahydropteridin beeinträchtigt ist (vgl. Silbernagl & Lang 2009, p. 260). Der Mangel an diesem Stoff äußert sich in einer ähnlichen Symptomatik wie die gewöhnliche Phenylketonurie, jedoch kommen weitere neurologische Defizite wie Schluckstörungen vor (vgl. Pschyrembel, http://www.degruyter.com/view/kw/4406782 aufgerufen am 27. August 2014). 38 5. Schlussfolgerung und Diskussion An diesem Punkt sollen nun anhand der Ausführungen in den vorangegangen Kapiteln die Forschungsfragen beantwortet werden. Welche für den Energiestoffwechsel relevanten Prozesse finden in der Leber statt? Der Energiestoffwechsel lässt sich anhand der vorwiegend verarbeiteten Moleküle in drei Teilbereiche aufgliedern; zudem wird zwischen der substratreichen Resorptionsphase und der nährstoffarmen Postresorptionsphase unterschieden: In der Resorptionsphase wird im Kohlenhydratstoffwechsel die große Anzahl an vorhandenen Glukosemolekülen in der Leber verarbeitet. Um schnell Energie bereitstellen zu können, wird die Glukose im Rahmen der Glykolyse verbrannt, sodass das energiereiche ATP entsteht. Des Weiteren wird jene Glukose, die aktuell nicht benötigt wird, als Glykogen in der Leber gespeichert. Diese Glykogenspeicher können in der Postresorptionsphase abgebaut werden. Zur weiteren Energiegewinnung wird in der Leber aus Substraten des Hungerstoffwechsels Glukoneogenese betrieben, um vor allem die Glukose-abhängigen Zellen wie die Erythrozyten und die Gehirnzellen mit Energie zu versorgen (vgl. Horn et al. 2005). Im Fettstoffwechsel werden in der Resorptionsphase all jene Lipide, die nicht in der Peripherie gespeichert werden, in der Leber weiterverarbeitet. Sie modifiziert sie und nutzt sie zur Biosynthese von wichtigen Bausteinen für den Organismus. Neben der Herstellung von Phosphoglyceriden für die Zellmembranen ist auch die Cholesterin-Biosynthese eine wichtige Aufgabe der Leber; Cholesterin dient als Grundbaustein für Steroidhormone wie Östrogen und Testosteron und wird auch in Zellmembranen eingelagert. Zudem ist es nach seiner Umwandlung in Gallensäure ein wichtiger Bestandteil in der Fettverdauung. In der Postresorptionsphase betreibt die Leber vor allem β-Oxidation; dadurch werden einerseits Acetyl-CoAs zur ATP-Gewinnung und andererseits Ketonkörper zur Energieversorgung des Gehirns in Hungerzeiten synthetisiert (vgl. Horn et al. 2005). In der Resorptionsphase des Proteinstoffwechsels werden die vielen, mit der Nahrung aufgenommen Aminosäuren zur Synthese neuer Proteine genutzt. Die Leber stellt dabei vor allem Enzyme für Stoffwechselprozesse sowie Plasmaproteine her; dazu zählen unter anderem Albumin, Lipoproteine und die Blutgerinnungsfaktoren V, VII, IX, X, XI und XII. 39 Postresorptiv werden Muskelproteine abgebaut und zur Leber gebracht, um sie dort energiebringenden Prozessen wie der Glukoneogenese und der Ketonkörper-Biosynthese zuzuführen. Auch der Umbau verschiedener Aminosäuren erfolgt in der Leber; damit wird die Homöostase der Aminosäuren-Konzentrationen aufrecht erhalten. Das beim Abbau von Aminosäuren anfallende Ammoniak wird im Harnstoffzyklus in der Leber unschädlich gemacht, sodass es als Harnstoff unbedenklich über die Nieren ausgeschieden werden kann (vgl. Horn et al. 2005). Welche Auswirkungen haben Stoffwechselstörungen auf den Gesamtorganismus? Auch bei der Beantwortung dieser Forschungsfrage werden die drei Teilbereiche des Stoffwechsels getrennt voneinander betrachtet, um einen besseren Überblick zu behalten. Bei einer der Enzymopathien des Kohlenhydratstoffwechsels, der Galaktosämie, ist ein Enzym, das die Verstoffwechselung von Galaktose katalysiert, defekt; dies führt zu hohen Konzentrationen eines Stoffes namens Galaktose-1-Phosphat im Organismus; dies kann im schlimmsten Fall zu einer Leberzirrhose führen. Bei der hereditären Fruktoseintoleranz kann keine Fruktose abgebaut werden; das sich dadurch anhäufende Substrat hemmt Enzyme des Kohlenhydratstoffwechsels, was sich in einer Hypoglykämie äußert und unbehandelt zu akutem Leberversagen führen kann. Die weit verbreitete Erkrankung Diabetes mellitus Typ II hat sehr weitreichende Folgen; Abbildung 11 (p. 31) veranschaulicht die komplexen Zusammenhänge der durch Hyperglykämie entstandenen Folgen. Aufgrund verschiedener Mechanismen werden die Augen durch Katarakt und Retinopathie beeinträchtigt; dies kann bis zum Erblinden führen. Auch die Nerven werden durch die hohen Plasmaglukosespiegel geschädigt: es kommt zu einer Polyneuropathie, die sich in Sensibilitäts- und Reflex-Ausfällen äußert. Eine Niereninsuffizienz kann durch die hohe Infektanfälligkeit sowie geschädigte Gefäße entstehen. Zudem begünstigt die Makroangiopathie auch Störungen der peripheren Durchblutung, sowie das Auftreten eines Herzinfarktes oder Schlaganfalles; verstärkt wird das Risiko durch die von der Hyperglykämie hervorgerufene Hypertonie und Thromboseneigung (vgl. Silbernagl & Lang 2009; Reinhardt et al. 2014). Störungen des Fettstoffwechsels äußern sich zumeist in einer Erhöhung des Cholesterinspiegels. Unabhängig davon, ob es sich um eine primäre oder eine sekundäre Hyperlipoproteinämie handelt, können die Auswirkungen gravierend sein. Während sekundäre Hyperlipoproteinämien infolge verschiedener Grunderkrankungen sehr häufig 40 auftreten, sind die Komplikationen der primären Formen, die auf Basis eines Gendefektes entstehen, oft schwerwiegender. Beide sorgen für ein signifikant erhöhtes Risiko der Arteriosklerose-Entstehung; dies begünstigt das Auftreten einer koronaren Herzerkrankung (KHK) mit all ihren Spätkomplikationen. Bei schweren Formen der familiären Hypercholesterinämie erleiden zum Teil bereits Kinder einen Herzinfarkt (vgl. Arastéh et al. 2013). Im Proteinstoffwechsel sind häufig Enzyme des Harnstoffzyklus von einem Gendefekt betroffen; dadurch kann das beim Aminosäuren-Abbau entstehende Ammoniak nur unzureichend zum ungefährlichen Harnstoff verstoffwechselt werden und es kommt zu einer Hyperammoniämie. Vor allem auf das Gehirn wirkt der hohe Plasmaspiegel an Ammoniak toxisch: schwerwiegende Hyperammoniämien können für ein Neugeborenes letal enden, während leichtere Verläufe neurologische Defizite hervorrufen und zu einer Minderung der Intelligenz führen. Eine häufige Störung des Proteinstoffwechsels ist die Phenylketonurie. Bei dieser Erkrankung ist das Enzym, das Phenylalanin in Tyrosin umwandelt, defekt. Nachweisbar ist dies im Urin. Die hohe Konzentration an Phenylalanin behindert andere Stoffwechselwege im Gehirn und sorgt damit für neurologische Schäden. Der Mangel an Tyrosin führt zu einer erhöhten Lichtempfindlichkeit sowie einer Pigmentstörung, weil zu wenig Melanin zur Verfügung steht (vgl. Silbernagl & Lang 2009; Röhm 2014). Abschließend ist zu sagen, dass die Leber eine äußerst wichtige Aufgabe in unserem Stoffwechsel hat, da nahezu alle lebenswichtigen Stoffwechselprozesse von ihrer Funktionstüchtigkeit abhängen. Zudem ist es bemerkenswert, wie weitläufig und schwerwiegend sich „kleine“ Störungen des Stoffwechsels auswirken. Daraus kann man vor allem zwei Dinge mitnehmen: Um angeborene Störungen des Stoffwechsels zeitnah zu erkennen und optimal therapieren zu können, ist es essentiell, das Neugeborenen-Screening beizubehalten und eventuell sogar zu erweitern. Sekundäre, also erworbene Stoffwechselstörungen sind nicht zu unterschätzen. Sie sind sehr weit verbreitet und werden oftmals von den Betroffenen nicht allzu ernst genommen. Viele Erkrankungen sind mit einer Ernährungsumstellung und einer Erhöhung des Sportpensums in den Griff zu bekommen. Die weitreichenden, zum Teil tödlich endenden Spätfolgen wären einfach zu vermeiden. Es bleibt zu hoffen, dass viele Betroffene diese Chance nutzen und sich für ein gesundes Leben entscheiden. 41 6. Literaturverzeichnis Anderhuber F, Pera F, Streicher J (Hrsg.) (2012) Waldeyer - Anatomie des Menschen. 19. Auflage. Berlin, Deutschland: Walter de Gruyter GmbH & Co. KG. Arastéh K, Baenkler H-W, Bieber C, Brandt R, Chatterjee T et al.(2013) Innere Medizin. 3. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag. Hartmann M, Pabst MA, Dohr G (2011) Zytologie, Histologie und Mikroskopische Anatomie. Licht- und elektronenmikroskopischer Bildatlas. 5. Auflage. Wien, Österreich: facultas.wuv Verlag. Horn F, Moc I, Schneider N et al. (2005) Biochemie des Menschen. 3. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag. Reinhardt D, Nicolai T, Zimmer KP (Hrsg.) (2014) Therapie der Krankheiten im Kindesund Jugendalter. Berlin, Deutschland: Springer-Verlag. Röhm KH in: Heinrich P, Müller M, Graeve L (Hrsg.) (2014) Löffler/Petrides Biochemie und Pathobiochemie. 9. Auflage. Berlin, Deutschland: Springer-Verlag. Silbernagl S, Lang F (2009) Taschenatlas Pathophysiologie. 3. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag. 42 Internetquellen: DocCheck Flexikon. Alpha-C-Atom. http://flexikon.doccheck.com/de/Alpha-C-Atom, aufgerufen am 9. August 2014. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online. Diabetes mellitus. http://www.degruyter.com/view/kw/4383116, aufgerufen am 20. August 2014. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online. Tetrahydrobiopterin-Mangel. http://www.degruyter.com/view/kw/4406782, aufgerufen am 27. August 2014. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online. Xanthom. http://www.degruyter.com/view/kw/4409887, aufgerufen am 21. August 2014. 43 7. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Lage der Leber. ............................................................................................... 3 Fritsch H, Kühnel W (2009) Taschenatlas Anatomie, Band 2, "Innere Organe". 10. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 213. Abbildung 2: Leber des Erwachsenen. Facies diaphragmatica. .......................................... 4 Anderhuber F, Pera F, Streicher J (Hrsg.) (2012) Waldeyer - Anatomie des Menschen. 19. Auflage. Berlin, Deutschland: Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, p. 537. Abbildung 3: Leber des Erwachsenen. Facies visceralis. .................................................... 5 Anderhuber F, Pera F, Streicher J (Hrsg.) (2012) Waldeyer - Anatomie des Menschen. 19. Auflage. Berlin, Deutschland: Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, p. 539. Abbildung 4: Leberläppchen. Vergrößerung 4x. .................................................................. 6 Hartmann M, Pabst MA, Dohr G (2011) Zytologie, Histologie und Mikroskopische Anatomie. Licht- und elektronenmikroskopischer Bildatlas. 5. Auflage. Wien, Österreich: facultas.wuv Verlag. Übungs-DVD. Abbildung 5: Glykolyse. ..................................................................................................... 11 Horn F, Moc I, Schneider N et al. (2009) Biochemie des Menschen. 4. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 83. Abbildung 6: Glukoneogenese. .......................................................................................... 15 Horn F, Moc I, Schneider N et al. (2009) Biochemie des Menschen. 4. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 101. Abbildung 7: Abbau der Fettsäuren. .................................................................................. 18 Horn F, Moc I, Schneider N et al. (2009) Biochemie des Menschen. 4. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 128. Abbildung 8: Biosynthese des Cholesterins. ...................................................................... 20 Horn F, Moc I, Schneider N et al. (2009) Biochemie des Menschen. 4. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 151. 44 Abbildung 9: Zytosolischer und sekretorischer Weg der Proteinbiosynthese..................... 24 Horn F, Moc I, Schneider N et al. (2009) Biochemie des Menschen. 4. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, pp. 172f.. Abbildung 10: Der Harnstoffzyklus. .................................................................................... 27 Horn F, Moc I, Schneider N et al. (2009) Biochemie des Menschen. 4. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 190. Abbildung 11: Diabetes mellitus: Spätkomplikationen. ...................................................... 31 Silbernagl S, Lang F (2009) Taschenatlas Pathophysiologie. 3. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 309. Abbildung 12: Charakteristika der Lipoproteine. ................................................................ 34 Arastéh K, Baenkler H-W, Bieber C, Brandt R, Chatterjee T et al.(2013) Innere Medizin. 3. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 700. Abbildung 13: Primäre hereditäre Hyperlipoproteinämien.................................................. 35 Arastéh K, Baenkler H-W, Bieber C, Brandt R, Chatterjee T et al.(2013) Innere Medizin. 3. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 702. Abbildung 14: Phenylketonurie. ......................................................................................... 37 Silbernagl S, Lang F (2009) Taschenatlas Pathophysiologie. 3. Auflage. Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme Verlag, p. 261. 45