Transactive Memory - Institut für Psychologie

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Transactive Memory — Institut für Psychologie
Institut für Psychologie
Transactive Memory ...
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ago by ehrhardt
„Knowledge is of two kinds: we knew a subject ourselves, or we know where we can find information
upon it.” Samuel Johnson
oder
“Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen wer sich da auskennt” – unbekannt
Entwickelt wurde der Begriff transactive memory von Daniel Wegner et al 1985. Er beschreibt das System
einer sozialen Gruppe, das Informationen enkodiert, speichert und abruft.
Das Individuum weiß nicht nur was es selbst weiß, sondern auch welches Mitglied der Gruppe sich wo
auskennt und wie es auf Wissen anderer Gruppenmitglieder zurückgreifen kann. Dadurch wird für jeden
eine größere Menge Informationen abrufbar, als es ein Individuum alleine speichern könnte.
Inhaltsverzeichnis
1. Computer network model of human transactive memory (Wegner 1995)
Directory updating
Information allocation (Informationszuteilung)
Retrieval coordination
2. Close Relationship (Wegner 1991)
Das Experiment
Die Ergebnisse
3. Transaktive Gedächtnissysteme in Organisationen (Hollingshead 2004)
Das Prozessmodell
Vorraussetzungen (kognitive wechselseitige Abhängigkeit)
TEP – Einheiten (Aufgaben – Expertise – Person – Einheiten)
Geteilte mentale Modelle in transaktionalen Gedächtnissystemen
Allgemeine Ableitungen aus dem Modell
4. Abschließende Anmerkungen
Literatur
Gruppenmitglieder
Partnergruppe
Siehe auch
Im ersten Teil des Artikels wird das Prinzip des transaktiven Gedächnisses anhand der Terminologie
eines Computernetzwerkes erläutert.
Daran anschliessend folgt die Beschreibung eines Experiments, mit dem Dan Wegner die Bedeutung des
transaktiven Gedächtnisses für zusammenlebende Paare untersucht, die ganz natürlich ein transaktives
Gedächtnis ausbilden.
Im dritten Teil wird eine Arbeit von Andrea Hollingshead beschrieben, die die Theorie aufgegriffen und
erweitert hat. Sie untersucht die Dynamik von transaktiven Gedächtnis im professionellen Umfeld.
1. Computer network model of human transactive memory
(Wegner 1995)
Menschen in Gruppen nutzen zahlreiche Strategien, um ein transaktives Gedächtnis auszubilden. Ganz
ähnlich gehen auch Informatiker vor, wenn sie Computer vernetzen. Man muss also bei der Entwicklung
von Computernetzwerken ähnliche Probleme bewältigen, wie sie die Evolution bei der Entwicklung von
sozialer Interaktion zu bewältigen hatte. Man versucht also die Computermetapher als kognitives
Werkzeug (vgl. Distributed Cognition), das helfen soll, in der sozialen Interaktion nichts als gegeben zu
betrachten, sondern die Prozesse transaktionaler Gedächtnissysteme bis ins Detail zu erklären. Die
Computermetapher macht stellt somit klar, welche die Prozesse für das Funktionieren transaktiver
Gedächtnisse notwendig sind. Da man viel über ein System lernen kann, indem man versucht, dieses
nachzubilden, ist dieser Ansatz ein Versuch, künstliche Intelligenz für die Konstruktion psychologischer
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Theorien zu nutzen. Vorteil davon ist, dass es eine Überprüfung erlaubt, ob ein transaktionales
Gedächtnis auf dies Art funktionieren kann und wo die Computermetapher zu kurz greift und noch der
Präzisierung Bedarf.
Das Coputernetzwerkmodell von Wegener (1995) von einer Person A und einer Person B setzt sich also
aus zwei interagierende Prozessoren A & B (Arbeitsgedächtnisse), die jeweils über eine eigene Festplatte
A & B (Gedächtnisse) zusammen. Dieses System funktioniert nach dem Prinzip, dass die Inhalte von
Gedächtnissen durch Kategoriensysteme organisiert sind, deren Inhalte durch ein Verzeichnis (directory)
verwaltet wird. Jedes Gedächtnis hat somit also nicht nur ein Verzeichnis über den Inhalt des eigenen
Gedächtnisses, sondern auch ein Verzeichnis über den Inhalt des anderen Gedächtnisses. In
psychologischer Terminologie ausgedrückt, hat Mensch A Repräsentationen darüber, was Mensch B so
alles wissen könnte oder an Fähigkeiten verfügt und umgekehrt.
Eine erste Schwierigkeit eines transaktiven Gedächtnisses ist nun die Verzeichnisse zu aktualisieren
(directory updating), ohne den kompletten Inhalt des anderen Gedächtnisses immer wieder lesen zu
müssen. Diese Aktualisierung ist grundlegend für Effizienz und Geschwindigkeit von trasaktiven
Gedächtnissen.
Ein weiteres Problem ist die Informationszuteilung (informations allocation): Was passiert mit einer
neuen Information? Welche Person packt sie in sein Gedächtnis und wie gelangt sie zu ihm?
Das dritte, zu lösende Problem, ist die Datenabfragekoordinierung (retrieval coordination). Wie also
findet man die gesuchte Information wieder?
Directory updating
Directories sind also Erinnerungen über Erinnerungen, die nicht die Eigenen sein müssen, also eine Art
Metagedächtnis. Wir wissen, dass jemand etwas Bestimmtes weiß, ohne es selbst zu wissen. Wie kommt
es dazu, dass wir wissen, dass jemand etwas bestimmtes weiß?
Ein Verzeichnis (directory) für ein Individuum kann auf folgende Arten gebildet werden:
Default entries (Standardeinträge): Oberflächencharakteristika einer Person werden beobachtet um
dann auf das Wissen über z.B. Fußball (Männer eher als Frauen), Schminken (Frauen eher als Männer)
zu schließen. Diese Urteile sind sehr stereotyp und vorurteilsbelastet und können falsch sein. (Die Frau
kocht; Der Mann schraubt)
Negotiated entries (ausgehandelte Einträge): Durch eine Person (Chef) zugewiesene, abgestimmte oder
freiwillige Verantwortlichkeiten. Wenn dies öffentlich bekannt ist, ist dies hilfreich für alle, die davon
wissen. (Jeder weiß: Franz verteilt die Büroklammern)
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Expertise entries (Expertiseneinträge): Die Person, die am meisten darüber weiß, oder das meiste
Interesse daran hegt, speichert den Eintrag, also wird zum, von der Gruppe bestimmten Speicherort.
(„Schatz, wo sind meine Socken?“). Diese Zuordnung kann auch sehr eigenwillig vorgenommen werden.
Wenn von 20 Personen einer ein kleines bisschen über Katzen weiß, kann er Katzenexperte werden,
obwohl sein Wissen gering ist. Derjenige, der als einziger ein einziges Gericht kochen kann, wird auf diese
Art evtl. Kochexperte.
Access entries (Zugangseinträge): Wer als erstes, oder am längsten, oder als letzter bestimmten Info
ausgesetzt war, ist dafür verantwortlich. „Wer hat als letztes den Wetterbericht gesehen?“, „Du fährst
jetzt schon 10 Jahre Auto, also wirst du unser Fahrer?“
Hierbei ist zu beachten, dass ein transaktives Gedächtnis sowohl bei deklarativem Wissen, als auch bei
prozeduralem Wissen seine Anwendung finden kann. Nicht nur Expertise in Form von
hochspezialisiertem Faktenwissen, sondern auch ganz alltagspraktische Fähigkeiten können so
organisiert werden. So mag jemand seine Großmutter zu Rate ziehen, wenn es darum geht, seine Socken
zu stopfen, gleichzeitig verweist ein anderer Directory-Eintrag bei Computerproblemen zu einem
Informatiker aus dem Bekanntenkreis.
Information allocation (Informationszuteilung)
Es ist riskant, Infos von Person zu Person weiterzugeben, da Teile der Information verloren gehen
können, wie bei „Stille Post“. Also scheint es am Effektivsten, wenn die erste Person, die mit der
Information in Berührung kommt, sie sofort speichert. Allerdings verkompliziert man dadurch die
Directories derart, dass sie nicht mehr überschaubar sind.
Aus diesem Grund riskiert man oft, die Info an denjenigen weiterzugeben, der die meisten Einträge
dieser Art schon in der Directory stehen hat. Idealerweise geht dann die Info direkt weiter, ohne dass sie
dazwischen enkodiert werden zu müssen. Dieses Zwischenspeichern wäre jedes Mal ein Zeitverlust, in
der die Info vom Experten nicht an andere weitergegeben werden kann. Die Person, die weitergibt, weiß
oft auch nur oberflächlich darüber bescheid. („Ich habe hier ein Kochbuch für dich, weiß allerdings nicht,
ob da was brauchbares drinsteht“).
Wenn „der Überbringer“ die Info nicht speichern muss, um sie zu übergeben, ist es am Effektivsten, da er
nichts durch Vergessen verfälschen kann. So kann z.B. der Überbringer der Info dafür sorgen, dass der
Experte noch mehr lernt, der Überbringer dies dann aber sofort wieder vergisst, weil er es nicht benutzen
muss. Also folgen daraus Prozesse von Aufmerksamkeit („Mein Job“) und Nicht – Aufmerksamkeit
(„Dein Job“), Erinnern und Vergessen. In der Folge kommt es zu immer mehr Spezialisierung. Also
können Standarteinträge andere Einträge nach sich ziehen, so dass z.B. aus einer Person, der ein
Marmorkucheneintrag zugeordnet wird, mit der Zeit immer mehr Backeinträge zugeordnet werden, und
er mit der Zeit der Konditorexperte wird.
Diese zunehmende Differenzierung kann als belegt gelten. Gruppen, die in dieser Zusammensetzung
gelernt haben sind effektiver, als Gruppen, die ein Training individuell absolviert haben und Gruppen,
die in anderer Gruppenzusammensetzung gelernt haben. Es ist also effektiv, Infos zu verteilen und sie bei
Bedarf von dort einzufordern. Aber eine totale Informationsverteilung ist kontraproduktiv, eine Gewisse
gemeinsame Wissensbasis muss gegeben sein, damit die Gruppe einheitlich vorgehen kann. Ohne
Vertrauen in die Kenntnis des Anderen, ist eine solche Spezialisierung unwahrscheinlich. (Wegner 1995)
Retrieval coordination
Ein Individuum hat also immer mindestens ein Inhaltsverzeichnis, das er benutzen muss. Wie also
organisiert man die Suche, damit man Geschwindigkeit und Erfolgswahrscheinlichkeit maximiert? Es
muss ein übergeordnetes Verzeichnis der Verzeichnisse geben.
Manchmal schauen wir zuerst extern nach Infos, bei Leuten, von denen wir annehmen, dass sie eher als
man selbst die Antworten kennen. Man vertraut also aufgrund des eigenen, geringeren Wissens dem
Experten. Was ist die bessere Erinnerungsquelle, Ich selbst oder die Gruppe? Befunde sagen: eher die
Gruppe. Die Strategie, dem eigenen Urteil weniger zu trauen, wenn das Wissensgefühl weniger
ausgeprägt ist, erscheint oft erfolgversprechender.
2. Close Relationship (Wegner 1991)
Wie aber Wegner auf die Idee kam ,transaktionale Gedächtnisse in dieser Art in ein Modell
zusammenzufassen wird vielleicht in einem für Wegners Arbeiten exemplarischen Experiment deutlich:
Wegener untersuchte die Effizienz des transactive memory in einem Experiment mit 59 Paaren, die
mindestens 3 Monate liiert sein mussten. Im Schnitt sahen sie sich 6 Tage die Woche. So wurde
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sichergestellt, dass es sich um enge Partnerschaften handelt und zudem alle ein ähnliches Maß an Nähe
gewohnt waren.
Das Experiment
Die Paare bekamen jeweils zu zweit komplexe Begriffe und Sachverhalte vorgeführt, an die sie sich
erinnern sollten. Es wurden Begriffe genannt, die eindeutig bestimmten Spezialgebieten wie Auto,
Technik, Haushalt, Politik, Sport, etc. zuzuordnen waren, um den Dyaden zu ermöglichen eingehende
Informationen nach einem existierenden oder neu zu bildenden System aufzuteilen und zuzuordnen.
Unter 4 unterschiedlichen Bedingungen wurde getestet, wie effektiv ihr transaktives Gedächtnis
arbeitete.
Die 59 Dyaden wurden in 2 Gruppen aufteilt: Die erste Gruppe wurde durchmischt, so dass zufällig
kombinierte gegengeschlechtliche Paare entstanden (Gruppe der fremden Paare). Die zweite Gruppe
bestand aus den real existierenden Paaren (enge Paare). Es gab also Paare die eingespielt waren und ein
schon existierendes System eines transaktiven Gedächtnisses hatten, und es gab Paare, die sich gerade
zum ersten Mal begegneten und noch kein bestehendes System entwickelt hatten.
Diese beiden Gruppen, fremde Paare und enge Paare, wurden nochmals aufgeteilt in Untergruppen:
Die erste Untergruppe durfte sich die Spezialgebiete beliebig aufteilen, wie sie es gewohnt waren (enge
Paare) oder wie sie es spontan für richtig hielten (fremde Paare).
Der zweiten Untergruppe wurde vorgegeben, wer für welches Spezialgebiet zuständig ist, was zur Folge
hatte, das die Paare in ihrer gewohnten Interaktion gestört wurden (enge Paare) oder sie eine externe
Struktur erhielten, an der sie sich orientieren konnten (fremde Paare)
Die erwarteten Ergebnisse waren, dass auferlegte Strukturen fremden Paaren hilft und enge Paare stört.
Enge Paare haben schon eine existierende Struktur, die nun durch eine neue, aufgezwungene Struktur
gestört wird. Daher wird es zu einem Konflikt zwischen gewohntem und neuer Struktur kommen, so dass
die Paar zwischen Neuem und Altem hin und her springen und ihre Erinnerungsleistung sinken wird.
Die Ergebnisse
Das Ergebnis der Studie ist in folgendem Schaubild visualisiert:
Im Diagramm werden in Y-Richtung die Anzahl der richtigen wiedergegebenen Antworten abgetragen.
Wie man sieht, sind die Erinnerungsleitungen bei engen Paaren durch die Vorgaben einer Struktur sehr
viel geringer ist, sie wurden durch die Auferlegung einer externen Struktur in ihrer Erinnerungsleistung
also stark behindert.
Fremde Paare hatten diesen Effekt weniger. Sie waren insgesamt weniger leistungsfähig als eingespielte
Paare, aber deutlich leistungfähiger als eingspielte Paare die in ihrer gewohnten Struktur gestört werden.
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Wenn eine externe Struktur vorgegeben wurde, scheint es nachteilig zu sein, Teil eines schon
eingespielten transaktiven Gedächtnisses zu sein. Es dauert eine Weile, bis eine neue Struktur installiert
ist ist.
Können sich die Paare selbst organisieren, übertreffen die engen Paare die fremden Paare bei weitem.
Die Dauer der Beziehung spielte keine bedeutende Rolle. Ein stabiles transactive memory scheint sich
sehr schnell herauszubilden. Bei Paaren die mehrere Jahre zusammen waren war das TM nicht
wesentlich höher ausgeprägt als bei paaren die erst wenige Monate zusammen waren.
Weitere Ergebnisse
3. Transaktive Gedächtnissysteme in Organisationen
(Hollingshead 2004)
In Abgrenzung und Erweiterung des Computernetzwerkmodells von Wegner (1995) stellen Brandon und
Hollingshead (2004) den Prozesscharakter von transaktivem Gedächtnis in den Vordergrund und
betrachten es speziell aus dem Blickwinkel von Arbeitsgruppen in Organisationen. Dabei wird vor allem
herausgearbeitet, aus was für Elementen sich ein Transaktionales Gedächtnis vermutlich aufbaut und wie
es sich zu einem komplexen kognitiven Modell entwickelt.
Das Prozessmodell
Zum Prozessmodell transaktiver Gedächtnissysteme gehören drei Prozesse, die über größere Zeiträume
linear nacheinander folgen, oder sich an einem bestimmten Zeitpunkt zyklisch verändern.
Vorraussetzungen (kognitive wechselseitige Abhängigkeit)
Hier kann man präzisieren, welche Bedingungen die Entwicklung eines transaktionalen Gedächtnisses
begünstigen. Zu den Minimalanforderungen, mehrere Personen und ein Minimum an Wissen, kann man
noch andere Faktoren anführen.
Hierbei hat sich gezeigt, dass vor allem erlebte wechselseitige Abhängigkeit die Entwicklung eines
transaktiven Gedächtnisses begünstigt. Dies heißt, dass Handlungen Einzelner alleine kein gutes
Ergebnis garantieren und dass trotzdem diese Handlungen die Ergebnisse Aller beeinflussen. Diese
erlebte wechselseitige Abhängigkeit wird begünstigt durch:
Aufgabenstruktur: Die Aufgabe selbst bestimmt mit, ob es zu einer Aufteilung von Verantwortlichkeiten
kommt. Aufteilbarkeit in verschiedene Teilaufgaben, Komplexität, etc wären hier Aufgabeneigenschaften,
die ein Herausbilden eines Transaktionalen Gedächtnisses fördern.
Belohnung: Die Gruppenmitglieder sollten in irgendeiner Weise davon profitieren, dass sie in der
Gruppe arbeiten. Dabei kann die Belohnung auf verschiedene Weise erfolgen, Z.B. Bezahlung richtet sich
nach dem Ergebnis der Gesamtgruppe, soziale Anerkennung Gruppenexperte, etc.
Kognitive Vereinfachung: Die kognitive Belastung des Einzelnen verringert sich durch die Aufteilung in
einzelne Expertengebiete
TEP – Einheiten (Aufgaben – Expertise – Person – Einheiten)
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TEP – Einheiten sind die grundlegenden Einheiten des transaktiven Gedächtisses und, wenn man so will
die Inhalte der Directories aus dem Computernetzwerkmodell von Wegner. TEP- Einheiten beschreiben
Verbindungen zwischen Aufgabe (Task), Fachkenntnis (Expertise) und Person. So wird dem Aspekt
Rechnung getragen, dass Expertise immer aufgabenabhängig ist und auch einer Person zugeordnet
werden muss. Nur wenn ich weiß, dass, z.B. einen Wiki- Artikel zu erstellen (Aufgabe) gewisse
Kenntnisse im Umgang mit Computern (Expertise) erfordert, kann ich mich an den Administrator
wenden und um die benötigten Informationen bitten.
Die Aufgabe ist für die Bildung von TEP- Einheiten von besonderer Bedeutung. Die Aufgabe selbst gibt
der Verbindung Expertise- Person eine bestimmte Bedeutung. Dass Peter Psychologe ist, ist unerheblich,
wenn es um das Backen eines Kuchens geht. Die Interpretation der Aufgabe durch die Mitarbeiter
bestimmt, wie integriert oder spezialisiert das transaktive Gedächtnis gestaltet wird, wie die Struktur des
transaktiven Gedächtnisses definiert und einzelne Wissendomänen als mehr oder weniger wichtig
erachtet wird. So bilden sich Repräsentationen der Aufgabe durch die Natur der Aufgabe und das
Vorgehen der Gruppe bei deren Bewältigung. Die individuellen Repräsentationen beeinflussen, wie der
Einzelne mit anderen Mitarbeitern interagieren, während sich eine kollektive Repräsentation bildet, die
wiederum ebenfalls Auswirkungen auf die Gruppeninteraktion hat.
Die Entwicklung von TEP- Einheiten kann durch Konstruktion, Evaluation, Anwendung unterteilt
werden.
Konstruktion: Abhängig von der Verfügbarkeit von Informationen werden TEP- Einheiten gebildet. Dies
geschieht meist in wechselseitiger Abhängigkeit der Elemente, also wird durch die Aufgabe Autofahren
bestimmt, dass die benötigte Expertise Führerschein heißt und daher als Person nur jemand in Frage
kommt, die einen Führerschein als Qualifikation aufweist.
Evaluation: Durch Interaktion kann eine grobe Wahrnehmung von Expertise Anderer permanent
überprüft und verfeinert werden, so dass die Zuordnung immer akkurater (s.u.) wird. Dies kann man sich
vorstellen, wie ein Wissenschaftler, der Hypothesen testet, überprüft und dann seine Annahmen
aktualisiert (vgl. Wegner directory update).
Anwendung: Mit einer bestimmten Absicht werden die TEP- Einheiten nun genutzt, was ebenfalls zu
einer Modifizierung der TEP- Einheiten führen kann (Bestätigung durch Erfolg, Änderung durch
Misserfolg)
Geteilte mentale Modelle in transaktionalen Gedächtnissystemen
Die Stärke von transaktionalen Gedächtnissystemen entsteht aus einem geteilten mentalen Modell, das
sich in der Gruppenarbeit entwickelt. Man kann das geteilte Mentale Modell als Überlappungsbereich
aller individuellen Modelle ansehen, oder als Ausmaß, indem alle Personen ähnliche TEP- Einheiten in
gleicher weise angeordnet haben. Mit einem geteilten mentalen Modell können die Gruppenmitglieder
am effektivsten zusammenarbeiten. Man könnte es vielleicht auch so ausdrücken: Je ähnlicher sich die
individuellen mentalen Modelle des transaktionalen Gedächtnissystems sind, desto effektiver ist die
Gruppe in dieser Aufgabe. Wichtig ist also nicht nur, dass gleiche TEP- Einheiten ausgebildet werden,
sondern auch, dass diese in gleicher Wiese in den Gesamtkontext integriert werden. Es gelingt natürlich
nicht immer, dass jeder das gleiche Mentale Modell entwickelt, v. a. diejenigen, die sich eher am Rande
des Netzwerks bewegen, werden sicherlich ein weniger ausdifferenziertes Modell entwickeln, dennoch
sollte das implizite Ziel einer jeden Arbeitsgruppe sollte also sein, die Unterschiede im mentalen Modell
zu minimieren.
Transaktionale Gedächtniseffektivität kann man anhand dreier Dimensionen (Akkuratheit, Geteiltheit,
Validierung) beschreiben, wiederum zu einer globalen Bewertung (Konvergenz) zusammengefasst
werden kann:
Akkuratheit: Beschreibt inwiefern die individuellen TEP- Einheiten die objektiven Expertiseverteilungen
in der Arbeitsgruppe widerspiegeln. Ist also der als Mathematik- Experte angesehene Paul wirklich
kompetent in diesem Bereich? Aufgabenzuordnungen, Koordination in der Gruppe, Ressourcennutzung
und generelle Gruppenleistung sollten sich bei hoher Akkuratheit verbessern. Gemessen werden kann die
Akkuratheit durch Befragung Aller nach den Wissensverantwortlichkeiten und Vergleich dieser Werte
mit den Ergebnissen objektiver Tests oder Tests in verwandten Bereichen, die dieser Experte erbracht
hat.
Geteiltheit: Beschreibt die Ähnlichkeit der TEP- Einheiten und ein Ähnliches Arrangement dieser TEPEinheiten im mentalen Modell. Bei hoher Geteiltheit kann die Information zuverlässig und schnell zu den
Experten geschleust werden, d.h. die Gruppe verliert weniger Zeit durch Diskussionen. Im allgemeinen
sollten sich die Gruppenmitglieder zu einem gemeinsamen Modell bewegen. Erfasst werden kann dies,
indem man die mentalen Modelle erfasst und miteinander vergleicht. Die Variation gibt Aufschluss über
die Geteiltheit
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Validierung: Beschreibt das Ausmaß, indem die Gruppe im System partizipiert. Die Verantwortlichkeiten
müssen auch angenommen und ausgefüllt werden, damit die Gruppe als Ganzes gut funktioniert. Wenn
einzelne ihre Aufgaben nicht wahrnehmen, verlangsamt sich die Entwicklung eines transaktionalen
Gedächtnissystems. Man erfasst also, wer was tun sollte und vergleicht es mit dem, was diese Personen
tatsächlich tun.
Konvergenz: kann nun als zusammenfassendes Gesamtmaß angesehen werden. Das Maß reicht also von
divergent bis zu konvergent. Konvergenz meint hierbei, dass alle Personen die gleichen Repräsentationen
haben, welche akkurat die Wissensverteilung im transaktiven Gedächtnissystem reflektieren und durch
jeden Einzelnen validiert wird. Dies geschieht in der Interaktion. Völlige Konvergenz scheint nur schwer
möglich, ist für eine gute Performanz einer Arbeitsgruppe allerdings auch nicht in vollem Ausmaß
notwendig. Das Ziel einer Arbeitsgruppe sollte sein, so schnell wie möglich ein transaktives Gedächtnis
auszubilden
Allgemeine Ableitungen aus dem Modell
1. Meinungsverschiedenheiten über die Natur der Gruppenaufgabe verlangsamt die Erreichung
hoher Konvergenz, da Unstimmigkeit über die Expertisenzuordnung herrscht.
2. Geteiltheit in Arbeitsgruppen entwickelt sich langsamer, je schlechter die Passung zwischen
Bedarf an Aufgabenteilung und verfügbarer Expertise ist.
3. Konvergenz in Arbeitsgruppen entwickelt sich schneller, wenn Gruppenmitglieder oft gleichzeitig
am gleichen Ort sind und kommunizieren.
4. Je länger sich eine Arbeitsgruppe mit der Aufgabe beschäftigt, desto akkurater wird das
transaktive Gedächtniss.
5. In dem Maße, in dem Personen im Gruppennetzwerk eine zentralere Position einnehmen, wird
ihr mentales Modell des trasaktiven Gedächtnisses genauer.
4. Abschließende Anmerkungen
Wegner (1985, 1991, 1995) der Untersuchung von engen Paaren damit begonnen, die die transactive
memory Theorie auszuformulieren. Er benutzt dafür hauptsächlich die Computermetaper. Er modelliert
dadurch eine Möglichkeit, wie wir es geschafft haben, unsere Gedächtniskapazität u vergrößern, indem
wir Expertisen und Verantwortlichkeiten auf mehrere Schultern verteilen. Hollingshead (2004)
betrachtet das transaktive Gedächtnis eher aus dem Blickwinkel professioneller Anwendungen in
Organisationen und arbeitet besonders den Prozesscharakter von transaktiven Gedächtnissystemen
heraus. Sie leitet Leitsätze aus ihrem Modell ab, und bestimmt Vorraussetzungen für transaktive
Gedächtnissysteme, die bei der Gestaltung von Teamarbeit hilfreich sein können.
Sieht man nun transactive memory in größerem Zusammenhang, kann man sagen, dass sie einen
bestimmten Teil der Distributed Cognition beschreibt, und zwar die Aufteilung von Wissen zwischen
verschiedenen Individuen einer Gruppe.
Die Distributed Cognition betrachtet zusätzlich noch die Aufteilung zwischen internem kognitivem
System von Personen und den externen Umweltstrukturen, als ein kognitives Gesamtsystem.
Literatur
Wegner, D. M. (1995). A computer network model of human transactive memory. Social
Cognition, 13, 1-21 Zum Artikel
Wegner, D. M., Giuliano, T., & Hertel, P. (1985). Cognitive interdependence in close relationships.
In W. J. Ickes (Ed.), Compatible and incompatible relationships (pp. 253-276). New York:
Springer-Verlag. Zum Artikel
Wegner, D. M., Erber, R., & Raymond, P. (1991). Transactive memory in close relationships.
Journal of Personality and Social Psychology, 61, 923-929. Zum Artikel
Brandon, D. P. & Hollingshead, A. B. (2004). Transactive memory systems in organizations:
Matching tasks, expertise and people. Organization Science, 15, 633-644.
Gruppenmitglieder
Jochen Kupfer
Stefan Obst
Steffen Ehrhardt
Partnergruppe
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Transactive Memory — Institut für Psychologie
distributed cognition
Siehe auch
Diskussion: Transactive Memory
Kritik: Transactive Memory
subtopics:
Daniel Wegner
Definitionen
Weitere Ergebnisse
Diskussion: Transactive Memory
Kritik: Transactive Memory
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Definitionen — Institut für Psychologie
Institut für Psychologie
Transactive Memory
Definitionen
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ago by ehrhardt
transaktive:
bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Verbindung zwischen individuellen Gedächtnissen aktiv
hergestellt, aufrechterhalten und erneuert wird, im Sinne einer aktiven Beziehung zwischen Personen.
encoding:
bezeichnet den Vorgang des Entschlüsselns von Informationen als Teil der Organisation eines
Gedächtnisses. Was bedeutet die Information, in welchem Zusammenhang steht sie und wo gehört sie
hin.
storing:
bezeichnet den Akt des Abspeicherns der Information, so dass sie wiedergefunden wird
retrieving:
ist der aktive Vorgang des Aufrufens einer Information aus dem Speicher, also von der Festplatte eines
Computers oder aus meinem Gedächtnis, oder eben aus dem transaktiven Gedächtnis
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Daniel Wegner — Institut für Psychologie
Institut für Psychologie
Transactive Memory
Daniel Wegner
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Wegner, Daniel
Ausbildung:
B.S. (1970), M.A. (1972), Ph.D (1974) Michigan State University
Werdegang
Assistant Professor (1974-1979) to Associate Professor (1979-1985) to Professor (1985-1990),
Trinity University, San Antonio
Visiting Scholar, University of Texas at Austin, 1980
Chair, Department of Psychology, Trinity University, 1988-1989
Fellow, Center for Advanced Study, University of Virginia 1990-1991
Professor and Director of Graduate Program in Social Psychology, University of Virginia,
1990-1996, 1997- 2000
Fellow, Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences, Palo Alto, 1996-1997
Professor, Harvard University, 2000-
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Weitere Ergebnisse — Institut für Psychologie
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Transactive Memory
Weitere Ergebnisse
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ago by ehrhardt
Weitere Ergebnisse und Diskussion des Experiments
Irritierend und unerwartetes Ergebnis: bei extern strukturierten engen Paaren konnten Individuen
teilweise schon vorher bekanntes Spezialwissen nicht mehr abrufen, z.B. konnte eine Psychologin
vereinzelte psychologische Fachbegriffe nicht mehr abrufen, obwohl es ihr ureigenes Spezialgebiet war.
Dies deutet darauf hin, dass die Ursache der Leistungsminderung nicht allein in der Kommunikation
zwischen den Individuen liegt, sondern dass die interne Gedächtnisorganisation des Individuums gestört
wird, wenn externe Zuständigkeitsbereiche vorgegeben werden.
Selbst wenn externe Zuweisung und interne Spezialisierung zusammenfallen, wird die Leistungsfähigkeit
des Gedächtnisses gemindert. Als Erklärung wird Selbstüberschätzung oder vermehrte Unsicherheit
herangezogen. So wie eine gekonnte Bewegung schwierig wird, wenn man sie bewusst in Einzelschritte
zerlegt (tennis stroke effect.
Enge Paare reagieren auf den Konflikt der impliziten Struktur und der auferlegten Struktur vor allem in
der Enkodierungsphase. Dinge, die eigentlich in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, erhalten weniger
Aufmerksamkeit. Beim Abruf ist das Paar dann weniger leistungsfähig.
Bei fremden Paaren stieg die Erinnerungsleistung an, wenn externe Strukturen vorgeben wurden.
Allerdings nicht signifikant. Erklären kann man dies damit, dass es vermutlich Zeit braucht, um
Strukturen einzuüben. Diese Zeit war im Experiment nicht vorgegeben.
Ein motivationaler Effekt, hervorgerufen durch die Auferlegung, der das Ergebnis erklären könnte wurde
ausgeschlossen. Es bestand am Anfang die Vermutung, dass ein enges Paar verärgert über die Vorgabe
sein könnte und daher weniger motiviert an die Aufgabe herangehen würde. Daher wurde auch die
Aufgabe gestellt, gemeinsam ein Puzzel zusammenzusetzen, was nichts mit Gedächtnisleistung zu tun
hat. Bei dieser Aufgabe waren alle Gruppen ähnlich gut.
Abschluss
Betont werden muss an dieser Stelle noch die zeitliche Komponente. Wegner weist darauf hin, dass es
interessant wäre zu wissen, wie lange es dauert, bis sich eine neue Struktur des transaktvien
Gedächtnisses installiert hat. In diesem Fall müssten sich die Erinnerungsleistungen von fremden Paaren
und engen Paaren mit einer extern vorgegebenen Expertenzuweisung angleichen. Im vorliegenden
Experimente wurde die zeitliche Komponente ausser Acht gelassen. Zum Abschluss des Artikel macht
Wegner noch auf die Auswirkungen aufmerksam, die eine Trennung eines Paares auf das transaktive
Gedächtnis und damit auf das Individuum hat. All die Bereiche, in denen der Partner bisher Experte war,
fallen in den eigenen Zuständigkeitsbereich. Informationen die in den Zuständigkeitsbereich des
verlorenen Partners fallen, werden möglicherweise nicht wahrgenommen. Es kann auch zu Verwirrung
im eigenen System kommen, selbst in Bereichen, die zur eigenen Domäne gehören. Es wird vermutlich
eine Weile dauern bis sich das eigene Gedächtnissystem wieder stabilisiert hat. Kommt ein neuer Partner
ins Spiel, kann das sich entwickelnde neue transaktive Gedächtnis wiederum zu Turbulenzen führen.
Aber auch ohne Trennungen kann es in Partnerschaften immer wieder zu Übergangsphasen kommen, die
mit Turbulenzen verbunden sind.
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