Urat- und Cystinharnsteine – Diätetische Behandlung Aus: Stevenson A, Rutgers C; Urolithiasis beim Hund, In: Pibot P, Biourge V, Elliott D (Herausgeber). Enzyklopädie der klinschen Diätetik des Hundes, 2006, Aniwa, Frankreich; 320-323 Uraturolithiasis > Medikamentöse Auflösung bei Hunden ohne portosystemischen Shunt Die Hauptstrategie der diätetischen Auflösung von Uratsteinen beim Dalmatiner besteht in der Erhöhung des Harn-pH-Wertes und einer Senkung der Harnkonzentrationen von Harnsäure, Ammonium und/oder Wasserstoffionen. > Stein auflösende Diät Das Grundprinzip basiert auf einer purinarmen Ernährung. Erreicht wird dieses Ziel im Allgemeinen durch eine Absenkung des Gesamtproteingehaltes der Ration (18 bis 10 %). Es ist jedoch möglich, ein purinarmes Futtermittel ohne hochgradige Proteinrestriktion herzustellen, indem man die geeigneten Zutaten auswählt. Zu vermeiden sind purinreiche Zutaten wie Fisch und Schlachtabfälle zu Gunsten alternativer Proteinquellen mit geringerem Gehalt an Purinvorläufersubstanzen, wie zum Beispiel pflanzliche Proteine, Eier und Milchprodukte (Ling & Sorenson, 1995). Andere Futterzusätze sollten nicht verwendet werden. Die Restriktion der Proteinzufuhr senkt die Ausscheidung von Ammoniumionen, indem sie die Menge des gebildeten Harnstoffes reduziert. Proteinarme Diäten zur Behandlung von Uratsteinen können jedoch unzureichende Proteinmengen für Wachstum oder Laktation enthalten. Experimentelle Diäten wurden konzipiert, um beiden Ansprüchen gerecht zu werden (Bijster et al., 2001). Wie bei allen Urolithiasisformen kann die Erhöhung des Harnvolumens durch die Gabe von Feuchtfutter oder den Zusatz von Wasser zum Futtermittel oder durch eine Erhöhung des Natriumgehaltes unterstützt werden. Zudem beeinträchtigen proteinarme Diäten die Harnkonzentrationskapazität durch eine Senkung des medullären Konzentrationsgradienten aufgrund einer geringeren Harnstoffkonzentration im Nierenmark. MEDIKAMENTÖSE AUFLÖSUNG VON URATSTEINEN: • Purinarme Ernährung, konzipiert zur Auflösung von Uratsteinen • Alkalisierung des Harns • Steigerung des Harnvolumens • Kontrolle von Harnwegsinfektionen • Applikation von Inhibitoren der Xanthinoxidase (Allopurinol) > Alkalisierung des Harns Alkalischer Harn weist geringe Konzentrationen an Ammoniak und Ammoniumionen auf und senkt damit das Risiko einer Ammoniumuraturolithiasis. Proteinarme Futtermittel haben einen alkalisierenden Effekt, es kann aber notwendig sein, zusätzlich Harn alkalisierende Substanzen zu applizieren (Lulich et al., 2000). Natriumbikarbonat (25-50 mg/kg alle 12 Stunden) und Kaliumzitrat (50-150 mg/kg alle 12 Stunden) werden hierfür am häufigsten eingesetzt. Die Dosierung muss individuell angepasst werden, um den Harn-pH-Wert im Bereich von 7,0 zu halten. Ein Anstieg des pH-Wertes auf über 7,5 ist zu vermeiden, da dies die Bildung sekundärer Kalziumphosphatablagerungen begünstigt, die eine Auflösung der Steine behindern (Bartges et al., 1999). 7 - Spezielle diätetische Behandlung der einzelnen Urolithiasisformen > Inhibitoren der Xanthinoxidase Die wirksamste Absenkung der Uratausscheidung über den Harn erreicht man durch die Anwendung von Allopurinol, eines Hemmers der Xanthinoxidase, also des Enzyms, das die Umwandlung von Xanthin und Hypoxanthin in Harnsäure katalysiert (Abbildung 20). Eine Behandlung mit Allopurinol führt zu einer Steigerung der Harnkonzentrationen von Xanthin und Hypoxanthin, während gleichzeitig die Uratkonzentration sinkt. ABBILDUNG 20 - PHYSIOLOGISCHER PURINABBAU BEIM HUND Endogene Purine Diätetische Purine Purinpool Hypoxanthin Xanthinoxidase Xanthin Xanthinoxidase Harnsäure Urikase* Allantoin * reduzierte Aktivität beim Dalmatiner Allopurinol sollte jedoch mit einer purinarmen Ernährung kombiniert werden, um das Risiko der Bildung von Xanthinsteinen zu minimieren (Ling et al., 1991; Bartges et al., 1999). Die empfohlene Dosierung für die Auflösung von Uratsteinen liegt bei 15 mg/kg alle 12 Stunden (Lulich et al., 2000). Bei Hunden mit Nierendysfunktion muss die Dosis reduziert werden, da Allopurinol über die Niere ausgeschieden wird. Einige Nebenwirkungen wie Exantheme, gastrointestinale Störungen und hämolytische Anämie werden beim Menschen beschrieben, kommen beim Hund aber nur selten vor. Die am häufigsten beobachtete Nebenwirkung der Allopurinolbehandlung beim Hund ist die Entwicklung von Xanthinsteinen, entweder in der reinen Form oder als Umhüllung bereits vorhandener Uratsteine. Das Absetzen der Allopurinolbehandlung und die Einleitung einer purinarmen Diät können bei den betroffenen Hunden gelegentlich zur Auflösung dieser Xanthinsteine führen (Ling et al., 1991). > Überwachung Die für die Auflösung erforderliche Zeit ist sehr variabel und kann zwischen vier und 40 Wochen liegen, wobei die mittlere Dauer in einer Studie bei 14 Wochen lag (Bartges et al., 1999). Nach Entfernung oder Auflösung der Steine müssen Harnanalysen oder Ultraschalluntersuchungen (oder eine Doppelkontrastzystographie) über einen Zeitraum von sechs Monaten in ein- bis zweimonatigen Intervallen durchgeführt werden. Auch wenn die Harnsteine nicht rezidivieren, sollte die purinarme, alkalisierende Diät beibehalten werden, und weitere Kontrolluntersuchungen erfolgen zunächst in zwei- bis viermonatigen Intervallen, später dann schrittweise in größeren Abständen. © F. Haymann Im Laufe der Auflösung muss die Größe der Harnsteine regelmäßig mit Hilfe von Übersichts- und/oder Doppelkontrast-Röntgenaufnahmen oder mittels Sonographie kontrolliert werden. Eine Ausscheidungsurographie oder eine Ultraschalluntersuchung dienen der Überwachung der Auflösung von Uratsteinen in der Niere (Bartges et al., 1999). Bei 82 % aller bei Dalmatinern gefundenen Harnsteine handelt es sich um Urate (Bartges et al., 1994). 321 > Medikamentöse Auflösung bei Hunden mit portosystemischen Shunts Es gibt nur wenige Erkenntnisse über das biologische Verhalten von Uratsteinen nach operativer Korrektur portosystemischer Shunts. Wenn der Stein nicht gleichzeitig mit der chirurgischen Ligatur des Shunts entfernt werden kann, sollte eine postoperative medikamentöse Auflösung in Betracht gezogen werden. Weitere Untersuchungen sind jedoch erforderlich, um die Wirksamkeit einer Harnstein auflösenden Diät mit der Effektivität einer Alkalisierung und / oder einer Allopurinolbehandlung für die Auflösung von Ammoniumuratsteinen bei Hunden mit portosystemischen Shunts zu vergleichen. > Prävention • Dalmatiner Beim Dalmatiner ist die Einleitung einer präventiven Behandlung nach der Entfernung oder Auflösung aufgrund des hohen Rezidivrisikos sehr wichtig. An erster Stelle steht eine purinarme Diät, die die Bildung eines verdünnten und alkalischen Harns fördert. Wenn der Harn-pH-Wert nicht beständig alkalisch ist und/oder die Kristallurie persistiert, müssen ergänzend alkalisierende Substanzen verabreicht werden. Eine präventive Behandlung auf der Basis von Allopurinol wird aufgrund der damit verbundenen Risiken der Xanthinsteinbildung nicht routinemäßig empfohlen, sie kann jedoch ergänzend eingesetzt werden, wenn die Probleme persistieren. Eine Langzeitbehandlung mit Allopurinol wird jedoch nicht empfohlen. Eine purinarme Ernährung ist bei Dalmatinern ohne Uratsteine nicht notwendig. Zu vermeiden sind ansäuernde, proteinreiche Diäten, die die Ausscheidung von Ammoniumionen verstärken, da Ammoniumionen sich mit Urationen verbinden können und Ammoniumuratkristalle bilden. • Andere Hunderassen Fälle einer rezidivierenden Uraturolithiasis werden bei der Englischen Bulldogge beschrieben, und die bei diesen Hunden einzuleitenden Präventionsmaßnahmen sind grundsätzlich dieselben wie beim Dalmatiner (Bartges et al., 1999). Hunde, die über längere Zeiträume proteinarm (10 %) ernährt werden, können einen Taurinmangel entwickeln, der zu einer dilatativen Kardiomyopathie führen kann. Kommerzielle proteinarme Diätfuttermittel werden deshalb heute mit Taurin supplementiert (Sanderson et al., 2001a). Cystinurolithiasis > Medikamentöse Auflösung Das Ziel der Therapie ist die Absenkung der Cystinkonzentration im Harn und die Erhöhung der Cystinlöslichkeit. Dies erfordert im Allgemeinen diätetische Modifikationen, kombiniert mit thiolhaltigen Medikamenten. > Stein auflösende Diät MEDIKAMENTÖSE AUFLÖSUNG VON CYSTINSTEINEN: • Proteinreduzierte, alkalisierende Diät • Steigerung des Harnvolumens • Alkalisierung des Harns (pH-Wert um 7,5) • Applikation thiolhaltiger Medikamente Eine Senkung des diätetischen Proteingehalts kann die Cystinausscheidung reduzieren, wahrscheinlich aufgrund des geringeren Gehalts an Cystinvorläufersubstanzen in diesen proteinärmeren Futtermitteln (Osborne et al., 1999g). Der optimale Grad der Proteinrestriktion ist jedoch umstritten, da cystinurische Hunde auch Carnitin ausscheiden und einen Carnitinmangel und eine dilatative Kardiomyopathie entwickeln können, wenn sie proteinarm ernährt werden. Empfohlen wird deshalb bei cystinurischen Hunden, die proteinarme Futtermittel erhalten, eine Supplementierung mit Carnitin und Taurin (Sanderson et al., 2001b). > Alkalisierung des Harns Die Löslichkeit von Cystin ist abhängig vom Harn-pH-Wert. Bei einem pHWert zwischen 7,5 und 7,8 ist Cystin deutlich löslicher. Eine entsprechende Alkalisierung des Harns kann mit Hilfe kommerzieller alkalisierender Diätfuttermittel mit moderatem bis niedrigem Proteingehalt erreicht wer- den. Reichen die diätetischen Maßnahmen allein für eine ausreichende Alkalisierung des Harns nicht aus, besteht die Möglichkeit, Kaliumzitrat zuzusetzen, um einen Harn-pH-Wert im Bereich von 7,5 zu erreichen und zu halten (Osborne et al., 1999g). Dies muss jedoch sehr vorsichtig erfolgen, da diese Maßnahme wiederum einen potenziellen Risikofaktor für die Entstehung einer Kalziumphosphaturolithiasis darstellt. • Thiolhaltige Medikamente Diese Medikamente reagieren mit Cystin über eine Disulfat-Austauschreaktion, die zur Bildung eines Komplexes führt, der im Harn besser löslich ist als reines Cystin. Am häufigsten wird N-(2-Mercaptopropionyl)-Glycin (2- MPG) in einer Dosierung von 20 mg/kg zweimal täglich per os eingesetzt. Diese Substanz hat sich als wirksam bei der Auflösung von Cystinsteinen erwiesen, insbesondere, wenn sie mit einer Stein auflösenden Diät kombiniert wird (Lulich et al., 2000). Die auf diese Weise eingeleitete Auflösung der Steine nimmt etwa einen bis drei Monate in Anspruch. Nebenwirkungen treten relativ selten auf. Beschrieben werden unter anderem Aggressivität, Myopathie, Anämie und/oder Thrombozytopenie, die Symptome verschwinden jedoch, sobald die Behandlung abgesetzt wird (Osborne et al., 1999g; Hoppe & Denneberg, 2001). D-Penicillamin ist ein altes thiolhaltiges Medikament, das in der Vergangenheit erfolgreich eingesetzt wurde. Aufgrund der hohen Zahl inakzeptabler Nebenwirkungen, insbesondere der sehr häufigen Überempfindlichkeitsreaktionen, wird es heute jedoch nicht mehr verwendet. > Kontrolle Die Auflösung der Steine muss alle 30 Tage mit Hilfe einer Harnanalyse (pH, spezifisches Gewicht, Sediment) und Röntgenaufnahmen zur Überprüfung von Lage, Anzahl, Größe, Dichte und Form der Konkremente kontrolliert werden. Bei strahlendurchlässigen Steinen können Kontraströntgenaufnahmen eingesetzt werden. Die Behandlung, bestehend aus einer Stein auflösenden Diät, der Applikation von 2MPG und einer Alkalisierung des Harns, muss über mindestens einen Monat über das röntgenologische Verschwinden der Steine hinaus aufrechterhalten werden. > Prävention Eine präventive Therapie ist wichtig, da es sich bei der Cystinurie um eine erbliche Stoffwechselstörung handelt und die Cystinsteine bei den meisten Hunden im Laufe der zwölf auf die chirurgische Entfernung folgenden Monate zur Rezidivierung neigen. Rezidive sind umso wahrscheinlicher, wenn der betroffene Hund große Mengen Cystin ausscheidet. Eine Nahrung mit moderatem bis geringem Proteingehalt, die die Bildung eines alkalischen Harns fördert, kann bei Hunden mit gering- bis mittelgradiger Cystinurie eine präventive Wirkung gegen die Entstehung von Rezidiven der Cystinsteine haben. Falls erforderlich, kann die diätetische Behandlung mit einer alkalisierenden Therapie ergänzt werden, um den Harn-pH-Wert anzuheben und der Bildung von Cystinsteinen vorzubeugen (Hoppe et al., 1993; Hoppe & Denneberg, 2001). Die Dosierung sollte so angepasst werden, dass der Harntest auf Cyanid-Nitroprussid negativ ausfällt. Der Grad der Cystinurie kann bei einigen Hunden mit zunehmendem Alter abnehmen, so dass die MPG-2-Dosis herabgesetzt oder sogar völlig abgesetzt werden kann (Hoppe & Denneberg, 2001). ab Februar 2008: URINARY U/C LOW PURINE für Hunde Indikationen: Rezidivprophylaxe von Stoffwechsel bedingten Harnsteinen (Urat, Xanthin, Cystin) Erhaltungsnahrung für erwachsene Hunde bestimmter Rassen mit Prädisposition für die Bildung von Stoffwechsel bedingten Harnsteinen (z. B. Dalmatiner) Begleitend in der Leishmaniose-Therapie bei Verwendung von Xanthin-OxidaseHemmern (z. B. Allopurinol) © ROYAL CANIN 2008 NEU Kalziumphosphatsteine können nicht dik ö f lö d