eher soziologische Ansätze der Erklärung wissenschaftlichen Fortschritts Paradoxien und Antinomien Disziplinen und ihre Funktionen Die Betriebswirtschaftslehre und die Forstliche BWL als Disziplinen Methoden in der BWL Wissenschaftskonzeptionen der BWL Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 1 Prof. Dr. Martin Moog Forschungsprogramme Die Bedeutung von Forschungsprogrammen, deren Kern nicht in Frage gestellt wird, für die Entwicklung der Wissenschaft wird von Lakatos betont. Schutzgürtel harter Kern Annahmen aus dem Schutzgürtel können modifiziert werden, um bessere Vorraussagen zu liefern. Beispiel: elliptische Bahnen statt Kreisbahnen Der harte Kern der Astronomie von Kopernikus: Die Planeten kreisen um die Sonne. Die Erde dreht sich täglich einmal um ihre Achse. vgl. Chalmers, 2007, S. 107 ff. 2 Prof. Dr. Martin Moog Forschungsprogramme Forschungsprogramm können sich positiv entwickeln, aber auch degenerieren, bis sie von anderen abgelöst werden. Schutzgürtel Aber auch ein Comeback ist möglich. harter Kern Im Rahmen eines Forschungsprogramms können Methoden und Instrumente entwickelt werden. vgl. Chalmers, 2007, S. 107 ff. 3 Prof. Dr. Martin Moog Gibt es wissenschaftlichen Fortschritt? Oder sind Paradigmen gleichwertig? Die Wissenschaftler leben jeweils in der Welt ihres Paradigmas und können sich daher nicht verstehen. Paradigma A Paradigma B Wenn das wirklich zuträfe, dann könnte man nicht beurteilen, was wissenschaftlicher Fortschritt ist. Es könnte keine Einigung darüber erreicht werden, ob ein Paradigma dem anderen überlegen ist. Das ist ein Zerrbild, denn es sind doch Verständigungen möglich, beispielsweise auf Standards der Beobachtung, wie das Galileo mit überzeugenden Argumenten gelungen ist (Fernrohre statt Auge). 4 Prof. Dr. Martin Moog Dogmen und wissenschaftlicher Fortschritt sozialer Druck in einer Disziplin, eine Theorie zu akzeptieren Wunsch der Menschen nach gesichertem Wissen „fester Boden unter den Füßen“ Erlernen einer Theorie ist Investition, deren Wert bewahrt werden muß. verhindert Paradigmenwechsel Hat aber Dogmatismus nicht etwas gutes? Neue Theorien wurden trotz Kritik (Falsifikation) weiterverfolgt, sie erwiesen sich schließlich als den alten überlegen. führt zu Dogmatismus Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 5 Prof. Dr. Martin Moog Der Argumentum ad verecundiam-Fehlschluß Berufung auf eine Autorität. Nach Professor Weise gilt ...... Prof. Weise ist ein inkompetenter Spinner Nur, wer erkennt wen als Autorität an? Ted trifft seinen Freund Al und ruft: “A!! Man hat mir gesagt, Du seist gestorben. Darauf Al lachend: „Du siehst doch, daß ich lebe.“ „Unmöglich!“ sagt Ted: „Der Mann, der mir das gesagt hat, ist viel glaubwürdiger als Du.“ vgl. Cathcart und Klein, 2010, S. 60 f. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 6 Prof. Dr. Martin Moog Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 7 Prof. Dr. Martin Moog Wie können Theorien und Hypothesen entstehen? Hypothesen entstehen im einfachsten Fall deduktiv aus einer bestehenden Theorie. durch kreatives Denken Weiterentwicklung existierender Theorien oder Schaffung ganz neuer ad hoc data mining Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 8 Prof. Dr. Martin Moog Computational Learning Theory Es gibt Computerprogramme – nach Francis Bacon BACON-1 bis BACON-6 genannt, mit denen die Suche nach Gesetzmäßigkeiten in Daten automatisiert ist. Autoren: Langley u.a. (1987): Scientific Discovery, Computational Explorations of the Creative Processes Erläuterungen bei Lauth & Sareiter, 2005, S. 79 ff. Man kann damit z.B. Galileos Fallgesetz finden. 9 Prof. Dr. Martin Moog datengeleitete Theoriebildung • Suche nach der besten Prognose Beispiel Kapitalmarktforschung und Insolvenzprognose • rein explorative Datenauswertung (Data Mining) • Fallstudien Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 10 Prof. Dr. Martin Moog problemgeleitete betriebswirtschaftliche Forschung? Theorien haben in der problemgeleiteten Forschung eine dienende Funktion, keine herrschende. An dieser Stelle ist indessen auch ein Wort der Warnung nötig: Bei einer großen Theorienvielfalt wird es einem unredlichen Forscher nicht schwer fallen, nach der Datenauswertung eine geeignete theoretische Garnierung zu finden und diesen Ansatz nach Belieben zu bestätigen oder zu falsifizieren. Hauschild, 2003, S. 15 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 11 Prof. Dr. Martin Moog Paradoxien und Antinomien Paradoxien sind Aussagen oder Sachverhalte, die unseren Erwartungen widersprechen. Paradoxien Antinomien sind besondere Paradoxien. Widersprüche, deren beide Seiten gleich gut begründet zu sein scheinen. Antinomien vgl. Vollmer, 1993, S. 31 ff. 12 Prof. Dr. Martin Moog Was ist paradox ? (sprachliche Paradoxien) • • • • • • • Wenn ein Vater seinen Sohn unverwandt anstarrt. Wenn ein Arzt kalte Umschläge warm empfiehlt Ein eingefleischter Veganer Wenn eine Kuh den Bauern anstiert. Wenn ein Kahlkopf sich die Haare rauft. Wenn ein Lokführer keinen Zug vertragen kann. Wenn ein Förster keine Schonung kennt. Die Beispiele für sprachliche Paradoxien helfen uns nicht zu bestimmen, was eine Paradoxie ist. Aus den griechischen Wortstämmen kann man ableiten, daß es etwas „gegen die Erwartung“ ist. vgl. Vollmer, 1993, S. 32 f. 13 Prof. Dr. Martin Moog Zenons Paradox – Achill und die Schildkröte Achill und eine Schildkröte machen einen Wettlauf. Weil Achill viel schneller rennen kann bekommt die Schildkröte einen Vorsprung. Nach dem Start muß Achill erst an den Punkt gelangen, von dem die Schildkröte gestartet ist. Bis er dort ankommt ist die Schildkröte ein Stück weitergelaufen. Nun muß Achill wieder zu diesem Punkt laufen. Bis er dort ankommt, ist die Schildkröte wieder ein Stück weiter. Und so fort. Also wird Achill die Schildkröte nie ganz einholen. Wenn die Schildkröte nicht anhält, ist ihr der Sieg gewiss. Vertreter: „Gnädige Frau, mit dem Staubsauger haben Sie nur halb so viel Arbeit. Hausfrau: „Phantastisch! Ich nehme gleich zwei.“ Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 14 vgl. Cathcart und Klein, 2010, S. 63 ff. Prof. Dr. Martin Moog berühmte Paradoxien (und Antinomien) • • • • • • • • • • • • • • • • • • Achill und die Schildkröte Der Pfeil, der sich im Flug nicht bewegt Die Kreter – immer Lügner Buridans Esel, der zwischen Heuhaufen verhungert Katzen mit 7 Leben plus 1 (wirklich ein Paradox?) St. Petersburger Spiel Die Wahl zwischen 3 Türen in einer Spielshow, Wahl zw. 2 Briefumschlägen Geburtstage der Fußballspieler Mikado – Sehnen in einem Kreis unangekündigte Klassenarbeit Paradoxien bei Wahlen Gefangenendilemma Paradox des Haufens Schiff des Theseus die Nichtelefanten das Hilbertsche Hotel der Barbier von Sevilla das Curry Paradox (Wenn dieser Satz wahr ist, können Fische sprechen.) Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 15 vgl. Berger: Paradoxien, 2010 Baggini, 2005 Prof. Dr. Martin Moog Antinomien These Antithese Beide lassen sich (scheinbar) gleich gut begründen Begriff: Widerstreit von Gesetzen (17. Jh.) Es muß etwas mit den getroffenen Voraussetzungen nicht stimmen, sonst könnte diese Situation nicht auftreten. vgl. Vollmer, 1993, S. 33 16 Prof. Dr. Martin Moog Antinomien Antinomien können in allen Sätzen auftreten: Beschreibungen Ist die Welt endlich oder unendlich? Normative Sätze Darf man töten? Wertungen Ist Freiheit wichtiger als Gleichheit? Konventionen Darf man Fisch mit dem Messer essen? Schlußregeln Gilt etwas, das für jeden gilt, damit auch schon für alle? Bei Normen und Werten ist eine Bedeutungsgleichheit mit „Konflikt“ gegeben – aber beide Seiten müssen starke Argumente für sich haben. Besonders unangenehm sind Antinomien in den Grundlagen der Disziplinen. vgl. Vollmer, 1993, S. 33 f. 17 Prof. Dr. Martin Moog Der „Lügner“ – eine Antinomie „Dieser Satz ist falsch.“ Der Satz sieht so aus wie eine Aussage, ist aber keine. Er bezieht sich nicht auf ein Objekt in der Realität, sondern nur auf sich selbst. Der Begriff der Wahrheit kann sich nur auf die Objekte in der „Außenwelt“ beziehen. vgl. Vollmer, 1993, S. 35 18 Prof. Dr. Martin Moog Der „Lügner“ – eine Antinomie „Diser Sats enthält drei Fehler.“ Wir reduzieren die Zahl der Fehler schrittweise: „Dieser Sats enthält zwei Fehler“ „Dieser Satz enthält einen Fehler“ das ist die einfache Lügner-Antinomie vgl. Vollmer, 1993, S. 35 19 Prof. Dr. Martin Moog Der „Lügner“ – eine Antinomie „Epimenides, der Kreter, sagt: Alle Kreter lügen immer.“ Viele Formulierungen weisen einen solchen Selbstbezug auf, stellen sich in Frage oder widersprechen sich selbst und sind dadurch paradox. vgl. Vollmer, 1993, S. 36 f. 20 Prof. Dr. Martin Moog Beispiele für innere Ungereimtheiten von Aussagen • • • • • • • • • • • Aberglaube bringt Unglück; dagegen hilft nur Klopfen auf Holz. Gott sei´s gedankt, ich bin immer noch Atheist. (Bunuel) Es ist modern, altmodisch zu sein. Nichts ist ewig außer dem Wechsel. Ein Satz, der nur wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch. Keine Regel ohne Ausnahme. Die Geschichte lehrt, daß die menschen aus der Geschichte nichts lernen. (Hegel) Wenn Gott allmächtig ist, kann er dann einen Stein schaffen, der so schwer ist, daß er ihn selbst nicht heben kann? (Pascal) Philosophie ist der Mißbrauch einer Sprache, die eigens zu diesem Zweck erfunden wurde. Alles dauer länger als man denkt, selbst dann, wenn man dies bereits berücksichtigt hat. (Murphy/Hofstadter) Sicheres Wissen gibt es mit Sicherheit nicht. vgl. Vollmer, 1993, S. 38 21 Prof. Dr. Martin Moog Fruchtbarkeit von Paradoxien für die Wissenschaft Paradoxien weisen auf Widersprüche hin. Ohne die Paradoxie wäre es nicht aufgefallen, daß in den Annahmen ein Widerspruch steckt. Da es aufgefallen ist, kann man nach dem Widerspruch suchen und ihn, hoffentlich, beseitigen. Die Entdeckung kann die Theorie töten, aber sie belebt die Theorienbildung. Der Weg zur Wahrheit führt über die Beseitigung der Irrtümer. Paradoxien eignen sich sehr gut als didaktisches Werkzeug. vgl. Vollmer, 1993, S. 38 ff. 22 Prof. Dr. Martin Moog Die Russelsche Antinomie Die berühmteste aller Antinomien: Sie entsteht bei dem Versuch, alle Mengen zusammenzufassen, die sich nicht selbst als Element selbst enthalten. Der Barbier, der genau alle Männer des Dorfes rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Russel entdeckte den Widerspruch in dem Werk von Gottlob Frege. Hätte Frege die Prinzipien der Logik nicht so gut systematisiert, wäre der Widerspruch unentdeckt geblieben. So wurde Fortschritt möglich. vgl. Vollmer, 1993, S. 39 ff. 23 Prof. Dr. Martin Moog Disziplinen und ihre Funktionen Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 24 Prof. Dr. Martin Moog Was macht eine wissenschaftliche Disziplin aus? gemeinsames Erkenntnisinteresse gemeinsamer Untersuchungsgegenstand Gruppe von Forschern (Mindestgröße) (Erfahrungsobjekt) zwei Disziplinen können dasselbe Erfahrungsobjekt haben, aber nicht dasselbe Erkenntnisobjekt (Beispiel: Botanik und Waldwachstumskunde) Die Disziplinen unterscheiden sich also in erster Linie durch die Erkenntnisobjekte. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 25 wissenschaftliche Organisationen Publikationsorgane Tagungen Prof. Dr. Martin Moog Funktionen von wissenschaftlichen Disziplinen Minderung des Dilettantismus-Risikos In Disziplinen findet die wissenschaftliche Arbeitsteilung statt. Spezialisierung bietet Vorteile Zu große Spezialisierung hat aber auch Nachteile Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 26 Prof. Dr. Martin Moog Neubildung von Disziplinen Entwicklung der Forstwissenschaft von den Anfängen über die Ausdifferenzierung bis zur heutigen Schrumpfung Entwicklung der Kulturwissenschaft Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 27 Prof. Dr. Martin Moog Qualitätskontrolle Fälschung von Daten ist hier verboten Plagiate nicht erlaubt renommierte Zeitschriften Anteil kopierter Textstellen in Hausund Seminararbeiten in Prozent Medizin 11,0 Wirtschaftswissenschaften 6,4 Ingenieurwissenschaften 6,0 Germanistik 5,0 Gesamt 7,0 Quelle: Compilatio.net FAZ vom 4.12.2010 Peer-Review Hwang Woo Suk (Klon-Skandal) Jan Hendrik Schön (Datenfälschung für physik. Studie) Neue Fälle an der ETH und auch in Göttingen (Forstwissenschaft!) Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 28 Prof. Dr. Martin Moog Literatur zu Betrug in der Wissenschaft Charles Babbage schrieb schon 1830 darüber. Aufsehen erregte der Fall des Physikers Jan Hendrik Schön, der in Konstanz 1997 promoviert worden ist und dann in den Bell Labs arbeitete. Er hatte Ergebnisse gefälscht und damit aufsehenerregende Aufsätze publiziert. Die Universität Konstanz versuchte ihm den Doktortitel abzuerkennen. 2010 entschied das Verwaltungsgericht Freiburg erst einmal für Dr. Schön. erschienen 1984 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 29 Prof. Dr. Martin Moog Kopieren geht über studieren! Betrug in der Wissenschaft • Plagiate sind sehr verbreitet, besonders bei Hausarbeiten, aber natürlich auch bei Arbeiten für höhere Qualifikationsziele. • Fälschung von Daten bekannter Fall des deutschen Physikers Jan Hendrik Schön (Ein-Molekül-Transistor) etwa im Jahr 2000 in einem Labor in den USA. Gegen Plagiate setzen wir Spezial-Software ein. Mühsam ist es zu studieren, viel leichter läßt sich Text kopieren. Aber was taugt diese Software? Ende 2010 machte die Charité Schlagzeilen, weil sie eine Chronik bei einem nichtakademischen Schriftsteller in Auftrag gegeben hatte. Das zur Verfügung stehende Budget war sehr gering. Ein Wissenschaftshistoriker fand heraus, daß ganze Teile seiner Dissertation für die Chronik kopiert worden waren. Das Buch wurde eingestampft- dafür war Geld da. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 30 Prof. Dr. Martin Moog Wissenschaftliche Charaktere • • • • • • wissenschaftstheoretische Tugendwächter, die unrealistische Postulate formulieren und mit starrem Blick auf das Falsifikationsdogma den heuristischen Auftrag der Wissenschaft aus dem Auge verlieren theorielose Empiristen, die aus gegebenen Datenbeständen Artefakte herauspräparieren signifikanzsüchtige Befunddeuter, die die Relevanz der Befunde mißachten datengetriebene Prognostiker, denen die Genauigkeit der Prognose die Hauptsache, denen aber die Erklärung Nebensache ist technokratische Methodenenthusiasten, denen methodische Spitzfindigkeiten wichtiger sind als neue Aussagen datengläubige Befundsammler, die jegliche Faktensammlung schon dann für beachtlich halten, wenn sie nur Daten zu „ihrem“ Problem liefert – ungeachtet der Qualität nach Hauschildt, 2003 S. 21 f. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 31 Prof. Dr. Martin Moog Welche Anforderungen werden in empirischen Arbeiten an die theoretische Grundlage gestellt? • • • • Kann man schon von Theorie sprechen, wenn nur begrenzte theoretische Vorüberlegungen vorliegen, oder erst dann, wenn auf ausgebaute, eingeführte, mit einem eigenen Namen belegte Satzsysteme zurückgegriffen wird? Gilt nur das als Theorie, was auf ausschließlich wirtschaftswissenschaftlicher Argumentation gründet, oder wird eine umfassende verhaltenswissenschaftliche Perspektive verlangt? Ist nur das als eine Theorie zu bezeichnen, was mathematisch formalisiert ist, oder werden auch verbal beschriebene Theorien akzeptiert? Liegt eine Theorie schon vor, wenn die Variablen in einen theoretischen Bezugsrahmen eingeordnet sind? nach Hauschildt, 2003, S. 12 f. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 32 Prof. Dr. Martin Moog Was als Theorie bezeichnet wird, ist oft nur ein ausführlicher Überblick über den Stand der Literatur, oder ein Verweis auf einige prominente „seminal papers“. In vielen Fällen ist Theorie allenfalls eine Kompilation der Vorläuferstudien Hauschildt, 2003, S. 13 In empirischen betriebswirtschaftlichen Forschungsarbeiten finden sich regelmäßig theoretische Vorüberlegungen, die den empirischen Befunden vorangestellt werden. Insoweit bietet die Literatur das Bild einer „theoriegeleiteten“ Forschung – vordergründig jedenfalls. Hauschildt, 2003, S. 13 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 33 Prof. Dr. Martin Moog Darf man Falsches lehren? Was ist wahr? Was ist falsch? Gibt es sicheres Wissen? Welche Wahrheitsdefinition will man der Beantwortung zugrunde legen? Übersetzung in eine pragmatische oder instrumentalistische Interpretation: Darf man man eine Theorie lehren, von der man weiß oder erwartet, daß sie sich bei der Erklärung vergangener und der Prognose zukünftiger Erfahrungen als weniger erfolgreich erweist als eine andere, schon bekannte Theorie? vgl. Vollmer, 1993, S. 109 ff. 34 Prof. Dr. Martin Moog Darf man Falsches lehren? Die Fallgesetze von Galileo Wenn es keine Luftreibung gäbe, dann würde sich ein in der Nähe der Erdoberfläche geworfener Körper auf einer parabelförmigen Bahn bewegen. Ist diese Behauptung richtig? Nein! Wir wissen, daß sich Planeten auf elliptischen Bahnen bewegen. Die Naturgesetze gelten für die Planeten und für im Schwerefeld der Erde fallende Körper gleich. Die Fallgesetze von Galileo sind falsch. Auch nur näherungsweise richtige Gesetze sind falsch. Darf man sie trotzdem lehren? vgl. Vollmer, 1993, S. 109 ff. 35 Prof. Dr. Martin Moog kritische und heuristische Funktion der Wissenschaft Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 36 Prof. Dr. Martin Moog Determinismus contra Willensfreiheit Ich muß – Ich habe keine Wahl! Glauben Sie an die menschliche Willensfreiheit? Isaac B. Singer vgl. Cathcart und Klein, 2010, S. 33 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 37 Prof. Dr. Martin Moog Die Betriebswirtschaftslehre und die Forstliche BWL als Disziplinen Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 38 Prof. Dr. Martin Moog Was untersucht die BWL? Unternehmen Betriebe Haushalte Verwaltungen Institutionen und Personen, deren Verhalten auf wirtschaftliche Güter bezogen ist. (Hans Raffée in Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, Band 1, 1989 Economics is what economists do! ??? Gründung der Kommission Wissenschaftstheorie des VHB im Jahr 1973 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 39 Prof. Dr. Martin Moog Der Gegenstandsbereich der Betriebswirtschaftslehre sozialer Aspekt technischer Aspekt soziotechnische Systeme Betriebe Haushalte, Unternehmen Ordnung nach technischen Gesichtspunkten weitere ggf. wichtige Dimensionen: ökologisch kulturell informationell Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 40 Prof. Dr. Martin Moog Der Gegenstandsbereich der Forstökonomie Gesellschafts-Dimension Wald-Dimension Waldbestand Individuum Weltbevölkerung klassisches Feld Entwicklung globale Bewaldung Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 41 Prof. Dr. Martin Moog Selbstverständnis der Forstökonomie • • • positivistisch praktisch-normativ ethisch-normativ Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 42 Prof. Dr. Martin Moog von der Forstökonomie genutzte Theorien • • • • mikroökonomische Ansätze institutionenökonomische Ansätze andere betriebswirtschaftliche Theorien eher aus dem Bereich der Psychologie stammende Theorien Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 43 Prof. Dr. Martin Moog gesellschaftsbedingte Modethemen forstökonomischer Forschung • • • Waldschäden nachwachsende Rohstoffe Klimawandel Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 44 Prof. Dr. Martin Moog Welches Erkenntnisinteresse treibt die BWL-Forscher? reines Erkenntnisinteresse Interesse an der Gestaltung Nach welchen Gesetzmäßigkeiten funktionieren die Betriebe? Nach welchen Gesetzmäßigkeiten handeln die Menschen in den Unternehmen? Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre Ausnutzung der Gesetzmäßigkeiten zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit in den Betrieben bzw. zur Erhöhung der Rentabilität der Unternehmen. 45 Prof. Dr. Martin Moog Erkenntnisobjekt der BWL Wirtschaften = entscheiden über knappe Güter tritt in allen Betrieben auf! Ergiebigkeitsprinzip bzw. Wirtschaftlichkeitsprinzip das Erkenntnisobjekt unterscheidet die BWL von anderen Disziplinen Warum nicht Gewinnmaximierung oder Faktorkombination als Erkenntnisobjekt? Verbesserung der Daseinsbewältigung durch Erhöhung der Ergiebigkeit der Ressourcen im betrieblichen Zusammenhang. von den konkreten Zielen des einzelnen Betriebes ist das unabhängig Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 46 Prof. Dr. Martin Moog Funktionen der Betriebswirtschaftslehre, Erfahrungsobjekt und Erkenntnisziel Erfassungsfunktion beobachten Beschreibungsfunktion Erklärungsfunktion beschreiben Gestaltungsfunktion erklären Das Erfahrungsobjekt – das wirtschaftliche Handeln in Betrieben – muß erst beobachtet und beschrieben werden. Auf der Beschreibung aufbauend wird der Versuch gemacht, die Gesetzmäßigkeiten zu finden. Das ist die eigentliche Erkenntnisgewinnung. Theoretisches Wissenschaftsziel. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 47 gestalten Unter Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten können Gestaltungsvorschläge gemacht werden. Pragmatisches Wissenschaftsziel. Prof. Dr. Martin Moog Praxisbezug der Wissenschaft Verwendung von Methoden Nichtanwendung MethodenAngebot Anwendung trotz nicht gegebener Anwendungsbeding ungen Anwendung bei gegebenen Anwendungsbeding ungen inkonsistent kein Schaden, primär Fehler der Wissenschaft Schaden Fehler von Wissenschaft (primär) und Praxis Anwendungsbeding ungen nicht ausreichend beschrieben kein Schaden, aber potentieller Schaden durch Fehler der Wissenschaft Schaden Fehler von Wissenschaft und Praxis zufällig richtige Anwendung, Fehler der Wissenschaft konsistent und Anwendungsbeding ungen ausreichend beschrieben Schaden durch Nichtanwendung, Fehler der Praxis Schaden Fehler der Praxis vorbildlich Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 48 Prof. Dr. Martin Moog Gegenseitige Beeinflussung von Wissenschaft und Praxis Betriebswirtschaftslehre Unternehmenspraxis Beispiele: Buchführung Unternehmensbewertung Waldbewertung Lohnnebenkosten Beeinflussung besonders durch die Sozialisation als „BWLer“ Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 49 Prof. Dr. Martin Moog Selektive Wahl der Forschungsfragen Forscher brauchen Zugang zu den Unternehmen/Verwaltungen Gestattung des Zugangs nur, wenn Projekt Ziele des Entscheiders unterstützt Forscher schlägt nur Fragestellungen vor, von denen er erwartet, daß ihm der Zugang nicht verwehrt wird. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 50 Prof. Dr. Martin Moog Berechtigung des Elfenbeinturmes Aus dem Turm heraus blickt man weiter ins Land. Der Turm schafft Distanz. Der Elfenbeinturm zwingt dazu, Vorsicht an den Tag zu legen. Der Elfenbeinturm bietet Schutz, (sozial-)kritische Fragen zu stellen. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 51 Prof. Dr. Martin Moog Methoden in der Betriebswirtschaftslehre Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 52 Prof. Dr. Martin Moog Anforderungen an eine wissenschaftliche Methode • • • definierte, systematische Vorgehensweise intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Verfahrensschritte intersubjektive Nachprüfbarkeit der Ergebnisse Dünnschicht-Chromatographie Glaskugel SILVA-Waldwachstumssimulator Data-Mining Methoden können auch der Legitimation von Forschungsergebnissen dienen. Wer bestimmte Vorgehensweisen wählt, dessen Ergebnisse werden anerkannt. „Legitimationsvehikel“ (Frank, U.) Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 53 Prof. Dr. Martin Moog Hermeneutik = Kunst des Auslegens, Lehre des nachfühlenden Verstehens Die empirischen Wissenschaften erklären, die Hermeneutik versteht. Definition: (aus dem Griechischen) [die Kunst des] Interpretierens, Übersetzens, Erklärens und Auslegens, leitet sich her von Hermes, dem Götterboten, der den Menschen den Götterwillen immer verschlüsselt, also interpretationsbedürftig gebracht hat. Anwendungsgebiete: In erster Linie bei der Auslegung von Texten, Kunstwerken oder Musikstücken. In der Theologie findet die Hermeneutik in Form der Biblischen Hermeneutik Anwendung, in der Philosophie wird sie universal als Weltdeutung verstanden und die Rechtshermeneutik dient der Frage nach der Anwendung und Interpretation von Gesetzestexten. Wissenschaftstheoretisch können Naturwissenschaften (Empirie) und Hermeneutik (Geisteswissenschaften) einander gegenüberstehen. Naturwissenschaften erklären etwas, fragen nach Ursachen (erklären z. B. den Tod eines Menschen medizinisch). Geisteswissenschaften versuchen etwas (im umfassenderen Sinne) zu verstehen (fragen z. B. Was ist der Tod?) In den Sozialwissenschaften unterscheidet man subjektive und objektive Hermeneutik. Während erstere das „einfühlende Verstehen“ z. B. in die persönliche Situation eines Menschen bezeichnet (auch Empathie genannt), ist die objektive Hermeneutik bemüht, die tatsächlichen Beweggründe, Botschaften eines Handelns oder einer Situation zu verstehen. Dies geschieht unter anderem durch die Interpretation von Kontextmerkmalen einer Situation oder eines Ereignisses. Die objektive Hermeneutik stellt auch eine Methode der qualitativen Sozialforschung dar. Kritik: Ungeklärt ist die Frage nach der Validität oder Glaubwürdigkeit hermeneutischer Aussagen. Hermeneutik hat eine heuristische Wissenschaftsfunktion, d.h. es geht Um Wirkungszusammenhänge im Sinne einer vorwissenschaftlichen Betrachtung. Damit werden unsinnige Erklärungshypothesen von vornherein ausgeschlossen. Es besteht aber auch das Risiko, dass bestimmte gute Erklärungshypothesen nicht weiter verfolgt werden. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 54 Prof. Dr. Martin Moog Reliabilität Zuverlässigkeit im Sinne von Freiheit von Meßfehlern, Reproduzierbarkeit Bei einer Wiederholung des Experiments bzw. der Messung sollte dasselbe Ergebnis erzielt werden. Tests: Stichprobe halbieren – sind die Meßwerte in beiden Hälften gleich? Mit einem anderen Meßverfahren messen (Paralleltest-Reliabilität) Übereinstimmung der Beobachter prüfen (Interrater-Reliabilität) z.B. bei der Einschätzung von Belaubung zur Waldschadensschätzung Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 55 Prof. Dr. Martin Moog Validität Wird die Größe gemessen, die zu messen beabsichtigt ist? Nur dann ist eine Interpretation der Werte sinnvollohne Objektivität keine Reliabilität, ohne Reliabilität keine Validität. Aber wie kann man Validität messen? Der Intelligenztest Konstruktvalidität Meßdaten, die dasselbe Konstrukt abbilden sollen, sollten stark miteinander korrelieren. Meßdaten, die verschiedene Konstrukte abbilden sollen, sollten nur gering miteinander korrelieren. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 56 Das Ergebnis ist unabhängig vom Leiter der Untersuchung, also ist der Test objektiv Die Messung läßt sich mit ähnlichem Ergebnis wiederholen, also ist der Test reliabel. Macht der Intelligenztest eine Aussage über das Konstrukt Intelligenz? Ist er valide? Prof. Dr. Martin Moog Hermeneutik Es gehe in der BWL auch um Sinnzusammenhänge, daher habe die Hermeneutik Bedeutung. Recht häufig müssen Texte interpretiert werden. „Verstehen“ kann „Erklären“ nicht ersetzen. Verstehensprozesse können selbst zum Gegenstand von Forschung werden. Die Wahrheit hermeneutisch gewonnener Aussagen ist nicht überprüfbar. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 57 Prof. Dr. Martin Moog Hermeneutik Bedeutung für die heuristische Wissenschaftsfunktion Vorselektion von Hypothesen, keine Prüfung „unsinniger“ Hypothesen Ökonomisierung des Forschungsprozesses Renaissance der Hermeneutik unter dem Einfluß des Konstruktivismus Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 58 Prof. Dr. Martin Moog Hermeneutik Erklärung 1 Erklärung 2 Nach 6 Monaten Belagerung mußten die Einwohner der Stadt so erschöpft und ausgehungert sein, daß sie die Tore öffnen mußten. Nach 6 Monaten Belagerung mußten die Belagerer schließlich abziehen, denn die Bedrohung ließ die Einwohner der Stadt alle ihre Kräfte mobilisieren, so daß der Versuch der Eroberung zum Scheitern veruteilt sein mußte. 59 Prof. Dr. Martin Moog empirisch-analytisches versus hermeneutisches Paradigma Empirisch-analytisches-Paradigma Hermeneutisches Paradigma Setzt an in der Außenwelt, am Wahrnehmbaren Setzt an in der Innenwelt, am Wesen der Dinge Erklären Verstehen Erkenntnis ist ein a posteriori Unternehmen Erkenntnis ist ein a priori Unternehmen analytisch hollistisch quantitativ qualitativ nomothetische Sätze idiographische Beschreibung kausale Erklärung finale Erklärung synchrone Betrachtungsweise diachrome Betrachtungsweise Wertneutralität Einbeziehung von Wert- und Zeitfragen Praxis als Datenlieferant Enge Verbindung von Theorie und Praxis Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 60 Prof. Dr. Martin Moog explorative Forschung und Hypothesenentwicklung Warum haben Kopfschmerzexperten häufiger Migräne? Kopfschmerzexperten nehmen weniger Medikamente als sie selbst ihren Patienten empfehlen. Gibt es Optiker ohne Brille? Die eigene Migräne führen die Experten überwiegend auf körperliche Ursachen zurück, während sie bei ihren Patienten überwiegend von psychosomatischen Ursachen ausgehen. Haben die Experten wirklich häufiger Kopfschmerzen? Oder dekorieren sie sich mit eigenen Erfahrungen? Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 61 Prof. Dr. Martin Moog PIMS – ein Beispiel für eine explorative Studie ?! PIMS ist das prototypische Beispiel für die Erfolgsfaktorenforschung Initiiert wurde das Projekt 1960 als interne Studie von General Electric. Es sollten die verschiedenen Geschäftseinheiten (SGE) von GE vergleichbar gemacht werden. Man suchte nach Einflußgrößen, die unabhängig vom Produkt, den wirtschaftlichen Erfolg erklären. 1972 wurde das Projekt an die Harvard Business School übertragen. 1976 wurde es an das American Strategic Planning Institute weitergereicht. Zwischen 1970 und 1983 nahmen etwas 3000 SGEs aus ca. 200 Unternehmen an den Erhebungen teil. Kritik an den Daten an der Methodik Rückschluß aus Korrelationen auf kausale Beziehungen Vernachlässigung von Interdependenzen Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 62 Prof. Dr. Martin Moog explorative Forschung oder Hypothesentest Auf der Titanic hatten Briten die geringere Überlebensrate, obwohl sie ein britisches Schiff war und die Mannschaft überwiegend britisch war. Amerikaner hatten eine höhere Überlebensrate. Reisende der 3. Klasse hatten eine geringere Überlebensrate. Frauen und Kinder hatten eine überdurchschnittliche Überlebensrate. Ergebnis eines Projektes, an dem u.a. Bruno S. Frey beteiligt war. Ist eine Hypothese geprüft worden, oder war es eine explorative Untersuchung? Ist der Datensatz ausgewertet worden, und man hat darin den Zusammenhang „gefunden“, ist der Datensatz wertlos geworden. FAZ vom 23.1.2009, S. 7 Briten standen auf der Titanic in der Schlange Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 63 Prof. Dr. Martin Moog axiomatisch-deduktive Methode reine Modellanalyse logische Möglichkeitenanalyse Es werden Annahmen getroffen, aus denen dann abgeleitet (deduziert) wird. Was müßte gelten, wenn die Annahmen empirisch gehaltvoll wären? Vorwurf des Modell-Platonismus – teilweise berechtigt, aber nur teilweise. heuristisches Potential anzutreffen vor allem im Bereich der VWL Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 64 Prof. Dr. Martin Moog der homo oeconomicus – ein Menschenbild? Der lateinische Begriff wurde wohl zuerst von Vilfredo Pareto (1906) verwendet. In der jüngeren Vergangenheit häufige „experimentelle Überprüfung“. Ist das sinnvoll? nutzenmaximierend handelnd stabile Präferenzen vollständige Information Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre Was ist Rationalität? rationales Handeln? Was ist Irrationalität? Was ist rationales Handeln bei Unsicherheit? 65 Prof. Dr. Martin Moog realtheoretische Modellanalyse Denken in theoretischen Modellen Modelle haben die Funktion empirisch gehaltvoller Theorien gehaltvolle Theorien oft aus den Nachbarwissenschaften (wird vielleicht überschätzt) Modelle als Anwendung solcher Theorien auf die Fragestellungen der BWL Beispiel: Modelle des Konsumentenverhaltens BWL nur als Theorienverwender, die anderen Disziplinen entwickeln die Theorien Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 66 Prof. Dr. Martin Moog Das deduktiv-nomologische Erklärungsschema 1. nomologische Hypothese(n) Explanans 2. Randbedingung(en) Explanandum 3. Ein aus 1. und 2. ableitbarer Satz nomologische Hypothese = Gesetzeshypothese Quelle: Raffee: Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 1989, S. 18 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 67 Prof. Dr. Martin Moog Das deduktiv-nomologische Erklärungsschema Explanans Explanandum 1. Wenn Unternehmen strategisch planen, sind sie c.p. erfolgreicher (Hypothese) 2. Unternehmen A hat eine strategische Planung, Unternehmen B nicht (Randbedingung(en) 3. Unternehmen A ist erfolgreicher als Unternehmen B. Ein aus 1. und 2. ableitbarer Satz Quelle: Raffee: Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 1989, S. 18 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 68 Prof. Dr. Martin Moog Gesetze (nomologische Hypothesen): G1, G2, ..., Gn Explanans Anfangsbedingungen: A1, A2, ..., Ak logische Ableitung realer Sachverhalt: E Explanandum Hempel-Popper-Schema wissenschaftlicher Erklärungen Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 69 Prof. Dr. Martin Moog Einfluß der deduktiv-nomologischen Methode auf den Forschungsprozeß Forschungsprozeß den zu erklärenden Sachverhalt beschreiben Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre nach dem Erklärungshintergrund aus nomologischen Hypothesen und Randbedingungen suchen. 70 Prof. Dr. Martin Moog prognostische und technologische Nutzung prognosische Nutzung technologische Nutzung Weil die Gesetzmäßigkeit gilt, daß strategisch planende Unternehmen erfolgreicher sind, und weil das Management von A einen Konkurrenzvorteil vor B erstrebt, führt es die strategische Planung ein. Weil die Gesetzmäßigkeit gilt, daß strategisch planende Unternehmen erfolgreicher sind, kann vorhergesagt werden, daß das Unternehmen A erfolgreicher sein wird als das Unternehmen B. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 71 Prof. Dr. Martin Moog Erklärungsmodell - Entscheidungsmodell Jedes Erklärungsmodell kann auch als Prognosemodell oder Entscheidungsmodell verwendet werden. Unter bestimmten Rahmenbedingungen und Anfangsbedingungen gilt eine bestimmte Wenn/Dann-Aussage. Kenne ich die Rahmenbedingungen und will ein bestimmtes Ergebnis erreichen, dann sagt mir das Modell, wie ich die Anfangsbedingungen setzen muß (technologische Nutzung als Entscheidungsmodell). Kenne ich die Rahmenbedingungen und die Anfangsbedingungen, kann ich das Ergebnis prognostizieren (Prognosemodell) Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 72 Prof. Dr. Martin Moog Struktur der Erklärung durch ein Modell Anfangsbedingungen Wenn/Dann-Aussagen Explanandum Randbedingung, unter denen die Wenn/Dann-Aussagen wahr sind Quelle: nach Patzelt: Einführung in die Politikwissenschaften, 1993 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 73 Prof. Dr. Martin Moog Strukturidentität von Erklärung, Prognose und Technologie nach dem Hempel/Oppenheim-Schema Erklärung Gesetz Randbedingung Explanandum Prognose gesucht Technologie gegeben gegeben gegeben gegeben gesucht Welche Maßnahmen führen zum Ziel? gegeben gesucht Was wird passieren? gegeben vgl. Wunderer/Grunwald 1980, S. 20 f. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 74 Prof. Dr. Martin Moog Kritik an der deduktiv-nomologischen Methode nur bei Geltung deterministischer Gesetze aber Ergänzung mit probabilistischen Erklärungen möglich Das Grundmuster der Erklärung bleibt gleich Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 75 Prof. Dr. Martin Moog Grenzen der deduktiv-nomologischen Methode leistungsfähige, empirisch gehaltvolle Hypothesen und Theorien fehlen gibt keine Begründung für normative Aussagen Normen und Werte liegen auf einer anderen Ebene Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 76 Prof. Dr. Martin Moog Modelle als zentrale Elemente der Betriebswirtschaftslehre Modelle sind vereinfachte Abbilder der Realität, die charakteristische Eigenschaften hervorheben. Forschung Praxis Für die Realität wird ein passendes Modell gesucht, mit den konkreten Daten wird eine Lösung berechnet. Wenn möglich, wird die Lösung auf die Realität übertragen. Es wird ein Modell (Hypothese, Theorie) formuliert. Dann wird geprüft, ob es durch die Realität widerlegt wird. Erklärungsmodell Entscheidungsmodell Beispiel: Berechnung der optimalen Bestellmenge Beispiel: Führungsstile Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 77 Prof. Dr. Martin Moog Entdeckungszusammenhang, Begründungszusammenhang, Verwendungszusammenhang Endeckungszusammenhang Entstehung der Theorie Begründungszusammenhang Aufgabenbereich der Wissenschaftslogik Verwendungszusammenhang Anwendung der Theorie auf praktische Probleme Sind je nach dem Zusammenhang (s.o.) unterschiedliche Methoden akzeptabel? Es wird argumentiert: Für die Entdeckung von Zusammenhängen ist induktives Vorgehen akzeptabel. Im Verwendungszusammenhang kommt es nicht so sehr auf die theoretische Gesichertheit der Theorien an, sondern auf die praktische Bewährung. Diese Argumentation unterstellt einen anderen Wahrheitsbegriff: Wahrheit liegt nicht in der Übereinstimmung mit den empirischen Sachverhalten, sondern im praktischen Nutzen. Diejenigen Instrumente und Problemlösungstechniken sind wahr, die sich in der Praxis bewähren. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 78 Prof. Dr. Martin Moog Wissenschaftskonzeptionen der BWL (Basiskonzepte) historische Betrachtung Vergleich von zwei grundsätzlich verschiedenen Konzeptionen Orientierung an den Forschungsprogrammen und Aussagen führender Köpfe der BWL Orientierung an der Ökonomie versus sozialwissenschaftliche Öffnung der BWL Betrachtung spezieller Ausformungen der Konzepte. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 79 Prof. Dr. Martin Moog Wissenschaftskonzeptionen in der BWL • • • • • • • Schmalenbach (Kunstlehre, Wirtschaftlichkeit) Rieger („theoretischer“ Standpunkt, Rentabilität) Nicklisch (ethisch-normativ, Betriebsgemeinschaft) Gutenberg (Neoklassik) Ulrich (Systemtheorie) Heinen (sozialwissenschaftliche Öffnung) Neuer Institutionalismus Leitideen können auch metaphysischen Charakter haben Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 80 Leitidee Die Leitidee als Kern der Wissenschaftskonzeption wird selten explizit formuliert. Prof. Dr. Martin Moog Ökonomistisches Basiskonzept Sozialwissenschaftliches Basiskonzept BWL als spezielle, interdisziplinär geöffnete Sozialwissenschaft BWL als eigenständige, autonome Wirtschaftswissenschaft Idee der Bedürfnisbefriedigung Idee der Einkommensorientierung Sozialwissenschaftliche Integration Autonome Betriebswirtschaftslehre Grundkonzepte erster Ordnung Quelle: in Anlehnung an Raffée 1974, S. 79ff. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 81 Prof. Dr. Martin Moog Eugen Schmalenbach (1873-1955) Gilt als der eigentliche Begründer der BWL als akademisches Lehrfach Begründer der „Kölner Schule“ 1906 Professor an der Handelshochschule Köln, 1919 (durch Angliederung der Handelshochschule) ordentlicher Professor an der Universität Köln Wirtschaftlichkeit 1951 Emeritierung, Nachfolger wurde Erich Gutenberg Werk Schmalenbach faßt die BWL als Kunstlehre i.S.e. technologisch orientierten Disziplin auf (praxisorientierte Disziplin). Schwerpunkte seiner Forschung: (die dynamische) Bilanztheorie, Kostenrechnung und Kontenrahmen: Wirtschaftlichkeitslehre als Leitgedanke Konnte jedoch anders als z.B. Nicklisch oder Rieger kein in sich geschlossenes Forschungs- und Lehrsystem begründen. Später Entw. hin zu „Gemeinwirtschaftlichkeit“. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 82 Prof. Dr. Martin Moog Heinrich Nicklisch (1876-1946) Professor an den Handelshochschulen Leipzig, Mannheim und Berlin wichtigster Vertreter der ethisch-normativen Richtung der BWL von Nicklisch Entwicklung einer eigenständigen Sozialphilosophie herausgegeben und darauf aufbauend einer Lehre von der Betriebsgemeinschaft, deren praktische Umsetzung den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit (u.a. mittels Ertragsbeteiligung der Mitarbeiter) aufheben sollte „Berliner Schule“ Er sah die BWL als eine Sozialwissenschaft und vertrat daher eine heute verbreitete Auffassung. Teilweise erhebliche romantische Verklärung, daher kein wirklich realwissenschaftlicher Ansatz. Betriebsgemeinschaft andere Vertreter der ethisch normativen BWL: Wilhelm Kalveram, Nicklisch wird akademische Selbstgefälligkeit und metaphysisches Pathos nachgesagt (Frank, U.) Friedrich Schär Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 83 Prof. Dr. Martin Moog Wilhelm Rieger (1878-1971) wichtigster Vertreter der theoriebetonten Richtung 1925 Ordentlicher Professor an der Handelshochschule Nürnberg, 1928 Ordinarius für Privatwirtschaftslehre an der Universität Tübingen (galt zeitweilig als Außenseiter innerhalb der Zunft) einer seiner Schüler war Ludwig Erhard, der spätere Bundeskanzler und Wirtschaftsminister starke Betonung der Erklärungsfunktion der BWL Werk Im Mittelpunkt steht das Gewinn- bzw. Rentabilitätsstreben, d.h. systembildende Grundidee ist das Gewinnprinzip Das Erkenntnisobjekt der Privatwirtschaftslehre ist der Geldumwandlungsprozess BWL als theoretische (erklärende) Wissenschaft Ablehnung von normativen Aussagen Rentabilität Aber eher kein realwissenschaftliches Programm, daher Gegensatz zwischen „Theorie“ und „Praxis“. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 84 Prof. Dr. Martin Moog Methodenstreit Kontrahenten erster Versuch die BWL als Lehre von der kapitalistischen Privatunternehmung in die VWL zu integrieren Moritz Weyermann, Hans Schönitz versus Eugen Schmalenbach zweiter Schmalenbach stellte die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund (als Erkenntnisobjekt), Rieger das Gewinnstreben und den Geldumwandlungsprozeß Eugen Schmalenbach versus Wilhelm Rieger dritter Bedeutung des Ertragsgesetzes für die industrielle Produktion bzw. Verlauf von Kostenkurven und Zweckmäßigkeit der mathematisch-deduktiven bzw. der empirisch-induktiven Methode für die BWL Erich Gutenberg versus Mellerowicz Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 85 Prof. Dr. Martin Moog empirische betriebswirtschaftliche Forschung empirische BWL-Forschung Erhebungen mit neuer Aussage „field research“ datenbankgestütztes „desk research“ Verbesserung der Methodik Tertiäranalyse Befragungen Entwicklung von Meßverfahren Re-Analysen früherer Untersuchungen Experimente Entw. von Erhebungsund Auswertungsverfahren Meta-Analysen Dokumentenanalysen Überprüfung von verzerrenden Effekten Gliederung einer Untersuchung von Hauschildt, 2003 Fallstudien Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 86 Prof. Dr. Martin Moog Auf welchen Gebieten wird empirisch geforscht? Eine Auswertung deutscher BWL-Zeitschriften der Jahre 1997 bis 2000 brachte das folgende Ergebnis: 32 Prozent der Beiträge besitzen empirischen Charakter diese gliedern sich wie folgt: Teildisziplin der BWL Anteil in % Marketing 29 Finanz- und Kapitalmarktforschung 25 Organisation und Personal 21 Controlling und Rechnungswesen 12 sonstige 13 Quelle: Hauschildt, 2003, S. 10 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 87 Prof. Dr. Martin Moog Instrumentalismus Variante des Skeptizismus Es kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden, was wahr oder richtig ist. Theorien werden nach dem Erfolg in der Praxis beurteilt. Nicht der Test der Theorie, sondern der „Modellfit“ ist wichtig Der methodologische Instrumentalismus ist mit dem (ontologischen und dem semantischen) Realismus vereinbar. Instrumentalisten können also an eine theorie- und subjektunabhängige Außenwelt glauben und die Korrespondenztheorie der Wahrheit vertreten. vgl. Lauth & Sareiter, 2005, S. 191 Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 88 Prof. Dr. Martin Moog Relativismus Ergebnisse empirischer Forschung geben keine Auskunft über Phänomene und Ereignisse in der realen Welt, denn man kann sie gar nicht unabhängig von den sozialen Rahmenbedingungen betrachten, durch die sie zu einem großen Teil determiniert werden. Die Falsifizierbarkeit ist kein Wahrheitskriterium, sondern nur ein Unterscheidungskriterium zwischen Wissenschaft und Nichtwissenschaft. Streben nach Erkenntnisfortschritt wird sinnlos. Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre 89 Prof. Dr. Martin Moog