Universelle Werte? - Friedrich-Naumann

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2|2014
Universelle
Werte?
+ Revolutionsrausch und „Werteimperialismus“ in Ägypten
+ Kultureller Relativismus und universelle Menschenrechte in Westafrika
+ Lateinamerika: Wertediskussionen im Spagat
+ Ukraine: Die Revolution der Menschenwürde
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Foto: Jörg Kleinschmidt / Pixelio
Editorial
2| 2014
Inhalt
3 Universelle Prinzipien für eine pluralistische
Welt
5 Revolutionsrausch und „Werteimperialismus“
Beobachtungen zur universellen Gültigkeit
von liberalen Entwicklungsansätzen von
Menschenrechtsthemen in Ägypten
Liebe Leserinnen und Leser
gibt es universelle Werte? Werte, die für alle Menschen
gleichermaßen gelten, gleich welcher Herkunft, Ethnie,
Geschlecht oder Religion? Die Frage nach Werten und
Normen, die über nationale und kulturelle Grenzen
hinaus Gültigkeit haben, wird seit vielen Jahren regelmäßig heiß diskutiert. Häufig treffen hierbei zwei
konträre Auffassungen aufeinander: Während in der
„westlichen Welt“ die Universalität bestimmter Werte
und Normen meist bejaht wird, trifft dies in den sog.
Entwicklungsländern, insbesondere in den Schwellenländern, auf eine tiefgehende Skepsis. Der Anspruch
der Universalität, so lautet die Kritik, sei im Grunde
nichts anderes als der Ausdruck von postkolonialen
Partikularinteressen und von westlichen Vorstellungen
dessen, was „richtig“ sei.
In der vorliegenden Ausgabe von global&liberal haben
es sich meine Kolleginnen und Kollegen in den Projektländern der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zur Aufgabe gemacht, die abstrakten Werte und
Konflikte im Kontext der praktischen Arbeit vor Ort für
die Menschen in Deutschland greifbarer zu machen.
Dabei wird deutlich, dass die Diskussion um universelle
Werte nicht nur die Menschen in den sog. Entwicklungsländern, sondern auch uns Europäer angeht —
man betrachte nur die aktuellen Vorgänge in der Ukraine, in Griechenland oder in Ungarn.
Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an unserer Arbeit und
wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!
Ulrich Niemann
Bereichsleiter Internationale Politik
10 Kultureller Relativismus und universelle
Menschenrechte Beispiele aus der praktischen Arbeit der Stiftung in Westafrika
14 Malaysia: Machterhalt auf Kosten von
Grundrechten
19 Lateinamerika: Wertediskussionen im Spagat
zwischen indigener Selbstbestimmung und
handfesten Eigeninteressen lokaler Eliten
22 Griechenland: Zurück zu alten Werten!
25 Ukraine: Die Revolution der Menschenwürde
29 Ungarn auf dem Weg zur gelenkten Demokratie Der autokratische Paternalismus von
Viktor Orban
31 Vom Handlanger zum Helfer Polizeireformen
in Indien
33 Mit Eigentumsrechten gegen Armut
Interview mit Barun Mitra
35 Vom Eintauchen in ein exotisches Universum
Dr. Ronald Meinardus ist seit Anfang August
Leiter des Regionalbüros Südasien in Neu
Delhi
Universelle
Werte?
Universelle Prinzipien für
eine pluralistische Welt
Foto: Jörg Kleinschmidt / Pixelio
Wir leben in einer pluralistischen Welt. Globalisierung
und technologische Innovation haben die Teile der Erde
immer mehr zusammengeführt. Gleichzeitig unterscheiden sich die religiösen, nationalen und kulturellen Identitäten beträchtlich. Deshalb stehen die Menschen überall auf der Welt vor der immer drängenderen Frage auf
welche Regeln sie verständigen können. Wie kann es
gelingen, in Frieden und Freiheit miteinander zu leben?
Bedrohung schützen und zugleich die politische Macht,
die mit dieser Schutzfunktion verbunden ist, so einschränken, dass der Staat nicht selbst zur Bedrohung für
die Freiheit der Menschen werden kann.
Armut ist immer noch ein für viele Menschen ein existentielles Problem – wenn auch in vielen Ländern die
Armut spürbar zurückgegangen ist. Der Wunsch, Armut
hinter sich zu lassen und den Kindern und Enkeln ein
besseres Leben zu ermöglichen, ist ein universal verbreitetes Bedürfnis der Menschen. Der Weg aus der Armut
ist untrennbar mit dem universellen Wert der Freiheit
verbunden
Der Schlüssel zur Lösung der Konflikte ist die Freiheit als
universales Prinzip, das sowohl Frieden als auch Wohlstand ermöglicht. Freiheit beruht auf dem Prinzip, dass
keine Gewalt gegen den anderen ausgeübt werden darf,
weder gegen sein Leben, noch gegen sein Eigentum. Sie
begründet sowohl die Toleranz als auch die Grenzen der
Toleranz. Sie begründet die Toleranz gegenüber jeder
Religion, Kultur, Lebensstil oder Gemeinschaft, solange
dieser nicht in die Rechte andere eingreift oder andere
gegen ihren Willen dazu zwingt ihr anzugehören. Sie
begründet aber auch, dass die Toleranz dort endet, wo
Menschen durch Gewalt gegen ihren Willen zu einer
bestimmten Religion, Lebensstil, Kultur oder Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft gezwungen werden.
Der „Economic Freedom Index of the World“ zeigt, wie
sehr Freiheit und Wohlstand miteinander verbunden
sind.
Die Prinzipien von Freiheit und Marktwirtschaft wurden
von Kritikern oft mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass
es sich dabei um spezifisch „westliche“ Erfindungen
handelt, die in anderen Teilen der Welt nicht wirksam
wären. Der Ökonomie-Nobelpreisträger Milton Friedman
sah genau aus diesem Grund in der deutschen Teilung
ein großes Sozialexperiment. Eine Nation mit gemeinsamer Kultur und Geschichte lebte in zwei Teilstaaten mit
völlig verschiedenen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen. Einer Demokratie und Marktwirtschaft im Westen und dem Sozialismus und der Planwirtschaft im Osten. Währen der Westen zu einer führenden Wirtschaftsmacht wurde, brach der Osten schließlich bankrott und ökonomisch ruiniert zusammen. In Asien entstanden zur gleichen Zeit neue dynamische Volkswirtschaften. Das ließ Friedman die Schlussfolgerung ziehen,
Aus diesem allgemeinen Prinzip lassen sich verschiedene
spezielle Rechte ableiten. Dazu gehört die Rechte auf
Glaubens- Religions- Meinungs- und Gewissensfreiheit.
Alle Menschen sollen vor dem Gesetz gleich sein, unabhängig von Rasse, Religion, Nationalität, sozialer Herkunft und Geschlecht.
Die Instrumente zum Schutz der Freiheit sind der Rechts
- und Verfassungsstaat, die Gewaltenteilung und die
Demokratie. Sie sollen jeden Menschen vor Gewalt und
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dass letztlich die politische und wirtschaftliche Ordnung
den Ausschlag geben und nicht die Kultur.
zählten Ländern wäre in der stagnierenden politischen
Kultur Griechenlands eine Rückbesinnung auf die alten
Ideen, deren Wiege das Land einst war, ein großer Fortschritt. Auch in Ungarn standen die Dinge vor wenigen
Jahren schon besser und in der Ukraine scheint der Konflikt darum, ob universelle Menschenrechte und europäische Traditionen eine größere Rolle spielen sollen, vollends losgebrochen.
Dessen ungeachtet ist das Bedürfnis des Menschen, sich
kulturell zu verorten und sich seiner Identität und Zugehörigkeit zu vergewissern, universal. Dieses Bedürfnis
steht in keinem Widerspruch zur Freiheit. Kulturelle Vielfalt und gesellschaftlicher Frieden gehen miteinander
einher, wenn sie mit der politischen, rechtlichen und
wirtschaftlichen Freiheit verbunden sind. Viele Staaten
dieser Welt ringen heute mit dem Problem, dass kulturelle und religiöse Gegensätze die Gesellschaft spalten.
Es gilt, dass gerade die Umverteilung von Ressourcen
und die Anmaßung der Regierung, bestimmte Gruppen
zu privilegieren und andere zu benachteiligen, solche
Konflikte anheizt. In einer freien Gesellschaft hat jeder
Bürger die Möglichkeit, sein Leben nach seinen religiösen und kulturellen Grundsätzen zu gestalten, ohne dabei vom Staat gegängelt und bevormundet zu werden.
Freiheit zerstört keine Werte, wie der Antiliberalismus zu
allen Zeiten behauptet hat, sie schafft Räume zu ihrer
friedlichen Entfaltung.
So unterschiedlich die skizzierten Herausforderungen, so
unterschiedlich sind die in dieser Ausgabe beschriebenen
Ansätze unserer Stiftung und unserer Partner. Doch eines eint uns alle: das gemeinsame Engagement und der
Enthusiasmus für die Durchsetzung universeller Rechte,
die weltweit jedem Menschen ein freies, selbstbestimmtes Leben ermöglichen.
Dr. Gerárd Bökenkamp, Referent für Grundsatzfragen
im Liberalen Institut
Armin Reinartz, Projektassistent im Regionalbüro
Bangkok
Aus dieser Überzeugung heraus engagieren sich weltweit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FriedrichNaumann Stiftung für die Freiheit und ihre lokalen Partner. Durch diese Ausgabe von global&liberal sollen diese
abstrakten Werte und Konflikte im Kontext der praktischen Arbeit vor Ort für die Menschen in Deutschland
ein Stück weit greifbarer gemacht werden. Autoren aus
der Stiftung und von Partnerorganisationen diskutieren
die Situation in ihrem Land oder ihrer Region und gewähren einen kurzen aber intensiven Einblick.
Nicht nur in Ägypten werden vorgebliche Konflikte universeller Menschenrechte mit der Scharia genutzt, um
auch andere Formen staatlicher Repressionen zu legitimieren. Staatliches Handeln und gesellschaftliche Traditionen stehen auch in Westafrika nicht selten in Konflikt
mit Menschenrechten. Auf eigene Tradition oder sogar
„asiatische Werte“ versuchen sich Regierungen in Indien
und Malaysia zu beziehen, um ihr politisches Handeln
nicht zum eigenen Nachteil einschränken zu müssen und
nutzen dabei ironischerweise Gesetze aus der Kolonialzeit zur Repression der Bürger. Auf der anderen Seite der
Welt in Lateinamerika scheinen Menschenrechte laut
gängigem Narrativ im Konflikt mit indigenen Traditionen
zu stehen, können bei detaillierter Betrachtung aber
eine große Chance für diese Minderheiten sein. Ganz im
Kontrast zu der „Rückwärtsgewandheit“ in den aufge-
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Revolutionsrausch und „Werteimperialismus“
Beobachtungen zur universellen Gültigkeit von liberalen Entwicklungsansätzen
von Menschenrechtsthemen in Ägypten
Anfang Oktober feierte die islamische Welt ihr höchstes
Fest: Beim Opferfest wird des Propheten Abraham gedacht, der auch nach muslimischer Überlieferung die
göttliche Probe bestanden hatte und bereit war, seinen
Sohn zu opfern. Gottvertrauen und Dankbarkeit sind
somit die Grundpfeiler dieser viertägigen Festlichkeiten.
In genau diesen Tagen kam es aber allein im Zentrum
Kairos auch zu mehr als 200 bekannt gewordenen Fällen
von sexueller Belästigung von Frauen. Die Dunkelziffer
liegt wahrscheinlich weit höher. Nur ein Bruchteil solcher Vergehen wird mit staatlichen Mitteln verfolgt. Wie
passen diese Fakten zusammen? Welche Sicht auf Werte
und Würde ist notwendig, um diese Dichotomie zwischen ethischen Grundsätzen und Lebenswirklichkeit zu
verstehen?
Realität in vielen Ländern nachweislich anders aus. Liberale Gesellschaftskonstrukte und Menschrechte werden
in Teilen oder gar ihrer Gesamtheit häufig abgelehnt. Ein
Zustand, der die arabische Welt und nicht zuletzt auch
Ägypten betrifft. Doch wie lässt sich rechtfertigen, dass
Menschen in vielen Staaten – Artikel 1 zum Trotz – ihr
rechtmäßiger Anspruch auf ein freies, selbstbestimmtes
Leben, auf Gleichberechtigung und Gleichheit vor dem
Gesetz nicht gewährt wird? Nicht selten dienen Staatsvertretern die traditionellen Werte, also kulturelle Unterschiede, welche den Normen des Liberalismus widersprächen, als Legitimation diskriminierender Praktiken.
Deutlich wird dies in der arabischen Welt z.B. mit Blick
auf die Stellung der Frau. Sexuelle Belästigung ist ein
großes Problem in den Gesellschaften, ebenso wie die
häufig fehlende Möglichkeit, als Frau ein freies und
selbstbestimmtes Leben zu führen. In Ägypten scheint
sich die Lage nach den Revolutionen und politischen
Umwälzungen der letzten Jahre sogar verschlechtert zu
haben. Schätzungen gehen davon aus, dass einem offiziellen Verbot zum Trotz auch heute noch über 90 % der
ägyptischen Frauen ab 15 Jahren eine Genitalverstüm-
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Bereits der erste Satz des Artikel 1 der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verweist auf zweierlei: liberales Gedankengut und den Anspruch auf universelle Gültigkeit. Doch
obgleich eine eindeutige Mehrheit der VNMitgliedsstaaten die Erklärung ratifiziert hat, sieht die
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menschlichen Würde. Als erforderliche Vorrausetzungen
für ein Leben in Würde gelten Freiheit und Gleichheit,
also die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben in eigener Verantwortung zu führen. Gewährt werden soll
dies dem Menschen durch Schutz- und Anspruchsrechte,
sog. negative und positive Freiheiten, also durch die
Freiheit von etwas (Diskriminierung, Verfolgung, etc.)
sowie die Freiheit zu etwas (Meinungs-, Presse-, Religionsfreiheit, etc.).
Der am vehementesten vorgetragene Anspruch auf die
Respektierung der kulturellen Identität – und damit die
Relativierung des Universalitätsanspruchs der Menschenrechte – kommt zumeist aus islamisch geprägten
Staaten wie Ägypten mit Hinweis auf die Scharia, mit
deren Grundsätzen und Richtlinien die Menschenrechte
in Einklang stehen müssten, um akzeptiert zu werden.
1990 veröffentlichten die Mitgliedstaaten der Organisation der Islamischen Konferenz, die sich in der Menschenrechtserklärung der VN nicht repräsentiert sahen,
eine Art Gegenerklärung, die „Kairoer Erklärung der
Menschenrechte im Islam“. Dieses Dokument macht die
Scharia zum Maßstab aller Menschenrechtsregelungen.
Bestimmungen, die der islamischen Rechtsprechung
entgegenstehen, werden danach als nicht verbindlich
etikettiert.
Regimestabilität als höchstes Gut? (Foto: FNF Cairo)
melung erdulden müssen. In der kurzen Zeit der Herrschaft der Muslimbrüder (Juni 2012 – Juli 2013) hatte
Präsident Mohammed Mursi das Thema wieder zur Privatsache einer jeden Familie erklärt und somit quasi legitimiert. Dabei werden in der Regel kulturelle Differenzen zur Rechtfertigung dieser Praktiken angeführt, zumal die traditionelle Familie oft als letzter Hort indigener kultureller Werte und Traditionen glorifiziert wird.
Hierin kommt sicher auch zum Ausdruck, dass der Kollektivgedanke in der arabischen Welt in anderer Weise
ausgeprägt ist als in weiten Teilen Europas. Dies macht
es dem liberalen Grundprinzip der individuellen Selbstbestimmung schwer, Fuß zu fassen. Denn die Menschenrechte begründen sich ihrem Selbstverständnis nach
durch die jedem Menschen inhärente eigene Würde –
doch auch dieser Zusammenhang wird in arabischen
Gesellschaften anders beurteilt als im Westen. Diese
Problematik führt zu einer grundsätzlichen Debatte über
die Wesensart der Menschenrechte. Ist ihr Anspruch auf
Universalität über alle kulturellen Grenzen und Differenzen hinweg wirklich aufrecht zu erhalten? Existieren
überhaupt Normen, welche universelle Gültigkeit besitzen, oder sind die von den VN verabschiedeten Menschenrechte ein Produkt des Westens, das sich nicht
ohne weiteres auf kulturell anders geprägte Regionen
des Globus übertragen lässt? Kurz: Verbirgt sich hinter
liberalen Entwicklungsansätzen und Menschenrechten
ein „Werteimperialismus“ oder haben diese universelle
Gültigkeit?
Rede- und Versammlungsfreiheit war eine der zentralen Forderungen der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz (Foto: FNF Cairo)
Das internationale Verständnis von Menschenrechten
fußt auf der von den Vereinten Nationen verabschiedeten Menschenrechtserklärung. Danach hat ein jeder
Mensch allein aufgrund seines Menschseins unveräußerliche Rechte gegenüber dem Staat. Jeder Bestandteil der
Menschenrechtserklärung begründet dies mit der
Trotz dieser Kairoer Erklärung spielt die Scharia aber oft
nur eine untergeordnete Rolle bei den Menschrechtsverletzungen, die in Ägypten nach wie vor an der Tagesordnung sind. Viele Aspekte sowohl negativer als auch positiver Freiheit sind nicht gewährleistet. Deutlich wird dies
im bevölkerungsreichsten arabischen Land vor allem
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durch das Paradoxon des Menschenrechtsschutzes: Der
Staat, der für den Schutz und die Gewährung der Menschenrechte zuständig ist, verletzt sie zugleich beständig und in hohem Maße. Als der langjährige Staatspräsident Hosni Mubarak im Januar 2011 gestürzt wurde,
wagten es die Demonstranten (und mit ihnen die gesamte Welt), von Gerechtigkeit zu träumen. Der Oberste
Militärrat versprach „Freiheit, Rechtsstaat, Gleichheit
und soziale Gerechtigkeit“. Doch blieb alles beim Alten:
Grundlegende Rechte der Menschen wurden missachtet.
Straftaten des Militärs und der Polizei „von oben“ gedeckt und nicht aufgeklärt. Präsident Mursi versprach
eine Besserung der Menschenrechtslage, ebenso wie
Präsident Abdel Fattah Al-Sisi nach ihm. Es wurde aber
kein Boden geschaffen, auf dem liberale Grundwerte
hätten gedeihen können – im Gegenteil. Nach wie vor
sind Folter und Demütigungen wie Elektroschocks,
Schläge und auch sexuelle Gewalt seitens der Staatsgewalt alltäglich.
(EOHR) werden Aktivisten aus der Zivilgesellschaft, Journalisten und Mitglieder des National Council for Human
Rights über die ägyptische NGO-Gesetzgebung diskutieren, ob und inwiefern diese zur Liberalisierung der gesellschaftlichen Partizipation beiträgt oder – im Gegenteil – zu einem restriktiveren Umgang des ägyptischen
Staates mit NGO’s führt.
Als eine der zentralen Forderungen der Demonstranten
auf dem Tahrir-Platz galt Rede- und Versammlungsfreiheit. Und obwohl Rede- und Versammlungsfreiheit in
der in diesem Jahr angenommenen neuen ägyptischen
Verfassung fest verankert sind, geht der Staat brutal
gegen Demonstrationen vor. Nominell räumt die neue
Verfassung den Bürger- und Menschenrechten zwar einen höheren Stellenwert ein, als die alte es getan hatte,
und schafft z.B. vorgeblich einen größeren Handlungsspielraum für NGOs – doch tatsächlich werden Demonstranten, Gewerkschafter, Aktivisten und Minderheiten nach wie vor eingeschüchtert, schikaniert und
verhaftet, oft willkürlich. Durch das Ende 2013 in Kraft
getretene und international scharf kritisierte Demonstrationsgesetz hat die ägyptische Regierung den Ausnahmezustand quasi bis auf weiteres verlängert, was ihr die
Legitimation für ein hartes Durchgreifen liefert. Somit
steht es um die Rede- und Versammlungsfreiheit derzeit
schlechter als vor Mubaraks Sturz.
Seit langer Zeit liegt das Augenmerk der Aktivitäten des Regionalbüros in Ägypten auf der Unterstützung von Journalisten und der
Förderung von Ausbildungs- und Trainingsprogrammen
(Foto: FNF Cairo)
Auch um die für eine Demokratie unentbehrliche Gedanken- und Meinungsfreiheit und die daraus resultierende
Meinungsvielfalt steht es schlecht, obwohl Artikel 65
der Verfassung sie zumindest offiziell zusichert. Journalisten und Blogger werden in Ägypten seit langem massiv bei ihrer Arbeit gestört, bedroht und eingeschüchtert.
Kritik an der Regierung wird nicht selten mit Freiheitsentzug geahndet. Gerichtsprozesse – wenn sie denn
stattfinden – werden häufig als Farce bezeichnet, wie im
Juni 2014 die Verurteilung von drei Al-Jazeera Journalisten zu jahrelangen Haftstrafen gezeigt hat. Des Weiteren werden – unter fadenscheinigen Begründungen –
immer mehr Fernsehsender und Zeitungsredaktionen
geschlossen. Präsident Al-Sisi lässt währenddessen verlauten, dass die Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit gegenwärtig Vorrang genieße gegenüber dem
Schutz etwa der Meinungs- und Pressefreiheit. Dies hat
unweigerlich Auswirkungen auf die Struktur des öffentlichen Diskurses, die etwa in Formen publizistischer
Selbstzensur, als vorauseilender Gehorsam, bzw. unreflektierter Regierungstreue zum Ausdruck kommt. Auch
der Vorwurf, es sei ein Prozess der Gleichschaltung der
Medien zu beobachten, wird vorgebracht. Die Ausnahme
bildet eine große Anzahl an Bürgerjournalisten, die be-
Rede- und Versammlungsfreiheit sind jedoch unverzichtbare Bestandteile einer funktionstüchtigen, an liberalen Werten ausgerichteten Demokratie, in der alle
Komponenten der negativen und positiven Freiheit garantiert sind. Das Regionalbüro der FNF in Kairo wird
unter anderem vor diesem Hintergrund Ende des Jahres
eine Konferenz organisieren, in deren Rahmen über neue
Gesetzesregelungen bezüglich Nichtregierungsorganisationen in Ägypten gesprochen werden soll. In Kooperation mit der Egyptian Organisation for Human Rights
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ständig Handyvideos ins Netz stellen und somit die unverfälschte Realität im Land zeigen wollen. Staatsmedien auf Regierungslinie auf der einen, Bürgerjournalismus auf der anderen Seite – nur eine von vielen Trennlinien, entlang derer die ägyptische Gesellschaft zutiefst
gespalten ist. Einschränkungen der Meinungsvielfalt
stellen eine Verletzung der Menschenrechte dar, die liberalen Ansätzen in jeder Hinsicht widerspricht. Schon
deswegen sieht die FNF auch hier Handlungsbedarf. Seit
langer Zeit liegt das Augenmerk der Aktivitäten des Regionalbüros in Ägypten auf der Unterstützung von Journalisten und der Förderung von Ausbildungs- und Trainingsprogrammen, vor allem mit der Egyptian Radio and
Television Union als wichtigem Partner.
mit der eingangs angeführten, besorgniserregenden Lage
der Frauen werden die repressiven Maßnahmen des
Staates gegenüber der Bevölkerung in der Regel nicht
mit kulturellem Relativismus gerechtfertigt, sondern mit
Verweis auf den weiterhin proklamierten Anti-TerrorKampf der Regierung. Effekt und Intention sind jedoch
dieselben. Wie der Kulturrelativismus fungiert auch diese Begründung als Scheinargument. Wesensgrund der
repressiven Maßnahmen ist vielmehr der Machterhalt. Es
gilt, unliebsame Stimmen der Kritik und Opposition verstummen zu lassen und dem autokratischen Herrschaftsstil eine Aura der Legitimität zu verleihen. Auf
diese Weise werden im Namen des Kampfes gegen den
Terror und somit vermeintlich im Interesse westlicher
Werte schwere Menschenrechtsverletzungen begangen
– ein Widerspruch!
Welchen Blickwinkel des Menschenrechtsschutzes man
auch immer behandelt: Beide Rechtfertigungen sind
unzulässig. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass Diskriminierung, Gewalt und Ausgrenzung meist in nationalistischen, religiösen oder allgemein in gesellschaftlichen Strukturen eingebettet sind. Dieser Befund macht
die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Wandels in
Ägypten deutlich. Jeder Wandlungs- oder Transformationsprozess beinhaltet zwar die Gefahr, dass Teile der
ägyptischen Gesellschaft liberale Normen erst recht ablehnen, da sie kulturellen Werteimperialismus mächtiger
internationaler Akteure dahinter vermuten. Aber dieses
Szenario darf keine Begründung dafür liefern, diese Prozesse verhindern zu wollen oder sich gegen jeglichen
Austausch über Normen, Werte und politische Zielfunktionen abzuschotten. Was wäre der deutsche oder amerikanische Liberalismus ohne seine Inspirationen aus
England und Frankreich? Ist nicht das Prinzip der
Rechtsstaatlichkeit bereits seit dem antiken Rom bekannt? Sind nicht die ersten demokratischen Erfahrungen im antiken Griechenland gemacht worden? Solchermaßen betrachtet, sind liberale und demokratische
Ideen überall in erster Linie importiert und an die jeweiligen politischen und historisch-kulturellen Rahmenbedingungen angepasst worden. Dies gilt auch im islamischen bzw. arabischen Kontext. Erwähnt sei etwa der
Islamtheologe Muhammad Abduh (1800-1866), der bereits im 19. Jahrhundert versuchte, die islamische
Rechtswissenschaft mit modernen Ideen wie derjenigen
der Demokratie zu verschmelzen. Denn schon immer
taten auch arabische Denker das, was ihre Kollegen aus
anderen Ländern getan hatten und immer noch tun: Sie
wählten aus, sie passten an, sie stellten einen Kontext
Die FNF bringt Vertreter unterschiedlichster Parteien zusammen
(Foto: FNF Cairo)
Darüber hinaus hat das Regionalbüro der Stiftung für die
Freiheit in Kairo dieses Jahr das Projekt „National Dialogue on Climate Change in Egypt“ ins Leben gerufen,
das sich über einen Zeitraum von fünf Jahren mit den
Problematiken des Klimawandels beschäftigen wird. Es
ist das einzige Projekt, welches Vertreter von Parteien
unterschiedlichster ideologischer Ausrichtungen zusammenführt und nach gemeinsamen Lösungsansätzen suchen lässt. Die Gefahren des Klimawandels betreffen alle
Menschen gleichermaßen, unabhängig von ihren ideologischen Standpunkten; dieses Projekt soll daher die
Möglichkeit bieten, trotz aller Konfliktlinien in der Gesellschaft den Wert echter, an der Sache orientierter
Meinungsvielfalt und damit zugleich die Rolle politischer Parteien im demokratischen Wettbewerb zu vermitteln.
Doch im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen in Ägypten kommt es darüber hinaus zu einem
weiteren Paradoxon. Denn anders als im Zusammenhang
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her, führten zusammen. Sie taten dies mit Kreativität,
Leidenschaft und der Überzeugung, dass eine Idee nicht
schon deshalb falsch ist, weil sie aus einer anderen Region, die andere Erfahrungen gemacht hat, kommt. Aber
es ist an den arabischen Akteuren, aufzunehmen und
anzupassen. Um Menschenrechte universell effektiv
werden zu lassen, müssen diese somit in bekannte kulturelle Muster der Region übertragen werden, ohne dass
ihre Substanz dabei verloren geht. Der sudanesischamerikanische Juraprofessor und Menschenrechtsaktivist
Abdullah An-Na’im sagte dazu, nur diejenigen, die einer
jeweiligen Kultur angehören, können auch eine Veränderung von innen herbeiführen. Der Einfluss von Menschenrechten sei eine Frage der Überzeugungskunst,
nicht des Zwangs, eine Frage von kulturellem Wandel,
nicht von Gewalt. Falsch angegangen, können liberale
Ansätze demnach als Imperialismus von Werten aufgefasst werden. Schon, um dies zu verhindern, verfolgt die
FNF-Projektarbeit eine intensive Dialogarbeit mit lokalen
Partnern. Denn die FNF setzt wie ihre Partner darauf,
dass vor dem Hintergrund des menschlichen Potentials
zur Veränderung und Entwicklung an universell gültigen
Menschenrechten und liberalen Werten gar kein Zweifel
bestehen kann.
Dirk Kunze, Projektassistent im Regionalbüro Kairo
Julius Abarbanell, Praktikant im Regionalbüro Kairo
(Student der Islamwissenschaften)
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Kultureller Relativismus und universelle Menschenrechte
Beispiele aus der praktischen Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die
Freiheit aus Westafrika
In unserem europäischen Kulturkreis herrscht weitgehend Einigkeit bei der Auslegung der allgemeinen
Menschenrechte. Aber andere Kulturkreise und Religionen haben ihre eigenen Vorstellungen, wenn es
um den zentralen Begriff der Menschenwürde und
andere in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Rechte geht.
ein. Sie fragte, womit sich die Stiftung für die Freiheit in Senegal beschäftige. Sie beschrieb ihr persöhnliches Engagement für Menschenrechte und
ihre Besorgnis über einen aktuellen Fall aus dem
Norden Nigerias: Die BBC hatte berichtet, dass ein
29-jähriger Wissenschaftler, Mubarak Bala, in der
Provinz Kano in die Psychiatrie eingeliefert worden
war, weil er seiner Familie erklärt hatte, er glaube
nicht an Gott. In Kano, Nigerias meistbevölkerter
Region, wurde im Jahr 2000 islamisches Recht eingeführt. Aminata erklärte in ihrer E-Mail, sie sei
insbesondere darüber besorgt, dass Ärzte sich aufgrund von kulturellem Druck instrumentalisieren
lassen. Ein Arzt in Kano hatte Bala, der keine Anzeichen von Krankheit zeigte, wegen Persönlichkeitsstörungen aufgrund eines „Krankheitsbildes Atheismus“ in die Psychiatrie eingewiesen.
Die Menschenrechtsarbeit in Westafrika stößt unter
dem Vorwand von Selbstbestimmung sowie der vermeintlichen Besonderheit kultureller und religiöser
Werte häufig auf Widerstände. Aus Sicht der FNF
sind die Menschenrechte universell gültig und wir
setzen uns dafür ein, dass sie überall, unabhängig
von den Einflüssen von Kultur gelten. Dies zeigt das
Beispiel unserer Arbeit in Senegal und Côte d´Ivoire:
Ein Fall für den „Observateur“ - Aminata schreibt
an das Büro der FNF in Dakar, Senegal
Im Juli 2014 ging im Büro der FNF in Dakar eine EMail von Aminata, einer senegalesischen Ärztin,
Auch in Senegal kommt es immer wieder zu Fällen
dieser Art, wie Thiéyacine Fall, der Generalsekretär
des Observateur National des Lieux de Privation de
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Liberté (ONLPL), ein Kooperationspartner der FNF,
erklärt. ONLPL ist eine unabhängige Aufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, den Zustand von Gefängnissen, Polizeistationen und psychiatrischen
Einrichtungen und die Behandlung von Festgenommenen kontrollieren und so die Beachtung ihrer
fundamentalen Menschenrechte garantieren soll.
Senegal kam mit der Schaffung der Institution des
ONLPL einer freiwilligen Verpflichtung aus der UNAnti-Folterkonvention nach.
gelungen, auf Missstände wie Folter oder unrechtmäßige Einweisung von Menschen in die Psychiatrie aufmerksam zu machen. Den Empfehlungen des
ONLPL, wie z.B. der Bestrafung der Vollzugsbeamten bzw. Freilassung zu Unrecht eingewiesener Personen, wurde entsprochen, zuletzt im März 2014
im Fall eines Häftlings in der Dakarer Haftanstalt
Rebeuss, wo der Observateur einen Häftling befreien konnte, der sieben Jahre zu Unrecht festgehalten
worden war.
Senegal beweist mit der Einrichtung des Observateur seine Vorreiterfunktion in einer Region wie
Westafrika, wo Menschenrechte insgesamt der
Stärkung bedürfen. Die Institution des Observateur
ist, wie das Beispiel Senegal zeigt, ein erfolgreiches
Modell, Menschenrechte in Westafrika zu stärken.
Gäbe es dies auch in Nigeria, könnte Mubarak Bala,
der wegen seiner nicht gesellschaftskonformen oder
minoritären Einstellung verfolgt wird, seine Freiheit
wiedererlangen. Der Observateur ist ein wichtiges
Instrument, der noch weit verbreiteten kulturellen
Relativierung von Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit entgegenzuwirken.
Thiéyacine Fall, Generalsekretär des Observateur National, bei einer
Veranstaltung in den Räumen der FNF in Dakar
(Foto: FNF Westafrika)
Die FNF in Westafrika unterstützt diesen Ansatz
und will das Besipiel des Observateur aus Senegal
auch in anderen Projektländern der Subregion bekannt machen. In Côte d´Ivoire und Mali existieren
diese Institutionen noch nicht. Die Stiftung wird
den Observateur bei Kontrollbesuchen unterstützen
Der Observateur führt mit einem Team von Richtern, Anwälten, ehemaligen Polizeibeamten,
Psychologen, Ärzten und Vertretern von Menschenrechtsorganisationen Kontrollbesuche unter anderem in Gefängissen, psychiatrischen Einrichtungen
und Polizeistationen durch. Die Organisation kann
von natürlichen und juristischen Personen, aber
auch von Parlamentariern oder dem Präsidenten
angerufen werden und arbeitet in der Praxis eng
mit Organisationen wie Amnesty International zusammen.
Ziel der Organisation ist es, die 223 Gefängnisse,
Polizeistationen und andere Orte des Freiheitsentzugs wie Militärgefängnisse und psychiatrische Einrichtungen in Senegal zu inspizieren. Diese Inspektionsbesuche werden mit Schulungen von Polizei
und Gefängnispersonal sowie Informationsveranstaltungen für Vertreter der Zivilgesellschaft verbunden. Wiederholt ist es der Organisation bereits
Mitglieder des Observateur, Amnesty International und des UNHCR
bei einem Kontrollbesuch im Tambacounda im Südosten Senegals,
Oktober 2014 (Foto: FNF Westafrika)
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sowie Informationsveranstaltungen begleiten, die
die Institution bei der Bevölkerung sowie bei Militär, Polizei und Gefängnispersonal bekannt machen.
Noch in diesem Jahr ist ein Liberaler Donnnerstag
geplant, eine Veranstaltung in den Räumen der
Stiftung in Dakar, wo ONLPL dem Anwaltsverein
sowie Vertretern anderer juristischer Berufe vorgestellt werden soll.
oder Stämme über den Ehegatten entscheiden. Im
Jahr 2000 hat die Afrikanische Union jedoch einem
Zusatzprotokoll zu Frauenrechten zugestimmt, das
im Jahr 2005 in Kraft getreten ist. Das Dokument
enthält Garantien zum Schutz vor unfairer Diskriminierung, Schutz vor Gewalt und schädlichen kulturellen Praktiken wie der Mädchenbeschneidung,
Ehefreiheit und Scheidung, Mitbestimmungsrechte
sowie soziale Rechte. Die Wirklichkeit sieht allerdings oft anders aus.
Liberaler Donnerstag im FNF Büro Abidjan, Côte
d´Ivoire – Dialog zu kulturellen Widerständen gegen die Durchsetzung von Menschenrechten am
Beispiel schädlicher traditioneller Praktiken
Das Beispiel der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Völker zeigt, dass die Tendenz, soziale, kulturelle und historische Eigenheiten des afrikanischen Kontinents institutionell zu verankern
und damit die Gültigkeit der universellen Menschenrechte auszuhebeln, in den vergangenen Jahren zugenommen hat.
Im August 2014 organisierte das FNF-Büro in Abidjan gemeinsam mit der Jugendsektion von Amnesty
International in Côte d´Ivoire einen Liberalen Donnerstag zum Thema der kulturellen Widerstände bei
der Durchsetzung von Menschenrechten. An Liberalen Donnerstagen öffnet die Stiftung ihr Haus für
Kooperationspartner, überwiegend aus dem Menschenrechtsbereich, um den Dialog über aktuelle
Probleme zu fördern und Entscheidungsträger und
Aktivisten zu vernetzen. Amnesty International berichtete über die vor allem in ländlichen Gebieten
noch immer weit verbreitete Praxis der Genitalverstümmelung und der Zwangsverheiratung teilweise
junger Mädchen.
Die Charta geht beispielsweise davon aus, dass die
Inanspruchnahme von Menschenrechten auch
Pflichten gegenüber Familie und Staat mit sich
bringt und nicht, wie nach europäischem Verständnis, jedem Menschen ohne Einschränkungen garantiert ist. So enthält die Afrikanische Charta nicht
das Recht der freien Wahl des Ehegatten (Art. 16
der Allgemeinen Menschenrechtserklärung, Art. 12
der Europäischen Menschenrechtskonvention), da
traditionell in vielen Gegenden Afrikas die Familien
Neben unmenschlichem Leid, dem Infektionsrisiko
und dem Risiko der Ansteckung mit HIV/AIDS haben
diese Beschneidungen unterschiedlichen Grades
langfristige Folgen, die bis hin zu Sterilität oder
zum Tod der Mutter beim Gebähren führen können.
Die FNF arbeitet in Westafrika mit internationalen
und lokalen Partnern wie dem Internationalen Menschenrechtsinstitut Jean Cassin, der UN Stabiliserungsmission in Côte d´Ivoire ONUCI und der Nationalen Menschenrechtskommission von Côte d´Ivoire
CNDHCI daran, dass Zielgruppen wie Justiz, Militär,
Verwaltung, aber auch die ivorische Bevölkerung
besser über Menschenrechte Bescheid wissen und
dazu beitragen, dass ihre Einhaltung auch durchgesetzt wird.
Liberale Dialoge, bei denen auch Tabu-Themen wie
die Genitalverstümmelung diskutiert werden und
die das Ziel haben, solche kritischen Themen auch
Liberaler Donnerstag mit Amnesty International Jugendsektion im FNF Büro Abidjan, Panel (Foto: FNF Westafrika)
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in die Medien zu bringen, tragen langfristig zu einer
Bewusstseinsänderung vor allem junger Menschen
bei.
fach oktroyieren darf. Die Erfahrung zeigt, dass Veränderungen nur im Dialog möglich sind. Das ist der
Ansatz der FNF in Westafrika. Kultur ist lebendig
und ständigen Einflüssen und Veränderungen unterworfen. Wir wollen eine Veränderung hin zu
mehr Freiheit des Einzelnen begleiten und fördern.
Sindou Bamba, Koordinator der Menschenrechtsgruppe RAIDH (Regroupement des Acteurs Ivoiriens
des Droits Humains), ein weiterer Partner der FNF in
Côte d´Ivoire, sagt in einem Interview:
Inge Herbert, Projektleiterin Westafrika
„Nicht nur während der Krise in Côte d´Ivoire ist es
zu massiven Menschenrechtsverletzungen gekommen. Frauen und Kinder waren hiervon besonders
betroffen. Aber auch weiterhin gibt es viele Fälle von
Vergewaltigungen und häuslicher Gewalt, die auch
aufgrund von kulturellen Einflüssen - der Mann ist
„Herr im Haus“ - nicht strafrechtlich verfolgt werden. Das kann sich nur ändern, wenn die Menschen
ihre Rechte kennen und einfordern“. Er führt weiter
aus: „ Menschenrechte sind universell. Afrikaner sind
nicht anders als andere Menschen. Auch die afrikanische Gesellschaft verändert sich. Im modernen
Côte d´Ivoire ist nicht mehr der Mann der „Chef“ der
Familie. In der Praxis geht auch die Frau einer Arbeit
nach und verdient manchmal mehr als er.“
Die Stiftungspräsenz in Subsahara-Afrika
Beschneidungsinstrumente
(Foto: Amnesty International, Jugendsektion Côte d´Ivoire)
Menschenrechte bedeuten Machtbeschränkungen.
Das „Kultur“-Argument wird gern von den Mächtigen und denen, die traditionelle Rollensysteme erhalten wollen, benutzt und für die eigenen Zwecke
instrumentalisiert. Das bedeutet jedoch nicht, dass
Europa die Auslegung von Menschenrechten ein13
Universelle Werte?
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Malaysia: Machterhalt auf Kosten von Grundrechten
Foto: Malaysiakini
15 Jahre nach Ende der unsäglichen Debatte über
„Asiatische Werte“ agieren manche asiatischen Regierungen weiterhin repressiv. Zum Beispiel in Malaysia, wo
die Regierung immer noch Menschenrechte einschränkt.
Angeblich führt Freiheit zu Chaos und Gewalt.
durch Einschränkung von Menschenrechten gelang,
jahrzehntelang an der Macht zu bleiben. Heute, 15 Jahre
nach dem Ende der unsäglichen Debatte über „Asiatische
Werte“, wird die Respektierung der Menschenrechte
nahezu weltweit als politisch korrekt angesehen – auch
in Malaysia.
In den 1990er Jahren, als Malaysias damaliger Premier
Mahathir Mohamad auf der Höhe seiner 22-jährigen
Amtszeit war, war er auch am lautesten: Mahathir vertrat die Ansicht, dass westlicher Imperialismus konstant
bemüht sei, die Entwicklung der Dritten Welt zu unterminieren. Konzepte wie universelle Menschenrechte seien Teil dieses westlichen Imperialismus – eine Methode,
um östliche Regierungen unter Druck zu setzen, zu tun,
was westliche Regierungen wollen. Mahathir sowie seine benachbarten Amtskollegen Lee Kuan Yew in Singapur und Suharto in Indonesien sprachen von
„Asiatischen Werten“, nach denen individuelle Rechte
dem Wohl der Gemeinschaft entgegenstünden. Ihr Kalkül war durchschaubar. Alle drei Regierungschefs waren
Autokraten, denen es auch (vielleicht sogar vor allem)
Nur leider beschneiden malaysische Politiker die Rechte
von Individuen nach wie vor. Und selbst wenn sie sich
nicht mehr explizit auf „Asiatische Werte“ als Rechtfertigung beziehen, so unterscheidet sich ihre Herleitung
de facto kaum: Sie beschwören zumeist die Vorstellung,
dass absolute Freiheit zu Chaos und Gewalt führe, dass
die Bedürfnisse Vieler wichtiger seien als die Bedürfnisse
von Wenigen oder gar des Einzelnen. Die Regierung trage Verantwortung dafür, die Mehrheit zu „beschützen“,
auch wenn dies auf Kosten der Minderheit geht. Die Dynamiken, die Einfluss darauf haben, wann und warum
sich Malaysias Regierung für Repression entscheidet und
wiederholt Menschenrechte verletzt, sind im historischen Kontext zu sehen.
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Universelle Werte?
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men damit begründet, dass sie nicht nur für das Allgemeinwohl gut seien, sondern auch notwendig, um ethnische Interessen und ethnische Beziehungen zu schützen. Darüberhinaus beeinflusst innerparteiliche Politik
ungerechtfertigte Ausübung von Staatsmacht. Rechte
werden nicht nur im Zuge der Bemühung, die herrschende Partei gegen Dissidenten zu schützen, eingeschränkt.
Manchmal geht es auch um den Kampf um innerparteiliche Dominanz. Ein gutes Beispiel dafür ist die Betrachtung der Fälle, in denen die Regierung den Internal
Security Act (ISA) zwischen seinem Erlass 1960 und seiner Aufhebung 2011 angewendet hat. Der ISA war ein
Gesetz, das Inhaftierungen ohne Gerichtsprozess erlaubte.
Malaysias Ex-Premier Mahathir Mohamad ist ein Ideologe, der
glaubt, dass die Vorherrschaft der Malaien in Malaysia energisch
durchgesetzt werden muss (Foto: Malaysiakini)
Als ISA 1960 erlassen wurde, behauptete die Regierung,
das Gesetz werde zur Bekämpfung von Kommunisten
genutzt. Malaysias erster Premier versprach, dass ISA
nicht dazu heranzuziehen, abweichende Meinungen zu
unterdrücken. Allerdings blieb das Gesetz lange nach
Beendigung des kommunistischen Aufstands in Kraft.
1987 wurden im Zuge der Operasi Lalang, der größten
Razzia gegen Politiker und Aktivisten, die Malaysia je
erlebt hat, 106 Menschen ohne Anklage inhaftiert. Hintergrund waren Spannungen im Zuge von Bemühungen
der Regierung, mehr Kontrolle über Schulen auszuüben,
in denen statt auf Malaysisch auf Chinesisch oder in
anderen Sprachen unterrichtet wurde. Politiker verschiedener ethnischer Parteien organisierten Demonstrationen. Der größte Konflikte bestand nicht zwischen Regierung und Opposition, sondern zwischen zwei Regierungsparteien: der (malaiischen) UMNO-Partei und der
(chinesischen) MCA-Partei. Die MCA-Partei brachte
10.000 Menschen zur Unterstützung von Sprachfreiheit
in Schulen auf die Straße. Daraufhin schmiedete die
UMNO-Partei Pläne, eine Gegenkundgebung mit einer
halben Million Teilnehmer zu organisieren. Malaysias
derzeitiger Premier Najib Razak, der damals UMNOJugendchef war, soll gedroht haben, den ‚Keris‘ - also
den traditionellen, malaiischen Dolch - in chinesischem
Blut zu baden. Um „Eskalierung der Spannungen in Gewalt“ zu verhindern, inhaftierte die Regierung 106 Aktivisten und Politiker aus dem Oppositions- und Regierungslager. 40 von ihnen wurden zwei Jahre lang ohne
Anklage in Haft gehalten. Die Regierung argumentierte,
dass dieses Vorgehen begründet und notwendig sei – es
sei unerlässlich, die Rechte einiger Weniger zu beschneiden, um Frieden und Harmonie für den Rest der Bevölkerung zu gewährleisten.
Ethnische Parteien dominieren
1957 erlangte das damalige Malaya die Unabhängigkeit
von Großbritannien und wurde 1963 mit der Aufnahme
von Sabah, Sarawak und Singapur (welches 1965 von
der Föderation wieder ausgeschlossen wurde) zu Malaysia. Malaysias gegenwärtig regierende Koalition, die Barisan National (Nationale Front), ist seit der Unabhängigkeit an der Macht. Malaysias Bürger haben also nie
eine andere Regierung als die derzeitige gekannt. Die
Nationale Front besteht hauptsächlich aus ethnischen
Parteien, die die größten ethnischen Gruppen des Landes
repräsentieren: ethnische Malaien (50.4%), Chinesen
(23.7%) und Inder (7.1%). Eine Vielzahl anderer indigener Gruppen und eine Mischung weiterer Ethnien machen den Rest der Bevölkerung aus. Innerhalb der Nationalen Front Koalition hat die Partei das Sagen, die die
Malaien, also die größte ethnische Gruppe, vertritt: die
UNITED MALAYS NATIONAL ORGANISATION (UMNO). Die Dominanz ethnischer Parteien hat sich erheblich auf Malaysias soziale und politische Landschaft ausgewirkt. Auch
wenn sich dies mittlerweile ein wenig ändert, so haben
Oppositionsparteien historisch nie bedeutende Wahlerfolge erzielt.
Die größten politischen Spannungen während Malaysias
prägender Jahre traten nicht zwischen Regierung und
Opposition auf, sondern zwischen den unterschiedlichen
ethnischen Parteien innerhalb der Regierungskoalition.
So drehte sich der vorwiegende politische Diskurs über
viele Jahrzehnte hinweg um Probleme der ethnischen
Beziehungen anstatt um unterschiedliche politische Ideologien. In Malaysia werden viele repressive Maßnah-
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Universelle Werte?
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SOSMA statt ISA: Alter Wein in neuen Schläuchen
Mehr als 20 Jahre später, im September 2008, wurden
in Malaysia immer noch politisch engagierte Menschen
auf Grundlage des ISA verhaftet: der Blogger Raja Petra
Kamarudin, die Oppositionspolitikerin Teresa Kok und die
Journalistin Tan Hoon Cheng. Die ersten beiden wurden
verhaftet, weil sie angeblich den Islam und die Malaien
beleidigt hätten. Tans Fall war besonders interessant, da
sie dafür inhaftiert wurde, Bemerkungen eines UMNOPolitikers (Ahmad Ismail) veröffentlicht zu haben, der
sagte, dass die Chinesen in Malaysia sich so entwickeln
würden wie die Juden in Amerika und nun, da sie die
Wirtschaft kontrollierten, nach politischer Kontrolle
streben. Er bezeichnete die Chinesen außerdem als Immigranten und Landbesetzer, die keine Gleichberechtigung verdient hätten. Die Öffentlichkeit war perplex
darüber, warum Tan verhaftet wurde, während gegen
Ahmad keinerlei Schritte unternommen wurden. In einer
der bizarrsten Rechtfertigungen, die die Regierung je
machte, sagte der für die Polizei verantwortliche Minister, Syed Hamid Albar, dass Tan zum Schutze ihrer eigenen Sicherheit verhaftet worden sei, da Drohungen ge-
gen sie vorlägen. Ein weiterer interessanter Aspekt dieser Verhaftungen liegt in der damaligen politischen Atmosphäre. Der seinerzeitige Premierminister Abdullah
Badawi galt vielen UMNO-Politikern als zu weich. Abdullah verbuchte sechs Monate nach den Verhaftungen
den größten Wahlverlust in der Geschichte der Regierungskoalition. Nach starkem Druck innerhalb UMNOs –
nicht unwesentlich von Abdullahs Vorgänger Mahathir
betrieben – trat der Premier schließlich zurück. Er wurde
durch Najib Razak ersetzt, der bis heute Premier ist.
Najib gab im Jahr 2011 öffentlichem Drängen nach und
hob den Internal Security Act auf. Allerdings führte Najib
den Security Offences Special Measures Act (SOSMA)
ein. Dieser erlaubt immer noch Inhaftierungen ohne
Gerichtsverfahren. Der Austausch von ISA durch SOSMA
ist demnach leider alter Wein in neuen Schläuchen.
Zudem ist der Emergency Ordinance and Dangerous
Drugs Act von 1952 weiterhin in Kraft, der ebenfalls
Verhaftungen ohne Gerichtsverfahren möglich macht.
SOSMA ist bislang noch nicht verbreitet angewendet
worden. Die Regierung hat in jüngster Zeit eine andere
Lieblingswaffe: den Sedition Act von 1948. Das Gesetz
stellt „Aufwiegelung“ oder „Volksverhetzung“ unter
Strafe. Auch wenn es glücklicherweise keine Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren ermöglicht, so birgt das
Gesetz doch eine Vielzahl anderer Probleme. Eines der
größten ist die extrem vage Definition von
„Volksverhetzung“ im Sinne dieses Gesetzes. Das Gesetz
definiert Verhaltensweisen als volksverhetzend, die tendenziell „Hass, Verachtung, oder Unzufriedenheit gegenüber Führern oder Regierung erregen“ oder
„Unzufriedenheit oder Missbehagen schüren" oder
„Gefühle von Missgunst und Feindseligkeit zwischen
verschiedenen Rassen oder Klassen der malaysischen
Bevölkerung fördern“. Das Gesetz bietet keine konkreteren Richtlinien im Hinblick darauf, wie Hass, Verachtung, Missbehagen, Missgunst, Feindseligkeit etc. zu
messen sind. Je nach Auslegung dieser Begriffe können
mindestens die Hälfte aller Äußerungen, die in sozialen
Medien über Malaysias Regierung getätigt werden, als
volksverhetzend erachtet werden. Der unangemessen
weite Spielraum, den Behörden dabei haben, etwas als
volksverhetzend zu klassifizieren, ist wahrlich besorgniserregend.
Allein in diesem Jahr sind bislang mehr als ein Dutzend
Politiker und Aktivisten aufgrund des Sedition Acts verhaftet worden, die meisten in den Monaten August und
September. Es ist kein konsistentes Muster zu erkennen.
Malaysias Ex-Premier Abdullah Badawi und sein Nachfolger Najib
Razak gerieten unter Druck von Hardlinern in ihrer UMNO-Partei
(Foto: Malaysiakini)
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Universelle Werte?
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Die große Mehrheit der Verhafteten war allgemein regierungskritisch. Aber es gab auch ein paar symbolische
Verhaftungen von Personen, die die Regierung unterstützen, dabei allerdings rechts von ihr stehen. Die angeblich volksverhetzenden Bemerkungen variieren ebenfalls stark. Einer der Verhafteten, Ali Abdul Jalil, hatte
auf Facebook geschrieben, dass ein Sultan kein Gott sei.
Ein anderer, RSN Rayer, beschrieb in einer regionalen
Parlamentssitzung die UMNO-Partei in vulgärer Weise.
Ein Juraprofessor, Azmi Sharom, wurde aufgrund einer
juristischen Einschätzung verhaftet, die er Monate zuvor
gegeben hatte. Wong Hoi Cheng wiederum wurde in
Arrest genommen, weil er Malaysias Polizeichef auf
Twitter mit Heinrich Himmler verglichen hatte. Da ähnliche Bemerkungen tagtäglich von vielen Malaysiern gemacht werden, legt das Fehlen eines konsistenten Musters bei Verhaftungen nahe, dass die Autoritäten willkürlich entscheiden, auf wen sie das Gesetz anwenden.
Viele malaysische Aktivisten und internationale Beobachter charakterisieren die Verhaftungen als eine Art
Schleppnetz, das Dissens und Meiningsfreiheit eindämmen soll. Möglicherweise sei die Verhaftungswelle auch
im Lichte der schlechteren Ergebnisse der Regierung bei
den jüngsten Wahlen zu sehen. All diese Beobachtungen
sind größtenteils zutreffend, aber eine tiefere Analyse
mag besser kontextualisieren, was gerade in Malaysia
geschieht.
Im April 2012 demonstrierten Zehntausende Malaysier für
saubere Wahlen. Die Kundgebung war nicht genehmigt,
Sicherheitskräfte schritten ein (Foto: Malaysiakini)
Ex-Premier Mahathir zieht weiter Fäden
1987 gingen Risse innerhalb der Regierungskoalition der
Operasi Lalang voraus. 2008, als Premier Abdullah innerparteilich unter Druck stand, kam es nach vielen Jahren
wieder zu einer Welle von ISA-Verhaftungen. 2014 sind
die Umstände ähnlich gelagert. Nicht nur die Dynamik
zwischen Regierungs- und Nichtregierungsakteuren hat
zu dem Anstieg menschenrechtsunterdrückender Maßnahmen geführt, auch Spannungen innerhalb des
Machtapparates. Seit den Wahlen 2013 steht Premier
Najib – der im Vergleich zu den vielen Hardlinern seiner
UMNO-Partei relativ liberal ist – unter immensem Druck
seitens noch weiter rechts stehender Faktionen seiner
Partei. Der harte Ex-Premier Mahathir - mittlerweile 89
Jahre alt und eigentlich seit elf Jahren in Rente – hat
weiterhin beträchtlichen Einfluss. Er führt seine Gewohnheit, seine Nachfolger schlecht zu machen und
anzufeinden, fort.
rend seiner Amtszeit als Premierminister wurde ISA zum
ersten Mal als Machtinstrument, ja beinahe als Waffe
sichtbar, die nicht nur der Regierung, sondern den ethnischen Malaien insgesamt zur Verfügung stand. Mahathir beeinflusste über die Jahrzehnte viele dahingehend,
Verhaftungen ohne Gerichtsverfahren als ein Instrument
anzusehen, jegliche Bedrohung der malaiischen Vorherrschaft zu kontrollieren. In Wahrheit geht es um die Vorherrschaft der UMNO-Partei. Damit eine Waffe abschreckt, muss sie hin und wieder eingesetzt werden.
Mahathir und andere Rechte innerhalb UMNOs waren
offensichtlich enttäuscht, als Premier Najib 2012 versprach, den Sedition Act aufzuheben. Der Druck von
Hardlinern scheint Erfolg zu haben: Zwei Jahre später ist
der Sedition Act nicht nur immer noch gültig, er wird
sogar vermehrt angewendet. Dies ist ein Sieg von UMNO
-Hardlinern, die das Gesetz als lebensnotwendiges Instrument malaiischer Machterhaltung ansehen. Premier
Najib kann dabei gewissermaßen nur verlieren: Entweder
bricht er sein Versprechen, das Gesetz abzuschaffen –
oder er verliert gegenüber rechtsgerichteten Kräften in
seiner Partei an Boden, die ihn abzusetzen versuchen. Es
ist kein Zufall, dass sich Verhaftungen wegen angeblicher Volksverhetzung vor UMNOs jährlicher Generalversammlung im November häuften. Hardliner innerhalb
von UMNO werden sich mit ihrer Fähigkeit brüsten können, Regierungsmuskeln spielen gelassen zu haben, um
ethnische Interessen zu schützen.
Mahathir ist ein Ideologe, der aufrichtig glaubt, dass
UMNOs Stärke und die Vorherrschaft der Malaien in
Malaysia energisch durchgesetzt werden müssen. Wäh-
Außer Inhaftierungen ohne Gerichtsverfahren und der
willkürlichen Anwendung menschenrechtsverletzender
Gesetze gibt es viele weitere Methoden, mit denen die
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malaysische Regierung Grundrechte und Grundfreiheiten
einschränkt. Für Radio-, Fernseh- und Printmedien gibt
es keine Pressefreiheit. Einschränkungen werden
dadurch gewährleistet, dass die einzigen Unternehmen,
die notwendige Medienlizenzen erhalten, vollständig
Eigentum von Regierungsparteien sind. Malaysia hat
extrem strenge Vorschriften bei öffentlichen Kundgebungen. Ein weiteres Beispiel für die Einschränkung von
Grundrechten sind kontinuierliche Manipulationen des
Wahlsystems, die die Chancen der Regierung erhöhen.
Malaysia hat ein Sodomie-Gesetz, das Homosexualität
kriminalisiert. In der Praxis scheint es nur gegen Oppositionsführer Anwar Ibrahim instrumentalisiert zu werden.
wendet werden soll. Damit soll der Staat eine extrem
hohe Hemmschwelle haben, wenn es um das Beschneiden individueller Freiheiten geht. In Malaysia werden
heutzutage solch grobe Ungerechtigkeiten begangen,
dass philosophisch nuancierte und komplexe Argumente
dahingehend, wo die Grenzen zwischen individuellen
Rechten und Gruppenrechten zu ziehen wären, hier
müssig sind.
Das Internet als Plattform für einen ehrlicheren öffentlichen Diskurs hat den Bemühungen, ein rechtebewussteres Malaysia zu schaffen, außerordentlich geholfen –
und zwar trotz der Anstrengungen der alten Garde, ihre
Machtausübung zu erhalten. Auch wenn es noch viele
Minenfelder gibt, so scheinen die Malaysier zunehmend
mutiger vorwärtszuschreiten und einen Raum zu schaffen, in dem fundamentale Freiheiten Vorrang haben vor
engstirnigen politischen Interessen.
Macht auf Kosten von Grundrechten
Einige dieser Fälle spiegeln traditionelle Einschränkungen durch einen Staat wider, der fest entschlossen ist,
seine eigene Macht auf Kosten von Grundrechten und
Freiheit zu erhalten. Andere Fälle von Unterdrückung
scheinen eher interne, politische Kämpfe zu sein. Es gibt
ein malaiisches Sprichwort: Wenn Elefanten kämpfen,
sterben die Zwergböckchen dazwischen („bila gaja bertempur, kancil mati di tengah“). Auch wenn es verlockend ist, stets ein unkompliziertes Bild von tyrannischen Regierungen zu zeichnen, die ihr Volk unterdrücken, so macht effektiver Aktivismus es manchmal nötig, die vielen Blickwinkel und Wurzeln eines Problems
anzuerkennen. Lokale Menschenrechtsaktivisten können
gewöhnlich kaum Druck auf die malaysische Regierung
ausüben. Die Reaktion der Regierung auf Kritik ist normalerweise, mit übergeordnetem Interesse der Gesellschaft zu argumentieren und Aktivisten ansonsten zu
ignorieren. Malaysias Regierung reagiert allerdings
durchaus auf internationale Kritik. Die Gefahr, internationales Ansehen zu verlieren sowie Gesichtsverlust zu
erleiden, scheint zu den wenigen Aspekten zu gehören,
die die Regierung ernst nimmt.
Nathalien Tan ist Publizist in Kuala Lumpur, Malaysia
Die malaysische Zivilbevölkerung beruft sich im Kampf
gegen die vielen Ungerechtigkeiten im Land selten auf
die alte, überholte Debatte um universelle Menschenrechte und „Asiatische Werte“. Ein Festhalten an einem
so genannten „Naturrecht“ mag eine akkuratere Beschreibung des moralischen Rahmens sein, auf den sich
diejenigen berufen, die sich für einen besseren Schutz
fundamentaler Rechte in Malaysia einsetzen. Dieses
Konzept der natürlichen Gerechtigkeit befördert Ansichten wie die, dass jedes Individuum das Recht auf einen
gerechten Prozess haben soll. Es besagt zudem, dass das
Gesetz einheitlich ohne Angst oder Begünstigung ange-
Karte: TUBS / Wikimedia
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Universelle Werte?
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Lateinamerika: Wertediskussionen im Spagat zwischen
indigener Selbstbestimmung und handfesten
Eigeninteressen lokaler Eliten
In den meisten Ländern des mittel- und südamerikanischen Festlandes herrscht ein bunter Mix von indianischer und hispanischer Kultur. Oft bilden Mestizen, also
Mischlinge von Einwanderern und indigenen Bürgern,
die größte Bevölkerungsgruppe. Der Katholizismus ist die
vorherrschende Religion, die urbane „Leitkultur“, die von
den noch immer häufig spanisch geprägten Eliten bestimmt wird, ist Europa sehr nah und zumindest in Zentralamerika ist der kulturelle Einfluss der USA groß. Die
dominierenden Landessprachen sind so gut wie überall
Spanisch oder Portugiesisch. Natürlich gibt es gewaltige
kulturelle Gefälle zwischen arm und reich, ruraler und
urbaner Bevölkerung. Doch nach Nordamerika ist Lateinamerika wohl durch seine koloniale Vergangenheit die
Weltregion mit der größten Wertenähe zu Europa. Die
Dichotomie „Westliche Werte“ – „Lokale Werte“ greift
also nicht, weil große Teile Bevölkerungsteile Lateinamerikas Europa und die USA als (ambivalente) Bezugspunkte empfinden und Europa für viele zumindest einen
Teil der eigenen Familiengeschichte repräsentiert.
ländlichen Bevölkerungsgruppen oft konservativer eingestellt sind als die urbane Mittelschicht. Aus liberaler
Sicht ist jedoch enttäuschend, dass gesellschaftspolitische Fortschritte vor allem mit der konservativen, katholischen, sich häufig selbst als liberal bezeichnenden Elite
nicht zu machen sind. Aus liberaler Sicht positive gesellschaftspolitische Entwicklungen gehen fast ausschließlich von der Linken aus. Homoehe, Abtreibung, Entkriminalisierung von Cannabis: es waren linke Regierungen in
Ländern wie Argentinien oder Uruguay, die hier für Fortschritt gesorgt haben.
Parallel dazu gibt es noch echte Klassenkampfrhetorik
gegen die imperialistischen USA und Kapitalisten im
Allgemeinen (was die Chavez` des Kontinents allerdings
nie davon abgehalten hat, ihr Erdöl weiter an den Klassenfeind zu verkaufen). Das alles erinnert an die Diskurse
in Europa vor 40 Jahren und auch von sozialistischer
Seite selbst wird das partielle kulturelle Erbe Europas
nicht bestritten. Wie könnten sie auch! Der für die
„bolivarische Revolution“ in Venezuela namensgebende
Befreiungsheld Simón Bolívar (1783-1830) entstammte
selbst einer reichen Mestizenfamilie und Che Guevara
war Argentinier mit europäischen Wurzeln aus bürgerli-
Die Trennlinie verläuft anderswo: konservativtraditionell und katholisch gegen fortschrittlich-modern.
Es ist in der Tat so, dass die indigeneren und ärmeren
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Universelle Werte?
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Es berichtet hierzu Edwin Xol, der selbst einen Indigena
-Background hat. Er hat an der Universidad Francisco
Marroquín (Guatemala) Business Administration studiert
und an den Universitäten Francisco de Vitoria und Rey
Juan Carlos (Madrid) ein Aufbaustudium im Fach
“Politisches Handeln und Bürgerbeteiligung” absolviert.
Er sieht wenig Spezifisches in den Auseinandersetzungen, sondern beschreibt sie nüchtern als Folge schwacher staatlicher Institutionen, die mit dynamischen gesellschaftlichen Prozessen überfordert scheinen. Hier
seine Analyse:
Der Fall Guatemala
Die Häufigkeit und Intensität der Proteste indigener
Gruppen gegen den Abbau natürlicher Ressourcen, insbesondere gegen den Bergbau, ist Grund zur Sorge für die
Regierung und die Unternehmen Guatemalas.
Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen
(Foto: Álvaro Herraíz San Martín, Flickr)
chem Hause.
Oft werden diese Proteste diskreditiert. Einerseits wird in
Frage gestellt, ob sie tatsächlich von den einzelnen Gemeinden unterstützt oder lediglich von selbst ernannten
indigenen Führungskräften oder Anführern inszeniert
werden. Andererseits wird behauptet, das Interesse dieser
Elite sei nicht unbedingt an den tatsächlichen Schutz
natürlicher Ressourcen gekoppelt, sondern vielmehr an
das Ziel, mit der Regierung Gegenleistungen auszuhandeln bzw. von der internationalen Gemeinschaft Entwicklungsgelder zu erhalten. Dieser Artikel soll hinterfragen,
ob die Zunahme der Proteste nur anhand der Suche nach
Vorteilen durch die eigens ernannten Führungskräfte erklärt werden kann. Selbst wenn die Zweifel teilweise begründet sind, scheint die Zunahme der Proteste vielmehr
an einen tiefgreifenden Wandel der guatemaltekischen
Gesellschaft gekoppelt zu sein. Der Wechsel steht im Zusammenhang mit dem Auftreten einer Gesellschaftsgruppe, die über ein definiertes politisches Bewusstsein verfügt, deren Vision - insbesondere hinsichtlich natürlicher
Ressourcen - nicht in das derzeitige institutionelle Gerüst
zu passen scheint.
Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es
ethnische Traditionen gibt, die mitunter mit dem Zivilrecht der lateinamerikanischen Staaten in Konflikt stehen. Der kulturellen und kosmologischen Dimension von
Landbesitz in Indigena-Kulturen beispielsweise wird aber
kaum die häufig auf den Gegensatz von Privat- und Gemeineigentum verkürzte Diskussion um Eigentumsrechte
gerecht. Während linke Gruppen aus solchen Besonderheiten politisches Kapital zu schlagen versuchen und die
Indigenas häufig für ihre Gesellschaftskritik instrumentalisieren, stehen Liberale für die Prinzipien Selbstbestimmungsrecht und Subsidiarität ein. Den Indigenas
wäre deshalb mit konsequent liberaler Politik, die den
Menschen vor allem Selbstbewusstsein und Würde verleiht, wesentlich besser gedient als mit dem - manchmal
ja durchaus gutmeinenden - Paternalismus linker Unterstützergruppen. Und auch wenn indigene Völker in ihrer
Gesamtheit manchmal kollektivistischer denken mögen,
sollten sich Liberale davor hüten, das Individuum aus
dem Auge zu verlieren. Viele junge Indigenas arbeiten
heute genauso selbstverständlich als Webdesigner oder
Anwälte in den liberaleren Großstädten und genießen
ihre individuellen Freiheiten dort wie jeder andere auch.
Die institutionelle Krise
In seinem Werk “Political Order in Changing Societies”
beschreibt Samuel Huntington die Effekte des Auftretens
neuer gesellschaftlicher Gruppen in Ländern mit schwierigen institutionellen Rahmenbedingungen die in Chaos,
Gewalt und sozialer wie politischer Instabilität münden.
Seine Feststellungen beschreiben genau die derzeitige
Situation Guatemalas.
Als Beispiel für die realen und manchmal auch künstlich
aufgebauschten Konflikte von lateinamerikanischen
Staaten mit ihren eigenen Indigena-Völkern gilt Guatemala, das prozentual eine der größten indigenen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika beheimatet und für
sich selbst als „Herz der Maya-Welt“ wirbt.
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Universelle Werte?
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Huntington analysiert und begründet die Unordnung von
Ländern, die sich in Modernisierungsprozessen befinden,
mit der nicht vorhandenen Fähigkeit politischer Institutionen, auf die sich häufenden Forderungen von heterogeneren und komplexen Gesellschaften adäquat zu reagieren. „Was ist der Grund für Gewalt und Instabilität?“,
fragt sich der Autor. „Die herausragende These ist, dass
sie als Konsequenz schneller sozialer Veränderungen und
politischer Mobilisierung neuer Gruppen - einhergehend
mit der langsamen Entwicklung politischer Institutionen
- entstehen. [...] Während soziale Mobilisierung und politische Beteiligung ihren Höhepunkt erreichen, verhalten
sich politische Organisationen und Institutionen träge.
Das Ergebnis sind Instabilität und Chaos.“ So kann die
steigende soziale Konfliktivität in Guatemala nicht nur
auf externe Faktoren zurückgeführt werden, sondern
auch als eine Krise der Institutionen des guatemaltekischen Staates verstanden werden.
in Gemeinschaftsversammlungen getroffen werden. So
sprechen wir hier von einem durch Eliten vorangetriebenen Instrument, das in den lokalen indigenen Gemeinschaften aber durchaus Zuspruch findet. Diese wachsende Verbindung zwischen Eliten und Gemeinschaften an
der Basis der Gesellschaft führt zusammen mit der Förderung des Bergbaus durch die guatemaltekische Regierung
zu intensiveren und häufigeren Protesten.
Der unaufhaltsame Wandel der Institutionen
Welche Antworten gibt es auf die Instabilität, die sich aus
dem Widerstand indigener Völker gegen den Abbau natürlicher Ressourcen, insbesondere gegen den Bergbau
ergibt? Wenn die Konflikte lediglich mit der Absicht von
Eliten in Zusammenhang stünden, könnten die Proteste
durch die Sicherheitskräfte zurückgedrängt werden.
Wenn die Proteste jedoch aus einem tiefgreifenden sozialen Wandel hervorgehen, wie dieser Artikel andeutet,
hätten solche Maßnahmen eine kurzfristige und begrenzte Wirkung. Eine langfristige Lösung setzt die Revision
und Anpassung des institutionellen Rahmens voraus - ein
schmerzhafter Prozess, dem permanent aus dem Weg
gegangen wird.
Die indigenen Völker - in Guatemala hauptsächlich Mayas - haben in den letzten drei Jahrzehnten vielleicht am
stärksten neues Selbstbewusstsein hinsichtlich ihrer
Identität und ihrer politischen Macht getankt. Ihr Auftreten (oder Wiederauftreten) führt zu Auseinandersetzungen mit einem Staat in einem anderen Kontext und mit
Institutionen, durch die sich diese Gruppierung nicht repräsentiert fühlen. Die Hauptursache der Auseinandersetzungen zwischen indigenen Völkern und den Institutionen des heutigen Guatemalas konkretisieren sich im
Abbau natürlicher Ressourcen.
David Henneberger, Projektleiter Zentralamerika
Die Stiftungspräsenz in Lateinamerika
Die Auseinandersetzung im Bereich natürlicher Ressourcen
Die indigenen Völker Guatemalas - wie andere Ureinwohner auch - schreiben der Erde einen ehrwürdigen Charakter zu. Diese Ansicht spiegelt sich auch in ihrer Haltung
gegenüber dem Abbau natürlicher Ressourcen, insbesondere im Bergbau-Bereich: sie lehnen häufig jegliche
Bergbau-Aktivitäten völlig ab oder bestehen mindestens
auf ihrer Forderung des Rechts auf Konsultation vor Genehmigung von Bergbau-Projekten auf ihren Ländereien.
Und genau dieses Konsultationsrecht wird häufig von
Interessengruppen missbraucht. Es handelt sich hierbei
um lokale Eliten mit einer eigenen politischen und wirtschaftlichen Agenda. Das heißt im Umkehrschluss aber
nicht, dass es nicht auch positive Fälle gäbe, in denen die
Konsultation lebendiger Ausdruck lokaler Kulturen ist, in
welchen die Entscheidungen, die das Kollektiv betreffen,
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Universelle Werte?
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Griechenland: Zurück zu alten Werten!
Für viele Menschen, insbesondere die freiheitlich-liberal
gesinnten, sind die Begriffe „Griechenland“ und
„Demokratie“ untrennbar miteinander verbunden. Seit
dem Geschichtsunterricht der Mittelstufe wissen wir,
dass die Agora als zentrale Versammlungsstätte der Polis
sozusagen die Urform basisdemokratischer Entscheidungsfindung darstellt. Bei Homer galt das Fehlen einer
Agora, also der Möglichkeit zur unmittelbaren Bürgerbeteiligung an der politischen Willensbildung, sogar als
Anzeichen für Recht- und Gesetzlosigkeit. Kaum ein Geschichtslehrer, vor allem mit humanistischer Grundprägung, der beim Gedanken an die Ursprünge der Demokratie im alten Griechenland nicht ein Funkeln in den
Augen bekommt.
dass den modernen Griechen die politischen und gesellschaftlichen Ideale ihrer Vorfahren abhandengekommen
zu sein scheinen, während das architektonische wie intellektuelle Erbe auch heute noch überall präsent ist.
Anders als ihre Bauten oder Heldenepen haben die politischen Werte der alten Griechen die Jahrtausende nicht
überdauert: Aktive Teilhabe am politischen Prozess ist in
der heutigen Hellenischen Republik weder stark ausgeprägt, noch von einem Großteil der Bevölkerung überhaupt gewünscht. Vier Jahrzehnte der Zweiparteienherrschaft – in einem parlamentarischen System wohlgemerkt! – haben ihre Spuren in der griechischen Seele
hinterlassen: Politik dient dem Verteilen von Pfründen
und falls man zu einem erlauchten Kreis gehört, dann
nimmt man daran teil; wenn nicht, dann hält man sich
davon so fern wie nur möglich.
Das moderne Griechenland ist stolz auf sein kulturelles
Erbe. Nahezu jeder Grieche kann die wahrlich nicht immer leicht zu durchschauenden Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der griechischen Götterwelt herunterbeten und zeigt sich geradezu erschüttert ob des Unwissens, wenn sein Gegenüber nicht mit den Unterschieden
zwischen Homers Ilias und Hesiods Theogonie vertraut
ist. Und auch wenn mittlerweile erwiesen ist, dass die
Wiege der Menschheit in Afrika stand, so ist und bleibt
Griechenland die Wiege der Zivilisation. Von hier aus
traten universelle Werte - so es sie denn gibt – ihren
Siegeszug rund um den Globus an. „Die Demokratie ging
vom griechischen Demos aus“, ist für jeden Griechen,
der etwas auf sich hält, unumstößliches Dogma.
Politische Bildung als Mittel zur Teilhabe
Vier Jahrzehnte der Alleinregierung konservativer oder
sozialistischer Parteien führten nicht nur zu einer zunehmenden Desillusionierung der Gesellschaft, sondern
auch zu einem Verlust innerparteilicher Demokratie. Die
langjährige Fokussierung auf Führungspersonen und familien – wie etwa auf konservativer Seite die Karamanlis- und Mitsotakis-Clans oder die PapandreouFamilie bei den Sozialisten – hat dafür gesorgt, dass sich
Parteimitglieder lieber hinter charismatischen Persönlichkeiten sammeln als selbst aktiv die Parteipolitik mitzugestalten. Dies zeigte sich während des radikalen
Wandels der Parteienlandschaft im Nachgang der euro-
Es ist umso bedauerlicher – geradezu ein Dilemma –,
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päischen Wirtschafts- und Währungskrise nicht nur innerhalb der beiden großen Volksparteien Nea Dimokratia
und PASOK. Das Phänomen politischer Unmündigkeit,
das auf Dauer die politische Kultur eines jeden Landes
zersetzen würde, ist in Griechenland durch das gesamte
Parteienspektrum hindurch stark ausgeprägt.
Die „Freunde der Freiheit“
Da das Wort „Liberalismus“ dem Lateinischen entstammt, es im Griechischen jedoch nur wenige Lehnwörter lateinischen Ursprungs gibt, heißt Liberalismus auf
Griechisch Phileleftherismós (Φιλελευθερισμός). Die
Vorsilbe Phil bedeutet Freund, Elefthería ist die Freiheit.
Liberale heißen auf Griechisch also „Freunde der Freiheit“.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat sich
deshalb zum Ziel gesetzt, jungen reformorientierten
Menschen basisdemokratische Werte zu vermitteln und
somit Entscheidungsprozesse auf Basis von Mehrheitsentscheidungen wieder salonfähig zu machen. Aus diesem Grund lud das Griechenland-Projekt der FNF Ende
September zur „1. Liberalen Jugendkonferenz“ in die
diesjährige Europäische Jugendhauptstadt Thessaloniki
ein, um engagierten Jugendlichen eine Plattform für
Diskussion und demokratische Meinungsbildung zu bieten. „Die Idee hierzu kam uns bei einem Besuch eines
Bundeskongresses der Jungen Liberalen in Deutschland,
als unsere griechischen Teilnehmer wissen wollten, welches Amt denn der Vater des JuLi-Vorsitzenden in der
Partei ausübe“, erinnert sich der für Griechenland zuständige Regionalbüroleiter Hans Stein. „Spätestens da
wurde uns klar, dass es auch bei liberal gesinnten Griechen einen großen Nachholbedarf bezüglich basisdemokratischer Entscheidungsprozesse gibt.“
innerparteilicher Demokratie und basisdemokratischer
Entscheidungsfindung, wie sie in vielen europäischen
Parteien praktiziert und angewandt werden, vertraut
gemacht. Viele der über sechzig Delegierten sahen so
zum ersten Mal in ihrem Leben einen „Leitantrag“, den
sie Zeile um Zeile abändern, ergänzen oder streichen
durften. Um die vier Kapitel „Wirtschaft & Arbeitslosigkeit“, „Bildung & Forschung“, „Europäische Integration“
und „Reform der Verwaltung“ mit Leben und Inhalt zu
füllen, wurden vier Arbeitsgruppen gebildet, in denen
die jeweiligen Probleme erörtert und Forderungs- bzw.
Lösungskataloge erarbeitet wurden. In einer darauf folgenden Plenarsitzung wurden die Vorschläge der Arbeitsgruppen, aber auch Änderungsanträge einzelner
Delegierter, thematisiert, leidenschaftlich diskutiert und
abgestimmt. Ergebnis war eine sechsseitige Abschlusserklärung, die von den Teilnehmern trotz teilweise hitziger
Debatten letztlich einstimmig angenommen wurde.
„Das war eine wichtige Lektion in Sachen demokratischer Teilhabe am politischen Prozess“, war sich Spyros
Pengas, Vizebürgermeister von Thessaloniki und engagierter Mitdiskutant bei den Arbeitsgruppensitzungen,
nach der Konferenz sicher. „Dass dies keine Simulation
war, sondern handfeste reformpolitische Arbeit, macht
das Ergebnis noch bedeutsamer.“
Die Abschlusserklärung, die an alle Abgeordneten des
griechischen Parlaments verschickt wurde, fordert zahlreiche Reformen im wirtschaftlichen Bereich, eine Abkehr vom allgegenwärtigen Staatsinterventionismus, die
Schaffung von Arbeitsplätzen für die von hoher Arbeitslosigkeit geplagte Jugend durch ein investitionsfreundliches Klima sowie Reformen des griechischen Bildungsund Verwaltungssystems. Zudem sprachen sich die Jugendlichen eindringlich für eine pro-europäische Orientierung Griechenlands aus. Entsprechend der zuvor angesprochenen Kultur der „politischen Nicht-Teilhabe“
besitzt aktuell keine der liberalen, reformorientierten
oder zentristischen Parteien einen Jugendflügel, der den
Der Jugendkongress fand im neuen Ratssaal des Rathauses von
Thessaloniki statt. Über sechzig Jugendliche debattierten die
Abschlusserklärung, die auf www.fnf-europe.org heruntergeladen
werden kann. (Foto: FNF Brüssel)
Bei der 1. Liberalen Jugendkonferenz Griechenlands, für
die Oberbürgermeister Yannis Boutaris den Ratssaal der
nordgriechischen Wirtschaftsmetropole zur Verfügung
gestellt hatte, wurden die aus liberalen Studentengruppen, Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen
stammenden Teilnehmer zunächst mit Instrumenten
23
Universelle Werte?
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Anliegen junger Menschen Gehör verschaffen könnte. Es
bleibt zu hoffen, dass die Konferenz als Auftakt zu einer
stärkeren Selbstorganisation griechischer Jungliberaler
fungiert.
Politischer Pluralismus als Fortschrittsmotor
Nicht nur die unmittelbare Teilhabe am politischen Prozess, auch dessen konkrete Ausgestaltung ist nicht mehr
mit dem regen Treiben auf der antiken Agora vergleichbar. Tummelten sich dort zahlreiche Redner und bildeten
mit ihren Äußerungen die verschiedenen Meinungen und
Tendenzen innerhalb der Bürgerschaft ab, so ist der Pluralismus als konstruktives Mittel demokratischer Willensbildung der griechischen Politik verlorengegangen.
Die Agora von Athen datiert auf das 5. Jahrhundert v. Chr.
Sie stellt einen bedeutenden Schritt in der Entwicklung der
attischen Demokratie dar. (Foto: FNF Brüssel)
Trotz einer erstaunlich hohen Anzahl an Parteien lassen
sich deren Standpunkte oftmals dichotom zusammenfassen: man ist entweder für etwas oder dagegen. So
verhält es sich bei der Akzeptanz von Spar- und Reformmaßnahmen, bei der grundsätzlichen Zustimmung zum
Europäischen Integrationsprozess oder bei der vielbeschworenen Verkleinerung des Beamtenapparats. Entweder ist man radikal dafür oder ebenso rigoros dagegen;
eine Mitte gibt es nicht, differenzierte Sichtweisen dringen kaum durch. Während Debatten auf der antiken
Agora größtenteils argumentativ verliefen und auf die
Erreichung eines Konsenses ausgelegt waren, so ging
den modernen Griechen die Fähigkeit zum Kompromiss
verloren.
mehrheitsfähig werden. Pluralismus ist eine zwingende
Voraussetzung für gesellschaftlichen wie politischen
Fortschritt.
Liberale Grundwerte wie Freiheit und Verantwortung
sind Grundpfeiler jeglichen gesellschaftlichen Handelns.
Sie sind zentrale Aspekte bei der Entwicklung offener
Bürgergesellschaften. Ihre Förderung ist umso wichtiger
in einer Gesellschaft, in der aufgrund der zuvor beschriebenen Polarisierung über einen langen Zeitraum
freiheitliche Ideen und Meinungen politisch nicht vertreten wurden. Nicht verwunderlich begegnet in einer
solchen Gesellschaft ein Großteil der Bevölkerung daher
liberalen Ideen ob ihrer vermeintlichen „Radikalität“ mit
großer Skepsis.
Ein Grund hierfür ist zweifellos die wechselvolle Nachkriegsgeschichte des Landes, die die griechische Gesellschaft, und in noch stärkerem Maße die Politik, entlang
einer Kluft zwischen national-konservativen und sozialistischen Überzeugungen spaltete. Dieser systemimmanente Konflikt wurde durch die Akteure des seit dem
Ende der Militärjunta 1974 existierenden Zweiparteiensystems nie überwunden, die 2010 zutage tretende
Staatsschuldenkrise verstärkte die Polarisierung von Gesellschaft und Politik dann nochmals.
Das Engagement der Friedrich-Naumann-Stiftung in
Griechenland ist daher nicht allein auf die Förderung
liberaler Parteien ausgelegt, sondern richtet sich an ein
breites, zivilgesellschaftlich aktives und reformorientiertes Partnerspektrum. Zusätzlich zu der Entwicklung junger, eigenverantwortlich handelnder Menschen ist es
unser Ziel, die Bürgerinnen und Bürger Griechenlands
durch einen stets offenen Dialog und bürgernahe Maßnahmen der politischen Bildung mündig zu machen.
Denn es braucht Mündigkeit und Mut, sein eigenes
Schicksal und das des modernen griechischen Staates in
die Hand zu nehmen und zum Besseren zu wenden. Um
es in den Worten des großen attischen Staatsmanns
Perikles zu sagen: „Das Geheimnis des Glücks ist die
Freiheit. Das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut.“
Es ist augenscheinlich, dass zur Lösung der strukturellen
Probleme Griechenlands tiefgreifende Reformen des
griechischen Staatswesens, aber auch ein Umdenken in
weiten Teilen der griechischen Bevölkerung hin zu mehr
Eigenverantwortung und weniger staatlicher Intervention notwendig sind. Nur in einer pluralistischen Gesellschaft können verschiedene Meinungen und alternative
Lösungs- und Reformvorschläge entwickelt, in den öffentlichen Diskurs eingebracht und gegebenenfalls
Markus Kaiser, Programm Manager Griechenland
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Universelle Werte?
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Ukraine: Die Revolution der Menschenwürde
Foto: Taisia Stezenko, Korrespondent.net
Rechtsexperte am Kiewer Rasumkov-Zentrum und
ehemaliger Vize-Vorsitzender der Werkhovna Rada, Dr.
Volodymyr Viatrovytsch, seit März 2014 Vorsitzender
des Ukrainischen Instituts für Nationales Gedächtnis,
und Professor Andreas Wirsching, Direktor des
Münchner Instituts für Zeitgeschichte.
1989 verschoben sich die Koordinaten der Weltpolitik.
Europa erlebte einen gewaltigen Zuwachs an politischer,
gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Freiheit. Die ostmitteleuropäischen und südosteuropäischen Länder haben diesen Wandel auf unterschiedliche Weise und in
unterschiedlichem Tempo vollzogen. In der Ukraine gestaltete sich die Transformation besonders schwierig. So
kam es dort 2014 zur mittlerweile dritten Revolution.
Eingeleitet wurde die Diskussionsrunde mit einem Impulsvortrag von Professor Wirsching, der mit seinem
2012 erschienenen Buch „Der Preis der Freiheit – Geschichte Europas in unserer Zeit“ eine erste überzeugende zeithistorische Einordnung der revolutionären
Entwicklungen in Mittelosteuropa nach 1989/90 vorgelegt hat. Er bezeichnete die Ukraine als „Brennglas“, in
dem sich gegenwärtig „Europas aufbauende und Europas
zentrifugale Kräfte“ bündelten. Im Einzelnen führte er
vier zentrale Faktoren als „allgemeine Tendenzen der
europäischen Gegenwartsgeschichte“ an: „Erstens die
Universalisierung Europas, zweitens die Renaissance
nationalistischer und regionalistischer Identitäten, drittens die Auseinandersetzungen um die Geschichte und
viertens weltpolitische Gewichtsverschiebungen“. Im
Zusammenspiel dieser Faktoren spitze sich die Lage in
der Ukraine zu. Aber auch die europäische Geschichte
verdichte sich in der Ukraine. Das „europäische Konzept,
Am 10. Oktober lud die Friedrich-Naumann-Stiftung
für die Freiheit im Rahmen der Deutschen Wochen ein,
in Kiew über den „Preis der Freiheit“ zu diskutieren – in
der Parlamentsbibliothek auf der Hruschewski-Straße,
also an dem Ort, in dessen unmittelbarer Nähe die letzte
ukrainische Revolution zwischen dem Kiewer DynamoStadion und dem Europaplatz mit Sergej Nigojan und
Mikhail Zhyznevsky am 22. Januar 2014 ihre ersten Todesopfer forderte, woran die Moderatorin Sabine Adler,
Osteuropakorrespondentin des Deutschlandradio, erinnerte.
Über eben diesen Preis, den Menschen bereit sind, für
den Wandel zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu
zahlen, diskutierten Andrij Ljubka, Schriftsteller und
Journalist aus Uschhorod, Professor Viktor Musijaka,
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v.l.n.r.: Miriam Kosmehl, Deutscher Botschafter Dr. Christof Weil, Andrij Liubka, Volodymyr Viatrovytsch
das sich auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz und kulturelle Pluralität, Menschenrechte und Individualismus gründet“ und das „weltweit
große Anziehungskraft“ ausübe, stehe im Spannungsfeld
mit
„alten
und neuen
Gegenkräften“, wie
„nationalistischen Versuchungen und Antipluralismus,
Irredentismus und geschichtspolitischen Konstruktionen,
am Ende auch militärischer Gewalt“. Für den westlichen
Beobachter sei insbesondere faszinierend, „wie die universalistische Idee Europas und der Europäischen Union
– nachdem sie in West- und in Ostmitteleuropa viel von
ihrem Glanz eingebüßt und viele Enttäuschungen hervorgebracht hat – in der Ukraine eine geradezu umwerfende Anziehungskraft entwickelt“.
politische und industrielle Verflechtung mit Russland
sowie auch materielle Partikularinteressen den Prozess
hin zu Europa verlangsamten.
„War die Gegnerschaft Russlands überraschend?“
Volodymyr Viatrovytsch verwies bei der Beantwortung
der Frage auf einen paradoxen – ungewollten – Effekt:
dass nämlich Russland mit seiner auf Gewalt gestützten
Politik in den letzten Monaten bewirkt habe, dass nun
die ganze Ukraine nach Europa wolle. Gegenwärtig sei in
der Ukraine eine „beschleunigte Version der Gestaltung
als politische Nation“ zu beobachten.
Gibt es eine Ethnisierung des Konflikts?
Den Vergleich mit Jugoslawien wiesen Volodymyr Viatrovytsch und Andri Ljubka zurück. In der Ukraine gehe
es, so Viatrovytsch, um den Widerstreit europäischer
und sowjetischer Werte. Ljubka ergänzte, der Krieg in
der Ukraine habe keine religiösen oder ethnischen Gründe und es werde auch nicht gelingen, daraus einen ethnischen Konflikt zu machen. Die eigentliche Gefahr für
die Ukraine seien gegenwärtig Unruhen und der Verlust
der Staatlichkeit. Ljubka deutete darüber hinaus auf die
Gefahr eines Dritten Majdans gegen die Staatsmacht
hin, falls Reformen nicht umgesetzt würden.
Es folgte eine – durch klar strukturierte Leitfragen der
Moderatorin geleitete – erkenntnisreiche Diskussion. Die
Beantwortung der Eingangsfrage „Warum hat die Ukraine eigentlich so lange gebraucht, um sich für Europa
zu entscheiden?“ fiel den Teilnehmern aber offensichtlich nicht leicht.
Viktor Musijaka, Mitautor der ukrainischen Verfassung
und gegenwärtig Kandidat für die neue Partei Syla
Lyudey (Kraft der Menschen), fasste schließlich zusammen, dass die ukrainische Staatsführung niemals bereit
gewesen sei, darauf hinzuwirken, europäische Kriterien
zu erreichen. Aber der Weg zur Demokratie könne nicht
ganz ohne staatliches Mitwirken beschritten werden.
Zwar formuliere die ukrainische Verfassung, dass der
Mensch und die Freiheit im Zentrum stehen, doch ukrainische Politiker hätten nie die Verantwortung dafür
übernommen, dies auch umzusetzen.
Andreas Wirsching verwies darauf, dass nicht etwa ethnischer Nationalismus den Jugoslawienkrieg befördert
habe, sondern die politisch gewollte Ethnisierung den
Konflikt erst habe eskalieren lassen. Er warnte davor,
dass bestehende Konflikte in der Ukraine ethnisiert werden könnten. Der Balkanvergleich möge zu drastisch
sein, aber fragil sei die gegenwärtige Lage dennoch. Als
Beispiel für eine nicht ungefährliche Zuspitzung führte
er an, dass von den mehreren Hunderttausend Flüchtlingen aus dem Donbass geschätzt etwa die Hälfte nach
Russland und die Hälfte in andere Teile der Ukraine geflohen seien.
Andreas Wirsching verwies auf die Traditionen der nationalstaatlich verfassten Demokratien vor 1939, an die
die Menschen in Ostmitteleuropa und den baltischen
Staaten anknüpfen konnten – und die der Ukraine fehlen. Umso gewaltiger sei der Schritt in die ukrainische
Unabhängigkeit 1991 gewesen. Es sei nicht überraschend, dass die geopolitische, wirtschaftliche, energie-
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„Müssen sich die Ostukrainer entscheiden, ob sie zur
Ukraine gehören wollen?“
Die ukrainischen Diskutanten verneinten dies. Der Kampf
für die Freiheit habe die ganze Ukraine erfasst. Andri
Ljubka erinnerte daran, dass der EuroMajdan der Majdan vieler Ethnien gewesen sei und man hauptsächlich
Russisch gesprochen habe.
Wahl. Wenn Europa sich aber jetzt nicht stark genug
zeige, europäische Werte in der Ukraine zu verteidigen,
führe das zu einer Niederlage für die Ukraine und Europa. Europa habe sich bereits in Ägypten, nach dem Arabischen Frühling, nicht ausreichend für europäische
Werte stark gemacht.
Viktor Musijaka ergänzte, das aktuelle Geschehen sei
ein Trauma für die gegenwärtige Generation der Ukrainer und nicht leicht zu verkraften. Aus dem Kampf um
die europäische Zugehörigkeit der Ukraine sei aber kein
Ausstieg möglich. Wenn die Ukraine eines Tages in die
EU Aufnahme finde, dann werde auch Russland ein anderes sein.
„Gibt es unterschiedliche Historie? Gibt es unterschiedliche Helden?“
Volodymyr Viatrovytsch betonte, die Ukraine werde
nicht durch Helden, sondern durch sich um diese Helden
rankende Mythen getrennt. Jetzt herrsche ein Informationskrieg. Russland behalte sich, wie in den Dreißiger
Jahren, das Monopol vor, anti-faschistisch zu sein. Viel
Geld halte die russische Propaganda aufrecht.
Andreas Wirsching hatte in seinem Einführungsvortrag
an den „universalistischen Hang zur Ausdehnung“ erinnert, „den die Europäische Union inmitten ihrer Existenzkrise entwickelte“ und auf die Präambel des Assoziierungsabkommens der EU mit der Ukraine verwiesen.
„Braucht die Ukraine einen Historikerstreit?“
Die ukrainischen Teilnehmer verneinten dies, der deutsche Gast wollte es nicht beurteilen. Aber es liege in der
Natur der Sache und an der zwiespältigen Geschichte
des Zweiten Weltkriegs, so Andreas Wirsching, dass Stephan Bandera (westukrainischer Partisanenführer im
Zweiten Weltkrieg und Freiheitskämpfer für die Einen,
Nazi-Kollaborateur für die Anderen) eine umstrittene
Figur bleiben werde.
In der Präambel heißt es, „dass die Ukraine als europäisches Land durch eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame Werte mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbunden ist und sich zur Förderung dieser
Werte bekennt, in Anbetracht der Bedeutung, die die
Ukraine ihrer europäischen Identität beimisst“, und „in
Bekräftigung der Tatsache, dass die Europäische Union
die auf Europa gerichteten Bestrebungen der Ukraine
anerkennt und ihre Entscheidung für Europa begrüßt,
einschließlich ihrer Zusage, eine vertiefte und tragfähige
Demokratie und Marktwirtschaft aufzubauen“.
Andreas Wirsching empfahl „eine weitblickende Politik“
als pragmatisch-zielführenden Ansatz, auch wenn existierende Spannungen durch russisches Verhalten erst
hervorgebracht bzw. verstärkt worden seien. Wenn sich
keine Lösung finde, in die sich Russland ohne Gesichtsverlust einfinden könne, bestehe die Gefahr, dass sich
diese Dichotomie auf ukrainischem Boden austrage.
Entsprechend verpflichte sich die Ukraine, so Wirsching,
auf die leitenden europäischen Werte Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, Menschenrechte
und die Grundfreiheiten. Russland habe, so Wirsching
weiter, unter „Bruch des Völkerrechts“ einen „Hebel in
der Ukraine für deren künftigen Entwicklung in die Hand
bekommen“. Inwieweit Europa und die USA hierauf richtige und wirksame Antworten finden, bleibe abzuwarten.
„Wäre die Ukraine in der EU zwangsläufig eine Niederlage für Russland?“
Volodymyr Viatrovytsch antwortete, es sei an Russland
selbst, darüber zu entscheiden. Russland habe schließlich die Möglichkeit, sich für „normale Werte“ auszusprechen. Wenn es sich aber für eine autoritäre Führung
und für Aggression entscheide, dann sei das Russlands
v.l.n.r.: Professor Andreas Wirsching, Professor Viktor Musijaka, Sabine Adler, Publikum
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In der „Welt am Sonntag“ schrieb der Publizist Richard
Herzinger am 30. März dieses Jahres, die Lage in der
Ukraine zeige, welche Gefahr von unverarbeiteten geschichtlichen Konflikten in Osteuropa ausgehe. „Damit
die verworrenen geschichtspolitischen Gegensätze in
Osteuropa nicht zunehmend in reale, gewalttätige Konflikte umschlagen, bedarf es nicht nur tragfähiger politischer Sicherheitsstrukturen, sondern außerdem einer
gesamteuropäischen Erinnerungskultur, die den einzelnen Nationen die schmerzhafte Beschäftigung auch mit
den unrühmlichen Aspekten der eigenen Vergangenheit
abfordert.“ Eine solche Erinnerungskultur fordere aber
andererseits uns Westeuropäern die Anstrengung ab, die
verschlungene Historie Osteuropas endlich als unsere
eigene, gesamteuropäische zu begreifen und anzunehmen.
Miriam Kosmehl, Projektleiterin Ukraine
Karte: TUBS / Wikimedia
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Ungarn auf dem Weg zur gelenkten Demokratie
Der autokratische Paternalismus von Viktor Orban
Über kein anderes EU-Beitrittsland wird in den letzten
Jahren derart kritisch berichtet wie über Ungarn. Die
Politik der „nationalen Wiedergeburt“ von Viktor Orban
wurde bereits kurz nach der Parlamentswahl Anfang
2010 mit einem restriktiven Mediengesetz und danach
mit einer umfassenden Verfassungsänderung eingeläutet. Weitere Gesetze hat das Parlament – also faktisch
die allein regierende nationalkonservative Partei FIDESZ,
die in der Abgeordnetenkammer über eine Zwei-DrittelMehrheit und damit jederzeit über die Möglichkeit von
Verfassungsänderungen verfügt – wie am Fließband verabschiedet. Den alten Traum von Großungarn spiegelt
das neue Staatsangehörigkeitsgesetz wider, demzufolge
alle Auslandsungarn die ungarische Staatsbürgerschaft
beantragen können. Viele der neuen Regelungen widersprechen eindeutig dem Geist einer liberalen, pluralistisch verfassten Demokratie und haben in der EU keine
Parallele. An der Transformation Ungarns von einer pluralistischen Demokratie zum autoritären Obrigkeitsstaat
ändert auch die Tatsache nichts, dass einige Gesetze auf
Druck von Brüssel geändert werden mussten.
nahen Verfassungsrichtern wurde der ohnehin schon in
seinen Kompetenzen beschnittene Verfassungsgerichtshof de facto in eine FIDESZ-Filiale umgewandelt und
damit die demokratischen Kontroll- und Beteiligungsmechanismen erheblich eingeschränkt. Das Verfassungsgericht, das neue Gesetze wegen fehlender Verfassungskonformität blockieren könnte, darf über keine Regelungen mehr urteilen, die den Staatshaushalt betreffen.
Budgetdefizite, Schulden, Geldverschwendung sind aber
genau die Themen, die FIDESZ zum Anlass nehmen will,
um juristisch gegen die einstigen sozialistischen Regierungschefs vorzugehen.
Die von FIDESZ beherrschte mächtige Medienbehörde
NMHH kontrolliert nicht nur vollständig den öffentlichrechtlichen Rundfunk. Sie kann willkürlich auch private
Medien für redaktionelle Inhalte bestrafen und so in den
wirtschaftlichen Ruin treiben. Durch den Lizenzentzug
können auch die letzten kritischen Stimmen zum
Schweigen gebracht werden.
Als besonders kurzsichtig dürften sich die dirigistischen
Eingriffe in die freie Marktwirtschaft erweisen. Fast ausschließlich große ausländische Unternehmen sollen u. a.
rückwirkend mit Sondersteuern die riesigen Löcher im
Staatshaushalt Ungarns stopfen. Besorgnis erregt auch
Mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung hat FIDESZ,
die zuvor den gesamten Staatsapparat bis in die letzte
Gemeinde gleichgeschaltet hatte, die Kontrolle auch
über die Justiz übernommen. Durch die Wahl von partei-
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Universelle Werte?
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die de facto durchgesetzte Abschaffung der privaten
Rentenversicherung. Orban scheute sich nicht, zu Jahresbeginn 2011 mit einer „Rentenreform“ in die Eigentumsrechte der Bürger einzugreifen, die einer realsozialistischen Enteignung gleichkommt.
zu erwarten. Auch die Gründung neuer Parteien - teilweise mit alten Köpfen, die ein Teil des Problems sind kann man nicht ernst nehmen.
Institutionen der Zivilgesellschaft und unabhängige
Think-Tanks sind zurzeit die einzigen Hoffnungsträger
für die Rückkehr zu mehr Liberalität in Ungarn. Orbans
Weg in eine paternalistische Autokratie passt nicht in
das Europa von heute und zur jüngeren Geschichte eines
Landes, das sich mit seinem „Gulasch-Kommunismus“
stets als das „liberalste“ unter den kommunistischen
Diktaturen präsentierte und bleibende Verdienste um
den Zerfall des Ostblocks hat.
Sicherlich werden in vielen entwickelten Demokratien
und auch von der EU Gesetze und Direktiven verabschiedet, die die Bürgerfreiheiten unnötig einschränken und
das Alltagsleben zu stark regulieren. Bedenklich im Falle
Ungarns ist jedoch die Kumulierung der restriktiven
Bestimmungen und damit die totale Umgestaltung der
Rechtsordnung. Die Regierung Orban zementiert seit
ihrem Amtsantritt Ende Mai 2010 ihre Macht auf allen
Gebieten mit immer neuen Gesetzen, die jeder anderen
Nachfolgeregierung die Umsetzung einer reformorientierten Regierungspolitik praktisch unmöglich machen
werden.
Dr. Borek Severa, Projektberater für die mitteleuropäischen und baltischen Staaten
Dass Viktor Orban ein anderes Demokratieverständnis
hat, das schwer mit den europäischen Standards in Einklang zu bringen ist, hat er endgültig mit seiner Rede
auf einem Sommer-Camp im rumänischen Baile Tusnad
dokumentiert. Nach seiner Auffassung müsse eine funktionierende Demokratie illiberal sein und den nationalen
Interessen dienen. Die meisten NGOs und zivilgesellschaftlichen Initiativen seien vom Ausland bezahlte Aktivisten, die von der Regierung beaufsichtigt werden
müssen. Ungarn müsse sich von der westlichen Ideologie
freimachen und einen neuen und starken ungarischen
Nationalstaat aufbauen, der im globalen Wettbewerb
bestehen kann. Seine Vorbilder auf diesem Wege seien
China, Singapur, Russland und die Türkei. Es ist an Opportunismus nicht zu überbieten, dass Orbans Freunde
in der Europäischen Volkspartei EPP zu seiner Politik der
nationalen Wiedergeburt und der schleichenden Putinisierung Ungarns peinlich schweigen.
Neues eBook der FNF
Putins Russland hat mit
der Annexion der Krim
die europäische Nachkriegsordnung verändert
und sich international
isoliert. Auch wenn diese Entwicklung viele
überrascht hat, ist sie
nur der vorläufige Höhepunkt einer Politik,
die sich seit Jahren abzeichnet. Mit einem
zunehmenden Großmachtanspruch Russlands nach außen geht
eine steigende Repression im Innern einher.
Massive mediale Propaganda und ein ideologischer Unterbau stellen einstweilen sicher, dass die Herrschaft
Putins unangetastet bleibt. Michael Roick macht die
Linien dieser Entwicklungen deutlich. Er zeigt, dass die
russische Politik nur sehr begrenzt von westlichen Akteuren beeinflussbar ist, und diskutiert, welchen irreführenden Argumentationsmustern auch Teile der deutschen Debatte folgen.
Die enorme Popularität von Orban bei der eigenen Bevölkerung ist auch eine Folge des Versagens der proeuropäischen Eliten in Ungarn. Dies trifft sowohl für die
Sozialisten als auch für den liberalen Bund Freier Demokraten SZDSZ zu, die in den letzten fünf Jahren ihrer
gemeinsamen Regierungsarbeit durch innerparteiliche
Grabenkämpfe und personelle Querelen Aufsehen erregten, statt eine klare Alternative zu Orbans nationalkonservativer Politik anzubieten. Deshalb klingt auch das
Wehklagen ehemaliger Regierungsvertreter über den
eklatanten Machtmissbrauch durch den FIDESZ wenig
glaubwürdig. Von dieser Seite ist eine Erneuerung kaum
Sie können das eBook in den Formaten ePub, mobi
(amazon Kindle) oder als PDF-Dokument kostenfrei herunterladen und auf ihrem Tablet, eReader oder Smartphone lesen: bit.ly/ebook_russland
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Vom Handlanger zum Helfer
Polizeireformen in Indien
Die indische Polizei war für die britische Kolonialmacht
ein Kontrollinstrument über die indigene Bevölkerung.
Seitdem hat sich nicht viel geändert: Heute ist sie Handlanger der Neuen Eliten. Dies muss sich ändern um Millionen von Indern zu ihren Rechten zu verhelfen, meint Maria Schneider.
schützen. Folter und Missbrauch in Polizeigewahrsam
sind keine Seltenheit. Besonders Angehörige von benachteiligten Gruppen, religiöse und ethnische Minderheiten, Frauen oder die so genannten Unberührbaren
werden schnell Opfer von Polizei-Willkür. Es gibt bislang
keine Mechanismen für die Bürger, sich gegen Polizeimissbrauch zu wehren oder Beschwerden einzureichen.
Hinzu kommen Korruption und ineffiziente Ermittlungen.
Die Menschenrechte sind in Indien qua Verfassung und
Gesetzen garantiert. Oft gibt es jedoch den Grundrechten zuwiderlaufende Gesetzgebungen, die zu großen
Teilen noch aus Kolonialzeiten stammen, also aus einer
Zeit vor der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte 1948. Dies trifft insbesondere auf
die Polizeigesetzgebung zu, die größtenteils von 1861
stammt und als Reaktion auf den ersten großen Aufstand gegen die britische Kolonialherrschaft erlassen
wurde. Die Sicherheitskräfte sollten damals nicht Freund
und Helfer der Bürger sein, sondern den Kolonialherren
dabei helfen, die Inder zu beherrschen.
Die Polizei: Schlagstock statt Computer
Man darf die Schuld für einen Mangel an Rechtsstaatlichkeit und unzulängliche Ermittlungen nicht nur der
Polizei geben. Auch der Staat muss seine Aufgabe bezüglich der personellen, materiellen und finanziellen
Ausstattung von Polizeistationen erfüllen. Die Zahl der
indischen Polizisten und die Ressourcen, die ihnen zur
Verfügung stehen, sind oft völlig unzureichend zur Bewältigung der Herausforderungen – Verbrechensaufklärung, öffentliche Sicherheit, Verkehrsregulierung und
vieles mehr. In Indien kommen auf 100.000 Einwohner
circa 130 Polizisten (in den USA kommen auf 100.000
Bürger 250, in Deutschland etwa 300 Polizisten). Die
Entsprechend weitreichend sind die Befugnisse der Polizei noch heute. Oft sind es Polizisten, die die grundlegenden Rechte der Menschen verletzen, anstatt sie zu
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Universelle Werte?
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meisten indischen Polizisten sind schlecht oder gar nicht
ausgerüstet, Büroausstattung und Schreibutensilien,
Transport- und Kommunikationsmittel fehlen häufig. Oft
besteht die Ausrüstung lediglich aus Uniformen und
Schlagstöcken. Mit einem Schlagstock aber kann ein
Polizist keine Anzeige aufnehmen oder Beweise sicherstellen. Mit einem Stock kann er nur zuschlagen.
Systematische Reformen und ein stärkeres Menschenrechtsbewusstsein bei der Polizei und der Bevölkerung
sind überfällig. In Indien gibt es seit Jahren Debatten
über Polizeireformen, aber ohne große Fortschritte. 2006
hat gar der Oberste Gerichtshof Anweisungen für konkrete Reformen gegeben. Auch das hat kaum zu Verbesserungen geführt. Die Verhältnisse spielen den Politikern
und Bürokraten zu sehr in die Hände, als dass sie ohne
Druck Veränderungen umsetzen würden.
Hinzu kommt das Problem der politischen Einflussnahme. Politiker machen Polizisten oft zu ihren persönlichen
Leibwächtern und ziehen sie von ihrem eigentlichen
Dienst ab. Dadurch wird die Lage der unterbesetzten
Polizeistationen noch prekärer. Auch greifen Politiker
und Verwaltungsbeamte gerne zum eigenen Vorteil in
polizeiliche Ermittlungen ein. Polizisten, die dies zu verhindern suchen, werden versetzt - oder nicht mehr befördert.
An dieser Stelle setzt die Arbeit der Stiftung und ihres
Partners COMMONWEALTH HUMAN RIGHTS INITIATIVE (CHRI)
sowie vieler weiterer zivilgesellschaftlicher Organisationen an. „Demokratien brauchen demokratische Polizeigesetzgebungen. Das bedeutet eine Polizei, die die Menschenrechte achtet und das Gesetz durchsetzt“, betont
Maja Daruwala, die Direktorin von CHRI. „Die Menschen
brauchen keine Polizeikräfte, die sich gegen die Bürger
einsetzen, sondern eine Polizei, die die Rechte der Bürger schützt und Menschen in Not hilft.“
Deshalb entwickeln Stiftung und CHRI Reformvorschläge
und werben mittels Veranstaltungen und multimedialen
Maßnahmen für verbesserte Gesetzgebungen. Wir bringen Polizisten und Bürger zusammen, damit sie sich
kennen und respektieren lernen und Vorurteile abbauen.
Wir leisten Aufklärungsarbeit für die breite Öffentlichkeit, damit diese sich ihrer Menschenrechte und ihrer
Rechte vis-à-vis der Polizei bewusst ist.
In den Erbländern britischer Gesetze
Die Stiftung für die Freiheit setzt sich im Schulterschluss
mit ihren Partnern auch in Pakistan, Bangladesch und
den Malediven gezielt für eine modernere Polizeigesetzgebung ein. Im Rahmen des Netzwerks NETWORK FOR IMPROVED POLICING SOUTH ASIA (NIPSA) fördert die Stiftung
die grenzübergreifende Zusammenarbeit und Professionalisierung von NROs, die im Bereich der Polizeireformen engagiert sind. Über die Internetseite www.nipsa.in
und einen regelmäßig erscheinenden Newsletter tauschen die Partner Wissen und Erfahrungen aus. Denn je
mehr Menschen mit der Problematik in Berührung kommen, desto weniger wird es als eine Art Tabuthema angesehen und desto wahrscheinlicher sind Veränderungen
in der Praxis.
Polizistinnen in Chennai, Indien (John Hill / Wikimedia)
Indien erlebt häufig gewalttätige Auseinandersetzungen
zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen.
Es kommt vor, dass Politiker die Polizei dazu bewegen,
in die andere Richtung zu schauen. Ergebnis: Die Opfer
der Ausschreitung, meist Minderheiten, werden nicht
geschützt, Übergriffe auf sie und ihr Eigentum nicht
geahndet.
Egal welcher Art die politische Einflussnahme ist, das
Nachsehen haben die Bürger. Eine politisch gesteuerte
Polizei hat andere Prioritäten als den Schutz der Menschen.
Momentum nutzen
Leider muss es manchmal erst zum Äußersten kommen
bevor Verbesserungen vorgenommen werden. Das Jahr
2013 begann in Indien mit einem Aufschrei angesichts
Verbesserungen sind hart erkämpft
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Universelle Werte?
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Mit Eigentumsrechten gegen Armut
der brutalen und tödlichen Vergewaltigung einer jungen
Studentin in Delhi. In der Hauptstadt und anderen großen Orten kam es zu Demonstrationen für mehr Respekt
für Frauen, besseren Schutz vor und effektivere polizeiliche Ermittlungen bei sexuellen Übergriffen. Das Verbrechen hat dazu geführt, dass eine Kommission die indische Strafgesetzgebung bei Sexualdelikten überarbeitete
und Verbesserungsvorschläge formulierte. Der Bericht
der Kommission enthält mehrere Passagen, die der FNFPartner CHRI vorbereitet hat. Teile davon finden sich
auch in dem neuen Strafgesetz zu sexueller Gewalt. So
können nun auch die Täter von sexueller Belästigung,
Stalking und Säureangriffen strafrechtlich verfolgt und
bestraft werden.
Dank FNF-Unterstützung konnten fast anderthalb Millionen arme Familien ihre Eigentumsrechte sichern. Seit
2011hilft der FNF-Partner Liberty Institute marginalisierten indischen Bauern dabei, ihren Grund und Boden
offiziell zu registrieren. Regionalbüroleiter Dr. Ronald
Meinardus sprach mit Barun Mitra, dem Präsidenten des
Liberty Institute, über dieses originelle und in hohem Maße liberale Projekt:
Mit Ihrem Programm helfen Sie marginalisierten Bauern in Indien Eigentumsrechte an dem von ihnen beackerten Land zu erwerben. Wie sieht die bisherige
Bilanz aus?
Die Lobbyarbeit für neue Gesetze, Menschenrechtskurse
für Polizisten, Aufklärungskampagnen für die breite Bevölkerung – all das braucht Zeit. Es ist für die FNF und
ihre Partner ein großer Erfolg, wenn ein Gesetz geändert
wird. Auch ist es eine Motivation, wenn Menschen informiert und bestärkt aus unseren Veranstaltungen gehen. Dies sind jedoch nur erste Schritte. Die Arbeit geht
weiter. Neue Rechte müssen umgesetzt, neues Wissen
angewandt werden. Oft heißt es: zwei Schritte vor, einen zurück. Hier ist das Durchhaltevermögen einer Stiftung gefragt.
Viele der Bauern besitzen keine Landtitel und folglich
investieren sie auch nicht, um das Land zu entwickeln.
Sie leben mit der Angst, vertrieben zu werden – sei es
von der Polizei oder anderen staatlichen Stellen, etwa
den Forstämtern. Die Bauern werden wie Bürger zweiter
Klasse behandelt. Aber hier hat sich etwas geändert, seit
einige Bauern ihre Titel erworben haben. Viele glauben
auf einmal, dass es ihnen auch so gehen könnte. Ganze
Gemeinden haben an Selbstvertrauen gewonnen und
klagen ihre Rechte ein. Wir stellen fest, dass die Menschen auf einmal mit Respekt behandelt werden, wenn
sie bei den Behörden vorsprechen. Wir haben auch beobachtet, dass die Bauern, einmal in Besitz ihrer Titel,
sofort anfangen zu investieren. Oft sind es nur Aufräumarbeiten und Einzäunungen; andere Bauern graben
Brunnen. Wir haben auch erlebt, dass einige Dorfbewohnen Pläne haben, Wasserpumpen zu kaufen, die mit Solarstrom betrieben werden. Es ist nur eine Frage der Zeit
und die Einkommen der Bauern steigen.
Maria Schneider, Projektassistentin im Regionalbüro
Delhi
Es gibt viele Programme, die darauf abzielen, die Armut der Bauern zu bekämpfen. Was machen sie anders?
Die meisten konventionellen Armutsbekämpfungsprogramme basieren auf Subventionen aus Steuermitteln.
Angesichts der grassierenden Korruption und Ineffizienz
geht viel Geld verloren, bevor es die Menschen in Not
erreicht. In unserem Fall fließt so gut wie kein Steuergeld. Das ist auch ein Grund, wieso viele Beamte nicht
viel von dem Projekt halten. Die Initiative muss von den
Betroffenen selber ausgehen; sie müssen proaktiv ihre
Ansprüche geltend machen. Wenn dieses Programm Erfolg hat, erhält die demütigende Armut in Indien ein
anderes Antlitz – und zwar ganz ohne öffentliche Zu-
Karte: TUBS / Wikimedia
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Universelle Werte?
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Der Zusammenhang von Eigentumsrechten und wirtschaftlicher Entwicklung hat international vor allem
durch die Arbeiten von Hernando de Soto ein breites
Echo gefunden. Folgen Sie seinen Vorgaben?
Wir versuchen die Theorie De Sotos in Bezug auf die
Bedeutung der Eigentumstitel zu befolgen. Ich hatte das
Glück, persönlich mit De Soto zu kommunizieren. Es gibt
aber einen wichtigen Unterschied: das indische Gesetz
von 2006, das die Grundlage unserer Kampagne ist, ist
nicht das Werk einer aufgeklärten politischen Führung;
es ist nach anhaltenden Bemühungen vieler Einzelpersonen, Organisationen und Gemeinden verabschiedet worden. Es ist diese Nachfrage-Orientierung unserer Initiative, der Druck von unten, wo ich vielleicht den größten
Unterschied zum De-Soto-Modell sehe. Und daher ist
unser Ansatz in unsere Situation politisch erfolgreicher.
Sie sind seit vielen Jahren Partner der Friedrich
Naumann Stiftung für die Freiheit. Wie wichtig ist die
Zusammenarbeit mit der Stiftung für Sie?
Dr. Ronald Meinardus im Gespräch mit Barun Mitra
(Foto: FNF Delhi)
Die Stiftung für die Freiheit hat eine wichtige Rolle gespielt, diese Initiative in Gang zu setzen. Zunächst hat
die Stiftung uns dabei geholfen, im Rahmen von zahlreichen Seminaren und Workshops die Erkenntnis über die
Bedeutung von Eigentumsrechten in der Bevölkerung
mehren. All das geht sechs oder sieben Jahre zurück.
Seit 2009 unterstützt uns die Stiftung auch dabei, den
„International Property Rights Index“ in einer indischen
Ausgabe auf den Markt zu bringen. Wir haben in vielen
Teilen Indiens mit Ihrer Hilfe Seminare zum Thema abgehalten. Kürzlich hatten wir auch eine Anfrage Ihres
Regionalbüros in Afrika. Da scheint es Interesse zu geben an unserem Projekt; Ihre Kollegen wollen herausfinden, ob dieser Ansatz auch in Afrika relevant sein kann.
schüsse.
Liberale sagen, das Recht auf Eigentum ist ein grundlegendes Menschenrecht. Viele Liberale argumentieren, dass dieses Recht ein Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung darstellt. Wie sehen Sie das?
Eigentumsrechte sind eine Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung und die Marktwirtschaft. Indes
haben Liberale versäumt, die politische und moralische
Bedeutung deutlich zu artikulieren. Nach Jahrzehnten
des Leidens und der Marginalisierung im Zuge der anhaltenden Missachtung und Erosion der Eigentumsrechte ergreifen viele Menschen in Indien jetzt erstmals die
Initaitive und streiten für ihre Rechte als Bürger und
verlangen den Schutz ihres Grund und Bodens. Das hat
zu einem neuartigen Selbstvertrauen geführt, die Menschen ermächtigt und sie erfahren lassen, dass sie Bürger in einer freien und demokratischen Republik sind.
Auf der anderen Seite zerstören Subventionen und Sozialprogramme dieses Selbstwertgefühl und festigen die
Abhängigkeit von diesen Leistungen, von der Verschwendung von öffentlichen Ressourcen ganz zu
schweigen. Viele der Ärmsten der Armen begreifen allmählich, dass sie Bürger des Landes sind und verlangen,
dass ihr Recht auf Eigentum respektiert und beschützt
wird.
Weitere Informationen in: Recht auf Eigentum – Eine
Chance für Indins Ärmste
http://www.freiheit.org/Recht-auf-Eigentum-EineChance-fuer-Indiens-Aermste/246c30590i1p182/
index.html
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Universelle Werte?
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Vom Eintauchen in ein exotisches Universum
Dr. Ronald Meinardus ist seit Anfang August Leiter des Regionalbüros Südasien
in Neu Delhi. Im Folgenden teilt er erste persönliche Eindrücke aus Indien.
„Ein Leben reicht nicht aus, Indien zu verstehen.“ Mit
diesem Satz reagiert ein indischer Gesprächspartner
nach meiner Ankunft in Neu Delhi auf den Hinweis, ich
habe einen Dreijahresvertrag im Reisegepäck.
einer anderen Stiftung mit einem Augenmzwinkern.
Halden von Informationen und Lesestoff erwarten den
Interessierten. Nicht nur kann der derart Geneigte zwischen einem guten Dutzend qualitativ ansprechender
Tageszeitungen auswählen. Das ist eine große Versuchung für einen „news junkie“ wie mich. Der Besuch in
einer der vielen Buchgeschäfte in Delhi – und davon gibt
es viele, denn hier wird viel geschrieben und gelesen –
wird bald zu einem deprimierenden Erlebnis. Denn eines
ist sofort klar: niemals wird der gewillte Leser auch nur
einen Bruchteil der Titel lesen können, die die Regale
füllen und fortlaufend, ja täglich durch neuen Schmöker
ergänzt werden.
Indien ist ein Riesenland. Eigentlich ein Kontinent in
einem Land. Oder – eher noch – mehrere Kontinente in
einem Land. Dieses Land in seiner unermesslichen Vielfalt überschauen, geschweige denn verstehen zu wollen,
wäre vermessen. Und so tut der Neuankömmling gut
daran, sich in Bescheidenheit zu üben, die sprichwörtlichen kleinen Brötchen zu backen, wenn er den Mund
aufmacht.
Nach acht Jahren Ägypten, wo ich zwölf Jahre meiner
Kindheit verbracht hatte, Schrift und Sprache leidlich
beherrschte sowie Land und Leute zu taxieren gelernt
hatte, ist der Wechsel nach Indien vergleichbar mit einem Eintauchen in ein exotisches Universum. „Freu Dich
täglich auf bezahlten Bildungsurlaub“, rät der Kollege
Es waren nicht die Bücher, die mich nach Indien zogen,
es waren maßgeblich die vielen guten Gespräche, die ich
über die Jahre mit klugen Menschen aus diesem Land
geführt hatte – und die mich neugierig stimmten. In
Indien gibt es viele hoch-intellektuelle Menschen – und
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das sympathische: Häufig sind diese Zeitgenossen am
Gespräch, der rhetorischen Auseinandersetzung interessiert - und in der Lage (keineesfalls eine Selbstverständlichkeit in der Welt) dieses in gutem Englisch zu führen.
Also, ganz kurz – und ohne Hang zur Stereotypisierung:
In Indien gibt es viele kluge Menschen, und einige davon
finden sich unter unseren Partnern.
oft, dass sich in der Realität vieler Menschen etwas verändert. NRO sind, das wird schnell klar, ein ernstzunehmender Faktor im politischen Entscheidungsprozess.
Natürlich ist ihre Rolle, allemal ihre Finanzierung, wenn
sie aus dem Ausland kommt, nicht unkontrovers. Doch
Verbote und Verhaftungen, wie sie in anderen Teilen der
Welt an der Tagesordnung sind (die arabische Welt ist
hier nur ein trauriges Beispiel von vielen), sind hier kein
Thema.
Die Mehrheit der 1200 Millionen Menschen sind arm
„Lassen Sie sich nicht blenden von der intellektuellen
Elite in den teuren Hotels in Dehli oder Mumbai“, warnt
ein westlicher Diplomat. Natürlich bilden die Eliten, die
Überflieger eine winzige Minderheit unter den 1.200
Millionen Indern. Die Mehrheit der Menschen sind arm
und hungrig, viele können nicht lesen und schreiben.
Massenelend und pompöser Reichtum, Spitzentechnologien und Steinzeitmethoden liegen hautnah beieinander.
In keiner anderen Gesellschaft ist mir die eklatante, provokative Ungleichheit so ins Auge gesprungen. Jeden Tag
und immer wieder, an jeder Straßenecke gleichsam – so
dass man sich, ohne die Augen zu verschliessen, schnell
an den Zustand gewöhnt.
Indien ist eben eine Demokratie, sagt ein Kollege. Das
klingt einfach, fast banal. Ist es aber ganz und gar nicht.
Das hat auch mit Politik zu tun, über einen Umweg auch
mit Liberalismus, oder – konkret im Falle Indiens – einem Mangel an freiheitlicher Politik. Diese zu mehren,
ist der Anspruch der Stiftung, der ich jetzt als Regionalbüroleiter in diesem Riesenland und seinen südasiatischen Nachbarn vorstehe. An meiner Seite arbeitet eine
Mannschaft engagierter und qualifizierter Mitarbeiter,
die alle Hände voll zu tun haben, im Schulterschluss mit
den Partnern gute Projekte voranzubringen. Die diversen
Partner verbindet der Wunsch, Indien zu einem besseren
– sprich freieren, gerechteren, liberaleren – Gemeinwesen zu machen. Es ist eine Sisyphus-Arbeit, die die Stiftung seit vielen Jahren mit Rat und Tat unterstützt.
Über Indiens Zivilgesellschaft sind sicherlich viele Bücher geschrieben worden. Ich habe sie (noch) nicht gelesen. Mir als Neuankömmling aus dem Nahen Osten, der
hierzulande West Asia heisst, fällt das Selbstbewustsein
auf, mit dem die zivilgesellschaftlichen Gruppen zur Sache gehen. Gut organisiert und oft finanziell gut ausgestattet beanspruchen die NROs eine Rolle im politischen
Willensbildungsprozess – und werden von den Mächtigen und Regierenden als Gesprächspartner akzeptiert.
Aktuelles auf Twitter: @Meinardus
Die Arbeit der indischen NRO verharrt nicht auf der Ebene der Absichtserklärungen. Das ständige Drängen und
Drängeln, die vielen Aktionen und Kampagnen bewirken
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Politische Berichte des Bereich Internationale Politik
„Brennpunkt“
Unser „Brennpunkt“ berichtet zeitnah über eine aktuelles Ereignis von besonderer Bedeutung (Wahlen, politische und soziale Krisen etc). Er wird von den
Mitarbeitern der FNF aus der jeweiligen Region in deutscher (in Ausnahmefällen auch englischer oder spanischer) Sprache erstellt und beinhaltet eine Einordnung des Geschehens durch die FNF oder ihre Partner.
Download unter: http://brennpunkt.freiheit.org
„Hintergrund“
Unser „Hintergrund“ dient der Vertiefung und beschäftigen sich jeweils mit
einem ausgewählten Thema, dass auch mittelfristig noch aktuell ist.
Download unter: http://hintergrund.freiheit.org
„global & liberal“
„global & liberal“ ist das Auslandsmagazin des Bereiches Internationale Politik.
Mit einem ausgewählten Titelthema und verschiedenen Rubriken vermitteln
wir einen Überblick über die internationale Projektarbeit der FriedrichNaumann-Stiftung für die Freiheit in rund 60 Ländern weltweit.
Download unter: http://globalundliberal.freiheit.org
IMPRESSUM
Herausgeber
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
Bereich Internationale Politik
Referat für Querschnittsaufgaben
Karl-Marx-Str. 2
14482 Potsdam-Babelsberg
Telefon: +49(331) 7019-520
Fax:
+49(331) 7019-132/133
Redaktion: Johannes Issmer
E-Mail:
[email protected]
Bildnachweise: Soweit nicht anders gekennzeichnet besitzt die
FNF die Bildrechte an den verwendeten Fotos und Grafiken. Wir
danken allen Urhebern für die freundliche Überlassung.
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