Julius Bonart, „Die Suche nach dem Higgs-Boson“ Handout zum Vortrag „Die Suche nach dem Higgsboson“ Zu Beginn der 70er Jahre wurde die Renormierbarkeit nichtabelscher Eichtheorien bewiesen, was den Weg zu einer einheitlichen Beschreibung der starken und elektroschwachen Wechselwirkungen im Rahmen von Eichtheorien ebnete. Die Vorhersagen dieses sogenannten Standardmodells der Elementarteilchen wurden zum größten Teil exzellent experimentell bestätigt. So erfüllten sich z.B. die Vorhersagen der elektroschwachen Eichbosonen und des Top-Quarks. Leider ist es aber noch nicht gelungen, das letzte verbliebene vom Standardmodell vorhergesagte Teilchen, das sog. Higgs-Boson, experimentell nachzuweisen. In Folgenden werde ich kurz auf das Standardmodell und das Prinzip einer Eichtheorie eingehen, bevor ich mich den experimentellen Herausforderungen widme, denen die heutigen Experimentatoren gegenüber stehen. Das Standardmodell der Elementarteilchen umfasst folgende die Materie konstituierenden Teilchen: Quarks Up Charm Down Bottom Strange Top Leptonen Elektron e-Neutrino Myon µ-Neutrino Tauon Τ-Neutrino Die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Teilchen wird durch sog. Austauschteilchen vermittelt, die als Quanten von wirkenden Feldern zu verstehen sind: Elektromagnetismus Schwache WW Starke WW Photon W-, W+, Z-Bosonen 8 Gluonen Die wirkenden Felder ihrerseits werden durch Eichtheorien beschrieben. Dabei führt man in Analogie zur Mechanik in der Feldtheorie eine Lagrangedichte , ein, die folgenden Bewegungsgleichungen (Euler-LagrangeGleichungen) genügt: , , 0 Wir sprechen nun von einer unter der Symmetrieoperation U invarianten Lagrangedichte L, falls , , Aus dem bekannten Noethertheorem folgen nun erhaltene Ströme bzw. verallgemeinerte Ladungen. Interessanter ist allerdings der Übergang zu einer lokalen Transformation, die von dem Raumzeitpunkt abhängt. Als Funktion des Ortes ist dann aber die Ableitung der Symmetrieabbildung ungleich Null und es treten Zusatzterme auf, die kompensiert werden müssen, wenn L auch weiterhin invariant bleiben soll. Um dies zu bewerkstelligen, werden sog. äußere Eichfelder eingeführt, die sich in einer bestimmten Weise transformieren müssen um ihren Zweck zu erfüllen. Aus diesem Transformationsverhalten folgen dann u.a. (verallgemeinerte) Maxwellgleichungen für die Eichfelder, also Bewegungsgleichungen. Das sog. Eichprinzip – die Forderung nach Invarianz unter lokalen Transformationen – erzeugt also eine Wechselwirkung. Auf diese Weise werden nach Symmetrieüberlegungen die schwache und die starke Wechselwirkung1) eingeführt, über deren genauen Charakter ja zunächst nichts bekannt ist. Dass das Eichprinzip masselose Eichbosonen vorhersagt steht allerdings im Widerspruch zu den massiven elektroschwachen Eichbosonen. Dieses Problem wird durch die Einführung eines Higgsfeldes gelöst, dass durch den Mechanismus der spontanen Symmetriebrechung mit den Eichbosonen wechselwirkt und ihnen damit indirekt eine Masse verleiht. Seite 1 Julius Bonart, „Die Suche nach dem Higgs-Boson“ Higgs Die Quanten dieses Higgsfeldes iggsfeldes bezeichnet man als Higgs-Boson. Das Higgsfeld erfährt dabei eine sog. Selbstwechselwirkung, was in diesem Fall ein massives Higgs-Boson Boson zur Folge hat. Da das gesamte Standardmodell auf der Existenz des Higgs-Bosons Bosons beruht, wird seit den neunziger Jahren in TeilchenTeilchen beschleunigern intensiv nach dem Higgs-Boson Higgs gefahndet. Nachdem die Suche in LeptonLepton beschleunigern erfolglos blieb, sind sich Experimentatoren jedoch sicher, dass am im Mai 2008 fertig gestellten Atlas-Detektor Detektor des LHC (Large Hadron Collider) llider) das HiggsHiggs Boson gefunden wird, falls es denn existiert. Dabei wird vor allem nach einem Higgs-Boson Higgs gesucht, dessen Masse zwischen 114GeV und 144GeV liegt. Erstere Grenze ergibt sich aus dem fehlenden Fund eines Higgs--Boson an Leptonbeschleunigern mit SchwerpunktSchwerp energien von etwa 207 GeV und letztere aus theoretischen Überlegungen, die folgende Graphik widergibt: lässt sich leicht am LHC herstellen. Im LHC werden Hadronen beschleunigt, also stehen Gluonen und Quarks zur Verfügung um ein Higgs-Bosonn zu erzeugen. Die beiden wichtigsten Prozesse sind durch die folgenden Feynman-Diagramme Diagramme dargestellt: Dabei steht q bzw. g für Quark bzw. Gluon. Da Gluonen masselos sind, können sie nicht mit einem Higgsfeld wechselwirken und fusionieren daher über eine Top-QuarkTop Schleife zu einem Higgs--Boson. Der wichtigste Zerfallskanal ist der sog. GoldGold ene Zerfallskanal, wobei ll für ein e--e+-Paar Paar oder ein µ --µ +-Paar steht. Dieser Kanal ist besonders geeignet um das Higgs-Boson Boson zu finden, da zum einen seine Zerfallswahrscheinlichkeit sehr seh hoch und zum anderen die Nachweiseffizienz bei Elektronen und Myonen am Atlas-Detektor Detektor sehr gut ist 2). Hierbei wurden viele Daten des StandardStandard modells gefittet und die chi²-Abweichung Abweichung der Higgs-Masse Masse von diesem Fit aufgetragen. In einem Vetrauensintervall von 2σ σ (Wahr(Wahr scheinlichkeit ca. 95%) liegt die Higgs-Masse Higgs unterhalb von 144 GeV. Eine solche Masse Da der Atlas-Detektor Detektor bei der vollen Luminosität inosität des LHC etwa 109 Ereignisse pro Sekundee misst, ist es nötig aus diesen Ereignissen die relevanten Informationen herauszufiltern. Dies geschieht zunächst mit einer reinen Hardware-gestützten gestützten Filterung und dann ann mit speziellen Software-gestützten Software Seite 2 Julius Bonart, „Die Suche nach dem Higgs-Boson“ Methoden. Zum Vergleich sei einmal erwähnt, dass der Prozess HZZ4e 3) nur einmal in drei Stunden vorkommt. Eine weitere Herausforderung an die Experimentatoren ist der sogenannte Untergrund des Experimentes. Neben verschiedenen Typen eines reduziblen Untergrundes gibt es den irreduziblen Untergrund der direkten Produktion zweier ZBosonen, die nicht von einem Higgszerfall in zwei Z unterschieden werden kann. Zum Glück liegt ist dieser Untergrund aber nicht so stark, dass ein Identifikation des Higgs-Bosons unmöglich wäre. Geht man von dem heutigen Erkenntnisstand aus, so ist es hochwahrscheinlich, dass das Higgs-Boson in den nächsten Jahren gefunden wird, sollte es existieren. Dissertation „Suche nach neutralen Higgs-Bosonen in 4-Jet Zuständen aus e+e--Kollisionen“, Thorsten Kuhl, Universität Bonn, 04.Juni 2001 Atlas Fact Sheet, http://atlasexperiment.org/fact_sheets.html Diverse Talks http://atlas-speakers-committee.web.cern.ch/atlasspeakers-committee/ConfTalks2007.html LEP Electroweak Working Group http://lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/ Atlas Detector and Physical Performance http://atlas.web.cern.ch/Atlas/GROUPS/PHYSICS/ TDR/access.html, chapter 1, 19 “Eichtheorie”, Taichiro Kugo, Springer-Verlag, 1997 Allerdings wird die Notwendigkeit eines Higgs-Bosons inzwischen von manchen Theoretikern angezweifelt, deren Modelle ohne den Higgs-Kibble-Mechanismus auskommen. Doch fahndet der LHC natürlich auch nach anderen Phänomenen der modernen Physik, sodass er für die modernste Forschung unerlässlich bleibt. 1) Die ART lässt sich ebenfalls eich Eichtheorie auffassen 2) Natürlich ist auch der Zerfall des Higgs in zwei WBosonen sehr wahrscheinlich. Allerdings zerfallen WBosonen in Neutrinos, was den Nachweis erschwert 3) 4e steht natürlich für zwei Elektron-Positron-Paare. Quellenverzeichnis Skript zur Vorlesung „Theorie der physikalischen Wechselwirkungen“ 3. Auflage, Prof. Dr. H. Dehnen, Universität Konstanz Juli 1997 Vorlesung „Chiral Dynamics“, Prof. Dr. S. Scherer, Universität Mainz, Wintersemester 2007/08 Seite 3