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© nadisja / Getty Images / iStock
Praxis
ZAHNPASTA – AKTIVER ALS SIE DENKEN!
Antimikrobielle und andere aktive Substanzen
In Teil 2 unserer Serie widmen wir uns den aktiven Substanzen von Zahnpasten, insbesondere
den antimikrobiellen. Damit können Sie Ihre Patienten richtig beraten und werden zum Profi
der Zahnpasta.
Dr. Anna Plaumann
Zahnärztin, Kiel
N
eben den in der letzten Ausgabe
diskutierten Hauptbestandteilen der Zahnpasta, die vor allem
der Konsistenz, Lagerungsfähigkeit sowie dem Geschmack
und Aussehen dienen, sind der
Zahnpasta in aller Regel auch
Wir in der Praxis -- Ausgabe 05 -- Oktober 2017
aktive Substanzen zugefügt. Diese dienen
vor allem der Kariesprophylaxe und dem
Schutz vor Gingivitis und Parodontitis.
Zahnpasta scheint die optimale Darreichungsform für diese aktiven Wirkstoffe
zu sein, da tägliches Zähneputzen mit
Zahnpasta und -bürste heute weltweit gesellschaftlich und kulturell etabliert ist.
Dabei ist sich der Nutzer oft gar nicht
bewusst, dass die Zahnpasta neben dem
Frischegefühl noch viele weitere Aufgaben
hat. Die Anwendung ist leicht und beginnt
bereits mit dem ersten Zahn.
Praxis
Antimikrobielle Wirkstoffe
Chlorhexidin
Chlorhexidin ist der Goldstandard unter
den antimikrobiellen Zusatzstoffen. Im
medizinischen Bereich findet es als Chlorhexidindiglukonat Verwendung. Es wirkt
gegen grampositive und gramnegative
Bakterien, Viren und Pilze. Dabei ist der
Wirkmechanismus unspezifischer Natur
– Chlorhexidin schädigt die Membranfunktion der Mikroorganismen. Je nach
Konzentration hemmt Chlorhexidin das
Bakterienwachstum und deren Vermehrung, wirkt also bakteriostatisch, oder es
tötet die Bakterien ab, wirkt also bakterizid. In Zahnpasta kommt Chlorhexidin
meist in einer Konzentration von 0,06 %
vor, in Mundgel mit 0,12 % und Mundspüllösung mit 0,2 % auch in höheren
Konzentrationen. Chlorhexidin verbleibt
nach der Anwendung bis zu 12 Stunden in
der Mundhöhle (Substantivität) und kann
dort weiterhin aktiv wirken. Bei längerer
und regelmäßiger Anwendung kann es allerdings zu Nebenwirkungen wie Verfärbungen oder Geschmacksirritationen sowie einer schwarzen Haarzunge kommen,
die aber in allen Fällen reversibel sind.
Studien zeigen, dass Chlorhexidin in
Zahnpasta auch in Konzentrationen von
0,06 % hinsichtlich der Gingivitis- und
Plaquekontrolle wirksam ist. Jedoch demonstrieren Übersichtsarbeiten auch, dass
Chlorhexidin als Mundspüllösung für den
kurz- oder mittelfristigen Einsatz effektiver erscheint und daher dem Patienten
eher zu empfehlen ist.
Triclosan
Triclosan ist ein nicht-ionisches Phenolderivat, das ebenfalls ein breites Wirkspektrum gegen grampositive und gramnegative Bakterien und Pilze besitzt. In diesem
Fall wirkt Triclosan ganz spezifisch auf ein
bakterielles Enzym, das die Lipidsynthese
steuert. So wird der bakterielle Stoffwechsel gehemmt und das Bakterienwachstum
verhindert. In Studien werden eine gute
Anti-Plaque- und Anti-Gingivitis-Wirkung
beschrieben. Neben dem direkten Effekt auf
Bakterien und Pilze wirkt Triclosan im Gewebe zusätzlich antientzündlich, dadurch
dass es eine verminderte Synthese von Prostaglandinen und Leukotrienen initiiert. Um
die Substantivität auf bis zu 8 Stunden zu
erhöhen, wird Triclosan entweder an ein
Kopolymer (PVM/MA-Kopolymer), Zinkzitrat oder Pyrophosphate gekoppelt.
Neben der Anwendung in Zahnpasta wird
Triclosan auch in Textilien, Deodorants
und Waschmitteln verwendet. Es besteht
allerdings die Gefahr der vermehrten Resistenzbildung, da Triclosan auch in diesen
Produkten jeweils in einer geringen Dosis
vorhanden ist. Dies führt dazu, dass sich
Organismen an die Wirkung gewöhnen
und Triclosan nicht mehr effektiv ist. Das
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
legt darum nahe, den Einsatz von Triclosan auf das unbedingt notwendige Maß zu
beschränken (Stellungnahme Nr. 031/2009
des BfR vom 12. Juni 2009). In Zahnpasta
ist der Inhaltsstoff zurzeit noch erlaubt.
Cetylpyridiniumchlorid (CPC)
Bei CPC handelt es sich um eine quartäre
Ammoniumverbindung. Das Wirkspektrum ist auch hier breit und richtet sich
gegen grampositive und gramnegative
Bakterien sowie Pilze. Auch CPC zerstört
die Membranfunktion und wirkt damit
unspezifisch. Es hat mit 3–5 Stunden eine
geringere Substantivität in der Mundhöhle
als Chlorhexidin und Triclosan + Kopolymer. CPC ist dazu auch leicht inaktivierbar
durch andere Inhaltsstoffe. Es gibt keine
klinischen Langzeitstudien, die die plaqueund gingivitishemmende Wirkung wissenschaftlich bestätigen würden. Als Nebenwirkung kann es bei längerem Gebrauch
zu Verfärbungen an den Zähnen kommen.
Zinkionen
Zinkionen beeinträchtigen die Adhäsion
von Bakterien sowie deren Stoffwechsel.
Die Substantivität ist mit 6 Stunden befriedigend. Zu den Vorteilen von Zinkionen zählt, dass sie die Zahnsteinbildung
hemmen und gegen Halitosis wirken. Die
Zinkionen neutralisieren flüchtige Schwe-
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ZAHNPASTA IST DIE
OPTIMALE DARREICHUNGSFORM FÜR
AKTIVE SUBSTANZEN
felverbindungen, die eine der Hauptursachen für die Entstehung von Mundgeruch
sind. Allerdings gibt es nur schwache Evidenz für den alleinigen Einsatz von Zinkionen. Aber es ist gesichert, dass Zinkionen
die Wirkung anderer antimikrobieller Zusätze, wie Chlorhexidin, Triclosan oder
Cetylpyridiniumchlorid, bei gemeinsamer
Formulierung verstärken.
Aminfluorid
Aminfluoride bilden eine große Stoffklasse. In Zahnpasta findet zumeist Olaflur
Anwendung. Fluoride allgemein und damit auch Olaflur haben starke kariesprotektive Eigenschaften (Teil 3 „Zahnpasta
- Fluoride, die Wunderwaffe“, in der nächsten Ausgabe). Zusätzlich hat der positiv
geladene Aminanteil eine antimikrobielle
Wirkung. Er verringert die metabolische
Aktivität der Bakterien, inhibiert bakterielle Enzyme und hemmt damit das Bakterienwachstum. Aufgrund dieser Eigenschaften wirkt Aminfluorid in Zahnpasten
wie ein Konservierungsstoff und ersetzt
diesen auch. Die antimikrobielle Wirkung
kann durch die Kombination mit Zinnfluorid noch verstärkt werden.
Zinnfluorid
Auch Zinnfluorid hat neben seiner kariesprotektiven Wirkung durch das Fluorid einen antimikrobiellen Charakter. Zinnionen
beeinträchtigen den bakteriellen Stoffwechsel. Studien belegen, dass sie auch die
Plaquebildung und Gingivitis reduzieren.
Zudem wirken Zinnionen gegen Dentinhypersensitivitäten, indem sie freiliegende
Dentintubuli verstopfen, und gegen Halitosis, dadurch dass sie flüchtige Schwefelverbindungen neutralisieren. Auch bei der
regelmäßigen Anwendung von Zinnfluorid
kann es zu Verfärbungen kommen.
Oktober 2017 -- Ausgabe 05 -- Wir in der Praxis
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Praxis
Zinnfluoride sind allerdings schwierig in
Zahnpasten zu formulieren, da sie nur eine eingeschränkte Stabilität beim Kontakt
mit Wasser aufweisen (s. Teil 3 „Fluoride“).
Naturstoffe und ätherische Öle
Es gibt diverse Naturstoffe sowie ätherische Öle, denen antimikrobielle Eigenschaften nachgesagt werden. Studien, die
es in diesem Bereich gibt, weisen eine gewisse Wirkung in vitro nach, also im Labor.
Es fehlen allerdings klinische Studien, um
eine evidenzbasierte Beurteilung abgeben
zu können.
Biofilmmodulierende Zusätze
Eine andere Art, den Zahn und das Zahnfleisch vor Karies, Gingivitis und Parodontitis zu schützen, besteht – im Gegensatz zur
direkten Beeinflussung der Bakterien – darin, die Gesamtplaque und damit das Ökosystem des Mundes zu verändern. Dieser
Ansatz kommt der heutigen ökologischen
Plaquehypothese am nächsten und unterstützt die Annahme, dass ein Ungleichgewicht zwischen „guten“ und „schlechten“
Bakterien Karies und Gingivitis auslöst.
Zurzeit wird viel Forschung im Bereich der
biofilmmodulierenden Zusätze getrieben
und die Produktvielfalt wird sich in den
nächsten Jahren sicherlich noch erweitern.
Zwei Beispiele an dieser Stelle sind Arginin
und sogenannte Probiotika.
Arginin
Arginin, durchschnittlich in einer Konzentration von 1,5% in Zahnpasta enthalten,
beeinflusst den Biofilmmetabolismus. Es
Antimikrobielle Wirkstoffe in Zahnpasta (Angaben und Vollständigkeit ohne Gewähr)
Kennzeichnung auf der Verpackung
Tab.1
Besonderheiten
Antimikrobieller Wirkstoff
„Chlorhexidine digluconate” (CHX, Chlorhexidin)
Goldstandart
„Cetylpyridinium chloride” (CPC,
Cetylpyridiniumchlorid)
Wirksamkeit noch nicht bestätigt
Triclosan zusammen mit PVM/MA-Kopolymer
Umweltschädlich, Risiko der Resistenzbildung, PVM/
MA-Kopolymer stabilisiert Triclosan und verlängert
die Wirkung
„Zinc lactate”, „zinc chloride”, „zinc gluconate”
(Zinklaktat, -chlorid, -glukonat)
Neutralisiert flüchtige Schwefelverbindungen,
Zinkchlorid hemmt die Zahnsteinbildung; AntiHalitosis
Arginin
Je nach Konzentration wirkt es biofilmmodulierend
oder verstopft Dentintubuli (gegen
Dentinhypersensitivitäten); desensibilisierend;
Aminosäure
„Stannous pyrophosphate” (Zinnpyrophosphat)
Hemmt die Plaque- und Zahnsteinbildung
Naturstoffe
Thymus vulgaris/„thyme” (Thymian); Thymol;
Menthol; Eucalyptol; Anethol; Eugenol
(Gewürznelke); Citronellol
In geringem Maße antimikrobiell, antientzündlich,
aber ohne konkrete Studienlage
Ätherische Öle
„Mentha viridis leaf oil” (grüne Minze); ”Citrus
limon (lemon) peel oil” (Zitronenbaumöl);
„Pelargonium graveolens flower oil”
(Geraniumöl); „flower/leaf oil” (Lorbeeröl)
wird durch die Bakterien verstoffwechselt,
wobei basische Metaboliten entstehen.
Diese wiederum neutralisieren die azide
Plaque oder alkalisieren sie sogar. Dadurch
nimmt die Anzahl kariogener Bakterien ab
und ein mögliches Ungleichgewicht in der
Plaque kann sich auflösen.
In höheren Konzentrationen (8%) wirkt
Arginin zudem gegen Dentinüberemp-
In geringem Maße antimikrobiell, antientzündlich,
aber ohne konkrete Studienlage
findlichkeiten, indem es freiliegende Dentintubuli verstopft.
Probiotika
Probiotika sind seit Langem in Joghurts
oder Drinks enthalten, um die Darmflora
positiv zu beeinflussen und die Verdauung
zu verbessern. Seit einigen Jahren sind sie
auch für die Anwendung zur Prävention
oraler Erkrankungen bekannt. In Form
Eigenschaften der antimikrobiellen Inhaltsstoffe im Vergleich
Wirkstoff
Anti-Karies
Chlorhexidin
(-)
Triclosan + Kopolymer
Cetylpyridiniumchlorid
Zinkionen
Anti-Plaque
Tab. 2
Anti-Zahnstein
(-)
(-)
(-)
()
(-)
Anti-Gingivitis
Substantivität
+++
()
++
(-)
()
+
()
+
Aminfluorid, Zinnfluorid
(-)
+++
Naturstoffe
(-)
()
(-)
()
(-)
Wirkung auch in Studien nachgewiesen. () Es fehlt eine sichere klinische Studienlage. (-) Es wurde keine Wirkung nachgewiesen oder daraufhin untersucht.
Wir in der Praxis -- Ausgabe 05 -- Oktober 2017
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Praxis
Die ganze Welt
der Prophylaxe
von Tabletten oder Zahnpasten werden
probiotische Bakterien (vor allem Lactobacillus reuteri) in den Mund gebracht.
Hier sollen sie den Biofilm neutralisieren
und für ein symbiotisches Milieu sorgen.
Erste Studien sind vielversprechend, jedoch müssen weitere klinische Studien
folgen. Größtes Problem ist derzeit noch,
dass nur Produkte ohne Fluoride auf dem
Markt erhältlich sind.
Schlussfolgerung
Die vorgestellten antimikrobiellen Substanzen besitzen zum Teil sehr unterschiedliche
Eigenschaften, eventuelle Nebenwirkungen
und verschiedene Wirkungsdauern (Substantivitäten). Auch lassen sich einige Wirkstoffe besser, andere schlechter miteinander kombinieren. Dabei gibt es leider nicht
das eine perfekte Produkt. Auch aktuelle
Übersichtsarbeiten können keine eindeutige Empfehlung geben.
Chlorhexidin ist weiterhin der Goldstandard unter den antimikrobiellen Zusatzstoffen. Der Einsatz birgt allerdings einige Nebenwirkungen und sollte damit auf
den kurz- bis mittelfristigen Gebrauch beschränkt werden. Die Indikation besteht
vor allem, wenn eine gründliche häusliche
Mundhygiene eingeschränkt ist, zum Beispiel nach operativen Eingriffen. Als Darreichungsform sollten Mundspüllösungen
der Zahnpasta vorgezogen werden, da die
Konzentrationen höher sind und in der
Folge die Wirkung besser ist.
Auch Triclosan scheint sehr effektiv in
der Reduktion von Plaque und Gingivitis. Allerdings stellt sich die Resistenzproblematik als Nachteil dar. Damit
sollte der Einsatz jeglicher Produkte mit
Triclosan auf ein notwendiges Maß reduziert werden.
DIE "FLÜSSIGE"
ZAHNBÜRSTE IST
NOCH NICHT ERFUNDEN
Zinkionen als Zusatz in Zahnpasta steigern die Effektivität anderer antimikrobieller Substanzen und hemmen zudem
die Zahnsteinbildung.
Auch Cetylpyridiniumchlorid und Naturstoffe scheinen eine antimikrobielle Wirkung zu besitzen, allerdings fehlen hier
zur abschließenden Beurteilung weitere
klinische Langzeitdaten.
Biofilmmodulierende Zusätze wie Arginin oder Probiotika scheinen ein interessanter Ansatzpunkt zu sein und könnten
ein großes Zukunftspotenzial haben, aber
auch hier fehlen aussagekräftige klinische
Studien. Probiotika sollten aufgrund des
fehlenden Fluorids bislang keinesfalls als
alleinige Mundpflegeprodukte empfohlen
werden.
In dieser Schlussfolgerung sollte nicht unerwähnt bleiben, dass neben der Zahnpasta oder Mundspüllösung auch eine adäquate mechanische Zahnreinigung für die
Mundgesundheit unerlässlich ist. Denn
die „flüssige“ Zahnbürste ist noch nicht
erfunden. Außerdem ist insbesondere bei
Risikopatienten auf die individuelle Ernährung zu achten.
Im dritten Teil unserer Serie befassen wir
uns mit den Fluoriden.
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Eine Kombination aus Aminfluorid und
Zinnfluorid scheint für den breitflächigen
Einsatz sinnvoll. Die Substantivität ist
hoch, die Wirkung in Studien belegt und
die Nebenwirkungen sind gering bis nicht
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OKtober 2017 -- Ausgabe 05 -- Wir in der Praxis
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