34 © nadisja / Getty Images / iStock Praxis ZAHNPASTA – AKTIVER ALS SIE DENKEN! Antimikrobielle und andere aktive Substanzen In Teil 2 unserer Serie widmen wir uns den aktiven Substanzen von Zahnpasten, insbesondere den antimikrobiellen. Damit können Sie Ihre Patienten richtig beraten und werden zum Profi der Zahnpasta. Dr. Anna Plaumann Zahnärztin, Kiel N eben den in der letzten Ausgabe diskutierten Hauptbestandteilen der Zahnpasta, die vor allem der Konsistenz, Lagerungsfähigkeit sowie dem Geschmack und Aussehen dienen, sind der Zahnpasta in aller Regel auch Wir in der Praxis -- Ausgabe 05 -- Oktober 2017 aktive Substanzen zugefügt. Diese dienen vor allem der Kariesprophylaxe und dem Schutz vor Gingivitis und Parodontitis. Zahnpasta scheint die optimale Darreichungsform für diese aktiven Wirkstoffe zu sein, da tägliches Zähneputzen mit Zahnpasta und -bürste heute weltweit gesellschaftlich und kulturell etabliert ist. Dabei ist sich der Nutzer oft gar nicht bewusst, dass die Zahnpasta neben dem Frischegefühl noch viele weitere Aufgaben hat. Die Anwendung ist leicht und beginnt bereits mit dem ersten Zahn. Praxis Antimikrobielle Wirkstoffe Chlorhexidin Chlorhexidin ist der Goldstandard unter den antimikrobiellen Zusatzstoffen. Im medizinischen Bereich findet es als Chlorhexidindiglukonat Verwendung. Es wirkt gegen grampositive und gramnegative Bakterien, Viren und Pilze. Dabei ist der Wirkmechanismus unspezifischer Natur – Chlorhexidin schädigt die Membranfunktion der Mikroorganismen. Je nach Konzentration hemmt Chlorhexidin das Bakterienwachstum und deren Vermehrung, wirkt also bakteriostatisch, oder es tötet die Bakterien ab, wirkt also bakterizid. In Zahnpasta kommt Chlorhexidin meist in einer Konzentration von 0,06 % vor, in Mundgel mit 0,12 % und Mundspüllösung mit 0,2 % auch in höheren Konzentrationen. Chlorhexidin verbleibt nach der Anwendung bis zu 12 Stunden in der Mundhöhle (Substantivität) und kann dort weiterhin aktiv wirken. Bei längerer und regelmäßiger Anwendung kann es allerdings zu Nebenwirkungen wie Verfärbungen oder Geschmacksirritationen sowie einer schwarzen Haarzunge kommen, die aber in allen Fällen reversibel sind. Studien zeigen, dass Chlorhexidin in Zahnpasta auch in Konzentrationen von 0,06 % hinsichtlich der Gingivitis- und Plaquekontrolle wirksam ist. Jedoch demonstrieren Übersichtsarbeiten auch, dass Chlorhexidin als Mundspüllösung für den kurz- oder mittelfristigen Einsatz effektiver erscheint und daher dem Patienten eher zu empfehlen ist. Triclosan Triclosan ist ein nicht-ionisches Phenolderivat, das ebenfalls ein breites Wirkspektrum gegen grampositive und gramnegative Bakterien und Pilze besitzt. In diesem Fall wirkt Triclosan ganz spezifisch auf ein bakterielles Enzym, das die Lipidsynthese steuert. So wird der bakterielle Stoffwechsel gehemmt und das Bakterienwachstum verhindert. In Studien werden eine gute Anti-Plaque- und Anti-Gingivitis-Wirkung beschrieben. Neben dem direkten Effekt auf Bakterien und Pilze wirkt Triclosan im Gewebe zusätzlich antientzündlich, dadurch dass es eine verminderte Synthese von Prostaglandinen und Leukotrienen initiiert. Um die Substantivität auf bis zu 8 Stunden zu erhöhen, wird Triclosan entweder an ein Kopolymer (PVM/MA-Kopolymer), Zinkzitrat oder Pyrophosphate gekoppelt. Neben der Anwendung in Zahnpasta wird Triclosan auch in Textilien, Deodorants und Waschmitteln verwendet. Es besteht allerdings die Gefahr der vermehrten Resistenzbildung, da Triclosan auch in diesen Produkten jeweils in einer geringen Dosis vorhanden ist. Dies führt dazu, dass sich Organismen an die Wirkung gewöhnen und Triclosan nicht mehr effektiv ist. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) legt darum nahe, den Einsatz von Triclosan auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken (Stellungnahme Nr. 031/2009 des BfR vom 12. Juni 2009). In Zahnpasta ist der Inhaltsstoff zurzeit noch erlaubt. Cetylpyridiniumchlorid (CPC) Bei CPC handelt es sich um eine quartäre Ammoniumverbindung. Das Wirkspektrum ist auch hier breit und richtet sich gegen grampositive und gramnegative Bakterien sowie Pilze. Auch CPC zerstört die Membranfunktion und wirkt damit unspezifisch. Es hat mit 3–5 Stunden eine geringere Substantivität in der Mundhöhle als Chlorhexidin und Triclosan + Kopolymer. CPC ist dazu auch leicht inaktivierbar durch andere Inhaltsstoffe. Es gibt keine klinischen Langzeitstudien, die die plaqueund gingivitishemmende Wirkung wissenschaftlich bestätigen würden. Als Nebenwirkung kann es bei längerem Gebrauch zu Verfärbungen an den Zähnen kommen. Zinkionen Zinkionen beeinträchtigen die Adhäsion von Bakterien sowie deren Stoffwechsel. Die Substantivität ist mit 6 Stunden befriedigend. Zu den Vorteilen von Zinkionen zählt, dass sie die Zahnsteinbildung hemmen und gegen Halitosis wirken. Die Zinkionen neutralisieren flüchtige Schwe- 35 ZAHNPASTA IST DIE OPTIMALE DARREICHUNGSFORM FÜR AKTIVE SUBSTANZEN felverbindungen, die eine der Hauptursachen für die Entstehung von Mundgeruch sind. Allerdings gibt es nur schwache Evidenz für den alleinigen Einsatz von Zinkionen. Aber es ist gesichert, dass Zinkionen die Wirkung anderer antimikrobieller Zusätze, wie Chlorhexidin, Triclosan oder Cetylpyridiniumchlorid, bei gemeinsamer Formulierung verstärken. Aminfluorid Aminfluoride bilden eine große Stoffklasse. In Zahnpasta findet zumeist Olaflur Anwendung. Fluoride allgemein und damit auch Olaflur haben starke kariesprotektive Eigenschaften (Teil 3 „Zahnpasta - Fluoride, die Wunderwaffe“, in der nächsten Ausgabe). Zusätzlich hat der positiv geladene Aminanteil eine antimikrobielle Wirkung. Er verringert die metabolische Aktivität der Bakterien, inhibiert bakterielle Enzyme und hemmt damit das Bakterienwachstum. Aufgrund dieser Eigenschaften wirkt Aminfluorid in Zahnpasten wie ein Konservierungsstoff und ersetzt diesen auch. Die antimikrobielle Wirkung kann durch die Kombination mit Zinnfluorid noch verstärkt werden. Zinnfluorid Auch Zinnfluorid hat neben seiner kariesprotektiven Wirkung durch das Fluorid einen antimikrobiellen Charakter. Zinnionen beeinträchtigen den bakteriellen Stoffwechsel. Studien belegen, dass sie auch die Plaquebildung und Gingivitis reduzieren. Zudem wirken Zinnionen gegen Dentinhypersensitivitäten, indem sie freiliegende Dentintubuli verstopfen, und gegen Halitosis, dadurch dass sie flüchtige Schwefelverbindungen neutralisieren. Auch bei der regelmäßigen Anwendung von Zinnfluorid kann es zu Verfärbungen kommen. Oktober 2017 -- Ausgabe 05 -- Wir in der Praxis 36 Praxis Zinnfluoride sind allerdings schwierig in Zahnpasten zu formulieren, da sie nur eine eingeschränkte Stabilität beim Kontakt mit Wasser aufweisen (s. Teil 3 „Fluoride“). Naturstoffe und ätherische Öle Es gibt diverse Naturstoffe sowie ätherische Öle, denen antimikrobielle Eigenschaften nachgesagt werden. Studien, die es in diesem Bereich gibt, weisen eine gewisse Wirkung in vitro nach, also im Labor. Es fehlen allerdings klinische Studien, um eine evidenzbasierte Beurteilung abgeben zu können. Biofilmmodulierende Zusätze Eine andere Art, den Zahn und das Zahnfleisch vor Karies, Gingivitis und Parodontitis zu schützen, besteht – im Gegensatz zur direkten Beeinflussung der Bakterien – darin, die Gesamtplaque und damit das Ökosystem des Mundes zu verändern. Dieser Ansatz kommt der heutigen ökologischen Plaquehypothese am nächsten und unterstützt die Annahme, dass ein Ungleichgewicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Bakterien Karies und Gingivitis auslöst. Zurzeit wird viel Forschung im Bereich der biofilmmodulierenden Zusätze getrieben und die Produktvielfalt wird sich in den nächsten Jahren sicherlich noch erweitern. Zwei Beispiele an dieser Stelle sind Arginin und sogenannte Probiotika. Arginin Arginin, durchschnittlich in einer Konzentration von 1,5% in Zahnpasta enthalten, beeinflusst den Biofilmmetabolismus. Es Antimikrobielle Wirkstoffe in Zahnpasta (Angaben und Vollständigkeit ohne Gewähr) Kennzeichnung auf der Verpackung Tab.1 Besonderheiten Antimikrobieller Wirkstoff „Chlorhexidine digluconate” (CHX, Chlorhexidin) Goldstandart „Cetylpyridinium chloride” (CPC, Cetylpyridiniumchlorid) Wirksamkeit noch nicht bestätigt Triclosan zusammen mit PVM/MA-Kopolymer Umweltschädlich, Risiko der Resistenzbildung, PVM/ MA-Kopolymer stabilisiert Triclosan und verlängert die Wirkung „Zinc lactate”, „zinc chloride”, „zinc gluconate” (Zinklaktat, -chlorid, -glukonat) Neutralisiert flüchtige Schwefelverbindungen, Zinkchlorid hemmt die Zahnsteinbildung; AntiHalitosis Arginin Je nach Konzentration wirkt es biofilmmodulierend oder verstopft Dentintubuli (gegen Dentinhypersensitivitäten); desensibilisierend; Aminosäure „Stannous pyrophosphate” (Zinnpyrophosphat) Hemmt die Plaque- und Zahnsteinbildung Naturstoffe Thymus vulgaris/„thyme” (Thymian); Thymol; Menthol; Eucalyptol; Anethol; Eugenol (Gewürznelke); Citronellol In geringem Maße antimikrobiell, antientzündlich, aber ohne konkrete Studienlage Ätherische Öle „Mentha viridis leaf oil” (grüne Minze); ”Citrus limon (lemon) peel oil” (Zitronenbaumöl); „Pelargonium graveolens flower oil” (Geraniumöl); „flower/leaf oil” (Lorbeeröl) wird durch die Bakterien verstoffwechselt, wobei basische Metaboliten entstehen. Diese wiederum neutralisieren die azide Plaque oder alkalisieren sie sogar. Dadurch nimmt die Anzahl kariogener Bakterien ab und ein mögliches Ungleichgewicht in der Plaque kann sich auflösen. In höheren Konzentrationen (8%) wirkt Arginin zudem gegen Dentinüberemp- In geringem Maße antimikrobiell, antientzündlich, aber ohne konkrete Studienlage findlichkeiten, indem es freiliegende Dentintubuli verstopft. Probiotika Probiotika sind seit Langem in Joghurts oder Drinks enthalten, um die Darmflora positiv zu beeinflussen und die Verdauung zu verbessern. Seit einigen Jahren sind sie auch für die Anwendung zur Prävention oraler Erkrankungen bekannt. In Form Eigenschaften der antimikrobiellen Inhaltsstoffe im Vergleich Wirkstoff Anti-Karies Chlorhexidin (-) Triclosan + Kopolymer Cetylpyridiniumchlorid Zinkionen Anti-Plaque Tab. 2 Anti-Zahnstein (-) (-) (-) () (-) Anti-Gingivitis Substantivität +++ () ++ (-) () + () + Aminfluorid, Zinnfluorid (-) +++ Naturstoffe (-) () (-) () (-) Wirkung auch in Studien nachgewiesen. () Es fehlt eine sichere klinische Studienlage. (-) Es wurde keine Wirkung nachgewiesen oder daraufhin untersucht. Wir in der Praxis -- Ausgabe 05 -- Oktober 2017 37 Praxis Die ganze Welt der Prophylaxe von Tabletten oder Zahnpasten werden probiotische Bakterien (vor allem Lactobacillus reuteri) in den Mund gebracht. Hier sollen sie den Biofilm neutralisieren und für ein symbiotisches Milieu sorgen. Erste Studien sind vielversprechend, jedoch müssen weitere klinische Studien folgen. Größtes Problem ist derzeit noch, dass nur Produkte ohne Fluoride auf dem Markt erhältlich sind. Schlussfolgerung Die vorgestellten antimikrobiellen Substanzen besitzen zum Teil sehr unterschiedliche Eigenschaften, eventuelle Nebenwirkungen und verschiedene Wirkungsdauern (Substantivitäten). Auch lassen sich einige Wirkstoffe besser, andere schlechter miteinander kombinieren. Dabei gibt es leider nicht das eine perfekte Produkt. Auch aktuelle Übersichtsarbeiten können keine eindeutige Empfehlung geben. Chlorhexidin ist weiterhin der Goldstandard unter den antimikrobiellen Zusatzstoffen. Der Einsatz birgt allerdings einige Nebenwirkungen und sollte damit auf den kurz- bis mittelfristigen Gebrauch beschränkt werden. Die Indikation besteht vor allem, wenn eine gründliche häusliche Mundhygiene eingeschränkt ist, zum Beispiel nach operativen Eingriffen. Als Darreichungsform sollten Mundspüllösungen der Zahnpasta vorgezogen werden, da die Konzentrationen höher sind und in der Folge die Wirkung besser ist. Auch Triclosan scheint sehr effektiv in der Reduktion von Plaque und Gingivitis. Allerdings stellt sich die Resistenzproblematik als Nachteil dar. Damit sollte der Einsatz jeglicher Produkte mit Triclosan auf ein notwendiges Maß reduziert werden. DIE "FLÜSSIGE" ZAHNBÜRSTE IST NOCH NICHT ERFUNDEN Zinkionen als Zusatz in Zahnpasta steigern die Effektivität anderer antimikrobieller Substanzen und hemmen zudem die Zahnsteinbildung. Auch Cetylpyridiniumchlorid und Naturstoffe scheinen eine antimikrobielle Wirkung zu besitzen, allerdings fehlen hier zur abschließenden Beurteilung weitere klinische Langzeitdaten. Biofilmmodulierende Zusätze wie Arginin oder Probiotika scheinen ein interessanter Ansatzpunkt zu sein und könnten ein großes Zukunftspotenzial haben, aber auch hier fehlen aussagekräftige klinische Studien. Probiotika sollten aufgrund des fehlenden Fluorids bislang keinesfalls als alleinige Mundpflegeprodukte empfohlen werden. In dieser Schlussfolgerung sollte nicht unerwähnt bleiben, dass neben der Zahnpasta oder Mundspüllösung auch eine adäquate mechanische Zahnreinigung für die Mundgesundheit unerlässlich ist. Denn die „flüssige“ Zahnbürste ist noch nicht erfunden. Außerdem ist insbesondere bei Risikopatienten auf die individuelle Ernährung zu achten. Im dritten Teil unserer Serie befassen wir uns mit den Fluoriden. Literatur beim Verlag ([email protected]) Alles, was gesunde Zähne brauchen: Ihr Partner für die Profi-Prophylaxe mit • über 2.000 Prophylaxe-Artikeln zu fairen Preisen • attraktiven Superangeboten • 24-Stunden-Bestellservice • einem Blitz-Lieferservice Gleich den aktuellen Katalog bestellen unter 08102-7772888 Eine Kombination aus Aminfluorid und Zinnfluorid scheint für den breitflächigen Einsatz sinnvoll. Die Substantivität ist hoch, die Wirkung in Studien belegt und die Nebenwirkungen sind gering bis nicht vorhanden. oder [email protected] Auch im Online-Shop: www.dentocare.de OKtober 2017 -- Ausgabe 05 -- Wir in der Praxis Dent-o-care Dentalvertriebs GmbH Rosenheimer Straße 4a 85635 Höhenkirchen