Published on GIT-Labor – Portal für Anwender in Wissenschaft und Industrie ( http://www.git-labor.de) 18.02.2016 Seltene Erden Seltenerdhaltige Permanentmagnete effizient recyceln Viele moderne Technologien basieren auf dem Einsatz funktionaler Materialien, die aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrer Mikrostruktur für die jeweiligen Anwendungen spezielle makroskopische Eigenschaften aufweisen. 1 1 1 1 Oliver Diehl , Eva Brouwer , Alexander Buckow , Roland Gauß , Oliver Gutfleisch 1,2 Einsatzgebiete und Aufbau In heutigen Fahrzeugen befinden sich zahlreiche elektrische Kleinstmotoren, im Maschinenbau sind elektrische Stellmotoren und Antriebsstränge ebenfalls weit verbreitet, Audiogeräte und Computerfestplatten sind aus dem privaten wie beruflichen Bereich nicht mehr wegzudenken. In Zukunft werden wir Energie verstärkt mit Windkraftanlagen erzeugen und die Elektromobilität wird andere, auf fossilen Treibstoffen basierende Fortbewegungstechnologien ersetzen [1]. Diese verschiedenen Technologien haben eines gemeinsam: Für eine möglichst störungsfreie und effiziente Funktion enthalten sie starke Permanentmagnete. Die mit Abstand höchste Energiedichte weisen seltenerdhaltige Magnete auf der Basis von Neodym-Eisen-Bor auf. Die teilweise Substitution von Neodym durch Dysprosium ermöglicht den Einsatz dieser Permanentmagnete auch bei höheren Temperaturen, was insbesondere beim Einsatz in Motoren von großer Bedeutung ist. Durch die stark wachsende Nachfrage in vielen Anwendungsgebieten ist der Bedarf nach diesen Materialien im vergangenen Jahrzehnt kontinuierlich gestiegen. Die Versorgung Deutschlands und anderer Hightech-Standorte mit Neodym und Dysprosium, wie auch mit Seltenerdmetallen generell, wird allerdings als kritisch eingestuft. Die Elemente der Seltenen Erden, einer Gruppe von chemischen Elementen zu der neben Neodym und Dysprosium noch 15 weitere Elemente zählen, liegen in der Natur in Form von Oxiden vor. Zusätzlich handelt es sich bei den abgebauten Materialien immer um ein Gemisch aus mehreren Seltenerdoxiden. In der Primärproduktion müssen die Seltenerdelemente deshalb zuerst aufwendig extrahiert, konzentriert, getrennt, reduziert und schließlich in Legierungen überführt werden. Ein bedeutender Anteil der so gewonnenen Elemente wird für die Produktion von Permanentmagneten verwendet. Da für die Zukunft mit einer steigenden Nachfrage zu rechnen ist, führt langfristig kein Weg an einem Recycling und der teilweisen Substitution dieser Elemente vorbei. Neben dieser Notwendigkeit ergeben sich durch die Nutzbarmachung von in Altmagneten enthaltenen kritischen Elementen weitere Vorteile. Verglichen mit dem energieintensiven und die unmittelbare Umwelt negativ beeinflussenden Primärabbau, haben Magnete aus Recyclingmaterial das Potential, günstiger zu sein als solche aus Primärmaterial und haben eine deutlich bessere Ökobilanz. Ein Recycling würde zudem die Abhängigkeit der Unternehmen von globalwirtschaftlichen und geopolitischen Entwicklungen mindern und bietet die Chance, vor Ort eine bedeutende Wertschöpfungskette zu etablieren. Recyclingansätze Für ein Recycling von Permanentmagneten gilt es zu beachten, dass nicht eine einzige Legierung Nd-Fe-B existiert, sondern dass diese Basislegierung in vielen Fällen anwendungsspezifisch modifiziert mit dem Ziel, Eigenschaften wie Temperaturstabilität, Korrosionsverhalten und magnetische Kennwerte für die jeweilige Anwendung zu optimieren. Abbildung 1 zeigt exemplarisch die analysierte chemische Zusammensetzung eines Altmagneten. Neben Neodym, Eisen und Bor, besteht er weiterhin aus den Seltenerdelementen Dysprosium und Praseodym sowie weiteren Elementen, die die Eigenschaften des Magneten anwendungsspezifisch optimieren. Derzeit gibt es kein im industriellen Maßstab etabliertes Verfahren, nach dem seltenerdhaltige Altmagnete aus Endanwendungen recycelt werden können, so dass die Seltenerdelemente im Metallschrott verloren gehen [2, 3]. Ein Recycling von Altmagneten ist prinzipiell auf drei Ebenen denkbar: Direkte Wiederverwendung (Re-Use), rohstoffliches und werkstoffliches Recycling [2, 4]. Direkte Wiederverwendung (Re-Use) Dieser Ansatz erscheint aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten als beste Lösung. Da sich jedoch Merkmale wie Legierungszusammensetzung und Geometrie über die Jahre verändert haben und immer für die konkrete Anwendung angepasst wurden, wird ein direkter Re-Use nur in Einzelfällen möglich sein, sofern zusätzlich keine irreversiblen Schädigungen, insbesondere Korrosion, vorliegen [4, 5]. Rohstoffliches Recycling Darunter fallen alle Ansätze, die auf ein Herauslösen einzelner Elemente oder Verbindungen aus den Legierungen abzielen. Die Forschung konzentriert sich hier auf pyro- und hydrometallurgische Verfahren, die teilweise auch in der Primärproduktion Anwendung finden, jedoch auch sehr energieintensiv sind, sowie Gasphasenreaktionen und Bioleaching-Prozesse [2, 4]. Werkstoffliches Recycling Der Vorteil eines werkstofflichen Recyclings liegt darin, dass die vorhandene Altmagnetlegierung komplett recycelt wird. Da die wirtschaftlich bedeutenden Seltenerdmetalle Neodym, Dysprosium und Praseodym hauptsächlich für die Herstellung von permanentmagnetischen Legierungen verwendet werden, liegt es nahe, ein Recyclingverfahren für die gesamte Legierung zu etablieren. Auf dieser Ebene existieren mehrere Short-Loop-Recyclingverfahren, mit denen in wenigen Prozessen aus Altmagneten das Ausgangsmaterial für neue Permanentmagnete erzeugt werden kann [2]. Eine davon ist die hier vorgestellte Rascherstarrungstechnologie. Rascherstarrungstechnologie Der Prozess der Rascherstarrung wird seit Jahren zur Herstellung unterschiedlicher Metalllegierungen und auch in der Primärproduktion von Magnetmaterial eingesetzt. Industriell werden Permanentmagnete zu über 90% durch Sintern hergestellt [6]. Alternativ dazu werden aber auch mittels Rascherstarrung oder Wasserstoffbehandlung nanokristalline Pulver erzeugt, aus denen heißgepresste und -umgeformte oder kunststoffgebundene Magnete hergestellt werden [7]. Diese für die Primärproduktion etablierte Route lässt sich auch für ein werkstoffliches Recycling von Altmagneten verwenden. Beim Rascherstarrungsprozess werden die Altmagnete, wie im Titelbild dargestellt, in einem Tiegel induktiv aufgeschmolzen. Anschließend gelangt die über 1200°C heiße Schmelze durch eine Düse im Boden des Tiegels auf ein schnell rotierendes, wassergekühltes Kupferrad. Aufgrund der hohen Wärmeleitfähigkeit des Kupfers, geht die Wärmeenergie aus der Schmelze innerhalb von Millisekunden in das Rad über (die typische Abkühlrate beim Rascherstarren liegt um 1 Mio. K/s) und der Schmelztropfen erstarrt auf dem sich drehenden Rad zu einem flachen “Flake“. Diese schnelle Abkühlung verhindert die Anordnung der Atome im sonst typischen Kristallgitter. Stattdessen wird hier eine amorphe Struktur erzeugt, bei der die Atome ohne jegliche Fernordnung angeordnet sind, oder eine nanokristalline Struktur, bei der die Atome zu Körnern in nanometergroßen Bereichen kristallisieren (Abb. 2). Welche Mikrostruktur während des Erstarrens in den Flakes erzeugt wird, kann gezielt durch die Prozessparameter, wie Geschwindigkeit des Kupferrades oder Temperatur der Schmelze, beeinflusst werden. Zusätzlich zur optimierten Mikrostruktur ermöglicht der Prozess die chemische Zusammensetzung der Legierung durch Additive zu modifizieren und im Fall von stark oxidiertem Material den Sauerstoffgehalt zu reduzieren. Die so erzeugten Flakes können anschließend zu Pulver gemahlen und je nach Anwendung wahlweise zu kunststoffgebundenen oder heißgepressten/-umgeformten Magneten weiterverarbeitet werden. Die aktuell bei der Fraunhofer Projektgruppe IWKS verwendete Rascherstarrungsanlage liegt mit einem Fassungsvermögen von 500 g zwischen einer Labor- und einer Großanlage. Nachdem mit dieser Anlage und über die beschriebene Prozessroute erste recycelte Permanentmagnete hergestellt werden konnten, konzentriert sich die weitere Forschung nun darauf, die Prozessparameter während der Rascherstarrung und in den anschließenden Prozessen zu optimieren, um möglichst hohe Ausbeuten und gute magnetische Eigenschaften zu erzielen. Zusammenfassung und Ausblick Ein Recycling von Permanentmagneten und den darin enthaltenen kritischen Elementen bietet ökonomische Vorteile und eröffnet eine alternative Quelle für diese strategische Materialien. Das vorgestellte Recyclingverfahren orientiert sich an einer in der Primärproduktion von Permanentmagneten etablierten Prozessroute. Im Labormaßstab konnte gezeigt werden, dass sich diese Route prinzipiell auch für ein Recycling dieser Materialien nutzen lässt. Dabei ermöglicht dieser Recyclingansatz den Wiedereinsatz der kompletten Legierung bei verhältnismäßig geringem Energie- und Kostenaufwand. Zugehörigkeiten 1 Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS 2 Material Science, TU Darmstadt, Darmstadt, Deutschland Literatur [1] O. Gutfleisch, M. A. Willard, E. Brück, C. H. Chen, S. G. Sankar und J. P. Liu, Adv. Mater. 23, pp. 821-842, 2011. DOI: 10.1002/adma.201002180 [2] R. Gauß, O. Diehl, E. Brouwer, A. Buckow, K. Güth und O. Gutfleisch, Chemie Ingenieur Technik, Nr. 87 (11), 2015. DOI: 10.1002/cite.201500061 [3] M. Buchert, A. Manhart und J. Sutter, 2014. [4] K. Binnemanns, P. T. Jones, B. Blanpain, T. Van Gerven, Y. Yang, A. Walton und M. Buchert, J. Cleaner Prod. 51, pp. 1-22, 2013. doi:10.1016/j.jclepro.2012.12.037 [5] U. Bast, R. Blank, M. Buchert, T. Elwert, F. Finsterwalder, G. Hörnig, T. Klier, S. Langkau, F. Marscheider-Weidemann, J.-O. Müller, C. Thürigen, F. Treffer und T. Walter, MORE_Abschlussbericht.pdf, 2014. [6] D. N. Brown, Z. Wu, F. He, D. J. Miller und J. W. Herchenroeder, J. Phys.: Condens. Matter 26 (2014) 064202 (8pp). doi:10.1088/0953-8984/26/6/064202 [7] O. Gutfleisch, J. Phys. D: Appl. Phys. 33, pp. R157-R172, 2000. doi:10.1088/00223727/33/17/201 Kontakt Oliver Diehl Fraunhofer-Projektgruppe IWKS Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) Hanau, Deutschland [email protected] Weitere Beiträge zum Thema Recycling: http://www.gitlabor.de/category/tags/recycling