Thieme: I care - Anatomie, Physiologie

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Chemie und Biochemie
Edelgaskonfiguration
Die wichtigsten Gruppen
Die Elemente der 8. Hauptgruppe werden als Edelgase bezeichnet (▶ Abb. 2.3). Ihre äußerste Schale ist voll besetzt.
Dieser Zustand ist sehr stabil und energetisch günstig. In
Anlehnung an die Hauptgruppe der Edelgase nennt man
diesen Zustand auch Edelgaskonfiguration.
Alle Atome haben das Bestreben, ihre äußerste Schale voll
zu besetzen, also die Edelgaskonfiguration zu erreichen. Dies
besagt die Edelgasregel. Mit Ausnahme von Wasserstoff und
Helium bedeutet dies für die meisten Hauptgruppenelemente,
dass sie 8 Elektronen auf ihrer Außenschale anstreben (Oktettregel). Um die Edelgaskonfiguration zu erreichen geben Atome
Elektronen ab oder nehmen Elektronen auf. Der „Wille“ diesen
Zustand zu erreichen ist bei Atomen der verschiedenen Elemente aber unterschiedlich stark ausgeprägt.
Atome, deren äußerste Schale fast vollständig besetzt ist,
haben das größte Bestreben, die Edelgaskonfiguration zu erreichen. Dazu gehören die Elemente der 7. Hauptgruppe wie
Fluor oder Chlor. Ihnen fehlt dafür noch 1 Elektron, was sie
sehr reaktionsfreudig macht. Um das fehlende Elektron hinzuzugewinnen, versuchen sie die Valenzelektronen von anderen Atomen „anzulocken“. Die Fähigkeit, Elektronen eines
fremden Atoms anzuziehen, nennt man Elektronegativität.
Allgemein kann man sich merken, dass Elemente, die rechts
im Periodensystem stehen, elektronegativer sind als jene, die
links stehen. Atome einer Gruppe, die weiter unten im Periodensystem stehen sind hingegen weniger elektronegativ. Atome der 2. Hauptgruppe geben ihre überschüssigen Elektronen
lieber ab.
Die Stufenlinie im Periodensystem kennzeichnet die Grenze
zwischen den Metallen (lila) und Nichtmetallen (grün). Bei
den Elementen der rechten Gruppe (blau) handelt es sich
um Edelgase (▶ Abb. 2.3).
●● Metalle: Sie sind elektrisch leitfähig und können insbesondere Wärme gut transportieren (gute thermische Leitfähigkeit). Der Übergang zwischen Metallen und Nichtmetallen ist fließend.
●● Nichtmetalle: Sie reagieren nicht alle gleich und unterscheiden sich innerhalb der Gruppen. Für alle gilt jedoch,
dass ihnen die typisch metallischen Eigenschaften fehlen.
Außerdem neigen Nichtmetalle im Gegensatz zu Metallen
dazu, Elektronen von Anionen aufzunehmen.
●● Edelgase: Allen 7 Edelgasen ist gemein, dass ihre Elektronenschalen voll besetzt und deshalb sehr reaktionsträge
sind.
Abb. 2.3 Periodensystem der Elemente.
Hauptgruppen
H
8
Elektronegativität↑
3
4
5
6
7
Li
Be
B
C
N
O
F
Ne
Na
Mg
Al
Si
P
S
Cl
Ar
K
Ca
Ga
Ge
As
Se
Br
Kr
I
Xe
H = Wasserstoff
C = Kohlenstoff
N = Stickstoff
O = Sauerstoff
P = Phosphor
S = Schwefel
Die Zahl der Außenelektronen entspricht der Zahl der Hauptgruppe. Eine
Ausnahme bildet das Edelgas Helium (He) mit nur 2 Elektronen. Da die erste Schale aber bereits mit 2 Elektronen voll besetzt ist, entspricht diese
Konfiguration der Edelgaskonfiguration. Fluor steht in der 7. Hauptgruppe
und hat dadurch auch 7 Valenzelektronen und Stickstoff steht in der 5. und
besitzt deshalb auch nur 5 Valenzelektronen. Die Elektronegativität nimmt
von links nach rechts zu und von oben nach unten ab. Farbcode: blau –
Edelgase, grün – Nichtmetalle, lila – Metalle. Anmerkung: Dieses Periodensystem ist nicht vollständig, es zeigt nur die für uns wichtigsten Elemente.
Aus: Horn F: Biochemie des Menschen. Thieme 2009.
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Edelgasregel
Alle Atome wünschen sich, eine voll besetzte Außenschale zu haben und somit die energetisch günstige Edelgaskonfiguration zu erreichen.
Isotope
Alle Atome eines Elements haben die gleiche Ordnungszahl,
sie können sich aber in der Massenzahl voneinander unterscheiden. Diese Atome nennt man Isotope.
Wie die meisten Elemente besteht das in der Natur vorkommende Chlor aus einem Isotopengemisch. Diese Chlor­
atome haben immer die gleiche Chlor-typische Ordnungszahl 17, kommen aber mit einer Massenzahl 35 und 37 vor.
Manche Elemente wie Natrium oder Fluor bestehen nur aus
einem Isotop, sie sind isotopenrein.
2.3 Chemische Bindungen
He
2
Elektronegativität↓
1
Wissen to go
Elemente gehen chemische Bindungen ein, weil sie der Edelgaskonfiguration nachstreben. Um die äußere Schall voll zu
besetzen, gibt es 3 Möglichkeiten. Das Atom kann Elektronen entweder aufnehmen oder abgeben. Es ist auch denkbar, dass Atome sich die Elektronen teilen. Bei all diesen Vorgängen gehen die Atome miteinander Bindungen ein.
2.3.1 Ionenbindung
Unter Ionen versteht man in der Chemie geladene Teilchen.
Ist ein Ion positiv geladen, wird es als Kation bezeichnet, ist
es negativ geladen, heißt es Anion. Ionische Verbindungen
sind demnach aus Kationen und Anionen aufgebaut.
Kochsalz (Natriumchlorid)
Was passiert genau bei der Ionenbindung? Am besten kann
man das am Beispiel von Kochsalz, dem Natriumchlorid
(NaCl), nachvollziehen. Bindungspartner im Kochsalz sind
die beiden Elemente Natrium (Na+) und Chlor (Cl-). Das Natrium befindet sich in der 1. Hauptgruppe. Es hat ein freies Valenzelektron in seiner äußersten (dritten) Schale und
möchte sein Elektron loswerden, um die Edelgaskonfiguration zu erreicht.
Chemische Bindungen
Abb. 2.4 Schematische Darstellung eines NaCl-Salzkristalls.
Cl–
Na+
Die Natrium- und Chlorid-Ionen sind zu periodischen, dreidimensionalen Gittern angeordnet. Vor allem die Elemente der
1. und 2. Hauptgruppe erreichen auf diese Weise ihre Edelgaskonfiguration. Ionenverbindungen werden aufgrund dieser Eigenschaften auch als Salze bezeichnet. Aus: Endspurt Vorklinik Chemie.
Thieme 2013.
Auch das Chlor ist der Edelgaskonfiguration schon ziemlich nahe. Als Vertreter der 7. Hauptgruppe hat es 7 Valenzelektronen und benötigt daher nur noch 1. Elektron. Da es
eine große Elektronegativität besitzt, ist die Anziehungskraft auf das Natriumatom so stark, dass sein einzelnes Valenzelektron auf das Chlor übergeht. Zwischen den beiden
Bindungspartnern findet eine Elektronenübertragung statt.
Die äußere Schale des Natriumatoms ist damit voll besetzt
und auch das Chloratom hat das erreicht, was es wollte: die
Edelgaskonfiguration.
Das Natriumatom hat ein Elektron an das Chlor abgegeben. An der Protonenzahl im Kern hat sich jedoch nichts
geändert. Im Vergleich zum Zustand vor der Reaktion fehlt
dem Atom jetzt aber eine negative Ladung in Form eines
Elektrons. Das Atom ist fortan nicht mehr ungeladen, sondern positiver geladen als vorher. Man spricht jetzt von einem Ion, genauer: einem Kation.
Beim Chlor ist es genau umgekehrt. Das Chloratom hat ein
Elektron aufgenommen. In seinem Atomkern gibt es aber
nicht mehr Protonen. Da das Elektron seine negative Ladung
mitbringt, ist das Atom jetzt einfach negativ geladen. Es
wird als Anion bezeichnet.
Chlor-Anionen und Natrium-Kationen ziehen sich durch
ihre unterschiedliche Polarität an und ordnen sich in geometrischen Mustern aneinander. Im festen Zustand bilden
sie Kristalle, wie hier das Kochsalz, das von den plus-minus
Anziehungen der Ionen stabilisiert wird (▶ Abb. 2.4).
2.3.2 Kovalente Bindung
Eine Ionenbindung funktioniert nur zwischen 2 Elementen,
die sich deutlich in ihrer Elektronegativität unterscheiden.
Atome des gleichen Elements können auch miteinander
eine Bindung eingehen. Diese Form der chemischen Bindung nennt man kovalente Bindung. Eine kovalente Bindung
besteht aus einem Paar von Elektronen, das zwei Atomen
gemeinsam gehört. Bei Mehrfachbindungen hingegen sind
zwei oder drei gemeinsame Elektronenpaare zwischen zwei
Atomen vorhanden. Durch diese chemische Verbindung entstehen Moleküle. Die kovalente Bindung ist sehr stabil und
ein häufiger Bindungstyp in der Natur.
Nachfolgend werden einige Beispiele für kovalente Bindungen genannt.
Zwischen 2 Chloratomen • Eine kovalente Bindung gibt es
zwischen 2 Chloratomen. Als Element der 7. Hauptgruppe
besitzt Chlor 7 Valenzelektronen. 2 Chloratome gehen daher
eine Bindung ein, bei der sie sich ein Elektron teilen. Sie rücken dabei ganz nahe zusammen und bilden eine Elektronenpaarbindung aus (▶ Abb. 2.5).
Zwischen 2 Sauerstoffatomen • Eine kovalente Doppelbindung kommt auch beim Sauerstoffmolekül (O2) vor. Sauerstoff ist ein Element mit 6 Außenelektronen. Es fehlen ihm
daher noch 2 Elektronen zur Edelgaskonfiguration. Gehen
zwei Sauerstoffatome eine kovalente Bindung ein, teilen sie
sich nicht nur ein, sondern zwei Elektronen – eine Doppelbindung entsteht (▶ Abb. 2.5).
Zwischen 2 Stickstoffatomen • Eine kovalente Mehrfachbindung beim Stickstoffmolekül (N2-Molekül): Es steht in der
5. Hauptgruppe, besitzt also 5 Valenzelektronen. Auf dem
Weg zum Elektronenoktett, nach dem alle Atome streben,
braucht es demnach 3 weitere Elektronen. Das wird über
Abb. 2.5 Kovalente Bindungen.
=
Cl
Cl
+
O
Cl
=
O
+
N
+
N
=
Cl
O
O
=
N
Cl
Cl
=
O
N
O
O
=
N
Cl
N
N
Reaktion zwischen 2 Atomen des gleichen Elements: Chlor hat
7 Valenzelektronen, es fehlt ihm 1 Elektron zur Edelgaskonfiguration. Reagieren 2 Chloratome miteinander, so bilden die beiden freien Elektronen (Punkte) ein Bindungselektronenpaar, das
durch einen Bindestrich symbolisiert wird. Zwei freie Valenzelektronen bzw. ein freies Elektronenpaar eines Atoms wird ebenfalls mit einem Strich, allerdings am Symbol des Atoms selbst,
symbolisiert. So kann zwischen „eigenen“ und „geteilten“ Elektronenpaaren unterschieden werden. 2 Sauerstoffatome bilden
eine Doppelbindung zueinander aus und bei Stickstoff gehen
pro Atom 3 freie Elektronen eine Bindung ein. Aus: Horn F: Biochemie
des Menschen. Thieme 2009.
21
2
Chemie und Biochemie
eine Dreifachbindung mit einem anderen N-Atom erreicht
(▶ Abb. 2.5).
Abb. 2.6 Polarität von Wasser.
2.3.3 Chemische Verbindungen
Bei den oben genannten Molekülen bestand die kovalente
Bindung immer zwischen Atomen des gleichen Elements. Es
gibt aber auch kovalente Bindungen zwischen unterschiedlichen Elementen. Man spricht dann von chemischen Verbindungen. 2 verschiedene Elemente verbinden sich über
eine kovalente Bindung zu etwas Neuem. Man kann bei den
chemischen Verbindungen 2 große Gruppen unterschieden:
organische und anorganische Verbindungen.
δ
O
+
δ H
–
δ
O
H
δ
H2O
–
H δ
δ
+
+
+
H
O
H
H
O
O
H
H
H
H
δ– δ+
O
O
+
H
H
δ
H
H
Organische Verbindung
Eine organische Verbindung enthält immer ein Kohlenstoffatom. Meist besteht sie aus einer Kombination von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen. Wie die Bezeichnung schon
vermuten lässt, sind die meisten im Körper vorkommenden
Verbindungen organisch. Dies trifft für alle Schlüsselelemente des Lebens zu.
Das Sauerstoffatom bildet zu 2 Wasserstoffatomen Bindungen
aus. Sauerstoff zieht die Elektronen näher zu sich heran und wird
dadurch partiell negativ. Die Wasserstoffatome hingegen werden partiell positiv, da die negative Ladung des Elektrons weiter
vom Wasserstoff-Kern entfernt ist. Mehrere Wassermoleküle
ziehen sich gegenseitig über ihre partiell positive und negative
Ladung an. Aus: Horn F: Biochemie des Menschen. Thieme 2009.
Anorganische Verbindung
Eine anorganische Verbindung ist dadurch definiert, dass
sie kein Kohlenstoffatom besitzt. Auch anorganische Verbindungen sind wichtig. Prominentestes Beispiel ist das Wasser
(H2O). Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche anorganische
Verbindungen in unserer Umwelt.
Wasserstoffbrückenbindungen und polare
­Moleküle
Stehen zwei Moleküle über Wasserstoffatome in Wechselwirkung, spricht man von Wasserstoffbrückenbindungen
(H-Brücken). Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich hierbei
um keine kovalente Bindung, sondern um elektrostatische
Anziehungskräfte handelt, bei der sich die Moleküle und
Atome jedoch nicht über ein gemeinsames Elektronenpaar
„berühren“.
Da O-Atome in der 6. Gruppe der Elemente stehen, besitzen sie 2 freie Elektronen und sind stark elektronegativ.
Nach der Oktettregel wollen sie 2 weitere Elektronen aufnehmen und bildet zu 2 H-Atomen eine kovalente Bindung
aus: ein Wassermolekül entsteht (H2O). Das gebundene HAtom wird dadurch etwas (partiell) positiver geladen (die
negative Ladung des Elektrons ist nun weiter vom H-Atom
entfernt) und das O-Atom etwas negativer. Das Wassermolekül hat einen sogenannten Dipolcharakter.
Wasserstoffbrückenbindungen kommen schließlich dadurch zustande, dass die partiell positiven H-Atome mit anderen in der Nähe befindlichen, negativ geladenen Dipolmolekülen in Wechselwirkung treten, da sich entgegengesetzte
Ladungen anziehen. Wasserstoffbrückenbindungen bilden
sich daher nicht nur zwischen Atomen, sondern auch zwischen Molekülen aus.
Ein weiteres Beispiel für die Polarität einer Atombindung
ist das Kohlenstoffdioxid-Molekül. Die zwei Sauerstoffatome
(5. Valenzelektronen) sind elektronegativer als das C-Atom
(4. Valenzelektronen), weshalb sie mit allen 4 Elektronen
Bindungen eingehen und diese von ihm abziehen. Damit
werden die Sauerstoffatome partiell negativ geladen (▶ Abb.
2.6). Das partiell positiv oder negativ geladene Atom wird
durch den griechischen Buchstaben Delta (δ) samt plus oder
minus-Zeichen symbolisiert.
22
Abb. 2.7 Kovalente Bindungen und Ionenbindungen.
Cl
δ+
H
Cl
reine kovalente
δ–
Cl
+
–
Na + Cl
polare
Atombindung
Ionenbindung
steigende Elektronegativitätsunterschiede
der Bindungspartner
Links ist eine rein kovalente Bindung dargestellt. Zwei Atome
unterschiedlicher Elektronegativität gehen eine polare kovalente Bindung ein (Mitte). Rechts: Ionenbindungen – ein Bindungspartner überlässt sein Elektron dem anderen Partner. Aus: Horn F:
Biochemie des Menschen. Thieme 2009.
Wissen to go
Atom- und Ionenbindungen
Am besten lassen sich die Atom- und Ionenbindungen anhand einer Abbildung veranschaulichen (▶ Abb. 2.7). Bei
einer rein kovalenten Bindung hat das Bindungselektronenpaar zu beiden Atomen den gleichen Abstand. Sind die
Bindungspartner eines Moleküls unterschiedlich elektronegativ, entsteht eine polare kovalente Bindung, in der
das elektronegativere Atom das Elektron näher an sich her­
an zieht. Das Atom ist dadurch partiell negativ geladen. In
einer Ionenbindung werden Elektronen vom Partner mit
einer geringen Anzahl von Valenzelektronen auf den anderen übertragen. Kationen und Anionen ziehen sich stark
an, wodurch sie Kristallgitter bilden (Salze).
Organische Verbindungen im menschlichen Körper
2.4 Chemische Reaktionen
Chemische Reaktionen sind die Grundlage jeden Lebens und
finden pausenlos in unserem Körper statt. Bei einer chemischen Reaktion verändern sich die Bindungen der an der
Reaktion beteiligten Stoffe: Neue Bindungen zwischen den
Atomen, Ionen und Molekülen entstehen und lösen sich auf.
Eine chemische Reaktion ist im Prinzip nichts anderes als
eine mathematische Gleichung. Der Wert der rechten Seite
ist das Produkt. Es muss dem Wert auf der linken Seite, also
dem der reagierenden Stoffe (Reaktanden) entsprechen. Die
Anzahl der Atome ist vor und nach der Reaktion auf jeder
der beiden Seiten gleich groß, sie werden im Laufe der Reaktion lediglich anders angeordnet. Dadurch entstehen neue
Moleküle, die meist andere chemische Eigenschaften als die
Ausgangsstoffe haben und wichtige Aufgaben im Stoffwechsel erfüllen.
Der Stoffwechsel des Menschen basiert auf einer Vielzahl
komplexer chemischer Reaktionen. Man unterscheidet beim
Stoffwechsel 2 Arten von Reaktionen: aufbauende (anabole)
und abbauende (katabole) Reaktionen.
Anabole Prozesse
In der Fachsprache werden diese aufbauenden Reaktionen
auch als anabole Prozesse bezeichnet. Ein Beispiel aus dem
menschlichen Körper ist die Herstellung von Proteinen.
Dieser Vorgang wird auch Proteinbiosynthese genannt. Aus
verschiedenen Aminosäuren werden riesige Eiweißmoleküle gebaut.
Katabole Prozesse
Es finden im Körper aber auch abbauende Reaktionen statt.
Man bezeichnet sie als katabole Prozesse. Bei katabolen Prozessen wird ein Stoff in mehrere Teile zerlegt. Ein gutes Beispiel ist die Verdauung. Die großen Moleküle aus der Nahrung müssen in kleinere Bestandteile aufgespalten werden.
Nur so können die Nährstoffe die Darmwand überwinden
und in den Blutstrom gelangen. Enzyme im Speichel spalten
beispielsweise bereits im Mund die Stärke aus der Nahrung
in Zuckermoleküle.
Energie in Form von ATP
Damit eine anabole Reaktion ablaufen kann, wird Energie
benötigt. ATP (Adenosintriphosphat) liefert dem Körper
diese Energie. Es wird in den Zellen gespeichert und kann
jederzeit abgerufen werden. Bei einer anabolen Reaktion
wird das ATP verbraucht, bei einer katabolen Reaktion wird
Energie frei. Diese Energie nutzt der Körper wiederum, um
ATP zu regenerieren und die ATP-Speicher der Zellen aufzufüllen. Es kann jedoch nie die komplette Energie in ATP umgewandelt werden. Nach dem Grundsatz der Energieerhaltung geht diese überschüssige Energie aber nicht verloren,
sondern wird in Form von Wärme freigesetzt.
Definition ATP und ADP
ATP ist aufgebaut aus einem Nukleosid (S. 31), dem Adenosin,
das wiederum aus dem Nukleotid Adenin und dem Zucker Ribose
besteht und an das drei Phosphatgruppen angehängt sind. Wird
diese Bindung über Enzyme gespalten, entsteht ADP (Adenosindiphosphat) und 1 Phosphatrest. Der Phosphatrest reagiert mit
Wasser, wodurch Energie frei wird. Bindet der Phosphatrest wieder an ADP, entsteht ein neues ATP.
Wissen to go
Anabolismus und Katabolismus
Der katabole Stoffwechsel dient der Energiegewinnung,
indem Kohlenhydrate bzw. andere große Moleküle in einzelne kleinmolekulare Bestandteile abgebaut werden. Das
geschieht während der Glykolyse, der Atmungskette und
dem Fettsäureabbau. Dabei wird Energie frei.
Der anabole Stoffwechsel wird auch als Baustoffwechsel bezeichnet, da Aminosäuren, Proteine oder andere
große Moleküle aufgebaut werden. Dafür wird Energie
benötigt.
2.4.1 Oxidations- und Reduktionsreaktion
Bei einer Oxidation wird einem Molekül, Atom oder Ion ein
Elektron entzogen, bei einer Reduktion werden ihm Elek­
tronen zugeführt. Bei der Reduktion wird die Oxidationszahl
eines Atoms erniedrigt. Die Oxidation und Reduktion sind
immer miteinander gekoppelt. Sie können nie für sich alleine ablaufen. Das Elektron muss dabei nicht vollständig vom
Atom abgetrennt werden. Es reicht schon, wenn das Elek­
tron, wie bei den oben beschriebenen Wasserstoffbrückenbindungen oder kovalenten Bindungen, partiell abgezogen
wird. Die Konsequenz: das Atom wird positiv(er) und damit
wird auch die Oxidationszahl erhöht.
Oxidations- und Reduktionsprozesse spielen sich auch im
Stoffwechsel ab. Pyruvat beispielsweise, das Endprodukt der
Glykolyse (S. 25) wird schließlich wieder zu Lactat reduziert oder zu CO2 oxidiert. An den Reaktionen beteiligen sich
Coenzyme, die die Aufgabe übernehmen Elektronen oder
Wasserstoffatome von einem Molekül auf das nächste zu
übertragen. Wichtige Coenzyme sind ATP, GTP (Guanosintriphosphat), NAD+ (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid) und
FADH (Flavin-Adenin-Dinukleotid).
NADH beispielsweise ist an vielen Redoxreaktionen beteiligt, wobei es sich als Oxidationsmittel verhält, zum Beispiel
in der Atmungskette. Hierbei nimmt NADH 2 Elektronen
auf und liegt damit in oxidierter Form vor (NAD+). Während
der Glykolyse hingegen dient es als Reduktionsmittel und
nimmt 1 Proton auf (NADH + H+).
2.5 Organische Verbindungen
im menschlichen Körper
2.5.1 Kohlenhydrate
Kohlenhydrate sind organische Verbindungen, die aus Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffatomen aufgebaut
sind. Die Kohlenhydrate stellen eine wichtige chemische
Stoffklasse dar. Die prominentesten Vertreter dieser Gruppe
sind die verschiedenen Zuckermoleküle.
Kohlenhydrate werden in der Natur in großen Mengen
von grünen Pflanzen produziert. Dieser Vorgang wird Photosynthese genannt. Die Pflanzen benutzen dabei die Energie der Sonne, um aus energiearmen Ausgangsstoffen (H2O
und CO2) ein energiereiches Produkt (Glukose) entstehen
zu lassen. Während die Umwandlung von Sonnenenergie
in chemische Energie den grünen Pflanzen vorbehalten ist,
nutzen alle Lebewesen Kohlenhydrate als Energielieferanten
23
2
Chemie und Biochemie
und als Grundbaustein für andere Stoffe wie Fette und Aminosäuren.
2.5.2 Einteilung der Kohlenhydrate
Zu den Kohlenhydraten gehören die einfachen Zucker (Monosaccharide), z. B. Traubenzucker (Glukose) und Fruchtzucker (Fruktose). Diese einfachen Zucker können sich zu
Ketten zusammenschließen (▶ Tab. 2.1). Teilweise sind
diese Ketten verzweigt. Je nach enthaltenen Monosacchariden spricht man von Zweifachzuckern (2 Monosaccharide),
Mehrfachzuckern (3 – 10 Monosaccharide) und Vielfachzuckern (mehr als 10 Monosaccharide).
Monosaccharide (Einfachzucker)
Der bekannteste Einfachzucker ist die Glukose (▶ Abb. 2.8),
sie dient in der Zelle als Energielieferant. Prinzipiell kann
man sich merken, dass einfache Zuckermoleküle aus einem
ringförmigen Grundgerüst bestehen. Je nach Art des Zuckers
besitzt dieser Ring 5 oder 6 Ecken. Glukose liegt in dieser
Form als 6 er Ring vor. Die Verbindung hat zudem 6 Kohlenstoffatome. Die chemische Formel lautet daher C6H12O6.
Einfachzucker (Monosaccharide)
●● Traubenzucker
Zweifachzucker (Di­
saccharide)
●● Milchzucker
Mehrfachzucker (Oligosaccharide)
●● Raffinose
Vielfachzucker (Poly­
saccharide)
●● Stärke
●● Fruchtzucker
(Glukose)
(Fruktose)
(Laktose)
●● Malzzucker (Maltose)
●● Rohrzucker (Saccharose)
●● Stachyose
(Amylose, Amylopektin)
(Dextrine)
●● Lebensmittelzusätze
Abb. 2.8 Kohlenhydrat-Struktur.
CH2OH
C
O
H
H
C
C
OH
Glukose
OH
H
C
C
H
OH
OH
Das Glukose-Molekül besitzt 6 C-Atome. Da Kohlenstoff 4 Valenzelektronen besitzt, kann es 4 Bindungen eingehen, die
durch einen Strich gekennzeichnet sind. Nach: Horn F: Biochemie des
Menschen. Thieme 2009.
24
Reagiert eine Hydroxlygruppe (OH-Gruppe) eines Zuckers
mit einer Hydroxylgruppe eines anderen Zuckers, entsteht
ein Disaccharid wie Milchzucker (Laktose) oder Maltose.
Laktose setzt sich aus Glukose und Galaktose zusammen.
Bei diesen Reaktionen wird jeweils ein Wassermolekül abgespalten. Reaktionen, bei denen ein Wassermolekül freigesetzt wird, werden als Kondensationsreaktionen bezeichnet.
Der Körper hat die Möglichkeit, aus der Nahrung aufgenommene Disaccharide mithilfe bestimmter Enzyme zu spalten.
Als Spaltprodukte entstehen wieder einfache Zuckermoleküle (Monosaccharide). Diese können dann zur Energiegewinnung genutzt werden. Allerdings wird für diese Reaktion im Gegenzug ein Wassermolekül benötigt.
Gehen Disaccharide eine weitere Verbindung mit einem
Zuckermolekül ein, entstehen Trisaccharide und schließlich
Oligosaccharide mit 3–10 Einheiten.
Beispiele
H
Disaccharide (Zweifachzucker)
Oligosaccharide (Mehrfachzucker)
Tab. 2.1 Zuckerarten im Überblick.
Zuckerart
Neben Glukose sind auch Fruktose (Fruchtzucker) oder Galaktose wichtige Einfachzucker.
Monosaccharide sind die Bausteine für alle größeren
Zuckermoleküle. Zweifachzucker entstehen, wenn 2 Einfachzucker eine Verbindung eingehen. Rohrzucker – in der
Fachsprache Saccharose genannt – ist beispielsweise eine
Verbindung aus Glukose und Fruktose.
Polysaccharide (Vielfachzucker)
Bei Vielfachzuckern werden Zweifachzucker mit weiteren
Einfachzuckern verknüpft. Diese Vielfachzucker (Polysaccharide) sind riesige Makromoleküle mit einer Länge von
mehr als 50, meist sogar mehreren Hundert bis Tausend Zuckerresten. Sie können in drei Gruppen eingeteilt werden:
●● Homoglykane bestehen aus der gleichen Art Monosaccharide.
●● Heteroglykane sind aus verschiedenen Zuckern zusammengesetzt.
●● Glykokonjugate sind Verbindungen aus Polysacchariden
und Lipiden oder Proteinen.
Das bekannteste Beispiel ist die pflanzliche Stärke (Amylose,
Amylopektin), wie sie in Kartoffeln oder Getreide enthalten
ist. Durch Speichelenzyme wird die Stärke bereits im Mund
in Disaccharid-Einheiten gespalten, in der Magen-DarmPassage zu Monosacchariden abgebaut und dann aus dem
Darmlumen aufgenommen (resorbiert). Mit dem Blutstrom
gelangen die Monosaccharid zur Leber. Sie sorgt dann dafür,
dass Fruktose und Galaktose zu Glukose umgebaut werden.
Patho Laktoseintoleranz
Patienten, die an einer Laktoseintoleranz leiden, fehlt im Darm
die Laktase, ein Enzym, das den Milchzucker bei gesunden Menschen in Glukose und Galaktose spaltet und dafür sorgt, dass die
entstandenen Monosacchariden über die Darmwand aufgenommen werden können. Fehlt das Enzym, kann die Laktose nicht
gespalten und damit auch nicht resorbiert werden. Sie verbleibt
im Darmlumen. Bakterien aus dem Dickdarm wandeln sie dann
in Milchsäure um. Bei dieser Reaktion entstehen Darmgase, die
zu Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfällen führen können.
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