Mikrochirurgische Wurzelspitzenresektion

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BZB Juni 14
Wissenschaft und Fortbildung
Mikrochirurgische
Wurzelspitzenresektion
Eine Alternative bei endodontischen Misserfolgen
E i n K u r s b e r i c h t v o n D r. S e n k a G r ü n w a l d , M ü n c h e n
Die Wurzelspitzenresektion (WSR) als endodontischchirurgische Behandlung in Fällen endodontischer
Misserfolge gewinnt durch die zunehmend verfeinerten mikrochirurgischen Operationstechniken
wieder stärkere Bedeutung. Sie erweitert durch ihre
hervorragenden Prognosen das Spektrum zahn erhaltender Therapien erheblich. Während traditionelle Operationstechniken lediglich eine 59-prozentige Erfolgsaussicht aufweisen, konnte durch
die mikrochirurgischen Innovationen der letzten
Jahre die Erfolgswahrscheinlichkeit der Wurzelspitzenresektion auf 94 Prozent gesteigert werden [1].
Die Möglichkeit, diese minimalinvasiven Techniken
zu erlernen und damit das Therapiespektrum der
eigenen Zahnarztpraxis zeitgemäß und sinnvoll
zu erweitern, bot sich im praktischen Arbeitskurs
des Oralchirurgen und Implantologen Priv.-Doz.
Dr. Robert Kirmeier und seiner Kollegin Dr. Angelika
Wildburger an der eazf in München.
Das Konzept der mikrochirurgischen
Wurzelspitzenresektion
Das Ziel der Wurzelspitzenresektion ist laut den
Qualitätsrichtlinien „Endodontische Behandlung“
der Europäischen Gesellschaft für Endodontologie
„die Entfernung des Wurzelteils, welcher nicht desinfiziert und/oder mit einem Wurzelkanalfüllmaterial obturiert werden konnte und dessen Inhalt
möglicherweise eine Entzündung verursachte oder
unterhielt“ [2]. Weitere Indikationen für das retrograde Vorgehen sind mit einer Stiftkrone versorgte Zähne, komplexe prothetische Versorgungen,
frakturierte, nicht entfernbare Instrumente, eine
Via falsa, überstopfte Wurzelfüllungen, Ramifikationen und stark gekrümmte Wurzelkanäle sowie
radikuläre Zysten, selten auch Wurzelquerfrakturen im apikalen Drittel. Mögliche Kontraindikationen wie Wurzellängsfrakturen, Paro-Endo-Läsionen,
progressive Parodontalerkrankungen mit starker
Lockerung, tiefe zervikale Karies, ein ungünstiges
Kronen-Wurzel-Verhältnis und allgemeine medizinische Vorerkrankungen, die generell gegen einen
chirurgischen Eingriff sprechen, sind vorher aus-
zuschließen. Zudem muss der prothetische Wert des
Zahnes vorrangig korrekt beurteilt werden.
Die Wurzelspitzenresektion stellt im Regelfall keine
Alternative, sondern eine weiterführende, korrigierende Maßnahme dar, der – wenn immer möglich – mindestens 48 Stunden vorher eine orthograde Revisionsbehandlung vorausgehen sollte. Angestrebt wird eine vollständige Heilung, die sich
in einem unauffälligen radiologischen Befund und
klinischer Symptomfreiheit manifestiert. Wenn
trotz einer lege artis durchgeführten orthograden
Revision eine apikale Parodontitis persistiert, kann
eine retrograde WSR mit bakteriendichtem Verschluss in Betracht gezogen werden. Bakteriendichter Verschluss bedeutet dabei nicht nur, dass
Hauptwurzelkanäle retrograd obturiert werden,
sondern auch, dass mögliche zusätzliche Kommunikationswege zwischen dem infizierten Wurzelkanal und dem periapikalen Gewebe auf Höhe der
Resektionsfläche erkannt und ebenfalls verschlossen werden. Das Gewebe in einem zwischen zwei
Kanälen im apikalen Wurzelbereich liegenden
Isthmus wurde bereits 1997 von Hsu und Kim als
die „Achillesferse“ der orthograden Endodontie beschrieben [3].
Entscheidend für den großen Erfolg des mikrochirurgischen Vorgehens sind das Erkennen und Behandeln dieser feinen Strukturen. Dies ist jedoch
nur mit adäquaten Vergrößerungshilfen in Kombination mit speziell für die retrograde mikrochirurgische Operationstechnik entwickelten Instrumenten möglich, so Dr. Kirmeier.
Vorgehen step-by-step
Für eine gute Sicht im Operationsfeld ist zur effektiven präoperativen Hämostase die vorherige Applikation eines Anästhetikums mit einer Adrenalinkonzentration von mindestens 1 : 100 000 erforderlich. Egal für welchen Zugangsschnitt sich der
Operateur entscheidet, sowohl der feste als auch
der bewegliche Anteil der Gingiva sollte ausreichend mit Blut versorgt und der Schnitt erweiterbar
sein. Dr. Kirmeier sieht den Zahnfleischrandschnitt
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nach Nowak-Peter als Schnittführung der ersten
Wahl an, da bei der späteren Adaptation des Lappens mit horizontalen Matratzennähten die Papillen gut ausheilen und sogar eine Überkonturierung
möglich wäre. Wenn vestibulär keine entzündlich
bedingte Fistel vorhanden ist, sollte die freigelegte Knochenoberfläche mit einer Mikrosonde nach
einem eventuellen Einbruch abgetastet werden.
Knochenprotuberanzen oder die Länge der orthograden Wurzelfüllung können ebenfalls zur Orientierung dienen.
Der Knochen wird in Form einer halbkugelförmigen Kavität minimalinvasiv bis zu drei Millimeter
koronal der Wurzelspitze eröffnet. Die Eröffnung
sollte nur so groß sein, dass das Einkürzen der Wurzelspitze und das Einbringen des Mikrospiegels sowie der mikrochirurgischen Ultraschallinstrumente
und Plugger möglich sind. Das Absetzen der Wurzelspitze mit einer Lindemannfräse erfolgt in einem Winkel von nicht mehr als zehn Grad zur
Wurzelachse, um die Dentinkanäle möglichst wenig schräg anzuschneiden. Die Länge der entfernten Wurzelspitze sollte drei Millimeter betragen,
da erst bei dieser Resektionshöhe 98 Prozent der
apikalen Ramifikationen und 93 Prozent der Seitenkanäle entfernt werden [4]. Nach möglichst
vollständiger Kürettage des periapikalen Granulations- oder Zystengewebes – eine pathohistologische Diagnose sollte immer gestellt werden – und
Glättung der Schnittfläche mit Keramikbohrern
wird diese mit Methylenblau angefärbt und unter
dem Mikroskop genau inspiziert.
Die intraoperative Blutstillung kann, wenn nötig,
zusätzlich mit dem punktuellen Auftragen von
Eisensulfat oder mit Epinephrinpellets (z.B. Racellet, Pascal Int.) erreicht werden. Sie werden zur
Kompression für mehrere Minuten in die Kavität
eingebracht. Unter optischen Vergrößerungshilfen
wird der angeschnittene Wurzelkanal mit Ultraschall-Retrospitzen, die dem mikrochirurgischen
Winkelstück deutlich überlegen sind [1], in Achsrichtung des Zahnes bis zu einer Tiefe von mindestens drei Millimetern präpariert. Bei Bestehen eines Isthmus werden die Wurzelkanäle durch diesen hindurch miteinander verbunden. Nach Säuberung, Spülung und Trocknung der präparierten
Kavität erfolgt der retrograde Verschluss mit MTA,
das eine sehr hohe Randdichtigkeit und Gewebeverträglichkeit aufweist. In der „Konsistenz eines
Sandkuchens“ angerührt, kann das MTA mit einer
Verarbeitungszeit von einer bis zwei Minuten entweder über speziell gerillte Blöcke oder eine MTA-
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Applikationspistole eingebracht und mit Pluggern
verdichtet werden. Glasionomerzement (z.B. Super
EBA) ist – wenn die Blutstillung nicht hundertprozentig gewährleistet werden kann – einfacher
zu verarbeiten und besser polierbar. Er ist jedoch
hinsichtlich der Gewebeverträglichkeit dem MTA
unterlegen.
Nach Reinigung der Resektionsfläche mit sterilen
Pellets und einer Kontrollröntgenaufnahme wird
mit einem scharfen Löffel eine Blutung induziert.
Die Wunde wird dann mikrochirurgisch mit Nähten der Stärke 6.0 und 7.0 verschlossen. Bei größeren oder gar doppelwandigen Defekten empfiehlt
Dr. Kirmeier im stets einzeitigen Verfahren das
Einbringen eines Kollagenschwamms beziehungsweise von Knochenersatzmaterialien in Kombination mit einer antibiotischen Abdeckung, die am
Tag vor dem Eingriff beginnen sollte. Bei größeren
operativen Eingriffen kann einer postoperativen
Schwellung mit 40 mg Methylprednisolon vorgebeugt werden.
Fazit
Der Unterschied zwischen dem traditionellen Vorgehen und der modernen endodontischen Mikrochirurgie äußert sich in der besseren Sicht und
somit in der Erkennung und der Möglichkeit der
mikroinvasiven Behandlung von Kanalstrukturen.
Der Heilungsverlauf gestaltet sich umso besser und
schneller, je atraumatischer der Eingriff durchgeführt werden kann. Die mikrochirurgische WSR ist
material- und ausstattungsintensiver als das herkömmliche Verfahren. Bei strenger Indikationsstellung und richtiger Technik sind die Erfolgsraten jedoch vergleichbar mit denjenigen einer konventionellen Wurzelfüllung und annähernd doppelt so
hoch wie bei einer konventionellen Wurzelspitzenresektion.
Es war ein empfehlenswerter praktischer Arbeitskurs zweier sympathischer Referenten und versierter Operateure, die sich für jeden Kursteilnehmer
einzeln die Zeit nahmen, ihm die Kunst der erfolgversprechenden mikrochirurgischen Vorgehensweise beizubringen.
Literatur bei der Redaktion
Hinweis
Die eazf bietet regelmäßig Kurse zur Endodontie an.
Weitere Informationen unter www.eazf.de
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