Vorlesung: Allgemeine Topologie, Universität Rostock, Sommersemester 2012 Karsten Evers Hausaufgaben 7. und 8. Serie Hausdorff-Metrik und Vietoris-Topologie, Selbstähnlichkeit Aufgabe 1 Sei (E, d) ein metrischer Raum und δ die Hausdorff-Metrik auf α := {A ⊆ E | 0/ 6= A ist abgeschlossen und beschränkt}. Sei außerdem κ := {K ⊆ E | 0/ 6= K ist kompakt} und τ die Vietoris-Topologie auf {A ⊆ E | 0/ 6= A ist abgeschlossen}. (a) Sei ε > 0 und A ⊆ E. Dann ist Uεd (A) := {y ∈ E | d(A, y) < ε} = A ⊆ Uεd (A). Zur Erinnerung: d(A, y) := inf{d(x, y) | x ∈ A}. S x∈A Kd (x, ε) eine offene Menge mit (b) Die Hausdorff-Metrik lässt sich auch so definieren: δ (A, B) = inf{ε | A ⊆ Uε (B) und B ⊆ Uε (A)}. (c) Es gilt δ (A ∪ B,C ∪ D) ≤ max(δ (A,C), δ (B, D)), für alle A, B,C, D ∈ α. (d) Sei K kompakt und U offen in (E, d) mit K ⊆ U. Dann ∃ ε > 0 mit K ⊆ Uεd (K) ⊆ U. (e) Sei A abgeschlossen in S E Dann ist Uεd (A) = d gilt ebenfalls Uε (A) = Kδ (A, ε). S Kδ (A, ε). Ist A kompakt und beschränken wir δ auf κ, so (f) Sei τκ die durch τ auf dem Teilraum κ induzierte Teilraumtopologie und δκ die auf κ eingeschränkte Hausdorff-Metrik. Es gilt dann τκ = τδκ . Wichtiger Spezialfall: Ist (E, d) selber kompakt, so wird τ von δ induziert. (g) Sei (E, d) kompakt. Zeige (ohne Rückgriff auf Satz 4.6.2.) (α, δ ) ist vollständig. Lösung: (a) Unmittelbar aus der Definition für d(A, y) folgt die Gleichheit {y ∈ E | d(A, y) < ε} = x∈A Kd (x, ε). Aus dieser folgt dann A ⊆ Uεd (A) und die Offenheit von Uεd (A). (b) Sei h(A, B) := inf{ε | A ⊆ Uε (B) und B ⊆ Uε (A)}. Sei nun r ∈ R mit A ⊆ Ur (B) und B ⊆ Ur (A). Ist nun a ∈ A beliebig, so folgt a ∈ Ur (B), es gibt also eine b ∈ B mit a ∈ K(b, r). Also d(a, b) < r und somit d(a, B) < r, also auch d(a, B) ≤ h(A, B) und da a beliebig war auch supa∈A d(a, B) ≤ h(A, B). Analog natürlich auch supb∈B d(A, b) ≤ h(A, B) und somit δ (A, B) ≤ h(A, B). Zeigen wir nun h(A, B) ≤ δ (A, B). Sei dazu ε > 0 beliebig gewählt. Es reicht dann h(A, B) ≤ δ (A, B) + ε =: r zu zeigen. Sei a ∈ A. Es folgt d(a, B) ≤ δ (A, B) < r. Folglich gibt es ein b ∈ B mit d(a, b) < r und somit a ∈ Ur (B). Da A beliebig war folgt A ⊆ Ur (B). Analog gilt B ⊆ Ur (A). Nach Definition von h gilt dann h(A, B) ≤ r. (c) δ (A ∪ B,C ∪ D) = max( sup d(x,C ∪ D), sup d(y, A ∪ B)) = S x∈A∪B y∈C∪D = max(sup d(x,C ∪ D), sup d(x,C ∪ D), sup d(y, A ∪ B), sup d(y, A ∪ B)) ≤ x∈B x∈A y∈C y∈D ≤ max(sup d(a,C), sup d(c, A), sup d(b, D), sup d(d, B)) = max(δ (A,C), δ (B, D)) a∈A c∈C b∈B d∈D (d)SFür jedes x ∈ K sei εx > 0 mit K(x, 2εx ) ⊆ U. Da K kompakt, gibt es endlich viele x1 , ..., xn ∈ K mit K ⊆ nk=1 K(xk , εxk ). Setze ε := min(εx1 , ..., εxn ). Zeigen wir Uεd (K) ⊆ U. Sei x ∈ Uεd (K), also d(x, K) < ε. Also gibt es z ∈ K mit d(x, z) < ε. Dann gibt es aber auch ein k ∈ {1, ..., n} mit z ∈ K(xk , εxk ). Es folgt d(x, xk ) ≤ d(x, z) + d(z, xk ) < ε + εxk ≤ 2εxk , also x ∈ K(xk , 2εxk ) ⊆ U. (e) Sei x ∈ Uεd (A), also d(x, A) < ε. Setze A0 := A ∪ {x}. Dann ist auch A0 abgeschlossen (bzw. kompakt, falls A kompakt ist). Es ist supy∈A d(y, A0 ) = 0, da A ⊆ A0 und supz∈A0 d(z, A) = d(x, A), also δ (A, A0 ) = max(sup d(y, A0 ), sup d(z, A)) = d(x, A) < ε und demnach x ∈ A0 ⊆ y∈A z∈A0 1 [ Kδα (A, ε). Vorlesung: Allgemeine Topologie, Universität Rostock, Sommersemester 2012 Karsten Evers Ist x ∈ Kδα (A, ε), so ∃ A0 ∈ Kδα (A, ε) mit x ∈ A0 . Also max(supy∈A d(y, A0 ), supz∈A0 d(z, A)) = δ (A, A0 ) < ε. Insbesondere d(x, A) ≤ supz∈A0 d(z, A) < ε und somit x ∈ Uεd (A). (f) Sei ε > 0 und K ∈ κ. Zeigen wir Kδκ (K, ε) ∈ τκ . Es genügt, wenn wir in E offene U1 , ...,Un finden mit S K ∈ V (U1 , ...,Un ) ∩ κ ⊆ Kδκ (K, ε). Da K kompakt ist, gibt es x1 , ..., xn ∈ K mit K ⊆ nk=1 KdE (xk , 31 ε). Setze dann Uk := KdE (xk , 31 ε). Sei K 0 ∈ V (U1 , ...,Un )∩κ. Es folgt δ (K, K 0 ) = max(supx∈K d(x, K 0 ), supy∈K 0 d(y, K)). Schätzen wir supx∈K d(x, K 0 ) ab. Sei x ∈ K. Dann gibt es ein k mit x ∈ Uk . Sei y ∈ Uk ∩ K 0 . Es folgt d(x, K 0 ) ≤ d(x, y) < 2 · 31 ε, also supx∈K d(x, K 0 ) ≤ 23 ε < ε. Analog bekommen wir supy∈K 0 d(y, K) < ε, also δ (K, K 0 ) < ε. Für die Rückrichtung beweisen wir, dass die Elemente der Subbasis S := {V (U) ∩ κ | U ∈ τ \ {0}} / ∪ {V (X,U) ∩ κ | U ∈ τ \{0}} / offen bzgl. δκ sind. Sei K ∈ V (U)∩κ, für in E offenes U. Also K ⊆ U.SDann ∃ ε > 0 mit K ⊆ Uεd (K) ⊆ U (wegen (d)). Es folgt Kδκ (K, ε) ⊆ V (U), denn K 0 ∈ Kδκ (K, ε) impliziert K 0 ⊆ Kδκ (K, ε) = Uεd (K) ⊆ U (wegen (e)). Sei nun K ∈ V (X,U). Es folgt K ∩ U 6= 0. / Sei x ∈ K ∩ U und sei ε > 0 mit KdE (x, ε) ⊆ U Offenbar ist nun κ 0 K ∈ Kδ (K, ε) ⊆ V (X,U), denn falls ∃ K ∈ Kδκ (K, ε) mit K 0 ∩ U = 0, / dann insbesondere K 0 ∩ KdE (x, ε) = 0. / Es 0 0 0 folgt supy∈K d(y, K ) ≥ d(x, K ) ≥ ε, also δκ (K, K ) ≥ ε - Widerspruch. (g) Aus (f) folgt τ = τδ . Da E kompakt ist, folgt zusammen mit Aufgabe 2 (c) des vorigen Aufgabenzettels, dass (α, δ ) kompakt ist. Aus Satz 4.5.5. folgt dann die Vollständigkeit. S Aufgabe 2 (Collage Theorem1 ) Sei (E, d) ein vollständiger Metrischer Raum, ε > 0 und L eine kompakte Teilmenge von E. Ist nun f : E → E, i = 1, ..., n eine Familie von Kontraktionen mit Kontraktionsfaktoren qi , i = 1, ..., n derart, S i ε , wobei q := max(q1 , ..., qn ) und K die eindeutig bestimmte dass δ ( ni=1 fi (L), L) ≤ ε ist, so gilt δ (K, L) ≤ 1−q Sn kompakte Teilmenge mit i=1 fi (K) = K ist. (Bemerkung: Man muss zu gegebenen kompakten L also nur irgendwie eine Familie von Kontraktionen (ein S sogenanntes iteriertes Funktionensystem) ( fi : E → E)ni=1 finden, dass die „Collage“ ni=1 fi (L) der fi (L) die Sn Menge L besonders gut approximiert (also δ ( i=1 fi (L), L) möglichst klein ist) und dann approximiert die durch die ( fi )ni=1 eindeutig bestimmte kompakte Menge K (IFS-Fraktal genannt) immer noch recht gut die Menge L. Insbesondere im Rn findet man zu gegebenen L und ε solche fi (geeignete gestauchte Drehungen und Verschiebungen). Problem ist halt nur, dies auf möglichst effizientem Wege zu tun. Wir halten trotzdem nochmal fest: Jede kompakte Menge L im Rn kann durch ein IFS-Fraktal beliebig genau angenähert werden. Denken wir uns L bspw. als schwarz-weiß Foto, wobei die schwarzen Pixel die kompakte Teilmenge darstellen und haben wir eine Methode geeignete Kontraktionen zu finden, so dass wir L als Collage verkleinerter Abbildungen von sich selbst approximieren können, so könnten wir L effizient speichern, denn wir bräuchten ja nur die Kontraktionen zu speichern. Als Bild lassen wir uns statt L nun das IFS-Fraktal ausgeben, welches wir durch eine Fixpunktiteration bekommen und dafür brauchen wir nur noch Rechenleistung. Das Collage Theorem ist somit eine wichtige theoretische Grundlage von sogenannten fraktalen Kompressions Verfahren.) Lösung: Die Notation knüpft an der aus dem Kapitel Hausdorff-Metrik und Selbstähnlichkeit an. Wir bilden S mit der Kontraktion f : κ → κ, f (P) := ni=1 fi (P) rekursiv die Folge L0 := L und Ln+1 := f (Ln ). Mit der qn Abschätzung aus dem Fixpunktsatz von Banach erhalten wir dann δ (Ln , K) ≤ 1−q d(L0 , L1 ), welche für n = 0 in δ (L0 , K) ≤ 1 1−q d(L0 , L1 ) übergeht, also δ (K, L) ≤ d(L, f (L)) 1−q = S δ (L, ni=1 fi (L)) 1−q ≤ ε 1−q . Aufgabe 3 Sei 0 < q1 ≤ ... ≤ qn < 1, n ≥ 1. Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes d ≥ 0 mit ∑ni=1 qdi = 1. Lösung: f : R → R, definiert durch f (x) := ∑ni=1 qxi ist differenzierbar. Offenbar ist f (0) = n. Für die Ableitung folgt f 0 (x) = ∑ni=1 qdi ln(qi ) < 0, also ist f streng monoton fallend. Wegen limx→∞ f (x) = 0 und da f auch stetig ist, gibt es somit genau ein d ≥ 0 mit f (d) = 1. 1 Für eine ausführliche Darstellung siehe [1] 2 Vorlesung: Allgemeine Topologie, Universität Rostock, Sommersemester 2012 Karsten Evers Aufgabe 4 Berechne die Hausdorff-Dimension2 folgender IFS-Fraktale: • Einheitsintervall • Einheitsquadrat • Cantormenge • Koch Kurve • Menger Schwamm Abbildung 1: Die Koch Kurve (Quelle: Wikipedia) Abbildung 2: Der Menger Schwamm (Quelle: Wikipedia) Ohne Beweis darf folgender Satz verwendet werden (siehe [2]): Sei fi : Rm → Rm , i = 1, ..., n eine Familie von Abbildungen, mit d( fi (x), fi (y)) = qi d(x, y), wobei d die Euklidische Metrik ist und 0 ≤ qi < 1 gilt. Sei weiter U 6= 0/ eine offene Menge, mit fi (U) ∩ f j (U) = 0, / für i 6= j und fi (U) ⊆ U (open set condition). Dann gilt für die Hausdorff-Dimension dH des zugehörigen IFS-Fraktals: ∑ni=1 qdi H = 1. (Bemerkung: Erzeugen zwei verschiedene iterierte Funktionensysteme, die der open set condition genügen, das gleiche IFS-Fraktal K, so ist das dH trotzdem eindeutig bestimmt.) Lösung: Einheitsintervall: Das Einheitsintervall lässt sich erzeugen von den beiden Funktionen f1 (x) = x/2 und f2 (x) = x/2 + 1/2. Die open set condition ist dann offenbar mit dem offenen Einheitsintervall bereits erfüllt und wir bekommen ( 12 )dH + ( 21 )dH = 1, also dH = 1. Einheitsquadrat: Das Einheitsquadrat lässt sich erzeugen von den 4 Funktionen f1 (x, y) = (x/2, y/2), f2 (x, y) = (x/2 + 1/2, y/2), f3 (x, y) = (x/2, y/2 + 1/2) und f4 (x, y) = (x/2 + 1/2, y/2 + 1/2). Die open set condition ist mit dem offenen Einheitsquadrat erfüllt und wir bekommen ( 12 )dH + ( 12 )dH + ( 12 )dH + ( 12 )dH = 1, also dH = 2. Cantormenge: Die Cantormenge lässt sich erzeugen von den beiden Funktionen f (x) := 13 x und g(x) := 13 x + 23 und die open set condition ist dann offenbar mit dem offenen Einheitsintervall erfüllt, so dass wir die Gleichung ( 31 )dH + ( 13 )dH = 1 erhalten und somit auf dH = ln(2) ln(3) kommen. 2 Der Begriff Hausdorff-Dimension wurde in der Vorlesung nicht eingeführt und wird es auch nicht. Zur Lösung der Aufgabe ist es auch nicht erforderlich. Wer trotzdem mehr wissen möchte, belese sich. , 3 Literatur Koch Kurve: mit ein bischen linearer Algebra bekommt man die Drehmatrizen √ 1/2 − 3/2 1/2 √ Dπ/3 = √ und D−π/3 = − 3/2 3/2 1/2 √ 3/2 1/2 und kann durch stauchen, drehen und verschieben 4 erzeugende Funktionen der Kochkurve angeben: f1 (x, y) := 31 · (x, y)= (x/3, y/3) √ √ x 1/3 1 f2 (x, y) := 3 Dπ/3 · + = ( x− 63y+2 , 3x+y 6 ) y 0 √ √ √ x 1 2/3 3 f3 (x, y) := 13 D−π/3 · − + ) = ( x+ 63y+3 , − 3x+y+ 6 y 0 0 y f4 (x, y) := 13 · (x, y) + (2/3, 0) = ( x+2 3 , 3) Offenbar gilt nun 0 0 d( f1 (x, y), f1 (x0 , y0 )) = 31 d((x, y), 0 (x , y)), 0 1 1 x x x x 1 0 0 = d((x, y), (x0 , y0 )), = 3 d( f2 (x, y), f2 (x , y )) = 3 Dπ/3 − − 0 0 3 y y 0 y y 0 1 1 x x x x = d((x, y), (x0 , y0 )), = d( f3 (x, y), f3 (x0 , y0 )) = 13 D−π/3 − − 3 3 y y y0 y0 d( f4 (x, y), f4 (x0 , y0 )) = 13 d((x, y), (x0 , y0 )). Außerdem erfüllt das iterierte Funktionensystem f1 , f2 , f3 , f4 mit dem offenen Einheitsquadrat die open set condition und für die Hausdorff Dimension dH der Koch Kurve gilt folglich 1 = ( 31 )dH + ( 31 )dH + ( 13 )dH + ( 31 )dH = 4( 13 )dH und somit dH = ln(4) ln(3) . Menger Schwamm: Offenbar wird der Menger Schwamm durch die folgenden 20 Funktionen erzeugt: f1 (x, y, z) := (x/3, y/3, z/3) f2 (x, y, z) := (x/3, y/3, z/3) + (1/3, 0, 0) f3 (x, y, z) := (x/3, y/3, z/3) + (2/3, 0, 0) f4 (x, y, z) := (x/3, y/3, z/3) + (1/3, 1/3, 0) .. . f20 (x, y, z) := (x/3, y/3, z/3) + (2/3, 2/3, 2/3) Außerdem ist mit dem offenen Einheitswürfel die open set condition erfüllt und wir erhalten für dessen Hausdorff Dimension dH die Gleichung 20( 13 )dH = 1, also dH = ln(20) ln(3) . Literatur [1] M. F. BARNSLEY: Fractals everywhere; Acadamic Press , Inc; 1993 [2] J. E. H UTCHINSON: Fractals and Self Similarity; Indiana Uni. Mathematics Journal, Vol. 30, No. 5 (1981) 4