SWR2 ZEITWORT 29.07.2009, 6.45 Uhr 29.07.1921: Hitler übernimmt die Führung der NSDAP Von Christian Berndt© O-Ton Hitler: „So habe ich damals, im Jahre 19, ein Programm aufgestellt und eine Tendenz niedergelegt, die der pazifistisch-demokratischen Welt bewusst ins Gesicht schlug.“ So Adolf Hitler in den Dreißigerjahren über den Beginn seiner politischen Laufbahn. Begründet hat Hitler den Entschluss in die Politik zu gehen damit, er habe nach der Niederlage des 1. Weltkrieges die Mission verspürt, für Deutschlands Wiederaufstieg zu kämpfen. Die Realität sieht anders aus. Ende des 1. Weltkrieges ist Hitler fast 30 Jahre alt und ohne jede Berufsausbildung. Nach dem gescheiterten Versuch einer Malerkarriere in Wien und dem Umzug nach München hatte der ziellose österreichische Beamtensohn erst mit Ausbruch des 1. Weltkrieges eine Aufgabe gefunden: Marschmusik + Jubel 1914 meldet sich Hitler freiwillig. Das Regiment, in dem sich die Kameraden über den egozentrischen Einzelgänger, der zu ermüdenden Monologen neigt, lustig machen, wird seine Heimat. Umso bestürzter ist Hitler 1918 über Niederlage und Revolution, die er als Verrat am Vaterland betrachtet. Als nach Kriegsende die Reichswehr demobilisiert wird, kann er seine Soldatenzeit durch politische Arbeit im Heer hinauszögern. Sein Förderer Hauptmann Karl Mayr schreibt: Sprecher „In dieser Zeit war Hitler bereit, von irgendjemandem einen Posten anzunehmen, der ihm freundlich gesinnt war. Er glich einem müde streunenden Hund, der nach seinem Herrn suchte.“ In Mayrs Auftrag besucht Hitler im September 1919 eine Versammlung der „Deutschen Arbeiterpartei“ – ein kleiner nationalistischer Haufen von vielen in München. Als er sich spontan in eine Diskussion einmischt, hinterlässt er mit seinem hitzigen Eifer einen so starken Eindruck, dass der Parteivorsitzende ihn auffordert wiederzukommen. Hitler tritt kurz darauf der Partei bei und macht sich als Redner einen Namen. O-Ton Hitler „Damals war das nicht so einfach, auch nur zu hundert Leuten zu reden. Es war ein Kampf um die Aufmerksamkeit. Man musste manches Mal auch etwas Krach schlagen, etwas Skandal machen und irgendjemand sogar verprügeln, das war ganz gleichgültig, aber man musste die Aufmerksamkeit erregen (Jubel).“ Hitler hat mit seinen nationalistischen Radaureden gegen die Republik Erfolg. Besonders gegen Juden hetzt er in brutalster Weise - und erntet damit tosenden Applaus. Hitler wird der Trommler der Partei, die sich ab Februar 1920 „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ nennt. Aber von einem Führerkult kann noch keine Rede sein, vielen in der Partei passt Hitlers aggressive Demagogie nicht. 1923 erlebt der Dichter Carl Zuckmayer eine Rede Hitlers: Sprecher „Für unsereinen war der Mann ein heulender Derwisch. Aber er verstand es, jene im Würstl-Dunst zusammengedrängten Mengen aufzuputschen und mitzureißen. Nicht durch Argumente, sondern durch den Fanatismus seines Auftretens, das Brüllen und Kreischen und das betäubende Hämmern der Wiederholungen in einem ansteckenden Rhythmus. Das war gekonnt und hatte eine barbarisch-primitive Wirksamkeit.“ „Sieg Heil“-Rufe + Jubel Mit seinen Mobilisierungsfähigkeiten kann sich Hitler gegen alle Parteigegner durchsetzen. Auf einer Parteiversammlung am 29. Juli 1921 wird er einstimmig zum Vorsitzenden gewählt. Seine Stunde kommt, als er 1923 einen Putsch gegen die bayerische Regierung unternimmt. Der scheitert zwar kläglich, aber der anschließende Prozess, in dem er skandalös milde bestraft wird, verschafft ihm reichsweite Aufmerksamkeit. Bereits ein Jahr später ist Hitler wieder frei, jetzt baut er die NSDAP zur Führerpartei um. Doch erst mit der Weltwirtschaftskrise ab 1929 kommt der Erfolg. Liegt die NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928 noch unter 3 %, wird sie 1930 zweitstärkste Partei – die Zeit des Demagogen ist jetzt gekommen.