Swiss Medical Forum 17/2017

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SMF – FMS Schweizerisches Medizin-Forum – Forum Médical Suisse – Forum Medico Svizzero – Forum Medical Svizzer
Swiss
Medical Forum
17 26. 4. 2017
368 P. Sendi, R. Kuehl, D. Aeberli,
M. A. Zumstein
Die septische Arthritis
bei Erwachsenen
378 D. Kaiser
Arthritis beim Kind
387/391 A. Forster, A. Krebs
Kristallkrankheiten Teil 1+2
With extended abstracts from “Swiss Medical Weekly”
Themenschwerpunkt
Gelenke
Offizielles Fortbildungsorgan der FMH
Organe officiel de la FMH pour la formation continue
Bollettino ufficiale per la formazione della FMH
Organ da perfecziunament uffizial da la FMH
www.medicalforum.ch
365
INHALTSVERZEICHNIS
Redaktion
Beratende Redaktoren
Prof. Dr. Nicolas Rodondi, Bern (Chefredaktor); Prof. Dr. Stefano Bassetti,
Prof. Dr. Reto Krapf, Luzern; Dr. Pierre Périat, Basel;
Basel; Dr. Ana M. Cettuzzi-Grozaj, Basel (Managing editor);
Prof. Dr. Rolf A. Streuli, Langenthal
Prof. Dr. ­Martin Krause, Münsterlingen; Prof. Dr. Klaus Neftel, Bern;
Advisory Board
Prof. Dr. Antoine de Torrenté, La Chaux-de-Fonds; Prof. Dr. Gérard
Dr. Daniel Franzen, Zürich; Dr. Jérôme Gauthey, Biel;
Waeber, Lausanne; PD Dr. Maria Monika Wertli, Bern
Dr. Francine Glassey Perrenoud, La Chaux-de-Fonds;
Dr. Markus Gnädinger, Steinach; Dr. Matteo Monti, Lausanne;
Dr. Daniel Portmann, Winterthur
Und anderswo …?
A. de Torrenté
367Herzinsuffizienz: eine neue innovative Behandlung?
Übersichtsartikel AIM
P. Sendi, R. Kuehl, D. Aeberli, M. A. Zumstein
368
Die septische Arthritis bei Erwachsenen
Die septische Arthritis muss rasch erkannt und therapiert werden, da eine Verzögerung zur
Gelenkdestruktion führt. Sie erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, sowohl für die
Diagnostik als auch die Therapie. Klinisch herausfordernd ist die differentialdiagnostische
Abgrenzung zur akuten Kristallarthropathie.
D. Kaiser
378
Arthritis beim Kind
Muskuloskelettale Beschwerden im Kindesalter gehören zu den häufigsten Konsultationsgründen beim Kinder- oder Hausarzt. Zumeist kann rasch eine Diagnose gestellt werden wie eine
Grünholzfraktur, eine «pronation douloureuse» oder sogenannte Wachstumsschmerzen. Die
Diagnose einer chronischen Arthritis ist schwieriger, da Kinder ihre Beschwerden nicht beschreiben können und selten über Schmerzen klagen.
A. Forster, A. Krebs
387
Kristallkrankheiten Teil 1: Gicht
Die Gicht gehört neben der Pyrophosphatablagerungserkrankung (auch Chondrokalzinose oder
Pseudogicht) zu den häufigsten entzündlichen Gelenkerkrankungen. Die charakteristischen
artikulären und periartikulären Entzündungsmanifestationen sind durch die Ablagerung von
Harnsäurekristallen bedingt.
Regula Stucki
Tränen lachen
Erlebnisse eines Spitalclowns
120 Seiten, broschiert
Format 13,5 × 18 cm
sFr. 19.80 / € (D) 18.–
Bestell-Nr. E201
ISBN 978-3-906806-09-9
Lokwort Buchverlag
«Hallo, ich bin Dr. Trallalla. Darf ich reinkommen?»
Wenn sie es hochrechnet, hat Regula Stucki
als Spitalclown in den vergangenen 10 Jahren
mehr als 10 000 Kinder gesehen. Jedes hat
seinen eigenen, ganz individuellen Besuch erhalten. In jedem Zimmer, an jedem
Bett, vom Baby bis zum Teenager, liess sie sich etwas Neues einfallen.
Regula Stucki erzählt von ihren Rundgängen, von heiteren und berührenden
Erlebnissen, auch vom Gefühl der Hilflosigkeit, von mutigen Kindern, von
der Freundschaft des Pflegepersonals und von der Kraft des Lachens. Inbegriffen:
kleine Wunder, unvermeidliche Fettnäpfchen und Eltern als Schauspieltalente.
Ihre Bestellmöglichkeiten: T +41 (0)61 467 85 75, F +41 (0)61 467 85 56, [email protected],
www.emh.ch, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, CH-4132 Muttenz
366
INHALTSVERZEICHNIS
Übersichtsartikel AIM
A. Krebs, A. Forster
391
Kristallkrankheiten Teil 2: Kalziumpyrophosphat-Ablagerungserkrankung
Diese Form der Kristallarthropathie, auch Chondrokalzinose oder Pseudogicht genannt, entsteht
durch Ablagerungen von Kalziumpyrophosphatkristallen in den Gelenkknorpel. Ihre sehr unterschiedlichen klinischen Manifestationen haben ihr auch den Übernamen «Chamäleon der Rheumatologie» eingebracht.
Fallbericht
K. Baccouche, L. Mani, M. Bouzaoueche, S. Belghali, N. Elamri, H. Zeglaoui, E. Bouajina
395Infection ostéo-articulaire à pneumocoque
Un patient âgé de 78 ans est hospitalisé pour arthrite subaiguë de l’épaule gauche. Deux mois avant était apparue une douleur
invalidante associée à une tuméfaction et une impotence fonctionnelle avec fièvre et frisson.
Swiss Medical Weekly
Editorial Board: Prof. Adriano Aguzzi, Zurich (ed. in chief); Prof. Manuel Battegay, Basel; Dr. Katharina Blatter, Basel (Managing editor);
Prof. Jean-Michel Dayer, Geneva; Prof. Douglas Hanahan, Lausanne; Dr. Natalie Marty, Basel (Managing editor); Prof. André P. Perruchoud,
Basel (senior editor); Prof. Christian Seiler, Berne; Prof. Peter Suter, Geneva (senior editor)
The “Swiss Medical Weekly“ is the official scientific publication of the Swiss Society of Internal Medicine, Swiss Society of Infectiology,
Swiss Society of Rheumatology and Swiss Society of Pulmonary Hypertension. The journal is supported by the Swiss Academy of
Medical Sciences (SAM) and the Swiss Medical Association (FMH).
Den Toten Ruhe geben
Evelyn Reimann
Es muss etwas passieren
Roman
2016. 182 Seiten. Gebunden.
sFr. 29.– / ¤ 29.–
ISBN 978-3-03784-100-6
Verlag Johannes Petri
Nach einem Selbstmordversuch mit anschliessendem Psychiatrieaufenthalt beginnt die 36-jährige Emily ein
Praktikum in einem Bestattungsdienst. Sie erhält Einblick in die Welt des Todes. Dabei merkt sie, wie sie an der
Arbeit mit den Toten wieder lebendig wird.
Doch dann passiert, was Emily sich nie hätte vorstellen können: Ihr ehemaliger Psychiater wird tot aufgefunden, die
Polizei geht von einem Verbrechen aus. Nach dem ersten Schock beschleicht Emily ein ungutes Gefühl. Sie glaubt zu
wissen, wer ihn umgebracht hat …
Verlag Johannes Petri | Steinentorstrasse 11 | CH-4010 Basel
Tel. +41 (0)61 467 85 75 | Fax +41 (0)61 467 85 76 | [email protected]
Ve r l a g J o h a n n e s P e t r i
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Swiss Medical Forum –
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367
UND ANDERSWO …?
Und anderswo …?
Antoine de Torrenté
Herzinsuffizienz: eine neue innovative
Behandlung?
Fragestellung
Seit etwa hundert Jahren versuchen Forscher
und Ärzte, das Schicksal von Patienten mit
Herzinsuffizienz durch die Erhöhung der
Kontraktilität des Myokards (durch Milrinon,
Dopamin, Dobutamin und natürlich Digitalis-Präparate) zu verbessern. Auf diese Weise
erhofft man sich, dem Remodelling des Herzens und der schädlichen übermässigen neurohumoralen Aktivität (Sympathikus und Renin-Angiotensin-Aldosteron-Achse) entgegenzuwirken. Bei all diesen Versuchen steigt
jedoch der Kalziumgehalt der Herzmuskelzellen und somit auch die Morbidität und Mortalität. Omecamtiv mercarbil (OM) wirkt auf
eine vollkommen andere Weise, indem es die
Aktin-Myosin-Bindung verstärkt, ohne den
intrazellulären Kalziumgehalt zu erhöhen.
Dies bewirkt eine Verlängerung der systolischen Auswurfzeit. In zu hohen Konzentrationen besteht jedoch das Risiko einer zu starken Verlängerung der Systole und einer Verkürzung der Diastole, wodurch die koronare
Perfusion gestört werden kann. Die COSMICHF-Studie hatte zwei Ziele: eine wirksame
orale Dosis zu finden und die Wirkung von
Otitis media bei Kleinkindern:
lange oder kurze Behandlung?
Otitis media ist einer der häufigsten Indikationen für eine Antibiotikabehandlung bei Kindern. Angesichts der Zunahme bakterieller
Resistenzen stellt sich die Frage, ob eine kürzere als die üblicherweise empfohlene 10-tägige Behandlung empfehlenswert ist. 520 Kinder von 10–23 Monaten mit bestätigter Otitis
media erhielten 5 oder 10 Tage lang Amoxicillin-Clavulansäure. An Tag 12 und 14 des Follow-up hatte die Gruppe mit der langen einen
signifikant geringeren Symptom-Score als die
mit der kurzen Behandlung. In der Gruppe mit
langer Behandlung traten nicht häufiger bakterielle Resistenzen auf. Über ältere Kinder liegen keine Daten vor. Schade, dennoch hat sich
die Studie gelohnt …
Hoberman A, et al. N Engl J Med. 2016;375:2446–56.
COX-2-selektive und -nichtselektive
NSAR: kardiovaskuläres Risiko?
Sie erinnern sich sicher an den riesigen
Vioxx®-Skandal (Rofecoxib). Das Medikament
verursachte tausende kardiovaskulärer Erkrankungen (die vom Hersteller zunächst ab-
OM auf bestimmte Parameter der kardialen
Funktionalität zu untersuchen.
Methode
Die randomisierte doppelblinde Studie fand in
87 Zentren in 13 Ländern statt. Sie bestand aus
zwei Teilen: (1.) der Verabreichung einer fixen
OM-Dosis; (2.) der schrittweisen Steigerung der
OM-Dosis durch Dosistitration. Primärer Endpunkt war die Plasmahöchstkonzentration
von OM in Woche 20. Sekundäre Endpunkte
waren mehrere Messwerte der Herzfunktion,
d.h. die systolische Auswurfzeit, das Herzschlagvolumen sowie der systolische und diastolische Durchmesser des linken Ventrikels.
Resultate
Am Studienende hatten 145 Patienten Plazebo,
145 eine fixe OM-Dosis (2 × tägl. 25 mg) und 137
eine schrittweise auf 2 × tägl. 50 mg gesteigerte
OM-Dosis erhalten. Die Probanden waren 18–
85 Jahre alt und wiesen eine Herzinsuffizienz
der NYHA-Klasse II–III mit einem BNP-Wert
von mindestens 200 pg/ml auf. Alle Patienten
erhielten eine «klassische» Behandlung gegen
Herzinsuffizienz in Höchstdosis. Eine OMKonzentration von 1000 ng/ml durfte nicht
überschritten werden, da ab dieser Schwelle
das Risiko kardialer Nebenwirkungen steigt. In
Gruppe 2 und 3 betrug die OM-Konzentration
gestritten wurden). Es befindet sich ein COX2-selektives NSAR auf dem Markt: Celecoxib.
Bezüglich seiner kardiovaskulären Unschädlichkeit bestehen jedoch Zweifel. In der PRECISION-Studie wurden fast 25 000 Patienten untersucht, welche die beiden nichtselektiven
COX-2-Inhibitoren Ibuprofen und Naproxen
oder Celecoxib erhielten. Nach 20-monatiger
Einnahme traten in der Gruppe unter ca.
200 mg Celecoxib nicht mehr kardiovaskuläre
Ereignisse auf als in den beiden anderen Gruppen. Unter Celecoxib kam es sogar zu weniger
Verdauungs- und Nierenproblemen. Problem:
ca. 40% der Patienten hatten das Medikament
nach einem Jahr abgesetzt. Das Resultat ist
dennoch beruhigend. Kleiner Vorbehalt: Pfizer (Celecoxib) hat die Studie finanziert.
Nissen SE, et al. N Engl J Med. 2016;375:2519–29.
Alzheimer: Tau-Aggregations-Inhibitor?
Durch die Aggregation des Mikrotubuli-assoziierten Tau-Proteins (tubule associated unit)
entstehen die für die Erkrankung typischen
neurofibrillären Plaques. Methylenblau
hemmt diese Aggregation und sollte daher logischerweise probehalber zur Behandlung
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):367
<318 ng/ml. In den Gruppen mit OM verbesserten sich alle Messwerte der Herzfunktion signifikant (die Zahlen werden der Einfachheit
halber hier nicht angegeben).
Probleme und Kommentar
Die Studiendauer war relativ kurz. Die Phase2-Studie war nicht darauf ausgelegt, die klinische Wirksamkeit von Omecamtiv mercarbil
zu untersuchen, was die vorläufige Aussage
jedoch nicht entkräftet. Nämlich, dass es sich
hier um einen hochinnovativen Wirkstoff zur
Behandlung von Herzinsuffizienz mit einer
­signifikanten Wirkung auf die Herzfunktion
handeln könnte, wobei sich die Nebenwirkungen zwischen den drei Gruppen nicht unterschieden. Dennoch wollen die sehr vorsichtigen Autoren den Tag nicht vor dem Abend
­loben, da definitiv Studien mit einer grösseren Patientenzahl über einen längeren Zeitraum erforderlich sind, um festzustellen, ob
Omecamtiv mercarbil die klinischen Erwartungen tatsächlich erfüllt. Derartige Studien
werden, bereits aufgrund eines möglichen
positiven klinischen Potenzials und angesichts der Grösse des zukünftigen Marktes,
zweifellos stattfinden. Sollte man sich vielleicht Aktien des Herstellers Amgen zulegen,
der die Studie gesponsert hat?
Teerlink JR, et al. Lancet. 2016;388:2895–903.
von Patienten mit beginnender oder mittelschwerer Alzheimer-Krankheit eingesetzt werden. 375 Patienten erhielten Plazebo, 268 75 mg
und 266 125 mg Methylenblau. Leider wurde
anhand validierter Scores zur Evaluation der
kognitiven Funktionen und der Beurteilung
des Krankheitsverlaufs festgestellt, dass es
nach über einjähriger Behandlung keinen Unterschied zwischen beiden Gruppen gab. Komplizierter als gedacht …
Gauthier S, et al. Lancet. 2016;388:2873–84.
Neuroleptika bei Patienten mit Delirium
in der Palliativpflege
247 Patienten im terminalen Erkrankungsstadium (insbesondere Krebserkrankungen) mit
nach strengen Kriterien diagnostiziertem Delirium erhielten Risperidon, Haldol oder ein Plazebo. Zusätzlich erhielten sie nach Bedarf subkutan Midazolam. Nach dreitägiger Behandlung waren die Delirium-Scores bei den
Patienten unter Verum höher als unter Plazebo.
Vielleicht wäre es effektiver und nebenwirkungsärmer, die soziale Isolierung und die fehlende sensorische Stimulation zu behandeln …
Agar MR, et al. JAMA Intern Med. 2017;177:34–42.
368
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
Rasch erkennen und therapieren
Die septische Arthritis
bei Erwachsenen
PD Dr. med. Parham Sendi a,b , Dr. med. Richard Kuehl a , PD Dr. med. Daniel Aeberli c ,
PD Dr. med. Matthias A. Zumstein d
v ie we
d
Peer
re
a r tic le
a
Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene, Universitätsspital Basel; b Institut für Infektionskrankheiten, Universität Bern; c Universitätsklinik für Rheumatologie,
Immunologie und Allergologie, Inselspital Bern; d Universitätsklinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie, Inselspital Bern
Die septische Arthritis muss rasch erkannt und therapiert werden, da eine Verzögerung zur Gelenkdestruktion führt. Sie erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, sowohl für die Diagnostik als auch die Therapie. Klinisch herausfordernd ist
die differentialdiagnostische Abgrenzung zur akuten Kristallarthropathie.
Einleitung
Die akute Arthritis bezeichnet eine rasch auftretende
Entzündungsreaktion im Gelenkraum und der ihn begrenzenden Synovialmembran. Diese kann unter anderem durch Mikroorganismen oder deren Bestandteile, aber auch durch Kristalle verursacht werden. Die
«septische» Arthritis (auch «eitrige Arthritis» genannt)
muss rasch erkannt werden. Sie erfordert stets eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die Verzögerung der
Diagnose und Therapie führt meist zur Destruktion
und somit Funktionseinschränkung des Gelenkes.
In dieser Übersichtsarbeit fokussieren wir uns auf die
septische Arthritis der grossen (nativen) Gelenke beim
Erwachsenen. Dabei stehen bakterielle Infektionen im
Mittelpunkt, während andere Erreger (Pilze, Mykobakterien, Parasiten) wegen ihrer Seltenheit nur am Rande
erwähnt werden. Ebenso wird für die Diagnose und
Therapie der Lyme-Arthritis auf andere Übersichtsarbeiten verwiesen [1]. Die virale Arthritis wird in einer
späteren Ausgabe des Swiss Medical Forum in einem
separaten Artikel abgehandelt [2]. Die postinfektiöse
Arthritis wird häufig dem Formenkreis der «infekt­
assoziierten Arthritis» zugeordnet [3] und in diesem
Übersichtsartikel ebenfalls nicht behandelt.
schen Arbeit, die nur erwachsene Patienten einschloss,
betrug die Inzidenz in einer 5-jährigen Beobachtungsphase (2009–2013) 12 Fälle/100 000 Einwohner/Jahr (95%
CI 10,6–13,6) [6]. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die septische Arthritis ein zunehmendes Krankheitsbild im klinischen Alltag ist.
Risikofaktoren
Die häufigsten Risikofaktoren sind «klassische» Prädispositionen für bakterielle Infektionskrankheiten unabhängig vom Manifestationsort, wie zum Beispiel hohes
Alter (je nach Studie ≥65, ≥75 oder ≥80 Jahre), Diabetes
mellitus und Immunsuppression (insbesondere Therapie mit Kortikosteroiden). In diesem Zusammenhang
werden unter anderem auch Leberzirrhose, hämatologische und solide Neoplasien, aber auch Hypogammaglobulinämie genannt. Dabei erhöht sich das Risiko
einer Infektion beträchtlich, wenn mehrere dieser
Faktoren vorliegen [7, 8].
Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis haben im
Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine zirka zehnfach höhere Inzidenz einer septischen Arthritis. Das
Risiko steigt mit Fortschreiten der Erkrankung [9]. Die
immunsuppressive Therapie für eine rheumatoide Arthritis, insbesondere die Steroidtherapie, trägt ebenfalls
Epidemiologie
Parham Sendi
zur erhöhten Inzidenz der infektiösen Arthritis in dieser Population bei. Das Risiko, unter TNF-alpha-Blo-
Epidemiologische Daten aus der Schweiz fehlen. In
ckern eine opportunistische Infektion – unabhängig
­Island stieg die Inzidenz von 4,2 Fällen/100 000 Ein-
von der klinischen Manifestation – zu erleiden, ist er-
wohner im Jahr 1990 auf 11 Fälle/100 000 im Jahr 2002
höht [10], aber hinsichtlich septischer Arthritis sind die
[4]. In Grossbritannien wurde ebenfalls ein Inzidenz­
Resultate in verschiedenen Studien kontrovers. Die
anstieg dokumentiert, nämlich von 5,5 im Jahr 1998 auf
meisten Zahlen zur Arthritis stammen von Case Re-
7,8 Fälle/100 000 im Jahr 2013 [5]. In einer neuseeländi-
ports und Fallserien.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
369
übersichtsartikel aim
Ein weiterer Risikofaktor ist ein vorgängiger gelenk-
terem Fall kann es zu einer erneuten Bakteriämie kom-
chirurgischer Eingriff (Odds Ratio (OR) 2,07, 95% CI 1,4–
men, wenn die Keimzahl im Gelenk steigt. Exogene
2,9 in [11]; OR 5,1, 95% CI 2,2–11,9 in [7]). Diese Resultate
Ursachen (offenes Trauma, Gelenkchirurgie, Injektio-
gehen mit der Beobachtung einher, dass die iatrogen
nen) sind weniger häufig, das Übergreifen einer In-
verursachten septischen Arthritiden in den letzten
fektion von einem benachbarten Fokus (gelenknahe
Jahren zugenommen haben [4]. In diesem Zusammen-
Osteo­myelitis, Weichteilinfektion) selten.
hang wird häufig die Frage gestellt, wie hoch das Infek-
Im Gelenk lösen Mikroorganismen eine heftige Ent-
tionsrisiko nach einer intraartikulären Injektion ist.
zündungsreaktion in der Synovia und an der Synovial-
Da epidemiologische Zahlen fehlen, wird das Infek­
membran aus. Die Ausschüttung von Zytokinen und
tionsrisiko – meist basierend auf Erfahrungswerten
Proteasen führt zur Rekrutierung von weiteren Leuko-
und Umfragen – abgeschätzt. Dieses wird aufgrund der
zyten und somit fortschreitender Zerstörung des Knor-
­hohen Anzahl in der Praxis durchgeführter Injektio-
pels. Bakterien, insbesondere Staphylococcus aureus
nen aber als sehr tief beziffert (1 Infektion pro 25 000
und beta-hämolysierende Streptokokken, können To-
bis 35 000 Injektionen) [12, 13]. Die konsequente An-
xine und Enzyme ausschütten, die den Knorpel zusätz-
wendung einer aseptischen Technik ist dabei wichtig.
lich zerstören und gleichzeitig weitere Leukozyten ins
Die Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie hat
Gelenk rekrutieren. Diese Bakterien exprimieren zu-
hierfür auf ihrer Homepage Empfehlungen publiziert
dem sogenannte Adhäsine, die es ihnen ermöglichen,
[13].
an intraartikuläre Proteine des Wirtes zu binden und
Intraartikuläre Steroidinjektionen vor Kniegelenk­pro­
so im Gelenk zu persistieren. Eine Biofilmbildung in
thesenersatz sind jedoch mit einem erhöhten Risiko
der Synovialflüssigkeit ist ein weiterer möglicher Me-
für einen postoperativen Protheseninfekt (OR 1,23; 95%
chanismus der Infektpersistenz, der bei S. aureus be-
CI 1,2–1,3; p <0,001 in [14]) assoziiert. In dieser Studie
schrieben wurde [16]. Die Interaktion zwischen Erreger
wurde eine signifikante Risikoassoziation berechnet,
und Immunabwehr entspricht einem Circulus vitiosus.
wenn das Zeitintervall zwischen Injektion und Gelenk-
Innerhalb kurzer Zeit sammelt sich eine hohe Zellzahl
implantation ≤6 Monate, nicht aber wenn das Intervall
im Gelenk an [17, 18], sodass deren Proteasen zum fort-
>7 Monate war. Diese Daten wurden auch in der Schul-
schreitenden Gelenkschaden beitragen.
terprothetik sowie in der Rotatorenmanschettenre-
Das Ausmass der Gelenkdestruktion kann arthrosko-
konstruktion bestätigt [15]. Somit ist eine intraartiku-
pisch und radiologisch in vier verschiedene Stadien
läre Steroidinjektion zu vermeiden, wenn innerhalb
eingeteilt werden (Tab. 1; Abb. 1 und 2). Diese Stadien-
der nächsten sechs Monate eine mögliche Rotatoren-
einteilung nach Gächter und Stutz wird hauptsächlich
manschettenrekonstruktion oder Gelenk­prothe­sen­
in der Schweiz und einigen europäischen Ländern an-
implantation geplant ist.
gewendet [19–22]. Auch wenn in einer Institution diese
Stadieneinteilung nicht benutzt wird, kann die makroskopische Beurteilung des Operateurs eine wichtige In-
Pathogenese
formation sein, um einerseits die Indikation für eine
In den meisten Fällen entsteht die septische Arthritis
Synovektomie zu stellen und andererseits die antibio­
der grossen Gelenke durch eine hämatogene Streuung.
tische Therapie­dauer festzulegen (siehe später).
Während einer Bakteriämie können die Erreger in das
Gelenk penetrieren, da die Synovialis ein Kapillarbett
ohne Basalmembran ist. Die ursächliche Bakteriämie
kann bei der klinischen Präsentation der Arthritis
Erreger der septischen Arthritis
beim Erwachsenen
noch andauern oder zu einem früheren Zeitpunkt
Tabelle 2 fasst die häufigsten Erreger der septischen Ar-
transient und selbstlimitierend gewesen sein. In letz-
thritis aus drei Studien zusammen [6, 23, 24]. S. aureus ist
Tabelle 1: Arthroskopische Stadieneinteilung der septischen Arthritis nach Gächter und Stutz [19–22].
Stadium I
Stadium II
Stadium III
Stadium IV
– Synovitis
– Trübe Flüssigkeit
– Rötung der Synovialmembran
– Petechiale Blutungen
– Stark entzündliche Synovitis
– Fibrinablagerungen
– Eiter
–V
erdickung der
Synovialmembran
–A
dhäsionen mit
Pouchbildung
– Pannusbildung
– Infiltration in Knorpel
und Knochen*
* Radiologische Veränderung: bis Stadium III in der Regel noch nicht sichtbar, im Stadium IV radiologisch subchondrale Osteolysen, knöcherne
Erosionen und Zystenbildung sichtbar. Siehe dazu auch die arthroskopischen Abbildungen 1 und 2.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
370
übersichtsartikel aim
Abbildung 1: Arthroskopie: septische Schulterarthritis,
Stadium I–II (vgl. Tab. 1).
Abbildung 2: Arthroskopie: septische Schulterarthritis,
Stadium III (vgl. Tab. 1).
Tabelle 2: Häufige Erreger der septischen Arthritis bei Erwachsenen.
Studie
Schweiz [24]
Frankreich [23]
Neuseeland [6]
Total
n = 233
n = 374
n = 248
Kein Wachstum / unbekannt
10 (4%)
*
43 (17%)
Staphylococcus aureus
– Methicillin-empfindlich (MSSA)
– Methicillin-resistent (MRSA)
115 (49%)
104 (45%)
11 (5%)
240 (64%)
213 (57%)
27 (7%)
115 (46%)
Beta-hämolysierende Streptokokken
33 (14%)‡
30 (8%)
30 (12%)
Streptococcus pneumoniae
3 (1%)
9 (2%)
5 (2%)
Andere Streptococcus spp.
–‡
37 (10%)
2 (1%)
Enterococcus spp.
1 (<1%)
6 (2%)
5 (2%)
Escherichia coli
6 (3%)
9 (2%)
7 (3%)
Pseudomonas spp.
11 (5%)
5 (1%)
4 (2%)
Neisseria spp.
2 (1%)
5 (1%)
4 (2%)
Prozentzahlen sind gerundet.
* In dieser Studie wurden nur Fälle mit Nachweis des Erregers eingeschlossen.
‡
In dieser Studie wurden beta-hämolysierende Streptokokken und Streptococcus spp. zusammengefasst.
mit Abstand der häufigste Erreger, gefolgt von beta-hä-
tion assoziiert sind (zum Beispiel Psoriasis oder andere
molysierenden Streptokokken. Die Häufigkeit eines Er-
chronische Hautkrankheiten, dialysepflichtige Nieren-
regers (und des Resistenzmusters) kann je nach geogra-
insuffizienz, Adipositas, Diabetes mellitus, intravenö-
phischer Region, Alter und Untersuchungspopulation
ser Drogen­abusus), ist die S. aureus-Arthritis besonders
variieren. In der Literatur wird oft (zum Teil historisch
häufig. Die Dauer der Symptomatik kann ebenfalls
bedingt) zwischen Gonokokken- und Nicht-Gonokok-
Hinweise auf mögliche Erreger geben. Patienten mit ei-
ken-Arthritis unterschieden [17]. Eine Pilz- oder Myko-
ner Meningo- oder Gonokokken-Arthritis berichten
bakterien-Arthritis tritt meist bei Patienten unter Im-
oft über einen perakuten Verlauf mit einer – im Ver-
munsuppression oder solchen mit Herkunft aus einem
gleich zum klinischen Befund – überproportionalen
Tuberkuloseendemiegebiet auf.
Schmerzsymptomatik. Im Gegensatz dazu präsentieren sich Patienten mit einer Mykobakterien-Arthritis
Das klinische Bild
mit einer eher indolenten, subakuten oder chronischen Klinik.
Anamnese
Klinische Untersuchung:
Die Anamnese kann differentialdiagnostisch auf den
Die bakterielle Arthritis befällt in der Regel ein Gelenk
Erreger hindeuten (Tab. 3). Bei Patienten mit Krankhei-
(Monoarthritis) und zeigt in der klinischen Untersu-
ten, die typischerweise mit einer S. aureus-Kolonisa-
chung klassische Entzündungszeichen (Schmerzen,
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
371
übersichtsartikel aim
Tabelle 3: Informationen aus der Anamnese und Assoziation mit differentialdia­
gnostisch möglichen Mikroorganismen bei Patienten mit septischer Arthritis.
Anamnese / klinischer Befund
Differentialdiagnose der Pathogene
Epidemiologische Risikofaktoren für
Staphylococcus aureus-Kolonisation1
Staphylococcus aureus
Immunsuppression, multiple Spitalaufenthalte, vorgängige Antibiotikatherapien
Enterobacteriaceae
IVDU, Polytoxikomanie
2
Staphylococcus aureus,
beta-hämolysierende Streptopkokken
Tendosynovitis; Exanthem; Polyarthralgie,
die in eine persistierende Mono- oder
Oligoarthritis übergehen kann.
Sexualanamnese.
Neisseria gonorrhoeae,
N. meningitidis
Meningitis
Neisseria meningitidis,
Streptococcus pneumoniae
Repatriierung aus Südostasien
(u.a. Thailand)
Burkholderia pseudomallei (Melioidose)
Konsum von nicht pasteurisierten
Milchprodukten
Listeria monocytogenes,
Brucella spp.
Urogenitale Intervention
Ureaplasma urealyticum,
Mycoplasma hominis
«Low grade» klinische Symptome,
Tuberkulose-Endemiegebiet, Fistelbildung,
Mono- oder Oligoarthritis.
Vorgängig «kultur-negativ».
Mycobacterium tuberculosis
Monoarthritis, Erythema migrans in der
­Vorgeschichte, wandernde Arthralgien,
­Zeckenstich
Borrelia burgdorferi
ca. 10 bis 20% der Fälle sind mehrere Gelenke involviert (Oligo- und Polyarthritis). Dies wird insbesondere
bei Patienten mit multiplen destruierten Gelenken
(zum Beispiel infolge einer rheumatoiden Arthritis)
und/oder einer prolongierten Bakteriämie beobachtet. Entsprechend muss in diesen Fällen der primäre
Infektionsherd (einschliesslich der Endokarditis) gesucht werden (siehe unter «Abklärungen/Echokardiographie»).
Abklärungen
Entzündungswerte im Serum
Die Bestimmung der Entzündungswerte im Blut und
die Abnahme von Blutkulturen sind obligat. Die Leu­
kozytenzahl, die Linksverschiebung, der CRP- oder
Procalcitonin(PCT)-Wert sind hilfreiche Elemente in
der Diagnose, aber weder spezifisch noch sensitiv. Eine
akute Kristallarthritis kann sich klinisch und laborchemisch ähnlich wie eine septische Arthritis präsentieren.
Gelenkpunktion
Posttraumatische Arthritis 3
Katzen- oder Hundebiss
Pasteurella spp.,
Capnocytophaga spp.,
Neisseria spp.
Rattenbiss
Streptobacillus moniliformis
Verletzung im (Salz-)Wasser
Mycobacterium marinum
Vibrio spp., Aeromonas hydrophila
Menschenbiss
Staphylococcus aureus;
Eikenella corrodens und andere Erreger,
die der HACEK-Gruppe angehören4
Pflanzen-/Sträucher-/Dornen-Verletzung
Pantoea agglomerans
1
ierzu gehören u.a. Psoriasis und andere chronische Hauterkrankungen, dialysepflichtige Nieren­
H
insuffizienz, morbide Adipositas, Diabetes mellitus, IVDU (= intravenöser Drogenkonsum).
2
In diese Gruppe gehören differentialdiagnostisch auch Pseudomonas spp. und Candida spp..
Der prozentuale Anteil dieser Erreger ist im Vergleich zu anderen Mikroorganismen gering.
³ D ie posttraumatische Arthritis ist nicht selten polymikrobiell und betrifft häufiger die Fingergelenke.
4
Haemophilus spp., Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Cardiobacterium hominis, Eikenella
corrodens, Kingella kingae.
Die definitive Diagnose der septischen Arthritis beruht auf dem Erregernachweis in der Synovia. Deshalb
ist eine Gelenkpunktion obligat. Diese sollte vor der
Gabe der empirischen antibiotischen Therapie durchgeführt werden, sofern sich der Patient nicht mit einer
Sepsis (SOFA-Kriterien: «Sequential [Sepsis-related] Organ Failure Assessment Score») oder im septischen
Schock präsentiert. Die gewonnene Gelenkflüssigkeit
muss parallel auf (1) Zellzahl plus Anteil der neutrophilen Granulozyten, (2) Erreger und (3) Kristalle untersucht werden (Abb. 3).
Zellzahl
In den meisten Zentren wird die Zellzahl maschinell
aus mit EDTA antikoagulierter Gelenkflüssigkeit ge-
Rötung, Überwärmung, Schwellung, Steifigkeit oder
messen; die maschinelle Messung ist der manuellen
Bewegungseinschränkung). Aufgrund des Weichteil-
ebenbürtig oder sogar etwas präziser [26]. Bei kleiner
mantels sind Schwellung (und Rötung) beim Hüft-
Probenmenge (<1 ml) und/oder makroskopisch be-
oder Schultergelenk nicht immer sichtbar. Wegen der
reits als Eiter erkennbarer Gelenkflüssigkeit entste-
oben erwähnten Pathogenese präsentieren sich die
hen Viskositätsprobleme, welche die maschinelle
Patienten häufig mit dem klinischen Bild einer Sepsis
Messung erschweren können. Deshalb empfehlen wir
und berichten über Fieber und Schüttelfrost. Hier sei
die Abnahme von ≥1 ml Synovialflüssigkeit für die
darauf hingewiesen, dass Fieber bei älteren Patienten
Zellzahlmessung und – unmittelbar nach Gelenk-
fehlen kann. Am häufigsten ist das Kniegelenk befal-
punktion – das Hin- und Herschwenken des Röhr-
len (27–50%), gefolgt von Hüft- und Schultergelenk (je
chens, damit sich das EDTA mit dem Punktat gut ver-
ca. 10–15%) [6, 23, 25]. Wenn mittelgrosse Gelenke
mischt. Die Differenzierung erfolgt maschinell, in
(Sprunggelenk, Handgelenk) betroffen sind, soll diffe-
seltenen Fällen ist ein Ausstrich zur Differenzierung
rentialdiagnostisch auch an eine exogene Ursache ge-
notwendig. Die Zellzahl, die bei einer septischen Arth-
dacht werden (iatrogen, Trauma, Spritzenabszess). In
ritis gefunden wird, liegt bei nativen Gelenken häufig
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
372
übersichtsartikel aim
ganismen und Kristalle. Bei Patienten mit Immunsuppression oder Leuko- und Neutropenie können diese
Verdacht auf
septische Arthritis
Grenzwerte nicht zuverlässig angewendet werden.
Mikrobiologie
EDTA-Röhrchen
(≥1 ml)
Natives Röhrchen
+ BK-Flaschen1
Für die häufigsten Mikroorganismen einer akuten
Natives Röhrchen
septischen Arthritis (S. aureus, beta-hämolysierende
Streptokokken) hat die Kultur eine gute Sensitivität.
Ergeben sich aus der Anamnese Hinweise für einen
Zellzahl
+
Differenzierung
Gramfärbung2
+
Kultur3/ PCR3
Suche nach Urat- oder
Kalziumpyrophosphatkristallen
Grenzwert
Zellzahl4
Sensitivität
Spezifität
>50 000/mm3
56% (95% CI 49%–63%)
90% (95% CI 88%–92%)
>100 000/mm3
18% (95% CI 11%–28%)
99% (95% CI 95%–100%)
Grenzwert
neutrophile
Granulozyten
≥ 90%
speziellen Erreger (Tab. 3), sollte das Labor vorgängig
informiert werden, um die Präanalytik zu optimieren.
Die Gramfärbung hat eine schlechte Sensitivität (<40%)
[28]. Entsprechend hat eine negative Gramfärbung
keine Konsequenz auf den Therapieentscheid. Ein positives Resultat in der Gramfärbung kann aber hel­fen,
die empirische Therapie entsprechend anzupassen
(Abb. 4).
Histopathologie
60% (95% CI 51%–68%)
78% (95% CI 75%–80%)
Abbildung 3: Diagnostischer Pfad bei Verdacht auf septische Arthritis.
1
Die Inokulation einer pädiatrischen Blutkultur(BK)-Flasche mit Synovialflüssigkeit hat
eine hohe Sensitivität für das Wachstum von Bakterien. Die Abnahme eines Nativröhrchens für die Mikrobiologie ist empfohlen, um zu einem späteren Zeitpunkt eine PCR
(«polymerase chain reaction») durchführen zu können.
2
Aufgrund der tiefen Sensitivität ist die Gramfärbung keine Notfalluntersuchung.
3
Bei Verdacht auf einen speziellen Erreger (Tab. 3) sollte mit dem mikrobiologischen
Labor vorgängig Kontakt aufgenommen werden, um die Präanalytik zu optimieren.
4
Sensitivitäts- und Spezifitätsangaben gemäss [27]. Ein Grenzwert von >25 000/mm3 hat
eine Sensitivität und Spezifität von je ca. 75% [8]. Bei Patienten mit Immunsuppression
oder Leuko- und Neutropenie können diese Grenzwerte nicht zuverlässig angewendet
werden.
Wird eine Arthroskopie oder offene Gelenkrevision
durchgeführt, sollen Gewebeproben für Untersuchungen in der Mikrobiologie und Histopathologie entnommen werden. Die Abnahme von Gewebeproben
für die histopathologische Untersuchung ist hilfreich,
um das diagnostische Bild zu komplettieren, und ist
vor allem im Gächter-Stadium III und IV empfohlen
(Tab. 1). Aber auch die histopathologischen Resultate
helfen bei der Diagnosestellung einer Kultur-negativen septischen Arthritis.
Kristalle
Die Suche nach Kristallen durch geschultes Personal
ist wichtig, weil eine septische Arthritis und eine Kris-
zwischen 50 000 und 150 000 Leukozyten/mm3 Synovialflüssigkeit. Der vorgeschlagene Grenzwert, der für
eine septische Arthritis spricht, variiert je nach Studie.
Ein Grenzwert von >25 000/mm3 hat eine Sensitivität
und Spezifität von je ca. 75% [8]. In einer Metaanalyse
hatte ein Grenzwert von >50 000/mm3 eine gepoolte
Sensitivität von 56% (95% CI 49–63%) und eine Spezifität von 90% (95% CI 88–92%) (Heterogenität der Studien 53,6% und 70,7%). Bei einem Grenzwert von
>100 000/mm3 sinkt die Sensitivität auf 18% (95% CI 11–
28%) und die Spezifität steigt auf 99% (95% CI 95–
100%) (Heterogenität der Studien 70,3% und 67,8%)
[27]. Wenn man den Anteil der neutrophilen Granulozyten als diagnostisches Kriterium einsetzt, wird als
Grenzwert ein Anteil von ≥90% benutzt [8]. Dieser
Wert hat eine Sensitivität von 60% (95% CI 51–68%)
und Spezifität von 78% (95% CI 75–80%) für eine bakterielle Arthritis [27]. Die tiefen Sensitivitätszahlen bei
höheren Grenzwerten der Zellzahl verdeutlichen die
Wichtigkeit der parallelen Untersuchung für Mikroor-
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
Abbildung 4: Hüftpunktat einer septischen Arthritis. Gram­
färbung zeigt intrazelluläre gramnegative Diplokokken. Neis­
seria meningitidis konnte via PCR nachgewiesen werden.
373
übersichtsartikel aim
tallarthropathie gleichzeitig vorkommen können und
Bildgebung
sich klinisch sehr ähnlich präsentieren, aber auch weil
Die Verdachtsdiagnose einer septischen Arthritis, ins-
präzipitiertes Kristallviolett in der Gramfärbung mit
besondere beim Hand-, Fuss- und Kniegelenk, wird pri-
grampositiven Keimen verwechselt werden kann.
mär klinisch gestellt. Bei dickerem Weichteilmantel
Kristalle in der Synovia sind auch noch mehrere Tage
(Schulter- und Hüftgelenk) hilft die Sonographie zum
bis Wochen nach der akuten Präsentation im Gelenk-
Nachweis eines Ergusses und zur Steuerung der Ge-
punktat nachweisbar. Die Abgrenzung eines akuten
lenkpunktion. Wenn die Gelenkinfektion die umlie-
Gicht- (Uratkristalle) oder Pseudogichtanfalls (Chon­
genden Weichteile oder Knochen mit einbezieht, ist
drokalzinose; Kalziumpyrophosphatkristalle [CPPD])
eine Computertomographie (CT) oder Magnetreso-
von einer septischen Arthritis oder das simultane Auf-
nanztomographie (MRT) empfohlen, um das Ausmass
treten beider Krankheiten ist sowohl für die Diagnose
des Infektes abzuschätzen und den chirurgischen Ein-
als auch für die Therapie entscheidend.
griff zu planen (Abb. 5). Bei akuter Indikation zur Gelenkspülung sollte die Bildgebung die chirurgische In-
Arthroskopie
tervention nicht verzögern. Die konventionelle
Die Arthroskopie ist nicht nur eine therapeutische
Radiologie kann hilfreich sein, um ein Ausgangsbild zu
Massnahme (siehe später), sondern auch ein wichti-
erhalten, damit im späteren Verlauf das Ausmass der
ges diagnostisches Instrument, insbesondere zur
Gelenkdestruktion beurteilt werden kann. Bei langan-
Stadieneinteilung nach Gächter und zur Biopsieent-
dauernden Infektionen und insbesondere beim Befall
nahme für die histopathologischen und mikrobiolo-
des Knochens kann sie ebenfalls für Therapieent-
gischen Untersuchungen. Die Stadieneinteilung kann
scheide von Nutzen sein.
helfen, die Notwendigkeit einer zweiten arthroskopischen Spülung oder einer offenen Synovektomie ab-
Echokardiographie (Arthritis und Endokarditis)
zuschätzen [20, 21, 29] und so früh nach klinischer
Je nach Studie, Erreger und Untersuchungspopulation
Präsentation das entsprechende therapeutische Ma-
erleiden zwischen 2 und 15% der Patienten mit einer in-
nagement aufzugleisen.
fektiösen Endokarditis eine septische Arthritis. Bei
Abbildung 5: Koronarer MRT-Schnitt einer septische Schulterarthritis. Das Bild zeigt zusätzlich einen subkutanen Beigleitabszess
und eine Osteomyelitis, in Analogie Stadium IV nach Gächter entsprechend.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
374
übersichtsartikel aim
Vorliegen einer septischen Arthritis und einer ausser-
Beispiel Neisseria meningitidis, Abb. 4) ausreichend sein
halb des Spitals erworbenen S. aureus-Bakteriämie ist
[32]. Eine arthroskopische Gelenkspülung wird aber als
in der Regel eine Echokardiographie indiziert [30]. Die
Therapie der Wahl angesehen. Ob eine zweite oder
Evidenz für diese Indikation bei Nachweis von anderen
auch dritte Gelenkspülung notwendig sind, zeigt der
Erregern ist nicht vorhanden.
klinische und laborchemische Verlauf nach ca. 3 bis
5 Tagen. Beim Kniegelenk wird bei der arthro­skopischen
Differentialdiagnosen
Spülung oftmals das posteriore Kompartiment vernachlässigt und sollte mittels posteromedialen Zusatz-
Die Gicht und die Chondrokalzinose stellen die wich-
portals und unter Sicht paraligamentär posterior er-
tigsten Differentialdiagnosen dar und werden in dieser
gänzt werden. Mehr als ein Eingriff ist typischerweise
Ausgabe in separaten Artikeln besprochen (Seiten 387–
notwendig bei einer Arthritis im Gächter-Stadium II
394). Klinische Hinweise für das Vorliegen einer Kris-
oder III (Tab. 1) [20, 21]. Risikofaktoren für zwei oder
tallarthritis können der Lokalisationsort der Arthritis
mehrere Eingriffe (respektive für eine sogenannte «fai-
(zum Beispiel Zehengrundgelenk), sichtbare Gichtto-
lure» nach der ersten Spülung) sind unter anderem die
phi oder vorgängige Episoden einer Kristallarthropa-
Gelenkdegeneration durch eine zugrunde liegende
thie sein. Pathognomonische Verkalkungen im Ge-
rheumatische Krankheit, Diabetes mellitus, S. aureus
lenkspalt in der radiologischen oder sonographischen
als ursächlicher Erreger wie auch eine septische Arth-
Untersuchung können nützliche Hinweise auf das Vor-
ritis im Gächter-Stadium III und IV [20, 21, 29, 33, 34].
liegen einer CPPD-Arthropathie liefern. Es sei noch-
Während die arthroskopische Spülung im Stadium I
mals darauf hingewiesen, dass das Vorhandensein ei-
und II oft als Therapie ausreicht, wird im Stadium III
ner Kristallarthropathie das gleichzeitige Vorliegen
ein Débridement durchgeführt. Eine offene Synovek-
einer bakteriellen Arthritis nicht ausschliesst. Wei-
tomie sollte im Stadium IV angewendet werden. Bei
tere Differentialdiagnosen sind dem rheumatischen
mikrobiologisch bewiesener Infektpersistenz nach
Formenkreis zuzuordnen, wie zum Beispiel die reak-
ca. 7 bis 14 Tagen – trotz adäquater chirurgischer und
tive Arthritis bei seronegativer Spondylarthropathie,
antibiotischer Therapie – sollte die offene Synovekto-
der Schub einer rheumatoiden Arthritis oder eine akti-
mie erwogen werden.
vierte Arthrose. Selten kann eine traumatische Arthritis eine septische Arthritis imitieren. Die Anamnese
Antibiotische Therapie
(Trauma, Hämophilie) und ein blutiges Gelenkpunktat
Die Wahl der empirischen antibiotischen Therapie
(Hämarthros) können auf eine entsprechende Ursache
hängt primär von der lokalen Epidemiologie ab [24].
hindeuten. Die Osteonekrose kann ebenfalls eine Ar-
Sofern nicht das Grampräparat (Abb. 4) oder relevante
thritis vortäuschen.
Hinweise aus der Anamnese (Tab. 3) eine andere intravenöse antibiotische Therapie nahelegen, empfehlen
Therapie
wir – nach Abnahme von Blutkulturen, Synovialflüssigkeit und/oder Biopsien – Amoxicillin/Clavulan-
Gelenkspülung
säure (3-4 × 2,2 g/d i.v.) oder Cefazolin (3 × 2 g/d i.v.), vor-
Essentieller Teil der Therapie ist die Entfernung des Ei-
ausgesetzt es bestehen eine normale Nieren- und
ters aus dem infizierten Gelenk. Ziel ist es, die Granulo-
Leberfunktion [22, 24]. Sobald der Erreger und seine Re-
zytenzahl zu reduzieren, um dadurch den Knorpel-
sistenzen bekannt sind, soll auf eine gezielte Therapie
schaden gering zu halten. Die rasche Intervention bei
umgestellt werden (Tab. 4). Nahezu alle Antibiotika pe-
akuter septischer Arthritis ist essentiell. Je länger die
netrieren gut vom Blut in die Synovia [35]. Bisher
Symptomdauer ist, je später die Präsentation und der
konnte nicht bewiesen werden, dass eine Substanz ei-
Eingriff erfolgen, desto schlechter ist die Prognose be-
ner anderen (oder einer anderen Kombination) überle-
züglich Gelenkfunktion [31]. Die Entfernung des Infek-
gen ist [36]. Dennoch empfehlen wir Überlegungen
tionsherdes im Gelenk kann entweder via (repetitive)
bezüglich Empfindlichkeit des Keimes und Bioverfüg-
Gelenkpunktionen, arthroskopische Spülung oder Ar-
barkeit der Substanz in die Therapiewahl einzubezie-
throtomie erfolgen. Welche dieser drei Modalitäten ge-
hen (Tab. 4).
wählt wird, hängt unter anderem vom Krankheitsstadium, vom Erreger, von der Zellzahl im Gelenk und der
Therapieumstellung von intravenös auf peroral
klinischen Erfahrung der behandelnden Ärzte ab. So
Sofern nicht eine andere Indikation die Dauer der in­
können beispielsweise eine (oder mehrere) Gelenk-
travenösen Therapie begründet (zum Beispiel das Vor-
punktionen bei einer sehr kurzen Symptomdauer und
liegen einer infektiösen Endokarditis oder einer pro-
einem auf Antibiotika sehr empfindlichen Keim (zum
longierten S. aureus-Bakteriämie), existieren keine
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
375
übersichtsartikel aim
Tabelle 4: Gezielte antibiotische Therapie bei bakterieller Arthritis beim Erwachsenen.1, 2
Erreger
Antibiotikum
Tagesdosis / Applikation
Methicillin-sensibler Staphylococcus
aureus (MSSA)
Flucloxacillin
4 × 2 g / i.v.
Cefazolin
3 × 2 g / i.v.
Methicillin-resistenter Staphylococcus
aureus (MRSA)
Vancomycin
2 × 15 mg/kg KG / i.v. 3
Daptomycin
1 × 8 bis 12 mg/kg KG / i.v.
MSSA und MRSA
Rifampicin +
Fluorochinolon4, 5
– Ciprofloxacin oder
– Levofloxacin oder
– Moxifloxacin
2 × 300 bis 450 mg / p.o.
plus
2 × 750 mg / p.o.
2 × 500 mg oder 1×750 mg / p.o.
1 × 400 mg / p.o.
Clindamycin
3 × 450 bis 600 mg / p.o.
Doxycyclin oder Minocyclin
2 × 100 mg / p.o.
Trimethoprim/Sulfamethoxazol 2 bis 3 × 1 Tbl. forte / p.o.
Streptococcus spp.
Enterococcus spp.
Linezolid 6
2 × 600 mg / p.o.
Penicillin G
18 bis 20 Mio U verteilt auf 4 bis 6 Dosen / i.v.
Amoxicillin
3 × 1 g / p.o.
Clindamycin
3 × 450 bis 600 mg / p.o.
Doxycyclin oder Minocyclin
2 × 100 mg / p.o.
Amoxicillin
4 × 2 g / i.v.
3 × 1 g / p.o.
Vancomycin
2 × 15 mg/kg KG / i.v. 3
Daptomycin
1 × 8 bis 12 mg/kg KG / i.v.
Linezolid
Enterobacteriaceae
Pseudomonas spp.
Neisseria spp.
6
2 × 600 mg / p.o.
Ceftriaxon
1 × 2 g / i.v.
Ciprofloxacin
2 × 750 mg / p.o.
Cefepim
3 × 2 g / i.v.
Ciprofloxacin
2 × 750 mg / p.o.
Ceftriaxon
1 × 2 g / i.v.
1
ie vorliegende Dosisempfehlung setzt eine normale Nieren- und Leberfunktion voraus. Das Vorliegen von Allergien und potentiellen
D
Medikamenteninteraktionen muss immer geprüft werden.
2
Es wird eine initiale intravenöse Therapie empfohlen, welche im Verlauf und bei gutem klinischen Verlauf auf per os Empfehlung gewechselt
werden kann.
3
Initiale Dosisempfehlung. Anpassung der Dosis gemäss Talspiegel, vorzugsweise nach Rücksprache mit einem Infektiologen.
4
Beide Substanzen dürfen für S. aureus- Infektionen nur in Kombination verabreicht werden.
5
Keine klinische Daten, welche eines der Fluorchinolone bevorzugt empfiehlt.
6
Linezolid ist ein Reserveantibiotikum und sollte nur nach Rücksprache mit einem Infektiologen und bei fehlenden Alternativen eingesetzt werden.
evidenzbasierten Empfehlungen zur Dauer der i.v.-The-
umgestellt werden. Bei Fällen mit langer Symptom-
rapie bei der septischen Arthritis. In einer retrospekti-
dauer, später Intervention, fortgeschrittenem Stadium
ven Studie aus Genf mit 169 Episoden einer septischen
(Tab. 1) oder repetitivem Keimnachweis aus der Syno-
Arthritis (davon 126 [75%] in grossen Gelenken), betrug
via werden mehrere Eingriffe und/oder eine offene
die Erfolgsrate der Therapie 88%. Dabei hatten – nach
­Synovektomie notwendig, sodass in diesen Fällen –
adäquater Gelenkspülung – ≤7 versus 8–21 Tage i.v.-The-
um genügend hohe Substanzkonzentrationen am
rapie wie auch ≤14 versus 15–28 Tage Gesamttherapie
Infek­tionsort zu erreichen – eine 10- bis 14-tägige i.v.-
die gleiche Erfolgsrate [37]. Wir empfehlen den Zeit-
Therapie bevorzugt wird.
punkt der Umstellung auf eine orale Therapie gemäss
klinischem Verlauf festzulegen; diese Beurteilung
Totale antibiotische Therapiedauer (Tab. 5)
kann in der Regel 3 bis 5 Tage nach der Gelenkspülung
Bisher wurde keine kontrollierte Studie zur Therapie­
erfolgen. So kann beispielsweise bei kurzer Symptom-
dauer der septischen Arthritis beim Erwachsenen
dauer, rascher Intervention und Nachweis eines emp-
durchgeführt. Dies liegt unter anderem an der Hetero-
findlichen Keimes bereits innerhalb der ersten Woche
genität der einzelnen Fälle, die sich im unterschiedli-
bei gutem klinischem Verlauf auf eine orale Therapie
chen Stadium an unterschiedlichen Gelenken und mit
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
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übersichtsartikel aim
Tabelle 5: Empfehlung zur totalen Therapiedauer
in ­verschiedenen Konstellationen.1
Erreger
Gächter-Stadium2
Therapiedauer
hilfreich, um die Dynamik des Therapieerfolges zu
­beurteilen. Sie sind aber unserer Meinung nach nicht
entscheidend, um den Zeitpunkt des Therapiestopps
festzulegen. Tabelle 5 reflektiert Vorschläge zur Thera-
I–II
– MSSA + MRSA 3
– Enterococcus spp.4 III–IV
– Pseudomonas spp.4
2–4 Wochen
– Streptococcus spp. I–II
– Enterobacteriaceae III–IV
1–2 Wochen
oder II diagnostiziert (64–84% in [20, 29, 39, 40]). Beta-
3–4 Wochen
hämolysierende Streptokokken und Neisseria spp. sind
Neisseria spp.
1 Woche
empfindlich auf Antibiotika; auch viele Enterobacteria-
–
4–6 Wochen
1
ie Empfehlungen zur Therapiedauer sind Richtwerte; im Einzelfall
D
orientiert sich die Therapie­dauer am klinischen Ansprechen.
2
Auch wenn die Gächter-Stadieneinteilung nicht benutzt wird, können
intraoperative makroskopische Kriterien (Tab. 1) in Analogie helfen, die
Therapiedauer zu diskutieren.
3
Wenn bei einer S. aureus-Arthritis gleichzeitig eine Bakteriämie vorliegt
(komplizierte S. aureus-Bakteriämie), wird eine 4-wöchige antibiotische
Therapie empfohlen [30].
4
Aufgrund der mikrobiologischen Eigenschaften von Enterococcus spp.
und Pseudomonas spp. werden in der Arthritisbehandlung häufig die
gleichen pathophysiologischen Überlegungen wie bei der S. aureus-­
Arthritis angewendet. Diese Überlegungen können nicht durch klinische
Daten unterstützt werden, sodass primär das klinische Ansprechen für
die Therapiedauer entscheidend ist.
piedauer in verschiedenen Konstellationen. Die meisten Fälle der septischen Arthritis werden im Stadium I
ceae (zum Beispiel Escherichia coli) sprechen gut auf
eine antibiotische Therapie an (Tab. 4). Deshalb kann in
der Konstellation eines niedrigen Stadiums und eines
gut behandelbaren Keimes eine 10- bis 14-tägige Therapie ausreichend sein. Das klinische Ansprechen auf
Antibiotika bei S. aureus-Infektionen ist va­riabel, aber
der Erreger gilt tendenziell als schwieriger zu eradizieren als die vorgängig erwähnten Keime und erfordert
häufiger mehr als eine chirurgische Intervention [33,
34]. Ähnliche Überlegungen werden bei Nachweis von
Pseudomonas aeruginosa postuliert, doch ist die septi-
unterschiedlichen Keimen präsentieren. Viele Fall­
sche Arthritis durch diesen Erreger selten (<5% in
serien und Expertenmeinungen schlagen vier Wochen
[6, 23–25]) und somit die Datenlage dünn. Wenn bei
vor, bei kompliziertem Verlauf mit einem schwierig zu
­einer S. aureus-Arthritis gleichzeitig eine Bakteriämie
eradizierenden Erreger bis zu sechs Wochen. Eine fixe
vorliegt (komplizierte S. aureus-Bakteri­ämie) wird eine
Therapiedauerempfehlung für alle Patienten, jede Kon­
vierwöchige antibiotische Therapie empfohlen [30].
stellation und jeden Erreger ist unserer Meinung nach
Im Stadium III und IV der septischen Arthritis dauert
nicht sinnvoll. Peltola et al. [38] verglichen in ­einer pro­
die Infektion länger und das Gewebe ist durch die In-
spektiven randomisierten Studie bei 130 Kindern (3 Mo-
flammation mehr in Mitleidenschaft gezogen. Dies
nate bis 15 Jahre) mit septischer Arthritis eine Therapie­
führt zur theoretischen Überlegung, dass Antibiotika
dauer von 10 Tagen versus 30 Tagen. S. aureus (n = 76
mit einer guten Gewebepenetration in Knorpel und
[59%]), Haemophilus influenzae Serotyp b (n = 23 [18%]),
Knochen, aber auch eine längere Therapiedauer not-
beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (n = 16
wendig sind.
[12%]) und Pneumokokken (n = 11 [9%]) waren die häufigsten Erreger. Clindamycin, 1.-Generation-Cephalosporine
und Ampicillin oder Amoxicillin wurden am häufigsten
Korrespondenz:
PD Dr. med. Parham Sendi
Klinik für Infektiologie &
Prognose
eingesetzt. Die Erfolgsrate betrug 100% für beide Grup-
Die Prognose der Gelenkfunktion ist im Einzelfall
pen. Diese Daten dürfen nicht unkritisch auf Erwach-
schwierig abzuschätzen, da letztere vor der Arthritis­
sene übertragen werden. Dennoch unterstützt die Stu-
episode oft nicht untersucht wurde und somit kein
die Überlegungen (und Bestrebungen), die antibiotische
Vergleich gezogen werden kann. Ein bereits vorgängig
Therapiedauer so lange wie nötig, aber so kurz wie mög-
destruiertes Gelenk ist prognostisch ungünstig.
lich zu halten. Verschiedene Faktoren in der klinischen
Die zeitnahe Intervention ist essentiell. Je später die
Beurteilung können helfen, die Therapiedauer für einen
klinische Diagnosestellung und je länger die Sym­
einzelnen Patienten festzulegen; vorzugsweise sollte
ptomdauer, desto schlechter ist die Prognose bezüg-
dieser Entscheid interdisziplinär gefällt werden.
lich Gelenk(rest)funktion [31]. Eine verzögerte Prä­
sentation ist mit mehr Interventionen assoziiert,
Faktoren, die beim Entscheid der Therapiedauer
berücksichtigt werden sollen
während eine rasche Intervention und kurze Sym­
parham.sendi[at]usb.ch
Vorausgesetzt die orthopädisch-chirurgische Therapie
einhergehen [41]. In einer retrospektiven Studie war
sowie
wird als abgeschlossen beurteilt, sind folgende drei
eine Symptomdauer von mehr als drei Wochen bei
krankheiten
Faktoren zu berücksichtigen: (1) Stadium der septischen
septischer Hüft­arthritis mit der Notwendigkeit einer
Universität Bern
Arthritis bei der ersten Intervention, (2) nachgewiese-
Hüftgelenkkopf­exzision assoziiert [42]. Diese Beob-
ner Erreger und (3) Komorbiditäten des Patienten. Die
achtungen unterstreichen auch die Wichtigkeit der
Entzündungswerte im Serum (CRP, Leukozyten) sind
frühen korrekten Stadieneinteilung.
Spitalhygiene
Universitätsspital Basel
CH-4031 Basel
Institut für Infektions­
CH-3010 Bern
parham.sendi[at]
ifik.unibe.ch
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
ptomdauer mit einer kürzeren Hospitalisationsdauer
377
übersichtsartikel aim
Letztlich spielen sowohl Erreger wie auch Komorbidi-
dass Komorbiditäten, die bei anderen schweren Infek-
täten des Patienten eine prognostische Rolle. So ist bei-
tionen einen Einfluss auf die Mortalität haben, auch
spielsweise S. aureus mit einem höheren Therapiever-
bei der septischen Arthritis eine Rolle spielen.
sagen vergesellschaftet.
Die Mortalität der septischen Arthritis wird je nach Literaturangabe mit 7–15% angegeben. Diabetes mellitus
und chronische Niereninsuffizienz gehen mit einer erhöhten Mortalität einher [33, 34]. Es ist naheliegend,
Das Wichtigste für die Praxis
• Die septische Arthritis muss rasch erkannt und therapiert werden, um eine
Verdankungen
Wir danken Myriam Legros, Dr. med Charles Béguelin, PD Dr. med.
Martin Clauss, Dr. med. Carol Strahm, Prof. Dr. med. Olivier Borens,
Prof. Dr. med. W. Zimmerli, Prof. Dr. med. Peter Ochsner, PD Dr. med.
Ilker Uçkay, Dr. med. Anna Conen und Dr. med. und dipl. chem. ETH
Gerhard Eich für die kritische Durchsicht des Manuskripts und wertvolle Ergänzungen. Wir danken Dr. Carlo Casanova für die Überlassung des Bildes von der Gramfärbung (Abb. 4).
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
fortschreitende Gelenkdestruktion aufzuhalten. Diagnose und Therapie
erfordern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit.
• Die Stadieneinteilung der septischen Arthritis basiert auf der makroskopischen Beurteilung des Gelenkes (via Arthroskopie). Sie ist klinisch hilfreich, insbesondere auch um das therapeutische Management abzuschätzen. Die Stadieneinteilung sollte deshalb früh nach klinischer
Präsentation erfolgen.
• Die Dauer der antibiotischen Therapie hängt von verschiedenen Faktoren
ab (u.a. Stadium und Erreger) und sollte erst im Verlauf gemäss klinischem
Ansprechen festgelegt werden.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):368–377
Literaturempfehlungen
– Shirtliff ME, Mader JT. Acute septic arthritis. Clinical microbiology
reviews. 2002;15(4):527–44.
– Mathews CJ, Weston VC, Jones A, Field M, Coakley G. Bacterial
septic arthritis in adults. Lancet. 2010;375(9717):846–55.
– Margaretten ME, Kohlwes J, Moore D, Bent S. Does this adult
patient have septic arthritis? JAMA : the journal of the American
Medical Association. 2007;297(13):1478–88.
Literatur
Die vollständige Literaturliste finden Sie in der Online-Version
des ­A rtikels unter www.medicalforum.ch.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
378
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist wichtig
Arthritis beim Kind
Dr. med. Daniela Kaiser
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Kinderrheumatologie, Kinderspital Luzern
Muskuloskelettale Beschwerden im Kindesalter gehören zu den häufigsten Konsultationsgründen beim Kinder- oder Hausarzt. Zumeist kann rasch eine Diagnose
­gestellt werden wie eine Grünholzfraktur, eine «pronation douloureuse» oder
­sogenannte Wachstumsschmerzen. Die Diagnose einer chronischen Arthritis ist
schwieriger, da Kinder ihre Beschwerden nicht beschreiben können und selten
über Schmerzen klagen. Vielmehr neigen sie dazu, die betroffene Region zu schonen
oder gewisse Aktivitäten zu meiden.
Einleitung
Ursachen einer Arthritis im Vordergrund. Eine post­
virale Arthritis kann sich unmittelbar nach der Infek-
In der pädiatrisch-rheumatologischen Sprechstunde
tion oder einige Wochen später manifestieren. Die Ge-
stehen entzündlich-rheumatische Erkrankungen im
lenke der unteren Extremität sind vermehrt betroffen.
Vordergrund. Am häufigsten ist dabei die juvenile idio-
Die häufigste Ursache für Hüftschmerzen im Alter zwi-
pathische Arthritis (JIA) mit einer Prävalenz von
schen drei und zehn Jahren ist die Coxitis fugax, der
1/1000 Kindern in Europa. Dies entspricht auch den
sogenannte Hüftschnupfen. Dieser Begriff beinhaltet
epidemiologischen Daten aus dem Register, das seit
bereits, dass die Erkrankung harmlos verläuft und fol-
2004 in der Schweiz geführt wird.
genlos nach einigen Tagen oder wenigen Wochen wie-
Bereits 1897 beschrieb Georg F. Still in einer Publikation
der verschwindet. Typisch sind die Symptome Schon-
«On a form of chronic joint disease in children» [1] das
hinken und Bewegungseinschränkung (insbesondere
Krankheitsbild der systemischen juvenilen Arthritis.
der Abduktion und Innenrotation) aufgrund des asep-
Still hatte die wichtige Erkenntnis g
­ ewonnen, dass sich
tischen Ergusses. Der Schmerz wird von betroffenen
die entzündlichen rheumatischen Gelenkerkrankungen
Kindern oft nach distal projiziert, sodass bei Knie-
wesentlich von den Krankheitsbildern bei Erwachsenen
schmerzen auch das Hüftgelenk untersucht werden
unterscheiden. Mitte des letzten Jahrhunderts nahmen
muss. Bei länger andauernden Verläufen muss die
sich die ersten Ärzte – allen voran Barbara Ansell (1923–
transiente Coxarthritis von einem Morbus Perthes ab-
2001) – der spezifischen Probleme der Kinder an. In der
gegrenzt werden, der sich ebenfalls in diesem Alter
Folge entstanden ab 1969 in der Schweiz die ersten kin-
ähnlich manifestieren kann.
derrheumatologischen Sprechstunden – anfänglich auf
Jede Monarthritis ist primär verdächtig auf eine osteo-
Grundlage einer Zusammen­arbeit zwischen Pädiatern
artikuläre Infektion (OAI) im Sinne einer septischen
und Rheumatologen. Zu dieser Zeit konnten sich Kinder
Arthritis und/oder Osteomyelitis, wobei bei Kindern
mit Arthritis glücklich schätzen, wenn sie durch Rheu-
die Erregerinvasion zumeist hämatogen bedingt ist.
matologen behandelt wurden. Auch mit den besten ver-
Als häufigster Erreger wird Staphylococcus aureus
fügbaren Therapien war aber ihre Kindheit gekennzeich-
nachgewiesen, neben Strepto- und Pneumokokken.
net durch Schmerzen und Einschränkungen. Inzwischen
Haemophilus influenzae Typ B hat glücklicherweise seit
hat die Kinderrheumatologie enorme Fortschritte ge-
Einführung der HiB-Impfung in den Schweizerischen
macht. Die spezialisierte Betreuung sowie die Entwick-
Impfplan drastisch abgenommen.
lung neuer Medikamente hat die Prognose der juvenilen
Heutzutage ist Kingella kingae der am häufigsten ge-
Arthritis dramatisch verbessert.
fundene Keim bei einer OAI des Kleinkindes. Die durch
K. kingae bedingten OAI zeichnen sich durch ihr dis-
Ursachen der Arthritis
Daniela Kaiser
kretes klinisches Bild und die meist nur wenig veränderten Laborparameter aus. Es ist mühsam, den Erreger
Wie bei Erwachsenen stehen auch bei Kindern differen-
zu isolieren. Oft verbleiben Kulturen aus der Synovi-
tialdiagnostisch infektiöse respektive parainfek­tiöse
alflüssigkeit oder dem Knochenpunktat negativ. Die
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):378–386
379
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
scheinbare Zunahme an K. kingae-bedingten Infektio-
unklarer Ätiologie über eine Dauer von mindestens
nen kann durch die besseren Erfassungsmethoden
sechs Wochen mit Beginn vor dem 16. Lebensjahr.
(spezifische «real-time»-PCR) erklärt werden [2].
Die Subgruppen unterscheiden sich wesentlich hinsicht-
Das rheumatische Fieber ist in unseren Breitengraden
lich Klinik, Demographie und Genetik. So ist zum Bei-
eine Rarität geworden. Wesentlich häufiger tritt ein bis
spiel die Prävalenz der JIA bei der schwarzen Bevölke-
drei Wochen nach einer Angina eine Poststreptokok-
rung geringer, schwere Verläufe wie die Polyarthritis
ken-Arthritis auf. Die Diagnose kann mit einem posi­
aber häufiger als bei Kaukasiern. Die Heterogenität der
tiven Antistreptolysin-Titer bestätigt werden, aller-
einzelnen Subgruppen manifestiert sich auch hinsicht-
dings ist nur ein signifikanter Titeranstieg nach drei
lich der Klinik, des Zytokinprofils sowie dem unter-
bis sechs Wochen relevant. Reaktive Arthritiden und
schiedlichen Ansprechen auf die Therapie und bezüg-
die Lyme-Arthritis sind bei älteren Kindern und
lich Prognose.
Jugend­lichen zu beobachten und verlaufen dann auch
ähnlich wie im Erwachsenenalter. Kristallarthropa-
Diagnose
thien sind bei Kindern eine Rarität. Hingegen sollten
Das Erkennen der JIA basiert hauptsächlich auf der kli-
bei Kindern genetische Krankheiten, die mit einer Ar-
nischen Einschätzung. Falls vermutet, ist eine vollstän-
thritis einhergehen, berücksichtigt werden. Hierzu
dige klinische Evaluation notwendig mit speziellem
­gehören periodische Fiebersyndrome wie das familiäre
Augenmerk auf die Schmerzsymptomatik und Morgen-
Mittelmeerfieber oder PAPA-Syndrom (Pyogene Arth-
steifigkeit. Die ausführliche klinische Untersuchung
ritis, Pyoderma gangraenosum, Akne). Auch Kinder
muss alle Gelenke berücksichtigen (Abb. 1) und wird
mit Immundefekten können autoimmun bedingt eine
durch wenige spezifische Laborbefunde ergänzt. Am
Arthritis aufweisen.
häufigsten finden sich bei Kindern positive antinukleäre
Antikörper (ANA), es sind allerdings auch bei 7% aller
Die juvenile idiopathische Arthritis
gesunden Kinder erhöhte Titer im Serum vorhanden.
Deshalb kann die Interpretation nur im Zusammen-
Der Begriff «juvenile idiopathische Arthritis» (JIA) um-
hang mit der Klinik sinnvoll sein. Die JIA ist eine Aus-
schliesst eine Gruppe heterogener Erkrankungen mit
schlussdiagnose. Ein Überblick über die häufigsten
sieben Subgruppen (Tab. 1). Gemeinsam ist die Arthritis
­Differentialdiagnosen ist in Tabelle 2 dargestellt.
Tabelle 1: Klassifikation der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA).
JIA-Subtyp
Definierende klinische Merkmale
Häufigkeit
Systemische Arthritis
– Tägliches Fieber während mindestens 2 Wochen
– Arthritis
– Mit einem/mehreren der folgenden Symptome:
• Flüchtiges Exanthem
• Generalisierte Lymphadenopathie
• Hepato/Splenomegalie
• Serositis
7%
Oligoarthritis
– persistierend
– e rweitert
1–4 Gelenke während den ersten 6 Monate
– Nie mehr als 4 Gelenke betroffen
– >4 Gelenke betroffen nach den ersten 6 Monaten
53%
Polyarthritis
RF-negativ
– 5 oder mehr Gelenke betroffen während den ersten 6 Monaten
– Negativer Rheumafaktor (RF)
14%
Polyarthritis
RF-positiv
– 5 oder mehr Gelenke betroffen während den ersten 6 Monaten
– RF zweimal positiv
2%
Arthritis mit Enthesitis
– Arthritis und Enthesitis oder
– Arthritis oder Enthesitis mit mindestens 2 der folgenden Kriterien:
• Druckschmerz über den Iliosakralgelenken / entzündlicher Wirbelsäulenschmerzen
• HLA-B27 positiv
• Knabe 6-jährig oder älter
• Akute anteriore Uveitis
• Familienanamnese 1. Grades positiv für HLA-B-27-assoziierte Erkrankungen
14%
Psoriasisarthritis
– Arthritis und Psoriasis, oder
– Arthritis und mindestens 2 der folgenden Kriterien:
• Daktylitis
• Nagelveränderungen
• Psoriasis bei einem Verwandten 1. Grades
2%
Undifferenzierte
Arthritis
Arthritis, die keiner oder mehr als einer Kategorie zugeordnet werden kann
8%
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):378–386
380
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
Konventionell-radiologische Untersuchungen sind zum
Magnetresonanztomographie (MRT) erlaubt die klare
Ausschluss ossärer Pathologien bei Erkrankungsbeginn
Abgrenzung nicht entzündlicher Pathologien und die
sinnvoll. Hervorragend geeignet ist die Sonographie, so-
Darstellung sonographisch schwer zugäng­
licher Ge-
wohl diagnostisch wie auch zur Verlaufskontrolle. Die
lenke wie in der Wirbelsäule oder der Kiefergelenke. Eine
MRT bei jüngeren Kindern (bis ca. 7 Jahre) bedarf aber
­einer Sedation und Begleitung durch die Anästhesie.
Oligoarthritis
Der häufigste Subtyp der JIA ist die Oligoarthritis. Diese
Form ist definiert durch eine Arthritis an maximal vier
Gelenken in den ersten sechs Monaten. Sie betrifft typisch das Kleinkindalter (<6 Jahre) und viermal häufiger
Mädchen. Der Beginn ist typischerweise schleichend.
Oft geben die Kinder keine Schmerzen an, sondern
zeigen eine Verhaltensänderung wie Schonhaltung
­
Abbildung 1: Schwellung perimalleolär bei Sprunggelenks­
arthritis rechts.
oder «Sich-tragen-lassen». Die Arthritis verläuft asymmetrisch; am häufigsten betroffen ist das Kniegelenk,
gefolgt vom Sprunggelenk und den kleinen Gelenken
der Hand. Über 50% der Kinder mit früh beginnender
Tabelle 2: Differentialdiagnose der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA).
Infektionen
Viren (Parvovirus B19, Hepatitis B + C, Röteln, EBV u.a.)
Bakterien
Lyme-Arthritis
Tuberkulose
Postinfektiös
Viral
Post-Streptokokken
Reaktiv (Shigellen, Salmonellen, Campylobacter u.a.)
Nicht entzündlich
Hypermobilität
Trauma
CRPS Typ I
Fremdkörper-Synovitis
Femoropatelläres Schmerzsyndrom
Osteochondrosis dissecans
Osteonekrosen
Epiphysiolysis capitis femoris
Hämatologisch
Sichelzellanämie
Hämophilie
Kollagnosen/Vaskulitiden
Onkologisch
Verschiedenes
juveniler Oligoarthritis sind ANA-positiv. Sie haben
ein höheres Risiko für eine Iridozyklitis und sollten
alle d
­ rei Monate vom Augenarzt untersucht werden.
Folgezustände sind Muskelatrophien, Gelenkfehlhaltungen und Wachstumsstörungen (Abb. 2). Therapeutisch werden vorwiegend nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und intraartikuläre Steroide eingesetzt. Bei
extendierendem Verlauf oder auch im Rahmen einer
Uveitis kann eine Basistherapie notwendig sein, vorzugsweise mit Methotrexat. Nach sechs bis zehn Jahren
beträgt die Remissionsrate 23–47%.
Systemische juvenile idiopathische Arthritis
Die systemische juvenile idiopathische Arthritis (sJIA)
ist eine systemisch-inflammatorische Erkrankung,
charakterisiert durch die Arthritis, aber auch systemische Symptome. Wichtigstes Merkmal ist zu Beginn
das sepsisähnliche, rekurrierende Fieber vergesellschaftet mit weiteren extraartikulären Organmanifes-
Systemischer Lupus erythematodes
tationen (Tab. 1/Abb. 3).
Juvenile Dermatomyositis
Bei etwa einem Drittel der Patienten besteht zu Beginn
Sklerodermie
nur eine Arthralgie. Die extraartikulären Manifesta­
Morbus Behçet
tionen können der Arthritis um Wochen oder Monate
Purpura Schönlein-Hennoch
vorausgehen. Jedes Gelenk kann betroffen sein. Hand-
Kawasaki-Syndrom
gelenke, Knie, Sprunggelenke sind besonders häufig
Neuroblastom
involviert, aber auch die Halswirbelsäule (HWS), Hüften
Leukämie
und das Temporomandibulargelenk.
Lokalisierter Knochentumor
Die sJIA kann unterschiedliche Verläufe zeigen: Bei
Immundefekte wie Wiskott-Aldrich-Syndrom,
Di-George-Syndrom u.a.
­einem Teil der Patienten verschwinden die Allgemein-
Sarkoidose
matik steht im Vordergrund, bei den anderen persistiert
Periodische Fiebersyndrom wie FMF, CAPS, MWS, PAPA
Abkürzungen: EBV = Epstein-Barr-Virus, CRPS = «complex regional pain syndrome»,
FMF = familiäres Mittelmeerfieber, CAPS = Cryoporin-assoziierte periodische Syndrome,
MWS = Muckle-Wells-Syndrom, PAPA = Pyogene Arthritis, Pyoderma gangraenosum, Akne
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):378–386
symptome nach einigen Monaten und die Gelenkprobledie systemisch-inflammatorischen Sym­ptomatik. Auch
die Prognose ist sehr variabel. Etwa die Hälfte der Pa­
tienten erholt sich vollständig, insbesondere diejenigen
381
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
mit einer oligoartikulären Form. Die anderen Fälle
münden bei chronisch-rezidivierender oder persistierender Entzündung in eine destruktive Polyarthritis.
Die sJIA unterscheidet sich von den anderen Subtypen
hinsichtlich Klinik, aber auch Immunpathologie. Bei
der sJIA geht man nicht von einer autoimmunen, sondern von einer autoinflammatorischen Erkrankung aus
[3]. Laborchemisch sind eine Leukozytose mit Neutrophilie, eine Thrombozytose und ein erhöhtes Ferritin
typisch, hingegen finden sich keine Autoantikörper.
Die Zytokinspiegel von IL-1, IL-6, GM-CSF und IL-18 sind
im Serum deutlich erhöht und korrelieren mit der
Krankheitsaktivität. IL-6 verhält sich nicht nur parallel
zum Fieberschub, sondern spielt auch eine Rolle in der
Ausbildung der mikrozytären Anämie und der Wachstumsstörung, die bei ungenügender Behandlung zu
Kleinwuchs führen kann (Abb. 4). TNF-α ist hingegen in
der Synovialflüssigkeit erhöht. TNF-α-Inhibitoren zeigen bei der sJIA ein schlechteres Ansprechen als bei den
übrigen Subgruppen [4]. Ein gutes Wirkungsprofil vor
allem hinsichtlich der systemischen Sym­ptome haben
die monoklonalen Antikörper gegen Il-1 und IL-6, die
als «second-line treatment» eingesetzt werden [5].
Patienten mit sJIA werden primär mit NSAR behandelt,
falls dies nicht ausreicht, werden Steroide (Prednisolon
1–2 mg/kg Körpergewicht/Tag) eingesetzt. Die weitere
Therapie richtet sich danach, ob die systemischen oder
artikulären Symptome im Vordergrund stehen.
Abbildung 2: M
uskelatrophien, Fussfehlstellung, Genua valga als Folge
der chronischen Arthritis.
Vor der Ära der Biotherapien war die Krankheit bei
­etlichen Patienten schwierig zu kontrollieren (Abb. 5).
Abbildungen 3A und B: E
xanthem und Gonarthritis rechts bei Erstmanifestation der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):378–386
382
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
charakterisiert durch eine unkontrollierte Aktivierung von T-Lymphozyten und Makrophagen sowie
massive Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen. Auslösende Faktoren können verschiedene Virusinfektionen oder Medikamente (Aspirin®, NSAR, Salazopyrin u.a.) sein. Die Hämophagozytose führt zu
einer Zytopenie. Gleichzeitig ist die massive Erhöhung
des Serumferritins auf Werte über 10 000 mg/ml verdächtig für ein MAS. Die definierenden Symptome
zeigt Tabelle 3. Neben einem rheumatischen Schub ist
das MAS differentialdiagnostisch von einer Sepsis abzugrenzen.
Polyarthritis
Die Rheumafaktor(RF)-positive Polyarthritis, die der
seropositiven Polyarthritis des Erwachsenen entAbbildung 4: R
olle von Interleukin 6.
spricht, ist der seltenste Subtyp der JIA. Sie tritt meist
bei adoleszenten Mädchen zwischen 12 und 16 Jahren
auf. Der Verlauf ist wie bei Erwachsenen charakterisiert durch einen progressiven Gelenkbefall, frühe radiologische Veränderungen und Deformitäten.
Die RF-negative Polyarthritis ist wesentlich häufiger
und kann sich während des ganzen Kindesalters manifestieren. Die Arthritis ist symmetrisch; grosse und
kleine Gelenke sind befallen, häufig mit einer Beteiligung der Flexorensehnen. Die HWS kann ebenfalls in
den Krankheitsprozess einbezogen sein, mit der Sym­
ptomatik einer Torticollis.
Insgesamt macht die Polyarthritis etwa 16% der JIA
aus. Ein Grossteil dieser Kinder braucht eine langjährige Medikation, therapiefreie Intervalle sind selten.
Die Behandlung der JIA wurde bisher gemäss einem
Stufenschema durchgeführt. Nach Beginn mit der
schwächsten Medikation erfolgte eine Therapieintensivierung über mehrere Monate. Heute wird bei Pa­
tienten mit hoher Krankheitsaktivität ein frühes ag-
Abbildung 5: 18-jähriger Patient mit systemischer juveniler idiopathischer Arthritis. Ankylose der Dornfortsätze im Bereich der Halswirbelsäule (A) und destruktive Polyarthritis (B).
gressives Therapiekonzept diskutiert mit Beginn einer
Kombinationstherapie von «disease modifying antirheumatic drugs» (DMARD), Biologika und Steroiden.
Jahrelange Steroidbehandlungen führten zu schweren
Es wurde mehrfach nachgewiesen, dass die Kombina-
­Nebenwirkungen, allen voran Kleinwuchs und Osteo-
tion eines Biologikums mit einem DMARD einer Mo-
porose.
notherapie überlegen ist. Bei einer frühen aggressiven
Die Ausbildung einer Amyloidose ist heutzutage auf-
Therapie kann bei der Mehrzahl der Patienten eine kli-
grund der verbesserten Therapiemodalitäten eine Rarität. Die sJIA weist aber weiterhin sowohl die höchste
Morbidität als auch Mortalität auf, unter anderem auf-
Tabelle 3: Symptome bei Makrophagenaktivierungssydrom.
grund der Komplikation eines Makrophagenaktivie-
Persistierendes Fieber
rungssyndroms.
Hepato-/Splenomegalie
Beteiligung des Zentralnervensystems
Makrophagenaktivierungssyndrom
Ferritin erhöht (>684 ng/ml)
Das Makrophagenaktivierungssyndroms (MAS) ist
Transaminasenanstieg
eine schwere, potentiell lebensbedrohliche Erkrankung,
Hypofibrinogenämie
die nicht selten schon zu Beginn der sJIA auftritt. Es ist
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):378–386
Zytopenie
383
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
nisch inaktive Erkrankung erreicht werden. Das ist
sein. Die Enthesitis kann die Plantarfaszie, die Achilles-
entscheidend, da es sich gezeigt hat, dass die Krank-
sehne oder weitere Sehnenansätze betreffen. Bei ca.
heitsaktivität in den ersten zwei Jahren der wichtigste
40% kann die Erkrankung während der Adolszenz weiter
Faktor für den weiteren Krankheitsverlauf ist.
fortschreiten und die Iliosakralgelenke (ISG) und/oder
die Gelenke der Wirbelsäule befallen. Obwohl die Ar­
Psoriasisarthritis
thritis mit Enthesitis bei Kindern charakterisiert ist
Die Prävalenz der Psoriasis im Kindesalter beträgt
durch einen grösseren Anteil an extraaxialen Sympto-
etwa 0,5%. Der Anteil der Kinder mit einer zusätzlichen
men, gehört diese Erkrankung in die Gruppe der Spon-
Arthritis muss als noch geringer eingestuft werden.
dylarthropathien. Etwa 70% sind HLA-B27-positiv. Eine
Mädchen sind auch hier etwas häufiger betroffen. Die
akute Iridozyklitis ist bei Kindern seltener.
Psoriasisarthritis (JPsA) kann aber unabhängig vom
Hautbefall bereits im Kleinkindesalter auftreten. In
Kiefergelenkarthritis
vielen Fällen geht die Arthritis der dermatologischen
Die Kiefergelenkarthritis wurde bereits von Still in
Symptomatik voraus. Die Klassifikationskriterien be-
­seiner ersten Fallserie von 1897 bei Kindern mit chroni-
inhalten die klinischen Zeichen einer Arthritis, Psoria-
scher Arthritis beschrieben. Die Problematik des «tem-
sis, Daktylitis und Nageltüpfelung sowie eine positive
poromandibular joint» (TMJ) wurde im Folgenden ver-
Familienanamnese bezüglich Psoriasis.
nachlässigt, vor allem weil es klinisch schwierig ist,
Bei der Psoriasisarthritis ist am häufigsten das Kniege-
eine entzündliche Aktivität zu erfassen. So konnten
lenk betroffen, aber es gibt auch eine eindeutige Prädi-
erst Langzeitschäden im Sinne einer Retrognathie auf-
lektion für die kleinen Gelenke. (Abb. 6). Eine Daktylitis
grund der mandibulären Wachstumsstörung festge-
mit Beteiligung der proximalen und distalen Interpha-
stellt werden. Da die Wachstumszone beim TMJ direkt
langealgelenke (PIP bzw. DIP), einer Tendinitis sowie
unterhalb des Gelenkknorpels liegt, ist das Risiko für
einer diffusen periartikulären Schwellung ist auch bei
eine Wachstumsstörung bei diesem Gelenk speziell
Kindern typisch. Die Psoriasisarthritis ist ebenfalls as-
hoch.
soziiert mit einer akuten Uveitis anterior. 30–60% der
Mit der MRT ist das Kiefergelenk besser beurteilbar
Patienten mit Psoriasisarthritis sind ANA-positiv. Die
­geworden – entzündliche Veränderungen können sicher
Behandlung richtet sich nach dem Gelenkbefall.
erfasst werden. Die MRT ist heute der Goldstandard zur
Diagnostik der Kiefergelenkarthritis. Die Inzidenz einer
Juvenile Arthritis mit Enthesitis
TMJ-Beteiligung bei JIA-Patienten liegt etwas bei 60%.
Die juvenile Arthritis mit Enthesitis beginnt als Oligo­
Folgen der länger andauernden Arthritis sind eine ein-
arthritis und tritt ab dem Schulalter auf. Typisch ist
geschränkte Kaufunktion, Malokklusion, Mikrognathie
eine entzündliche Aktivität an den unteren Extremitä-
bei beidseitigem Befall respektive Gesichtsasymmetrie
ten, auch die Hüfte kann bei dieser Gruppe involviert
bei einseitiger Verkürzung der Mandibulae.
Abbildung 6: P
soriasisarthritis.
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384
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
Uveitis
telbar nach Diagnose einer JIA ein Screening begonnen
Die Uveitis ist die häufigste extraartikuläre Manifesta-
werden. Damit und unter Ausschöpfung der aktuellen
tion der JIA. Das Risiko ist für die verschiedenen Unter-
Therapieoptionen lässt sich das Risiko für irreparable
gruppen unterschiedlich gross. Die Prävalenz ist hoch
Folgeschäden und die damit verbundene Minderung
bei jungen Kindern mit einer Oligoarthritis, insbeson-
der Lebensqualität deutlich senken, ist aber im Ver-
dere wenn sie ANA-positiv sind. Die Uveitis ist zu Beginn
gleich zu den Uveitisformen im Erwachsenenalter im-
oft schleichend mit chronischem Verlauf, definiert über
mer noch sehr gross. Um Komplikationen zu verhin-
eine Dauer von drei Monaten ohne zwischenzeitliche
dern, muss die intraokuläre Entzündung unbedingt
Remission. Symptome wie eine Rötung des Auges fehlen
beherrscht werden, denn selbst eine leichte residuelle
meist. Hinzu kommt, dass kleine Kinder entsprechende
Entzündung kann zu schweren intraokulären Kompli-
Symptome (Photophobie, Visusminderung) nicht als
kationen führen. Die kindliche Uveitis bedarf einer
solche wahrnehmen und artikulieren können. Die mit
spezialisierten Betreuung. Diese ist optimal, wenn sich
der JIA assoziierte chronische Uveitis anterior ist häu-
die verschiedenen Fachleute, bestehend aus behandeln-
fig bilateral (65–87%).
dem Kinderarzt, Augenarzt und Rheumatologen, ge-
Pathophysiologisch kommt es zu einer Aufhebung der
meinsam um das Kind kümmern.
Blut-Augen-Schranke, erkennbar an Zellen und Proteinen in der vorderen Augenkammer (Tyndall-Effekt), die
mittels Spaltlampenuntersuchung erfasst und quanti-
Grundsätze der Therapie
fiziert werden können (Abb. 7 und 8). Die Beurteilung
Obwohl wir bisher keine Medikamente besitzen, die
der Uveitis erfolgt derzeit in allen Uveitiszentren an-
JIA zu heilen, hat sich die Prognose durch die Fort-
hand der SUN-Kriterien («Standardization of Uveitis
schritte in der Behandlung unglaublich verbessert. Am
Nomenclature»).
wichtigsten war die Entwicklung der Biologika, die für
Die Folgen einer Uveitis können schwerwiegend sein:
Patienten mit ungenügendem Ansprechen auf die kon-
Bei ca. 20% der Patienten kommt es zu einer Sehbehin-
ventionellen Antirheumatika eine wertvolle Behand-
derung am betroffenen Auge aufgrund eines Kata-
lungsoption darstellen.
rakts, Glasköpertrübungen und Makulaveränderun-
NSAR waren lange der Hauptpfeiler in der Behandlung.
gen. Die Visusminderung kann sich auch auf den
Auch heutzutage haben sie ihre Bedeutung, häufig
Schulbesuch oder den Beruf auswirken. Der frühen
wird die Therapie mit einem NSAR gestartet. Es sind nur
Dia­gnose kommt deshalb eine herausragende Bedeu-
wenige Substanzen für das Kindesalter zugelassen: Na­
tung für die Langzeitprognose zu. Daher sollte unmit-
proxen, Ibuprofen, Indomethacin und Celecoxib. Sie
Abbildung 7: U
veitis anterior mit retrokornealen Präzipitaten.
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Abbildung 8: Spaltlampenuntersuchung (die Publikation erfolgt
mit dem Einverständnis der Eltern).
385
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
werden meist gut toleriert. Nebenwirkungen, vor allem
gelnder Zulassungsstudien eingeschränkter ist, stehen
gastrointestinal, sind seltener als bei Erwachsenen.
doch mehrere Biologika zur Verfügung (Tab. 4).
Nach Entdeckung des Kortisons 1949 wurden Steroide
Unter der immunsupressiven Therapie ist das Risiko
mit erheblichen Nebenwirkungen verabreicht. Ein erster
einer Infektion, insbesondere auch viraler Infektionen
wirklicher Fortschritt in der Behandlung kam mit dem
wie Varizellen, oder einer Reaktivierung einer Tuber-
Einsatz der steroidsparenden DMARD wie Methotre-
kulose erhöht. Das Risiko muss vor Therapiebeginn
xat, Azathioprin und Ciclosporin, die allerdings bei
sorgfältig mittels Anamnese (Exposition, Aufenthalts-
Kindern zunächst sehr zurückhaltend eingesetzt wur-
ort, Impfungen) und bestimmter Screeningtests evalu-
den. Methotrexat ist heute das weltweit am häufigsten
iert werden. Der Impfstatus sollte vervollständigt wer-
eingesetzte DMARD bei der Behandlung der JIA. Es
den. Dabei wird empfohlen, die Lebendimpfungen
wird bei allen Subgruppen eingesetzt und zeigt auch
mindestens vier Wochen vor Therapiebeginn zu verab-
einen guten Effekt auf die Uveitis. Die häufigsten Ne-
reichen. Die Grippeimpfung sollte jährlich durchge-
benwirkungen sind gastrointestinal mit Nausea und
führt werden [6].
Erbrechen, was gelegentlich einen Therapiewechsel be-
Ob TNF-α-Inhibitoren mit einem erhöhten Malignom­
dingt. Alternativ kann auf Leflunomid gewechselt wer-
risiko einhergehen, ist nicht geklärt. Eine 2013 veröf-
den. Das Hämatogramm und Leberwerte müssen bei
fentlichte Studie ergab bei mit Etanercept behandelten
beiden Medikamenten regelmässig kontrolliert wer-
Kindern eine höhere Inzidenz für Hodgkin-Lymphome
den.
verglichen mit der Allgemeinbevölkerung [7]. Die Inter-
Im Jahr 2000 wurde der erste TNF-α-Inhibitor Etaner-
pretation ist jedoch nicht eindeutig, da Patienten mit JIA
cept, ein vollständig humaner TNF-Inhibitor, als erstes
per se eine erhöhte Inzidenz für Malignome haben.
Biologikum für die Anwendung bei der juvenilen idio-
Die heute zu Verfügung stehenden Medikamenten er-
pathischen Polyarthritis zugelassen. Die durchgeführ-
lauben, als Ziel die vollständige Kontrolle der Krank-
ten Studien konnten aufzeigen, dass Etanercept die
heit zu definieren: «treat to target». Dabei wird thera-
­radiologische Progression der Gelenkzerstörung redu-
peutisch eine klinische Remission angestrebt, um
ziert, die Gelenkfunktion und Lebensqualität verbes-
Langzeitschäden zu verhindern sowie die körperliche
sert. Eine vollständige Remission konnte bei 50% der
und psychologische Integrität des Kindes zu erhalten.
Patienten erreicht werden. TNF-α-Inhibitoren haben
Hierfür brauchen die Patienten eine kontinuierliche
nicht nur im Gelenk einen antiinflammatorischen Ef-
Begleitung zur regelmässigen Erfassung der Krank-
fekt, sondern wirken auch systemisch, sodass auch
heitsaktivität und Monitorisierung der Therapie.
Symptome wie Müdigkeit verschwinden. TNF-αInhibitoren sind effektiver, wenn sie früh eingesetzt
und mit einem DMARD oder Prednison kombiniert
Prognose
werden.
Die Prognose der JIA hängt neben der Aktivitätsdauer
Die Palette an Antizytokinen ist in den letzten Jahren
auch von der Anzahl der betroffenen Gelenke sowie
kontinuierlich gewachsen und richtet sich neben TNF-
den extraartikulären Manifestationen ab.
α auch gegen Interleukine (IL-6, IL-12, IL-17, IL-23) sowie
Die JIA ist keine harmlose verlaufende Kinderkrank-
gegen die Rezeptoren IL-1α und IL-1β. Auch wenn das
heit, sie kann erhebliche Folgeerscheinungen mit sich
Spektrum der Biologika in der Pädiatrie aufgrund man-
bringen. Etwa 30% der Patienten weisen als junge Er-
Tabelle 4: Biologika, welche bei pädiatrisch-rheumatischen Erkrankungen in der Schweiz zugelassen sind.
Name
Wirkstoff
Target
Dosierung
Indikation
Enbrel®
Etanercept
TNF-α
0,8 mg/kg KG s.c wöchentlich
JIA, erweiterte Oligoarthritis
p
ab 2. LJ;
ERA, Psoriasis-Arthritis ab 12 J.
Humira®
Adalimumab
TNF-α
24 mg/m2, max. 40 mg s.c.
2-wöchentlich
pJIA ab 4 J.
Orencia®
Abatacept
CTLA4
10 mg/kg KG i.v., 4-wöchentlich
pJIA ab 6 J.
Actemra®
Tocilicumab
IL-6
8 mg/kg KG s.c., 4-wöchentlich
pJIA ab 2 J.
8 mg/kg KG (<30 kg) bzw. 12 mg/kg KG
(>30 kg) s.c., jeweils 2-wöchentlich
sJIA ab 2 J.
2–4 mg/kg KG s.c., 4-wöchentlich
sJIA ab 2. J.
Ilaris®
Canakinumab
IL-1
KG = Körpergewicht, LJ = Lebensjahr, pJIA = polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis,
sJIA = systemische juvenile idiopathische Arthritis, ERA = enthesitis-related arthritis
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):378–386
386
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
wachsene eine Funktionsminderung sowie artikuläre
der Fälle ins Erwachsenenalter übergeht. Entsprechend
Dr. med. Daniela Kaiser
oder extraartikuläre Folgeschäden auf. Ein gängiges
wichtig ist eine erfolgreiche Transition zum Erwachse-
Leitende Ärztin
Missverständnis ist, dass die kindliche Arthritis bis zur
nenrheumatologen mit einer lückenlosen und kompe-
Pubertät verschwindet. Langzeitstudien zeigen jedoch,
tenten Betreuung auch im Erwachsenenalter.
Korrespondenz:
Pädiatrie
Kinderspital Luzern
daniela.kaiser[at]luks.ch
dass je nach Subtyp die Erkrankung in mehr als 50%
Disclosure statement
Das Wichtigste für die Praxis
•Das Erkennen der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) basiert auf klinischen Befunden und wird durch wenige spezifische Laborbefunde und
radiologische Untersuchungen ergänzt. Ungezielte Laboruntersuchungen («Rheumablock») sind unnötig.
•Kindliches Rheuma muss hinsichtlich der Subform differenziert werden
in Bezug auf die spezifische Langzeittherapie, Prognose sowie Komplikationen.
•Die bessere Betreuung der Kinder mit JIA sowie die Behandlung bestehend aus länger etablierten Medikamenten kombiniert mit Biologika haben die Prognose erheblich verbessert. Aktuelle Studien belegen den
deutlichen Rückgang von Patienten mit schwerwiegenden langfristigen
Einschränkungen.
•Bei der Behandlung der JIA ist eine gute Zusammenarbeit mit den betreuenden Kinder- und Hausärzten wichtig, insbesondere beim Einsatz
immunsuppressiver Therapien. Sie sind zuständig für die Durchführung
der Impfungen und erste Anlaufstelle bei Infekten.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):378–386
Die Autorin hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Literatur
1 Still GF. On a form of chronic joint disease in children. Med Chir
Trans. 1897;80:47–60.9.
2 Francescato M, Cherkaoui A, Merlini L, Schrenzel J, Ceroni D.
Osteoartikuläre Kingella kingaella-Infektionen beim Kleinkind.
Pediatrica. 2011;22(2):7–8.
3 Mellins ED, Maaubas C, Grom AA. Pathogenesis of systemic
juvenile idiopathic arthritis: some answers, more questions.
Nat Rev Rheumatol. 2011;7: 416–26.
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etanercept treatment and reasons for discontinuation in a cohort
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systemic juvenile idiopathic arthritis: achievement of inactive
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7 Hooper M, Wenkert D, Bitman B et al. Malignancies in children
and young adults on etanercept: summary of cases from clinical
trials and post marketing reports. Pediatr Rheumatol Online J.
2013;11(1):35.
387
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
Altes und Neues
Kristallkrankheiten Teil 1: Gicht
Dr. med. Adrian Forster a und Dr. med. Andreas Krebs b
a
b
Rheumatologie und muskuloskelettale Rehabilitation, Kantonsspital Winterthur
Praxis für Rheumatologie, Kloten, und Klinik für Rheumatologie, UniversitätsSpital Zürich
v ie we
d
Peer
re
a r tic le
Die beiden Autoren haben zu gleichen Teilen zum Manuskript beigetragen.
Die Gicht gehört neben der Pyrophosphatablagerungserkrankung (auch Chondrokalzinose oder Pseudogicht, s. Teil 21) zu den häufigsten entzündlichen Gelenkerkrankungen. Die charakteristischen artikulären und periartikulären Entzündungsmanifestationen sind durch die Ablagerung von Harnsäurekristallen bedingt.
Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Die Gicht befällt fast 4% der Bevölkerung [1]. Voraussetzung für ihre Entstehung ist eine chronische Erhöhung
der Serumharnsäure [2, 3]. Die Risikofaktoren und assoziierten Erkrankungen der Gicht sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Wenn der Harnsäurespiegel die physiologische Löslichkeitsgrenze überschreitet, fallen intra- und peri­
artikulär Uratkristalle aus. Nach einer langen Phase
der asymptomatischen Hyperurikämie manifestiert
sich die Gicht typischerweise als akute Arthritis in1
«Kristallkrankheiten Teil 2:
Kalziumpyrophosphat-Abla-
folge einer heftigen entzündlichen Lokalreaktion mit
Kristallphagozytose [1].
gerungserkrankung» finden
Sie in dieser SMF-Ausgabe
auf S. 391.
Klinische Manifestationen
beginnt meistens an den unteren Extremitäten, am
häufigsten am Grosszehengrundgelenk (Podagra), gefolgt vom Knie- und Sprunggelenk. Das betroffene Gelenk ist stark geschwollen, gerötet und extrem schmerzhaft (Abb. 1). Eine Attacke kann von Fieber begleitet sein.
Auch Sehnenscheiden, Schleimbeutel und Weichteile
sind häufig betroffen. Die Entzündung greift in vielen
Fällen auf die Haut über, was ein Erysipel vortäuschen
kann. Der Gichtanfall dauert meist nur wenige Tage.
Im Verlauf werden die Intervalle zwischen den Attacken kürzer und die Anzahl befallener Gelenke nimmt
zu (Oligo- bis Polyarthritis). Im Alter und bei Frauen beginnt die Gicht weniger entzündlich und oft oligo- bis
polyartikulär. Häufiger sind dann auch die Gelenke der
Hände betroffen.
Akuter Gichtanfall
Tabelle 2: Provokationsfaktoren der Gicht.
Charakteristisch ist eine perakute Monoarthritis, die
Alkoholkonsum
nicht selten während der Nacht auftritt. Oft lassen sich
Purinreiche Mahlzeit
Provokationsfaktoren eruieren (Tab. 2) [1, 8]. Die Gicht
Fasten
Diabetische Ketoazidose
Tabelle 1: Risikofaktoren und assoziierte Erkrankungen
der Gicht [4–7].
Flüssigkeitsverlust (perioperativ, körperliche Anstrengung)
Stresssituationen, z.B. Unfall oder Infektion
Männliches Geschlecht
Genetische Faktoren (Familienanamnese)
Adrian Forster
Diätetische Gewohnheiten (z.B. hohe Fleischzufuhr)
Alkoholabusus (Bier am stärksten, Spirituosen mässig
assoziiert)
Adipositas
Arterielle Hypertonie
Diabetes mellitus
Hyperlipidämie
Hoher Zellturnover: Neoplasien, chronische Hämolyse,
Psoriasis
Andreas Krebs
Verminderte renale Harnsäureausscheidung:
– Niereninsuffizienz und diverse Nierenerkrankungen
– Herzinsuffizienz
– Medikamente, u.a. Diuretika, niedrigdosierte Acetylsalicylsäure, Ciclosporin und Tacrolimus [5, 7]
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):387–390
Abbildung 1: Podagra (Foto: Dr. U. Meierhofer, Zürich).
388
übersichtsartikel AIM
Abbildung 2: C
hronische destruierende tophöse Gicht.
Abbildung 3: Harnsäurekristalle unter dem Polarisations­
mikroskop (40-fache Vergrösserung).
Chronische und tophöse Gicht
siert. Charakteristisch sind knöcherne «overhanging
Die chronische Gicht tritt meistens nach einer Phase
edges».
rezidivierender akuter Arthritiden auf. Sie ist durch ei-
Arthrosonographisch gibt es bei der Gicht zwei Befunde
nen polyartikulären Befall mit nur geringen Entzün-
von hoher Spezifität: periartikuläre Tophi, die sich echo-
dungsmanifestationen gekennzeichnet und kann zu
reich darstellen, und das Doppelkontur-Zeichen durch
Gelenkdestruktionen führen (Abb. 2) [9].
Harnsäureablagerungen auf dem hyalinen Gelenkknor-
Tophi sind Harnsäurekristallablagerungen in den
pel (Abb. 4) [14].
Weichteilen und an Knochen. Durch die Haut hindurch
Die Dual-Energy-Computertompgraphie (DECT) kann
erscheinen sie als gelblich-weissliche Knötchen. Sie sind
Harnsäureablagerungen im Gewebe aufgrund ihres Ab-
hauptsächlich periartikulär an den Händen (Abb. 2) und
sorptionsverhaltens sichtbar machen. Auch klinisch
in den Schleimbeuteln (z.B. Olecranon) lokalisiert. Gele-
nicht fassbare Tophi werden detektiert und das Tophus-
gentlich entleert sich spontan weissliches breiiges Ma-
volumen lässt sich exakt quantifizieren [15–18].
terial.
Diagnose
Therapie des akuten Gichtanfalls
Intraartikulär injizierte Kortikosteroide wirken am
Labor
schnellsten und stärksten. Alternativ können kurzzei-
Die Diagnose einer Gicht lässt sich durch den Kristall-
tig systemische Steroide (z.B. Prednison 20–50 mg/d)
nachweis in der Synovialflüssigkeit oder im Tophusinhalt sichern [10, 11]. Die Harnsäurekristalle werden mit
dem Polarisationsmikroskop als stark doppelbrechende
feine Nadeln identifiziert (Abb. 3).
Die Serumharnsäure ist meistens erhöht (>420 μmol/l).
Eine alleinige Hyperurikämie bedeutet aber noch keine
Gicht und eine normale Serumharnsäure schliesst eine
solche nicht aus! Während der akuten Arthritis sinkt
die Serumharnsäure häufig vorübergehend in den
Normbereich ab [12, 13].
Radiologie
Auf konventionellen Röntgenaufnahmen zeigen sich
Knochen-Tophi als kleine ausgestanzte Läsionen oder
periartikuläre Zysten hauptsächlich an den Zehen- und
Fingergelenken (Abb. 2). Der umgebende Knochen
bleibt gut mineralisiert und der Tophusrand ist sklero-
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):387–390
Abbildung 4: H
ochausflösendes Ultraschallbild: Grosszehengrundgelenk dorsal längs mit Darstellung von hyperintensen
Uratdepots auf dem hyalinen Knorpel.
389
übersichtsartikel AIM
oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) – cave:
In erster Linie ist das Körpergewicht zu reduzieren
Niereninsuffizienz – gegeben werden [19–25]. Colchicin
durch eine langsame Gewichtsreduktion mittels Kalo-
eignet sich wegen seines langsameren Wirkungsein-
rienrestriktion und vermehrter körperlicher Aktivität.
tritts und seiner hohen Toxizität nur bedingt. Bei nor-
Fastenkuren sind ungeeignet, weil sie durch eine Ke-
maler Nierenfunktion wird mit 1 mg, gefolgt von
toazidose Anfälle provozieren.
0,5 mg nach einer Stunde begonnen; nach frühestens
Fleisch, Innereien und Meeresfrüchte enthalten viele
12 Stunden kann die Behandlung mit 2 × 0,5 mg/d fort-
Purine und sollten daher mit Zurückhaltung gegessen
gesetzt werden [21, 24, 26]. Eine bereits etablierte harn-
werden. Vermehrter Konsum von Milchprodukten
säuresenkende Therapie soll während einer Gichtatta-
senkt hingegen die Gichtinzidenz [30–31].
cke nicht unterbrochen werden [24].
Eine Trinkmenge von mindestens zwei Litern pro Tag
unterstützt die Ausscheidung der Harnsäure. Geeignet
Antiinflammatorische Prophylaxe
weiterer Gichtanfälle
sind zuckerlose, nicht alkoholische Getränke [32]. Bier
ist strikt zu meiden und auch auf Spirituosen sollte
möglichst verzichtet werden. Alkohol erhöht die Harn-
Während der ersten sechs bis zwölf Monate der harn-
säureproduktion und hemmt vor allem die Harnsäure-
säuresenkenden Therapie sind erneute Gichtschübe die
ausscheidung; Bier (auch alkoholfreies) enthält zudem
Regel [27]. Ihnen kann medikamentös vorgebeugt wer-
viele Purine. Regelmässiges Trinken von wenig Wein
den. Geeignet sind niedrigdosierte Steroide und/oder
ist hingegen akzeptabel. Kaffeekonsum vermindert die
NSAR (cave: Niereninsuffizienz) [28, 29]. Bei sehr zuver-
Gichtinzidenz [33].
lässigen Patienten kommt auch Colchicin (2 × 0,5 mg/d)
in Frage; bei Niereninsuffizienz ist dessen Dosis zu re-
Anpassung der Hypertonietherapie
duzieren [23, 24, 28, 29].
Die essenzielle arterielle Hypertonie per se und die Anwendung von Diuretika sind assoziiert mit Hyperurik-
Massnahmen zur Harnsäuresenkung
ämie und Gicht. Der AT1-Antagonist Losartan hingegen
vermag die Serumharnsäure durch einen urikosuri-
Diät
schen Effekt zu senken; Voraussetzung ist natürlich
Die Gichtdiät soll nicht nur die Serumharnsäure und
eine ausreichende Nierenfunktion [34, 35]. Generell ist
die Schubhäufigkeit senken, sondern auch das häufig
zu empfehlen, in der Hypertonietherapie, falls mög-
Dr. med. Adrian Forster
assoziierte metabolische Syndrom und das erhöhte
lich, auf Diuretika zu verzichten und bevorzugt Losar-
Chefarzt Rheumatologie
kardiovaskuläre Risiko angehen. Die traditionelle
tan einzusetzen [22].
Korrespondenz:
und muskuloskelettale
Rehabilitation
Kantonsspital Winterthur
Brauerstrasse 15
CH-8401 Winterthur
adrian.forster[at]ksw.ch
­purinarme Diät kann nicht mehr empfohlen werden.
Insbesondere erweist sich eine proteinreiche pflanzli-
Pharmakologische Harnsäuresenkung
che Kost trotz ihres hohen Puringehalts sogar als
Die Behandlungsindikationen sind in Tabelle 3 auf­
günstig.
gelistet. Das Therapieziel ist eine Serumharnsäure
<360 µmol/l. Ausnahme sind Patienten mit Tophi
(Abb. 2); bei ihnen wird eine Harnsäure <300 µmol/l
Tabelle 3: Indikationen für die Therapie der Hyperurikämie.
Mehrere Gichtanfälle pro Jahr
angezielt [1, 23, 24, 36].
Urikostatika
Chronische Gicht
Als Xanthinoxidase-Hemmer stehen Allopurinol und
Tophi
seit Kurzem Febuxostat zur Verfügung. Traditionell
Gicht bei Niereninsuffizienz
wurde für Allopurinol eine Dosierung von 300 mg/d
Rezidivierende Nephrolithiasis
empfohlen, und bei Niereninsuffizienz wurde diese gemäss der eGFR angepasst [37]. Der Serumharnsäureziel-
Tabelle 4: Vorschlag für die nierenadaptierte Anfangsdosierung von Allopurinol (nach [39]).
wert liess sich damit aber bei weniger als einem Drittel
der Patienten erreichen [38]. Heute werden niedrigere
Geschätzte GFR (ml/min/1,73m )
Anfangsdosierung
Anfangsdosierungen (Tab. 4) vorgeschlagen [39], gefolgt
>60
100 mg pro Tag
von einem langsamen Auftitrieren in kleinen Schritten
>45
alternierend 50 mg und 100 mg
(max. 100 mg/d) von 3–4 Wochen bis etwa 900 mg/d.
>30
50 mg pro Tag
Auch bei Niereninsuffizienz dürfen so 300 mg/d über-
>15
50 mg jeden zweiten Tag
schritten werden [40]. Neuere Studien zeigen, dass mit
>5
50 mg zweimal pro Woche
<5
50 mg pro Woche
dieser Strategie von «start low, go slow» das Risiko für
2
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):387–390
ein Allopurinol-Hypersensitivitätssyndrom minimiert
390
übersichtsartikel AIM
werden kann, auch wenn die Erhaltungsdosierung hö-
Kommt es zu einem Exanthem oder Fieber, muss Al-
her als früher empfohlen ist [39-41]. Zudem kann mit
lopurinol umgehend gestoppt werden (Patientenedu-
«start low, go slow» auch die Häufigkeit von Schubrezi-
kation). Es empfiehlt sich dann ein Wechsel auf Febu-
diven vermindert werden.
xostat.
Febuxostat wird mit 1 × 40 mg/d begonnen. Falls nö-
Tabelle 5: Prinzipien der Harnsäuresenkung.
tig, wird schrittweise auf 120 mg/d gesteigert. Bei
Nieren­insuffizienz ist keine Dosisanpassung erforder-
Allopurinol und Febuxostat sind die Harnsäuresenker erster Wahl.
lich. Mögliche Nebenwirkungen sind Diarrhoe, Kopf-
Therapieziel ist eine Serumharnsäure <360 µmol/l und bei Tophi <300 µmol/l.
schmerzen und Leberfunktionsstörungen [27].
Die Initialdosis von Allopurinol sollte nicht über 100 mg/d liegen (weniger bei Nieren­
insuffizienz), gefolgt von einer langsamen Aufwärtstitration bis zur erforderlichen
Erhaltungsdosis, welche 300 mg/d überschreiten darf (auch bei Niereninsuffizienz).
Grosse Vorsicht ist bei Anwendung von Azathioprin zusammen mit Allopurinol oder Febuxostat geboten; die
Febuxostat wird mit 40 mg/d begonnen und kann bis 120 mg/d gesteigert werden; bei
Nierenfunktionseinschränkungen sind keine Dosisanpassungen erforderlich.
Dosierungen letzterer sind dann stark zu reduzieren.
Für eine gute Adhärenz ist eine gründliche Patientenedukation unabdingbar [44].
Urikosurika
Bei ungenügender Wirkung von ausdosiertem Allopurinol oder Febuxostat darf
Probenecid hinzugegeben werden.
Probenecid ist das einzige in der Schweiz verfügbare
Urikosurikum. Für eine genügende Wirkung sollte die
eGFR über 50 liegen. Ausgehend von 2 × 250 mg/d wird
Das Wichtigste für die Praxis
•Eine Gicht ist bei jeder akuten Arthritis zu erwägen, nicht nur bei einem
Grosszehenbefall.
•Während eines Gichtschubs ist die Serumharnsäure oft normal.
•Die Diagnose lässt sich durch den Nachweis von Harnsäurekristallen im
Gelenkpunktat sichern.
•Die akute Arthritis urica wird am besten durch intraartikuläre Steroide
gelindert.
•Eine Hyperurikämie ohne klinische Gichtmanifestationen ist generell
keine Indikation für eine harnsäuresenkende Behandlung.
•Therapieziel ist eine Serumharnsäure von <360 µmol/l.
•Während der ersten Monate einer harnsäuresenkenden Therapie sind
Schubrezidive häufig; sie sprechen nicht gegen die Wirksamkeit der Behandlung.
•Zur Rezidivprophylaxe können niedrig dosierte Steroide, NSAR oder Colchicin (2 × 0,5 mg/d) eingesetzt werden.
•Für Allopurinol und Febuxostat gilt «start low, go slow». Dies reduziert
das Risiko für Schubrezidive und bei Allopurinol auch für ein Hypersensitivitätssyndrom.
•Allopurinol wird mit höchstens 100 mg/d begonnen (weniger bei Niereninsuffizienz!), gefolgt von einer langsamen Aufwärtstitration, welche
300 mg/d überschreiten darf.
•Febuxostat wird mit 40 mg/d begonnen und kann bis 120 mg/d gesteigert
werden. Eine Nierenfunktionseinschränkung erfordert keine Dosisan­
passung.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):387–390
nach Massgabe des Harnsäurespiegels langsam auf
max. 2 × 1500 mg/d gesteigert. Eine Nephrolithiasis ist
natürlich eine Kontraindikation [22–24]. Leicht urikos­
urisch wirken auch der AT1-Antagonist Losartan, der
Lipidsenker Fenofibrat und Vitamin C (über 500 mg/d)
[35, 42, 43].
Eine Übersicht über die Prinzipien der medikamen­
tösen Harnsäuresenkung gibt Tabelle 5.
Management der Komorbiditäten
Bei Gicht ist die kardiovaskuläre Sterblichkeit erhöht
[45], vor allem aufgrund der häufigen Komorbiditäten
(Tab. 1). Diese sind deswegen gezielt anzugehen [46].
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Empfohlene Literatur
Dalbeth N, Merriman TR, Stamp LK. Gout. Lancet 2016;388:2039–52.
Literatur
Die vollständige Literaturliste finden Sie in der Online-Version des
Artikels unter www.medicalforum.ch.
391
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
Altes und Neues
Kristallkrankheiten Teil 21: Kalziumpyrophosphat-Ablagerungserkrankung
Dr. med. Andreas Krebs a und Dr. med. Adrian Forster b
a
b
Praxis für Rheumatologie, Kloten, und Klinik für Rheumatologie, UniversitätsSpital Zürich
Rheumatologie und muskuloskelettale Rehabilitation, Kantonsspital Winterthur
v ie we
d
Peer
re
a r tic le
Die beiden Autoren haben zu gleichen Teilen zum Manuskript beigetragen.
Diese Form der Kristallarthropathie, auch Chondrokalzinose oder Pseudogicht
­genannt, entsteht durch Ablagerungen von Kalziumpyrophosphatkristallen in den
Gelenkknorpel. Ihre sehr unterschiedlichen klinischen Manifestationen haben ihr
auch den Übernamen «Chamäleon der Rheumatologie» eingebracht.
Einleitung
Die Ablagerung von Kalziumpyrophosphat(«calcium
pyrophosphate dihydrate», CPPD)-Kristallen, vor allem
im Knorpel, weniger im periartikulären Gewebe, kann
asymptomatisch bleiben oder aber zu verschiedenen
klinischen Manifestationen führen, die unter diesem
Titel zusammengefasst werden. Oft synonym verwendet
werden die Begriffe Chondrokalzinose (was aber eigent-
«Kristallkrankheiten
1
Teil 1: Gicht» finden Sie in
lich ein morphologischer Begriff respektive ein radiologischer oder sonographischer Befund ist, nämlich der
dieser SMF-Ausgabe auf
Nachweis von Knorpelverkalkungen) oder Pseudogicht
S. 387.
(was einer der verschiedenen klinischen Manifestationen entspricht) [1–3].
Epidemiologie
Die Ablagerung von CPPD-Kristallen nimmt mit dem
Alter zu, dementsprechend sind fast immer ältere
Menschen betroffen. Die Prävalenz von Knorpelverkalkungen im Röntgenbild beträgt im Alter von 70 Jahren
Durch die eingelagerten Kristalle kann es zu verschiedenen Krankheitsmanifestationen kommen: Werden
CPPD-Kristalle aus dem Knorpel ins Gelenk freigesetzt
(durch Abschilferung, was z.B. begünstigt werden
kann durch Traumen oder Infekte), kommt es analog
zu den Uratkristallen zu einer akuten Arthritis («Pseudogicht», Abb. 2) durch die Aktivierung von Phago­
zyten und Neutrophilen, die proinflammatorische
­Zytokine wie beispielsweise Interleukin-1 freisetzen. Es
kann auch zu einer subakuten oder chronisch verlaufenden Synovitis kommen, ähnlich einer rheuma­
toiden Arthritis. Andererseits führt die Einlagerung
dieser Kristalle zu einer Destruktion des Knorpels und
damit zu einer Sekundärarthrose, typischerweise auch
in Gelenken, die bei der «primären» Arthrose nicht betroffen sind [1–3].
Meistens ist keine Ursache ersichtlich (sogenannt idiopathisch). Es gibt aber auch genetisch determinierte
Formen (familiäre Chondrokalzinose – typischerweise
tritt hier die Erkrankung schon früher auf) sowie einige
ca. 15%, bei über 80-jährigen Menschen 50%. Betroffen
sind beide Geschlechter, die Frauen etwas häufiger.
Andreas Krebs
Wenn die Erkrankung bereits unter 50-jährig auftritt,
muss an eine sekundäre Form gedacht werden [1, 4].
Ätiologie und Pathogenese
1962 beschrieb McCarty erstmals die CPPD-Kristalle
in der Synovialflüssigkeit. Sie sind meist kleiner als
die Uratkristalle, von rhomboider Form und schwach
doppelbrechend unter dem Polarisationsmikroskop
(Abb. 1) [1–3].
Der Mechanismus der Ablagerung von CPPD-Kristallen
Adrian Forster
in der Knorpelmatrix ist komplex und multifaktoriell.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):391–394
Abbildung 1: CPPD-Kristalle unter dem Polarisationsmikro­
skop (40-fache Vergrösserung).
392
übersichtsartikel AIM
charakteristischen Knorpelverkalkungen im konventionellen Röntgenbild oder hochauflösenden Ultraschall,
welche die Wahrscheinlichkeit einer CPPD-Arthropathie
deutlich erhöhen, sie aber bei Fehlen nie ausschliessen.
Im Fall einer perakuten Monarthritis bei einem älteren
Menschen ist die klinische Diagnose oft naheliegend,
bei atypischer Präsentation (etwa «pseudorheumatoide
Arthritis» oder polymyalgisches Syndrom) dagegen
schwieriger [1].
Röntgen
Charakteristisch sind feine lineare oder gepunktete Verkalkungen im Faserknorpel (z.B. Meniskus, Symphyse,
Discus triangularis oder Labrum) oder hyalinen Knorpel. Prinzipiell kann jedes Gelenk betroffen sein; ein­
facher zu finden sind die Verkalkungen meist in den
Abbildung 2: A
kute Handgelenkarthritis bei CPPD-Kristallarthropathie.
grossen Gelenken wie Knie, Hüfte oder Schulter. Oft
findet man diese typischen Verkalkungen im Bereich
der Hände: im Discus triangularis (Abb. 3), in den intra-
metabolische oder endokrine Erkrankungen, die mit
carpalen Gelenken und dem 2. und 3. Metacarpopha­
der CPPD-Erkrankung assoziiert sind, wie Hämochro-
langeal(MCP)-Gelenk [1, 5].
matose, Hyperparathyreoidismus, Hypomagnesiämie
Neben den Knorpelverkalkungen («Chondrokalzinose»)
und Hypophosphatasie.
führt die Ablagerung der CPPD-Kristalle wie erwähnt
auch zu degenerativen Veränderungen (Sekundärarth-
Klinische Manifestationen
rosen). Typischerweise werden davon Gelenke betroffen,
die bei der primären (idiopathischen) Arthrose nicht
In vielen Fällen bleibt die Ablagerung von CPPD-Kris-
befallen sind wie z.B. Radiocarpalgelenk, Scapho-Tra-
tallen im Gelenkknorpel ohne Symptome.
pezo-Trapezoidal(STT)-Gelenk, MCP-Gelenke, Schulter-
Die klinischen Manifestationen (es sind meist die peri-
gelenk und Mittelfussgelenke. An anderen Gelenken
pheren Gelenke betroffen, aber auch die Wirbelsäule
unterscheidet sich das Bild von der «normalen» Ar­
kann involviert sein) umfassen ein grosses Spektrum
throse, z.B. kommt es beim Knie zu einer lateral (und
(Tab. 1) [1–3].
retropatellär) betonten Gonarthrose oder am Hüftgelenk zu einer konzentrischen Coxarthrose.
Tabelle 1: Klinische Manifestationen der Kalzium­
pyrophosphatablagerung.
Asymptomatisch (radiologische Kalzifikationen)
Sekundärarthrose
Ultraschall
Mit den modernen hochauflösenden Ultraschallsonden
können bei entsprechender Erfahrung oft die cha­
rakteristischen Verkalkungen innerhalb des hyalinen
Akute Arthritis («Pseudogicht»)
(hyperechogen-linear, parallel zur Knochenoberfläche)
Symmetrische chronische Polyarthritis («pseudorheumatoide
Arthritis»)
wiesen werden (Abb. 4) [6–8].
oder Faserknorpels (hyperechogene Punkte) nachge-
Polymyalgisches Syndrom
Wirbelsäulenbefall, z.B «crowned dens syndrom»
mit sog. «Pseudomeningitis»
Ergänzende Abklärungen (sekundäre CPPD)
Während meistens keine Ursache für die Kalzium­
pyrophosphatablagerung bekannt ist, gibt es verein-
Diagnose
zelte familiäre Formen, und selten besteht eine andere E
­ rkrankung, die zu einer (dann sogenannten
Labor
sekundären) CPPD führt. In diesen Fällen manifes-
Als Goldstandard gilt auch hier (wie bei der Gicht) der
tiert sich die Erkrankung aber oft schon früh, d.h. vor
mikroskopische Kristallnachweis in der Synovialflüs-
50-jährig, weshalb es hier empfehlenswert ist, ent-
sigkeit. Im klinischen Alltag stützt man die Diagnose
sprechend ­labormässig nach einer assoziierten endo-
aber häufig auch auf die typischen, oben bereits auf­
krinen oder metabolischen Grunderkrankung zu su-
geführten Manifestationen und den Nachweis von
chen (Tab. 2) [1, 3].
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):391–394
393
übersichtsartikel AIM
sollte grundsätzlich immer gedacht werden und die Indikation für ein Grampräparat respektive eine Kultur
grosszügig gestellt werden. Eine septische Arthritis
kann einen Schub einer CPPD-Arthritis provozieren
und dieser ist dann durch eine besonders hohe Dichte
an Kalziumpyrophosphatkristallen im Gelenkpunktat
gekennzeichnet.
Die zweite wichtige Differentialdiagnose stellt die Gicht
dar. Die definitive Unterscheidung erfolgt letztendlich
mit der Kristallanalyse im Gelenkpunktat; je nachdem
können das Gelenkbefallmuster, Röntgen- oder Ultraschallbefunde mithelfen. Es ist auch möglich, dass diese
beiden Erkrankungen einmal zusammen auftreten
können (Mischkristallarthropathie).
Abbildung 3: Röntgenbild des Patienten von Abb. 2 mit pathognomonischen Knorpelverkalkungen im Discus triangularis und scapholunär sowie typischer STT-Arthrose
(Scapho-Trapezo-Trapezoidal-Arthrose).
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der klinischen Manifestationsform. Falls es sich um eine sekundäre Chondrokalzinose handelt, wird empfohlen, die Grunderkrankung (z.B. Hämochromatose) adäquat zu behandeln,
auch wenn dies meistens nicht zu einem Verschwinden
der CPPD führt. Die Therapieempfehlungen basieren
hauptsächlich auf Expertenmeinungen – grosse randomisierte Studien fehlen [1, 2, 9, 10].
Asymptomatische Chondrokalzinose
Da keine ursächliche Behandlung existiert, ist bei
symptomlosen Patienten (i.d.R. radiologischer Zufallsbefund) keine Therapie indiziert (ausser für eine eventuell assoziierte metabolische Grunderkrankung).
Akute CPPD-Arthritis
Auch wenn die Entzündung in den meisten Fällen
Abbildung 4: H
ochauflösendes Ultraschallbild: Knie retropatellär quer mit Darstellung
von hyperintensen CPPD-Depots im hyalinen Knorpel.
Tabelle 2: Sekundäre Kalziumpyrophosphatablagerungen.
selbstlimitierend ist, wird man in aller Regel eine medikamentöse Behandlung indizieren. Für die Akut­
behandlung gelten dieselben Empfehlungen wie bei der
Gichtarthritis: Kälte, Ruhigstellung, Gelenkpunktion
und intraartikuläre Steroidinjektion (Triamcinolon
Hämochromatose
10–40 mg oder Betamethason 1,75–7 mg) – falls kein In-
Hyperparathyreoidismus
fekt vorliegt. Wenn eine Gelenkinfiltration nicht mög-
Hypomagnesiämie
lich oder kontraindiziert ist: adäquat dosierte nicht­
Hypophosphatasie
steroidale Antirheumatika (NSAR) peroral für einige
Tage (falls indiziert mit Magenschutz); alternativ Stero-
Differentialdiagnose
ide peroral (z.B. 20 mg Prednison über einige Tage)
oder Colchicin (3–4 × 0,5 mg/d am ersten Tag und da-
Akute Arthritis bei CPPD
nach 1–2 × 0,5 mg/d) [1, 10].
Bei einer perakuten Mono- oder Oligoarthritis mit
Bei wiederkehrenden akuten Entzündungen kann eine
starker Schwellung, Rötung und eventuell begleitenden
anfallsunterdrückende «Basisbehandlung» versucht
Allgemeinsymptomen sowie stark leukozytenreichem
werden mit Colchicin (1–2×0,5 mg/d) [11], allenfalls
Gelenkpunktat ist die wichtigste Differentialdiagnose
niedrigdosierter NSAR-Dauertherapie oder tiefdosierter
die septische Arthritis. An ein gleichzeitiges Auftreten
Steroiddauertherapie. Da bei der seltenen nephrogenen
einer CPPD-Arthritis und einer septischen Arthritis
Hypomagnesiämie (welche zu einer sekundären CPPD
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):391–394
394
übersichtsartikel AIM
führt) eine Magnesiumsubstitution zu einer Besserung
CPPD-induzierte sekundäre Arthrosen
Dr. med. Andreas Krebs
führt, wird auch bei der idiopathischen CPPD empfoh-
Hier gelten prinzipiell die gleichen Behandlungsemp-
Kalchengasse 7
len, allenfalls eine Magnesiumsupplementation zu
fehlungen wie für die idiopathischen Arthrosen. Im
versuchen [12].
Falle einer entzündlichen Aktivierung – welche häufi-
Korrespondenz:
CH-8302 Kloten
dr.andreas.krebs[at]
ger vorkommt als bei der primären Arthrose – ist eine
bluewin.ch
Symmetrische chronische Polyarthritis
(«pseudorheumatoide Arthritis»)
intraartikuläre Steroidinfiltration sinnvoll. Vorsicht ist
Neben NSAR, niedrigdosierten Steroiden und Colchicin
ronsäure, weil dies zu einer entzündlichen Aktivierung
(1–2 ×0,5 mg/d) wird der Versuch einer Basistherapie
führen kann [17].
geboten bei der intraartikulären Injektion von Hyalu-
mit Hydroxychloroquin oder Methotrexat empfohlen
[1, 13–16].
Verlauf/Prognose
Einzeln auftretende akute Arthritiden klingen üblicher-
Das Wichtigste für die Praxis
weise mit einer symptomatischen Behandlung voll-
•Die Einlagerung von Kalziumpyrophosphatkristallen im hyalinen und fa-
renden Arthritiden ist oft schwieriger, und auch das
serigen Knorpel nimmt im Laufe des Lebens zu. Die Ursache ist meistens
Hemmen des Fortschreitens einer durch die CPPD-Ver-
unbekannt. Bei Manifestationen vor 50-jährig müssen familiäre Formen
kalkungen ausgelösten Arthrose ist meist nicht mög-
oder zugrunde liegende Stoffwechselkrankheiten erwogen werden.
lich, da ja keine ursächliche Behandlungsmöglichkeit
•Die Knorpelverkalkungen können asymptomatisch bleiben oder zu ganz
ständig ab. Die Behandlung von chronisch-rezidivie-
bekannt ist [1, 10].
verschiedenen klinischen Manifestationen führen («Chamäleon der
Rheumatologie»). Häufig sind sekundäre Arthrosen, akute Arthritis
(«Pseudogicht»), seronegative Oligo- bis Polyarthritis und polymyalgisches Syndrom.
•Die Diagnose stützt sich auf das typische klinische Bild, die Knorpelverkalkungen und den Nachweis von CPPD-Kristallen im Gelenkpunktat.
•Die akute Arthritis muss differentialdiagnostisch von anderen Kristall­
arthritiden und einer septischen Arthritis abgegrenzt werden.
•Die Therapie ist symptomatisch und richtet sich nach der klinischen Manifestation.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):391–394
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Empfohlene Literatur
Rosenthal AK, Ryan LM. Calcium Pyrophosphate Deposition Disease.
N Engl J Med 2016;374:2575–84.
Literatur
Die vollständige Literaturliste finden Sie in der Online-Version
des ­A rtikels unter www.medicalforum.ch.
 
395
FALLBERICHT
Rare chez des sujets apparemment sain, mais pas à oublier
Infection ostéo-articulaire
à pneumocoque
Dr méd. Khadija Baccouche, Dr méd. Linda Mani, Dr méd. Monia Bouzaoueche, Dr méd. Safaa Belghali,
Dr méd. Najla Elamri, Prof. Dr méd. Hela Zeglaoui, Prof. Dr méd. Elyes Bouajina
Service de rhumatologie, Hôpital Farhat Hached, Sousse, Tunisie
v ie we
d
Peer
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a r tic le
Contexte Les infections ostéo-articulaires (IOA) à Streptococcus
pneumoniae sont rares chez les adultes sains. Dans la
plupart des cas, elles surviennent sur un terrain d’immunodépression ou de pathologie articulaire préexistante et peuvent mettre en jeu le pronostic fonctionnel
et vital. Nous rapportons un cas d’arthrite septique de
l’épaule à Streptococcus pneumoniae chez un sujet apparemment sain.
recherche du bacille de Koch [BK] dans les crachats et
les urines). La ponction de l’épaule avait ramené 20 ml
de liquide purulent (98% de polynucléaires neu­
trophiles altérées) dépourvu de microcristaux et dont
l’examen direct était négatif et la culture avait ob­
jectivé la présence de pneumocoque sensible à la pénicilline.
Diagnostic
Le diagnostic d’arthrite septique à pneumocoque était
retenu. Dans le cadre de recherche d’éventuelle locali­
Rapport de cas
sation secondaire et de porte d’entrée, l’échographie cardiaque transoesophagienne n’avait pas montré de signe
Anamnèse
d’endocardite, la radiographie des sinus de la face s’était
Un patient âgé de 78 ans, aux antécédents d’infarctus
révélée sans particularité, de même une aspiration
de myocarde il y a 10 ans, est hospitalisé pour arthrite
broncho-pulmonaire était négative. L’électrophorèse
subaiguë de l’épaule gauche. Deux mois avant son hos-
des protéines, le dosage pondéral des immunoglobu-
pitalisation était apparue brutalement, une douleur
lines et la sérologie HIV, faits à la recherche de pathologie
de l’épaule gauche très invalidante d’horaire inflam-
sous-jacente, étaient normaux.
matoire associée à une tuméfaction importante et une
impotence fonctionnelle avec notion de fièvre et de
Traitement et évolution
frisson.
Une antibiothérapie par amoxicilline intraveineux
(12 g/j) était débutée, poursuivie pendant quinze jours
Statut
avec immobilisation puis relais par voie orale à la dose
À son admission, le patient était apyrétique. L’examen
de 6 g/j pendant deux mois. L’évolution a été par la
a objectivé une épaule tuméfiée, chaude, limitée en
suite favorable avec diminution de la douleur, de la
­actif et en passif. Pas de souffle cardiaque ni de foyer
­tuméfaction et de la CRP mais persistance d’une légère
infectieux évident.
limitation de la mobilité articulaire ayant fait l’objet
d’une rééducation physique.
Résultats
Le bilan biologique avait révélé une élévation de la
protéine C réactive (54 mg/l) et de la vitesse de la sé­
Khadija Baccouche
Discussion dimentation (115 mm/h) sans hyperleucocytose asso-
Le Streptococcus pneumoniae est habituellement res-
ciée. Le bilan radiologique standard des deux épaules
ponsable d’infections ORL, broncho-pulmonaires ou
avait montré un pincement global gléno-huméral, une
méningées. Les localisations ostéo-articulaires sont
déminéralisation mouchetée, une érosion de la tête
moins classiques [1]. Selon les données de la littérature,
humérale, et une calcification intra- et péri-articulaire
ce germe n’est responsable que de 3 à 10% des IOA chez
de l’épaule gauche faisant suspecter une arthropathie
l’adulte. De même, pendant les trois dernières dé­
­métabolique. Par ailleurs, la radio du thorax était nor-
cennies le pneumocoque était responsable unique-
male, les hémocultures étaient négatives de même
ment de 29 cas parmi 1297 cas d’arthrite septique de
pour l’étude cytobactériologique des urines et le bilan
l’adulte [2–6]. Chez l’enfant de moins de 2 ans, la fré-
tuberculeux (intradermoréaction à la tuberculine et
quence s’é1ève à 12% [7].
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):395–396
396
Fallbericht
La contamination se fait principalement par voie hé-
bolique sous-jacente de type chondrocalcinose ou rhu-
Prof. Dr méd. Elyes Bouajina
matogène, justifiant la recherche d’un foyer infectieux
matisme a hydroxyapatite.
Service de rhumatologie
primitif (pneumopathie, sinusite, endocardite), bien
Néanmoins, les infections ostéo-articulaires à pneu-
qu’une localisation extra-articulaire du germe ne soit
mocoque ont la particularité de survenir dans moins
objectivée que dans 40 à 60% des cas [2, 3, 8, 9]. Ces in-
de 20% des cas chez des adultes apparemment sains ou
fections sont fréquemment bactériémiques avec des
être révélatrices d’une pathologie sous-jacente [14]. Cette
hémocultures positives dans plus de 70% des cas [2–4].
constatation souligne l’importance de la recherche
Au cours des septicémies à pneumocoques, les localisa-
d’une maladie sous-jacente lors d’une infection articu-
tions septiques préférentielles sont pulmonaires puis
laire à pneumocoque qui, sans facteur favorisant connu
méningées et enfin endocardiques alors que l’atteinte
doit conduire à la réalisation d’une électrophorèse des
articulaire est exceptionnelle [10, 11] et est pluri-arti­
protéines plasmatiques, d’un dosage quantificatif des
culaire dans 30% des cas [2, 3].
immunoglobulines et d’une sérologie VIH.
Tous les auteurs s’accordent à définir chez l’adulte un
Toutefois, notre observation illustre le fait que des su-
terrain particulier favorisant de ce type d’infection. En
jets apparemment sans facteur prédisposant peuvent
effet, 85% des patients rapportés avaient un facteur
développer une IOA à pneumocoque. D’autres facteurs
favorisant sous-jacent, ces facteurs étaient banaux
­
de risque restent probablement à découvrir et selon les
dans la majorité des cas. Ainsi, l’arthrite à pneumo-
auteurs les sujets âgés, même en bonne santé apparente,
coques est l’apanage des vieillards, des alcooliques et
sont plus sensibles aux infections à pneumocoque et
des immunodéprimés (par hémopathies en particulier
que celles-ci sont plus graves. L’âge avancé constitue
myélome dans 3 à 6% des cas, cancers, diabète, splénec-
donc une indication théorique au traitement prophy-
tomie, t­ oxicomanie, insuffisance respiratoire, drépano-
lactique par antibiothérapie ou vaccination. Il est d’ail-
cytose, corticothérapie et infection VIH) [4, 7, 8, 12, 13].
leurs, récemment recommandé pour les adultes im-
Ces facteurs de risque doivent être systématiquement
munocompétents et âgés de 65 ans ou plus de recevoir
recherchés, notamment en cas d’infection grave ou
un vaccin conjugué anti-pneumococcique 13-valents
­récidivante.
(PCV13) suivi par vaccin anti-pneumococcique poly-
Par ailleurs, certains facteurs locaux, et notamment
saccharide 23-valents (PPSV23) au moins 1 an après. Il
une pathologie articulaire préexistante, peuvent favo-
est recommandé de recevoir 1 dose de PCV13 et 1, 2, ou
riser la survenue d’une arthrite septique dont la poly­
3 doses de PPSV23 selon l’indication. Lorsque 2 doses
arthrite rhumatoïde figure au premier plan, aussi la
ou plus de PPSV23 sont indiquées, l’intervalle entre les
goutte, la chondrocalcinose, le lupus érythémateux
doses de PPSV23 devrait être au moins 5 ans [15].
disséminé, les prothèses et les infiltrations locales.
Chez notre patient apparemment sans facteur de risque,
En conclusion, le terrain d’immunosuppression pour
un Streptococcus pneumoniae est banal et commun et
la présence de calcification articulaire à la radiographie
pas l’apanage d’une immunosuppression majeure médi-
Correspondance:
Hôpital Farhat Hached
Rue Ibn Eljazzar
TN-4000 Sousse
elyes.bouajina[at]rns.tn
standard pourrait cadrer avec une arthropathie méta-
camenteuse ou post-chimiothérapie. Ainsi, le Streptococcus pneumoniae doit être évoqué, même en l’absence
des facteurs favorisants classiquement associés, devant
toute infection ostéo-articulaire survenant chez les
L’essentiel pour la pratique
­sujets apparemment sains ou ayant un terrain d’im-
• Les infections ostéo-ariculaires à pneumocoque doivent être évoquées
thie préexistante, etc.).
devant des arthrites chez des sujets apparemment sains ou ayant des
facteurs de risque banaux (âge >65 ans, arthropathie sous-jacente …).
• Chez ces sujets, une vaccination ou une antibioprophylaxie anti-pneumocoque peuvent être proposées.
• La vaccination repose sur l’administration du vaccin conjugué 13 valents
suivi par vaccin anti-pneumococcique polysaccharide 23-valents (PPSV23)
au moins 1 an après.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(17):395–396
munodépression banal (vieillards, diabète, arthropa-
Disclosure statement
Les auteurs n’ont pas déclaré des obligations financières ou
­personnelles en rapport avec l’article soumis.
Références
La liste complète des références est disponible dans la version
en ligne de l’article sur www.medicalforum.ch.
 
 
 
 
 
 
 
 
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