EU Top Thema: Finanz- und Wirtschaftskrise PDF

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DIE FINANZ- UND
WIRTSCHAFTSKRISE
Zahlungsbilanzhilfe, EU-Krisenmechanismen
für die Eurozone und Finanzmarktregulierung
April 2017
INHALT
1.
Einleitung ......................................................................................... 3
1.1.
Immobilien- und Bankenkrise in den USA....................................................................... 3
1.2.
Osteuropa: Rezession und Zahlungsbilanzhilfe ................................................................ 4
1.3.
Staaten- und Schuldenkrise im Euroraum ...................................................................... 4
1.4.
Erstes Griechenland-Hilfspaket .................................................................................. 5
1.5.
Temporärer Euro-Schutzschirm EFSM und EFSF ............................................................... 6
1.6.
Dauerhafter Euro-Schutzschirm (ESM) - seit Oktober 2012 .................................................. 9
1.7.
Unterstützende Massnahmen der Europäischen Zentralbank .............................................. 13
2.
Länder und ihre Krisen ....................................................................... 14
2.1.
Griechenland ..................................................................................................... 14
2.2.
Irland .............................................................................................................. 19
2.3.
Portugal ........................................................................................................... 20
2.4.
Spanien ............................................................................................................ 21
2.5.
Zypern ............................................................................................................. 22
2.6.
Italien – ein weiteres Sorgenkind der Eurozone? ............................................................ 23
3.
Regulatorisches Umfeld ...................................................................... 24
3.1.
Wirtschaftspolitische Steuerung der EU ...................................................................... 24
3.2.
Die Strategie EU-2020 und das Europäische Semester ...................................................... 26
3.3.
Europäischer Finanzaufsichtsrahmen ......................................................................... 28
3.4.
Errichtung der Bankenunion .................................................................................... 29
3.5.
Banken-/Versicherungsstresstests ............................................................................. 29
3.6.
Bankenabgabe .................................................................................................... 30
4.
Fragen und Antworten ........................................................................ 32
4.1.
Warum wurde Griechenland überhaupt in die Währungsunion aufgenommen? ......................... 32
4.2.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Griechenland das Geld nicht zurückzahlen kann? ..................... 32
4.3.
Warum wurde Griechenland nicht in den Staatsbankrott geschickt? ..................................... 32
4.4.
Warum soll der österr. Steuerzahler für andere Euro-Länder wie Griechenland einspringen? ........ 33
4.5.
Was passiert, wenn der Euro an Wert verliert? .............................................................. 33
4.6.
Was würde passieren wenn ein Land aus dem Euro-Raum austreten würde? Welche Konsequenzen
hätte eine Teilung des Euro-Raums („Nord-Euro“ – „Süd-Euro“)?......................................... 33
4.7.
Welche Folgen hätte es, wenn Österreich den Schilling wieder einführen würde? ..................... 34
4.8.
Wie hat Österreich vom Euro profitiert? ...................................................................... 35
4.9.
Wie wäre es uns in den letzten Jahren mit dem Schilling ergangen? ..................................... 36
4.10.
Wie geht es der Schweiz mit ihrem „harten“ Franken? .................................................... 37
4.11.
Ist der Austritt aus der Euro-Zone überhaupt rechtlich möglich? ......................................... 37
Anhang: Informationslinks rund um die EU und die aktuelle Wirtschafts- und
Währungssituation ..................................................................................... 38
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1. EINLEITUNG
Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2007 in den USA ihren Ausgang nahm, hat auch vor den
Toren Europas nicht haltgemacht und mit voller Wucht die EU-Mitgliedstaaten erfasst. Nach einer Talfahrt an
den Börsen, Kreditverknappung und fallenden Immobilienpreisen führte die Krise zu einem dramatischen
Rückgang der Wirtschaftsleistung, zu höheren Staatsausgaben, die wiederum zu einer hohen Verschuldung
vieler EU-Mitgliedstaaten und schlussendlich 2010 zu einer Destabilisierung des Vertrauens in einzelne
Euroländer.
Ohne den schützenden Schirm der EU und insbesondere der Währungsunion wären die einzelnen
Mitgliedstaaten wohl nicht mit einem blauen Auge davongekommen. Europa hat sich zwar langsam von der
Krise erholt, aber die Staatsschulden sind in einzelnen EU-Staaten bedrohlich angestiegen. Die ins Wanken
geratenen Staaten zeigen ihren Willen, die teils sehr drastischen Reformen auch tatsächlich umzusetzen; die
Schulden abzubauen erweist sich aber als große Herausforderung.
Das folgende Top-Thema versucht einen Überblick über die wichtigsten Maßnahmen zur Stabilisierung der
Euro-Mitgliedstaaten und der gemeinsamen Währung zu geben.
1.1.
IMMOBILIEN- UND BANKENKRISE IN DEN USA
Die ursprünglich vom US-Immobilienmarkt ausgehende Immobilienkrise (Subprime Krise) wurde vor allem durch
gestiegene Zinsen ausgelöst. Viele US-Hausbesitzer konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen und mussten
verkaufen oder zwangsversteigern. Der Häusermarkt brach ein; die mit Immobilien besicherten Kredite
konnten nicht zurückbezahlt werden; die abgeleiteten Finanzprodukte verloren an Wert. Die Finanzkrise
brachte einen Vertrauensverlust in den gesamten Finanzmarkt mit sich. Viele Banken und Fonds blieben auf
ihren Produkten sitzen und mussten ihre Wertpapiere abschreiben, da die Anleger nicht mehr investierten und
auch die Banken sich gegenseitig nicht mehr vertrauten. Aufgrund der Vertrauenskrise wurde dem Markt kein
frisches Geld mehr zugeführt. Höhepunkt war der Zusammenbruch der US-Bank Lehmann Brothers im
September 2008.
Von Amerika ausgehend gerieten weltweit zahlreiche Finanzinstitute, aber auch Staaten in Schwierigkeiten
(z.B. Island musste vom IWF vor der Staatspleite gerettet werden); einige standen vor dem Zusammenbruch.
Viele Regierungen, auch Österreich, mussten ihre nationalen Institute stützen und Schutzschirme aufspannen.
Die meisten Banken konnten schlussendlich durch Garantiezusagen und Kapitalzuschüsse gerettet werden. Die
Folge war aber, dass sich das Vertrauen in die Finanzmärkte und den Bankensektor weiter abschwächte. Bis
heute konnte man sich von der Krise nicht vollständig erholen.
Wirtschaftskrise
Auch die Preise auf den Rohstoff- und Energiemärkten gingen stark zurück, Banken zögerten bei der
Kreditvergabe. Gleichzeitig kam es zu einem Einbruch der Realwirtschaft. Die Finanzkrise führte schließlich
zur größten globalen Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg. Viele große Volkswirtschaften rutschten in die
Rezession, Aktienmärkte brachen ein.
In Europa manifestierte sich die Krise zum einen in manchen Ländern als Immobilienkrise mit stark sinkenden
Immobilienpreisen (Großbritannien, Spanien, Portugal). Zum anderen mussten beinahe alle europäischen
Länder ihren Finanzinstituten und Versicherungen nach hohen Verlusten oder Insolvenzgefahr unter die Arme
greifen. Exportorientierte Länder wie Österreich mussten enorme Exportrückgänge (2009 rund minus 20%!)
hinnehmen. In der Industrie kam es zu Absatzeinbrüchen von bis zu 20% im EU-Durchschnitt. Damit stieg auch
die Arbeitslosigkeit in der EU 2009 auf 23 Mio. an, danach leider noch weiter.
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1.2.
OSTEUROPA: REZESSION UND ZAHLUNGSBILANZHILFE
Besonders hart getroffen hat die Wirtschafts- und Finanzkrise Osteuropa. Begünstigt durch einen
umfangreichen Liberalisierungs- und Deregulierungsprozess entwickelten sich in einigen osteuropäischen
Ländern spekulative Blasen. Zusätzlich haben die hohe Abhängigkeit von Fremdwährungskrediten (besonders
im Privatsektor), der dramatische wirtschaftliche Abschwung und der massive Rückgang an ausländischen
Direktinvestitionen die Situation in Osteuropa weiter verschärft.
Hinzu kommt, dass einige westeuropäische Banken ihr Geld aus Osteuropa abzogen. Die osteuropäische
Zahlungsbilanzkrise zwang einige Länder zur Abwertung ihrer Währungen, mit der sich in der Folge die reale
Last der Auslandsverschuldung erhöhte. Obwohl die meisten Länder nicht Teil der Währungsunion sind,
betreffen die dortigen Zahlungsbilanzschwierigkeiten auch den Euroraum. Die geschwächten Euroaspiranten
mussten daher mit Rettungsaktionen gestützt werden. Ungarn suchte als erstes Land IWF, Weltbank und EU um
Unterstützung an. Lettland und Rumänien folgten.
Generell waren jene osteuropäischen Länder, die ihre Währung fix an den Euro gebunden haben, stärker von
der Krise betroffen. So konnten sich etwa Polen oder Tschechien mit Währungsabwertungen zu mindestens
vorübergehende Verschnaufpausen verschaffen. Polen schaffte es durch eine starke Binnenkonjunktur selbst
im Krisenjahr 2009 ein positives Wirtschaftswachstum zu erzielen - als einziges der damals 27 EUMitgliedstaaten!
Die
EU-Staats-
und
Regierungschefs
beschlossen,
den
angeschlagenen
neuen
EU-Mitgliedstaaten
Zahlungsbilanzhilfen zur Verfügung zu stellen. Im Zeitraum zwischen 2008 und 2009 wurde die
Zahlungsbilanzhilfe sogar von ursprünglich 12 Mrd. Euro zuerst auf 25 Mrd. Euro und später auf 50 Mrd. Euro
vervierfacht. In Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der EUKommission wurden Hilfspakete für geschwächte EU-Mitgliedstaaten erarbeitet.
Die Zahlungsbilanzhilfen kommen nicht direkt aus dem EU-Budget, sondern sind Gelder, die von der EU auf den
Kapitalmärkten zu günstigen Konditionen aufgenommen und über die Europäische Investitionsbank ausbezahlt
werden. Es handelt sich dabei um Darlehen zur Finanzierung des Zahlungsbilanzdefizites. Bezugsberechtigt
sind alle zehn Nicht-Euro-Länder der EU, da diese wesentlich stärker gegen Währungsspekulationen zu
kämpfen haben.
Besonders aus österreichischer Sicht war die Zahlungsbilanzhilfe für Osteuropa von großer Wichtigkeit.
Österreichische Banken waren mit insgesamt 300 Mrd. Euro in Osteuropa engagiert. Viele heimische
Unternehmer haben in die Region investiert. Und Österreichs Außenhandel ist unter den EU 15 am stärksten in
der Region Osteuropa vertreten.
Aufgrund des hohen Kreditvolumens österreichischer Banken in Osteuropa sprach ein US-Nobelpreisträger im
April 2009 von einem drohenden Staatsbankrott Österreichs. Der Effekt waren stark steigende (Versicherungs-)
Zinsen für österreichische Staatsanleihen. Erst durch die Ausweitung der Zahlungsbilanzhilfe der EU sanken die
Zinsen wieder auf „Normalniveau“. Die EU-Maßnahme bzw. generell die Mitgliedschaft in der Eurozone
ersparte Österreich hohe Zinsen und Refinanzierungskosten von jährlich rund 1 Mrd. Euro! (siehe auch Punkt
4.8).
1.3.
STAATEN- UND SCHULDENKRISE IM EURORAUM
Nachdem die starke Verschuldung in Verbindung mit zu wenig Kapital zunächst die Banken und dann ganze
Volkswirtschaften in die Krise gebracht hat, kamen schlussendlich die Staaten selbst ins Wanken. Einige
Staaten haben jahrzehntelang über ihre Verhältnisse gelebt. Es wurde viel mehr Geld ausgegeben als
eingenommen und die Schulden stiegen somit stetig an. Im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise
explodierten aufgrund von Konjunktur- und Bankenrettungspaketen, sinkenden Steuereinnahmen und
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steigenden Sozialausgaben die Schulden. In einigen Ländern wurden damit die Zinslasten bedrohlich für die
weiteren Wachstumsaussichten. Durch die zusätzlichen Kosten, die die Krise verursachte, stellte sich immer
mehr die Frage, ob die Staaten ihre Schuldenlasten überhaupt schultern können. Island und die Ukraine als
auch die EU-Mitgliedstaaten Lettland, Ungarn und Rumänien mussten durch bilaterale Hilfe und Kredite durch
den IWF oder durch die EU-Zahlungsbilanzhilfe aufgefangen werden.
1.4.
ERSTES GRIECHENLAND-HILFSPAKET
Als erstes Euroland musste sich Griechenland geschlagen geben. Nachdem die Zinsen für zehnjährige
griechische Staatsanleihen im April 2010 auf über 8,5% angestiegen waren, musste die griechische Regierung
vor dem Druck der Finanzmärkte kapitulieren und um ausländische Finanzhilfe ersuchen - mit dem Ziel, eine
Staatsinsolvenz abzuwenden.
Die Finanzminister der Eurozone erklärten sich zu Finanzhilfen für das hoch verschuldete Griechenland bereit
und einigten sich schließlich am 2. Mai 2010 auf ein 110 Mrd. Euro schweres erstes Hilfspaket. Von dem
Darlehensrahmen, der dem Land für die folgenden drei Jahre gewährt wurde, entfallen 80 Mrd. Euro auf
bilaterale Kredite der Euro-Staaten und 30 Mrd. Euro auf den IWF. (Wegen Nichtbeteiligung der Slowakei und
späterem Wegfall von Zahlungen der unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpften Länder Irland und Portugal
hat sich das Hilfspaket um 2,7 Mrd. auf 107,3 Mrd. Euro nachträglich verringert.)
Die Lastenteilung unter den Euro-Partnern erfolgt gemäß dem Kapitalschlüssel der Europäischen Zentralbank
(EZB). Die Beiträge sind kein Geschenk an die Republik Griechenland, sondern (Not-) Kredite, die bei einer
Laufzeit von bis zu fünf Jahren mit etwa 4,5% variabel verzinst wurden. (Im Rahmen des zweiten
Griechenland-Rettungspakets wurde die Verzinsung für bereits gewährte Hilfskredite jedoch auf 1,5
Prozentpunkte oberhalb des Euribor gesenkt.) Das Darlehen wurde und wird - je nach Fortschritt der
Umsetzung der Sparmaßnahmen und Reformen in Griechenland – in Tranchen ausbezahlt. Bis Anfang 2012
wurden in sechs Tranchen 73 Mrd. Euro an Athen aus diesem Paket ausbezahlt (52,9 Mrd. von Eurozone und
20,1 Mrd. vom IWF). Damit würden noch 34,4 Mrd. Euro übrigbleiben (24,4 Mrd. Eurozone und knapp 10 Mrd.
vom IWF).
Die Bereitstellung der Kredithilfen ist an strikte Bedingungen geknüpft, Rückzahlung und Verzinsung müssen
unter Einhaltung harter Auflagen gewährleistet werden. Nur bei Erfüllung sämtlicher Auflagen werden die
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zugesagten Mittel auch tatsächlich ausbezahlt. Die Umsetzung des griechischen Sparprogramms wird von der
Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem IWF (sog. „Troika“) überprüft.
Der österreichische Beitrag an bilateralen Krediten beträgt maximal 2,29 Mrd. Euro. Gesetzliche Grundlage für
die Auszahlung des Geldes in Österreich ist das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, dem der Nationalrat am 20.
Mai 2010 zustimmte. Tatsächlich hat Griechenland von Österreich rund 1,5557 Mrd. Euro an bilateralen
Darlehen erhalten.
Weil aber diese Hilfsgelder nicht die erwünschte Beruhigung an den Finanzmärkten herbeiführten und noch
andere Staaten des Euroraumes von ihren wirtschaftlichen Kennzahlen her im Verdacht standen, bald
Finanzhilfe in Anspruch nehmen zu müssen, wurde nach einer weitergehenden Lösung für den gesamten
Euroraum gesucht.
1.5.
TEMPORÄRER EURO-SCHUTZSCHIRM EFSM UND EFSF
Der Kurs der europäischen Gemeinschaftswährung und die Börsen in Europa gerieten im Zuge der griechischen
Schuldenkrise zunehmend unter Druck. Nach einem Kursverfall des Euro gegenüber dem Dollar im Frühjahr
2010 um 20% wurde die Stabilisierung des Euro zum vordringlichen Anliegen. Der Euro erreichte zeitweise ein
Tief von 1,19 US-Dollar, was allerdings immer noch in der Mitte zwischen dem Rekordtief von 0,89 und dem
Rekordhoch von rund 1,60 im Jahr 2008 liegt.
Die große Herausforderung war es daher, das Vertrauen in Europa und den europäischen Finanzmarkt wieder
zu stärken. Bei einem Krisengipfel der EU-Finanzminister gemeinsam mit EU-Kommission und Vertretern der
EZB am 9. Mai 2010 konnte eine Einigung auf ein insgesamt 750 Mrd. Euro umfassendes Rettungspaket für
den Euroraum erzielt werden. Der Großteil des Geldes wurde in Form von Garantien zur Verfügung gestellt.
Das Rettungspaket diente vor allem dazu, die Märkte zu beruhigen und Spekulationen auf den Staatsbankrott
von EU-Mitgliedsländern entgegenzusteuern.
Der IWF stellte 250 Mrd. Euro und die EU 500 Mrd. Euro für den Notfalltopf zur Verfügung. Konkret kamen 60
Mrd. Euro, die sofort verfügbar waren, aus dem EU-Gemeinschaftsbudget und wurden von der EU-Kommission
verwaltet (EFSM, „European Financial Stabilisation Mechanism“). Hier beteiligten sich alle 27 EUMitgliedstaaten. Zur Mittelbeschaffung begab die EU-Kommission Anleihen, die mit dem EU-Haushalt besichert
sind.
EU-Stabilitätsmechanismus EFSM (aus dem EU-Budget)
EU-Stabilitätsfazilität EFSF (bilaterale Garantien)
IWF-Programme
Temporärer EU/IWF-Rettungsschirm GESAMT
60 Mrd. €
440 Mrd. €
250 Mrd. €
750 Mrd. €
Bis Anfang 2012 hat der EFSM 15,6 Mrd. Euro an Portugal und 15,4 Mrd. Euro an Irland ausbezahlt, insgesamt
31 Mrd. Euro. Die gesamten Verpflichtungen belaufen sich auf 26 Mrd. für Portugal und 22,5 Mrd. für Irland gesamt 48,5 Mrd. Euro. Ausgehend von den Verpflichtungen verbleiben im EFSM damit 11,5 Mrd. Euro. Der
EFSM gilt nicht nur für die 17 Euro-Länder, sondern kann allen EU-Staaten in Schwierigkeiten helfen.
Die „European Financial Stability Facility, EFSF“ ist eine von den damals 17 Eurostaaten als Gesellschafter
gegründete Zweckgesellschaft nach Luxemburger Recht, die bis zu 440 Mrd. Euro bereitstellen kann. Die EFSF
ist bewusst keine EU-Institution, da es der Art. 125 AEU-Vertrag verbietet, dass ein EU-Land für die
Verbindlichkeiten eines anderen einsteht (no-bail-out-clause). Bei Bedarf, d.h. sollte sich ein Euroland in
einer finanziellen Notlage befinden, vergibt die EFSF Anleihen, die von den Mitgliedern der Eurozone besichert
sind. Die Haftungen kommen natürlich nur im Falle einer drohenden Staatsinsolvenz zum Tragen. Die
Mitglieder der Eurozone beteiligen sich nach dem Kapitalschlüssel der EZB an diesem System. Nach diesem
Schlüssel müsste Österreich maximal 12,5 Mrd. Euro garantieren.
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Sollten andere Euroländer ihren Verpflichtungen nicht nachkommen
können, so könnte sich die österreichische Haftung im schlimmsten Fall
auf
rund
15
Mrd.
Euro
erhöhen.
Hintergrund
ist,
dass
jeder
Gesellschafter der European Financial Stability Facility sich verpflichtet,
seine Haftung um bis zu 20% zu erhöhen, sollten andere EFSF
Gesellschafter ausfallen. Diese Klausel soll der EFSF ein erstklassiges
Ranking und günstige Finanzierungskonditionen sichern.
Der Euro-Schutzschirm EFSF wurde geschaffen für den Fall, dass weitere
Mitglieder der Eurozone vergleichbare Hilfspakete wie Griechenland
beantragen müssen. Als erstes Euroland beantragte Irland und dann
später Portugal unter diesem Regime Finanzhilfe. Auch das zweite
Griechenland-Rettungspaket über 130 Mrd. Euro, das im März 2012
beschlossen wurde, läuft über die EFSF.
Das Paket zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung zeigte bald erste
Wirkungen: Finanzmärkte und Euro-Kurs reagierten sofort positiv auf
den Schutzschirm für überschuldete Euro-Länder. Am 7. Juni 2010
segneten die Euro- Finanzminister bei ihrem Treffen in Luxemburg den 750 Mrd. Euro schweren temporären
EU-/IWF-Rettungsschirm endgültig ab.
Der österreichische Nationalrat verabschiedete am 19. Mai 2010 die notwendigen Gesetzesänderungen. Im
Parlament wurde ein zusätzlicher Haftungsrahmen von 15 Mrd. Euro für den EU-Interventionsfonds geschaffen.
Für den österreichischen Anteil am Euro-Stabilisierungs-Paket musste aber kein zusätzliches Geld in die Hand
genommen werden, weil die Haftungen aus dem seinerzeitigen österreichischen Bankenpaket nicht
ausgeschöpft wurden.
Parallel zu den Maßnahmen des Europäischen Rates begann auch das Euro-System, also die EZB,
Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten (GR, IRL, P) auf dem Sekundärmarkt zu kaufen. Sie tat dies,
um die Staatsanleihenmärkte dieser Länder wieder zum Funktionieren zu bringen. Art. 123 AEU-Vertrag
verbietet nur den unmittelbaren Erwerb von mitgliedsstaatlichen Schuldtiteln durch die Zentralbanken, nicht
jedoch den Erwerb von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt, wie er im Rahmen dieses Ankaufsprogramms
durchgeführt wurde.
Nachdem jedoch die Kreditwürdigkeit nur bei einem Teil der garantiegebenden Mitgliedstaaten mit einem AAA
bewertet war, musste die EFSF im Zuge ihrer Errichtung mit zusätzlichen Sicherheiten ausgestattet werden,
damit sie ihrerseits ein AAA erhielt. Gleichzeitig hatte sich dadurch allerdings (beim gegebenen
Haftungsvolumen von 440 Mrd. Euro) die Kreditvergabekapazität der EFSF auf rund 220-250 Mrd. Euro
verringert.
Beim Treffen der Euro-Gruppe am 20. Juni 2011 wurde der Haftungsrahmen der EFSF auf knapp 780 Mrd. Euro
erhöht, um so die effektive Vergabekapazität von 440 Mrd. Euro zu erreichen. Die entsprechenden
Anpassungen wurden dem Europäischen Rat am 24. Juni 2011 zur Kenntnis gebracht.
Österreich hat Ende September 2011 dieser Aufstockung im Nationalrat zugestimmt. Damit wurde die
Haftungsverpflichtung Österreichs von 12,2 auf 21,6 Mrd. Euro angehoben. Dazu kommen noch Kosten und
Zinsen, die sich nach aktueller Schätzung auf bis zu 7,1 Mrd. Euro belaufen könnten, in Summe also 28,7 Mrd.
Euro, für die Österreich geradesteht. Zum Vergleich: Deutschland haftet für einen Anteil von 211 Mrd. Euro.
Die erweiterte EFSF musste, um ihre neuen Instrumente einsetzen zu können, in allen damals 17 EuroLändern von den nationalen Parlamenten gebilligt werden. Alle Euro-Staaten haben ratifiziert – auch die
Slowakei am 13. Oktober 2011 als letztes Euro-Land. Vor allem aus innenpolitischen Gründen war dort die
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Zustimmung am seidenen Faden gehangen und erst im zweiten Anlauf zustande gekommen, nachdem die
Regierungschefin Neuwahlen versprochen hatte.
Bei ihrem Gipfel am 21. Juli 2011 haben die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder beschlossen, dass die
EFSF unter strikten Bedingungen Staatsanleihen am Kapitalmarkt aufkaufen kann und Ländern vor Ausbruch
einer schlimmen Schuldenkrise mit Krediten unter die Arme greifen kann.
Anders als bisher darf die EFSF künftig auch Anleihen am Primärmarkt, also direkt von Staaten kaufen genauso wie der permanente Rettungsschirm ESM. Mit diesem neuen Instrument können die Rettungsschirme
eine Art Starthilfe leisten, wenn sie sich an einer neuen Anleihe-Ausgabe eines Landes beteiligen, das an die
Kapitalmärkte zurückkehrt.
Nachdem auch eine Ausweitung der Schuldenkrise auf Länder wie Italien und Spanien drohte und deren
Rettung mit dem derzeitigen Haftungsrahmen der EFSF nicht möglich wäre, wurde von vielen Seiten eine
weitere Erhöhung des Rettungsschirms gefordert. Außerdem wurde immer klarer, dass die Situation in
Griechenland ohne Schuldenschnitt nicht bewältigt werden kann. Deshalb wurden in vielen Krisentreffen der
Euro-Finanzminister und schließlich beim EU-Gipfeltreffen und Gipfel der Eurozone am 26.10.2011 folgende
Maßnahmen beschlossen:


Der Schutzschirm EFSF sollte mit einem „Hebel“ ausgestattet werden, um seine Schlagkraft zu stärken,
ohne dass die Haftungssumme weiter erhöht werden wird. Im Gespräch war eine Kombination aus einer
Teilabsicherung von Staatsanleihen durch die EFSF und Kreditlinien des IWF. Zudem arbeiten die EuroLänder an einem zweiten Modell in Form von Sondertöpfen (Special Purpose Vehicles) zum Aufkauf von
Staatsanleihen. In der Folge spielte der Hebel allerdings keine weitere Rolle.
Die EFSF sollte in Zukunft eine Rolle bei der Rekapitalisierung der Banken spielen; sie sollte Staaten in
bestimmten Fällen Geld für die Unterstützung von Banken leihen. Systemrelevante Banken mussten bis 30.
Juni 2012 eine deutlich höhere Kern-Eigenkapitalquote als bisher aufweisen, Zielwert war 9%
(Kerneigenkapital im Sinne von Basel III + Staatshilfen). Die österreichische Finanzmarkaufsicht
verschärfte die Erfordernisse für die in Osteuropa tätigen Banken auf 10% und beschränkte die
Kreditvergabe auf 110% der Einlagen. Ziel war die Absicherung gegen die Folgen eines Schuldenschnitts in
Griechenland und möglicher weiterer Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Dafür brauchten die Banken
nach Angaben der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) rund 106 Mrd. Euro. Auf österreichische Institute
entfielen 2,9 Mrd. Euro Kapitalbedarf.
Die Banken sollten das erforderliche Kapital zunächst selbst bzw. mit privaten Mitteln (z.B. über den
Kapitalmarkt) aufstellen, erst in zweiter Linie durch Staatshilfen. Bis zur Erreichung des Ziels unterlagen die
Banken Ausschüttungsbeschränkungen bei Dividenden und Bonuszahlungen. Die
Wirkungen auf die
„Realwirtschaft“ bei dem Kapitalaufbau wurden mit dem Ziel der Verhinderung einer Kreditklemme
beobachtet.
Die EFSF mit einer Gesamthöhe von 440 Mrd. Euro hat bis Anfang 2012 9,6 Mrd. an Portugal und 10,6 Mrd. an
Irland vergeben - in Summe wurden damit 20,2 Mrd. ausbezahlt. Die Verpflichtungen für Irland lagen bei 17,7
Mrd. und für Portugal bei 26 Mrd. - miteinander 43,7 Mrd. Euro. Da das zweite Griechenland-Rettungspaket
über den EFSF läuft, wurde die Ausleihsumme dieses Hilfsinstruments auf 231,9 Mrd. Euro geschmälert (440
Mrd. minus 164,4 Mrd. aus dem zweiten Griechenland-Paket minus 43,7 Mrd. eingegangener EFSFZahlungsverpflichtungen an Portugal und Irland).
Nachdem Anfang 2012 neben Österreich und Frankreich mehrere Euro-Länder herabgestuft wurden, hat auch
die EFSF das AAA-Rating verloren und wurde mit AA+ bewertet.
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Auslaufen: EFSM und EFSF vergeben seit 1. Juli 2013 keine neuen Hilfskredite mehr, sondern wurden vom ESM
abgelöst. Sie wickeln jedoch noch die bestehenden Hilfsprogramme mit Irland, Portugal und Griechenland bis
zu deren Ende ab.
1.6.
DAUERHAFTER EURO-SCHUTZSCHIRM (ESM) - SEIT OKTOBER 2012
In den Monaten nach dem ersten Griechenland-Hilfspaket setzte sich allerdings die Krise im Euro-Raum fort;
weitere Staaten wie Irland und in der Folge Portugal waren betroffen. Daher vermehrten sich die Forderungen,
nach dem Auslaufen des provisorischen Rettungsschirms EFSF einen generellen Mechanismus für Krisenfälle zu
etablieren.
Ursprünglich ab Juli 2013 geplant, in Kraft jedoch seit Oktober 2012 ist der Euro-Schutzschirm European
Stability Mechanism (ESM) als permanente Einrichtung etabliert worden. Bereits von der EFSF übernommene
Garantien werden weiterhin von derselben abgewickelt. Der ESM lief knapp ein Jahr parallel mit der EFSF und
dem EFSM. Er hat deren Aufgabe (für neue Hilfsprogramme) mit Juli 2013 übernommen. Zudem – und dabei
handelt es sich um eine grundlegende Reform der Währungsunion – sollen private Gläubiger (Investoren,
Banken) von Fall zu Fall an den Kosten von Rettungspaketen beteiligt werden. Damit werden künftig nicht nur
Staaten und die Steuerzahler zur Kasse gebeten, wenn ein Staat in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Es soll
aber keinen Automatismus bei der Beteiligung Privater geben. Die Fall-zu-Fall-Beurteilung ermöglicht, die
jeweilige Situation der Länder zu berücksichtigen, da jede finanzielle Krise unterschiedlich gelagert ist. Zwei
Szenarien sind vorgesehen: Bei einem Zahlungsengpass werden die Banken dazu aufgefordert, ihre Anleihen am
betreffenden Staat zu halten. Droht allerdings eine Insolvenz, werden die privaten Gläubiger am
Umschuldungsverfahren beteiligt. Durch diese Beteiligung will man Spekulationen künftig in Grenzen halten.
9
Nachdem
verschiedene
Vorschläge
wie
die
Einführung gemeinsamer Staatsanleihen der EUStaaten,
sogenannter
Einrichtung
einer
Eurobonds,
oder
die
Staateninsolvenzordnung
von
verschiedenen Mitgliedstaaten abgelehnt worden
waren, wurde auf dem Gipfel des Europäischen
Rates am 16./17. Dezember 2010 beschlossen, Art.
136 AEU-Vertrag um einen Absatz zu erweitern,
der
die
dauerhafte
Einrichtung
eines
Stabilisierungsmechanismus
ermöglicht.
Diese
Vertragsänderung
von
Euro-
musste
den
Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Deutschland
ratifizierte den ESM erst nach einem positiven
Urteil
des
Bundesverfassungsgerichts.
Damit
konnte der ESM im Oktober 2012 in Kraft treten
konnte.
Am
3.
April
2013
ratifizierte
auch
Tschechien als letzter Eurostaat.
Die
Ausgestaltung
des
European
Stability
Mechanism ESM wurde am 21. März 2011 von den
Finanzministern der Euro-Gruppe beschlossen und
am
24.
März
2011
von
den
Staats-
und
Regierungschefs beim Europäischen Rat bestätigt.
Der entsprechende völkerrechtliche ESM-Vertrag
wurde am 11. Juli 2011 und dann nochmals am 2. Februar 2012 von den Euro-Ländern unterzeichnet.
Es entstand ein neuer dauerhafter EU-Rettungsfonds, in den die Euro-Mitgliedstaaten (anders als in die EFSF)
80 Mrd. Euro als Grundkapital einzahlen. Die Einzahlung erfolgte in 5 Tranchen bis Mitte 2014.
Außerdem kann der Fonds eigene Anleihen bis zur Höhe von 620 Mrd. Euro ausgeben, für die Euro-Länder
bürgen. Davon übernimmt Deutschland den Löwenanteil der Garantien von 168,3 Mrd. Euro, Österreich zahlt
direkt 2,2 Mrd. ein und übernimmt Garantien von 17,3 Mrd. Euro.7
Ursprünglich war vorgesehen, dass der ESM Kredite in einer Gesamthöhe von 500 Mrd. Euro vergeben kann (in
dieser Summe wären jedoch damals schon laufende Rettungsprogramme für Krisenländer von ca. 200 Mrd. Euro
enthalten gewesen). Die Finanzminister der Euro-Staaten beschlossen aber Ende März 2012, dass 200 Mrd. Euro
an ausgezahlten oder eingeplanten Hilfen der EFSF während der Übergangszeit nicht mit den neuen 500 Mrd.
Euro des ESM verrechnet werden, sondern zusätzlich zur Verfügung stehen. Zwischenzeitlich standen damit bis
zu 700 Mrd. Euro zur Verfügung. Dazu kamen noch EU-Krisenmittel in Höhe von 49 Mrd. Euro (für Irland und
Portugal aus dem EFSM) sowie bereits ausgezahlte Gelder aus dem ersten Hilfsprogramm für Griechenland in
Höhe von 53 Mrd. Euro– der neue Schutzwall betrug also 800 Mrd. Euro). Erst wenn Griechenland seine
Hilfskredite zurückgezahlt hat, soll die Obergrenze der Hilfen wieder auf den ESM-Höchstbetrag von 500 Mrd.
Euro sinken.
10
Die Kredite des ESM sollen Euro-Mitgliedstaaten in Notsituationen zur Verfügung gestellt werden, sofern die
Finanzminister der Euro-Gruppe das einstimmig beschließen und es für das Land keine andere Möglichkeit zur
Refinanzierung gibt. Neuerdings können in Fällen, in denen eine dringende Entscheidung notwendig ist,
Beschlüsse mit einer qualifizierten Mehrheit von 85% der Stimmen angenommen werden. Darüber hinaus wird
seit März 2013 die Vergabe von Finanzhilfen aus dem ESM von der Ratifizierung des Fiskalpaktes (siehe Punkt
3.1) und der Umsetzung der darin festgelegten Schuldenbremse durch den jeweiligen Staat abhängig gemacht.
Entsprechend dem Modell des IWF soll der Zinssatz jeweils um einen Prozentpunkt, ab dem dritten Jahr um
zwei Prozentpunkte über den Refinanzierungskosten des ESM liegen. Der ESM wird dabei gegenüber anderen
Gläubigern einen Vorzugsstatus erhalten, der lediglich dem IWF untergeordnet ist.
Beim Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 21. Juli 2011 wurde eine
Kompetenzerweiterung von EFSF und ESM beschlossen, um in Zukunft schneller auf Ansteckungsgefahren in
der Euro-Zone reagieren zu können. Diese sollen schon auf Verdacht aktiv werden und auch an Länder Kredite
vergeben, für die kein Rettungsprogramm existiert, sowie in den Sekundärmarkt für Anleihen eingreifen.
Dieser EU-Sondergipfel kann daher als Startschuss für einen EU-Währungsfonds (EWF) gesehen werden.
Der ESM verfügt über mehrere Finanzhilfeinstrumente:
 Kredite an seine Mitglieder vergeben,
 vorsorglichen finanziellen Beistand gewähren,
 Anleihen von seinen Mitgliedern direkt oder indirekt (über Sekundärmarkt) ankaufen und
 Darlehen an Mitgliedstaaten für die Rekapitalisierung von Banken zur Verfügung stellen.
Am EU-Gipfel Ende Juni 2012 wurde vor dem Hintergrund der Bankenkrise in Spanien vereinbart, dass der ESM
notleidende Banken künftig direkt rekapitalisieren darf, allerdings erst nach Einrichtung eines wirksamen
Aufsichtsmechanismus für Banken in der Eurozone, der bei der EZB angesiedelt ist und seit Herbst 2014
operationell ist.
11
Darüber hinaus erhalten Euro-Staaten vor dem Staatsbankrott künftig auch ohne Troika-Reformauflagen
Nothilfe aus den Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM. Sie müssen lediglich Empfehlungen der EU-Kommission
berücksichtigen.
Da der ESM als internationale Finanzinstitution gegründet wird, sollen die Zahlungen der Staaten nicht die
Defizit- und Schuldenstatistik erhöhen, die für die Haushaltskontrolle des Stabilitäts- und Wachstumspakts
maßgeblich ist.
Eine weitere Neuerung ist, dass Staatsanleihen der Mitgliedstaaten zukünftig grundsätzlich eine Regelung
beinhalten sollen, durch die in Notsituationen unter bestimmten Bedingungen auch private Gläubiger an
Verlusten beteiligt werden können.
Dafür findet eine Schuldentragfähigkeitsanalyse von Europäischer Kommission und IWF statt. Sofern diese zu
dem Ergebnis kommt, dass die Schuldenlast des Landes nicht dauerhaft tragfähig ist, kommt es zu einem
Restrukturierungsplan, bei dem ein Teil der Schulden nicht zurückgezahlt wird. Entsprechende Regelungen
sollen in allen Staatsanleihen europäischer Staaten aufgenommen werden. Dies entspricht faktisch der
zunächst von Deutschland geforderten Staatsinsolvenzordnung.
Der Europäische Rechnungshof (ERH) erhält maßgebliche Prüfkompetenzen beim ESM. Das „Board of
auditors“ wird sich aus zwei privaten Wirtschaftsprüfern, zwei Personen von Rechnungshöfen aus den
Euroländern und einem Mitglied des ERH mit umfassender Prüfkompetenz zusammensetzen. Sie sollen darüber
wachen, wie Steuergeld verwendet wird. Zuvor hatte der ERH noch keine Prüfkompetenz, da es sich um
bilaterale Kredite der Euroländer und des IWF handelte.
Inkrafttreten des ESM: Der ESM hätte im Juli 2012 in Kraft treten sollen. Allerdings mussten so viele Länder
den ESM-Vertrag ratifiziert haben, dass sie 90 Prozent des Kapitals des dauerhaften Euro-Rettungsfonds stellen.
Das war ohne eine Ratifizierung in Deutschland nicht der Fall. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat am
19. September 2012 entschieden, dass der ESM – unter Auflagen - mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist.
Der ESM ist seit Oktober 2012 operabel.
EuGH gibt grünes Licht für Euro-Rettungsschirm ESM
Der
Europäische
Gerichtshof
hat
den
neuen
Euro-Rettungsschirm
abgesegnet.
Der
Europäische
Stabilitätsmechanismus (ESM) verletze nicht das Haftungsverbot, wonach ein Staat nicht für die
finanziellen Verbindlichkeiten eines anderen geradestehen darf, urteilte der Gerichtshof am 27. November
2012 in Luxemburg (Rs C-370/12). Damit wiesen die Richter die Einwände des irischen Abgeordneten Thomas
Pringle zurück, der vor dem höchsten Gericht seines Landes gegen den Rettungsschirm – insbesondere dessen
Installierung durch Änderung des AEU-Vertrages im vereinfachten Verfahren - geklagt hatte. Der EU-Vertrag
verbiete nicht, dass Länder einander finanzielle Unterstützung gewähren. Allerdings müsse das Empfängerland
im Gegenzug solide wirtschaften. Zudem hafteten die am ESM beteiligten Staaten nicht für die Schulden
anderer Länder. Auch das Verbot zum Erwerb von Schuldtiteln werde nicht umgangen. Dies gelte nur für die
nationalen Zentralbanken sowie die Europäische Zentralbank.
Rolle des IWF: Im Kampf gegen die Schuldenkrise sollen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) künftig
deutlich höhere Finanzmittel als bisher zur Verfügung stehen. Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer
(G-20) verständigten sich am 13. Oktober 2012 in Tokio darauf, die Krisenkasse des Weltwährungsfonds um
461 Mrd. auf mehr als eine Billion US-Dollar aufzustocken. Deutschland und neun andere Mitgliedstaaten
unterzeichneten während der Tagung als erste Staaten die Verträge über zusätzliche bilaterale Kreditlinien in
einer Gesamthöhe von 286 Mrd. Dollar.
12
1.7.
UNTERSTÜTZENDE MASSNAHMEN DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

Mai 2010:
Securities Market Programme (SMP): Akute Spannungen in bestimmten
Marktsegmenten beeinträchtigten den Transmissionsmechanismus der Geldpolitik. Die EZB begann,
im Kampf gegen das wachsende Misstrauen auf den Finanzmärkten Anleihen notleidender Länder
aufzukaufen. Es handelte sich um Interventionen in funktionsgestörten Marktsegmenten, um
Markttiefe und -liquidität wiederherzustellen.

August 2011: Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik wird durch erneute schwere
Spannungen
erheblich
beeinträchtigt.
Nach
längerer
Pause
setzte
die
EZB
ihr
Anleihekaufprogramm ab August 2011 bis Ende Mai 2012 fort und kaufte italienische und
spanische Anleihen, was zu einer Beruhigung der Märkte führte. Aus diesem, jetzt eingestellten
Securities Market Programme SMP befinden sich noch rund 210 Mrd. Euro in der Bilanz der EZB.

Mitte 2012 Outright Monetary Transactions (OMT-Programm): Die Europäische Zentralbank (EZB)
hat am 6. September 2012 entschieden, Euro-Länder mit Aufkäufen von Staatsanleihen in
unbegrenzter Höhe vor der Staatspleite zu bewahren. Sie kann damit klammen Ländern unter die
Arme greifen, die sich am Markt nur noch zu sehr hohen Zinsen finanzieren können Die EZBIntervention auf dem Sekundärmarkt soll dabei nur für "Programmländer" erfolgen, die sich unter
den Euro-Rettungsschirm EFSF/ESM stellen und die strikten Reformvorgaben der internationalen
Geldgeber einhalten. Die EZB darf auch künftig nur Anleihen mit einer Restlaufzeit von bis zu drei
Jahren erwerben. Das Programm wirkt, obwohl bisher nicht eingesetzt: Allein die Ankündigung
dieses Kaufprogrammes hat bisher zu einem Absinken der Anleihezinsen in den Problemstaaten
auf ein verkraftbares Niveau geführt.
Am 11. und 12. Juni 2013 war dieses Programm der EZB zum Kauf von Anleihen kriselnder EuroStaaten Gegenstand einer mündlichen Verhandlung vor dem dt. BVerfG, wo es um die
Rechtmäßigkeit bzw. die Frage ging, ob dieses Programm vom Mandat der EZB gedeckt ist. Am
7.2.2014 hat das BVerfG den EuGH um die Klärung rechtlicher Fragen ersucht. Der Generalanwalt
des EUGH hat am 14.1.2015 befunden: Das Kaufprogramm ist unter Einhaltung bestimmter
Bedingungen erlaubt.

Jänner 2015: Asset Purchase Programme (APP) Gegen Deflationsgefahr und zur Verbesserung
des geldpolitischen Transmissionsmechanismus, Ankauf von Staatsanleihen, Asset Backed
Securities (ABS), Pfandbriefen für 60 Mrd. Euro im Monat bis mindestens September 2016 – gesamt
1140 Mrd. Euro. Wird auch Quantitave Easing genannt. Österreich ist bei diesen Aufkäufen
ungefähr im Ausmaß seines Kapitalschlüssels beteiligt.

Im Dezember 2015 hat die EZB eine Verlängerung des QE bis März 2017 beschlossen und die
monatliche Ankaufhöhe weiter erhöht.

Im März 2016 senkte die EZB den Leitzins im Euroraum auf 0,0 Prozent. Das vor allem in
Deutschland umstrittene milliardenschwere Programm zum Kauf von Staatsanleihen und anderen
Wertpapieren wurde ausgeweitet. Zugleich brummte die EZB Banken höhere Strafzinsen für bei
ihr geparkte Gelder auf.

Seit Juni 2016 CSPP (Corporate Sector Purchase Programme): Die EZB will die Wirtschaft in
Europa mit billigem Geld versorgen. Weil die Kreditvergabe trotz der Niedrigzinsen nicht in
Schwung kommt, kauft sie deshalb Unternehmensanleihen, auch Bonds genannt. Das Ziel der EZB:
Die Zinsen der Anleihen drücken, damit sich die Kreditkonditionen der Unternehmen verbessern,
die wiederum Investitionen tätigen und damit auch die Konjunktur ankurbeln.

Ab April 2017 wird das monatliche Ankaufvolumen durch die EZB auf 60 Mrd. € pro Monat gesenkt,
das Programm läuft vorläufig bis Ende des Jahres 2017. Der Einlagezins für Banken bei der
Notenbank bleibt weiterhin bei minus 0,4 Prozent.
13
2.
LÄNDER UND IHRE KRISEN
2.1.
GRIECHENLAND
Mit dem Eintritt in die Eurozone sanken die Zinsen für griechische Staatsanleihen auf „Deutschland-Niveau“.
Die Folge war, dass Kredite billig wurden und sehr viel Geld in Konsum floss, dass Investitionen in
Zukunftsprojekte vernachlässigt wurden, bis die Schulden zu sehr anstiegen und die Wirtschaftskrise
hereinbrach.
Griechenland hatte das wahre Ausmaß seines Haushaltsdefizits jahrelang verschleiert. Das griechische
Budgetdefizit betrug 2009 15,4%, der Schuldenstand 127% des BIP. Beide Werte liegen weit über den im EuroStabilitätspakt festgeschriebenen Konvergenz-Kriterien (d.h.
Staatsverschuldung unter 60% des BIP,
Budgetdefizit weniger als 3% des BIP). Anfang 2012 lag der Schuldenstand Griechenlands bei sogar fast 170%
des BIP.
Von der Regierung Griechenlands wurden zur Refinanzierung der Staatsschulden Staatsobligationen ausgegeben,
wofür Zinsen bezahlt werden müssen. Aufgrund des hohen Haushaltsdefizits und der steigenden
Neuverschuldung stuften die internationalen Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit des Landes kontinuierlich
herab; griechische Staatsanleihen wurden teurer. Mit den höheren Zinsen stieg auch die Staatsverschuldung
Griechenlands weiter an.
Für Griechenland kam erschwerend hinzu, dass die Wirtschaft besonders im Ausland hoch verschuldet war.
Österreichische Banken hatten Ende 2010 in Griechenland noch Außenstände von 4 Mrd. Euro zu verzeichnen,
deutsche Banken rund 34 Mrd. US-Dollar, Frankreichs Banken sogar 53 Mrd. US-Dollar. Diese Beträge haben sich
in der Folge zwar erheblich verkleinert; ein Staatsbankrott Griechenlands hätte aber trotzdem nicht nur
Auswirkungen auf heimische und ausländische Banken, sondern auf die gesamten Volkswirtschaften.
Nachdem die griechische Regierung am 23. April 2010 vor dem Druck der Finanzmärkte kapituliert und um
ausländische Finanzhilfe ersucht hatte, beschlossen die Finanzminister der Eurozone im Mai 2010 ein erstes
110 Mrd. Euro schweres Hilfspaket für die folgenden drei Jahre. (davon entfallen 80 Mrd. Euro auf bilaterale
Kredite der Euro-Staaten und 30 Mrd. Euro auf den IWF; siehe auch Punkt 3.1.). Wegen Nichtbeteiligung der
Slowakei und späterem Wegfall von Zahlungen der unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpften Länder
Portugal und Irland hat sich das Hilfspaket um 2,7 Mrd. auf 107,3 Mrd. Euro verringert.
Bis Anfang 2012 wurden in sechs Tranchen 73 Mrd. Euro an Athen aus diesem Paket ausbezahlt (52,9 Mrd. von
Eurozone und 20,1 Mrd. vom IWF, Anteil Österreichs rund 1,557 Mrd. Euro). Damit würden noch 34,4 Mrd. Euro
übrigbleiben (24,4 Mrd. Eurozone und knapp 10,0 Mrd. vom IWF).
Als Auflage für das 110 Mrd. Euro Hilfspaket müssen sich die Griechen einem drastischen Sparprogramm
unterziehen. Die griechische Neuverschuldung – im Jahr 2010 10,5% des BIP – sollte bis 2014 unter die 3Prozent-Grenze gedrückt werden. Gleichzeitig wurde erwartet, dass mit dem Sparprogramm und der
internationalen Hilfe die griechischen Schulden ab 2014 zu fallen beginnen, bis dahin könnten sie sich aber
noch weit erhöhen.
Das größte Problem Griechenlands war und ist die enorme Staatsverschuldung. Die Gefahr eines
Staatsbankrotts ist nicht gebannt. Griechenland steckt in einer tiefen Rezession, die Chancen auf
wirtschaftliche Erholung sind gering. Hauptgrund: Die Bruttowertschöpfung der griechischen Wirtschaft speist
sich zu 70% aus der Binnennachfrage. Das Sparprogramm aber würgt den privaten Konsum ab. Und obendrein
schnellen die Preise in die Höhe.
Einsparungs- und Finanzierungsmöglichkeiten gab es viele: Griechenlands Rüstungsausgaben sind wegen der
Spannungen mit der Türkei sehr hoch; aufgrund der Finanzkrise musste das Land hohe finanzielle
14
Aufwendungen für den Finanzsektor erbringen; zu viele Staatsbedienstete erhalten zu viele Bonus-Zahlungen;
Steuersenkungen führten zu niedrigeren Staatseinnahmen. Auch die Schattenwirtschaft spielt im Land eine
große Rolle. Steuerhinterziehungen sind sowohl bei Firmen als auch im privaten Bereich verbreitet und es gibt
nur wenige Kontrollen. All das musste sich und muss sich in Zukunft ändern.
Am 2. Mai 2010 beschloss die griechische Regierung ein mit IWF und EU ausgehandeltes Maßnahmenpaket,
womit bis zum Jahr 2013 insgesamt 30 Mrd. Euro eingespart werden sollen. Mit diesem strikten
Sparmaßnahmenpaket konnte gleichzeitig der Weg für das erste internationale Hilfspaket freigemacht werden.
Finanzexperten der Europäischen Kommission, der EZB und des IWF (sog. Troika) überwachen vierteljährlich
die Einhaltung der griechischen Budgetsanierung.
Im April 2011 wurde bekannt, dass die finanzielle Lage von Griechenland noch ernster ist als zuvor
angenommen. Die griechische Wirtschaft entwickelte sich schlechter als vorhergesagt; deshalb wurden neue
Hilfen notwendig. Als Voraussetzung dafür musste das griechische Parlament den strengen Auflagen von EU und
IWF zustimmen und ein weiteres Sparpaket auf den Weg bringen. Dieses Sparprogramm war auch Bedingung
für die Freigabe der fünften Kredittranche in Höhe von zwölf Mrd. Euro aus der ersten Rettungshilfe durch die
Euro-Finanzminister Anfang Juli 2011.
Beim Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 21. Juli 2011 wurde ein zweites
Rettungspaket für Griechenland beschlossen. Die Details dieses Beschlusses (Verlängerung der Laufzeit
künftiger EFSF Kredite, Aufruf zu einer umfassenden Wachstumsstrategie – Marshallplan - für Griechenland,
Beteiligung des Privatsektors, Schuldenrückkaufprogramm etc.) mussten aber in den darauffolgenden
Monaten weiteren Anpassungen unterworfen werden, denn die Wirtschaftslage in Griechenland entwickelte
sich schlechter als angenommen.
Die griechische Regierung musste den Sparkurs im Herbst 2011 erneut verstärken, um die nächste sechste
Tranche in Höhe von 8 Mrd. Euro aus dem ersten Hilfspaket (eigentlich schon für September 2011 geplant) zu
erhalten. Als erste Notmaßnahme hatte das Kabinett in Athen eine neue Immobiliensteuer beschlossen. Das
griechische Finanzministerium kündigte zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte des Landes Entlassungen in
Staatsunternehmen ab. 30.000 Staatsbedienstete sollen zunächst in eine so genannte Arbeitsreserve geschickt
werden. (60% ihres Einkommens für maximal ein Jahr, danach entscheidet eine unabhängige Behörde über ihre
Zukunft). Außerdem wird es nun Kürzungen geben bei Renten von mehr als 1.200 Euro im Monat sowie bei
Rentenempfängern, die jünger als 55 Jahre sind. Der jährliche Steuerfreibetrag soll von momentan 8.000 Euro
auf 5.000 Euro sinken. Die Steuer solle auf zwei Jahre befristet sein.
Auf dem Europäischen Rat vom 23.10. bzw. dem EU-Gipfeltreffen und Gipfel der Eurozone vom 26.10.2011
stellten die Staats- und Regierungschefs ein Gesamtpaket vor, das eine Rettung Griechenlands (auf Basis eines
partiellen Schuldenschnitts) ebenso umfasst wie die Stabilisierung der Banken im Rahmen der EFSF.
Zentrales Ziel war die Reduktion der griechischen Staatsschulden von damals über 160% auf 120% des BIP per
2020. Dies sollte durch eine freiwillige Beteiligung der privaten Investoren mit dem Ziel eines 50%
Schuldenschnitts erreicht werden (durch Anleihetausch).
Zweites Rettungspaket inkl. Schuldenschnitt
Die Euro-Staaten haben sich am 21. Februar 2012 nach langen Verhandlungen auf ein zweites Rettungspaket
für Griechenland geeinigt. Nachfolgend eine Zusammenstellung der wichtigsten Punkte:
Das Volumen des Rettungspakets liegt bei 130 Mrd. Euro. Der IWF wird sich mit 28 Mrd. Euro beteiligen.
Griechenland hatte zuvor wesentliche Bedingungen der Euro-Länder erfüllt. Dazu gehörten die Zustimmung
des Parlaments und der Chefs der großen Parteien zu den Sparzielen sowie zusätzliche Sparmaßnahmen von
325 Mio. Euro. Die Athener Regierung verabschiedete zuletzt eine Reihe von Gesetzesentwürfen zur
15
Anwendung des von der EU verlangten Sparkurses. So werden z.B. höhere Pensionen gekürzt und die
Mindestlöhne gesenkt.
Die Freigabe des Hilfspakets war verknüpft mit der Einleitung eines Schuldenschnitts mit privaten Gläubigern
wie Banken und Versicherungen. Damit der Schuldenstand Griechenlands bis 2020 auf die nun angestrebten
120,5% des BIP sinkt, müssen die privaten Gläubiger nominal auf 53,5% (ursprünglich 50%) der Forderungen
verzichten – (de facto auf über 70% durch niedrigere Zinsen). Vorgesehen sind ein Anleihetausch sowie eine
gestaffelte verringerte Verzinsung für diese neuen Anleihen (zwischen 4,5 und 2%). Damit sollen Athens
Schulden um 107 Mrd. Euro sinken.
Die EZB wird bei der Rettung Griechenlands stärker mit eingebunden. Sie soll Zinserträge aus griechischen
Staatsanleihen (rund 18 Mrd. Euro) an die Nationalbanken der Staaten auszahlen, die das Geld – via nationale
Regierung – an Griechenland weitergeben können, um die Gesamtverschuldung Griechenlands zu senken (um
1,8% des BIP).
Darüber hinaus wird die Verzinsung für die Hilfskredite der Mitgliedstaaten an Griechenland aus dem ersten
Rettungspaket gesenkt. Dadurch liegt die Beteiligung des öffentlichen Sektors an der Verringerung der
griechischen Schuldenlast bei 4,6% des BIP.
Auch
das
zunächst
von
Griechenland
strikt
abgelehnte Sperrkonto (Sonderkonto) für einen
Teil der griechischen Staatseinnahmen wurde nun
fixiert.
Damit
Deutschland
wird
Griechenland
gefordert
–
einen
–
wie
Teil
von
seiner
Budgetsouveränität abgeben. Mit dem Sperrkonto,
das von der EU überwacht wird, soll sichergestellt
werden, dass das Land seinen Schuldendienst erfüllt
und Einnahmen nicht für andere Dinge ausgibt.
Das zweite Rettungspaket für Athen war deshalb
wichtig, da Griechenland am 20. März 2012 seine
nächsten Verbindlichkeiten von 14,5 Mrd. Euro
begleichen musste. Ohne Hilfe wäre das südliche
Euro-Land pleite gewesen.
Von den griechischen Staatsschulden in Höhe von mehr als 350 Mrd. Euro sind 206 Mrd. in der Hand privater
Gläubiger. Bis 9. März 2012 konnten Privatgläubiger alte Anleihen gegen neue tauschen. Davon sind 172 Mrd.
Euro betroffen; was einer Beteiligung von insgesamt 83,5% entspricht. Bei den nach griechischem Recht
aufgenommenen Schulden wurde sogar eine Beteiligungsquote von 85,8% erreicht. Erklärtes Ziel der Regierung
in Athen war ein Wert über 90%, der notfalls per Zwangsumschuldung erreicht werden sollte. Dazu erließ die
griechische Regierung vorsorglich gesetzliche Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses, CAC), die auch
auf alte Anleihen rückwirkend angewendet werden können. Durch diese teilweise Zwangsumschuldung würde
die Teilnahme an dem Anleihetausch damit laut Athen auf 95,7% steigen.
Nach
den
am
6.
Mai
2012
durchgeführten
Neuwahlen
in
Griechenland,
bei
denen
die
bisher
„europafreundlichen“ Großparteien abgewählt wurden, konnte keine Regierung gebildet werden, sodass am
17. Juni 2012 neuerlich Wahlen stattgefunden haben, bei denen indirekt auch über einen Verbleib
Griechenlands im Euroraum entschieden wurde. Die Konservative Partei ging knapp als Sieger hervor und
konnte eine neue Regierung gemeinsam mit Sozialisten und einer gemäßigten Linkspartei fixieren.
Griechenland rang wochenlang um die Rückzahlung eines Teils seiner Schulden, da die Freigabe der nächsten
16
Kredittranche durch die EU-Kommission, die EZB und den IWF noch nicht erfolgt war. So wollten die
Kreditgeber, dass Athen in den nächsten beiden Jahren noch einmal über 13,5 Mrd. Euro einspart. Die
Gläubiger-Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission bescheinigte dem Land weitere Fortschritte. Sie hatte
Anfang November vorgeschlagen, dass auch öffentliche Kreditgeber auf Forderungen verzichten sollten, um die
erdrückende Schuldenlast zu vermindern. Dies lehnten aber jene Eurostaaten, die Griechenland am meisten
unterstützen, aus rechtlichen und politischen Gründen ab.
Griechenland hat daraufhin mit knapper Mehrheit das vereinbarte Sparpaket und einen Sparhaushalt für 2013
beschlossen. Pensionen und Gehälter werden drastisch gekürzt, das Pensionsalter wird angehoben, und
Staatsbedienstete sollen entlassen werden.
Mehr Zeit und mehr Geld
Am 27.11.2012 haben sich die Euro-Finanzminister, die EZB und der IWF auf einen Plan zum Abbau der
griechischen Staatsschulden und die Auszahlung neuer Hilfen geeinigt: Von insgesamt 43,7 Mrd. Euro sollen
34,4 Mrd. Euro noch 2012 fließen, um eine Staatspleite abzuwenden, der Rest im ersten Quartal 2013. Die
Eurogruppe hat am 13. Dezember 2012 nach langem Ringen die Auszahlung der Milliarden-Hilfen bewilligt.

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Athen bekommt zwei Jahre länger Zeit, um seine Sparauflagen zu erfüllen: statt bis 2014 nun bis 2016.
Allein für diese beiden Jahre braucht Athen 18 Mrd. Euro zusätzlich.
Auch der IWF machte Zugeständnisse. Bis zum Jahr 2020 müssen die griechischen Staatsschulden auf 124 %
der Wirtschaftsleistung sinken, ursprünglich waren es 120 %.
Stundung von Zinsen für die Kredite aus dem Euro-Rettungsfonds (10 Jahre später)
Kreditlaufzeiten sollen um 15 Jahre verlängert werden
Senkung von Zinsen für bereits vergebene Kredite aus dem ersten Hilfsprogramm (um 1 %)
Die Euro-Länder wollen zudem Gewinne aus griechischen Staatsanleihen an Griechenland weitergeben.
Dieses Geld soll allerdings auf ein Verrechnungskonto ausgezahlt werden, von dem Griechenland seine
Schuldrückzahlungen bedient und keine anderen Ausgaben tätigt.
Schuldenrückkauf: Ein Programm zum Aufkauf griechischer Staatsanleihen von privaten Investoren
konnte positiv zum Abschluss gebracht werden. Schuldscheine von privaten Gläubigern in der Höhe von
31,9 Mrd. €, die unter dem Marktwert gehandelt worden waren, wurden vom griechischen Staat ca. zu
einem Drittel des Nennwertes zurückgekauft. Dafür hat Griechenland 11,3 Mrd. € aufgewendet und
damit seinen Schuldenstand um ca. 20 Mrd. € reduziert.
Beim ECOFIN-Rat vom 14.5.2013 wurde die Auszahlung von weiteren 7,5 Mrd. € aus dem zweiten
Rettungspaket für Griechenland grundsätzlich gebilligt. Weitere 3,3 Mrd. € sind im Juni ausbezahlt worden.
Die Gläubiger-Troika stellte Griechenland 2013 ein gutes Zeugnis über die Sanierung seines Staatshaushalts
aus. Eurogruppen-Vorsitzender Dijsselbloem lobte ausdrücklich die "guten Fortschritte" in Athen, forderte aber
17
zugleich ein effizienteres Steuersystem, eine Liberalisierung des Arbeitsmarkts sowie eine weitere
Verschlankung des öffentlichen Dienstes. Die Euro-Finanzminister hatten Ende April 2014 die Auszahlung von
2,8 Mrd. Euro bewilligt. Grundlage war der positive Bericht der Troika-Gesandten sowie ein Beschluss der
griechischen Regierung, noch mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abzubauen.
Im Jahr 2013 hat Griechenland einen leichten Primärüberschuss (ohne Schuldentilgung) im Haushalt erzielt.
Auch 2014 ist das BIP leicht gewachsen. Im April 2014 ist Griechenland erstmals seit Jahren wieder an den
Kapitalmarkt zurückgekehrt und hat erfolgreich eine Anleihe begeben. Das Krisenland bleibt jedoch bei der
Sanierung seiner Staatsfinanzen hinter den Erwartungen der Geldgeber zurück. Privatisierungen und
Entlassungen im öffentlichen Dienst laufen zögerlich.
Das Rettungsprogramm hätte Ende 2014 auslaufen sollen. Weil die Bewertung der Lage des Landes nicht mehr
rechtzeitig abgeschlossen werde konnte, wurde das Hilfsprogramm zuerst um zwei Monate verlängert und die
letzte Tranche von 1,8 Mrd. Euro hätte bis Ende Februar 2015 überwiesen werden sollen.
Weil im Dezember eine vorgezogene Präsidentenwahl nicht erfolgreich war, wurde eine Neuwahl des
Parlaments fällig. Am 25. Jänner 2015 ging Alexis Zipras mit seinem Links-Rechts-Bündnis als Sieger hervor.
Obwohl im Wahlkampf ein Ausstieg aus dem noch nicht beendeten Reformprogramm unter Aufsicht der Troika
versprochen worden war, rang sich die neue griechische Regierung doch noch zu einem Antrag auf
Verlängerung eben dieses Programmes um vier Monate durch. Sonst wäre Griechenland vermutlich binnen
Wochen zahlungsunfähig geworden, auch weil die Griechen zuletzt beträchtliche Mangen Bargeld von
griechischen Banken abgezogen hatten.
Eine weitere Verlängerung von bis zu vier Monaten wurde im Februar 2015 zwischen der Eurogruppe und der
neuen griechischen Regierung ausgehandelt. Allerdings wurde auch in den folgenden Monaten keine Einigung
über eine Reformliste erzielt, deren Umsetzung den Weg zur Auszahlung der letzten Tranche des
Rettungspakets ebnen sollte. Am 30. Juni 2015 endete das Programm ohne vollständige Auszahlung er letzten
Tranche.
Überbrückungskredit vor dem dritten Rettungspaket
Im Juli 2015 einigten sich die Euro-Staaten mit Griechenland auf Bedingungen für die Aufnahme von
Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm, das über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM läuft.
Damit die Regierung in Athen während der Verhandlungen und bis zum geplanten Inkrafttreten des Programms
seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem IWF und der EZB erfüllen konnte, wurde dem Land ein
Überbrückungskredit gewährt. Athen erhielt im Juli 2015 insgesamt 7,16 Mrd. Euro aus einem alten, seit
Jahren nicht mehr genutzten EU-Rettungsschirm, dem EFSM. Dieses Geld muss nach spätestens drei Monaten
zurückgezahlt werden - und zwar mit Hilfe der Mittel aus dem dritten Rettungsprogramm, sobald dieses in
Kraft ist.
Der EFSM wird aus dem EU-Haushalt finanziert und damit von allen 28 EU-Staaten getragen. Um die EU-Staaten,
die nicht der Eurozone angehören, vor finanziellen Risiken durch einen möglichen Zahlungsausfall zu schützen,
wurden neue Regeln für den EFSM eingeführt. Falls Griechenland den Überbrückungskredit nicht zurückzahlt,
müssen dadurch letztlich nur die anderen Euro-Staaten den Verlust auffangen.
Im August 2015 wurden zunächst 13 Mrd. Euro einer ersten Tranche von insgesamt 16 Mrd. Euro im Rahmen des
3. Hilfsprogramms freigegeben.
Weitergehende und aktuelle Informationen zu Griechenland unter dem Top Thema
https://news.wko.at/news/oesterreich/Griechenland-aktuell---Zwischen-drittem-Hilfspaket-und-Gre.html
18
2.2.
IRLAND
Während es 2007 kein Haushaltsdefizit gab (+0,1 % des BIP), ist dieses seither kontinuierlich gestiegen, weil die
irische Regierung den durch die Finanzkrise angeschlagenen Banken des Landes mit Milliardenhilfen zur Seite
gesprungen ist. Bis ursprünglich 2013, jetzt 2014 soll das Haushaltsdefizit auf 3% (Maastrichtkriterium) gesenkt
werden.
Vor allem aufgrund der irischen Finanz- und Bankenkrise hat Irland am 21.11.2010 die EU und den IWF um Hilfe
gebeten. Auf einem Sondertreffen der EU-Finanzminister am 27./28. November 2010 in Brüssel wurde
beschlossen, Irland Kredithilfen in Höhe von insgesamt 85 Mrd. Euro über einen Zeitraum von 3 Jahren zu
gewähren. Für Irland wurde erstmals der Euro-Rettungsschirm EFSF in Anspruch genommen. 22,5 Mrd. kamen
vom IWF, 22,5 Mrd. steuerte das Gemeinschaftsinstrument EFSM (European Financial Stability Mechanism) bei,
17,7 Mrd. kamen ergänzend vom EFSF (European Financial Stability Fund, Euro-Staaten). Hinzu traten
bilaterale Kredite von Großbritannien, Schweden und Dänemark. Diese gehören zwar nicht der Euro-Zone an,
sie beteiligten sich aber an der Hilfe, weil ihre Banken stark in Irland engagiert waren: Großbritannien
gewährte 3,8 Mrd., Schweden 0,6 Mrd. und Dänemark 0,4 Mrd. Euro.
Österreich beteiligt sich mit 600 - 800 Mio. Euro in Form von Garantien über die EFSF. Das heißt, dass aus dem
österreichischen Budget unmittelbar kein Geld an den irischen Staat fließt. Die 85 Mrd. Euro aus dem
Hilfspaket teilen sich wie folgt auf: 50 Mrd. fließen ins irische Staatsbudget, das dringend eine finanzielle
Spritze benötigt. Die weiteren 35 Mrd. will Irland nützen, um Kapital in die irischen Banken zu pumpen.
Bei den Verhandlungen konnte sich die irische Regierung in einem Punkt durchsetzen: Die umstrittene, in
Irland
bei
vergleichsweise
niedrigen
12,5%
liegende
Körperschaftssteuer,
die
bisher
das
irische
Wirtschaftswunder mit ermöglicht hat, wird nicht erhöht. Mit dem niedrigen Steuersatz wurden zahlreiche
Unternehmen ins Land gelockt – ein Wettbewerbsvorteil, der vielen in der EU schon längst ein Dorn im Auge ist.
Darüber hinaus wurde Irland ein zusätzliches Jahr zugestanden, um sein Budgetdefizit wieder unter die in den
Euro-Stabilitätspakt festgeschriebene Grenze von 3% des BIP zurückzufahren. Im Gegenzug für die gewährten
Hilfen hatte Irland sich zu einem strikten Sparkurs verpflichtet, um auf diese Weise seine Staatsfinanzen
wieder in Ordnung zu bringen. Innerhalb von vier Jahren sollen Konsolidierungsmaßnahmen im Umfang von
insgesamt 15 Mrd. Euro realisiert werden (10 Mrd. Euro Ausgabenkürzungen, 5 Mrd. Euro Einnahmen/Steuererhöhungen), 40% davon bereits im Jahr 2011.
Im Verlauf der Schuldenkrise wurde der von Irland für die EU-Hilfen zu zahlende Zinssatz von anfangs 5,83%
pro Jahr auf etwa 3,5% gesenkt und die Laufzeit der Anleihen auf 15 Jahre verlängert. Das Krisenland Irland ist
jetzt wieder auf Wachstumskurs und quasi eine Erfolgsgeschichte. Zum ersten Mal seit der Inanspruchnahme
des Euro-Rettungsschirms hat Irland im Juli 2012 Geld am Kapitalmarkt aufgenommen - und zwar problemlos.
Dublin musste sogar einen deutlich niedrigeren Zinssatz als die Krisenländer Spanien und Italien zahlen.
Irland hat als erstes der Programmländer am 15.12.2013 den Rettungsschirm verlassen. Das Land hat
insgesamt 85 Mrd. € von EU/IWF erhalten und sich dafür einem harten Spar- und Reformprogramm unterzogen.
Es hat den Rettungsschirm ohne Vorsorgekredite verlassen und ist im Februar 2014 an die Finanzmärkte
zurückgekehrt.
Am Beispiel Irland zeigt sich die Erfolgsgeschichte des Rettungsprogramms der Eurostaaten. Für den hoch
verschuldeten Staat sind die Probleme aber noch nicht beseitigt. Dafür haben die Iren aber auch arg gelitten.
Seit 2008 hat das irische Parlament nicht weniger als sieben Sparpakete verabschiedet, die zusammen ein
Fünftel der irischen Wirtschaftsleistung ausmachen: Die Mehrwertsteuer stieg von 21 auf 23 Prozent.
Mindestlohn, Kindergeld und Heizkostenzuschüsse für Arme wurden gekürzt. Und das Renteneintrittsalter wird
bis 2028 auf 68 erhöht - ein europäischer Rekordwert.
19
2.3.
PORTUGAL
Portugals Staatsverschuldung lag im Jahre 2007 bei 68,3% des BIP, 2011 betrug der Schuldenstand Portugals
bereits 101,6% des BIP. (Maastricht-Kriterium: Obergrenze von 60% des BIP). Während es im Jahre 2007 ein
Haushaltsdefizit von -3,1% des BIP gab, stieg dieses im Jahre 2010 auf 9,1% des BIP an.
Warum war Portugal in die Krise geschlittert?
Strukturkrise: Portugal hat ein Jahrzehnt mit niedrigen Wachstumsraten hinter sich. Die Wirtschaftsleistung
stieg lediglich um durchschnittlich 0,7% pro Jahr. Ein Grund für die anhaltende Schwäche ist die veraltete
Struktur der portugiesischen Wirtschaft. Die industrielle Basis des Landes gilt als dünn. Großer Hoffnungsträger
ist der Dienstleistungssektor, der im Jahr 2009 gut 75% zum Bruttoinlandsprodukt beisteuerte. Vor allem der
Tourismus spielt eine wichtige Rolle für das Land. Anschluss an den Lebensstandard des europäischen
Durchschnitts haben die zehn Millionen Portugiesen nicht gefunden. Das relative Pro-Kopf-Einkommen liegt bei
76% des EU-Mittelwerts. Es hat sich in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert. Trotzdem leistete sich
das Land soziale Wohltaten, die auf Pump finanziert wurden.
Soziale Krise: Zur Sanierung der Staatsfinanzen hat die Regierung im vergangenen Jahr ein Stabilitäts- und
Wachstumsprogramm aufgelegt, das mehrmals aktualisiert wurde.
Es sieht Einschnitte bei den Gehältern der Staatsbediensteten und die Streichung von sozialen Leistungen vor.
Außerdem fror die Regierung die Pensionen ein und erhöhte die Mehrwertsteuer von 21 auf 23%.
Zur wirtschaftlichen kam auch eine politische Krise. Bis zu ihrem Rücktritt wurde das Land von einer
sozialistischen Minderheitsregierung unter Ministerpräsident José Sócrates geführt. Lange Zeit ging das gut,
weil die sozialdemokratische Opposition die Sparpläne der Regierung nicht torpedierte. Doch zuletzt lehnte die
liberal-konservative Sozialdemokratische Partei das letzte Krisenpaket der Regierung ab, und die Regierung
zerbrach Ende März 2011. Sócrates war seitdem nur geschäftsführend im Amt. Am 5. Juni 2011 wurde ein
neues Parlament gewählt.
Die Regierungskrise verschärfte die Probleme des Landes. Eine weitere Herabstufung durch die
Ratingagenturen Anfang April 2011 hat die Staatsverschuldung Portugals aufgrund der daraus resultierenden
Verteuerung der Kreditzinsen erhöht. Nach langer Gegenwehr und vielen Dementis hat die portugiesische
Regierung ihre Niederlage im Kampf gegen die Schuldenkrise eingestanden.
Am 7. April 2011 wurde die EU um Finanzhilfe ersucht. Portugal war nach Griechenland und Irland das dritte
Euro-Land, das internationale Finanzhilfe beantragte. Lange hatte sich die Regierung gegen den Schritt
gewehrt. Doch bei der Vielzahl der Probleme blieb zuletzt kein anderer Ausweg. Mit Vertretern der EU und des
Internationalen Währungsfonds wurde ein Hilfspaket über 78 Mrd. Euro ausverhandelt. Davon entfallen 52
Mrd. Euro auf die EU und 26 Mrd. Euro auf den IWF. Das Hilfspaket wurde am 16. Mai 2011 endgültig von den
EU-Finanzministern geschnürt.
Der Schlüssel für eine Sanierung der portugiesischen Wirtschaft ist eine striktere Kontrolle der öffentlichen
Unternehmen und der sogenannten Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP). Das Privatisierungsprogramm
muss beschleunigt, die Wettbewerbsfähigkeit des ärmsten Landes Westeuropas verbessert werden. Es wurde
ausdrücklich die starke Unterstützung des Wirtschaftssanierungsprogramms Portugals durch die Regierung und
die größten politischen Parteien des Landes hervorgehoben. Eine weitere Herabstufung der Bonität Portugals
um ganze vier Stufen durch die Ratingagentur Moody’s Anfang Juli erhöhte massiv die Kritik Portugals und der
EU an den drei in den USA ansässigen Agenturen Moody’s, Standard & Poor's sowie Fitch. Es gibt Überlegungen,
die Macht dieser amerikanischen Ratingagenturen zu zerschlagen bzw. als Gegengewicht eine europäische
Ratingagentur zu gründen.
20
Die Wirtschaftsleistung Portugals ist 2011 als auch 2012 wie erwartet geschrumpft. Begründet wird der
Einbruch der portugiesischen Wirtschaftskraft vor allem mit einem Rückgang der Inlandsnachfrage. Portugals
Wirtschaft war 2010 noch um 1,4% gewachsen. 2012 sollte das Etatdefizit auf 5,0 Prozent der
Wirtschaftsleistung gedrückt werden. Für 2013 sind 4,5 Prozent vorgesehen. Im Zuge der Sparmaßnahmen
kletterte die Arbeitslosenrate zuletzt auf den Rekord von über 16 Prozent, die Wirtschaft schrumpfte 2012 um
rund drei Prozent.
Im September 2012 ist das Ziel des von der EU erlaubten Haushaltsdefizits von höchstens 3 % des BIP in
Übereinkommen mit den internationalen Geldgebern auf 2014 verschoben worden. Laut Troika aus EU, EZB
und IWF ist Portugals Sanierungsprogramm grundsätzlich auf gutem Wege". Die Exporte haben sich besser als
erwartet entwickelt, der Abbau des Außendefizits geht schnell voran. Unter anderem die höhere
Arbeitslosigkeit und das niedrigere verfügbare Einkommen belasten aber das Steuereinkommen, weshalb der
portugiesische Finanzminister neue Sanierungsmaßnahmen für 2013 bekanntgab. Für 2012 ist das Defizitziel
von 4,5 auf 5,0 Prozent gelockert worden, für 2013 sind nun 4,5 (statt 3,0) Prozent erlaubt.
Im Jänner 2013 hat sich Portugal erstmals seit seiner Flucht unter den Euro-Rettungsschirm mit einer
längerfristigen Staatsanleihe erfolgreich an die Kapitalmärkte gewagt. Die Nachfrage nach dem fünfjährigen
Papier habe das Einnahmeziel des Staates um das Fünffache übertroffen; der Zinssatz werde bei rund fünf
Prozent liegen. Mit der erfolgreichen Rückkehr an die Kapitalmärkte hat sich die Situation Portugals weiter
entspannt.
Portugal ist auf gutem Weg, bekam aber zwei Jahre mehr Zeit, um sein Defizit unter die Maastricht-Grenze
von 3 % zu drücken (bis 2015). Nachdem das portugiesische Verfassungsgericht Anfang April 2013 mehrere
Sparmaßnahmen für nichtig erklärt hatte, haben sich Gläubiger-Troika und Portugal auf ein neues Sparpaket
geeinigt (Abbau von 30.000 Stellen im öffentliche Dienst, 40 statt 35 Stunden Wochenarbeitszeit, Rentenalter
66 statt 65 Jahre). Die gesamte Wirtschaft schrumpfte 2013 um 1,4 %.
Portugal hat als drittes Euroland am 17. Mai 2014 den Rettungsschirm verlassen und kann sich wieder
vollständig über den Finanzmarkt finanzieren. Allerdings hielten EU und IWF die letzte Auszahlung aus dem
Rettungspaket (2.6 Mrd. Euro) vorerst zurück. Grund war eine Entscheidung des Obersten Gerichts in Lissabon,
mit dem ein entscheidender Teil des von den Kreditgebern geforderten Sparprogramms gekippt wurde
(Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst, Kürzungen bei Pensionen sowie beim Kranken- und Arbeitslosengeld).
Am 12.6.2014 hat Portugal auf die Auszahlung dieser letzten Tranche des Hilfspakets verzichtet. Allerdings
belief sich das Staatsdefizit im Jahr 2015 auf 4,4 Prozent. Im Sommer 2016 hat die Europäische Kommission
entschieden, trotz eines zu hohen Defizits keine Sanktionen gegen das Land zu verhängen. Für 2016 hat das
Land so wenige neue Schulden angehäuft wie noch nie seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie anno 1974.
Das Defizit belief sich auf 2,1 % des BIP. Für 2017 erwartet das Statistikamt einen weiteren Rückgang auf 1,6 %.
2.4.
SPANIEN
Spanien hatte neben der Schuldenkrise und der Wirtschaftskrise besonders mit dem Zusammenbruch des
Immobilienmarktes zu kämpfen, wodurch auch viele Banken in Schieflage gekommen sind. Ein weiteres
Problem ist die hohe Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote hat bereits ein Rekordhoch von 26 % und ist eine
der höchsten in der EU. Insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit ist ein großes Problem. Die Aussichten für die
viertgrößte Wirtschaft in der Euro-Zone verdüstern sich. In den Jahren 2012 und 2013 ist
Wirtschaftsleistung
gesunken.
Spanien
hatte
sich
gegenüber
der
EU-Kommission
verpflichtet,
die
sein
Haushaltsdefizit im Jahr 2012 auf 5,3% der Wirtschaftsleistung zu senken, was aber nicht gelungen ist. Dazu
müssen insgesamt 35 Mrd. Euro eingespart werden. Spaniens Schuldenberg wird immer größer. 2014 dürfte
dieser die eine Billion-Euro-Marke (etwa 98,9 % des BIP) erreichen.
21
Spanien muss in den nächsten Jahren einen riesigen Schuldenberg refinanzieren. Beim EU-Gipfel Ende Juni
2012 konnte das Land gemeinsam mit Italien durchsetzen, dass Staaten vor dem Staatsbankrott künftig auch
ohne Troika-Reformauflagen Nothilfe aus den Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM erhalten.
Im Januar 2012 hatte die neue Regierung schon ein erstes Sparpaket verabschiedet, Volumen: 15 Mrd. Euro.
Der öffentliche Sektor soll umstrukturiert und zahlreiche Staatsunternehmen geschlossen werden.
Spanien zierte sich lange, Eurohilfen in Anspruch zu nehmen. Am 9. Juni 2012 ist Spanien nach Griechenland,
Irland und Portugal als viertes Land unter den Euro-Rettungsschirm geflüchtet, indem es Finanzhilfe für den
angeschlagenen Bankensektor beantragte.
Spanien hat ein Rettungspaket „light“ beantragt. Das Geld aus dem ESM fließt an die spanische Regierung, die
gefährdete Banken damit unterstützt. Die daran geknüpften Bedingungen sind aber weniger streng und gelten
hauptsächlich für den Bankensektor. Es ist das erste Mal, dass dieses Instrument angewendet wird.
Die Troika aus EU, IWF und EZB bescheinigte dem Land, alle geforderten Bedingungen für die Auszahlung zu
erfüllen. Außerdem lobten die Troika-Inspektoren die Bemühungen der Regierung in Madrid, das
Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Es wurden 41 Mrd. Euro zur Rekapitalisierung der Institute
gebraucht - weit weniger als die vorsorglich veranschlagten 100 Mrd. Euro. Das spanische Programm ist im
Januar 2014 ausgelaufen. Allerdings läuft der Defizitabbau schleppend und lag 2015 mit 5,1 Prozent
Staatsverschuldung deutlich zu hoch. Im Sommer 2016 hat die Europäische Kommission entschieden, trotz
eines zu hohen Defizits keine Sanktionen gegen das Land zu verhängen.
Trotz Wirtschaftswachstums bringen Steuererhöhungen laut EU nicht die erwarteten Einnahmen. Die
Bankenrettungen belasten. Statt mit 3,1 % des BIP wird Spanien 2017 mit einem Defizit von 3,5 % schließen.
Das ist zwar besser als 2016, als es 4,7 % waren, aber nicht gut genug.
2.5.
ZYPERN
Vor allem aufgrund der engen Verflechtung der zypriotischen Finanzbranche mit dem angeschlagenen
griechischen Bankensektor musste Zypern - just zu Beginn der Übernahme der EU-Präsidentschaft Anfang Juli
2012 – ein Ansuchen um Finanzhilfe an die Euro-Partnerstaaten stellen. Die Euro-Partner und der
Internationale Währungsfonds (IWF) sind bereit, Zypern zu helfen, allerdings unter bestimmten Bedingungen.
Zypern erhält Hilfe aus dem Euro-Krisenfonds, um die drohende Staatspleite abzuwenden. Das Geld soll vor
allem in die Sanierung des maroden Finanzsektors fließen, der durch seine Geschäfte in Griechenland ins
Wanken geraten ist. Das erste von den Euro-Finanzministern ausgehandelte Zypern-Hilfspaket vom 16. März
2013 wurde vom zypriotischen Parlament abgelehnt – vor allem auch, weil kleine Sparer mit Einlagen unter
100.000 Euro einen Zwangsbeitrag leisten hätten müssen.
Die internationalen Geldgeber haben sich schließlich doch mit Zypern auf ein Hilfsprogramm im Umfang
von zehn Mrd. Euro geeinigt. Zypern soll durch Kredite der Euro-Länder und des Internationalen
Währungsfonds (IWF) in die Lage versetzt werden, bis 2020 etwa eine Schuldenquote von 100 Prozent des BIP
zu erreichen.
Nachfolgend die wichtigsten Punkte der Vereinbarung vom 25. März 2013:

Anlegerschutz: Im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung werden Konten mit Guthaben von weniger als
100.000 Euro nicht angerührt. Die geplante generelle Zwangsabgabe auf diese Konten entfällt. Allerdings
wird eine Zwangsabgabe auf Bankguthaben von mehr als 100.000 Euro eingehoben.

Umfang: Die Finanzhilfen der Geldgeber umfassen bis zu zehn Mrd. Euro. Der IWF will sich mit einer
Summe von einer Mrd. Euro beteiligen. Zypern zahlt für die Notfallkredite 2,5 Prozent Zinsen – die
Tilgung beginnt in 10 Jahren und dann 12 Jahre dauern.
22

Zypriotische Banken: Zypern sichert zu, sein aufgeblähtes Bankensystem zu sanieren und deutlich zu
verkleinern. Die Hilfsgelder von bis zu zehn Milliarden Euro werden nicht verwendet werden, um die
beiden größten Banken des Landes Laiki Bank und die Bank of Cyprus zu rekapitalisieren. Die zweitgrößte
Bank Laiki wird abgewickelt. Laiki wird dazu in eine „Bad Bank“ und eine „Good Bank“ aufgeteilt. Die
„Bad Bank“ wird langfristig abgewickelt. Die „Good Bank“ wird Teil der Bank of Cyprus.

Einlagen werden zu Aktien: Die EZB wird der Bank of Cyprus Liquidität bereitstellen. Die
Rekapitalisierung der Bank erfolgt durch eine Umwandlung der Einlagen über 100.000 Euro in Aktien.
Dabei werden die bisherigen Aktionäre und Anleihebesitzer voll einbezogen. Die Umwandlung erfolgt in
der Form, dass bis zum Ende des Programms eine Eigenkapitalquote von neun Prozent erreicht wird.
Großanleger, Gläubiger und Anteilseigner müssen sich somit auf erhebliche Verluste einstellen. Um die
finanzielle Basis der Bank zu stärken, wurden Guthaben von mehr als 100.000 Euro zu jeweils 47,5 Prozent
in Aktienkapital umgewandelt.

Kapitalertragssteuersatz: wird von 10 auf 12,5 Prozent angehoben.

Zeitplan: Die endgültige Vereinbarung wurde Anfang April finalisiert. Jetzt müssen nationale Parlamente
noch zustimmen. Die ersten Auszahlungen aus dem europäischen Rettungsschirm ESM soll es dann Anfang
Mai geben. Die anfänglichen Einschränkungen des Kapitalverkehrs werden sukzessive gelockert werden.
Die Troika hat Zypern Fortschritte bei der Sanierung des Staatshaushalts bescheinigt. Die Wirtschaftsdaten
sind aber schlecht: Ein konjunkturelles Tief steht bevor, der Primärsaldo ist seit 2009 negativ, das BIP 2013 um
minus 9 % geschrumpft. Dieses Krisenpaket wird schmerzhafte Auswirkungen haben. Erst im Jahr 2016 soll sich
wieder zaghaftes Wachstum einstellen. Ende März 2016 ist das EU-Hilfsprogramm ausgelaufen.
2.6.
ITALIEN – EIN WEITERES SORGENKIND DER EUROZONE?
Italien wies 2010 mit 119 % gemessen am BIP einen fast doppelt so hohen Schuldenstand auf als nach den
Maastricht-Kriterien erlaubt. Das Land musste bis Jahresende 2011 mehr Anleihen bedienen als Griechenland,
Spanien, Irland und Portugal zusammen.
Nach dem Abgang Berlusconis haben die politisch Verantwortlichen sofort mit der Sanierung der Staatsfinanzen
begonnen und umfassende Reformen eingeleitet. Zusätzlich hat sich Italien einem strikten Monitoring seiner
Staatsfinanzen durch den IWF und die EU-Kommission unterzogen. Der italienische Ministerpräsident Mario
Monti wollte mit einem Spar- und Reformpaket sein Land aus der Schuldenkrise bringen. Vorgesehen waren
unter anderem eine einschneidende Rentenreform, eine Streichung von Steuererleichterungen, eine
Mehrwertsteuererhöhung um zwei Prozent sowie eine Anhebung des Rentenalters. Im öffentlichen Dienst sollte
zudem personell gekürzt und organisatorisch gestrafft werden. Auch eine Immobiliensteuer gehört zu den für
Millionen Italiener schmerzhaften Maßnahmen. Die Regierung Monti drückte auf das Gaspedal, um im
Parlament das sogenannte Stabilitätsgesetz 2013 über die Bühne zu bringen. Damit sollte der Sparkurs mit
weiteren Maßnahmen im Jahr 2013 konsolidiert werden.
Aber die Reformen, die Monti auf den Weg gebracht hatte, begannen zu stocken, während die Wirtschaft
immer tiefer in die Rezession rutschte. Das treibt die Staatsschuldenquote hoch. Italien hat mit seinen
Staatsschulden einen neuen Rekordstand erreicht: Im Oktober 2012 überschritt Italiens Schuldenberg erstmals
die Schwelle von zwei Billionen Euro.
Italiens Industrie kam in der Rezession vorerst nicht auf die Beine. Dies zeigt, wie sehr Schuldenkrise und
Konjunkturabschwung die Industrie belasten. Italien steckt seit Mitte 2011 in der Rezession. Regierungschef
Mario Monti hatte versucht, mit Reformen gegenzusteuern. Dies kommt bei den Menschen aber nicht allzu gut
an. Nach Monaten der politischen Unsicherheit (verzögerte Regierungsbildung) bestand die Gefahr, dass von
Italien aus die Krise in der Eurozone wieder verschärft werden könnte.
23
Die schwache Konjunktur gefährdet jedoch die Sanierung des Haushalts. Italien ist weit davon entfernt, die
Neuverschuldung unter die 3 % Obergrenze zu drücken. Seit 2104 erreichten die Staatsschulden ein Rekordhoch
von 134 Prozent des BIP. Italien zahlt für seine Schulden bereits jetzt jedes Jahr 90 Mrd. Euro Zinsen.
Gefährdet wird die Erholung auch von politischer Instabilität. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi (seit
Februar 2014) nannte als Priorität seiner Regierung den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Er hat zwar erreicht,
den Steuerdruck auf Löhne und Gehälter zu reduzieren. Ende 2014 hat die italienische Regierung den
Gesetzentwurf zur Arbeitsmarktreform endgültig durchgebracht. Das "Job Act" genannte Reformpaket, in
dem es vor allem um die Lockerung des starken Kündigungsschutzes geht, ist damit am 1.1.2015 in Kraft
getreten. Jedoch sind in Italien kaum Signale eines Wirtschaftsaufschwungs zu spüren, allerdings ist die
Arbeitslosigkeit 2015 erstmals seit 7 Jahren gefallen.
Das hoch verschuldete Italien kämpft vermehrt mit seinen maroden Banken und deren faulen Krediten. Eine
hohe Anzahl von notleidenden Krediten von Unternehmen und Privatpersonen bedrohen zahlreiche italienische
Banken, deren Finanzschwäche zwar schon seit langem besteht, aber durch den Brexit (Kursverfall von
Bankaktien) schlagend wurde. Die offizielle Summe bewegt sich bei ca. 360 Mrd. Euro (ca.21 Prozent aller
Kredite in Italien). Die Regierung von Matteo Renzi pochte auf Staatshilfen (entgegen der neuen Bail-InRegeln, die seit 1.1.2016 gelten und die eine Beteiligung von Gläubigern einer Bank an deren Verlusten bei
deren Sanierung oder Abwicklung im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit vorsehen). Über solche staatlichen
Beihilfen muss die Europäische Kommission entscheiden.
3.
REGULATORISCHES UMFELD
3.1.
WIRTSCHAFTSPOLITISCHE STEUERUNG DER EU
Die Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung, eine effektivere Steuerung der nationalen
Fiskalpolitiken und insbesondere auch eine Reform des Stabilitätspaktes wird unter dem Begriff „economic
governance“ zusammengefasst, der im Deutschen oftmals mit „wirtschaftspolitische Steuerung und
Koordinierung“ übersetzt wird.
„SIX PACK“: Verstärkter Stabilitäts- und Wachstumspakt und Makroökonomische Ungleichgewichte
Die Europäische Kommission hat im September 2010 ein Paket aus sechs Legislativvorschlägen (deshalb die
Bezeichnung „Six Pack“) vorgeschlagen, das auf die umfassendste Verstärkung der wirtschaftspolitischen
Steuerung in der EU und im Euroraum seit Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion abzielt.
Dabei geht es um eine verbesserte haushaltspolitische Überwachung und die Anforderungen an die
haushaltspolitischen Rahmen der EU-Mitgliedstaaten, die Koordinierung der Wirtschaftspolitiken auf
europäischer Ebene, die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte in der EU sowie das
Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. Für Mitgliedstaaten, die Vorgaben nicht einhalten, sind verstärkte
Durchsetzungsmechanismen vorgesehen. Das im Jahr 2010 vereinbarte „Europäische Semester“ wird alle
geänderten und neuen Überwachungsverfahren in einem umfassenden und wirksamen wirtschaftspolitischen
Rahmen bündeln. Der Kommission werden überdies mehr Informations- und Kontrollrechte in den EUMitgliedstaaten zugestanden, um dem Verfahren mehr Gewicht und Biss zu verleihen.
Zur Stärkung und Verschärfung der Sanktionen wurde neben abgestuften, finanziellen Sanktionen
(verzinsliche bzw. unverzinsliche Einlage bis hin zur Geldstrafe) eine neue Geldstrafe (bis 0,2% des BIP) für
verfälschte Statistiken in Bezug auf Daten über Defizite und Schulden sowie eine verzinsliche Einlage (0,1% des
BIP) für Eurozone-Länder beschlossen, die es nicht schaffen, den Empfehlungen zur Behebung von
makroökonomischen Ungleichgewichten nachzukommen. Weiters werden gemeinsame Mindestanforderungen
24
für die Aufstellung von Statistiken, Prognosemethoden und öffentliches Rechnungswesen sowie die
Unabhängigkeit nationaler Statistikämter festgelegt, um das Bereitstellen von qualitativ hochwertiger und
vergleichbarer Daten sicherzustellen. Außerdem wird festgehalten, dass Rat und EU-Kommission die Rolle der
nationalen Parlamente und Sozialpartner sowie nationale Unterschiede zB bei der Lohnbildung uneingeschränkt
achten sollten.
Die Verabschiedung des Six-Pack ist zu begrüßen, weil dadurch die Haushaltsdisziplin erhöht wird und
gleichzeitig erstmals die makroökonomischen Ungleichgewichte in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten überwacht
werden. Es werden sowohl die Rolle der EU-Kommission (Überwachung und Formulierung von Empfehlungen)
als auch die Rolle des Europäischen Parlaments (Einführung eines wirtschaftspolitischen Dialogs) gestärkt. Die
neuen „Six Pack“-Regelungen sind seit Dezember 2011 in Kraft und gelten für alle 28 EU-Mitgliedstaaten mit
bestimmten Regelungen für die Länder der Eurozone.
„TWO PACK“: Neue Rechtsakte für verstärkte Haushaltsüberwachung der Euro-Länder
Am 23. November 2011 hat die EU-Kommission zwei weitere Verordnungsvorschläge für eine verstärkte
Haushaltsüberwachung vorgelegt, die auf EU-Ebene im März 2013 zwischen Rat und EU-Parlament fertig
verhandelt wurden:

Die Verordnung zur verstärkten Überwachung der Haushaltspolitik der Euro-Länder würde diese
verpflichten, ihre Budgetentwürfe alljährlich zum gleichen Zeitpunkt (15. Oktober) vorzulegen, und die
Kommission berechtigen, die nationalen Budgetpläne im Entwurfsstadium einzusehen und gegebenenfalls
zu ihnen Stellung zu nehmen. Bei wesentlichen Verstößen gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt kann
die EU-Kommission eine Überarbeitung des Budgetvoranschlags einfordern.

Die Verordnung zur verstärkten Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik von Euro-Ländern,
die unter schwerer finanzieller Instabilität leiden oder von ihr bedroht sind, soll gewährleisten, dass die
Länder, die ein Finanzhilfeprogramm durchlaufen oder ernsthaft von finanzieller Instabilität bedroht sind,
nach robusten, klaren und im EU-Recht verankerten Verfahren überwacht werden.
Das Two-Pack ist am 30. Mai 2013 in allen Euro-Ländern in Kraft getreten und hat bereits für das Haushaltsjahr
2014 erstmals Anwendung gefunden.
Der Euro Plus Pakt
Noch vor Verabschiedung des „Six Pack“ haben die Staats- und Regierungschefs der Eurozone sowie von
Bulgarien, Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien im März 2011 den sogenannten „Euro Plus Pakt“
verabschiedet.
Er
soll
eine
stärkere
Koordinierung
der
Wirtschaftspolitik
im
Hinblick
auf
die
Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz bringen.
Die teilnehmenden Mitgliedstaaten verpflichten sich, alle Maßnahmen zu ergreifen, die für die Verwirklichung
der nachstehenden Ziele erforderlich sind:

Förderung der Wettbewerbsfähigkeit

Förderung der Beschäftigung

Weiterer Beitrag zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen

Stärkung der Finanzstabilität
Der Fiskalpakt
Die meisten Mitgliedstaaten der Eurozone wiesen in den vergangenen Jahren, auch aufgrund der Finanzkrise,
hohe Defizite und einen insgesamt zu hohen Schuldenstand auf. Dies belastet die Zukunft dieser Staaten und
der Euro-Zone insgesamt und steht auch im Widerspruch zu den in den EU-Verträgen enthaltenen
25
Verpflichtungen (ausgeglichene Haushalte und Höchstgrenzen von 3% des BIP für das jährliche Defizit sowie
60% für den Gesamtschuldenstand).
Zur Vertiefung der Wirtschaftsunion und weiteren Stärkung der Haushaltsdisziplin wurde im Dezember 2011 die
Erarbeitung eines Fiskalpakts beschlossen. Da Großbritannien keiner EU-Vertragsänderung zustimmen wollte,
wurde ein zwischenstaatlicher Vertrag – außerhalb des EU-Rechts – angestrebt. 25 EU-Mitgliedstaaten (alle
außer GB und CZ) haben sich im Jänner 2012 auf den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung
in der WWU (VSKS bzw. gemeinhin als „Fiskalpakt“ bekannt) geeinigt. Der VSKS ist am 1.1. 2013 in Kraft
getreten, da mindestens 12 Euroländer ratifiziert haben.
Dieser Fiskalpakt umfasst die Verpflichtung zu ausgeglichenen oder Überschuss aufweisenden staatlichen
Haushalten (d.h. das jährliche strukturelle Defizit darf 0,5% des nominellen BIP nicht übersteigen). Diese
Regel (Schuldenbremse) soll im Lauf des Jahres 2013 in den betreffenden Mitgliedstaaten vorzugsweise auf
Verfassungsebene verankert werden und auch einen automatischen Korrekturmechanismus enthalten.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kann zur Überprüfung, ob die Staaten die Schuldenbremse in nationales
Recht umgesetzt haben, von den Vertragsländern angerufen werden. Als Sanktion bei Nichtumsetzung kann der
EuGH Geldstrafen verhängen. Die Strafe soll nicht höher als 0,1% des BIP sein und an den Rettungsschirm ESM
gezahlt werden.
Verknüpfung mit ESM: Seit März 2013 erhalten nur jene Euro-Länder Finanzhilfen aus dem EuroRettungsschirm ESM, die auch den Fiskalpakt unterzeichnet und umgesetzt haben.
3.2.
DIE STRATEGIE EU-2020 UND DAS EUROPÄISCHE SEMESTER
Die Europäische Union hat einen jährlichen Zyklus der wirtschaftspolitischen Koordinierung eingerichtet, das
„Europäische Semester“. Jedes Jahr nimmt die Kommission eine eingehende Analyse der haushaltspolitischen,
makroökonomischen und strukturellen Reformpläne der EU-Länder vor und gibt ihnen Empfehlungen für die
nächsten 12 bis 18 Monate. Diese Empfehlungen tragen auch zur Erfüllung der Ziele der langfristigen EUStrategie für Wachstum und Beschäftigung, d. h. der Strategie Europa 2020, bei, die im Rahmen des
Europäischen Semesters umgesetzt und überwacht wird. Bei vielen der in dieser Strategie angesprochenen
zentralen
Zukunftsbereiche
liegt
die
Kompetenz
nach
wie
vor
bei
den
EU-Mitgliedstaaten
(Beschäftigungspolitik, Bildungspolitik, Sozialpolitik). In diesem Rahmen haben sich die Mitgliedstaaten zu
einer stärkeren Koordinierung der Wirtschaftspolitik verpflichtet.
Im Oktober 2015 hat die Kommission eine weitere Straffung des Europäischen Semesters beschlossen. Dazu
zählen insbesondere eine bessere Integration von Euroraum- und nationaler Dimension, eine stärkere
Fokussierung auf Beschäftigung und Soziales, ein verstärkter demokratischer Dialog, die Förderung von
Konvergenz durch Leistungsvergleiche und Einhaltung bewährter Praktiken sowie die Förderung von Reformen
durch die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds und technische Unterstützung.
Der Ablauf des Europäischen Semesters beginnend mit November eines jeden Jahres ist in der folgenden
Übersicht dargestellt. (Quelle: http://ec.europa.eu/europe2020/making-it-happen/index_de.htm)
26
27
3.3.
EUROPÄISCHER FINANZAUFSICHTSRAHMEN
Anfang 2011 wurde das europäische System der Finanzaufsicht gegründet, um eine einheitliche Anwendung der
Vorschriften, die für den Finanzsektor gelten, im EU-Binnenmarkt sicherzustellen. Gleichzeitig soll dieses
Aufsichtssystem dazu beitragen, die Stabilität des und das Vertrauen in den Finanzmarkt zu erhalten sowie
einen
ausreichenden
Schutz
der
Kunden
von
Finanzdienstleistungen
zu
bieten.
Der
europäische
Finanzaufsichtsrahmen besteht aus einem:

Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) bei der EZB
und den drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden:

Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) in London (wird London aufgrund des Brexit verlassen)

Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung
(EIOPA) in Frankfurt

Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) in Paris.
Die Behörden setzen sich aus Vertretern der 28 nationalen Aufsichtsbehörden zusammen. Mit diesem neuen
Rahmen erhält Europa die weitgehenden Befugnisse, die es zur Aufdeckung eventuell im Finanzsystem
auflaufender Risiken benötigt, so wie sie im Vorfeld der Finanzkrise und auf ihrem Höhepunkt beobachtet
wurden. In Zusammenarbeit und Abstimmung mit den nationalen Aufsichtsbehörden sollen die europäischen
Aufsichtsbehörden Entwicklungen innerhalb des Finanzsystems überwachen und mögliche Risiken für die
Finanzmarktstabilität ermitteln.
Arbeitsweise:
Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) wird mögliche Bedrohungen für die Finanzstabilität, die
sich aus makroökonomischen Entwicklungen und Entwicklungen im Finanzsystem insgesamt ergeben,
überwachen und bewerten ("Aufsicht auf Makroebene"). Zu diesem Zweck wird der ESRB einen
Frühwarnmechanismus für im gesamten Finanzsystem auflaufende Risiken aufbauen und gegebenenfalls
Empfehlungen für Maßnahmen zur Handhabung dieser Risiken herausgeben. Damit wird die Anfälligkeit des
Finanzsystems in Bezug auf miteinander verbundene, komplexe sektorspezifische und -übergreifende
Systemrisiken verbessert. Die drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden werden in einem Netz und im
Einvernehmen mit den bestehenden nationalen Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten, um die finanzielle
Solidität auf Ebene der einzelnen Finanzinstitute und den Schutz der Nutzer von Finanzdienstleistungen sicher
zu stellen ("Aufsicht auf Mikroebene"). Das neue europäische Netzwerk verknüpft die Beaufsichtigung von
Finanzinstituten auf einzelstaatlicher Ebene mit einer starken Koordinierung auf europäischer Ebene, sodass
harmonisierte Vorschriften und eine kohärente Aufsichtspraxis sowie Rechtsanwendung vorangetrieben
werden.
Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden – direkte Entscheidungen möglich:
Die Europäischen Aufsichtsbehörden können den nationalen Behörden in drei Bereichen direkte Entscheidungen
übermitteln:

in Fällen, in denen sie zwischen nationalen Behörden schlichten, die an der Beaufsichtigung
grenzübergreifend tätiger Gruppen beteiligt sind und die sich auf gemeinsame Positionen einigen oder sie
koordinieren müssen;

in Fällen, in denen eine nationale Behörde EU-Recht, insbesondere Verordnungen nicht ordnungsgemäß
anwendet (EU-Verordnungen sind direkt anwendbar und nicht in nationales Recht umzusetzen) und

in vom Rat erklärten Krisensituationen.
28
3.4.
ERRICHTUNG DER BANKENUNION
Die Europäische Bankenunion soll einen integrierten Finanzrahmen zur Gewährleistung von Finanzstabilität
schaffen und die Kosten von Bankinsolvenzen so gering wie möglich halten. Sie umfasst drei wesentliche
Säulen wie den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus und die einheitliche Abwicklung von Kreditinstituten
sowie neue integrierte Rahmen für die harmonisierte Einlagensicherung.
Die Bankenunion stützt sich auf ein umfassendes und detailliertes einheitliches Regelwerk (rulebook) für den
Bereich Finanzdienstleistungen. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat die Befugnis, dieses
einheitliche Regelwerk weiterzuentwickeln und seine Umsetzung zu überwachen.
Die Errichtung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus seit November 2014 stellt einen Meilenstein auf dem
Weg zu einer Bankenunion in Europa dar. Die EZB übernimmt dabei als Teil eines neuen Aufsichtsmechanismus
(SSM) Aufgaben im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht. Sie ist dafür zuständig, dass der SSM effektiv
funktioniert. Sie arbeitet bei dieser Aufgabe mit den nationalen zuständigen Behörden der teilnehmenden EULänder zusammenarbeiten und beaufsichtigt direkt rund 130 Kreditinstitute.
Zweitens wird ein Einheitlicher Abwicklungsmechanismus geschaffen, der im Schadensfall zuerst
Anteilseigner und Gläubiger der Bank in Anspruch nimmt („bail in“), sowie ein Einheitlicher Abwicklungsfonds
aufgebaut, der von Beiträgen sämtlicher Banken aus den Mitgliedstaaten seit Beginn 2016 dotiert wird und ca.
55 Mrd. Euro umfassen wird. Für 2015 war ein Beitrag in der Höhe von 198 Mio. Euro von den österreichischen
Banken einzuzahlen.
Weiters soll ein europäisches Einlagensicherungssystem bzw. ein Rückversicherungssystem der einzelnen
mitgliedstaatlichen Einlagensicherungssysteme eingerichtet werden, um die rasche Auszahlung von Einlagen
im Wert bis zu 100.000 Euro pro Kreditinstitut und Person zu garantieren.
Die Bankenunion gilt nur für die Länder der Eurozone; Nicht-Euro-Mitgliedstaaten können mittels „OptIn“ beitreten, was bis dato noch nicht erfolgt ist.
3.5.
BANKEN-/VERSICHERUNGSSTRESSTESTS
Die Stresstests zeigen auf, wie Banken bzw. Versicherungen mit absoluten Worst-Case-Szenarien umgehen. Die
Maßnahme dient vor allem dazu, das Vertrauen in den Bankensektor wiederherzustellen.
Ziel der EU-weiten Bankenstresstests, die in den letzten Jahren bereits mehrmals durchgeführt wurden, ist die
Einschätzung der Resistenz der einzelnen Institute und des gesamten Bankensektors gegenüber negativen
makroökonomischen Entwicklungen. Als mögliche Auslöser dafür werden insbesondere eine verschärfte
Staatsschuldenkrise in der EU, ein negativer Nachfrageschock ausgehend von den USA sowie eine Abwertung
des US-Dollars angenommen. Im Stresstest soll untersucht werden, wie sich daraus resultierende
Veränderungen des Wirtschaftswachstums, der Arbeitslosigkeit und der Immobilienpreise auf die einzelnen
Positionen im Bank- und Handelsbuch der teilnehmenden Banken auswirken. Der Fokus liegt dabei
insbesondere auf Kredit- und Marktrisiken; es werden jedoch auch operationelle Risiken berücksichtigt. Aus
Österreich wurden für den Test von 2011 die Raiffeisen Bank International, die Erste Group sowie die
Österreichische Volksbank AG ausgewählt, wobei die Volksbank AG den strengen Kriterien nicht entsprochen
hat.
Im Laufe des Jahres 2014 wurden die 128 größten Banken Europas einem verschärften Stresstest unterzogen,
bevor sie seit November 2014 der Aufsicht der EZB unterliegen. Auch 2016 wurde wieder ein Stresstest
durchgeführt, dessen Ergebnisse Ende Juli veröffentlicht wurden. Besonders italienische Banken haben
schlecht abgeschnitten; für diese sollen entgegen der Regeln der Bankenunion Staatshilfen genehmigt werden.
29
2013 wurde erstmals auch ein freiwilliger Stresstest für Versicherungsunternehmen durchgeführt. Gemessen
am Marktanteil haben sich ca. 60% der Versicherungen in der EU, der Schweiz, Norwegen, Island und
Liechtenstein beteiligt. Die Ergebnisse geben größtenteils Entwarnung; jede zehnte Versicherung bekäme
allerdings ernsthafte Probleme mit den künftigen Kapitalvorschriften.
3.6.
BANKENABGABE
Ausgelöst durch eine aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise entstandene Bankenkrise wurden auf EU-Ebene
Maßnahmen für eine effizientere Kontrolle des europäischen Bankensektors erarbeitet. Mit diesen Maßnahmen
sollte sich auch das Risiko verringern, dass die öffentliche Hand in Zukunft Aktionen zur Rettung gescheiterter
Banken unternehmen muss.
Im Juni 2010 beschlossen die EU-Staats- und Regierungschefs, dass Bankinstitute in Zukunft eine Abgabe
leisten müssen. Finanzinstitute gelten als eine der Hauptverursacher der Finanzkrise und sollen mit der Abgabe
die von ihnen verursachten Kosten selbst tragen. Zu ihrer Stützung und Rettung wurden weltweit mehr als
1200 Mrd. Euro an Geld und Garantien zur Verfügung gestellt. Die EU 27 wollen ein System von Abgaben und
Steuern für Finanzinstitute einführen und damit für eine gerechte Lastenverteilung sorgen. Die EU-Chefs haben
sich beim G-20 Gipfel Ende Juni 2010 auch für eine weltweite Bankenabgabe eingesetzt, sind dabei aber auf
teilweisen Widerstand gestoßen. Nachdem Kanada, die USA und einige Schwellenländer die Bankenabgabe
vehement ablehnen, diskutiert die EU derzeit die Bankenabgabe im Alleingang einzuführen. Lediglich
Tschechien hat sich vorbehalten, nicht mitzumachen. Fast alle EU-Mitgliedstaaten werden die potenziellen
Erlöse einer Bankenabgabe zumindest kurzfristig in die Budgetplanung integrieren, um so die angespannten
Haushalte zu entlasten – so auch Österreich. Die Ausnahme ist Deutschland, wo das Geld in einen
Bankenkrisenfonds fließen soll.
Die nationalen Bankenabgaben können nach Einschätzung von EU-Verhandlungsteilnehmern auf den
Einheitlichen Abwicklungsfonds angerechnet werden, aber nur wenn die Staaten die entsprechenden Summen
auch in den europäischen Topf einzahlen.
Die österreichische Regierung hat vor einigen Jahren eine 500 Mio. Euro schwere Bankenabgabe beschlossen.
Grundsätzlich soll die Steuer an der Bilanzsumme der Banken anknüpfen, allerdings sollen bestimmte
Bestandteile unbesteuert bleiben (etwa Spareinlagen und Eigenkapital). Außerdem ist die Höhe der Steuer
nach Größe der jeweiligen Bank gestaffelt. Bringen sollte die Abgabe ab 2011 500 Mio. Euro jährlich.
Im Rahmen des Sparpaketes 2012 wurde die Bankensteuer um 25% wegen der Rettung der Volksbanken AG
erhöht. Alle Banken müssen bis 2017 eine höhere Bankensteuer zahlen: Statt 500 Mio. Euro sind es 625 Mio.
Euro im Jahr. Das sind zusätzlich 750 Mio. Euro über sechs Jahre. Ab 2014 wurde die Bankenabgabe wieder
erhöht. Nur noch die Bilanzsumme soll als Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Ob die nationale
Bankenabgabe und die Einzahlungen in den europäischen Abwicklungsfonds unabhängig voneinander bestehen
bleiben, war fraglich, wurde aber von den österreichischen Banken als überproportionale Belastung gesehen.
Nachdem es seit 2015 auch auf EU-Ebene den Abwicklungsfonds für Banken zu dotieren gilt, Aufwand für
österreichische Banken ca. 400 Mio. Euro pro Jahr) und die heimischen Banken somit unter der besonders
hohen Bankenabgabe (im internationalen Vergleich) deutlich litten, wurde die Bankenabgabe 2017 deutlich
reduziert:
Im Sommer 2016 konnte vereinbart werden, dass die Bankensteuer durch eine „Abschlagszahlung“ der
heimischen Banken auf ein in anderen EU-Staaten übliches Maß gesenkt wird. Nach einer einmaligen
Abschlagzahlung von 1 Mrd. Euro (2016 einmalig oder auf 4 Jahre verteilt) werden noch ca. 100 Mio. Euro aus
dem Titel der Bankenabgabe fällig sein.
30
Die neue Bankenabgabe betrifft nunmehr auch Banken mit einer Bilanzsumme von über 300 Mio. Euro (vorher
noch 1 Mrd. Euro), für ertragsschwache Jahre ist eine Deckelung eingezogen.
EUROSTAT - Verbesserung der Qualität gemeldeter Daten
Aufgrund der griechischen Schuldenkrise wurde 2010 die jahrelange Forderung nach mehr Transparenz und
Kontrolle bei relevanten Wirtschafts- und Budgetdaten von EU-Staaten erfüllt. Das europäische Statistikamt
Eurostat
hat
angesichts
der
Wirtschaftskrise
mehr
Kompetenzen
zur
Kontrolle
der
nationalen
Haushaltsstatistiken erhalten. Die Finanzminister ziehen damit die Konsequenzen aus den wiederholten
griechischen Falschmeldungen zum Haushaltsdefizit. Eurostat erhält damit Zugriff auf die Daten aller
staatlichen Stellen, von Bundes- bis Gemeindeebene. Die Staaten müssen dem Statistikamt genaue Angaben
über die zugrundeliegende Rechnungslegung oder genutzte Fragebogen bereitstellen. Stellt Eurostat bei der
Bewertung schwerwiegende Risiken fest, kann das Amt Inspektionen im Land vornehmen. Bereits 2004 schlug
die EU-Kommission eine Stärkung der Kontrollrechte von Eurostat vor, scheiterte damals aber noch am
massiven Widerstand zahlreicher EU-Mitgliedstaaten.
Der IWF überprüft gemeinsam mit Vertretern von EU und EZB regelmäßig die griechischen Reformbemühungen.
Dies ist Teil des mit EU und IWF vereinbarten Reformprogramms. Die 2011 veröffentlichten Quartalszahlen sind
laut der griechischen Statistikbehörde Elstat bereits mit verbesserten Methoden erhoben worden. Dass immer
noch Zahlen zum griechischen Haushalt korrigiert würden, läge auch an der Umstellung auf diese neuen
Standards. Allerdings weist Elstat von sich aus auf die vorerst noch begrenzte Zuverlässigkeit der neuen
Berechnungen hin. Nutzer der Daten "sollten weiterhin vorsichtig mit diesen Ergebnissen umgehen, bis längere
Zeitreihen erstellt wurden". Dass die Zahlen - so wie früher - auf politischen Druck manipuliert werden, scheint
inzwischen aber unwahrscheinlich. Schon im vergangenen Jahr hat Griechenland die neue Statistikbehörde
gegründet, die im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin nur noch vom Parlament kontrolliert werden soll.
Die aus Gründen der Schuldenwahrheit von Eurostat verlangte Umbuchung von ausgelagerten Staatsschulden in
das Budget bescherte auch Österreich für 2010 das höchste Defizit seit 15 Jahren. Konkret stieg das Defizit um
einen Prozentpunkt auf 4,6% des BIPs, und zwar wegen einer teilweisen Einrechnung der Schulden der ÖBB und
weiterer öffentlicher Unternehmen bei Bund und Ländern.
31
4.
FRAGEN UND ANTWORTEN
4.1.
WARUM WURDE GRIECHENLAND ÜBERHAUPT IN DIE WÄHRUNGSUNION
AUFGENOMMEN?
Die Entscheidung zur Aufnahme Griechenlands wurde auf Grundlage der im Jahr 2000 vorliegenden Zahlen
gefällt. Zwar lag auch schon damals das griechische Haushaltsdefizit oberhalb der Stabilitätsmarke von 3% der
Wirtschaftsleistung, jedoch gingen die EU-Staaten aufgrund der gemeldeten günstigen griechischen
Wachstumszahlen von durchschnittlich 3 bis 4 Prozent pro Jahr von einem vollständigen und schnellen Abbau
des übermäßigen Defizits aus. Es hat sich aber leider herausgestellt, dass Prognosen und die kurzfristige
Erfüllung der Konvergenzkriterien nicht ausreichend sind. Vielmehr müssen die Kriterien langfristig erfüllt und
deren Einhaltung genau überprüft werden.
4.2.
WIE WAHRSCHEINLICH IST ES, DASS GRIECHENLAND DAS GELD NICHT
ZURÜCKZAHLEN KANN?
Die griechischen Sparpakete enthalten drastische Maßnahmen, mit denen eine nachhaltige haushaltspolitische
Konsolidierung erreicht werden muss. Wichtig ist, dass die beschlossenen Reformen in Griechenland
tatsächlich umgesetzt werden, um das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen. Dies würde zu dem dringend
notwendigen Aufschwung führen, den Griechenland braucht, um seine Kredite auch bedienen zu können.
Allerdings gestaltet sich die Umsetzung der harten Reformprogramme schwieriger als angenommen, da es viele
strukturelle Probleme gibt. Der im Rahmen des 2. Hilfspakets erfolgte teilweise Schuldenschnitt bedeutet
tatsächlich einen enormen Schuldenerlass für Griechenland und erleichtert damit die Rückkehr zu einem
überschaubaren Defizit auch durch die damit geringer werdenden Zinszahlungen. Allerdings gefährden
verkrustete Strukturen den gegenwärtigen Reformprozess.
4.3.
WARUM WURDE
GESCHICKT?
GRIECHENLAND
NICHT
IN
DEN
STAATSBANKROTT
Ein Bankrott Griechenlands oder eines anderen Mitglieds der Währungsunion würde zu hohen Verlusten
österreichischer und anderer europäischer Banken und Versicherungen führen. Eine weitere Banken- und
Finanzkrise würde folgen und die nachfolgenden Kosten könnten schwerwiegende Auswirkungen haben. Nicht
nur Österreich, sondern der gesamte Euro-Währungsraum käme durch einen griechischen Staatsbankrott unter
Druck. Schon geschwächte Staaten kämen noch mehr in die Bredouille und ein Dominoeffekt könnte die Folge
sein.
Im Fall eines Ausschlusses Griechenlands aus der Euro-Zone würde die neue griechische Währung stark
abwerten. Da damit Griechenlands auf Euro lautende Schulden schlagartig und ebenso stark aufgewertet
würden, wäre ein weiterer Schuldenschnitt der Gläubiger unvermeidlich. Damit würden auch die
österreichischen Staatsschulden steigen, was den Konsolidierungsbedarf in den kommenden Jahren erhöhen
würde (IHS 2012- Szenarien für die Krise des Euroraums und Folgen für Österreich). Laut IHS wäre im Falle
eines Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone das reale BIP Österreichs 2016 um 4 Mrd. Euro niedriger als bei
einem Fortbestand der Euro-Zone, es käme zu einem Rückgang der Exporte um 5,33 Mrd. Euro bis 2016 und
bereits im ersten Jahr gäbe es in Österreich einen Rückgang der Beschäftigung um 13.100 bzw. 29.500 bis 2016.
Ungeachtet der tatsächlichen Notwendigkeit der Darlehen an Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und
Zypern sind die Hilfspakete auch ein klares Zeichen für Solidarität innerhalb der Europäischen Union. Die
Mitgliedstaaten können sich aufeinander verlassen und es wird kein Staat im Stich gelassen.
32
4.4.
WARUM SOLL DER ÖSTERREICHISCHE STEUERZAHLER FÜR ANDERE EUROLÄNDER WIE GRIECHENLAND EINSPRINGEN?
Sollte Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können, müssten alle Banken,
Versicherer und Finanzdienstleister die im Vermögen befindlichen griechischen Staatsanleihen komplett
abschreiben, wodurch sie in Probleme kommen könnten. Österreichische Finanzdienstleister sind zwar nicht in
großem Umfang betroffen, aber es könnten Institute anderer europäischer Länder betroffen werden, an denen
wiederum heimische Unternehmen beteiligt sind bzw. Aktien, Anleihen im Portfolio halten.
4.5.
WAS PASSIERT, WENN DER EURO AN WERT VERLIERT?
Von wegen „schwacher Euro“: Der Euro startete bei seiner Einführung mit 1,18, fiel dann auf unter 0,89 USDollar; heute (Stand April 2017) liegt er bei ungefähr 1,07 US-Dollar. Ein im Vergleich zum Dollar starker Euro
hat auch Nachteile, v.a. für die Exportwirtschaft. Mit dem gesunkenen Wechselkurs wird der US-amerikanische
Markt auch für die heimische Exportwirtschaft wieder interessanter. Der österreichische Export ist ein
wesentlicher Konjunkturmotor und kann somit einen wertvollen Beitrag zur Ankurbelung der heimischen
Wirtschaft leisten. Ein Gleichgewichtswechselkurs nach Kaufkraftparitäten (Euro zum Dollar) würde je nach
Berechnungsmethode zwischen 1,10 und 1,30 liegen.
4.6.
WAS WÜRDE PASSIEREN WENN EIN LAND AUS DEM EURO-RAUM AUSTRETEN
WÜRDE? WELCHE KONSEQUENZEN HÄTTE EINE TEILUNG DES EURO-RAUMS
(„NORD-EURO“ – „SÜD-EURO“)?
Die Teilung in einen starken „Nord-Euro“ und einen schwachen „Süd-Euro“ wäre gleichbedeutend mit einer
Rückkehr zu einer Drittwährung. Die Konsequenzen wären für alle Beteiligten schlecht, aber insbesondere für
jene Länder dramatisch, die aus dem derzeitigen Euro-Raum ausscheiden würden.
Der starke „Nord-Euro“ müsste aufwerten, die Teilnehmer würden an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den
ausgetretenen Ländern verlieren (die exportierten Produkte werden „teurer“, das Urlaubsland Österreich wird
teurer) und Österreich erleidet damit Exporteinbrüche zu diesen Ländern. Die österreichische Industrie bleibt
auf den Waren sitzen, die Arbeitslosigkeit steigt – derzeit werden durch die Exporte in unserem Land rund
550.000 Jobs gesichert. Die verschuldeten Süd-Euro-Länder würden zwar kurzfristig durch die Abwertung an
Wettbewerbsfähigkeit gewinnen (Exporte steigen, das Land wird für Touristen billiger), die Importe würden
sich aber im gleichen Ausmaß verteuern.
Weitere Konsequenzen für den austretenden Staat:







die in (Hartwährungs-)Euro eingegangenen Schulden müssten zurückgezahlt werden (was viel teurer wird)
oder der Staat müsste umschulden (zumindest teilweise)
dies könnte zu Banken“pleiten“ in manchen EU-Staaten führen (die Staatsanleihen im Portfolio haben)
es könnte zu einem Ansturm auf alle Banken (auch in anderen Ländern) kommen
hohe Inflation (importiert und hausgemacht),
durch den kleineren Währungsraum und durch die schlechtere Bonität müssten für Staatsanleihen höhere
Zinsen gezahlt werden im Vergleich zu den Mitgliedern des „Nord“-Euro-Raums
die Zinsen (für Investitionen und Konsum) würden in diesem Land steigen und die Wirtschaft stagnieren
oder in eine Rezession abgleiten
Exporteure (und Reisende) müssten wieder für den Umtausch von Fremdwährung Gebühren/Spesen zahlen
oder sich gegen Währungsrisiko absichern
Zu dem Ergebnis, dass radikale Reformen und ein Fortbestehen der Euro-Zone in Ihrer bisherigen Form die
beste Lösung wären, kommen sowohl das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das
Institut für höhere Studien (IHS) in aktuellen Studien:
33

WIFO - EU-Mitgliedschaft Österreichs - Eine Evaluierung in Zeiten der Krise: wifo.ac.at

IHS - Szenarien für die Krise des Euroraums und Folgen für Österreich:
ihs.ac.at/publications/lib/endbericht_szenarien_euroraum.pdf
Sowohl ein Austritt Griechenlands als auch ein Austritt der Krisenländer bzw. ein Totalzerfall der
Währungsunion hätten dramatische Auswirkungen unter anderem auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung
und würde zu einem Einbrechen der Exporte führen.
Ein Austritt von Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Irland und Zypern (lt. IHS unwahrscheinlich) und
ein „Nord-Euro“ der übrigen Länder hätte u.a. folgende Konsequenzen:



Absinken des BIP bis zum Jahr 2016 um 7,5 % (bzw. 22,2 Mrd. Euro weniger als bei Fortbestand der EuroZone) und
Rückgang der Exporte um 30,99 Mrd. Euro bis 2016 (2016: -15 %)
118.300 Arbeitsplätze weniger bis 2016
Ein gänzliches Zerbrechen des Euroraums (dies wird als höchst unwahrscheinlich bezeichnet) hätte zur
Konsequenz, dass alle Länder zu ihren nationalen Währungen wie vor der Errichtung des Euroraums am
1.1.1999 zurückkehren.

Absinken des BIP bis zum Jahr 2016 um 10,75 % (bzw. 31,4 Mrd. Euro weniger als bei Fortbestand der EuroZone)

Rückgang der Exporte um 45,58 Mrd. Euro bis 2016 (2016: - 22,3 %)

188.400 Arbeitsplätze weniger bis 2016
4.7.
WELCHE FOLGEN HÄTTE ES, WENN ÖSTERREICH DEN SCHILLING WIEDER
EINFÜHREN WÜRDE?
WIFO: Eine Rückkehr zum Schilling: mögliche Folgen für Österreichs Wirtschaft
Das WIFO diskutiert dieses Szenario in seiner oben zitierten Studie und kommt zu dem Schluss, dass eine
Wiedereinführung des Schillings nur unter der Annahme eines gänzlichen Zerfalls der Währungsunion denkbar
scheint. Ein solches Szenario wurde bisher nicht untersucht, es würde aber sowohl für die betroffenen Länder
als auch für die Weltwirtschaft noch tiefgreifendere Folgen haben als eine Redimensionierung des EuroRaumes. Die gesamtwirtschaftlichen und sozialen Kosten würden in diesem Fall deutlich höher ausfallen. Für
eine kleine, offene Volkswirtschaft wie Österreich hätte eine derart tiefe Rezession gekoppelt mit der
wahrscheinlichen Aufwertung des Schillings enorme Marktanteilsverluste auf dem Weltmarkt zur Folge:

Die bisher erfolgreiche Expansion der Exporte nach Osteuropa und in den Schwarzmeerraum käme zum
Stillstand.

Die Absatzmärkte in den südlichen Ländern der EU würden wegbrechen.

Die starke Abwertung von deren Währungen ginge zulasten der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen
Exportwirtschaft.

Österreich läge an der Peripherie zu einem wenig dynamischen Umfeld in Süd- und Osteuropa. Die
Verbindung zu rasch wachsenden Regionen in Nordafrika, der Türkei und Zentralasien würde schwächer;
und damit die Wachstumsaussichten für Österreich dämpfen.
Zusätzlich wären spekulative Attacken auf den Finanzmärkten gegen den Schilling zu erwarten, die eine
weitere Steigerung der Volatilität der Wechselkurse nach sich ziehen würden.
Eine noch tiefere Rezession würde die öffentlichen Haushalte in Österreich stärker belasten und die
Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme deutlich erschweren.
34





Kosten: direkte Kosten: da die alten Schilling-Noten und –Münzen von der Nationalbank vernichtet wurden,
müssten neue hergestellt werden. Umstellungskosten für Banken und Unternehmen rund 3 Mrd. €. (Die
Umstellung von Schilling auf Euro kostete die österreichische Volkswirtschaft 2002 rund 1,5 Mrd. Euro und
benötigte mehrere Jahre Vorbereitung).
Die OeNB müsste spekulative Angriffe durch teure Schilling-Ankäufe an den Finanzmärkten abwehren.
Eine Bindung an wichtige Währungen wäre heute viel schwieriger, da die gehandelten Volumina ungleich
größer sind und die Märkte nervöser. Dies betrifft schon jetzt jene Länder, die ihre Währungen seit einiger
Zeit an den Euro koppeln.
Allenfalls steigende Preise durch schwankende Wechselkurse für Importprodukte (Lebensmittel, Benzin
etc.)
Eine erwartete (BA-Chefökonom Bruckbauer) Senkung der Wirtschaftsleistung bei einem österreichischen
Alleingang um 5% (rund 15 Mrd. Euro) würde rund 80.000 Arbeitsplätze kosten. Das Problem würde noch
durch den Wegfall des großen Euro-Binnenmarktes verschärft werden. Die Investitionen von Konzernen aus
dem Euro-Raum in Österreich wären ebenso rückläufig.
4.8.
WIE HAT ÖSTERREICH VOM EURO PROFITIERT?
Kein Land hat durch die Euro-Einführung seinen Wohlstand so stark gesteigert wie Österreich, zeigen die
Unternehmensberater McKinsey in einer im Jänner 2012 veröffentlichten Studie. Fast 8 Prozent des BIP sind ihr
zu verdanken. Der Grund für den Spitzenplatz: Wie der große Nachbar kann auch Österreich die Vorteile eines
großen Währungsraums voll nutzen, weil es seine Wettbewerbsfähigkeit gesteigert hat. Zusätzlich profitiert es
stärker vom intensivierten Austausch mit Staaten in Osteuropa, die schon in der Eurozone sind oder sich ihr
annähern.
Auch das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hat in seiner Studie (*WIFO/EU-Mitgliedschaft
Österreichs - Eine Evaluierung in Zeiten der Krise: http:www.wifo.ac.at), eine Re-Evaluierung der
österreichischen EU- und Euro-Mitgliedschaft vorgenommen. Aufgrund eines internationalen Vergleiches (z. B.
mit der Schweiz) wird diskutiert, ob die EU bzw. die Euro-Mitgliedschaft in Zeiten der Krise Vor- oder
Nachteile hatte und was ein Abseitsstehen von der EU-Integration bedeutet hätte. Allein die Euro-Einführung
hat nach den Berechnungen des WIFO zu einem zusätzlichen jährlichen Wirtschaftswachstum in Österreich von
0,4% bzw. kumuliert zu einem zusätzlichen BIP-Wachstum von 5,6% geführt und zusätzlich 102.000
Arbeitsplätze geschaffen.
Der Euro wird immer wieder gerne als "Teuro" verteufelt. Fakt ist jedoch: Die Inflation war vor Einführung des
Euro im Durchschnitt höher als heute, ohne Euro-Einführung wäre die Inflation jährlich seit 1999 jährlich um
0,1% höher gewesen (WIFO). Zudem hat sich der Euro gerade in der derzeitigen Wirtschaftskrise als
Stabilitätsanker erwiesen. Und das ist nicht sein einziger Vorteil.
Kein Geldumtausch - keine Kursschwankungen
Zu den offensichtlichen Vorteilen zählt der Wegfall des Geldumtauschs. Das Risiko von Kursschwankungen
gehört damit ebenfalls der Vergangenheit an. Im gesamten Euroraum wurde das Zahlen und Reisen dadurch
vereinfacht. Dies gilt ebenso für die massiven Kostensenkungen im europäischen bargeldlosen Zahlungsverkehr.
Die einheitliche Währung erlaubt eine einfache Vergleichbarkeit von Preisen im gesamten Euroraum. Diese
Preistransparenz steigert den innereuropäischen Handel und führt zu mehr Wettbewerb. Schon vor Einführung
des Euro wurden durch den freien Kapitalverkehr etwa die Kosten für Darlehen gesenkt. Auch gibt es für
Verbraucher viel mehr Anlagemöglichkeiten, die in der gesamten EU genutzt werden können.
35
Vorteile für Unternehmen
Besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ergeben sich durch den Wegfall von Transaktionskosten
wirtschaftliche
Vorteile.
Der
Ankauf
von
Fremdwährungen
oder
eine
teure
Absicherung
gegen
Kursschwankungen ist zum Beispiel nicht mehr erforderlich. Eine Absicherung, wie sie heute im Handel mit
dem Dollar-Raum noch üblich ist, verursacht gerade für KMU erhebliche Zusatzkosten. Diese fallen innerhalb
der EU nicht mehr an. So können Unternehmen die Vorteile des europäischen Binnenmarktes zur Gänze
ausschöpfen. Der daraus resultierende europaweite Wettbewerb kommt allen EU-Bürgern zugute.
Stabilität in der Krise
Neben den unmittelbaren Vorteilen sorgt das Eurosystem für finanzielle Stabilität. Innerhalb von zehn Jahren
hat der Euro sein Gewicht in der Welt behauptet und ist nach dem US-Dollar die zweitwichtigste Währung der
Weltwirtschaft. Besonders in der aktuellen Finanzmarktkrise hat der Euro seine Bewährungsprobe bestanden.
Seine Stärke sorgt für eine Stabilität der Währung, die es bei 19 verschiedenen Währungen mit ihrer
Spekulationsanfälligkeit
nie
gegeben
hätte.
Gerade
kleine
Länder
wie
Österreich
wären
stärker
währungspolitischen Spekulationen ausgesetzt als große.
4.9.
WIE WÄRE ES UNS IN DEN LETZTEN JAHREN MIT DEM SCHILLING ERGANGEN?
Anfang 2009 warnten Ratingagenturen davor, dass sich die Finanzkrise in Osteuropa auf Banken im Westen
auswirken könnte, die dort aktiv sind. Dies hätte in besonderem Ausmaß Österreich betroffen. Aufgrund des
intensiven Engagements österreichischer Banken in den mittel- und osteuropäischen Ländern wurde die Bonität
Österreichs angezweifelt. So stieg der Zins auf österreichische Staatsanleihen 2009 um 95 Basispunkte im
Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte. Statt 25 Basispunkten Aufschlag auf die am besten
bewerteten deutschen Staatsanleihen betrug dieser Aufschlag nun 120 Punkte. Österreichische Staatsanleihen
zählten somit, gemessen am Zinssatz, der das von Anlegern eingeschätzte Ausfallsrisiko widerspiegelt, zu den
am schlechtesten bewerteten in Westeuropa, gleichauf mit Spanien und Italien, jedoch deutlich hinter Island
und Irland.
5Y CDSS
450
Greece
400
350
Portugal
Ireland
Spain
300
250
Italy
Aus tria
Belgium
200
France
150
100
50
0
juil-08
oct-08
janv-09
avr-09
juil-09
oct-09
janv-10
Source: Bloomberg
Internationale Ratingagenturen überlegten sogar eine Abwertung der Bonitätseinstufung von Triple-A hinunter,
was die Zinsen für österreichische Staatsanleihen weiter erhöht hätte. Moody’s wies „warnend“ darauf hin,
dass sich die „Finanzkrise in Osteuropa“ negativ auf „Banken im Westen“ auswirken könnte. Fitch erklärte,
dass es die „Verflechtung Österreichs mit Osteuropa mit Besorgnis“ sehe. Die befürchtete Abwertung blieb
vorläufig jedoch aus. Schließlich bestätigte damals Standard & Poor's das Triple-A und kommentierte dies
36
damit, dass davon ausgegangen werde, dass Österreich die derzeitigen Schwierigkeiten werde bewältigen
können.
Im April 2009 prophezeite der US-Starökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman aufgrund des
Ostengagements Österreich – neben Irland und Island – als vom Staatsbankrott bedroht, eine Einschätzung, die
von österreichischen Regierungsvertretern vehement abgelehnt und in Bezug zu Börsensentiment und
Spekulation gesehen wurde. Im Mai 2009 entschuldigte sich der IWF seitens seines damaligen Chefs Dominique
Strauss-Kahn formell bei Österreich für einen „menschlichen, aber unakzeptablen Rechenfehler“, den der IWF
in der Einschätzung des Ostmarktes gemacht hatte und der diese ganze Affäre verschlimmerte.
Als Maßnahme gegen die Wirtschaftskrise in den osteuropäischen Staaten verdoppelte die EU die
Zahlungsbilanzhilfe auf 50 Mrd. Euro, was den Finanzmärkten die Besorgnis nahm und die Aufschläge wieder
auf Normalniveau sinken ließ. Die Zinsdifferenz hätte laut Schätzung der OeNB in den Jahren 2009 und 2010
jeweils rund 1 Milliarde Euro zusätzlicher Zinskosten verursacht (siehe auch Pkt 2.3). Hätte Österreich zu
dieser Zeit nicht den Euro, sondern den Schilling als Währung gehabt, wäre dieser massiv unter Druck
gekommen. Als Mitglied des Euroraumes wurden diese Währungsturbulenzen nicht schlagend.
4.10. WIE GEHT ES DER SCHWEIZ MIT IHREM „HARTEN“ FRANKEN?
Die Schweizer Notenbank musste während der Krise gegen eine zu starke Aufwertung des Schweizer Franken
intervenieren, um eine Deflation zu verhindern, was ihr auch gelang. Allerdings war der Preis sehr hoch: Die
Verluste der Schweizer Notenbank aus diesen Interventionen betrug im Jahre 2010 26,4 Mrd. Schweizer
Franken (ca. 20 Mrd. Euro!). Nicht zuletzt aufgrund des enormen Aufwertungsdrucks verlor die Schweizer
Wirtschaft zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit.
Weil der Schweizer Franken gegenüber dem Euro zuletzt immer stärker geworden war, versuchte die
Schweizer Nationalbank mit Zinssenkungen und massiven Liquiditätsspritzen, den Franken zu schwächen.
Dadurch entstand 2010 und bis Mitte 2011 ein Verlust von 35 Mrd. CHF. Zwar konnten die Währungshüter die
Aufwertung etwas bremsen, für einen nachhaltigen Ausbruch aus dem Aufwärtstrend reichte es jedoch nicht.
Am 6. September 2011 legte die SNB einen Euro-Mindestkurs von 1,20 Schweizer Franken fest. Mit der
Festlegung eines fixen Wechselkurses zum Euro hat sie die eigene Währungssouveränität aufgegeben.
Am 15. Jänner 2015 gab die Schweizer Notenbank überraschend nach mehr als drei Jahren den Mindestkurs
von 1,20 Franken je Euro auf. Der Franken verteuerte sich kurzfristig dramatisch. Danach pendelte er sich
ungefähr bei 1,1 Franken je Euro ein. Seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist zu beobachten,
dass die Zentralbank einen etwas stärkeren Franken zulässt (ca. 1,07 Franken je Euro). Investoren und
Unternehmen müssen sich darauf einstellen.
Für die Schweizer Exportwirtschaft und den Tourismus ist die starke Währung eine enorme Belastung, hingegen
werden Importe in die Schweiz, auch aus Österreich, billiger. Der Handel in grenznahen Regionen und der
Tourismus in Österreich profitieren.
4.11. IST DER AUSTRITT AUS DER EURO-ZONE ÜBERHAUPT RECHTLICH MÖGLICH?
Ein freiwilliger Ausstieg ist laut Europarechtsexperten nur bei einem gleichzeitigen Austritt aus der EU
(möglich mit anschließendem Wiedereintritt in die EU) durchführbar. Gegen den Willen eines Staates kann kein
Ausschluss erfolgen, da wichtige Entscheidungen Einstimmigkeit erfordern.
37
ANHANG: INFORMATIONSLINKS RUND UM DIE EU UND DIE AKTUELLE
WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSSITUATION
 Bundesministerium für Finanzen
http://www.bmf.gv.at
 Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend
http://www.bmwfj.gv.at
 Centre for European Policy Studies
http://www.ceps.eu
 Europäische Bankenaufsicht:
http://www.c-ebs.org
 Europäische Kommission - EU-Strategie zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise
http://ec.europa.eu/economy_finance/focuson/crisis
 Europäische Kommission – Winterprognose 2017
 https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/economic-performance-andforecasts/economic-forecasts/winter-2017-economic-forecast_en
 Europäische Kommission – Wiederbelebung der europäischen Wirtschaft
http://ec.europa.eu/financial-crisis/index_de.htm
 Europäische Zentralbank
http://www.ecb.int/ecb/html/index.de.html
 European Economic Advisory Group
www.cesifo-group.de/eeag
 European Union Information - EurActiv Network
http://www.euractiv.com/de
 Eurostat
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