| FACHBERICHTE | Wasserversorgung Konkurrierende Nutzungsansprüche von Land- und Wasserwirtschaft im Zeichen des Klimawandels Wasserversorgung, Wasserwirtschaft, Beregnungsbedarf, Klimawandel, Grundwasserqualität Reinhard Fohrmann und Christine Kübeck In dem dynaklim-Forschungsvorhaben wurden die Auswirkungen des Klimawandels und daran angepasste ­Bewirtschaftungsstrategien auf den Wasserhaushalt in der Projektregion „Emscher-Lippe“ analysiert. Im Fokus dieses Teilvorhabens stand der Einsatz von Prognose­ modellen zur Berechnung des Wasser- und Stoffhaushalts in der ungesättigten und gesättigten Zone unter landwirtschaftlich genutzten Flächen, um den Einfluss veränderter klimatischer Randbedingungen auf den Grundwasser­ körper zu quantifizieren. Dazu wurden umfangreiche, modellgestützte Berechnungen des Bodenwasserhaushalts und Stoffumsatzes im Boden durchgeführt. Basierend auf den Modellergebnissen zur aktuellen und zukünftigen Beregnungsbedürftigkeit landwirtschaftlicher Flächen sowie zum Stickstoffaustrag aus diesen Flächen erfolgte eine Analyse der Auswirkungen dieser Ent­ wicklung auf die wasserwirtschaftliche Nutzbarkeit der Grundwasserressourcen in der Projektregion hinsichtlich Grundwasserdargebot und -beschaffenheit. Competing Demands for Water Usage in Agriculture and Water Management under the Pressure of Climate Change 1. Einleitung baren Süßwassers laut Statistischem Bundesamt [1] unge­nutzt bleibt. Diese Zahlen verdeutlichen bereits, dass es anders als in vielen Regionen der Welt in Deutschland grundsätzlich kein quantitatives Problem an nutzbaren Wasserressourcen gibt, wenngleich sich dies in einzelnen Regionen anders darstellen mag. Von der entnommenen Menge an Süßwasser ent­ fallen in Deutschland bundesweit lediglich ca. 3,0 % (5,4 Mrd. m3) der nutzbaren Ressourcen auf die öffent­ liche Wasserversorgung, wovon ca. 3,5 Mrd. m3 Trink­ wasser an Haushalte und Kleingewerbe abgegeben werden. Für die kommunale Trinkwasserversorgung wird in Deutschland überwiegend Grundwasser genutzt. Ledig­lich 12,4 % werden aus Oberflächengewässern und bis zu 17 % indirekt über Grundwasseranreicherung und Uferfiltration gewonnen. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei ca. 123 Liter pro Tag, wobei seit den 90er Jahren eine abnehmende Tendenz zu verzeichnen ist [1]. Neben der wasserwirtschaftlichen Nutzung gilt die Landwirtschaft als einer der größten Wasserverbraucher Die Intensivierung von Industrie, Land- und Wasserwirtschaft führte in der jüngsten Vergangenheit weltweit zu starken Veränderungen des Wasserhaushalts, wobei die Wirtschaftsbedingungen wesentlich durch die Einflussfaktoren des Klimas geprägt werden. So stellte das Europäische Parlament bereits im Jahr 2000 heraus, dass „... die Nachfrage nach Wasser in ausreichender Menge und angemessener Güte permanent in allen Anwendungsbereichen steigt. Dies bringt die Gewässer der Gemeinschaft unter wachsenden Druck“. Einer der Bereiche, die durch den erwarteten Klimawandel besonders stark betroffen sein werden, ist die wasserwirtschaftliche Nutzbarkeit von Süßwasserressourcen. Die verfügbaren Süßwasserressourcen in Deutschland werden mit ca. 182 Mrd. m3 pro Jahr angegeben. Von diesem erneuerbaren Dargebot werden derzeit ca. 20,9 % (38,11 Mrd. m3) für die verschiedenen Nutzungszwecke entnommen, während der größere Teil von ca. 114 Mrd. Kubikmeter des jährlich verfüg­ 1310 Dezember 2014 gwf-Wasser Abwasser The dynaklim project is focused on the analyses of climate change effects and the influence of specific adaption strategies on water resources used for drinking water supply within the “Emscher-Lippe” region. In this work reactive transport modelling has been applied to calculate the water and nutrient budged in the unsaturated zone below farmland under the pressure of climate change. Model projections show a growing demand for farmland irrigation as a result of a re-distribution of precipitation. The impact of this development on groundwater resources and its usability for drinking water supply has been analysed with respect to available water quantity and quality. Wasserversorgung bzw. -nutzer weltweit. So werden ca. 70 % des weltweit entnommenen Süßwassers in der Landwirtschaft vor­ wiegend für Bewässerungszwecke eingesetzt [2]. Diese inten­sive Wassernutzung führt bereits derzeit in vielen Regionen der Erde zu Nutzungskonflikten, was sich insbesondere in der häufig nicht hinreichenden Verfügbarkeit eines qualitativ hochwertigen Trinkwassers ausdrückt. Auch in Deutschland kommt es seit vielen Jahren zu Nutzungskonflikten zwischen Land- und Wasserwirtschaft. Diese werden jedoch in erster Linie durch Stoff­ einträge (v. a. Nitrat, Phosphat, Rückstände von Pflanzenschutz- und Behandlungsmitteln) in die Gewässer g eprägt. So werden seit Jahren in zahlreichen ­ ­wissenschaftlichen Untersuchungen und Forschungs­ vorhaben Auswirkungen einer intensiven landwirtschaftlichen Flächennutzung auf die Gewässerqualität in Deutschland studiert sowie große Anstrengungen zur Reduzierung des aus der Landwirtschaft stammenden Belastungsdruckes unternommen (u. a. [3, 4]). Insbesondere gilt dies für die Einträge von Nitrat in das Grund­ wasser, von Pflanzenschutzmittelrückständen in Grundund Oberflächengewässer und von Phosphaten v. a. in Oberflächengewässer. Der Nitratbericht 2008 [5] weist zwar grundsätzlich auf leicht abnehmende Tendenzen der Nitratkonzentration in Grund- und Oberflächenwässern hin, insbesondere in vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Regionen werden aber in einem Großteil der ausgewerteten Grundwassermessstellen Nitratkonzen­ trationen deutlich größer 50 mg/L gemessen. Auch die Untersuchungen und Erhebungen zur Umsetzung der WRRL haben gezeigt, dass der Ist-Zustand der Grundund Oberflächengewässer in weiten Bereichen Deutschlands problematisch ist. So sind z. B. in Nordrhein-West­ falen ca. 25 % der Grundwasserkörper, überwiegend in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten wie der Lippe-Region, entsprechend den Qualitätsnormen der WRRL v. a. bezüglich der Parameter Nitrat und Pflanzenschutzmittel in einem schlechten Zustand [6]. Dahingegen manifestieren sich Nutzungskonkur­ renzen zwischen Land- und Wasserwirtschaft um die ­quantitative Verfügbarkeit der Gewässerressourcen in Deutschland bisher nur in Ausnahmefällen. Derzeit werden lediglich 2,2 % der landwirtschaftlichen Nutz­ fläche bewässert oder beregnet [7], sodass sich hierdurch unter den aktuellen klimatischen Bedingungen und bei dem Überhang an verfügbaren Süßwasserressourcen ledig­lich lokal und zeitlich begrenzte Konflikte ergeben. Verschiebungen im klimatischen Geschehen, wie sie bereits jetzt festzustellen sind und für die nächsten Jahrzehnte verstärkt prognostiziert werden, lassen jedoch befürchten, dass sich die bereits vorhandenen Nutzungskonflikte zwischen Land- und Wasserwirtschaft, aber auch dem Naturschutz, verschärfen bzw. neue auftreten werden. Die beschränkte Verfügbarkeit an ­ Süßwasserressourcen in Trockenzeiten, stärkere Nutzungskonkurrenzen und Qualitätsveränderung der | FACHBERICHTE | Grund- und Oberflächenwässer können die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser beeinträchtigen. Klima­bedingte Veränderungen des Wasserdargebotes und Wasserbedarfs stellen damit neue Anforderungen an die wirtschaftliche Nutzung von Wasserressourcen. In dem 2008 vom Bundeskabinett verabschiedeten (und 2011 konkretisierten) integrierten Energie- und Klimaprogramm (IEKP) wird die Entwicklung von An­ passungsstrategien an – bereits heute absehbare – klima­ t ische Veränderungen gefordert. Ziel dieser ­Adaptionen soll sowohl eine Begrenzung von negativen Auswirkungen des Klimawandels als auch die Nutzung vorteil­hafter klimatischer Entwicklungen sein [8]. Als Grund­lage hierfür wird die frühzeitige Abschätzung klima­bedingter Entwicklungen gesehen: Wie und in welchem Umfang wird der regionale Wasserhaushalt durch die klimatischen Verände­ rungen beeinflusst? Welche Konsequenzen sind v.a. für wasserwirtschaftlich genutzte Wasserressourcen zu erwarten? Welche Veränderungen sind zukünftig hinsichtlich der Wasserquantität und -qualität zu erwarten? •• •• •• Erst durch die Beantwortung dieser Fragen – und darauf aufbauend – können effiziente Maßnahmen und Strategien entwickelt sowie Wirtschaftsstrukturen aufgebaut werden, die eine effiziente Anpassung an klimatische Veränderungen ermöglichen [9]. Eine Entschärfung von Nutzungskonflikten kann im Rahmen eines Ressourcenmanagements durch die nachhaltige Bewertung und Gegenüberstellung von Wasserverfügbarkeit, Wassernutzung und die an die Wasserressourcen gestellten qualitativen Anforderungen geschaffen werden. Ein effek­tives Ressourcenmanagement erfordert somit eine integrierte Wasserhaushaltsbetrachtung sowohl unter qualitativen als auch quantitativen Aspekten. Diese Kopplung ermöglicht szenariengesteuerte Prognoserechnungen auf Basis der zukünftig zu erwartenden Klima­änderungen und erlaubt so die Entwicklung von Strategien zur nachhaltigen Sicherung der vielfältig ­genutzten Wasserressourcen. 2. Das Forschungsvorhaben dynaklim In dem Forschungsvorhaben dynaklim („Dynamische Anpassung regionaler Planungs- und Entwicklungsprozesse an die Auswirkungen des Klimawandels in der EmscherLippe-Region“) innerhalb der Fördermaßnahme „KLIMZUG: Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten“ (www.dynaklim.de) wurden diese Fragestellungen exemplarisch aufgegriffen. Am Beispiel der Projektregion „Emscher-Lippe“ wurden die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt modellbasiert analysiert, die sich daraus ergebenden Risiken und Chancen für ausgewählte Wirtschaftssektoren transparent ­dargestellt und Adaptionsstrategien entwickelt sowie hinsichtlich auftretender Konfliktpotenziale bewertet Dezember 2014 gwf-Wasser Abwasser 1311 | FACHBERICHTE | Wasserversorgung Dementsprechend komplex gestalten sich die wasser­ wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Verflechtungen ­zwischen den einzelnen Wassernutzungen. Mit einem Flächen­nutzungsanteil von ca. 47 % in der Gesamtregion bzw. 61 % in der Lippe-Region [10] stellt die Landwirtschaft in der Projektregion den mit Abstand größten Flächennutzer dar. Damit werden die regionalen Nutzungsansprüche an den Wasserhaushalt neben der Trink- und (industriellen) Brauchwasserversorgung insbesondere in der LippeRegion in erster Linie durch die Landwirtschaft dominiert. 2.2 Klimaprojektionen für die Projektregion Bild 1. Integrierte Betrachtung der untersuchten Sektoren des Wasserhaushalts in der Projektregion „Emscher-Lippe“. (Bild 1). Die Ergebnisse mündeten (u. a.) in der Entwicklung eines quantitativen Planungs- und Entscheidungswerkzeugs für die angepasste wirtschaftliche Nutzung von Wasserressourcen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Trinkwasser. 2.1 Projektregion „Emscher-Lippe“ Die Projektregion „Emscher-Lippe“ (Bild 2) ist einer der am dichtesten besiedelten Wirtschaftsräume Europas. Bild 2. Die dynaklim-Projektregion. 1312 Dezember 2014 gwf-Wasser Abwasser Anhand von Klimaprojektionen wurden für die Projekt­ region „Emscher-Lippe“ auf Basis des Regionalen Klimamodells CLM [11] die sich einstellenden klimatischen Ände­rungen bis zum Jahr 2100 berechnet [12]. Bereits heute lässt sich feststellen, dass die mittleren Jahreslufttemperaturen im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961– 1990 um ca. 0,8 °C zugenommen haben. Für den Zeitraum 2071–2100 wird (im Vergleich zum Zeitraum 1961–1990) eine Zunahme der mittleren Jahreslufttemperatur um mehr als 3 °C erwartet. Für die Zukunft wird von einem gleichbleibenden jährlichen Niederschlagsniveau ausgegangen. Allerdings ist im Zeitraum 2071–2100 mit einer deutlichen Verschiebung des Niederschlagsmusters zu rechnen, bei der die Winterniederschläge zunehmen und Sommerniederschläge zurückgehen werden. Neben den Veränderungen der Niederschlagsverteilung und Lufttemperatur kommt es darüber hinaus zu deutlichen ­Veränderungen von Witterungsextremen. So ist u. a. mit einer zunehmenden Häufigkeit von sommerlichen Hitze­ perioden bei gleichzeitig zunehmender Intensität zu rechnen, während Kälteperioden in Häufigkeit, Dauer und Inten­sität von Frost- und Eistagen zurückgehen werden. Wasserversorgung | FACHBERICHTE | 2.3 Vorgehensweise Im Vordergrund des dynaklim-Teilvorhabens „Konkurrierende Wassernutzungen“ steht die modellbasierte ­Erfassung langfristiger Trends der Entwicklung von Quantität und Qualität wasserwirtschaftlich genutzter Grundwasserressourcen unter den Bedingungen einer an den Klimawandel angepassten Landwirtschaft. Hierzu wurde in einer gestuften Vorgehensweise zunächst der Einfluss veränderter klimatischer Randbedingungen auf den Bodenwasser- und -stoffhaushalt exemplarisch für ein Wassergewinnungsgebiet in der Projektregion ­„Emscher-Lippe“ analysiert. Die sich daraus ableitenden ­Anpassungsstrategien in der Landwirtschaft fließen in die Betrachtungen zum Grundwasserdargebot und -qua­ lität ein. Basierend auf den Modellergebnissen insbe­ sondere zur aktuellen und zukünftigen Beregnungsbedürftigkeit landwirtschaftlicher Flächen sowie dem Stickstoffaustrag aus diesen Flächen erfolgte eine Analyse zu deren Auswirkungen auf die wasserwirtschaftliche Nutzung von Grundwasserressourcen in der Projektregion. 2.4 Entwicklung des Bodenwasser- und -stoffhaushalts Die Entwicklung des Bodenwasser- und -stoffhaushalts ackerbaulich genutzter Flächen wurde vor dem Hintergrund der projizierten klimatischen Veränderungen analysiert. Zu diesem Zweck wurden die Umsetzungsund Verlagerungsprozesse unter einer Auswahl von Ackerstandorten am Beispiel gebietstypischer Fruchtfolgen mit dem Simulationsmodell CANDY (Carbon and Nitrogen Dynamics, [www.ufz.de]) modelliert. Hierbei galt es festzustellen, ob es unter den projizierten klimatischen Rahmenbedingungen zu nachtei­ ligen Entwicklungen kommt [13]. Die Modellergebnisse zeigen – bei unterstellten gleichbleibenden Bewirtschaftungsbedingungen – keinen generellen Trend zu- oder abnehmender Nitrat­ konzentrationen im Sickerwasser. Lediglich unter Standorten mit höheren Humusgehalten ist eine Tendenz zu erhöhten Nitratkonzentrationen zu beobachten. Hierbei kommt es vermutlich infolge steigender Bodentemperaturen zu einer intensiveren Minera­ lisierung der organischen Bodensubstanz und in der Folge zu erhöhten Nitratausträgen. Deutlich andere Trends zeichnen sich bei den Entwicklungen des Bodenwasserhaushaltes und dessen ­Bedeutung für zukünftige Bewässerungsansprüche ab. Für gebietstypische Fruchtfolgen und repräsentative Bodenstandorte wurde aus den Modellergebnissen zum Boden­wasserhaushalt der potenzielle Bewässerungsbedarf abgeleitet. Die Ergebnisse sind in Bild 3 beispielhaft als jährliche Mittelwerte der drei Betrachtungszeiträume zusammengestellt. Aufgrund steigender Niederschläge deutet sich bis 2050 ein leicht sinkender Bewässerungsbedarf an. Als ein Grund hierfür ist ein Anstieg der ­Niederschlagsmengen in der nahen Zukunft um ca. 9 % zu sehen (Klimaprojektion CLM 2). Dahin­gegen führen Bild 3. Mittlerer jährlicher Bewässerungsbedarf auf verschiedenen Standorten im Vergleich der drei Zeiträume „Referenzzeitraum (1961– 1990)“, „Nahe Zukunft (2021–2050)“ und „Ferne Zukunft (2071–2100)“. s­teigende Temperaturen und abneh­mende Sommer­ niederschläge zu einer deutlichen Zunahme der Be­ wässerungsansprüche landwirtschaftlicher Nutzflächen im Zeitraum bis 2100 auf 100 bis 160 mm/a. Dieser Zusammenhang findet sich in den durchgeführten ­ ­CANDY-Modellierungen über alle berechneten Bewirtschaftungs- und Standortvarianten wieder. 2.5 Entwicklung des Grundwasserdargebotes Die zukünftige Entwicklung des Grundwasserdargebots und deren Konsequenzen für die Trinkwassergewinnung wurden unter den Bedingungen des Klima­ wandels sowie des prognostizierten Anstiegs der Grundwasserentnahme für landwirtschaftliche Bewässerungszwecke untersucht. Hierfür wurde in Zusammenarbeit mit der Emscher und Lippe Gesellschaften für Wassertechnik GmbH exemplarisch für ein Wassergewinnungsgebiet in der Projektregion ein dreidimensionales Grundwasserströmungsmodell mit dem kommerziellen Simulationsprogramm SPRING [14] erarbeitet [15]. Mit einer prognostizierten (Klimaprojektion CLM 2, [11]) Verschiebung der Niederschläge in das Winterhalbjahr kommt es in der nahen Zukunft (Zeitraum 2021–2050) im Vergleich zum Referenzzeitraum (1961– 1990) zu einer Erhöhung der mittleren Grundwasserneubildung im Untersuchungsgebiet um ca. 10 %. Dahin­gegen wird im Vergleich zum Referenzzeitraum für die ferne Zukunft (2071–2100) keine signifikante Erhöhung der Grundwasserneubildung ermittelt. Grund hierfür ist ein Anstieg der Temperaturen und damit der potenziellen Verdunstung. In die Berechnung des Grundwasserdargebots gehen die Grundwasserneubildung sowie die Entnahmen für die Beregnung landwirtschaftlicher Flächen ein. Die zukünf­ tige Entwicklung der Beregnungsmengen wird aus den Dezember 2014 gwf-Wasser Abwasser 1313 | FACHBERICHTE | Wasserversorgung Ergebnissen zum Beregnungsbedarf (CANDY-Modellierung) abgeleitet. In der nahen Zukunft wird aufgrund höhe­rer Niederschläge ein relativ geringerer Beregnungsbedarf prognostiziert. Da für diesen Zeitraum jedoch ein größerer Anteil der tatsächlich beregneten Flächen an­ genommen wird (60 % im Vergleich zu 20 % im aktuellen Zeitraum), ergibt sich ein Anstieg der durchschnittlichen Beregnungsmenge über alle Ackerflächen von derzeit 12 auf über 30 Millimeter pro Jahr. Diese Erhöhung ist zunächst als Worst-Case-Betrachtung zu verstehen, welche gemäß aktueller Beobachtungen eine tendenzielle Zu­ nahme der derzeit nur mäßig beregnungswürdigen Kulturen (v.a. Mais und Getreide) unterstellt. In der fernen Zukunft ist aufgrund steigender Temperaturen und einer veränderten jährlichen Niederschlagsverteilung von einer deutlichen Zunahme des Beregnungsbedarfs auf 117 Millimeter auszugehen, was zu einer Ausweitung des Beregnungseinsatzes auf alle ackerbaulichen Kulturen führen kann. Unter den gewählten Modellbedingungen zeigt sich in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhundert ein im Vergleich zum Referenzzustand um 20 % niedrigeres Grundwasserdargebot. Diese entnahmebedingte Reduktion des Grundwasserdargebots wirkt sich einerseits auf die wasser­wirtschaftliche Nutzung der Grundwasserres­ sourcen aus. Für eine gleichbleibende Versorgung mit Trink- und Brauchwasser muss daher das Minderdar­ gebot an Grundwasser von ca. 2,4 Mio. m3/a durch eine erhebliche Vergrößerung des Einzugsgebiets um 9,5 km2 ausgeglichen werden. Damit verbunden sind eine großflächige Änderung des Strömungsgeschehens sowie eine Absenkung des Grundwasserspiegels. Durch eine Zunahme der Flurabstände kann es zudem zu einer ­Beeinträchtigung grundwasserbeeinflusster Ökosysteme sowie des Abflussregimes in Fließgewässern kommen. 2.6 Grund- und Rohwasserbeschaffenheit Aufbauend auf die Grundwasserströmungsmodellierung wurde eine reaktive Stofftransportberechnung durchgeführt, anhand der die stoffliche Belastung im Grundwasser unter den Bedingungen einer Klimaangepassten Landwirtschaft abgeschätzt werden soll. Dazu wurde zunächst der „Ist-Zustand“ des Grundwasser­ körpers hinsichtlich der geologischen, hydraulischen und hydrogeochemischen Situation sowie der Stoffeintragsbedingungen in Abhängigkeit von der Landnutzung und dem Bodentyp analysiert [16]. Ausgehend von den Modellergebnissen deutet sich für die Projektregion „Emscher-Lippe“ eine Beeinflussung der Grundwasserqualität in erster Linie durch den prognostizierten Anstieg des Beregnungsbedarfs an. Insbesondere die Nutzung des (tw. bereits heute u. a. durch hohe Nitratkonzentrationen belasteten) oberflächennahen Grundwassers für Beregnungszwecke stellt neben der Düngung und der atmosphärischen Deposition eine zusätzliche Eintragsquelle v.a. für Nitrat, Sulfat, Chlorid, Calcium und Hydrogenkarbonat dar. Eine Erhö- 1314 Dezember 2014 gwf-Wasser Abwasser hung des Stoffeintrags wirkt sich wiederum auf die Beschaffenheit des sich unter den Ackerflächen neubildenden Grundwassers aus. Im Rahmen dieser „Kreislaufführung“ kommt es durch die Beregnung zu einem schrittweisen Anstieg der Stoffbelastung im Grund­ wasser. Dementsprechend zeigt sich im Vergleich zu einem Modellszenario mit gleichbleibend niedrigen ­Beregnungsmengen (Referenzzeitraum 1961–1990: ca. 12 mm/a) bei einer prognostizierten Zunahme der Beregnungsmenge auf 117 mm/a im Zeitraum 2071–2100 ein Anstieg der Nitratkonzentration im oberflächen­ nahen Grundwasser unter sandigen Braunerden von ca. 85 mg/L auf über 130 mg/L. In welchem Ausmaß und wann sich diese klimatisch bedingte Änderungen des Wasser- und Stoffhaushalts auf die Trinkwassergewinnung auswirken, hängt maßgeblich von den hydrogeologischen und geochemischen Verhältnissen im Einzugsgebiet (u. a. Verbreitung von Grundwasserhemmern, Gehalte an reaktiven Phasen im Sediment und Nitratabbaupotenzial) sowie den tech­ nischen Anlagen (Filterstrecke und Förderrate etc.) ab. Lange Fließzeiten durch den Grundwasserleiter können zu einer stark zeitlich verzögerten Systemantwort führen. So weisen derzeit viele Rohwässer die chemische Signatur der intensiven Düngung aus den 90er Jahren auf. Im Umkehrschluss müssen Anpassungsstrategien frühzeitig geplant und umgesetzt werden, um die Versorgung mit einem qualitativ hochwertigen Trinkwasser auch für die Zukunft garantieren zu können. 3. Zusammenfassung und Ausblick In dem Forschungsvorhaben dynaklim wurden die Fragen zunehmender Nutzungskonkurrenzen zwischen Landwirtschaft und Wasserversorgung am Beispiel eines Wassergewinnungsgebietes in der Projektregion „Emscher-Lippe“ näher untersucht. Zusammengefasst haben diese Untersuchungen ergeben, dass zumindest unter den derzeitigen landwirtschaftlichen Produk­ tionsbedingungen, Anbauverfahren und Standort­ bedingungen im Projektgebiet (Ausnahme: Standorte mit erhöhten Humusgehalten) allein durch die klima­ tischen Veränderungen bis zum Jahr 2100 zunächst kein signifikant erhöhter Stoffaustrag (vor allem von Nitrat) aus landwirtschaftlich genutzten Flächen zu erwarten ist, sehr wohl aber deutlich erhöhte Grundwasserentnahmen zu Beregnungszwecken. Als Folge einer zunehmenden Beregnung kann es jedoch wiederum auch zu erhöhten Stoffeinträgen in das Grundwasser kommen. Vor allem für die letzten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts zeichnet sich durch die deutliche Zunahme der Beregnungsmengen in der Landwirtschaft eine Reduktion des Grundwasserdargebots ab. Bei dieser Entwicklung kann eine Versorgung mit Trink- und Brauchwasser auf dem aktuellen Niveau nur dann aufrechterhalten werden, wenn das reduzierte Wasserdargebot durch eine deutliche Vergrößerung des Wassereinzugsgebietes Wasserversorgung ausgeglichen wird. Eine damit verbundene Grund­ wasserabsenkung führt jedoch zu einer Verminderung der Vorflutwirkung angrenzender Fließgewässer und damit kann es zu einer deutlichen Beeinträchtigung v. a. von grundwasserbeeinflussten Ökosystemen, aber auch der Fließgewässer selbst kommen. Insgesamt muss somit festgehalten werden, dass der Klimawandel Nutzungskonflikte zwischen Land- und Wasserwirtschaft durchaus verschärfen kann, aber nicht zwingend verschärfen muss. Eine generelle Erwärmung, verlängerte Vegetationsperioden und erhöhte atmos­ phärische CO2-Gehalte in Verbindung mit Verschie­ bungen im angebauten Kulturartenspektrum könnten z. B. durch steigende Erträge auch zu einer Reduzierung landwirtschaftsbürtiger Stoffeinträge in die Gewässer führen. Die tatsächliche Entwicklung der zukünftigen landwirtschaftlichen Flächennutzung ist aufgrund der viel­ fältigen Einflussfaktoren jedoch nur schwer fassbar. Sicher ist, dass der Klimawandel Anpassungsmaß­nahmen sowohl seitens der Wasserwirtschaft als auch der Landwirtschaft erforderlich machen wird. Während Anpassungsmaßnahmen in der Wasserwirtschaft aber leicht Planungs- und Umsetzungszeiträume von mehreren Jahrzehnten benötigen, kann eine landwirtschaftliche Pflanzenproduktion – innerhalb gewisser Grenzen – nahe­ zu im Jahresrhythmus angepasst werden. Von wesent­licher Bedeutung für die tatsächliche Entwicklung von Nutzungskonkurrenzen um die Ressource Wasser zwischen Land- und Wasserwirtschaft wird dabei sein, dass landwirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen nicht nur nach ausschließlich produktionstechnischen Aspekten erfolgen, sondern explizit auch unter Berücksich­tigung der wasserwirtschaftlichen Erfordernisse. Danksagung Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit ­Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01LR0804L gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt allein bei den Autoren. | FACHBERICHTE | [6] MUNLV NRW Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2009a): Bewirtschaftungsplan für die nordrhein-westfälischen Anteile von Rhein, Weser, Ems und Maas 2010–2015. www.umwelt.nrw.de, 3.11.2013 [7] Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Agrarstrukturen in Deutschland – Einheit in Vielfalt. Regionale Ergebnisse der Landwirtschaftszählung 2010. Stuttgart, 2011. [8] GERMANWATCH: Auswirkungen des Klimawandels auf Deutschland – Mit Exkurs NRW, 2007. www.germanwatch.org, 20.11.2013 [9] MUNLV NRW Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NordrheinWestfalen: Klimawandel und Wasserwirtschaft – Maßnahmen und Handlungskonzepte in der Wasserwirtschaft zur An­ passung an den Klimawandel, 2011. www.umwelt.nrw.de, 3.11.2013 [10] MUNLV NRW Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2009b): Trinkwasserbericht NordrheinWestfalen. www.umwelt.nrw.de, 28.10.2013 [11] Lautenschläger, M., Keuler, K., Wunram, C., Keup-Thiel, E., Schubert, M., Will, A., Rockel, B. and Boehm, U.: Climate Simulation with CLM, Climate of the 20th Century run no. 1/no. 2, ­Szenario A1B run no. 1/no. 2, Data Stream 3: European ­region MPI-M/MaD. World Data Center for Climate, 2009. [12] Quirmbach, M., Freistühler, E. und Papadakis, I.: Auswirkungen des Klimawandels in der Emscher-Lippe-Region – Analysen zu den Parametern Lufttemperatur und Niederschlag; ­dynaklim-Publikation Nr. 30, 2012. www.dynaklim.de [13] Fohrmann, R.: Modellierung des Stickstoff- und Kohlenstoffhaushaltes unter landwirtschaftlichen Nutzflächen im ­Zeichen des Klimawandels. dynaklim-Publikation Nr. 44, 2013. www.dynaklim.de [14] König, C. M.: SPRING-Benutzerhandbuch Version 3.1, 2004. [15] Barein, A., Werner, F., Meßer, J. und Fohrmann, R.: Prognose der Auswirkungen des Klimawandels auf das Grundwasser mit Hilfe eines Grundwasserströmungsmodells am Beispiel der RWW-Wassergewinnung Üfter Mark. dynaklim-Publi­kation Nr. 42, 2013. www.dynaklim.de [16] Kübeck, C., Bergman, A. und Herzberg, A.: Modellierung und Prognose der durch den Klimawandel verursachten ­Änderungen der Wasserquantität und -qualität. daynaklimPublikation Nr. 45, 2013. www.dynaklim.de Literatur [1] Statistisches Bundesamt: Umwelt – Nichtöffentliche Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung 2007. Fachserie 19, Reihe 2.2. Wiesbaden, 2009. 014 t: 27.05.2 Eingereich 28.10.2014 : Korrektur tachtet -Verfahren begu Im Peer-Review [2] WWAP World Water Assessment Programme: The United Nations World Water Development Report 4: Managing Water under Uncertainty and Risk. Paris, UNESCO, 2012. [3] IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung: Ein Prognosewerkzeug zur Berechnung der Nitratausbreitung in wasserwirtschaftlich genutzten Grundwasserleitern (WaWi-Prog). Abschlussbericht, FKZ 16 IN 0436/0437, 2010. [4] DVGW: Konsequenzen nachlassenden Nitratabbauver­ mögens in Grundwasserleitern Abschlussbericht, Forschungsund Entwicklungsvorhaben W1/06/08, 2013. [5] BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und ­Reaktorsicherheit: Nitratbericht 2008 – Gemeinsamer Bericht der Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und Reaktor­sicherheit sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Ver­braucherschutz, Bonn, 2008. Autoren Dr. Christine Kübeck E-Mail: [email protected] | Dr. Reinhard Fohrmann E-Mail: [email protected] | IWW Zentrum Wasser | Moritzstraße 26 | D-45476 Mülheim an der Ruhr Dezember 2014 gwf-Wasser Abwasser 1315