fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite (1+10) 3. Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht 3.1Alltagssprache und Fachsprache Im Physikunterricht werden viele Alltagsbegriffe in einem genau definierten fachlichen Zusammenhang verwendet.Aus einem Alltagsbegriff wird durch genaue Definition ein Fachbegriff. Der definierte Bedeutungsrahmen macht aus den Alltagsbegriffen "Analysewerkzeuge". Jeder Fachbegriff erfordert die genaue Beobachtung bestimmter Merkmale in einer gegebenen Situation . Beispiel: Für die Beschreibung einer Bewegung in Alltagssprache reicht eine Formulierung wie: " mit 120 Stundenkilometern von........ nach ........ fahren " aus. Für den Physikunterricht ist bereits die Bezeichnung "Stundenkilometer" ungenau, denn auf dem Tachometer steht km/h , d.h. Kilometer pro Stunde. Dahinter verbirgt sich die Definitionsgleichung für die gleichförmige Bewegung . Weg s ∆ s v= = = Zeit t ∆ t Die physikalische Größe v= 120 km/h sagt etwas aus über den Bewegungszustand des Gegenstandes "Auto", der sich aus physikalischer Sicht nicht verändert. Dieser Zustand wird erst geändert, wenn das Auto durch Betätigen des Gaspedals oder Bremspedals schneller oder langsamer gemacht wird. Die zeitliche Veränderung des Zustands v wird dabei auf die Zeitdauer bezogen in der die Veränderung geschieht. Diese Zustandsänderungsrate heißt Beschleunigung: Beschleunigung ≡ a = v2 − v1 ∆ v = t2 − t1 ∆t Diese Formel enthält eine genaue Vorschrift darüber wie die einzelnen Größen benutzt werden . Der griechische Buchstabe "∆" ist der symbolische Ersatz für die Differenzbildung und wird vor den Buchstaben der jeweiligen Formelgröße gesetzt. Bereits bei der qualitativen Beschreibung physikalischer Zustände und Zustandsänderungsraten sind physikalische Begriffe besonders für gehörlose Schüler " Analysewerkzeuge" deren Bedeutungsfeld genau umrissen und geklärt werden muß. Der prototypische Physikunterricht stellt zur Begriffsentwicklung folgende Leitfragen : - aus welchen Alltagsbedeutungen entwickelt sich der fachphysikalische Begriff ? Welche Hindernisse oder Hilfen für die Lernentwicklung können sich daraus ergeben ? -wird die Beziehung des jeweiligen Fachbegriffs zur übergeordneten Begriffskategorie "Zustand" ("Zustandsänderung" oder "Zustandsänderungsrate ") im Unterricht berücksichtigt ? - ist gewährleistet, daß die Bedeutung der erarbeiteten Begriffe beim Übergang von der qualitativen zur quantativen Lernstufe in vollem Umfang erhalten bleibt bzw. erweitert wird ? - wird eine Visualisierung durchgängig mitgedacht ? - wie läßt sich die formelmäßige Beziehung zu den jeweils korrespondierenden physikalischen Begriffen visualisieren? fachkom1 06.08.2017 fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite (2+10) 3.2 Visualisierung als Vorstufe zur symbolischen Darstellung von Fachbegriffen Beispiel für die Visualisierung einer formelmäßigen Beziehung zwischen Weg s, Geschwindigkeit v und Zeit t. Die zeitliche Entwicklung des gleichförmigen Geschwindigkeitszustandes v o wird in einem Diagramm dargestellt. Die Schüler kennen diese Darstellungsform aus dem Mathematikuntericht. Der Zusammenhang mit dem Weg-Zeit_Diagramm ergibt sich wie folgt: Die Frage, " Welche Wegdifferenz ∆s hat der Fahrer in ∆t=3 h bei einer Geschwindigkeit von vo=120 km/h zurückgelegt"? , erfordert eine einfache Rechnung:∆s= 3h * 120 km /h = 360 km oder allgemein ∆s= vo*∆t Dies läßt sich im v-t-Diagramm als Flächenbildung visualisieren! Bei der gleichförmig beschleunigten Bewegung zeigt das v-tDiagramm eine Ursprungsgerade: Die Fläche unter der Geraden v im vtDiagramm bildet eine Dreieicksfläche.Ein Körper, der zum Zeitpunkt t=0 bereits die mittlere Geschwindigkeit hat und während der ganzen Fahrzeit beibehält, legt denselben Weg zurück wie derjenige, der sich gleichförmig beschleunigt bewegt. Dreiecksfläche und Rechteckfläche sind gleich groß. Die "Endgeschwindigkeit " liegt nach der halben Fahrzeit über der mittleren Geschwindigkeit , während die Geschwindigkeiten vor der halben Fahrzeit geringer sind. Die schraffierte Fläche , die die mittlere Geschwindigkeit mit der Zeitdauer t einschließt entspricht der Dreiecksfläche unter der v-t-Geraden. Auf diese Weise lassen sich die schwierigeren Berechnungen der gleichförmig beschleunigten Bewegung auf die einfacheren Berechnungen der gleichförmigen Bewegung zurückführen. Die abstrakten Umformungsvorgänge mit den mathematischen Symbolen stehen nicht störend im Vordergrund und die Merkmale der Situation bleiben für den Schüler immer greifbar. fachkom1 06.08.2017 fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite (3+10) So wächst im v-t-Diagramm die Geschwindigkeit jede Sekunde um denselben Wert an. Die Anzahl der Flächenelementeje Sekunde unter der Kurve zeigen , daß der Weg quadratisch anwächst. (1, 4, 9, 16 Flächenelemente).Dies kann der Schüler in einfachen Versuchen prüfen . Beispiel: Ein Wagen fährt die schiefe Ebene herunter . Die Wegintervalle je Sekunde Fahrzeit werden markiert und miteinander verglichen.Sie stehen im Verhältnis 1:4;1:9;1:16 usw. 3.3 Erweiterung des Bedeutungsumfangs von Fachbegriffen 3.3.1 Überblick über den gesamten Begriffsumfang am Beispiel Bewegungszustand Der Alltagsbegriff der Geschwindigkeit v beinhaltet bereits die Richtung der Bewegung in dem sprachlichen Zusatz "von... nach". Der Begriffsinhalt des Fachbegriffs Geschwindigkeit muß auf alle Möglichkeiten der Bewegungsveränderung angewendet werden können: Die Übersicht macht die Leistungsanforderung an den Fachbegriff deutlich. Für den Unterricht bedeutet dies die langwierige Einübung in das Analysewerkzeug anhand von vielen experimentell zu untersuchenden und/oder zu berechnenden Beispielen. In der Symbolsprache der Physik wird die Richtungsangabe "von ...zu..." für alle Bewegungsfälle im Pfeilsymbol verdichtet dargestellt. Dieses Pfeilsymbol (Vektor) macht darauf aufmerksam , daß in der vorliegenden Situation nicht nur die Zahlenmäßige Angabe ( 100 km/h) sondern auch die Richtung zu beachten ist. 3.3.2 Darstellung der zeitlichen Änderung des Bewegungszustandes Die Zustandsbeschreibung eines bewegten Körpers mit dem Fachbegriff "Geschwindigkeit" reicht zur Beschreibung der Wechselwirkung mit anderen Körpern nicht aus.Die Wechselwirkung hat eine Änderung des Bewegungszustandes zur Folge.In Lernschritt 1 machen die Schüler in Spielsituationen Erfahrungen mit dieser Wechselwirkung. In Lernschritt 2 wird der Einfluß der Masse zweier Körper in vielen Experimenten zur Wechselwirkung untersucht. fachkom1 06.08.2017 fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite (4+10) Bei jeder Richtungsänderung und bei jeder Geschwindigkeitsänderung macht sich die Masse m des Fahrzeugs bemerkbar.Hierbei wird die gesamte Masse eines Körper als in dessen Schwerpunkt vereinigt gedacht. Um den Bewegungszustand vollständig beschreiben zu können, müssen die Begriffe "Masse" und "Geschwindigkeit" im Begriff Impuls zusammengefaßt werden. Das Produkt : Impuls p = Masse m * Geschwindigkeit v beschreibt den Bewegungszustand des Fahrzeugs unter dieser Voraussetzung physikalisch ausreichend genau. Anschaulich dagestellt läßt sic h das Produkt als Fläche dastellen. Im Lernschritt 2 ( Bild 1 , 2.2.1) wurde der Einfluß von Masse und Geschwindigkeit auf den Bewegungszustand vorbereitend dargestellt: Die Zustandsänderung ∆p = Masse m * Geschwindigkeitsänderung ∆v wird als Impulsänderung (Stoß) bezeichnet. Die Zustandsänderungsrate ( Stoßrate) ∆p/∆t wird als mechanische Kraft F definiert. Für die Zustandsänderungen gilt allgemein das von Newton als actio=reactio beschriebene fundamentale Wechselwirkungsprinzip ∆p12= ∆p21 , , d. h. daß ein Körper(Fahrzeug oder Gegenstand) niemals ohne einen anderen Körper eine Zustandsänderung herbeiführen kann. Dieses fundamentale Prinzip wurde deshalb als Prototyp den vorliegenden qualitativen Lernschritten zugrunde gelegt. Es gilt für die Impulsänderungen (Stöße,Rucke) genauso wie für die Impulsänderungsraten (Stoßraten) als Prinzip Kraft= Gegenkraft. fachkom1 06.08.2017 fachlicher kommentar : Begriffsbildung im Prototypischen Unterricht Seite 1 3.4. Zustand als übergeordnete Begriffskategorie Für die Beschreibung von Bewegungszuständen ist die Beachtung der Richtung wichtig.Im Inhaltsbereich Mechanik werden Bewegungszustände und deren Änderung mit den Begriffen Weg, Zeit und Masse sowie der Richtungsangabe "von...zu..." beschrieben Für die im Unterricht behandelten Situationen aus den anderen Inhaltsbereichen Wärme, Strahlung und Elektrik genügt die Beschreibung der Zustände und Zustandsänderung als einer Menge , dargestellt als Zahlenwert multiplizeirt mit der Größeneinheit.(Beispiele: m=1 kg; v=5 m/s) Der Begriff der Energie ist eine physikalische Größe die in den meisten Fällen aus drei Grundgrößen berechnet wird.Ein Produkt aus drei Größen läßt sich anschaulich als ein Rauminhalt darstellen.So läßt sich dem jeweilige Zustand eines Systems anhand dieses Rauminhalts eine Zahl mit der Einheit kgm^2/s^2 zuordenen. Der Vorteil des Energiebegriffs ist die universelle Anwendbarkeit.Die Energie bietet in allen Inhaltsbereichen die gleichzeitig einfachste und umfassenste Beschreibung des Zustands eines Systems .Die einzelnen Enegieformen lassen sich immer ineinander umrechnen. Die Energieumwandlung beschreibt die in einem System umgewandelte Menge an Energie.Die Leistung P beschreibt die Zustandsänderungsrate dieser Umwandlung. Ausgehend von den beiden Grundkategorien Zustand einerseits und Zeit (Änderung, Änderungsrate) andererseits bekommt man für alle Inhaltsbereiche folgende Übersichtstabelle: Richtungsgrößen Mengengrößen Zustand eines Systems der Impuls p als Produkt aus der Energiezustand E eines Masse x Geschwindigkeit Systems z. B die Lageenergie, oder der Zählstand eines elektr. Zählers die Differenz zwischen zwei der Stoß( die Energiedifferenz ∆E Zuständen zu zwei Impulsdifferenz)∆p als zwischen dem Zustand Zeitpunkten : vorherschneller- oder langsamer vorher und dem Zustand nachher werden oder als nachher Richtungsänderung . Die Einheit ist Watt mal Wichtigste Systembedingung Sekunde abgekürzt als Joule ist das 1kWh= 3,6 Mio J Wechselwirkungsprinzip : Stoß = Gegenstoß die Zustandsänderungsrate die Stoßrate( die Leistung P als hierbei wird die Impulsänderungsrate) als Energieumsatz ∆E pro Zustandsdifferenz durch Kraft F Sekunde diejenige Zeit ∆t geteilt, in Ändert sich die Masse bei die Einheit ist die Wattzahl der Zustandsänderung nicht, abgekürzt W als Joule pro der der Vorgang abgelaufen so läßt sich die Kraft als ist. Sekunde Produkt von Masse und Beschleunigung a definieren. (F=m*a) Die Gewichtskraft G ist dann speziell das Produkt von Masse und Erdbeschleunigung G=m*g fachkom2 06.08.2017 fachlicher kommentar : Begriffsbildung im Prototypischen Unterricht Seite 2 (g= 9,81 m/s^2) Betrachtet man nur die Einheiten so ergibt sich für die Richtungsgrößen folgende Übersicht: Auf die gleiche Art bekommt man auch die Einheiten für die Mengengrößen. Einheitenbezeichnungen wie Watt (W) oder Joule (J) usw. sind historisch bedingt und immer rückführbar auf Kombinationen der Grundeinheiten kg, m, s, usw. 3.5 Visualisierung der Energieumwandlungen in verschiedenen Inhaltsbereichen. 3.5.1 Visualisierung der Energieumwandlung im allgemeinen Viele Schüler wissen, daß der Rauminhalt einer bestimmten Menge in unterschiedlichen Behältnissen trotz unterschiedlicher Form erhalten bleibt. Auf diese Grunderfahrung wird bei der Energieumwamdlung prototypisch zurückgegriffen. Wird in allen betrachteten Situationen die , Energiedifferenz ∆E als Rauminhalt anschaulich dargestellt, so läßt sich der Umgang mit der abstrakten Größe Energie sehr erleichtern. Der zeitliche Ablauf wird links und rechts vor b.z.w. nach dem System, das als Kasten dargestellt wird, veranschaulicht. fachkom2 06.08.2017 fachlicher kommentar : Begriffsbildung im Prototypischen Unterricht Seite 3 Wegen der unvermeidlichen Verluste Q kann keine größere Menge aus dem System herausgeholt werden als hineingesteckt wurde. Die Verluste treten hauptsächlich als Wärmemengen Q auf . Eine bestimmte Menge einer Zustandsänderung ∆E wird vorher in das System hineingesteckt und findet sich nach der Umwandlung in einer geringeren Menge derselben Energie oder einer anderen Energieform wieder. Für die Experimente zu Energieumwandlungen muß man diese Verluste beachteten. Besonders bei mechanischen Versuchen sollten möglichst wenig Reibungsverluste entstehen wenn man den Nachweis zur Erhaltung der Energiedifferenz unabhängig von der Energieform führen will. Die bei jedem Energieumsatz entstehenden Wärmeverluste werden nach oben oder nach unten, aus dem System austretend , dargestellt. Jede Energiedifferenz wird aus bestimmten Meßgrößen ermittelt. Die Begriffe für die Meßgrößen werden in Buchstabensymbolen abgekürzt. Es ist hilfreich, die Abbildung der Meßgeräte , besonders derjenigen mit denen die Zustandänderung gemessen werden , in das Mengenbild zu integrieren. Bei Wärmemengen Q wird der Zustandsunterschied z.B. mit dem Thermometer festgestellt : Die Temperatur bei einem Mischvorgang sinkt auf die Mischtemperatur. Das ursprünglich heiße Wasser wird kalt und das ursprünglich kalte Wasser wird heiß. Diese Zustandsänderung läßt sich anschaulich darstellen.Wo bei der Wärmemenge das Thermometer eingezeichnet ist würde bei der elektrischen Energie das Voltmeter , bei der Lagenergie der Höhenmaßstab u.s.w. eingezeichnet. fachkom2 06.08.2017 fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite 1 3.5.2 Beispiel für die Analyse einer Energieumwandlung Die Situation ist den Schülern vertraut: Der Tauchsieder ist ein elektrisches Gerät. Es gibt ihn als Reisetauchsieder oder Haushaltstauchsieder mit verschiedenen Leistungsangaben P in Watt. Für die Messung der an das Wasser abgegebenen elektrischen Energiedifferenz ∆E ist die Einschaltdauer t wichtig.(∆E=P*∆t) Die Energieumwandlung läßt sich bei konstanter Wassermenge m am Thermometer als Temperaturerhöhung ∆ϑablesen. Bei einem anderen Stoff z.B. Öl bekommt man bei sonst gleichen Bedingungen eine größere Versuchaufbau : Tauchsieder,Uhr ,Thermometer Temperaturerhöhung. In das allgemeine Energieumwandlungsschema werden nun die bekannten Meßgrößen eingetragen: Bei einem ideal isolierenden Thermogefäß sind die Verluste Qverl. sehr gering. Unter dieser Voraussetzung wird die gesamte elektrische Energie in Wärme des Wassers umgesetzt : ∆E P*t = Q = m *c* ∆ϑ Aus dieser Formel kann man die unbekannte Größe c, die spezifische Wärmekapazität berechnen .( cwasser= 4,2 kWs/ kg oC ) Alle Variationsmöglichkeiten können experimentell erforscht und dargestellt werden.In der Darstellung bleibt die Ausgangssituation immer präsent. Bei Veränderung einer der fünf Meßgrößen ändern sich immer alle anderen Meßgrößen , weil die Energiedifferenz, visualisiert durch den Rauminhalt, konstant bleibt. Auch ohne mathematische Umwandlungen kann durch die Darstellung sofort vorausgesagt werden wie sich z.B. die Temperaturerhöhung bei Verdoppelung der Masse ändert, wenn sonst alle anderen Meßgrößen gleich gehalten werden. Der Mischungsversuch stellt ein komplizierteres Beispiel für einen Energieaustausch von einer Energieform in dieselbe Energieform dar. fachkom3 06.08.2017 fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite 2 Auch ohne mathematische Bearbeitung läßt sich die Veränderung der Mischtemperatur z. B. aufgrund der Veränderung der heißen oder kalten Wassermenge anhand der Darstellung voraussagen und im Experiment überprüfen. Wird bei der experimentellen Überprüfung ein ideal isolierendes Thermogefäß vorausgesetzt, so gilt : Qab = Qauf . mheiß • c • ( ϑ Ausgang − ϑ misch ) = mkalt • c • ( ϑ misch − ϑ kalt ) Diese Gleichung läßt sich nach der gesuchten Mischtemperatur T misch umformen. fachkom3 06.08.2017 fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite 1 3.5.2 Beispiel für die Analyse einer mechanischen Energieumwandlung Als Ausgangssituation ist ein Experiment gegeben in dem eine Lageenergiedifferenz in eine Bewegungsenergiedifferenz umgewandelt wird und umgekehrt. Die Wucht, mit der eine große Eisenkugel beim Abbruch von Mauern gegen die Steine schlägt , wächst mit der Masse m der Eisenkugel.Eine weitere Einflußgröße ist der Höhenunterschied. Zunächst kann bei verschiedenen Höhenunterschieden mit Hilfe von Lichtschranke und Kurzzeitmesser die maximale Geschwindigkeit der Masse m festgestellt werden. Sind solche Geräte nicht verfügbar, kann die maximale Geschwindigkeit auch indirekt über die Wurfweite bestimmt werden, wenn als Pendelmasse eine Kugel im tiefsten Punkt der Pendelbewegung ihre ganze Bewegungsenergie auf eine zweite Kugel derselben Masse überträgt. Die Meßtabelle oder ein Diagramm , in dem die Geschwindigkeit v über der Höhe h aufgetragen wird, zeigt keine Gerade. Es wird ein überproportionaler , ein quadratischer Zusammenhang vermutet. Die Zahlenwerte von v2 bestätigen diese Vermutung. Das Diagramm v2 über h aufgetragen ergibt eine Gerade. Die Steigung dieser Geraden hat die Einheit einer Beschleunigung "m/s*s" und den Zahlenwert 2* 9.81 also das doppelte der Erdbeschleunigung g. Die Erdbeschleunigung g muß im Unterricht mit verschiedenen Experimenten vorher schon festgestellt worden sein. Alle Meßergebnisse aus dem Diagramm lassen sich in folgender Formel zusammenfassen: m⋅ ve 2 = m⋅g⋅h 2 Dieses Ergebnis kann man an dem Schaubild der Energieumwandlung verdeutlichen: Die rechte Seite der Gleichung hat drei physikalische Größen , die man als drei Seiten eines Quaders darstellen kann: Die Pendelmasse m fällt von einem höheren Energiezustand in einen niedrigeren Energiezustand. Die Differenz der beiden Höhenlagen ist ∆h. fachkom4 (Sz 06.08.2017 ) fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite 2 Man nennt den jeweiligen Energiezustand Lageenergie oder potentielle Energie und schreibt als Formelzeichen Epot. Das Volumen des Quaders enthält deshalb die in der Pendelmasse aufgespeicherte Differenz der potentiellen Energie vor dem Fall und der potentiellen Energie nach dem Fall. Auch nach dem Fall ist in der Pendelmasse noch potentielle Energie gespeichtert. Man könnte z.B. den Faden durchschneiden und die Kugel würde auf den Boden fallen. Als Formel schreibt man : ∆ E pot = Evorher − Enachher = m • g • ∆ h Auch für das Ergebnis, der Energieumwandlung , nämlich die Wucht der Pendelmasse, kann man ein Volumen darstellen. Dazu trägt man die Endgeschwindigkeit v e einmal nach oben und einmal nach vorne auf und die Masse m nach hinten. Der Zahlenfaktor 1/2 in der experimentell gefundenen Formel zeigt an , daß man das Volumen des "Quaders" halbieren muß. Das Volumen nennt man Differenz der kinetischen Energie nachher minus der kinetischen Energie vorher. Die ausgefüllte Fläche stellt das Produkt p=m*v dar , also den Impuls des bewegten Körpers. Verschiebt man diese Fläche in Richtung der "x-Achse" , wird die Fläche( der Impuls p !) immer kleiner. Der Bewegungszustand des Körpers nimmt ab , je mehr Bewegungsenergie in Lageenergie umgewandelt wird. Als Formel für die Differenz der Bewegungsenergien erhält man: ∆Ekinetisch = Enachher − Evorher = 1 • m • ve 2 2 Den Energieumwandlungsvorgang kann man sich so vorstellen, daß auf der rechten Seite die obere Fläche mit der abnehmenden Höhe h nach unten geht und damit die aufgespeicherte potentielle Energie verschwindet. Auf der rechten Seite wächst die Geschwindigkeit v der Pendelkugel , dabei wird ein immer größeres Volumen aufgespannt. Wenn die Pendelmasse unten an der Lichtschranke vorbei kommt hat sich die gesamte potentielle Energiedifferenz ∆Εpot in die kinetische Energiedifferenz ∆Ekin umgewandelt. Besonders bei der mechanischen Energieumwandlung wird anschaulich, daß die gesamte Menge der Energie (Lage-und Bewegungsenergie) in jedem Augenblick der Bewegung erhalten bleibt .Bei dieser Betrachtung werden allerdings die Reibungsverluste nicht berücksichtigt . fachkom4 (Sz 06.08.2017 ) fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite 3 Als Formel für die Energieumwandlung bekommt man allgemein: ∆E pot = ∆E kin Die Einheit der Energiedifferenz bekommt man , wenn man die Grundeinheiten für die einzelen physikalischen Größen einsetzt . ∆E = kg *m*m/s*s= Newton*m.=.kg*(m*m/s*s) = Joule= Watt*Sekunde An den verschiedenartigen Einheiten erkennt man, wie durch den Begriff " Energie" die verschiedenartigen Teilgebiete Elektrik, Wärme, Mechanik, Strahlung vereinheitlicht werden. Der Energieerhaltungssatz macht die Umrechnung einer jeden Energieart in die jeweils andere möglich. Das Umwandlungsschaubild für die reibungsfreie mechanische Energieumwandlung sieht, vollständig gezeichnet, so aus : Was geschieht, wenn die Beschleunigung g geändert wird ? Man könnte sich vorstellen, daß ein Atronaut denselben Pendelversuch auf dem Mond durchführt. Die Erdmasse war die Ursache für den freien Fall der Pendelmasse.Vergleicht man die Masse m Mond mit der Masse mErde so ergibt sich das Verhältnis 1: 6. fachkom4 (Sz 06.08.2017 ) fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite 4 Fernsehaufzeichnungen von Astronauten auf dem Mond zeigen u.a. weite Sprünge der Astronauten. Die Schwerebeschleunigung auf dem Mond beträgt nur 1/6 tel der Schwerebeschleunigung auf der Erde ! Wenn die Pendelmasse mit derselben Endgeschwindigkeit ve durch die Lichtschranke geht wie auf der Erde, auf welche Höhe kommt sie dann auf dem Mond ? Man kann sich die Zahlenverhältnisse wieder am Umwandlungsschaubild klar machen : Aufgrund der Energieerhaltung muß die Pendelmasse auf dem Mond eine sechsfach größere Höhe erreichen. 3.5.4 Weitere Beispiele für Energieumwandlungen In weiteren Experimenten können weitere Variationen im Zusammenhang mit der mechanischen Energieumwandlung untersucht werden: - Umwandlung von elektrischer Energie in Lageenergie am Beispiel des Hebens einer Masse mit einem Elektromotor; fachkom4 (Sz 06.08.2017 ) fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite 5 -Umwandlung von Verformungsenergie in Bewegungsenergie : Eine Spiralfeder wird zusammengepreßt und beschleunigt anschließend eine Kugel auf die Endgeschwindigkeit ve . 3.6 Der Begriff der physikalischen Arbeit W im prototypischen Physikunterricht In den gängigen Schulbüchern wird der Begriff der physikalischen Arbeit W als Produkt von Kraft längs eines Weges eingeführt. Dieser Begriff ist besonders dann sinnvoll wenn sich eine Größe z. B. die Federkraft während des Spannvorgangs verändert und nicht wie die Gewichtskraft G beim Vorgang des Hebens konstant bleibt. Die Erfahrung mit Schülern im Unterricht zeigen aber ,daß der Begriff der physikalischen Arbeit als Begriff Schwierigkeiten macht. Es gilt in allen Fällen die Identität : W = ∆E Aus Gründen der Lernökonomie wird deshalb im prototypischen Unterricht auf die exakte Einführung des Begriffs der physikalischen Arbeit verzichtet, weil dazu auch der Vektorcharakter von Kraft und Weg geklärt sein muß.Vorbereitend läßt sich jedoch die Energiedifferenz als Produkt von Kraft *Weg in für spezielle Fälle einführen , z.B bei der Lageenergie oder der Spannenergie oder der Reibungsenergie.Anschaulich wird dabei zB. bei der Lageenergie die Fläche "Masse * Erdbeschleunigung" als Gewichtskraft G mit dem Höhenunterschied als Weg, den die Gewichtskraft verschoben wird, interpretiert. Auch wenn der Begriff der physikalische Arbeit W auf diese Weise begrifflich an Spezialfällen entwickelt wird bleibt die Unterscheidung zwischen Energie als Zustand E und Energieunterschied als ∆E für den prototypischen Physikunterricht der zentrale Gesichtspunkt für die Beschreibung der Energieumwandlung. Für diejenigen Fälle, in denen sich die Kraft während der Enegieumwandlung ändert , wie z.B. bei dem oben beschriebenen Spannvorgang, läßt sich eine mittlere Kraft definieren wie dies am Beispiel der mittleren Geschwindigkeit oben beschrieben wurde. Die mittlere Kraft ist in den meisten Fällen auch wieder aus zwei weiteren Größen zu bestimmen. Bei der Federkraft sind dies Federkonstante D und Spannweg s wie es das Hooke`sche Gesetz aussagt: Fmittel = 1 • D•s 2 Das Volumen der Federspannerergie ∆Espann ergibt sich dann in derselben Form wie das Volumen der Bewegungsnergie: fachkom4 (Sz 06.08.2017 ) fachlicher Kommentar : Begriffsbildung im prototypischen Physikunterricht Seite 6 fachkom4 (Sz 06.08.2017 )