und Pflegewissenschaften Therapieansätze in der Behandlung von

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Bachelorarbeit
Medizinische Universität Graz
Gesundheits- und Pflegewissenschaften
Jadranka Pavetic
Therapieansätze in der Behandlung von Diabetes mellitus
Begutachterin
Ao. Univ.-Prof. Dr. med. univ. Ulrike Holzer
Institut für Experimentelle und klinische Pharmakologie
Titel der Lehrveranstaltung
Pharmakologie
Vorlage
November 2016
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als angegebenen Quellen nicht
verwendet und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich
entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Graz am 25.11.2016.
Jadranka Pavetic eh.
Zusammenfassung
Diabetes mellitus ist eine der am weitesten verbreiteten Stoffwechselerkrankungen. In einem
kurzen Einblick zur Geschichte der Diabetes mellitus wurde als Erkrankung in der Antike
erstmals über Diabetes geschrieben. Diabetes mellitus ergibt sich aus absolutem oder
relativem Insulinmangel. Typ-1 wird als „juvenile Diabetes“ klassifiziert und Typ-2 als
Volkskrankheit unserer Wohlstandsgesellschaft. Neben diesen beiden Typen von Diabetes
kann sie auch in der Schwangerschaft vorkommen und danach wieder verschwinden. Neben
oben genannten Arten von Diabetes gibt es auch Sonderformen dieser Erkrankung. Die
Symptomatik von Typ-1 und Typ-2, ihre Untersuchungsmethoden und Krankheitsverläufe
bis zu Spätkomplikationen als unsichtbaren Feind bei dieser Stoffwechselerkrankung
werden ausführlich beschrieben. Als Schwerpunkt werden Therapieansätze beschrieben: wie
Insulin als Blutzucker senkendes Hormon bei Betroffenen eingesetzt wird, die Darstellung
von Messwerten und wie Insulin richtig gespritzt wird.
Um den Blutzucker in den Griff zu bekommen, sind neben dem Insulin auch orale
Medikamente hilfreich. Neben den Medikamenten ist die Motivation der PatientInnen ein
wichtiger Teil der Behandlung. Durch Schulungen, Diät, Bewegung und
Rauchentwöhnung kann ein/eine DiabetikerIn viel erreichen und an Lebensqualität
gewinnen.
Abstract
Diabetes mellitus is one of the most widespread diseases of metabolism. A brief insight to
the history of diabetes mellitus as disease in ancient times for the first time about diabetes
written in. Diabetes mellitus results from absolute or relative insulin deficiency. Type 1 is
classified as a "juvenile diabetes" and type 2 as a widespread disease of our affluent society.
In addition to these two types of diabetes, it can occur during pregnancy and then disappear.
There are also special forms of the disease in addition to the above mentioned types of
diabetes. The symptoms of type 1 and type 2, their methods of investigation and disease
outcomes up to late complications as an invisible enemy in this metabolic disease are
described in detail. Treatment approaches are described as focus: how insulin is used as
1
hormone reduce blood sugar for those affected, the appearance is properly injected readings
and insulin.
To get the blood sugar under control, also oral medications are useful in addition to insulin.
In addition to the drugs, the motivation of the patient is an important part of the treatment.
Through training, diet, exercise and smoking cessation, a diabetic can achieve much and
gain in quality of life.
2
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung/Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung ..........................................................................................................................1
1.1. Begründung der Themenwahl .....................................................................................1
1.2. Fragestellung und Zielsetzung ....................................................................................2
2. Material und Methode .....................................................................................................3
2.1. Die Suchergebnisse .....................................................................................................3
3. Ergebnisse und Resultate ................................................................................................3
3.1. Definition von Diabetes mellitus ................................................................................4
3.2. Historischer Überblick zur Diabetes mellitus .............................................................4
3.3. Diabetes in Zahlen ......................................................................................................6
3.4. Klassifikation von Diabetes mellitus ..........................................................................7
4. Diabetes mellitus Typ-1 .................................................................................................10
4.1. Ätiologie, Klinische Symptome, Krankheitsverlauf .................................................10
4.2. Prävalenz und Inzidenz von Diabetes Typ-1 bei Kindern und Jugendlichen weltweit
.........................................................................................................................................11
5. Diabetes mellitus Typ-2 .................................................................................................12
5.1. Diagnose von Diabetes mellitus Typ-2 und Untersuchungsmethode .......................13
5.2. Metabolisches Syndrom ............................................................................................15
6. Therapieansätze zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ-1 ...............................18
6.1. Wirkung und Nebenwirkung von Insulin ..................................................................18
3
6.2. Arten von Insulin ......................................................................................................19
6.3. Insulintherapie ...........................................................................................................24
6.4. Lagerung und Aufbewahrung ...................................................................................28
7. Therapeutische Behandlung von Diabetes mellitus Typ-2 ........................................28
7.1. Orale Antidiabetika - Überblick ................................................................................31
7.1.1 Sulfonylharnstoffe und Glinide ...........................................................................31
7.1.2 Biguanide (Metformin) .......................................................................................33
7.1.3 Thiazolidindione (Glitazone) ..............................................................................34
7.1.4 Alfa- Glucosidase-Hemmstoffe ..........................................................................34
7.1.5 Inkretin-Analoga .................................................................................................35
7.1.6 Gliptine................................................................................................................35
7.1.7 Gliflozine ............................................................................................................35
8. Nichtmedikamentöse Therapie .....................................................................................36
9. Schussfolgerung..............................................................................................................40
10. Diskussion .....................................................................................................................40
Literaturverzeichnis ..........................................................................................................41
Abbildungen .......................................................................................................................42
Tabellen ...............................................................................................................................43
4
Abbildungsverzeichnis
Abb.1 : Das älteste medizinische Buch der Welt .................................................................. 6
Abb. 2: Diabetesformen ..................................................................................................... 9
Abb. 3: Diabetesinzidenz bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren
in Österreich von 1999 bis 2007 ............................................................................. 12
Abb. 4: Blutzuckerwerte
–
„Schritte
zur Diagnose“ …………….. 15
Abb. 5: Insulin-Injektionsstellen ......................................................................................... 24
Abb. 6: Insulinpumpe .......................................................................................................... 28
Abb. 7: Darstellung des Stufenschemas der Differentialtherapie bei
Diabetes Typ-2 mit Übergewicht………………................................................................ 30
Abb. 8: Insulinsekretionsmechanismus der Betazelle und Wirkungsweise von
Sulfonylharnstoffen……… ......................................................................................... ...32
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Übersicht – Insulin in Österreich ..........................................................................21
Tab. 2: Antidiabetika… .................................................................................................... 36
5
1.
Einleitung
1.1.
Begründung der Themenwahl
Diabetes mellitus ist in den industrialisierten Ländern mit einer Häufigkeit von etwa 2 bis
5 % eine weit verbreitete und nicht heilbare Stoffwechselstörung. In der Bevölkerung ist
Diabetes vom Typ-2 stärker als Diabetes Typ-1 verbreitet, welche selten vorkommt. Diabetes
mellitus Typ-1 ist eine zum Teil erbliche, zum Teil chronische Erkrankung. Die Ursache bei
Diabetes Typ-1 liegt bei absolutem Insulinmangel.
Seit ca.
60 Jahren wird
eine
weltweite
Zunahme
von
Erkrankten
dieser
Stoffwechselstörung verzeichnet. Zur eigentlichen Krankheit wird Diabetes mellitus erst,
wenn Langzeitkomplikationen auftreten. Weltweit wird die Zahl der Diabetiker bis 2030 von
jetzt 366 auf 552 Millionen angestiegen sein1.
Die explosionsartige Zunahme von DiabetikerInnen des Typs-2 hat mehrere miteinander
verknüpfte Ursachen: die Häufigkeit von Adipositas (krankhaftes Übergewicht),
abnehmende körperliche Aktivität sowie genetische Prädispositionen. Die Lebensqualität
von Erkrankten der Diabetes mellitus ist beeinträchtigt und sie haben eine deutlich kürzere
Lebenserwartung. Zur Verbesserung der Lebensqualität von Leidenden an Diabetes vom
Typ-1 und Diabetes vom Typ-2 ist dabei eine richtige und dauerhafte Einstellung von Insulin
erforderlich.
Dabei stellt Diabetes ein großes Risiko für schwere Begleit- und Folgeerkrankungen wie
Herzinfarkt, Augenerkrankungen oder Nierenversagen dar. Es ist von besonderer
Wichtigkeit, die Bevölkerung über diese Volkskrankheit aufzuklären – von vorbeugenden
Maßnahmen eines gesunden Lebensstils über Risiko der Krankheit bis hin zur Diagnose und
zur dauerhaften Therapie.
Diabetes ist eine Erkrankung, in deren Therapie der/die DiabetikerInnen in hohem Masse
eingebunden ist. Der Therapieerfolg ist umso grösser, je mehr der/die PatientIn dazu beiträgt.
Zur medikamentösen Therapie der Diabetes mellitus vom Typ-1 wird ausschließlich
Insulin eingesetzt. PatientInnen des Diabetes Typ-2 werden mittels oraler Antidiabetika und
nach Bedarf auch mit Insulin behandelt. Durch gezielte Maßnahmen betreffend Lebensstil
1
Gesundheit, 2012
1
können DiabetikerInnen nicht nur die Manifestation der Krankheit verhindern und
hinauszögern, sondern auch den Medikamentenbedarf senken. Wichtige Säulen der
Behandlung mit Blick auf Änderungen des Lebensstils sind Bewegung und Ernährung. Das
Ziel dieser Therapiemaßnahmen besteht in der Vermeidung von unerwünschten
Nebenwirkungen.
1.2.
Fragestellung und Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, die vielen therapeutischen Möglichkeiten im Kampf gegen Diabetes
darzustellen und einen Überblick über verschiedene medikamentöse Therapien zu geben.
Wünschenswert wäre auch eine Erweiterung der Therapiemöglichkeiten, vor allem die
weitere Erforschung der psychobiologischen Zusammenhänge bei Diabetes mellitus. Ein
weiteres Ziel der Therapie bei Diabetes mellitus Typ-1 und Typ-2 soll nicht ausschließlich
die medikamentöse Therapie sein, um ein Optimum bei dieser Erkrankung zu erzielen.
2
2.
Material und Methode
Auf das Thema «Therapieansätze der Diabetes mellitus» wurde ich aufmerksam, als ich in
der Bibliothek der Karl-Franzens-Universität und der Medizinischen Universität in Graz
Bücher zu diesem Thema suchte. Um interessantes und aktuelles Material für diese
Aufgabenstellung zu finden, habe ich über einen langen Zeitraum fast alle Bibliotheken in
Graz durchgestöbert.
2.1.
Die Suchergebnisse
Die Literatursuche
Auf der Suche nach relevanten Büchern habe ich die Karl-Franzens-Universität, die
Öffentliche Bibliotheksarbeiterkammer Graz sowie die Stadtbibliotheken Graz, Graz-Süd
und Graz-West besucht. Es war eine positive Überraschung, was für eine große Anzahl an
Büchern zu diesem Thema veröffentlicht worden ist. Die Definition der Begriffe Diabetes
Typ-1 und Typ-2 wurde aus unterschiedlichen Literaturquellen und Praxisaussagen im
Wesentlichen auf die nachfolgenden Punkte verdichtet: Grundlage der Diabetes mellitus,
Präventionstherapie, Medikamente bei Zuckerkrankheit, nicht-medikamentöse Therapie bei
Diabetes, orale Antidiabetika, Jugendlichen-Diabetes und Altersdiabetes, Umgang mit
unsichtbaren
chronischen
Krankheiten
sowie
psychobiologische
und
verhaltenspsychologische Ansätze. Für diese Arbeit wurden 21 Bücher sowie medizinische
Fachzeitschriften und mehrere Internet-Quellen angewendet, um Informationen und
Abbildungen für meine Bachelorarbeit glaubwürdig zu erstellen.
3.
Ergebnisse und Resultate
In diesem Kapitel wird die sogenannte „Zuckerkrankheit“ beschrieben, in der medizinischen
Fachsprache Diabetes mellitus. Der Name ‘Diabetes’ kommt aus dem Griechischen und
bedeutet „durchgehen“. Das Zusatzwort ‘mellitus’ heißt `honigsüß` und soll darauf
hinweisen, dass die Krankheit etwas mit Süßem zu tun hat. In weiterer Folge wird Diabetes
als „Volkskrankheit“ beschrieben sowie die Häufigkeit der Erkrankten an Diabetes in
Österreich und in Europa statistisch dargestellt.
3
3.1.
Definition von Diabetes mellitus
„Der
Begriff
unterschiedlicher
Diabetes
Ätiologie,
mellitus
die
beschreibt
durch
das
eine
Stoffwechselstörung
Leitsymptom
Hyperglykämie
charakterisiert ist. Defekte der Insulinsekretion, der Insulinwirkung oder beides
verursachen v.a. Störungen des Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsels.
Langfristig können Schädigungen, Dysfunktion und Versagen verschiedener Organe
auftreten. Betroffen sind einerseits kleine Blutgefäße (Mikro-Angiopathie) mit
Erkrankungen der Augen (Retinopathien), der Nieren (Neuropathie) und der Nerven
(Neuropathie). Andererseits können Prozesse an den großen Gefäßen im
Sinne
einer
Arteriosklerose
durch
Diabetes
beschleunigt
werden
(MakroAngiopathie)“.2
3.2.
Historischer Überblick zur Diabetes mellitus
Diabetes mellitus reicht bis in die Antike zurück. In ältesten Quellen medizinischer Literatur
wird über Diabetes berichtet. Die Krankheit wurde glaubwürdig in einer Schriftrolle
dokumentiert. Die Schriftrolle, bekannt als das ‘Papyrus Ebers’, datiert auf ca.
1500 v. Chr.
In mehreren Quellen vorchristlicher Zeit werden Symptome der Diabetes erwähnt, aber den
Namen ‘Diabetes mellitus’ gab es damals noch nicht. In der Antike schilderten arabische und
griechische Mediziner sowie Philosophen die Symptomatik von Diabetes.
Im 16. Jahrhundert wurde Urin von DiabetespatientInnen analysiert. Bekanntester Vertreter
dieser Praxis war Paracelsus. Die weißen Rückstünde, die nach dem verdampften Urin
geblieben sind, wurden als Salz gekennzeichnet. Diese Salzrückstände der Nieren wurden
als Ursache für Diabetes vermutet.
In 17. Jahrhundert beobachtete Thomas Willis, dass bei PatientInnen, welche einer Diät
ausgesetzt waren, einer Besserung von allgemeinen Zustand sichtbar war. Eine Erklärung
gab es nicht. Er vermutete, dass die Ursache im Blut lag.
Im 18. Jahrhundert wurde vom britischen Arzt Matthew Dobson über Zucker geschrieben
und sein süßer Geschmack festgestellt. Im Jahre 1788 wurde Diabetes in Bezug auf die
2
Danne, T., Kordonouri, O, Lange, K., 2015, S. 2
4
Bauchspeicheldrüse erwähnt. Einer der großen Ärzte war Adolf Kußmaul, der PatientInnen
beobachtete, welche im Krankenbett lagen. Die Atmung dieser PatientInnen im Coma
diabetikum wurde als „Kußmaulsche Atmung“ bezeichnet.
Die Diabetesforschung hat sich in den folgenden Jahrhunderten rasch weiterentwickelt.
Das 19.Jahrhundert wurde durch mehrere Ärzte bezüglich Diabetesentwicklung geprägt. Es
ging um Pankreas-Untersuchungen bei DiabetikerInnen, welche von Paul Langerhans als
Inselzellen
im
Gewebe
der
Pankreas
beschrieben
wurden.
Danach
folgten
Behandlungsversuche mit Pankreatin aus Schweine-Bauchspeicheldrüsen. Ärzte stellten die
wichtigsten Prinzipien der Diabetesbehandlungen wie Körpergewichtsreduktion, Bewegung,
Diät, Schulung von Kranken und Bedeutung von Stoffwechsel auf. Es wurden zwei
unterschiedliche Diabetesformen erwähnt: die „mageren Diabetes“ und „fetten Diabetes´´.
Im 20.Jahrhundert haben sich viele Ärzte/Ärztinnen mit Diabetes beschäftigt. Der englische
Physiologe Edward Albert Sharpey-Schafer nannte die bei PatientInnen von Diabetes
fehlende Substanz der Pankreas „Insulin“. Vor der Entdeckung des Insulins galt ein Diabetes
vom Typ-1 noch als unheilbar und tödlich.
1936 wurde durch Hans Christian Hagedorn das langwirkende Insulinpräparat ‘Neutrales
Protamin Hagedorn’ (NPH-Insulin) entwickelt. 1950 wurde die International Diabetes
Federation´ gegründet. Die Forschung ist heute so weit gekommen, dass die Insulinzufuhr
durch einen Informationsaustausch mittels Geräten den Blutzuckerwert dauerhaft
kontrollieren kann.3.
3
vgl. Diabetes-Fact, 2012
5
Abb. 1:Das älteste medizinische Buch der Welt
(Quelle: WFR, Your Global Source for Health Information, 2016)
3.3.
Diabetes in Zahlen
Diabetes mellitus wird nicht zu Unrecht als Zivilisations- oder Volkskrankheit bezeichnet,
da die Häufigkeit der Erkrankten in den letzten Jahrzehnten drastisch angestiegen ist.
Diabetes Typ-2 steht als häufigste Diabetesform an erster Stelle.
Die Zahl der DiabetikInnen in Österreich liegt bei 573.000 bis 645.000. Davon sind 430.000
ärztlich diagnostiziert. Die Diagnose wird durch die Feststellung eines pathologischen
Befundes (krankhafte Veränderung des Pankreas) und einer Glukosekonzentration im Blut
gesichert. Die ExpertInnen glauben, dass in Wirklichkeit die Anzahl der nicht erkannten
Betroffenen zwischen 143.000 und 215.000 liegt, also sind 8 % der/die ÖsterreicherInnen
davon betroffen. Österreich befindet sich sowohl in Europa als auch weltweit im Mittelfeld.
Europaweit wird die Zahl der DiabetikerInnen auf 53 Mio. geschätzt. Experten vermuten,
dass diese Zahl bis 2030 auf 64 Mio. ansteigen wird.
Zusätzlich leiden in Europa 63 Mio. Menschen an Prädiabetes, und diese Zahl wird sich bis
6
2030 um 10,6% erhöhen. Dabei ist zu erwähnen, dass 19 Mio. der Bevölkerung der
Europäischen Länder nicht wissen, dass sie DiabetikerInnen sind. An erster Stelle in Europa
liegt Russland mit 10% DiabetikerInnen4.
Der Anteil an DiabetikerInnen von Diabetes mellitus Typ-1 macht 4 % der Bevölkerung aus.
In Österreich sind 1500 Kinder unter 14 Jahren an Diabetes erkrankt. Der Anteil stark
übergewichtiger Kinder steigt. Dies führt dazu, dass diese Kinder an Diabetes Typ-2
erkranken könnten5.
In Österreich wurden im Jahr 2011 - 2900 Todesfälle an DiabetikerInnen festgestellt. Es
handelte sich dabei vorwiegend um Männer im Alter von 74 Lebensjahren. In
Niederösterreich und im Burgenland, also östlich, zeigte sich die Sterblichkeit am höchsten
– im Vergleich zu den westlichen Bundesländern, wo die Sterberate am geringsten ist. Im
selben Jahr wurden in Österreichs Krankenhäusern 20.000 Patienten, die an Diabetes leiden,
betreut. Bis zum Jahr 2007 wurde eine Zunahme an stationärer Versorgung von Kindern
festgestellt6.
Es ist unvermeidbar zu erwähnen, wie wichtig die Lebensweise (Lebensstil), die Umwelt,
der Sozialstatus und die Bildung der Bevölkerung ist. Es ist zu beobachten, dass die
Population mit niedrigem Sozialstatus und mit niedrigem Bildungsniveau „anfällig“ dafür
ist, an Diabetes Typ-2 zu erkranken.
3.4.
Klassifikation von Diabetes mellitus
Dieses Kapitel dient als Einführung in die verschiedenen Formen der Zuckerkrankheit. Im
Auftrag der American Diabetes Association (ADA) aus dem Jahr 1997 wurde von einem aus
mehreren Ländern stammenden Expertenkomitee eine neue und bis heute gültige Form des
Diabetes mellitus erarbeitet, welche die WHO ebenso akzeptiert hat. Damit wurde die
Klassifikation aus dem Jahr 1979 definitiv als ungültig erklärt.
Die Klassifikation von Diabetes-Formen unterscheidet vier Gruppen:
4
vgl. Wascher, T., Pongratz, R., 2015, S 24-25
5
vgl. ÖDG, 2016
6
vgl. Arrouas, M., Renda-Wagner, P., 2013
7
1) Diabetes mellitus Typ-1: diese Art der Diabetes ist in der Bevölkerung als
„Jungendiabetes“ bekannt, kann aber auch erst im 40. Lebensjahr einsetzen. Die
PatientInnen produzieren kein Insulin, da die insulinproduzierenden Zellen zerstört
sind. Zu diesem Typ kann es durch Vererbung oder durch Fehler bei der Steuerung
des Immunsystems kommen.
2) Diabetes mellitus Typ-2 gilt als die häufigste Form von Diabetes mellitus. Diese
Form von Diabetes wird diagnostiziert, wenn der Körper nicht genügend Insulin
produziert. Die Zellen im Körper reagieren auf Insulin vermindert
(„Insulinresistenz“). Diese Form von Diabetes kann sowohl erblich entstehen oder
sich im Laufe des Lebens entwickeln. Übergewicht und Bewegungsmangel gelten
als schlechte Lebensführungsweise und können dazu beitragen, an Diabetes zu
erkranken.
3) Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) tritt während der Schwangerschaft
auf und verschwindet in den meisten Fällen nach der Geburt. Auf Grund der
Schwangerschaft kommt es zu Stoffwechselveränderungen und daraus resultiert
hoher Bedarf an Insulin. Familiäre Belastungen oder Übergewicht verstärken das
Risiko, an Gestationsdiabetes zu erkranken, zusätzlich.
4) Spezifische Diabetestypen: Diese Form kommt sehr selten vor. Dazu können
Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas), hormonelle Erkrankungen und
Medikamente (z.B. Steroide) führen.7
7
vgl. Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Osteologie und Stoffwechselerkrankungen, 2016
8
Abb. 2: Diabetesformen
(Quelle: Universitätsklinikum Erlangen, 2015)
9
4.
Diabetes mellitus Typ-1
Bei Diabetes mellitus Typ-1 handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der die
Bauchspeicheldrüse kein Insulin produziert. Wie erwähnt, trifft sie meist junge Menschen
(sog. „juvenile Diabetes“). Diese Form von Diabetes kann erblich oder als Folge der
Zerstörung von Zellen, welche die Insulinproduktion beeinflussen, entstehen. Das
bedeutet, dass Insulin zugeführt werden muss. Eine oral-medikamentöse Therapie ist bei
Diabetes Typ-1 nicht möglich.
4.1.
Ätiologie, Klinische Symptome, Krankheitsverlauf
Diabetes mellitus Typ-1 ist immunologisch oder idiopathisch bedingt. In den meisten
Fällen tritt sie als Krankheit zwischen dem 14. und dem 20. Lebensjahr auf. Die
Entdeckung der Krankheit ist bis zum 35. Lebensjahr möglich. Eine Manifestation in
späteren Jahren nennt man LADA-Diabetes (Latent Autoimmune Diabetes in Adults).
Diabetes Typ-1 liegt vor, wenn Diabetes durch Zerstörung der Beta-Zellen mit
Ketoazidoseneigung charakterisiert ist. Die Betazellenzerstörung ist die Folge eines
Autoimmunprozesses. Ein Mangel an Insulin kann zur lebensbedrohlichen Situation durch
Ketoazidose führen, einer Übersäuerung des Blutes (Azidose). Durch das fehlende Insulin
im Körper läuft der Fettabbau ungebremst und führt zu einem enormen Anstieg der
Fettsäuren im Blut. Um diese lebensbedrohliche Situation zu vermeiden, ist externe
Insulinzufuhr lebensnotwendig.8
Bei Diabetes Typ-1 kommt es zu einer irreversiblen Störung der Insulinproduktion. Des
Weiteren nimmt die Insulinproduktion im menschlichen Körper einen sehr hohen
Stellenwert ein. Insulin ist ein anaboles Hormon; durch die Ausschüttung von Insulin
kommt es zu einem gesteigerten Glucose-Transport in die Skelettmuskelzellen und
Adipozyten. Ein hoher Glukosewert führt zu einer Hyperglykämie.
Die Diagnose von Diabetes mellitus Typ-1 kann über diabetes-spezifische Antikörper im
Blut festgestellt werden.
Zu diesen Antikörpern gehören:
8
Ernst, R., Froesch, E., Matelli, E., 2006. S. 16-34
10
1) Antikörper gegen Insulin
2) Autoantikörper gegen Glutaminsäure-Decarboxilase (GADA)
3) Autoantikörper gegen Tyrosinphosphatase IA-2 (IA2A)
4) Inselzellantikörper (ICA)
5) Antikörper gegen Zinktransporte
Besteht über einen langen Zeitraum eine Hyperglykämie, die bei Diabetes mellitus am
häufigsten auftretende Störung, kommt es zu einer progredienten Schädigung von Gefäßen
sowie peripheren Organen und Nerven. Hyperglykämie ist auch der Auslöser für
diabetische Retinopathie (Augen) und die diabetische Nephropathie (Nieren). Das Wort
‘Balance’ ist von großer Bedeutung für die gestörte Glukose-Stoffwechselregulation, um
den Blutzucker richtig einzustellen und den Blutzuckerspiegel im normalen Bereich zu
halten. Es ist ganz besonders auf die typische Symptomatik der Erkrankten zu achten, wie:
-
Hyperglykämie (hoher Blutzucker)
-
Polydipsie (vermehrtes Trinken)
-
Polyurie (häufiges Harnlassen)
-
Gewichtverlust9
4.2. Prävalenz und Inzidenz von Diabetes Typ-1 bei Kindern und
Jugendlichen weltweit
Unter Prävalenz versteht man die Häufigkeit einer Erkrankung in einer definierten
Population. Unten Inzidenz versteht man die Zahl der Manifestationen einer Erkrankung
pro Jahr. Epidemiologische Daten über die Prävalenz von Diabetes Typ-1 bei Kindern und
Jugendlichen in verschiedenen Ländern zeigen ausgeprägte regionale Unterschiede. Die
erwähnte Diabetes tritt im ersten Lebensjahr kaum oder sehr selten auf. Die Inzidenz
nimmt mit dem Alter zu und erreicht ihren Häufigkeitsgipfel um das 4. sowie zwischen
dem 10. und 12. Lebensjahr. Die Häufigkeit zwischen Mädchen und Jungen zeigt keinen
signifikanten Unterschied.
Im Datenvergleich zur Diabeteshäufigkeit bei Kindern und Jugendlichen in verschiedenen
Ländern zeigen sich deutliche Unterschiede. Am häufigsten scheint diese Form der
9
vgl. Kautzky-Willer, A., Winhofer, Y., 2016
11
Diabetes in Finnland und Schweden auf. Hohe Prävalenzdaten wurden auch in den USA
und in Großbritannien nachgewiesen. Selten trat die Krankheit in Frankreich oder in
südeuropäischen Ländern auf. In Ländern der Südregion (Israel, Italien, Korea) ist die
Prävalenz von Diabetes Typ-1 noch geringer. Die Gründe für diese Unterschiede sind nicht
bekannt. Epidemiologische Daten geben keine Erklärung für die konstante Zunahme der
Diabetes-Inzidenz im Kindes- und Jugendalter, machen jedoch deutlich, dass die erblichen
Belastungen nicht dafür verantwortlich gemacht werden können. Es wäre wünschenswert,
genaue Daten über Prävalenz und Inzidenz von Diabetes Typ-1 in Österreich zu
erarbeiten.10
Abb. 3:
Diabetesinzidenz bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren in Österreich von 1999 bis 2007
(Quelle: ÖDG, 29.04.2011.)
5.
Diabetes mellitus Typ-2
Diabetes mellitus Typ-2 war früher auch als nicht-insulinabhängige Diabetes oder
Altersdiabetes
bekannt.
Bei
Menschen
mit
Diabetes
Typ-2
produziert
die
Bauchspeicheldrüse zwar weiterhin Insulin, jedoch nicht im ausreichenden Ausmaß, oder der
Körper kann es nicht mehr wirksam verwenden, um Blutzucker in Energie umzuwandeln
(Insulinresistenz). Die Entwicklung von Diabetes Typ-2 wird durch Erbfaktoren,
10
Danne, T., Kordonouri, O., Lange, K., 2015, S 8-14
12
Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigt. Er tritt in den meisten Fällen erst ab einem
Lebensalter von über 40 Jahren auf; man findet ihn aber auch zunehmend bei jüngeren
Menschen mit starkem Übergewicht.
Die Überernährung führt zu einem vermehrten Glukoseangebot. Wegen der
Insulinunempfindlichkeit muss die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin freisetzen.
Diese erzwungene Mehrarbeit führt zu einer Erschöpfung der Beta-Zellen. Weiters
kommt es durch den überhöhten Insulinspiegel im Blut zu einer Abnahme der
Insulinrezeptoren an der Körperzelle. Der Stoffwechsel kann dadurch nicht mehr
ordnungsgemäß erfolgen11.
5.1.
Diagnose von Diabetes mellitus Typ-2 und Untersuchungsmethode
Diabetes mellitus Typ-2 ist durch die unzureichende Fähigkeit, Glucose aus dem Blut in
die Zellen zu transportieren, erkennbar. Diabetes Typ 2 wird oft erst zufällig entdeckt und
diagnostiziert, was sich durch die genaue Befragung der Symptomatik ergibt. Unten
angeführte Symptome können auf Diabetes Mellitus Typ-2 hinweisen:
-
Durst
-
Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Leistungsabfall
-
häufiges Wasserlassen, auch nachts
-
Sehstörungen
-
Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme oder Heisshunger
-
Juckreiz
-
Abnehmende Libido und Potenz bei Männern, unregelmässige Periodenblutung bei
Frauen
-
Infektanfälligkeit, langsame Wundheilung und Hautinfektionen (z.B. Pilz)
Adipositas mit hohem Anteil von abdominalem Fett in Verbindung mit anderen
11
vgl. Kautzky-Willer, A, Winhofer, Y, 2016, S. 17-30)
13
Symptomen wie erhöhte Triglizeride (> 150 mg/dl), hohem Blutdruck und
Glukoseintoleranz sind ein Zeichen für eine beginnende Krankheit. Abdominales Fett wird
an der Taille gemessen:
-
bei Frauen > 88 cm und - bei Männern > 102 cm.
Laboruntersuchungen
Der wichtigste diagnostische Parameter bei der Feststellung von Diabetes mellitus:
1) Bestimmung des Blutzuckers bei Nüchternheit. Um die Diagnose 'Diabetes
mellitus' zu stellen, wird der Zuckergehalt im Blut gemessen. Liegt die gemessene
Blutglukosekonzentration nüchtern über 100 mg/dl, besteht ein Vorstadium der
Diabetes mellitus oder bereits eine Diabetes mellitus Typ-2 vor. Besteht ein
Verdacht an Diabetes, werden weitere Blutuntersuchungen vorgenommen, um
genaue Ergebnisse zu erlangen. Wenn die Nüchtern-Messung von Blutzucker im
Plasma einen Wert von 126 mg/dl oder sogar mehr zeigt, liegt Diabetes mellitus
vor.
Wenn die Messung des Blutzuckers einen Wert von 160 mg/dl bis 180 mg/dl zeigt, wird
der Zucker über den Urin aus dem Körper entfernt. Mit einer Urinuntersuchung ist es
möglich, Glukose im Urin nachzuweisen, was eine Diabeteserkrankung bestätigt. Neben
Urin geben auch Eiweiß und Aceton Information über den Zustand der Nierenfunktion und
den veränderten Stoffwechsel.12
HbA1- und HbA1C-Bestimmung (glykosylisiertes Hämoglobin in Prozenten des
GesamtHb) kann auch zum Koma führen und Folgeschäden an kleinen und grösseren
Gefäßen verursachen.
Wenn der HbA1 und HbA1C Wert nach Messungen innerhalb von 2-3 Monaten höher als
6,5 Prozent liegt, zeigt dies einen hohen Blutzucker an.13
12
13
vgl.Weitgasser, R., 2015
Graefe, K. H., Lutz, W., Bönisch, H., 2016, S. 409-410
vgl. Abholz, H. H., Egidi, G., Gries, A., et al, 2013, S.32
vgl. Haak, T., 2012.
14
14
15
Abb. 4: Blutzuckerwerte – „Schritte zur Diagnose“ (Quelle:
Diabetes, 2016.)
2) Oraler Glukosetoleranztest (oGTT) – Der Glucose-Toleranztest wird nüchtern in
der Früh nach zwölfstündiger Nahrungskarenz durchgeführt. Der/die PatientIn sollte
sich bis dahin zwei Tage lang normal ernähren; die Kohlenhydrate-Aufnahme sollte
circa 150 g täglich betragen. Körperliche Betätigung soll im normalen Tempo
erfolgen, dazu keine schwere Arbeit, keine Bettruhe und keine Nikotin-Zufuhr. Der
Test wird mit 75 g Glukose, die in 300 ml Wasser aufgelöst und innenhalb von 5
Minuten getrunken wird, durchgeführt. Vorher erfolgt noch eine Nüchtern-Messung
des Blutzuckers. Nach einer bis maximal zwei Stunden wird eine neuerliche
Blutzuckermessung durchgeführt.14
3) Insulinantikörper – sind für die Diabetesdiagnostik nutzlos, da die Antikörper nur
bei einer Insulintherapie auftreten.
4) Insulinresistenzbestimmung - zur Klassifikation bei Diabetes mellitus unbrauchbar,
da es keine gesicherten therapeutischen Konsequenzen gibt.
5) Inselzellkörper- oder Mody-Diagnostik – vorgefunden bei vielen DiabetikerInnen
vom Typ1, ergeben keine klinische Relevanz.
6) Fructosaminbestimmung
–
damit
wird
glykolysiertes
Albumin
zur
HbA1Bestimmung gemessen. Nicht wirklich brauchbar bzw. viel Zeit notwendig, um
eine sichere Diabetestherapie festzustellen.15
5.2.
Metabolisches Syndrom
Unter „metabolisches Syndrom“ versteht man das Auftreten von arterieller Hypertonie,
anderer häufig auftretender kardiovaskulärer Störungen wie Herzerkrankungen, Adipositas,
Hypercholesterinämie oder Gerinnungsstörungen. Als Synonyme werden auch die Begriffe
„Wohlstandssyndrom“ oder „tödliches Quartett“ verwendet.
15
Insulin ist eines der wichtigsten anabolen Hormone. Es befördert physiologisch die Glukose
aus dem Blut in die Körperzellen und sorgt dort für den Aufbau von Energiespeichern in
Form von Glykogen. Bei Diabetes mellitus ist vor allem diese insulinabhängige Wirkung
gestört.
Das Schadenspotenzial von Diabetes liegt nicht im erhöhten Blutzucker, sondern der Jahre
später manifest werdenden Organschäden, was die Lebenszeit um durchschnittlich sechs bis
sieben Jahre verkürzt.
Diabetes kann zu Komplikationen wie schwerer Unterzuckerung oder Blutzuckerentgleisung
mit massiv erhöhten Blutzuckerwerten führen. Diese beiden gefährlichen Situationen können
in weiterer Folge ein Coma diabeticum als akute Komplikation von Diabetes auslösen.
Bei Schäden an Gefäßen unterscheidet man:
1) Mikro-Angiopathie – an den kleinsten Blutgefäßen bzw. an den Kapillaren
2) Makro-Angiopathie – Schäden an den großen Gefäßen.14
Die Gefäßschäden beinhalten Netzhautschäden, Nephropathie und diabetischen Fuß. Das
metabolische Syndrom bedingt ein hohes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Periphere
arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) und periphere Neuropathie tragen entscheidend zur
Entwicklung des diabetischen Fußsyndroms bei. Der diabetische Fuß ist eine gemischte
mikro- und makrovaskuläre Komplikation. Er entsteht aufgrund einer diabetischen
Neuropathie bzw. fehlender Sensibilität an den peripheren Nerven. Bei Verletzungen an
kleinen Gefäßen kann es zu Entzündungen kommen und die Wundheilung verläuft
langsamer. Hinzu kommen eine Veränderung des Ganges und der Fußsohlenbelastung sowie
chronische Infektionen, Ulcera, Gangrän bis Nekrose.17
Bei einer diabetischen Nervenstörung sind die stummen Infarkte, d.h. Infarkte ohne typische
Symptomatik, nicht zu unterschätzen. Brustschmerzen bei Anstrengung und Kälte sowie
Übelkeit, aber auch Schmerzen im Oberbauch- oder Rückenbereich sind ggf. Zeichen einer
unzureichenden Durchblutung des Herzens. Diabetiker sollten regelmäßige Untersuchungen
durchführen (Blutzucker und Blutdruck, Blutfettwerte). Eine lipidsenkende Therapie ist
von großer Bedeutung für die Lebensqualität. Rauchen bei Diabetikern verstärkt das Risiko
14
vgl. Herdegen, T., 2014, S. 10-13
Lobmann, R., 2013.
17
vgl.
16
für Gefäßverschlüsse. Mittels Ultraschall oder anderen radiodiagnostischen Maßnahmen ist
es möglich, Störungen der Gefäße festzustellen. Eine operative Maßnahme könnte sinnvoll
sein – Intervention durch Dehnung und Stent verbessert die Durchblutung. Erkrankte sollten
regelmäßige Untersuchungen der Beine durchführen lassen.
Bei
diabetischen
PatientInnen
kommen
Angststörungen
öfter
vor
als
bei
NichtDiabetikerInnen. Besondere Angststörungen (Ängste) werden bei den Erkrankten
durch Hypoglykämien und seinen Spätfolgen hervorgerufen. Das führt zu einer schlechten
metabolischen Kontrolle von DiabetikerInnen. Eine Therapie mittels psychotherapeutischen
Maßnahmen umfasst auch Medikamente (Benzodiazepinen und Antidepressiva).15
15
vgl. Abrahamian, H., Kautzky-Willer, A., Fasching, P., et al, 2013
17
6. Therapieansätze zur Behandlung von Diabetes mellitus
Typ-1
In den letzten zehn Jahren kam es zu einem deutlichen Anstieg der Arzneitherapie bei
Diabetes mellitus Typ-1. Die wichtigen Ziele der Diabetestherapie sind einerseits, eine akute
metabolische Entgleisung (Hypo- oder Hyperglykämie) zu verhindern und anderseits eine
dauerhafte und wenn möglich lebensbegleitende Therapie zu finden („Ziele der
Diabetestherapie sind Symptomfreiheit, Verbesserung der Lebensqualität und Vermeidung
von Sekundärkomplikationen“16). Unvermeidbar ist die passende Blutzuckereinstellung und
auch eine Diät sollte eingehalten werden, um einen Dauererfolg zu erzielen.
6.1.
Wirkung und Nebenwirkung von Insulin
Insulin ist ein Hormon, das aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse abgetrennt
(abgesondert) wird. Hohe Konzentrationen von Glukose im Blut veranlassen die Betazellen
der Bauchspeicheldrüse, die Freisetzung von Insulin im Blut zu erhöhen. Insulin wird in der
Beta-Zelle der Langerhans-Insel (wurde von Paul Langerhans entdeckt) des Pankreas
gebildet. Proinsulin ist aus einer A- und einer B-Kette geschaffen und über C-Peptid
beieinander verbunden. In kristalliner Form ist Insulin in der Granula stabil und hat die
Möglichkeit, dort gespeichert zu werden. Das C-Peptid bleibt in der Granula und wird dort
mit Insulin freigestellt.17
Insulin mit Blutzuckersenkungseffekt wirkt auf
-
die Leber – Stimulation von Glykogensynthese und Glykolyse sowie Hemmung von
Glykogenolyse und Glykogenese;
-
die Niere – Erschwerung der Glykoneogenese;
-
die Skelettmuskulatur – Anregung von Glukoseaufnahme, Glykogenosynthese und
Glykolyse sowie Hemmung der Glykogenolyse;
-
den Fettabbau.18
16
Schwabe & Paffrath, 2011, S. 351
17
vgl. Aktories, K., Förstermann, U., Hofmann, F., et al, 2006. S. 256-257
18
vgl. Aktories, K., Förstermann, U., Hofmann, F., et al, 2006, S. 258
18
Insulin spielt in der Diabetestherapie eine lebenswichtige Rolle, da die Bauchspeicheldrüse
Insulin nicht ausreichend produzieren kann oder die Produktion ganz einstellt. Mit Hilfe von
Pen, Spritze und Nadel oder mittels einer Insulinpumpe kann die Insulinsubstitution erfolgen.
Das Verabreichen von Insulin ist sehr einfach, fast schmerzfrei und bereitet DiabetikerInnen
üblicherweise keine Probleme.
Die Abhängigkeit von Insulin und der Gedanke, sich selbst spritzen zu müssen, kann bei
manchen Betroffenen Beklemmungen und Ängste auslösen. Die Insulintherapie sollte als
Vorteil gesehen werden; sie gibt den Betroffenen Flexibilität und Selbständigkeit im Alltag.
Allergien auf Insulin sind selten, aber sie können auftreten. Allergische Reaktionen nach
einer Insulingabe können entweder Insulin oder (häufiger) die Begleitstoffe in den
Insulinpräparaten betreffen. Reaktion kann man in den meisten Fällen sofort am Körper
sehen, selten zu einem späteren Zeitpunkt. Bei allergischen Reaktionen ist die Einstichstelle
schmerzhaft, geschwollen, rot, verursacht Juckreiz und starkes Schwitzen. Damit es nicht zu
Komplikationen kommt, wie: Atemnot, Kreislauf- Kollaps oder einer
Verbreitung der Rötung am Körper, muss der Notarzt verständigt geworden.19
6.2.
Arten von Insulin
Die PatientInnen mit Diabetes Typ-1, welche kein Insulin mehr bilden, müssen lebenslang
mit Insulin behandelt werden. Insulin ist ein Polypeptid-Hormon, das den Stoffwechsel der
Kohlenhydrate reguliert und zur Behandlung von Diabetes mellitus dient. Insulin ist ein
Peptid, bestehend aus 51 Aminosäuren, und hat die Form von zwei Ketten, verbunden mit
zwei Disulfidbrücken. Tritt in den Betazellen der Langerhans’schen Inseln im Pankreas als
einkettiger Precursor (=Proinsulin) auf. Die Krankheit wird vom Patienten täglich per
Injektion behandelt.20
Die Höhe der Glucosekonzentration im Blut wird durch die Hormone (Insulin und Glukagon)
geregelt: Insulin senkt den Blutzuckerspiegel, Glukagon erhöht ihn.
Humaninsulin – Analoga kann auf zwei Arten gewonnen werden:
19
vgl. Datz, N., Arens, A., Kordonouri, O., 2014
20
vgl. Berger, M, 2000, S. 126
19
1. aus Schweine-Insulin durch enzymatische Verfahren
2. aus Humaninsulin mit bakteriellen Expressionssystemen durch genetische
Herstellung.
Humaninsulin aus genetischer Herstellung wird bei der Erzeugung von Humaninsulin
Analoga (Insulinaspart, Insulinglulisin, Insulinlispro, Insulinglargin und Insulindetemir)
ebenso benötigt. Therapeutische Insuline haben hexameres Insulin und Zn2+-Ionen; sie
können subkutan injiziert werden, aber nur Normalinsulin kann neben subkutaner Zufuhr
auch intravenös gegeben werden. Bei fehlendem Insulin im Körper kann als einzige Option
Insulin paraenteral zugeführt werden. Im Kreislauf werden nach einer Insulin-Aufnahme alle
Insuline ausser Insulindetemir beseitigt. Abhängig von der injizierten Insulinart dauert die
Aufnahme im Kreislaufsystem unterschiedlich lang.21
In der nachfolgenden Tabelle sind alle in Österreich verfügbaren Insuline hinsichtlich ihrer
Eigenschaften dargestellt:
21
vgl. Graefe, K. H., Lutz, W., Bönisch, H., 2016, S. 411
20
Tab. 1: Übersicht – Insulin in Österreich
(Quelle: Ärzte Krone, Medizinisch kompetent, 2012)
Die Aufteilung der Insuline ist abhängig von der Geschwindigkeit, dem Beginn und die
Wirkungsdauer:
1) Humaninsuline – Normal-Insuline wurden auch ‘Altinsulin’ genannt und durch
Semi-Synthese und Bio-Synthese gewonnen. Diese Art von Insulin ist von kurzer
Wirkungsdauer. Sie sind hoch dosiert und haben eine neutrale Farbe. Diese Art von
Insulin wird verlangsamt aufgenommen, da sich die Insulin-Hexamere als erstes in
Monomere zersetzen müssen. Insulin in monomerer Form ist nur dann, wenn die
Konzentration der Gewebeflüssigkeit 100.000fach verdünnt ist, als Applikation
geeignet. Das verursacht die verzögerte Aufnahme. Die Ess-Spritz-Zeitdifferenz
sollte 20–30 min betragen.
21
NHP-Insulin (Neutral Protamin Hagedorn) ist zusammengesetzt aus Humaninsulin,
Zn2+ und basischem Protein-Protamin. NHP-Insulin ist schwer löslich, von
milchigtrüber Beschaffenheit und als Verzögerungsinsulin bekannt. Insulin hat einen
Verzögerungseffekt; dieser ist nötig, um die Wirkungsdauer der Insulininjektion zu
verlängern. Bevor man Insulin injiziert, muss jedes Mal diese Insulin-Ampulle vorsichtig
mehrmals hin und her geschwenkt oder zwischen den Handflächen gerollt werden.
Humaninsuline sind auch als inhalierbare Insuline erhältlich. Inhalierbares Insulin wird
in Pulverform angeboten. Es wird im Gastrointestinaltrakt und in den Atemwegen
abgebaut.
2) Kurz wirksame Humaninsulin-Analoga: Zu dieser Insulingruppe gehören
Insulinlispro, Insulinaspart und Insulinglulisin. Der Austausch von Aminosäuren in
der Beta-Kette erschwert die Hexamer-Herstellung und erzeugt die schnellere
Aufnahme bzw. die kürzere Wirkdauer.
3) Lang wirksame Humaninsulin-Analoga: Diese Insuline sind Insulindetemir und
Insulinglargin. Diese werden subkutan injiziert und sind von farbiger Konstinenz,
eine klare und neutrale Lösung. Sein WirkungsMechanismus beruht auf der Blutzucker-senkenden Wirkung und auf der Fähigkeit
des Moleküls, durch die Bindung an Insulinrezeptoren, die sich in Muskeln und
Fettzellen befinden, die Aufnahme von Glukose zu fördern. Zugleich wird die
Freisetzung von Glukose aus der Leber gehemmt. Der PH-Wert des Präparats ist 7,4.
Eine einmalige Insulininjektion ist ausreichend, da die Wirkungsdauer sehr lang ist.22
´´Insulinglargin ist als Peptid basischer als Humaninsulin und bildet nur bei PH Wert
4 stabile Hexamere. Nach s.c. Injektion fällt es unter Bildung amorpher Präzipitate
aus, aus denen es sehr langsam und mit konstanter Geschwindigkeit resorbiert
wird.``
Insulinglargin bindet mit geringerer Affinität an den Insulinrezeptor und mit höherer an den
IGF-1 Rezeptor („Insulin- like Grown Factor“) als Humaninsulin.
22
vgl. Aktories, K., Försterman, U., Hofmann., et al. 2006, S. 259-260
22
Indikation: Alle Arten von Diabetes mellitus, auch die Gestationsdiabetes.
Unerwünschte Wirkungen: Gewichtszunahme, Hypoglykämie oder auch Sehstörungen
durch Änderung im Quellzustand der Linse; dies kann schnell vorbeigehen, wenn sich der
Blutzucker normalisiert. Veränderung des Unterhautgewebes an den injizierten Stellen;
durch Substitution von inhalativem Insulin kann es zu Husten mit Auswurf und Atemnot
kommen, manchmal auch zu Antikörperbildung; Asthma (bei RaucherInnen) oder schweren
Leiden wie chronischer obstruktiver Lungenerkrankung; es kann sich aber auch eine
Überempfindlichkeit gegen Insulin entwickeln.
Interaktion: Es gibt Stoffe, die den Blutzucker beeinflussen. Insulinverbrauch wird
reduziert durch Alkohol, ACE-Hemmstoffe, Acetysalicylsäure und Fibrate. Krankheiten wie
Schildrüsenunterfunktion und Niereninsuffizienz sowie körperliche Belastungen senken den
Insulinbedarf. Neben der senkenden Wirkung beim Insulinverbrauch gibt es auch die Stoffe,
welche den Insulinbedarf erhöhen. Dies wird ausgelöst durch fieberhafte
Infekte, krankhaftes Übergewicht, Hormone und Heparine.23
„Für die gentechnisch hergestellten Humaninsulin-Analoga gibt es bisher keine
unabhängigen klinischen Studien, die einen therapeutisch relevanten Zusatznutzen
(z.B. weniger Hypoglykämien) durch Vergleiche mit Humaninsulin zweifelsfrei
belegen […] Humaninsulin-Analoga steigern aber die Kosten einer InsulinTherapie
um 30–60%. Das inhalierbare Insulin verfünffacht sogar die Therapiekosten“24.
Die gängigste Methode zur Insulingabe ist die subkutane Anwendung (subkutane Injektion).
Empfohlene Stellen zum Insulinspritzen sind die vordere Bauchwand, Oberarme,
Oberschenkel und Gesäß. Für Insulininjektionen werden heute Insulin-PENs oder -Stifte
verwendet. Das sind speziell entworfene Geräte von der Größe und Form eines
Kugelschreibers mit innen platzierten Insulin-Ampullen und einer sehr dünnen Nadel.
Mittels diesem Stift ist eine genaue Dosierung von Insulin durch das Wählen einer Zahl (IE)
möglich. Für PatientInnen, die einer kontinuierlichen Anwendung von Insulin bedürfen,
wurde die Insulinpumpe entworfen. Die Dosierung von Insulin erfolgt in internationalen
Einheiten (IE), wobei die Konzentration immer 100IE pro 1 ml Insulin ist.
23
vgl. Graefe, K. H., Lutz, W., Bönisch, H., 2016, S. 410-412
24
Graefe, K. H., Lutz, W., Bönisch, H., 2016, S. 412
23
Alle PENs haben den gleichen Mechanismus: Es wird im Uhrzeigersinn eine bestimmte
Anzahl von internationalen Einheiten gewählt, die injiziert werden müssen. Die Dosis von
Insulin wird von einem Arzt/einer Ärztin verschrieben, aber es sollte individuell angepasst
werden, je nach Zeitpunkt der Mahlzeiten, der körperlichen Aktivitäten, von Krankheiten,
Fieber oder Infektionen.
Abb. 5: Insulin-Injektionsstellen
Quelle: Schnellbächer, E. Risch, E., (2013)
6.3.
Insulintherapie
Die Therapie bei Diabetes mellitus Typ-1 ist aufgrund des fehlenden Insulins nur durch
lebenslange exogene Insulinzufuhr möglich. Es gibt für jeden/jede PatientIn ein genau
angepasstes Therapieschema, das Kenntnisse und die pharmakokinetische Eigenschaft des
verwendeten Insulins voraussetzt.
1) Konventionelle Therapie
‘Konventionelle Insulintherapie’ bedeutet, dass das Insulin durch subkutane (s.c.)
Applikationen verabreicht wird. Unten Konventionelle Therapie wird eine Insulinmischung
aus dem Verzögerungsinsulin und dem Normalinsulin sowie die Intermediärinsuline
gespritzt. Diese Therapieform wird zweimal am Tag, meist morgens und abends, und vor der
Nahrungszufuhr appliziert, d.h. diese Form ist von der Mahlzeit abhängig. Der geschätzte
Tagesbedarf beträgt 0,5-1,2 IE/kg Körpergewicht. Die PatientInnen müssen sich an genaue
24
Zeiten und an eine konsequente Diät halten. Es liegt eine eindeutige Dominanz des
Verzögerungsinsulins vor. Diese therapeutische Art der Insulinzufuhr ist heute bei
DiabetikerInnen vom Typ-2 am weitesten verbreitet.
2) Intensivierte Insulintherapie
Intensivierte Insulintherapie (ICT) wird auch als „Basis- Bolus Therapie“ bezeichnet. Diese
Therapie trägt zu einer Verbesserung das Lebensqualität bei. Bei der Therapie wird das
Basis-Bolus-Schema angewendet. Bei dieser Insulintherapie handelt es sich um eine
Standardtherapie für Diabetiker Typ-1 und für insulininjizierte Schwangere. Das
Basisinsulin soll 40–50% des Tagesbedarfs abdecken; meist wird Verzögerungsinsulin
genommen. Die Applikation von Basalinsulin soll zwei- bis dreimal am Tag erfolgen.
Zusätzlich zu den Mahlzeiten werden kurzwirksame Insulinformen subkutan injiziert, die
50–60% der Tagesdosis ausmachen. Die Insulingabe wird abhängig vom individuellen
Bedarf in 1-3 IE pro Broteinheit (BE) gegeben. Die Insulindosis hängt ausschließlich vom
aktuellen Insulinbedarf des Patienten ab; die vorgesehene Kohlenhydrataufnahme muss
ebenfalls beachtet werden. Kombination durch Mischinsulinen oder zwei getrennte
Injektion-Insulinarten lassen weitgehend eine individuelle Angleichung an den Insulinbedarf
zu. Der Ess-Spritz-Abstand sollte etwa 30 min betragen. Optimierung vom täglichen
Insulindosisbedarf pro Patient folgt durch selbständige Blutzucker-Messungen sowie die
Patientenbereitschaft zur aktiven Mitarbeit. Eine adäquate Schulung ist von großer
Wichtigkeit, um diese Insulintherapie richtig durchzuführen.25
3) Insulinpumpentherapie (CSII)
Neben konventioneller und intensivierter Insulintherapie stellt sich die Therapie per
Insulinpumpe (CSII) als Sonderform dar. Mittels Insulinpumpe werden nur Normalinsuline
oder Insulinanaloga als kurz wirksame Insuline angewendet. Die Wahl der Insulinpumpe ist
abhängig vom Arzt/der Ärztin bzw. dem Experten-Diabetiker-Team und von der Erfahrung
bezüglich einer Insulinpumpentherapie. PatientInnen und Familienmitglieder müssen gut
darüber informiert werden. Heute werden bei Kindern Katheter-basierte Insulinpumpen der
Firmen Medtronic, Roche und Animas eingesetzt.
Eine Insulinpumpe besteht aus einem Fördersystem, dem Insulinreservoir, dem Display und
den Bedienungstasten. Bei den neueren Modellen ist es möglich, individuell die
25
vgl. Aktories, K., Förstermann, U., Hofmann, F., et al, 2006, S. 260-261
25
Insulinwirkungskurven einzuprogrammieren, wobei die vorangegangene Bolusgabe
(„aktives Insulin“) berücksichtigt wird. Der Pumpenträger muss entsprechende Kenntnisse
zur Durchführung dieser Tätigkeit haben. Es gibt ein Sicherheitssystem, welches die
Funktionen der Pumpe überwacht und Fehler erkennt – die Meldung erfolgt in der Form von
Vibrationen oder durch Alarmtöne. In einer Insulinpumpe können Normalinsuline und
schnellwirkende Insulinanaloga platziert werden. Schnellwirkende Insuline sind Lispro
(Humalog, Fa. Lilly), Glulisin (Apidra, Fa. Sanofi) sowie Aspart (Novo- Rapid, Fa.
Sanofi).
Zur Insulinpumpe gehören ein Katheter und eine Kanüle, die sich in der Länge unterscheiden.
Da Kinder wesentlich weniger viszerales Fett als Erwachsene haben, profitieren sie von den
unterschiedlichen Katheterlängen. Die Fa. Medtronic bietet 45, 60, 80 und 110 cm lange
Katheter mit verschiedenen Kanülen (6, 8, 10, 12 mm) aus Kunststoff oder aus Stahl an.
Die Einstichstelle bei DiabetikerInnen muss täglich kontrolliert werden und bei jedem
Katheterwechsel ein Abstand von mindestens 1,5 cm eingehalten werden. Der Katheter muss
vollständig und ohne Luftblasen gefüllt sein. Im Fall, dass sich eine Luftblase im Katheter
befindet, gelangt kein Insulin in die Subkutis und ist daher wirkungslos.
Um Katheterkomplikationen zu vermeiden, muss folgendes beachtet werden:
-
Insulin rinnt neben Katheter (leicht feucht) – auf Risse, Löcher achten
-
Juckreiz, brennendes Gefühl und Schmerzen
-
Rötung, Schwellung in der Umgebung der Einstichstelle
-
Veränderung der Hautumgebung (Verhärtung)
-
Blutzuckererhöhung
Bei der Schulung von Insulinpumpen und während der ambulanten Betreuung von
DiabetikerInnen mit CSII ist besonderes Augenmerk auf die Vorbeugung der Ketoazidose
zu legen. Die PatientInnen sollten die Symptomatik von Ketoazidose gut erkennen, weil es
unter Umständen bei der Insulinpumpentherapie zu Problemen kommen kann (Übelkeit,
Erbrechen, Durst, Schwäche, Atembeschwerden usw.). Im weiteren Verlauf kann es zur
Trübung des Bewusstseins bis zu dessen Verlust sowie der „Kußmaul`schen Atmung“ mit
Acetongeruch der Atemluft kommen. Dass sich der/die DiabetikerIn im Ketoazidose Zustand
befindet, könnte mehreren Ursachen haben:
26
-
Katheterknick
-
Herausrutschen der Kanüle
-
Kathetersystem ist undicht (Leck, Löcher)
-
Defekte Insulinampulle (kaum sichtbarer Riss)
-
Undurchlässigkeit oder Kontaktfehler zwischen Ampulle und Katheter
-
Zu lange Liegedauer des Katheters
-
Benützung unwirksamen Insulins
-
Entzündungen, Blutaustritt an der Kathetereinstichstelle
PatientInnen mit Diabetes mellitus sollten bei einer Insulinpumpentherapie die Symptome
der Ketoazidose rechtzeitig erkennen und wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen.
Beim Sport oder anstrengenden Tätigkeiten steigt die Insulinempfindlichkeit der Muskulatur,
da der Insulinbedarf sinkt. Daher ist es wichtig, dass PatientInnen während
des Sports
ausreichend Glukose zuführen, um den leeren Glykogenspeichenträger zu versorgen.
Empfohlen wird, dass der Blutzuckerwert am Anfang der sportlichen Aktivität zwischen
120-180 mg/dl (6,6 -10 mmol/dl) liegen sollte, um Hypoglykämie zu vermeiden. Beim Sport
verbrennt der Körper wesentlich mehr Glucose als im Ruhestand. Die Muskeln benötigen
Energie, um eine maximale Leistung zu erzielen. Während des Sports können
DiabetikerInnen auch essen; Snacks wie Müsliriegel oder Bananen eignen sich, um den
Blutzuckerspiegel stabil zu halten.
Bei Hyperglykämie (Blutzuckerwert von über 300 mg/dl (16,7 mmol/l) sind sportliche
Aktivitäten nicht zu empfehlen. Die Hyperglykämie kann darauf hinweisen, dass der
Insulinmangel schon länger bestanden hat. Bei körperlicher Anstrengung können die Werte
weiter steigen und dadurch eine ketoazidotische Stoffwechselentgleisung entstehen.26
26
vgl. Danne, T., Kordonouri, O., Lange, K., 2015, S. 195-227
27
Abb. 6: Insulinpumpe
(Quelle: Medtronic, Minimed Produkte, 2011)
6.4.
Lagerung und Aufbewahrung
Wird Insulin nicht richtig aufbewahrt, verliert es seine Wirkung. Vor allem die richtige
Temperatur ist wichtig. So bleiben die Vorräte haltbar. Aminosäuren, aus denen
Analoginsuline bestehen, sind anfällig für Kälte und Hitze und können durch zu niedrige
oder zu hohe Temperaturen zerstört werden. Dadurch verliert das Insulinpräparat seine
Wirkung und senkt die Blutzuckerwerte nicht richtig ab, was gefährliche Folgen haben kann.
Eine ungeöffnete Ampulle Insulin hält sich bei einer Temperatur von +2 bis +8 Grad Celsius
in Kühlschrank.
Angebrochene Ampullen und PEN-Patronen sind drei bis vier Wochen haltbar und bei
Zimmertemperatur aufzubewahren. Wärmeeinwirkung verkürzt die Haltbarkeit. Kaltes
Insulin schmerzt beim Spritzen. Wenn Insulin von außen sichtbar weiße Flocken oder
Schlieren aufweist, hat das Insulin Schaden genommen und darf nicht verwendet werden.
Insulin darf keiner direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden. Die Temperatur sollte 40
Grad Celsius nicht übersteigen27.
7.
2
Therapeutische Behandlung von Diabetes mellitus Typ-
Zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ-2 gibt es andere Therapiemöglichkeiten als für
27
vgl. Sailer, 2010, S. 87
28
Diabetes Typ-1. Wie dargelegt, hat diese Erkrankung eine erhöhte Morbidität und Mortalität
und bedingt viele Folgeerkrankungen einer Mikro- und Makro-Angiopathie.
MikroAngiopathie wird primär durch die Dauer der Hyperglykämie bestimmt und entsteht
damit als Diabetes-spezifische Folge, während die makro-angiopathische Veränderung
durch eine Vielzahl an arteriosklerosefördernden Faktoren ausgelöst wird – besonderes bei
Patienten mit Adipositas. Dazu ist eine individuelle optimale Blutzuckereinstellung
notwendig. Bei diesen PatientInnen gibt es verschiedene Möglichkeiten, um das
Therapieziel zu erreichen:
-
Schulung
-
Bewegung
-
Ernährung (Diät) - Medikamente
-
Patientenführung
Als Grundlage der Therapie ist die richtige Einschulung von PatientInnen notwendig und
diese beinhaltet: sich mit dieser Erkrankung auseinanderzusetzen, regelmäßige
Blutzuckerkontrolle, körperliche Aktivität und gesunde, an das Alter angepasste Ernährung.
Wenn mit der Veränderung des Lebensstils das Therapieziel nicht erreicht wurde, muss mit
einer medikamentösen Behandlung begonnen werden, um eine Folgeschädigung von
Diabetes mellitus zu minimieren. Dies ist bei 70 Prozent der Erkrankten der Fall. Eine orale
Medikamenten-Therapie sollte auch individuell angepasst werden.
29
Abb. 7: Darstellung des Stufenschemas der Differentialtherapie bei Diabetes Typ-2 mit Übergewicht (Quelle:
Diabetes=Insulinmanagement, 2014).
Insulinmangel wird durch Medikamente auf unterschiedliche Weise ersetzt. Orale
Antidiabetika unterscheiden sich in mehreren Wirkstoffgruppen:
28
-
Beschleunigen der Insulinwirkung: Metformin, Thiazolidindione
-
Anstieg der renalen Glukoseausscheidung: Gliflozine
-
Anstieg der Insulinfreisetzung: Glinide, Sulfonyharnstoffe, Inkretin-Analoga
-
Erschwernis der
enteralen
AlfaGlukosidaseHemmstoffe28.
Kohlenhydratresorption:
vgl. Graffe, K. H., Lutz, W, Bönisch, H, 2016, S 412
30
7.1.
Orale Antidiabetika - Überblick
70 Prozent der Menschen, die an Diabetes mellitus leiden, müssen orale Antidiabetika zu
sich nehmen, um Diabetes mellitus Typ-2 und seine Folgen in den Griff zu bekommen. Als
Therapie von Diabetes Typ-2 unterscheiden sich insulinotrope und nicht insulinotrope orale
Antidiabetika. Antidiabetika wurden als Therapie bei Behandlung eines relativen
Insulinmangels angewendet.
7.1.1 Sulfonylharnstoffe und Glinide
Sulfonylharnstoffe sind altbekannte Antidiabetika. Werden heute noch als häufigst
angewendete orale Antidiabetika verwendet. Ihre blutzuckersenkende Wirkung ist die Folge
eines insulotropen Effekts. Bei DiabetikerInnen des Typs-1 kann dieser Stoff nicht
angewendet werden, da es keine insulinproduzierenden Betazellen gibt. Aus diesem Grund
können die Sulfonylharnstoffe nur bei DiabetikerInnen vom Typ-2 genutzt werden.
Sulfonylharnstoffe werden bei normalgewichtigen PatientInnen bevorzugt eingesetzt.
Sulfonylharnstoffe und ihre Analoga stimulieren die Insulinfreisetzung unabhängig vom
Blutglukosespiegel.
Im
Gegensatz
zu
allen
physiologischen Stimulatoren der
Insulinsekretion können sie bei Stoffwechselgesunden wie bei DiabetikerInnen vom Typ-2
schwere Hypoglykämien auslösen.
Glibenclamid („Euglucon“) ist ein älteres Medikament in dieser Gruppe. Für die Substanz
gibt es Hinweise auf eine Verringerung des Risikos des Auftretens von mikrovaskulären
Komplikationen. Dieses verursacht eine Zunahme des Körpergewichts bzw. eine
Ansammlung von viszeralem Fettgewebe. Dies führt zu einer Insulin-Resistenz und wirkt
sich negativ auf andere Risikofaktoren aus (Bluthochdruck und eine deutliche Steigerung
der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität).
Durch Alkohol,
Acetylsalicylsäure, ACE-Hemmstoffe,
Cumarin-Derivate
BetaRezeptor-Antagonisten wird die blutzuckersenkende Wirkung erhöht bzw. durch
Thyroxin, Glucokordikoide, Thiazide oder Beta-2-Sympathomimetika vermindert29.
29
Graefe, K. H., Lutz, W. Bönisch, H, 2016, S. 412-414
31
und
Abb. 8: Insulinsekretionsmechanismus der Betazelle und Wirkungsweise von Sulfonylharnstoffen
(Quelle: ÖDG, Stand:02.05.2014).
Da das Sulfonylharnstoff - Präparat zum größten Teil durch die Nieren ausgeschieden wird,
muss bei Personen mit Niereninsuffizienz Vorsicht wegen der Nebenwirkungen, wie
Unterzuckerung und Gewichtszunahme, angewendet werden.
Die Therapie mit Sulfonylharnstoffen sollte langsam und mit niedriger Tagesdosis begonnen
werden. Die Tagesdosis sollte bei niedrigen und bei mittleren Dosierungen morgens
eingenommen werden. Wenn Bedarf an einer hohen Tagesdosis besteht, wird empfohlen,
zweimal am Tag diese Dosis einzunehmen (morgens + abends)30.
Mit Meglitinides, sogenannten Gliniden, erreicht die Stimulierung der Sekretion von
30
Aktories, K, Förstermann, U, Hofmann, F, Starke, K., 2006 S. 262
32
Insulin aus den β-Zellen deutlich eine schnellere, kürzere und intensivere Wirkung. Daher
werden die Glinide unmittelbar vor oder beim Essen verabreicht.
Die Dosierung bzw. eine Vielzahl von Dosis am Tag, kann auch ein großer Nachteil sein.
Zusammen
mit
zahlreichen
anderen
behandlungsbedingten
Therapien
können
Komplikationen auftreten. Hypoglykämie, eine der wichtigsten Nebenwirkungen der
Glinide, treten wegen der kurzen Wirkungsdauer wesentlich seltener auf als bei den
Sulfonylharnsotffen. Wenn eine Mahlzeit ausgelassen wird, dürfen keine Glinide
eingenommen werden. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören Gewichtszunahme,
Allergien, gastrointestinale Störungen und Blutbild-Veränderungen. Vertreter der Glinide
sind Repaglinid und Nateglinid.
7.1.2 Biguanide (Metformin)
Besonderes bei übergewichtigen PatientInnen wird Metformin eingesetzt. Metformin wird
als orales Antidiabetika genutzt und ist das einzige Biguanid. Es wird über die Nieren
ausgeschieden. Metformin stellt den ‘Goldstandard’ in der Behandlung von Diabetes Typ-2
mit einer Reduktion der Körpermasse, diabetischer Ernährung und regelmäßiger Bewegung
dar. Der Wirkmechanismus betrifft in erster Linie die Reduzierung der
Glukoseproduktion in der Leber durch Hemmung von Glukoneogenese und Glykogenolyse.
Die therapeutische Wirkung von Metformin hängt linear von der Dosis ab. Nach oraler Gabe
wird Metformin langsam und unvollständig bei einer Bioverfügbarkeit von 50-60%
aufgenommen und wird nicht metabolisiert, sondern unverändert über die Nieren
ausgeschieden. Es wird als Monotherapie verabreicht und hat eine stark blutzuckersenkende
Wirkung.
Nebenwirkungen: Die am häufigsten auftretenden gastrointestinalen Nebenwirkungen sind
Verlust von Appetit, Übelkeit, Schwellungen, Durchfall sowie metallischer Geschmack im
Mund. Metformin hat eine langsamere Resorption verbunden mit besserer Verträglichkeit.
Ernsthafteste Nebenwirkung ist die Laktatazidose mit einer Letalität von 50 Prozent.
Maximale Tagesdosis ist 2,5 g. Empfohlen wird, die Dosis nach den Mahlzeiten und nur
einmal täglich zu sich zu nehmen. Bei DiabetikerInnen mit Niereninsuffizienz,
33
Leberfunktionsstörungen
oder
Herzinsuffizienz
ist
Metformin
anzuwenden. Bei Schwangerschaft und während der Stillzeit darf Metformin nicht
als Antidiabetika verabreicht werden.31.
7.1.3 Thiazolidindione (Glitazone)
In Behandlung von Diabetes Typ-2 ist Pioglitazon nützlich. Es erhöht die Insulinintensivität,
indem es die Insulinwirkung auf Leber und Muskulatur verbessert. Dadurch kann das
Hormon Insulin den Zucker leichter aus dem Blut in die Zellen schleusen, wo er in Energie
umgewandelt und teilweise auch gespeichert wird. Glitazone erzielen diese Wirkung, indem
sie am Zellkern den PPARy (Peroxisomen-Prolifertoraktivierter Rezeptor Gamma)
stimulieren. Dies führt über eine Genaktivierung im Zellkern zu einer vermehrten Bildung
von Eiweissstoffen, die den Glukosetransport in die Zelle fördern. Die Glitazone verbessern
die Differenzierung von „schlechten“ unreifen Fettzellen in reife Adipozyten. Pioglitazon
vermindert die Bildung von freien Fettsäuren, senkt den Blutzucker und erhöht das
HDLCholesterol. Pioglitazon wird mit anderen Antidiabetika kombiniert.
Nebenwirkungen: Gewichtszunahme, Ödeme, Sehstörungen, Kopfschmerzen, Anämie,
Herzinsuffizienz. Bei Rosiglitazon wurde wegen kardiovaskularer Nebenwirkung 2010 die
Zulassung genommen.
7.1.4 Alfa- Glucosidase-Hemmstoffe
Für die Therapie bei Diabetes Typ-2 sind zur Alfa-Glukosidasehemmung Acarbose und
Miglitol unvermeidbar. Beide Oligosaccharide sind mikrobieller Herkunft und erhalten
Stickstoffatom. Ascarbose verzögert im Dünndarm das Enzym Alfa-Glukosoidase, das für
die Abspaltung von Monosacchariden aus Oligo- und Polysacchariden verantwortlich ist.
Dadurch wird Glukose langsamer freigesetzt, gelangt langsamer ins Blut und vermindert den
Blutzuckeranstieg nach den Mahlzeiten. Es kommt häufig zu gastrointestinalen Störungen.
Während der Schwangerschaft und bei PatientInnen mit chronischen Darmerkrankungen
dürfen die Alfa-Glucosidase-Hemmstoffe nicht verwendet werden.32
31
32
Aktories, K, Förstermann, U, Hofmann, F, Starke, K., 2006 S. 262-263
Graefe, K. H., Lutz, W. Bönisch, H, 2016 S. 417
34
7.1.5 Inkretin-Analoga
Substanzen wie Exenatid, Liraglutid, Dulaglutid und Albiglutid imitieren die Wirkung des
zu den Inkretin-Hormonen gehörenden Darmhormons GLP-1. Inkretin-Analoga regen
abhängig vom Blutzuckerwert die Bauchspeicheldrüse an, Insulin auszuschütten und
drosseln die Abgabe des blutzuckersteigenden Hormons Glukagon. Inkretin-Analoga
verzögern die Entleerung des Magens und stimulieren zugleich das Sättigungsgefühl im
Gehirn. Es wird, wie Insulin, subkutan injiziert. Angewendet mit Metformin und
Sulfonylharnstoffen wird es bei der Behandlung von Diabetes Typ-2.
Nebenwirkungen: Zu Beginn einer Therapie kann es zu Magen-Darm-Beschwerden
kommen, auch zu Übelkeit, Völlegefühl und/oder Erbrechen. In manchen Fällen kann es zu
akuten Entzündungen der Pankreas kommen. Schwangere und stillende Patientinnen dürfen
nicht behandelt werden.
7.1.6 Gliptine
Hemmstoffe
des
proteolytischen
Inkretinabbaus
werden
mit
Metformin
und
Sulfonylharnstoffen angewendet, um die Blutzuckerkontrolle bei PatientInnen mit Diabetes
mellitus Typ-2 durchzuführen. Gliptine sind oral wirkende Hemmstoffe; sie hemmen den
Abbau des Darmhormons GLP-1 (Glukagon-like Peptid 1). Die Wirkungsdauer GLP -1 im
Körper wird durch das proteolytische Enzym Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4) beschränkt.
Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, selten Pankreatitis. Während der
Schwangerschaft und der Stillzeit dürfen Gliptine nicht eingenommen werden.
Unterzuckerung tritt selten auf.
7.1.7 Gliflozine
Zu den Hemmstoffen des renalen Natrium-Glukose-Symporters gehören Dapagliflozin,
Empagliflozin und Canagliflozin. Diese Stoffe sind für die orale Therapie bei Diabetes Typ2
zur Monotherapie oder in Anwendung mit anderen oralen Antidiabetika inklusive Insulin
zugelassen. Sie senken den Blutzuckerspiegel, indem sie deren Reabsorption an der Niere
hemmen. Dadurch wird Glukose angereichert und über den Harn ausgeschieden. Dies
begünstigt
die
Körpergewichtsabnahme.
Mit
Niereninsuffizienz kommen.
35
zunehmendem
Alter
kann
es
zu
Nebenwirkung: abhängig von Nierenfunktion Hypoglykämie,
Flüssigkeitsverlust
33
(Exsikose), Neigung zu Harnweginfekten, Mykose im Genitalbereich.
Tab. 2: Antidiabetika
(Quelle: Griese, N., Renner, K., Schulz, M., 47/2006)
8.
Nichtmedikamentöse Therapie
Die Basistherapie bei Diabetes-PatientInnen inkludiert nichtmedikamentöse Therapie sowie
die Umstellung des Lebensstils auf eine gesunde Lebensweise und gesundheitlich positive
33
Graefe, K. H., Lutz, W. Bönisch, H, 2016 S. 415
36
Denkweise. Anreiz zu körperlicher Bewegung ist ein Bestandteil der Basistherapie. Hierzu
zählen:
1. Schulung von DiabetikerInnen
2. Körperliche Bewegung
3. Raucherentwöhnung
4. Ernährungstherapie
1. Schulungsprogramme sind ein wichtiger Part bei Diabetes zur Unterstützung bei der
Stoffwechsel-Selbstkontrolle
mellitus,
sowie Informationen
Beratungstermine
und
mögliche
über
Diabetes
Begleiterkrankungen
und
Komplikationen.
Wichtig sind auch die Hilfestellung zur Krankheitsakzeptanz, zum Aufbau einer
adäquaten Behandlungsmotivation und zur Unterstützung zum eigenverantwortlichen
Umgang mit Diabetes. Mit gesunder Ernährung kann der/die PatientIn dazu beitragen,
dass der Blutzucker in Normalbereich bleibt. Medikamententherapie wird erst dann
vom Arzt/der Ärztin angeordnet, wenn nach sechs Monaten keine Besserung des
Blutzuckers eintritt. Es ist von großer Wichtigkeit, dass auch die Angehörigen eines
Diabetikers entsprechende Informationen erhalten.
Um diese Ziele zu erreichen, sollte der entsprechende Experte/die Expertin bei der
Diabetesschulung folgendes berücksichtigen:
-
Risiko und Prognose von Diabetes
-
Wissensstand
-
Motivation, kognitive, psychische und kulturelle Sicht der PatientInnen
-
Komplikationen, die die Erkrankung mit sich bringen kann
2. Bewegung – darunter ist eine Steigerung des Energieverbrauchs zu verstehen. Es ist
wichtig, dass der/die PatientIn Sport und körperliche Aktivität unterscheiden kann.
Körperliche Aktivität bedeutet, dass der/die DiabetikerIn das Fitnesslevel (Ausdauer,
Kraft, Gleichgewicht) gezielt konzipiert und in seinen Alltag einbettet.
Durch Bewegung werden folgende Ziele erreicht: Gewicht halten
37
bzw.
Gewichtsreduktion mit Fettabbau (Bauchfett), Kräftigung der Muskulatur, bei
Insulinresistenz eine Steigerung der glykämischen Kontrolle, positive Änderung
bezüglich der Lebensqualität, Bluthochdruck-Stabilität, Verbesserung der HbA1c Werte.
Hinsichtlich der körperlichen Aktivitäten wird empfohlen:
-
Häufigkeit – 2 bis 3 Mal pro Woche (als Teil der körperlichen Aktivität und
zusätzlich zu einem regulären aeroben Ausdauertraining);
-
Intensität – mindestens mittleres Tempo in starker (75 bis 80 % 1-RM) Intensität, um
einen optimalen Zuwachs an Muskelkraft und Insulinaktivität zu erreichen;
-
Umfang – bestehend aus mindestens 5 bis 10 Übungen, welche alle
Hauptmuskelgruppen (Ober- und Unterkörper sowie Rumpf) einschließen und
jeweils 10 bis 15 Mal zu wiederholen sind)34.
3. Raucher-Entwöhnung – ein weiterer Teil der Therapie bei Diabetes mellitus Typ-2
ist Tabakabstinenz. Im Programm für Nationale Versorgungsleitlinien ist zum Beispiel
herauszulesen, dass die DiabetikerInnen, die keinen Tabak konsumieren, eine
wesentliche therapeutische Einzelmaßnahme geschafft haben. Der Arzt/die Ärztin soll
den PatientInnen eine ausführliche Erklärung über die negativen Auswirkungen des
Rauchens vermitteln.
Rauchen bringt mikro- und makrovaskuläre Erkrankungen mit sich, was mit
Komplikationen hinsichtlich Diabetes verbunden ist. Letztere sind ein starker Grund
zur Tabakentwöhnung, wenn nicht gewichtige Grunde wie psychische instabile
Erkrankungen dagegensprechen.
Nicht medikamentöse Möglichkeiten zum Aufgeben des Rauchens sind ärztliche
Beratung, Selbsthilfeinterventionen, verhaltenstherapeutische Methoden,
Akupunktur, Hypnose oder Reduktion des Zigarettenkonsums. Um die psychische
Abhängigkeit zu erleichtern und Abstinenzerscheinungen möglichst niedrig zu halten,
können vom Arzt/der Ärztin pharmakotherapeutische Maßnahmen ergriffen werden.
Dazu zählen: Nikotin-Pflaster, Nasalspay, Inhalatoren, Kaugummi oder
SublingualTabletten)35.
34
35
Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2014. S. 113-123
Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2014. S. 124-125
38
4. Ernährungstherapie – soll individuell gestaltet sein bzw. gemeinsam mit dem
DiabetikerInnen erfolgen und angepasst werden. Die Ernährung zu verbessern wirkt
sich positiv auf HbA1c, Lipide, Blutdruck, Lebensqualität und Gewichtreduktion aus.
Prinzipiell gelten ähnliche Empfehlungen für eine gesunde Ernährung wie für die
Allgemeinbevölkerung. Industriell gefertigte Lebensmittel, welche speziell als
„Diabetesdiät“ oder „Diabetesnahrung“ deklariert werden, sind für Menschen mit
Diabetes nicht notwendig und es sollte darauf verzichtet werden. Bei Menschen mit
Diabetes spielt die Ernährungstherapie bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung
eine entscheidende Rolle; sie bleibt zu jeder Zeit im Krankheitsverlauf wichtig und
effektiv, auch bei zusätzlich notwendig werdender medikamentöser Therapie von
Diabetes. Das Fundament der Ernährungstherapie sollte gesund und ausgewogen
sein.36
36
Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2014. S. 106-112
39
9.
Schussfolgerung
Bei Diabetes mellitus Typ-1 handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Das
körpereigene Immunsystem richtet sich aus unbekannten Gründen gegen die
insulinproduzierenden Zellen in der Pankreas und vernichtet sie. In der Folge kommt es
zum Ausbleiben der Insulinproduktion, was lebensgefährlich ist. Sie zeigt sich meist in
der Kindheit oder in den Jugendjahren. Diabetes mellitus Typ-1 wird durch exogene
Insulinzufuhr mit gutem Erfolg therapiert. Diabetes vom Typ-2 ist eine chronische
Stoffwechselerkrankung; sie manifestiert sich mit erhöhtem Blutzuckerspiegel. Es kommt
zu einer „Erschöpfung“ der Bauchspeicheldrüse bis zur Insulinresistenz des Körpers. Die
Erkrankung bleibt lange unbemerkt bzw. wird häufig durch Zufall entdeckt – meist, wenn
Komplikationen auftreten. Zur Behandlung werden Insulinpräparate und orale
Medikamente eingesetzt. Der/die DiabetikerIn soll genügend Informationen über die
Erkrankung sowie ausreichende Schulungen bezüglich Insulin und dessen Anwendung
erhalten. Motivation um nicht medikamentöse Therapie sollte durch ExpertInnen
erfolgen. Es ist wichtig, den PatientInnen zu vermitteln, dass mit einer chronischen
Erkrankung wie Diabetes mellitus bei einer guten und individuell angepassten Therapie
die Lebensqualität erhalten bleibt.
10.
Diskussion
Diabetes mellitus wurde als Thema ausgesucht, weil sie jeden betreffen kann – ob jung
oder alt, dieses Thema geht uns alle an. Es ist gut zu wissen, welche Symptome bei dieser
Krankheit auftreten, um den Verlauf von Diabetes mellitus früher zu erkennen und spätere
Komplikationen zu minimieren. Die Therapie wird vom Arzt/der Ärztin angeordnet und
für jeden/jede PatientIn explizit angepasst; sie sollte daher individuell erfolgen.
Besonderes Augenmerk wurde auf die Normalisierung von HbA1c, auf orale Medikation
und als Basis- Therapie (Einsatz von PatientInnen mittels Diät, körperlichen Aktivitäten,
Raucherabstinenz und die dadurch erzielbare vaskuläre Verbesserung) gelegt.
40
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