Ophthalmologische Nachrichten | |9 01.2016 Special Intraokularlinsen Wie trifft der Fokuspunkt die richtige Distanz? Special Inhalt Optische Prinzipien aktueller multifokaler IOL P rinzipiell muss bei den IOL zwischen diffraktiven und refraktiven IOL unterschieden werden, wobei aktuell nur noch eine Linse auf einem refraktiven Konzept basiert. Hier wird über ein Segment mit einem anderen Krümmungsradius ein zweiter Fokus für den Nahbereich erzeugt. Alle anderen multifokalen IOL sind diffraktiv, das heißt auf ihrer Ober­ fläche sind Ringstrukturen mit abwei­ chender Stufenhöhe vorhanden. An den Stufen der Linsen wird das Licht gebeugt (Diffraktion) und dadurch in mehrere Richtungen abgelenkt. Hier­ bei werden Welleneigenschaften des Düsseldorfer Schema Das Düsseldorfer Schema, vorgestellt von Dr. Florian Kretz (Ahaus/Heidelberg), bietet eine multifokale Option für Patien­ ten mit reduzierten photischen Phäno­ menen. ( Seite 10 Oberheide (5) KÖLN Ziel der Implantation bifokaler beziehungsweise multifokaler Intra­ okularlinsen ist die Erzielung eines funk­ tionalen Visus für Ferne, Nähe und gege­ benenfalls den Intermediärbereich. Dazu werden neben Fernfokus ein oder meh­ rere Fokuspunkte für verschiedene Dis­ tanzen, insbesondere den Nahbereich im Leseabstand, erzeugt. Phake Hinterkammerlinse Einen Erfahrungsbericht über diverse Einsatzmöglichkeiten der „Kontaktlinse im Auge“ gibt Dr. Laszlo Kiraly (Leipzig). ( Seite 13 Uwe Oberheide Lichtes ausgenutzt und über Inter­ ferenz erfolgt eine Auslöschung oder Verstärkung der Intensitäten. Wesent­ lich für die Addition der Intensitäten ist, dass die Wegunterschiede des Lichtes ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge sein müssen. Hier­ durch sind verschiedene Beugungs­ ordnungen (Abb. 1a) möglich. Streng genommen gilt dies nur für mono­ chromatisches Licht, da die Wellen­ längenbedingung genau erfüllt wer­ den muss. Von den Beugungsordnungen wird die nullte Ordnung nicht abge­ lenkt und geradlinig durchgelassen. Über eine IOL mit geeigneter Brech­ Abb. 2: Schema einer rechteckigen Beugungsstruktur und der daraus resultierenden Intensitätsverteilung in den verschiedenen Beugungsordnungen1. In der zentralen, nullten Ordnung ist nahezu keine Intensität vorhanden. Multifokallinsen Heute gilt als unbedingte Voraussetzung für ein gutes Auskommen mit Multi­ fokallinsen (MIOL) das Treffen der Emme­ tropie. Vor Jahren, als es noch keine ­multifokal-torischen Linsen gab, war dies nicht ohne Weiteres möglich. PD Werner Huetz (Bad Hersfeld) beschreibt Eigen­ arten und Eigenschaften aktueller MIOLPrinzipien. ( Seite 17 Abb. 3: Schema einer trifokalen Linse, die durch Kombination zweier beugender Strukturen und unterschiedlicher Beugungsordnungen einen Fokus für den Nahbereich und einen weiteren Fokus für den Intermediärbereich erzeugt. Abb. 1a: Durch Interferenzeffekte kann Licht in verschiedene Beugungsordnungen gelenkt werden. Die nullte Beugungsordnung liegt zentral auf der optischen Achse. Abb. 1b: Durch Kombination einer (rota­tionssymmetrischen) diffraktiven Struktur mit einer Linse können die verschiedenen Beugungsordnungen entlang der optischen Achse fokussiert werden. Die nullte Beugungsordnung liegt am Fokuspunkt, der der Brennweite der Linse entspricht. Eingetrübte IOL Eine Trübung der IOL nach der Katarakt­ operation kann mit erheblichen visu­el­ len Beeinträchtigungen einher­ gehen und erfordert oft den Austausch der Linse. Idil Yagmur Cubuk stellt verschie­ dene operative Verfahren vor und fasst die Ergebnisse einer Fallserie an der ­Hochkreuz-Klinik Bonn zusammen. ( Seite 14 kraft werden damit der Fernfokus und eine scharfe Abbildung der Ferne erzeugt. Die anderen Ordnungen gene­ rieren entsprechend einen Fokus für die Abbildung des Nahbereiches (Abb. 1b). Die Lichtverteilung ist abhängig vom Profil der Stufen, vor allem der Höhe und dem Abstand der Stufen voneinander. Eine rein rechteckige Stufenverteilung kann zum Beispiel nahezu kein Licht in die nullte Ord­ nung, also den Fernfokus, aber dafür Licht in die +1- oder -1-Ordnung umlenken1 (Abb. 2). Für eine diffrak­ tive IOL sollte eine geeignete Ver­ teilung aufgrund der Rotationssym­ metrie der IOL nur die nullte Ordnung für die Ferne und die erste negative Ordnung für die Nähe beinhalten. Zum Beispiel 45 Prozent für die Ferne, 35 Prozent für die Nähe, die restlichen Prozente der Lichtintensität gehen in höhere Ordnungen und damit in der Regel verloren. Anders als bei mono­ fokalen IOL lässt sich nicht die ­gesamte Lichtintensität im Fokus bün­ deln. Die Verteilung der Intensität ist je nach Hersteller unterschiedlich, wesentliche Einflussgrößen sind die Stufenbreite, die die Höhe der Nah­ addition bestimmt, und die Stufen­ höhe, die die Lichtverteilung auf Ferne und Nähe festlegt. Typischerweise ­liegen diese Stufenhöhen im Bereich von 1,5 bis 3 µm. Über die Kombination mehrerer solcher Strukturen lassen sich ent­ sprechend auch mehrere Nah- bezie­ hungsweise Intermediärfokusse erzeu­ gen. Um die oben genannten Verlustprozesse möglichst gering zu halten, sind die Verhältnisse der Nahadditionen bei der Kombination entscheidend. Wenn die Nahaddition doppelt so groß ist wie die Inter­ mediäraddition, lässt sich auch noch Licht nutzen, dessen Intensität bei nur einer Struktur als zweite Beugungs­ ordnung verloren ginge. Hier wird ausgenutzt, dass entsprechend die zweite Ordnung der einen Struktur mit der ersten Ordnung der anderen Struk­ tur übereinstimmt, sodass es eine Erhöhung des Lichtanteils im Nah­ fokus gibt (Abb. 3). Solchermaßen gestaltete trifokale IOL besitzen zum Beispiel Nahadditionen von +1,25 dpt und +2,5 dpt entsprechend 80 cm und 40 cm Arbeitsabstand. Fortsetzung siehe Seite 10 ( Wichtige Fortschritte Einen Überblick über wichtige Fort­ schritte bei der klassichen Phakoemul­ sifikation und der IOL-Implantation im Rahmen der refraktiven Katarakt­ chirurgie gibt Dr. Omid Kermani (Köln). ( Seite 18 Defokus und Halo Welche Multifokallinse ist für welchen Patienten die beste Wahl? Auf diese Frage müssen Operateure bei Katarakt­ patienten mit dem Wunsch nach größt­ möglicher Brillenunabhängigkeit die richtige Antwort finden. Dr. Hakan ­Kaymak (Düsseldorf) und ­Kollegen haben hierzu mehrere Linsen mitein­ander ver­ glichen. Große Bedeutung bei der patienten­individuellen IOL-Auswahl mes­ sen sie der Kenntnis von Defokuskurven und Halointensitäten zu. ( Seite 20 Qualitätssicherung Wie kann ein QS-System für die Implan­ tation von P­ remium-IOL funktionieren? Dr. Georg Gerten (Köln) schildert dies am Beispiel des Qualitätsverbundes Köln­ augenärzte. ( Seite 22 IOL-„Absturz“ Dr. Joachim Puchta (Radebeul) erläutert die Varianten sekundärer HKL-Implan­ tation nach Linsensubluxation oder -luxation. ( Seite 24 10 | special | Intraokularlinsen ( Fortsetzung von Seite 9 Beim neuesten auf dem Markt befindlichen Modell wird diese Vor­ gehensweise insofern modifiziert, als dass drei Strukturen kombiniert wer­ den. Jedoch werden weiterhin nur zwei Fokuspunkte für Intermediärund Nahbereich erzeugt. Die Struk­ turen werden hier so kombiniert, dass von einer Struktur nur die höheren Ordnungen (zweite und dritte) für die Nähe genutzt werden. Hierdurch ändern sich entsprechend die Nahund Intermediäraddition vom Verhält­ nis zueinander (+1,67 dpt u. +2,5 dpt) und damit auch die entsprechenden Arbeitsabstände (60 cm u. 40 cm). Die erste Ordnung wird von der Inten­ sitätsverteilung auf null gesetzt, wodurch die Intensität vor allem für den Fernfokus genutzt wird. Durch den dritten erzeugten Fokus­ punkt bei den IOL wird der Visusabfall im Intermediärbereich reduziert und ein über einen weiten Bereich relativ gleichmäßiger Visusverlauf erzielt. Ein ähnlich gleichmäßiger Visus­ verlauf kann durch ein alternatives Konzept unter Ausnutzung der ­Binokularität erzielt werden. Hierbei wird im nicht dominanten Auge eine IOL mit höherer Nahaddition für den Nahbereich und im dominanten Auge Ophthalmologische Nachrichten eine IOL mit geringerer Nahaddition für den Intermediärbereich implan­ tiert. Das Zusammenspiel beider Augen erzeugt dann ebenfalls einen binokular durchgehend funktionalen Visus. Prinzipbedingt ergeben sich jedoch auch Nebeneffekte, die den Vorteil des Visusgewinns über einen großen Abstandsbereich zum Teil relativieren. Durch die Verteilung des Lichtes auf mehrere Fokuspunkte gleichzeitig gelangt weniger Lichtintensität in jeden einzelnen dieser Fokuspunkte. Dies bedeutet letztlich immer eine gewisse Minderung des Kontrastes, die gelegentlich nicht toleriert wird. Dar­ über hinaus sind alle Fokuspunkte permanent vorhanden. Daher über­ lagern sich immer mehrere scharfe und unscharfe Bilder gleichzeitig. Bei den rotationssymmetrischen diffrak­ tiven IOL führt dies zu Haloerschei­ nungen um Lichtquellen, die umso ausgeprägter sind, je mehr Fokusse vorhanden sind. Bei den genannten refraktiven IOL mit segmenteller Fokuserzeugung sind die Halostruk­ turen durch Coma-Verzeichnungen bedingt und daher kometenschweif­ artig ausgeprägt. Dies sind system­ immanente Effekte, die bei der Patien­ tenauswahl berücksichtigt werden sollten. W | 01.2016 ( Autor: Prof. Dr. Uwe Oberheide Institut für Angewandte Optik und Elektronik Optische Technologien Technische Hochschule Köln Campus Deutz Betzdorfer Str. 2, 50679 Köln Tel.: 0221-8275-2437 E-Mail: [email protected] www.th-koeln.de/aoe www.angewandte-optik.de Literatur: 1. Castignoles F, Flury M, Lepine T. Compa­ rison of the efficiency MTF and chroma­ tiv properties of four diffractive bifocal intraocular lens designs. Optics Express 2010;18(5). Ein neuer individueller Weg Das Düsseldorfer Schema – Multifokale Option für die Brillenunabhängigkeit AHAUS/DÜSSELDORF/HEIDELBERG In den letzten Jahren haben sich die Mög­ lichkeiten in der refraktiven Katarakt­ chirurgie sowie im Bereich des refraktiven Linsenaustausches stetig verbessert. Neben den optimierten Korrekturmöglich­ keiten durch monofokale Intraokularlinsen (IOL) mit verbesserter Abbildungs­qualität1,2 hat sich gerade im multifokalen Segment während der letzten Jahren viel getan. Das International Vision Correction Research Network (IVCRC.net) konnte in zahlreichen Studien die gute Funktion diffraktiver, ­multifokaler IOL evaluieren.3–9 Durch den Einsatz alternierender diffrak­tiver Ring­ strukturen kann eine trifokale Optik mit hervorragenden klinischen Ergebnissen realisiert werden.3–5,8,10–16 Ein Nachteil dieser diffraktiven Strukturen liegt jedoch im optischen Prinzip.17 Jeder diffraktive Ring erzeugt einen gewissen Anteil an Streulicht, wodurch immer das Risiko ­photischer Phänomene in Form von Halos und Glare besteht. Abb. 2: Binokulare Defokuskurven der unterschiedlichen OcuLentis-MIOL. D mit CentraFLOW Technology TM STAAR Surgical AG Niederlassung Deutschland Harksheider Straße 3 22399 Hamburg Tel. +49 40 524 72 52 0 Fax +49 40 524 72 52 99 [email protected] www.staar.com as Düsseldorfer Schema wurde daher von Detlev Breyer als Option entwickelt, um Patien­ ten, die so wenig photische Phäno­ mene wie möglich erfahren möchten, individuell und multifokal zu versor­ gen. Breyer stellte das Düsseldorfer Schema erstmalig 2014 auf dem ISOPMeeting und auf der ESCRS in London vor. Aus jahrelanger Erfahrung mit dem Einsatz von Rotations-asym­ metrischen, refraktiven MIOL, die auf­ grund ihres optischen Designs eine deutlich geringere Streulichtquote haben, hat sich daher ein Schema für die individuelle Patientenversorgung im refraktiven Linsentausch und refraktiven Kataraktbereich entwickelt. Im Folgenden sollen die Möglichkeiten und Limitationen des Düsseldorfer ­Schemas näher erörtert werden. Eingesetzte IOL: Im Rahmen des Düsseldorfer Schemas werden aus­ schließlich Rotations-asymmetrische IOL verwendet. Hierbei kommen drei refraktive MIOL-Modelle, Lentis Com­ fort (LS-313 MF15), Lentis Mplus MF20 (LS-313 MF20) und die Lentis MplusX (LS-313 MF30), zum Einsatz (alle OcuLentis, D). Der Hauptunter­ schied liegt hierbei in der Stärke der Nahaddition (Tab., s. S. 12). Alle drei Varianten sind ebenfalls als torische Modelle verfügbar. Präoperative Anamnese: Da das Düsseldorfer Schema vor allem für Abb. 3: Mesopische Kontrastsensitivität für Lentis Comfort und Lentis MPlusX (Ginsburg Box). Patienten entwickelt wurde, die ihr eigenes Risiko für photische Phäno­ mene wie Halo und Glare reduzieren möchten, liegt einer der Kernaspekte in der präoperativen individuellen Beratung. Anhand von Simulationen werden den Patienten mögliche pho­ tische Phänomene präsentiert. Abbil­ dung 1 (S. 11) zeigt ein Beispiel von unoperierten Patienten. Des Weiteren werden die dazugehörigen klinischen Ergebnisse aus den Studien des IVCRC. net vorgestellt. Wenn sich ein Patient skeptisch über photische Phänomene äußert und der Eindruck entsteht, dass photische Phänomene für ihn Schwie­ rigkeiten bergen können (Berufs­ gruppen wie: Taxifahrer, Lkw-Fahrer, Piloten etc.) oder das private Umfeld nicht für eine Versorgung mit diffrak­ tiven MIOL ausgelegt ist (Hobbys wie: Jagen, unzureichende Beleuchtung, viel Feinarbeit etc.), werden dem ­Patienten die Möglichkeiten des ­Düsseldorfer Schemas näher erläutert, um so eine individuelle Anpassung zu erreichen. Möglichkeiten des Düsseldorfer Schemas: Prinzipiell sind v ­ erschiedene Einstellungen mit den drei zur Verfü­ gung stehenden MIOL möglich (Tab., S. 12). Die einfachste Einstellung ist die binokulare Emmetropie. Hierbei ist zu beachten, dass die Lentis Comfort vor allem für die Patientengruppen i­nfrage kommt die ihren Sehfokus im Fern­ Fortsetzung siehe Seite 11 (