Zusammenfassung des Vortrages von Dr. Engelke „CMS (Cytoplasmatische Männliche Sterilität )- Hybriden: Chance oder Risiko für den Ökolandbau?“ Herr PD Dr. Thomas Engelke hob folgende Punkte hervor: - - - - - In einem Hybridzuchtprogramm werden zunächst vitale Inzuchtlinien aufgebaut. Die Inzucht wird betrieben, um zu weitgehend reinerbigen (homozygoten) Linien zu gelangen, wobei letale oder subletale Gene ausgemerzt werden. Bei vorliegender Kombinationseignung kann durch anschließende Kreuzung dieser Linien die Heterosis genutzt werden. Weitere Vorteile der Hybridzüchtung sind die Nutzbarkeit heterozygoter Merkmalsausprägungen und die leichte Kombinierbarkeit dominanter und quantitativer Eigenschaften (besonders auch in Repulsion gekoppelter Merkmale, Beispiel: Mehltauresistenz von Spinat). Die Individuen einer Hybridsorte sind genetisch weitgehend identisch. Daraus resultiert die große Einheitlichkeit (Homogenität) der Bestände, die insbesondere für die maschinelle Bearbeitung Vorteile hat. Von einer genetischen Verarmung des Zuchtmaterials kann dennoch nicht gesprochen werden, da die Individuen zugleich hochgradig heterozygot sind. Die besten Hybridsorten sind zu erwarten, wenn die Elternlinien aus zwei verschiedenen Formenkreisen stammen. Der Züchter wird also bestrebt sein, möglichst verschiedene Linien miteinander zu kreuzen. Diese genetische Breite geht in die Hybridsorte ein, phänotypisch tritt sie aber nicht in der F1-Hybridsorte in Erscheinung (Uniformitätsregel nach Mendel), sondern erst in der F2. Dadurch ist ein Nachbau der Hybridsorte nicht möglich und somit einen natürlicher Sortenschutz gegeben. Um bei der Kreuzung der Inzuchtlinien Bestäubungen innerhalb dieser Linien auszuschließen, werden genetische Mechanismen genutzt (Geschlechtsvererbung, Selbstinkompatibilität, Männliche Sterilität). Weit verbreitet ist die Nutzung der Männlichen Sterilität, die aufgrund der Vererbung in Genische (nukleare) Männliche Sterilität (GMS) und Cytoplasmatische Männliche Sterilität (CMS) unterschieden wird. Die GMS beruht zumeist auf rezessiv vererbten Genen. Bei generativer Vermehrung einer genisch männlich sterilen Pflanze erfolgt im besten Falle eine Aufspaltung steriler und fertiler Individuen im Verhältnis 1:1. Für die Hybridzüchtung müssen die sterilen Pflanzen selektiert werden und gegebenenfalls vegetativ vermehrt werden (Beispiel: Porree). Die CMS wird durch die Interaktion zwischen cytoplasmatischen (mitochondrialen) Erbfaktoren, (S), und Restorergenen im Kern, Rf / rf, bedingt. Cytoplasmatisch männlich sterile Pflanzen entstehen in der Regel, wenn das Restorergen rezessiv im Sterilitätscytoplasma vorliegt, (S) rf rf. Fehlt der cytoplasmatische Erbfaktor, ist also ein Normalcytoplasma, (N), vorhanden, sind die Pflanzen immer fertil. Wird eine männlich sterile Pflanze, (S) rf rf, mit dem Genotyp (N) rf rf bestäubt, besteht die Nachkommenschaft ausschließlich aus männlich sterilen Individuen, da der cytoplasmatische Erbfaktor maternal vererbt wird. Der Genotyp (N) rf rf wird deshalb als Erhalter (engl.: maintainer) für die männlich sterile Linie bezeichnet. Eine solche männlich sterile Linie wird dann als Saatgutelter in der Hybridzüchtung genutzt. Die Bestäuberlinie kann das Restorergen im dominanten Zustand tragen, s.d. die Hybridsorte selbst fertil (restoriert) ist, (S) Rf rf. Beide Systeme, CMS und GMS, kommen bei vielen Pflanzenarten natürlich vor. In Wildpopulationen führen sie zur Förderung der Auskreuzung (Fremdbefruchtung: Allogamie), Vermeidung von Inzuchtdepression (Kompensation durch das homologe Chromosom), Förderung der Heterozygotie, der genetischen Variabilität und des genetischen Austausches (hohe Anpassungsfähigkeit sichert das langzeitige Überleben der Art). Eigene Untersuchungen an Allium-Arten zeigen, dass das mitochondriale - - - Gen, das die CMS1 beim Schnittlauch bedingt, in ähnlicher Form auch in einer Vielzahl weiteren Allium-Arten vorhanden ist, und sich folglich während der Evolution dieser Arten erhalten hat. Es unterliegt somit keinem Selektionsnachteil. Es wurde beobachtet, dass CMS-Pflanzen häufig entstehen, wenn entfernte Verwandte miteinander gekreuzt werde. Beispielsweise ist der petaloide CMS-Typ der Möhre entstanden durch eine Kreuzung der Kulturmöhre (Daucus carota L. var. sativa) mit einer Wildmöhre Daucus carota L. var. carota). Sind in einer Pflanzenart keine verschiedenen Cytoplasmatypen vorhanden (Beispiel: Porree), oder sind vorhandene CMS-Systeme nicht stabil (Beispiel Raps), wird daran gedacht, neue Cytoplasmen aus anderen verwandten Arten zu übertragen. Dabei stellt sich die Frage, wann dieser Prozess als Gentechnik einzustufen ist. Ein Problem bei der Bewertung dieser Fragestellung ergibt sich durch die Definition eines gentechnisch veränderten Organismus (GVO). In der Freisetzungsverordnung der Europäischen Union 2001/18/EG heißt es dazu: „... genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise nicht möglich ist“; im Gesetz zur Regelung der Gentechnik in Deutschland entsprechend: „genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt“. Eine Kreuzung zwischen zwei Arten mit zeugungsfähigen Nachkommen ist nach Definition des Art-Begriffs theoretisch nicht möglich. Die Einteilung der Arten ist aber vom Menschen konstruiert und die sich ergebende Systematik ein Hilfsgerüst, das jedoch weit davon weg ist, die Natur richtig abzubilden. Nach strenger Definition der Art dürfte es sonst einige unserer wichtigsten Kulturen gar nicht geben. Beispielsweise ist Raps (Brassica napus) durch eine Kreuzung aus Kohl (Brassica oleracea) und Rübsen (Brassica campestris) enstanden; Weizen (Triticum aestivum) und Triticale sind entstanden durch Kreuzung von Triticum turgidum mit Triticum tauschii bzw. Secal carale (Roggen), wobei Triticum turgidum wiederum aus einer Kreuzung von Triticum monococcum mit Aegilops (?) hervorgegangen ist. Diese Beispiele zeigen, dass derartige Kreuzungen in der Natur oder bei herkömmlichen Züchtungsgängen durchaus vorkommen können. Die Seltenheit, mit der dies auftritt, ergibt sich durch die bestehenden Kreuzungsbarrieren, da die Mutterpflanze die Bastarde in der Regel abstößt. Will der Züchter zwei entfernte Verwandte miteinander kreuzen, so kann er durch EmbryoRescue die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine solche Kreuzung erfolgreich verläuft. Dazu werden nach Befruchtung die Embryonen entnommen und auf künstlichen Nährmedien (in vitro) weiterkultiviert. Wie bei den oben beschriebenen spontan entstanden Brassica und Triticum Beispielen handelt es sich bei den Bastarden häufig um allopolyploide Formen, die die kompletten Chromosomensätze beider Eltern enthalten. Soll mit dem Ziel der Erzeugung männlich steriler Pflanzen nur das Cytoplasma aus einem entfernten Verwandten (Donor) übertragen werden, schließt sich ein langwieriger Rückkreuzungsprozess an, bei dem die unerwünschten Chromosomen des Donors wieder eliminiert werden. Durch Protoplastenfusion kann dieser langwierige und schwierige Prozess der Eliminierung der unerwünschten Chromosomen abgekürzt werden. Dazu werden zunächst die Zellwände der beiden Elternzellen enzymatisch abgebaut, es entstehen die Protoplasten. Durch chemische Behandlung ist es möglich, den Zellkern der Donorzelle zu zerstören, s.d. sie nur noch das gewünschte Cytoplasma (oder auch nur noch die gewünschten Mitochondrien) enthält. Durch elektrische Reize wird dieses Cytoplasma mit dem Zellkern der Empfängerzelle verschmolzen und daraus eine neue Pflanzen regeneriert, die der entspricht, die auch durch den langwierigen Rückkreuzungsprozess zu erreichen wäre. Bei Raps (Brassica napus) und Kohl (Brassica oleracea) wurde das ogura-Cytoplasma aus Radieschen (Raphanus sativus) mittels dem beschriebenen Weg übertragen. - - - - Zellfusion (Protoplastenfusion) ist nach der Freisetzungsverordnung 2001/18/EG und dem Gesetz zur Regelung der Gentechnik „ein Verfahren der genetischen Veränderung“. In beiden Vorschriften werden aber Ausnahmen genannt: „Die Richtlinie 2001/18 gilt nicht für Zellfusionen von Pflanzenzellen, die mittels herkömmlicher Züchtungstechniken genetisches Material austauschen können“. Im Gentechnikgesetz heißt es entsprechend: „...gelten nicht als Verfahren der Veränderung genetischen Materials:... Zellfusionen (einschließlich Protoplastenfusion) von Pflanzenzellen von Organismen, die auch durch herkömmliche Züchtungsmethoden genetisches Material austauschen können“. Die Entscheidung, wann „herkömmliche Züchtungsmethoden“ zum gleichen Ergebnis führen würden wie der verkürzte Weg über Protolastenfusion ist im Einzellfall zu betrachten und dann zu entscheiden, ob das Produkt als GVO einzustufen ist oder nicht. Der Kohl mit dem aus Raphanus übertragenen CMS-System gilt danach nicht als GVO. Ob zwei Arten durch „herkömmliche Züchtungsmethoden“ genetisches Material austauschen können und ob ein Emryo-Rescue als eine solches „herkömmliches“ Verfahren einzustufen ist, wird sich nicht generell beantworten lassen. Es sei aber darauf hingewiesen, dass Bastardisierungen zwischen sehr weit entfernt verwandten Arten höchstwahrscheinlich auch nicht mit Embryo-Rescue oder Protoplastenfusion zu erreichen sein werden. Die Ko-Evolution der genetischen Kompartimente (Zellkern, Mitochondrien und Chloroplasten) sorgt in feiner Abstimmung für die Lebensfähigkeit der Zelle. Beispielsweise wurden im Laufe der Evolution Genfunktionen der Mitochondrien an den Zellkern abgegeben, und die genetische Autonomie der Organellen ging schrittweise zurück. Dieser Prozess ist bei verschiedenen Arten ungleich weit fortgeschritten. Besonders deutlich tritt dies Phänomen bei der coxII-Untereinheit (Cytochromoxidase) der Leguminosen in Erscheinung. Bei der Erbse liegt das Gen im mitochondrialen und im Kerngenom vor, wird aber nur in den Mitochondrien exprimiert. In der Sojabohne und der Gartenbohne befinden sich ebenfalls Kopien des Gens in beiden Genomen, aber nur das nukleare Gen wird exprimiert. In der Mung- und der Pferdebohne ist das Gen in seiner funktionellen Form nur noch im Zellkern vorhanden. Unter Berücksichtigung dieser Interaktionen zwischen den Zellkompartimenten ist eine willkürliche Entnahme eines Cytoplasmas und seine Verschmelzung mit einem völlig fremden Kern zum Scheitern verurteilt. Tatsächlich gab es bereits bei den Brassica – Raphanus Bastarden zunächst Unverträglichkeiten mit den Chlorplasten aus Raphanus, s.d. schließlich nur die Mitochondrien aus Raphanus in Brassica übertragen wurden. Ein weiterer Aspekt im Zusammenhang mit CMS-Systemen aus Protoplastenfusion ist das Fehlen von Restorergenen. Für die Züchtung von Pflanzenarten, bei denen ausschließlich vegetative Teile genutzt werden (Beispiel Kohl), ist eine Restoration nicht zwingend erforderlich und es besteht zudem der Vorteil, dass jeder herkömmliche Genotyp als Erhalter dienen kann. Die fertige Sorte kann auch nicht mehr als Ausgangsmaterial für die Weiterzüchtung dienen, da ihre Nachkommen immer männlich steril sind. Enthält eine solche Sorte beispielsweise eine Resistenz, kann kein anderer Züchter diese Resistenz aus der Sorte in sein eigenes Zuchtmaterial einkreuzen. Vordergründig ist dies aus Sicht der einzelnen Züchter unter dem Aspekt des Sortenschutzes vielleicht ein Vorteil. Allerdings führt dies auch in eine genetische Sackgasse, die den generellen Züchtungsfortschritt gefährden kann. Die Einkreuzung eines Restorergens aus der Herkunftsart des Cytoplasmas ist mit großem Aufwand möglich. So wurde das Restorergen aus Raphanus in Raps eingekreuzt, da bei Raps ja die Bestäubung innerhalb der Hybridsorte gewährleistet sein muss.