Apparative Dysphagiediagnostik Videofluoroskopie

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Apparative Dysphagiediagnostik
Videofluoroskopie
Referentin:
Dr. rer. medic. Tanja Rittig
(Dipl. Sprachtherapeutin)
Klinik für Altersmedizin /
Geriatrie
St. Vinzenz-Hospital in
Dinslaken
Elemente des
Dysphagiemanagements









Anamnese und Symptome
klinische Untersuchung (u. a. SchluckSchluck-Check)
Einbettung weiterer Maß
Maßnahmen in das Gesamtbild
Videofluoroskopie / flexible endoskopische
Untersuchung des Schluckens / HNOHNO-Konsil
therapeutische Maß
Maßnahmen mit kompensatorischen
und rehabilitativen Strategien
Pflegerische Maß
Maßnahmen (z. B. Anleitung,
Überwachung, Haltungskorrektur, aktivierende
Pflege)
Diä
Diätetische Maß
Maßnahmen (Adaptation)
Angehö
Angehörigenberatung, Anleitung, psychische
Betreuung
ausfü
ausführliche Berichterstattung und Empfehlungen fü
für
das weitere Vorgehen / Behandlung
©Rittig
1
Ziele
• Ermöglichung ausreichender Flüssigkeits- und
Nahrungszufuhr in angemessener Zeit
• ausreichender Schutz der tiefen Atemwege
• Verminderung teurer und tragischer
Sekundärkomplikationen
• Erhalt oder Verbesserung der Lebensqualität
• Vermeidung unnötiger Einschränkungen der Lebensqualität
z.B. durch diätetische Maßnahmen
• Vermeidung unnötiger PEG-Anlagen
©Rittig
Kernfragen des Dysphagiemanagements

Handelt es sich bei meinem Patienten um einen
Risikopatienten?
(welche diagnostischen, schü
schützenden, therapeutischen
Maß
Maßnahmen sind sofort einzuleiten?)

Was kann mein Patient schlucken?
(adä
(adäquate Flü
Flüssigkeitsssigkeits- und Nä
Nährstoffzufuhr bei
optimaler Atemwegsprotektion fü
tmö
ögliche
für größ
größtm
Lebensqualitä
Lebensqualität)
Geltungsbereich dieser Fragen sowohl fü
für die Aufnahme
als auch fü
für den Verlauf aufgrund der hä
häufig
hochakuten Dynamik von Verä
Veränderungen
©Rittig
2
Krankheitsbezogene Unterschiede in Bezug auf
die fehlende Eigenwahrnehmung
40
35
Parkinson
Syndrom
37,5%
30
25
20
15
10
Schlaganfall
27,3%
Demenzielles
Syndrom
23,3
(+18,6% der Pat.
keine Angaben
machen konnten)
5
0
©Rittig/Jäger
Dysphagiemanagement ist effektiv

Carnaby 2006 / Broadley 2005 / DGNKN 2003 /
Dogget 2002 beschreiben, dass unter einem
standardisierten gut etablierten
Dysphagiemanagement






prä
präventive Maß
Maßnahmen schneller eingeleitet werden
therapeutische Interventionen zielgenauer appliziert
werden
eine niedrigere Pneumonierate nachweisbar ist
sich die Dauer der kompletten Nahrungskarenz und die
stationä
stationäre Verweildauer verkü
verkürzt
Behandlungskosten, verbunden mit schlechter
Behandlungsqualitä
Behandlungsqualität, deutlich gesenkt wird
die Mortalitä
Mortalitätsrate sinkt
©Rittig
3
Fazit
Schluckstö
Schluckstörungen können zu schweren Komplikationen
führen,
obwohl oder gerade weil sie häufig nicht erkannt
werden!
Wissen kann rettend sein
wie auch bei anderen Krankheiten!
Das „Dran denken“
denken“ ist das Wichtigste!
©Rittig
Diagnostische Präzision des
Dysphagiemanagements als Voraussetzung für
effektive Therapie

Bemü
Bemühen um mö
möglichst hohe Wirkungsö
Wirkungsökonomie
durch Einsatz mö
möglichst spezifischer
Behandlungsmaß
Behandlungsmaßnahmen

Einbetten aller Maß
Maßnahmen in das individuelle
Gesamtbild

Beachtung des Potentials von Schä
Schäden durch
Fehleinschä
Fehleinschätzung (Huckabee
(Huckabee))

z.B. Abwä
Abwägen des Risikos von Malnutrition oder
Dehydratation gegen Gefahren der Aspiration

z.B. Beachtung von Non – Use – Funktionsschä
Funktionsschäden

Vermeidung von Nebenwirkung bei falschem
Therapieeinsatz
©Rittig
4
Apparative Diagnostik bei V. a. Dysphagie
Die apparative Diagnostik findet immer nach der klinischen
Untersuchung unter bestimmten Voraussetzungen statt.
Hierzu gehö
gehören v. a.:
- Einbettung in das Gesamtbild des Patienten
- Berü
Berücksichtigung mö
möglicher therapeutischer Konsequenzen
(Lebensqualitä
(Lebensqualität)
Ziele der apparativen Diagnostik




Feststellung von Prä
Präsenz, Grund und Schwere von Aspiration
Bestimmung des sichersten und effektivsten Weges der
Ernä
Ernährung zur Vermeidung unnö
unnötiger Gefahren
Vermeidung unnö
unnötiger Diä
Diätverä
tveränderungen (hä
(häufig aus
Sicherheitsgrü
Sicherheitsgründen bei rein klinischem Verdacht)
Vermeidung ungezielter oder vergeblicher Therapieversuche
durch prä
präzise Darstellung von inneren Vorgä
Vorgängen und deren
Folgen
©Rittig
Indikation
- Diagnosestellung und spezifische Information zur
Planung von effektiver Behandlung und Management
- Bestä
Bestätigung und Verifizierung einer Verdachtsdiagnose
- klinische Erkrankung mit erhö
erhöhtem Dysphagierisiko
- vorbekannte Dysphagie mit vermuteter Verä
Veränderung von
Schluckfunktionen (Re(Re-Check)
Keine Indikation
- Patient medizinisch zu instabil
- Patient unfä
unfähig zu Kooperation und Teilnahme an
Untersuchung
- unzureichende therapeutische Konsequenzen
(wenn keine Therapieverä
Therapieveränderung denkbar ist)
©Rittig
5
Vorteile für klinisches Vorgehen mit Bildgebung
vs
klinisches Vorgehen ohne bildgebende
apparative Untersuchung

höhere Falldichte in gleicher Zeit

zielgenauerer Zuschnitt der
Behandlungsmaß
Behandlungsmaßnahmen ohne Qualitä
Qualitätsverlust

gezielter Ressourceneinsatz mit gutem Outcome

Vermeidung von uneffektivem therapeutischem
Aufwand
©Rittig
Videofluoroskopie (VFS) als Goldstandard in
der Geriatrie
Bei der Videofluoroskopie handelt es sich um eine dynamische,
röntgengestü
ntgengestützte Videoaufzeichnung des Schluckaktes.
Die Videofluoroskopie dient
• der Objektivierung von Dysphagiesymptomen
• der genauen bildlichen Darstellung von Grund und Schwere
der Schluckstö
Schluckstörung in allen drei Schluckphasen
• der Bestimmung von oropharyngealen Transitzeiten
• Ggf. Bestimmung des Aspirationsvolumen
• der gezielten BehandlungsBehandlungs- und Ernä
Ernährungsplanung
• der Überprü
berprüfung der Effektivitä
Effektivität von Haltungsä
Haltungsänderungen,
Schlucktechniken,
Schlucktechniken, Diä
Diätanpassung
• der Dokumentation des Befundes vor und nach Therapie.
Ein hoher sofortiger Nutzen der Videofluoroskopie für die
Patientenversorgung konnte nachgewiesen werden.
(Martin(Martin-Harris, Logeman 2000)
©Rittig
6
Fakt
Eine gezielte Behandlung
mit verschiedenen Möglichkeiten kann
nur auf Grundlage genauer
Untersuchungsergebnisse
sinnvoll und erfolgversprechend
eingesetzt werden!
Aufklä
Aufklärung, Information, Begleitung
von Betroffenen und Angehö
Angehörigen
sind von entscheidender Bedeutung!
©Rittig
Vorgehensweise bei videofluoroskopischer
Untersuchung

positive klinische Untersuchung

Rücksprache mit dem behandelnden Arzt und
Einbettung in das Gesamtbild des Patienten

Aufklä
Aufklärung des Patienten (bzw. Betreuer) über die
apparative Diagnostik (schriftlich)
©Rittig
7
Untersuchungsraum

Patient muss ca.
10min sitzfä
sitzfähig
sein

ausreichende
Compliance um
kurze Anweisungen
umsetzen zu
können
©Rittig
Ausstattung

Personal:



Arzt mit zusä
zusätzlicher
Fachweiterbildung
Strahlenkunde
Fachtherapeut Dysphagie
bzw. erfahrener
Sprachtherapeut / Logopä
Logopäde
im Fachbereich Dysphagie
Equipment:





Wasser
KM (iso
(iso--osmolar,
osmolar, nicht
ionisch)
Brei (wasserlö
(wasserlöslich)
Bariumbrot (eingebacken)
2x TL, 2x EL, 2x Becher
©Rittig
1
Durchführung der Untersuchung
Standardisiertes Vorgehen:
Flü
Flüssigkeiten:
½ TL, 1 TL, 1 EL, mundvoll
(„machen Sie bitte einen ganz
normalen Schluck“
Schluck“)
Brei:
½ TL, 1 TL, 1 EL
Brot:
1 Biss Brot („
(„beiß
beißen Sie bitte
einmal ganz normal ab“
ab“)
©Rittig
2
Analyse, Bewertung und Management
der VFS

Kurzbefund mit Schluckdiä
Schluckdiätvorschlag (SBS)

Ausfü
Ausführlicher videofluoroskopischer Bericht durch den
Dysphgietherapeuten in Bezug auf
 Einteilung der Dysphagie in Schweregrad
 Ausfü
Ausführliche Beschreibung der oralen Phase, pharyngeale Phase
incl. des OÖ
OÖS mit ihren funktionellen Beeinträ
Beeinträchtigungen
 ggf. Bestimmung der pharyngealen Transitzeit, Bewegungszeiten
der Hyoidbewegung,des OÖS
 ggf. Beschreibung des PenetrationsPenetrations- und / oder
Aspirationsvolumen und Einteilung in die PAS nach Rosenbeck
et al 1996
 ggf. Beschreibung der Effektivitä
Effektivität von durchgefü
durchgeführten
kompensatorischen Maß
Maßnahmen (z. B. Chin Tuck)
Tuck)
 Therapievorschlä
ä
ge
(rehabilitativ
rehabilitativ,
,
kompensatorisch,
adaptativ)
Therapievorschl
(
adaptativ)
©Rittig
Analyse, Bewertung und Management
der VFS



zeitnahe Bewertung der Ergebnisse im interdisziplinären
Team und Ableitung weiterer Maßnahmen und
Aufstellen eines Therapieplanes (Klinik)
Aufklärung und Einbezug der Angehörigen bzw. des
pflegenden Umfeldes des Betroffenen
Schnittstellenversorgung (Dysphagie-Pass)
1
PA-Skala (PAS)
nach Rosenbeck JC, et al (1996)
Grad 1
Material penetriert nicht
Grad 2
Material penetriert, liegt oberhalb der Glottis, wird aus dem
Aditus laryngis entfernt (Rä
(Räuspern / Husten)
Grad 3
Material penetriert, liegt oberhalb der Glottis, wird nicht aus
dem Aditus laryngis befreit
Grad 4
Material penetriert, liegt auf den Stimmlippen, wird aus dem
Aditus laryngis entfernt
Grad 5
Material penetriert, liegt auf den Stimmlippen, wird nicht
aus dem Aditus laryngis entfernt
Grad 6
Material wird aspiriert, wird in den Aditus laryngis oder
weiter nach oben befördert
Grad 7
Material wird aspiriert, kann trotz Anstrengung nicht aus der
Trachea herausbefö
herausbefördert werden
Grad 8
Material wird aspiriert, kein Versuch es aus der Trachea
herauszubefö
herauszubefördern
Schluck-Beeinträchtigungs-Skala (SBS)
Quelle: Leitlinien 2003 (DGNKN)
0
vollvoll-orale Ernä
Ernährung ohne Einschrä
Einschränkung
1
voll-orale Ernährung mit Kompensation °, aber ohne
Konsistenzeneinschränkung
2
voll-orale Ernährung ohne Kompensation, aber mit
Konsistenzeneinschränkung
3
voll-orale Ernährung mit Komensation ° und mit
Konsistenzeneinschränkung
4
PartiellPartiell-orale Ernä
Ernährung
5
PartiellPartiell-orale Ernä
Ernährung mit Kompensation °
6
Ernä
Ernährung ausschließ
ausschließlich über Sonde
° Mit „Kompensation sind Haltungsänderungen und Schlucktechniken gemeint.
2
vfs tanja rittig\
rittig\IMG_0172.JPG
Fallbeispiel I
Anamnese



Patient männlich / 58 Jahre
vom Hausarzt in unsere Schluck-Ambulanz überwiesen
Patient beschreibt folgende Auffälligkeiten: „eigentlich
habe ich nichts“; mein Hausarzt sagt, ich soll mich bei
Ihnen vorstellen; „habe nur Schwierigkeiten mit
Gummibärchen – die bleiben stecken“; „hatte bestimmt
schon 4 Mal in dem letzten ¾ Jahr einen
Erstickungsanfall, dass meine Frau und ich gedacht
haben, es ist aus …“; „ich vermeide einfach ein paar
Lebensmittel – so harte Dinge vor allem … mache kleine
Portionen“
3
Klinische Schluckuntersuchung:


Intraorale Sensibilität (incl. Auslösen des
Würgreflexes) erheblich beeinträchtigt
Danielstest negativ
VFS - Film




1EL Flüssigkeit
Mundvoll Flüssigkeit
1 EL Brei
1 Biss Brot
4
Befundbeschreibung

Orale Phase:



erhebliche Sensibilitätseinschränkungen (klinisch)
Pharyngeaele Phase:
 Anteriorbewegung des Hyoids bleibt fast vollstä
vollstänidig
aus – dadurch unzureichende Epiglottiskippung und
unzureichende Öffnungsweite des oberen ÖS
 Patient mendeliert teilweise um die beeinträ
beeinträchtigte
Öffnungssweite des OÖ
OÖS zu kompensieren
Pharyngeale Phase :
 Beeinträ
Beeinträchtigung des ÖOS in Öffnungsweite
Weiteres Vorgehen





Aufklä
Aufklärung des Patienten
Berichterstattung und Kontaktaufnahme mit dem
behandelnden Hausarzt
Empfehlung weiterer Differentialdiagnostik (MRT ggf.
neurologisches Konsil)
Konsil) über den Hausarzt und im
schlucktherapeutischen Beratungsgesprä
Beratungsgespräch
Schluckdiä
Schluckdiät bzw. Aufklä
Aufklärung über risikobehaftete
Lebensmittel
Ambulante Schlucktherapie


Anleitung und Supervision zur 3x tä
täglich ShakerShaker-Manö
Manöver
über 6 Wochen
MasakoMasako-Manö
Manöver 3x tä
täglich über 6 Wochen
5
Schnittstellenversorgung

Hauptziel:





Vermeidung von Informationsverlusten
Verminderung von Gefahren (Aspirationsgefahr beim Verzehr von
ungeeigneten Konsistenzen)
Weiterfü
Weiterführen therapeutischer Maß
Maßnahmen
Verlaufskontrollen
Management





ausfü
ausführliche Berichterstattung an weiterversorgende Institution ggf.
Hausarzt (u. a. PAS, SBS)
ggf. telefonische Kontaktaufnahme mit behandelndem Arzt und
Absprachen fü
für Verlaufskontrollen
ggf. Diä
Diätberatung (Zubereitung oder Bestellungsmö
Bestellungsmöglichkeiten von
SchluckSchluck-Diä
Diäten)
Aufklä
Aufklärung und Anleitung der Angehö
Angehörigen bzw. pflegenden
Personen des Betroffenen zur Gewä
Gewährleistung der Umsetzung von
Maß
Maßnahmen und Beobachtung vom Krankheitsverlauf
Ausstellen eines DysphagieDysphagie-Passes (verbleibt beim Patienten)
©Rittig
Dysphagie-Pass
© Rittig
6
Trotz vorhandener Evidenz sind
Identifikation und Management von
Schluckstörungen
in vielen Kliniken unzureichend!
SIGN 119
June 2010
©Rittig
7
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