Mathematik 1 (Analysis)

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Mathematik 1 (Analysis)
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
J. Schicho
Vorlesungsmitschrift SS 2003
-0-
by veliant
Mathematik 1 (Analysis)
SS2003
INHALT
1.
Funktionen
2
2.
Reelle Zahlen
4
3.
Folgen und Reihen
7
4.
Stetigkeit
17
5.
Differenzialrechnung
23
6.
Komplexe Funktionen
35
7.
Optimierung
47
8.
Integralrechnung
55
9.
Potenzreihen und
Potenzreihenentwicklung
71
Differenzialgleichungen
81
10.
-1-
by veliant
Mathematik 1 (Analysis)
1.
SS2003
Funktionen
Darstellung von Funktionen
• Wertetabelle
Beispiel:
A = {1, 2, 3, 4}
B = {A, B, C, D, …, X, Y, Z}
1
2
3
4
•
A
A
Z
X
Graph
mit sich selbst, × oder 2 .
xy-Ebene ist ein Produkt von
d.h. {( x, y ) | x ∈ , y ∈ } (Menge aller Paare bzw. Produktmenge.
Wenn A und B endlich sind:
Produktmenge = {(1, A), (1, B), …, (2, A), …, (4, Z)}
f = {(1, A), (2, A), (3, Z), (4, X)}
•
Funktionsvorschrift
x
x2
Schreibweise: f : A → B; x
Ausdruck
A … Urmenge, Menge der Stellen
B … Bildmenge
Ausdruck … Funktionsvorschrift
Beispiel:
f:
→ ; 2x
x 2 (Æ falsche Syntax)
↓
2x = y
y
x=
2
y2
2
x =
4
y2
y
4
-2-
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
f −1 f : A → A
f f −1 : B → B
idA identisch
idB identisch
Eine Funktion g : B → A und für die g f = id A ist, heißt linksinverse Funktion von f.
Berechnen der inversen Funktion falls die Funktion durch Term gegeben ist.
f : A → B; x
Ansatz:
F ( x)
y = F ( x)
y = 7x − 2
y + 2 = 7x
y+2
=x
7
Versuch x auf eine Seite zu bringen
Umkehrfunktion: f −1 : B → A; y
y+2
7
Weitere Bezeichnungen:
f : A → B sei eine beliebige Funktion
Das Bild von f geschrieben f(A) ist die Funktion definiert als
{b | es gibt ein a ∈ A so dass f (a) = b} .
Es gilt: f ( A) ⊆ B
f ( A) = B Æ f surjektiv.
Jede Funktion f : A → B induziert eine Relation ∼ f durch a1 ∼ f a2 ⇔ f ( a1) ∼ f ( a2 ) .
Das ist eine Äquivalenzrelation d.h.
a1 ∼ a1
Reflexivität
a1 ∼ a2 ⇒ a2 ∼ a1
Symmetrie
a1 ∼ a2 ∧ a2 ∼ a3 ⇒ a1 ∼ a3
Transitivität
-3-
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Mathematik 1 (Analysis)
2. Reelle Zahlen
"Antike Def.": Eine reelle Zahl ist eine Proportion von zwei messbaren Größen.
Bsp:
= 2,1
"Rechenoperationen" sind in der Regel geometrisch definiert.
Bsp. Addition:
Vermutung: Jede Proportion lässt sich beschreiben als Verhältnis zweier natürlicher Zahlen.
Falsch: Das Verhältnis von Seite und Diagonale eines Quadrats lässt sich nicht durch Zahlen
ausdrücken.
"irrationale Proportion"
d :s = 2
2 ist keine rationale Zahl der Form
p∈
q∈
.
Einführung des Dezimalsystems
Def.: Eine Dezimalzahl ist eine endliche Kette von Zeichen aus {0, 1, …, 9, ., +, -} mit
folgenden syntaktischen Eigenschaften:
[ + | - ] Zahlen . Zahlen
1,0 : 3,0 = 0,3333… Æ kein endlicher String
Def. 1: Ein unendlicher String aus einem Alphabet Σ (in unserem Fall {0, 1, …, 9, ., +, -}) ist
eine Zeichenkette die nie abbricht.
Def. 2: Ein String ist eine Funktion
z.B.: 1,234 wobei
1 , 2 3 4
f(1)
f(2) f(3) f(4)
→Σ
Def. 3: Eine unendliche Dezimalentwicklung ist ein unendlicher String aus dem Alphabet Σ
(wie oben), mit den obigen syntaktischen Beschränkungen.
0,999999...
Problem:
 müssten die selben reellen Zahlen sein.
1, 000000... 
-4-
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Mathematik 1 (Analysis)
Wir definieren eine Äquivalenzrelation auf den unendlichen Dezimalentwicklungen.
a∼b⇔a=b
oder
a endet mit einer unendlichen Folge von 9en,
b endet mit einer unendlichen Folge von 0en
und der Teil vor diesen beiden unendlichen Folgen unterscheidet sich um 1 oder umgekehrt.
z.B.: 0,23999… ~ 0,24000…
Æ Def: Eine reelle zahl ist eine Äquivalenzklasse von Dezimalentwicklungen.
Beobachtung: Jede Klasse hat entweder ein oder zwei Elemente, d.h. jede reelle Zahl besitzt
entweder eine oder zwei Dezimalentwicklungen.
Darstellung von unendlichen Dezimalentwicklungen am Computer
Periodische Dezimalentwicklung
0,3333333… = 0,'3'
d.h. Σ wird erweitert mit ', was die Periode markiert.
0,23'9'
1,'0' : 7,'0' = 0,'142857'
Satz: Jede rationale zahl lässt sich als periodische Dezmalentwicklung darstellen.
Nichtperiodische Dezimalentwicklungen:
π = 3.14159265358979323846264338328…
α = 0,12345678910111213141516171819202122…
2 = 1.41421356237309504880168872421…
α lässt sich endlich beschreiben durch ein kurzes Programm (Algorithmus) dass diese
unendliche Zeichenkette ausdrückt.
Unendliche Dezimalentwicklungen die sich durch eine Turingmaschine (Programm) endlich
beschreiben lassen heißen gesetzmäßig oder berechenbar.
Wie rechnet man mit diesen reellen Zahlen?
(d.h. Klassen von unendlichen Dezimalentwicklungen)
Bsp.: Addition
Versuch 1: Verschiebe so dass "," untereinanderstehen.
23,147908...
+ 0, 053664...
Æ Die Methode wie bei endlichen Dezimalzahlen "von rechts nach links" ist hier nicht
möglich.
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SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Versuch 2: Abbruch bei n-ter Stelle hinter "," für n = 1, 2, 3, 4, 5, …
23,1
23,14
23,147
23,1479
+ 0, 0
23,1
+ 0, 05
23,19
+ 0, 053
23, 200
+ 0, 0536
23, 2015
Summe ist 23,2015… Æ scheint zu funktionieren
Das Ergebnis ergibt sich als Grenzwert einer Folge
a1 = 23,1; a2 = 23,19; ...
lim an = 23, 201...
(näheres über Grenzwert später)
Grenzwert:
1→∞
Dieser Versuch zielt darauf ab, eine Turingmaschine "T+" zu konstruieren, die drei Bänder
hat. (Zwei Lese- und ein Schreibband). Auf den ersten beiden Bändern werden die Eingaben
(Summanden) geschrieben (durch eine Turingmaschine "TA" und "TB") und auf das
Ausgabeband das Ergebnis.
Band 1: 0,33333…
Band 2: 0,66666…
Um die erste Ziffer des Resultates zu berechnen müsste "T+" unendlich weit nach rechts
lesen. Wenn die beiden Eingaben wie oben sind kann "T+" die erste Ziffer des Resultats nicht
schreiben. Æ lässt sich reparieren durch die zusätzliche Ziffer -1.
Bsp.: 0,333332
0,666666
1,0000-1
Def.: Eine reelle Zahl heißt berechenbar wenn sie sich beliebig genau approximieren lässt,
d.h. es gibt ein Programm, das bei Eingabe n eine (endliche) Dezimalzahl an ausgibt, so dass
an − α ≤ 10− n .
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SS2003
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3. Folgen und Reihen
Def.: Eine Folge von reellen Zahlen ist eine Funktion
Notation:
→
.
Ist a : → eine Folge, so schreiben wir an für a (n) .
Die Funktion n an wird geschrieben (an ) n .
Æ Arithmetische Folge: an = kn + d
(d, d+k, d+2k, …)
(kn + d ) n
Æ Konstante Folge: cn = (c, c, c, c,...)
Æ Geometrische Folge:
an +1
= const.
an
an = aq n ; (aq n ) n
(a, aq, aq², aq³, …)
Æ Rekursiv definierte Folge: a0 = a; an +1 = qan (rekursive def. der geometrischen Folge)
Fibonecci-Folge: a0 = 1; a1 = 1; an + 2 = an +1 + an
Spezialfall: Iteration von F: a0 = a; an +1 = f (an ) , wobei f : →
Beilspiel: f : x cos x , d.h. a0 = 0; an +1 = cos an
(1; 0,540; 0,858; 0,654; 0,793; 0,791; 0,764; 0,723; 0,750; …)
Grenzwert: 0,739.
Konvergiert gegen einen Fixpunkt von f. In diesem Fall: cos(0, 739) = 0, 739 .
Ein Wert x sodass f ( x) = x heißt Fixpunkt von f. Iterationen von Funktionen führen zu
Fixpunkten. „Attraktive Fixpunkte“ x sond solche, bei denen rekursive Folgen an +1 = f (an )
gegen x konvergieren, wenn der Startwert a0 in einem Intervall um x liegt.
(„Attraktionsgebiet“).
Das muss nicht immer so sein:
Beispiel: Iteration f : → ; x 4 x(1 − x)
1
a0 = ; an +1 = 4an (1 − an )
3
Die Folge hat keinen Grenzwert, sondern zeigt chaotisches Verhalten im Intervall
[0,1]. (Intervall [0,1] = {x ∈ | 0 ≤ x ≤ 1} )
Die Folge kommt jeder Zahl α ∈ [0,1] unendlich oft beliebig nahe.
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Eigenschaften von Folgen
Def.:
(an )n heißt monoton steigend (fallend) wenn für alle n gilt an +1 ≥ an
(an +1 ≤ an ) .
(an ) n heißt streng monoton steigend (fallend) wenn für alle n gilt
an +1 > an (an +1 < an ) .
 monoton steigend wenn k ≥ 0
 monoton fallend wenn k ≤ 0

Beispiel: (kn + d ) n ist  streng monoton steigend wenn k > 0
 streng monoton fallend wenn k < 0

(an ) n heißt nach oben beschränkt (nach unten beschränkt) wenn es eine Zahl M gibt
sodass für alle n gilt an ≤ M (an ≥ M ) .
Beispiel:
n+2
n+2
ist nach unten durch 0 ( an =
≥ 0)
n +1
n +1
n+2
und ist nach oben durch 2 beschränkt ( an =
≤ 2 ).
n +1
an =
Beweis:
n+2
≤2
n +1
n + 2 ≤ 2(n + 1)
n + 2 ≤ 2n + 2
0≤n
ist richtig für alle n ∈
.
Eine Folge heißt genau dann beschränkt, wenn sie sowohl nach oben als auch nach unten
beschränkt ist.
Geometrische Folge (2n ) n ist unbeschränkt.
Wähle M := 3n dann gilt 2n ≤ 3n , daher ist (a n ) n beschränkt.
Wichtig: Zuerst M wählen, unabhängig von n!
Proposition (Sätzchen):
Jede monoton steigende Folge ist nach unten beschränkt.
Jede monoton fallende Folge ist nach oben beschränkt.
Eine Folge (an )n heißt Nullfolge wenn es für jedes Intervall [−Σ | Σ] um 0 (d.h. Σ > 0 ) gilt
dass nur endlich viele Folgeglieder außerhalb liegen. (Das heißt die Folge bleibt beliebig nahe
bei 0, konvergiert gegen 0).
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Mathematik 1 (Analysis)
Beispiel: an =
1
ist eine Nullfolge
n
Σ = 10−6
Fast alle Folgeglieder an liegen im Intervall [−10−6 |10−6 ] , denn
an ≥ 0 ≥ −10−6
1
an ≤ 10−6 ⇔ ≤ 10−6 ⇔ n ≥ 106
n
Die Folgeglieder ( a1000000 , a1000001 , ... ) sind alle im Intervall.
Beispiel: (aq n ) n ist eine Nullfolge wenn |q|<1.
Insbesondere sind Nullfolgen beschränkt.
Grenzwert
Def 1.: Die Folge (an ) n hat den Grenzwert a genau dann, wenn die Folge (an − a )n eine
Nullfolge ist.
Def 2.: (äquivalent dazu): Die Folge (an ) n hat den Grenzwert a, wenn für jedes Intervall
[a − Σ | a + Σ] (Σ > 0) gilt, dass nur endlich viele Glieder außerhalb liegen.
Beispiele:
n+2
hat den Grenzwert 1.
n +1
a0 = 0; an +1 = cos an hat den Grenzwert a=0,739…
an =
Def.: Sei (an ) n eine Folge a ∈ . Eine reelle Zahl a heißt Häufungswert der Folge, wenn
jedes Intervall [a − Σ | a + Σ] (Σ > 0) unendlich viele Folgeglieder enthält.
Beispiele:
(a(−1) n ) n besitzt zwei Häufungswerte, nämlich a und –a.
(a, -a, a, -a, a, …)
n n +1

 ( −1) ⋅
 besitzt zwei Häufungswerte, nämlich 1 und -1.
n n

(-1; 1,5; -1,33; 1,25; -1,2; 1,17; …)
Diese Folge besitzt zwei Teilfolgen mit Grenzwert -1, 1.
Satz: Sei (an ) n eine Folge a ∈ .
Die folgenden Aussagen sind äquivalent:
1) a ist Häufungswert der Folge (an )n .
2) Es existiert eine Teilfolge (bn ) n = ( a f ( n ) ) mit Grenzwert a.
n
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Grenzwert Notation
a ist Grenzwert von (an )n .
a = lim an
Falls (an ) n keinen Grenzwert besitzt, so hat der Ausdruck lim an keinen
n →∞
n →∞
Wert.
Rechenregeln für den Grenzwert
Addition und Multiplikation von Folgen erfolgt Gliedweise.
(an ) n + (bn ) n = (an + bn ) n
(an ) n ⋅ (bn ) n = (an ⋅ bn ) n
Wenn (an ) n und (bn ) n konvergieren (d.h. es existiert ein Grenzwert) so gilt
( ) ( )
lim ( a ⋅ b ) = ( lim a ) ⋅ ( lim b )
lim ( an + bn ) = lim an + lim bn
n →∞
n →∞
Beispiel:
lim
n →∞
Nebenrechnung:
n+2
n +1
n →∞
n
n
n →∞
n →∞
n
n →∞
n
1 
1

= lim 1 +
+ lim
= 1+ 0 = 1
 = lim1
n →∞
n
→∞
n
→∞
n +1
 n +1
n+2
n +1
=
n +1
1
1
+
= 1+
n +1 n +1
n +1
Konvergenzrate ist eine Funktion N :
Wenn n ≥ N (Σ) ⇒ an ∈ [a − Σ, a + Σ] .
+
→
so dass für alle Σ, n gilt:
Beispiel:
Wenn z.B. Σ = 10−6 , dann liegen alle Folgeglieder ab N(10-6) in einem 10-6-Intervall
um den Grenzwert.
D.h. um den Grenzwert bis auf Genauigkeit 10-6 zu bestimmen, reicht es das
N(10-6)-te Glied auszurechnen.
1
Folge  
N(10-6)=10-6
 n n
Grenzwert ist höchstens 10-6 von a1000000 entfernt.
Æ sehr schlechte Konvergenz.
  1 n 
(an ) n =  1 +   Grenzwert e = 2, 7182...
 n  

n
um 4 Stellen berechnen zu können sind 10000 Berechnungen nötig.
Æ schlechte Konvergenz.
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Gute Konvergenz: Geometrische Folge (|q|<1)
  1 n 
1
q = , a = 1;
   
2
  2  n
n
1
Konvergenzrate:
lim   = 0
n→∞ 2
 
Für Konvergenzrate N : + → muss gelten aN ( Σ ) ∈ [−Σ, Σ]
an ∈ [−Σ | Σ] für n ≥ N (Σ)
n
1
  > 0 ≥ −Σ
2
1
n
log
1
1
1
 
n
Σ = log 1
2
  = n ≤Σ⇔2 ≥ ⇔n≥
2
log 2
Σ
Σ
2
−6
Σ = 10
log106
6
N (Σ) =
=
= 18
log 2
0, 27
1
Wenn N (Σ) ~ log  
(Anm.: ~…proportional)
Σ
(d.h. um m Stellen zu berechnen ( Σ = 10−6 , N (Σ) ~ m ) braucht man ~m Folgeglieder), so heißt
die Konvergenz linear.
Behauptung: Die Folge a0 = 0, an +1 = cos an konvergiert linear.
Noch schnellere Konvergenz: Quadratische Konvergenz.
Um m Stellen zu berechnen braucht man ca. log m Folgeglieder.
2
an +
an
Beispiel:
Æ quadratisch konvergierende Folge.
an +1 =
2
Groß O- und klein o-Notation
(wichtig für Folgen ohne Grenzwert)
Def.: Es seien (an ) n und (bn ) n zwei Folgen reeller Zahlen. Man sagt:
•
•
a 
an ist ein O(bn ) wenn die Folge  n  beschränkt ist.
 bn  n
a 
an ist ein o(bn ) wenn die Folge  n  eine Nullfolge ist.
 bn  n
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Mathematik 1 (Analysis)
Beispiele:
•
an = (n + 1)(n + 2)
bn = n 2
an (n + 1)(n + 2) n 2 + 3n + 2
3 2
=
=
= 1+ + 2
2
2
bn
n
n
n n
an
= 1 , insbesondere ist
n →∞ b
n
lim
 an 
  beschränkt.
 bn  n
Daher ist an ein O(bn ) .
Æ (n+1)(n+2) wächst höchstens quadratisch.
•
1
2
an = n ⋅ n = n ⋅ n 2 = n 3
bn = n 2
2
2
1
−2
−
an n 3
1
3
= 2 =n =n 2 =
Æ Nullfolge
bn n
n
Daher ist an ein o(bn ) .
Proposition:
¾ Wenn an ein o(bn ) ist, dann ist es auch ein O(bn ) .
¾ Wenn an ein O(bn ) und bn ein O(cn ) ist, dann ist auch an ein O(cn ) .
Beweis:
cn cn bn
= ⋅
an bn an
Wenn
cn
< M1,
bn
bn
c
≤ M 2 , dann ist n ≤ M 1 ⋅ M 2
an
an
¾ Wenn an ein o(bn ) und bn ein o(cn ) ist, dann ist auch an ein o(cn ) .
¾ Wenn an und bn beide O(cn ) sind, dann auch an + bn bzw. an − bn .
¾ Wenn an und bn beide o(cn ) sind, dann auch an + bn bzw. an − bn .
¾ n a ist o(nb ) falls a < b.
¾ log n ist o(n) .
¾ n k ist o(2n ) für alle k ∈
Beispiel:
.
Laufzeit eines Algorithmus:
Wenn die Eingabe Länge n hat, terminiert der Algorithmus z.B. nach höchstens
5
n
sin + log(n) + n 3 + 2n + 7 Schritten.
2
Æ einfachere, aber fast genauso informative Aussage:
Die Anzahl der Schritte bis zur Termination ist ein O (2n ) . ( 2n wächst am
stärksten.)
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Reihen
Sei (an ) n eine Folge.
Wir definieren die folgenden Teilsummen:
s0 = a0
s1 = a0 + a1
s2 = a0 + a1 + a2
sn +1 = sn + an +1
n
sn = a0 + ... + an = ∑ ai
i =0
Jede Folge ist eine Reihe.
Beweis: Sei (bn )n eine beliebige Folge.
Definiere (an ) n durch a0 = b0 , an = bn − bn −1 .
sn = a0 + a1 + a2 + ... + an
Dann ist
= b0 + b1 − b0 + b2 − b1 + ... + bn − bn −1 = bn
fundamentales Beispiel:
(an ) n = (a ⋅ q n ) n , a, q ∈
n
n
sn = ∑ ( a ⋅ q ) = a ⋅ ∑ q i
i
i =0
i =0
sn = a + aq + aq 2 + aq 3 + ... + aq n 

q ⋅ sn = aq + aq 2 + aq 3 + ... + aq n −1
 rekursive Darstellung

a + q ⋅ sn = a + aq + aq 2 + ... + aq n −1 = sn +1
s0 = a, sn +1 = a + q ⋅ sn
Æ rekursive Definition der geometrischen Reihe.
Die Reihe besitzt einen Grenzwert, falls |q| < 1.
Das ist der Fixpunkt der Funktion x a + qx .
Berechnung des Grenzwerts:
x = a + qx
x − qx = a
x(1 − q) = a
a
x=
1− q
 n
 ∞
lim  ∑ an  = ∑ ai
n →∞
 i =0  i =0
Æ
∞
a
∑ (aq ) = 1 − q
i
i =0
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Mathematik 1 (Analysis)
Beispiel Achilles
Achilles läuft 10 mal so schnell wie die Schildkrod. Schildkrod hat einen Vorsprung
von 100m.
Distanz bei der Achilles Schildkrod einholt:
1
1
1
100 + 10 + 1 + +
+
+ ...
10 100 1000
Æ
i
∞
i
100 100
1
=
= 111,1m
100   =
∑
9
 10  1 − 1
i =0
10
Konvergenzkriterien für Reihen
•
•
notwendiges Kriterium: falls Reihe konvergiert ist dieses erfüllt.
hinreichendes Kriterium: falls Kriterium erfüllt, ist Reihe konvergent.
Satz: Es sei (an ) n eine Folge.
 n

Die Reihe ( sn ) n =  ∑ an  kann nur dann konvergent sein, wenn (an ) n eine Nullfolge
 i =0 n
ist. (notwendiges Kriterium).
Beispiel:
Geometrische Reihe: Quotient q = 1, a = 1.
∞
∞
∞
i =0
i =0
i =0
∑ aqi = ∑1i = ∑1 = 1 + 1 + 1 + ...
Æ Grenzwert existiert nicht, da (1)n keine Nullfolge ist.
q = -1, a = 1
∞
∞
i =0
i =0
∑ aqi = ∑ (−1)i = 1 − 1 + 1 − 1 + 1 − ...
Æ Grenzwert existiert nicht. (2 Häufungswerte, 0 und 1).
Beispiel einer Nullfolge, deren Reihe der Teilsummen keinen Grenzwert hat.
„Harmonische Reihe“
n
∞
1
1
1
1 1 1
an
sn = ∑
= 1 + + + + ...
∑
n
2 3 4
i =1 i
i =1 i
Beweis: Abschätzung durch eine andere Reihe:
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
1+ + + + + + + + +
+ + + + + + + ...
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
+ + + + + + + + + + + + + + + + ...
2 4 4 8 8 8 8 16 16 16 16 16 16 16 16 32
1
2
1
2
1
2
1
2
1 1 1 1
+ + + + ... = ∞
2 2 2 2
- 14 -
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SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Satz: Es sei (an ) n eine Folge. Wenn zwei reelle Zahlen a,q < 1 existieren, so dass an ≤ aq n
∞
∑a .
für alle n, dann konvergiert die Reihe
i =0
i
Beweis:
Idee: Die Reihe ist „kleiner“ als eine geometrische Reihe. Von der geometrischen
Reihe weiß man dass ein Grenzwert existiert.
Beispiel.:
1
an = n
2 ⋅n
Grenzwert
n
∞
1
1
1
existiert weil n ≤ 1 ⋅   . (hinreichendes Kriterium)
∑
i
2 ⋅n a  2 
i =1 2 ⋅ i
q <1
Zweites hinreichendes Kriterium:
Satz: Es sei (an ) n eine monoton fallende Nullfolge. Dann konvergiert die Reihe
∞
∑ (−1) a
i
i
i =1
= a0 − a1 + a2 − a3 + ... .
Beispiel:
1
n
∞
1
1 1 1 1
(−1) = −1 + − + − + ...
∑
2 3 4 5
i
i =1
Grenzwert existiert:
(an ) n =
Beweis:
Das Intervall zwischen sn und sn +1 enthält alle nachfolgenden Teilsummen. Die Länge
des Intervalls ist an +1 und das ist eine Nullfolge.
Folgen von Elementen im 2 . D.h. Paare (a1 , b1 ), ( a2 , b2 ), (a3 , b3 ),... oder Punkte in der Ebene.
Irgendwo in der Ebene gibt es eine Häufungsstelle Æ Grenzwert.
Def.: Folge
(( a , b ))
n
n
n
von Elementen in
2
heißt beschränkt wenn es eine Zahl M gibt so
dass für alle n gilt − M ≤ an ≤ M und − M ≤ bn ≤ M . (quadratisches Kastl).
- 15 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Def 1.: Ein Element (a,b) ist Grenzwert der Folge
(( a , b ))
n
n
n
wenn es für jedes Σ > 0 einen
Index N gibt so dass alle nachkommenden Folgeglieder (aN + n , bN + n ) in einer Σ Umgebung von (a,b) liegen. (In einem Kreis mit Mittelpunkt (a,b) und Radius Σ .
Def 2.: Eine Folge
(( a , b ))
n
n
n
ist konvergent wenn die Folgen (an )n und (bn ) n beide
(
)
konvergent sind. In diesem Fall gilt lim(an , bn ) = lim an , lim bn .
n →∞
- 16 -
n →∞
n →∞
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
4. Stetigkeit
Æ stetige Funktion
Æ unstetige Funktion
Weg-Zeit-Funktionen sind immer stetig.
Def.: Es sei f : → eine Funktion.
Dann heißt f stetig wenn für jede konvergente Folge (an )n gilt die Folge der
(
)
Funktionswerte ( f (an ) )n ist ebenfalls konvergent, und lim f (an ) = f lim an .
n →∞
n →∞
(Limesanwendung und Funktion werden vertauscht.)
Vorteil dieser Definition gegen über „zeichnen ohne abzusetzen“: Sie lässt sich
verallgemeinern auf Funktionen f : 2 → , bzw. 2 → 2 , bzw. m → n .
m
Def.: Eine Funktion f :
(a1,i ,..., am ,i )i im
m
→
n
heißt stetig wenn für jede konvergente Folge
die Folge der Funktionswerte ( f (a1, n ,..., am ,i ) )i konvergiert und
(
)
lim f (a1,i ,..., am,i )i = f lim(a1,i ,..., am ,i ) .
i →∞
Beispiel:
plus
mal
2
2
i →∞
→ , ( a, b )
→ , ( a, b)
a+b
ab
Beweis:
Grenzwertsätze für + und *.
lim(an + bb ) = lim an + lim bn
n →∞
n →∞
n →∞
Æ stetig
Æ stetig
analog für *.
- 17 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Satz: Die Komposition von zwei stetigen Funktionen ist stetig. D.h. wenn f :
und g : → stetig, dann ist auch f g : → stetig.
→
stetig
Folgerung:
Alle Polynomfunktionen (Kompositionen von + und *) sind stetig.
Polynomfunktion:
x a1 x r + a2 x r −1 + ... + ar
a1 ,..., ar
Koeffizienten∈ .
Beispiel:
x 2 − 1; x17 + 4 x 3 − 5; ...
Weitere wichtige stetige Funktionen:
exp a : → ; x a x
log a : + → ; x log a x (Die eindeutig bestimmte Zahl y sodass a y = x .)
sin : → ; x sin x
cos : → ; x cos x
 π π
tan :  − ,  → ; x
 2 2
tan x
Mittelwertsatz:
Es sei f :[a, b] → stetig. Es seien f (a ) ≠ 0 und f (b) ≠ 0 von unterschiedlichen
Vorzeichen. (D.h. f (a) < 0 , f (b) > 0 oder umgekehrt.) Dann existiert eine Nullstelle
c ∈ [a, b] und f (c) = 0 .
Da der Funktionsgraph ohne absetzen gezeichnet werden kann, muss die x-Achse
irgendwann gekreuzt werden. Kreuzungspunkt Æ Nullstelle.
Verfahren zum Auffinden der Nullstelle: (Bisektionsverfahren) (vgl. Binäres suchen)
• Untersuche das Vorzeichen des Funktionswerts beim Mittelpunkt des Intervalls
der Definitionsmenge.
• Falls 0: Nullstelle gefunden.
• Falls +/- schränke die Suche auf den linken/rechten Teil des Intervalls ein bei
dem der Vorzeichenwechsel passiert.
- 18 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Wie schnell konvergiert dieses Verfahren?
Nach n Schritten ist der Suchraum ein Intervall der Länge
D.h.
b−a
.
2n
b−a
b−a
=Σ
N n −n
2n
 2 
b−a
b−a

2n =
 N (Σ) = log 2

Σ
2 

b−a
Æ lineare Konvergenz.
n = log 2 

 Σ 
Um n Stellen zu kennen, sind O(n) (Operationen) Iterationen
auszuführen.
Maximumsatz:
Es sei f :[a, b] → eine stetige Funktion. Dann existiert ein c ∈ [a, b] sodass
f (c) ≥ f ( x) für alle x ∈ [a, b] .
Für unstetige Funktionen muss der Maximumsatz nicht funktionieren.
f :[0,1] → ;
1
 falls x ≠ 0
f ( x) =  x
0 falls x = 0
- 19 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Erweiterung des Definitionsbereichs von stetigen Funktionen
Es sei ]a, b[ ein Intervall, ]a, b[ = {x | a < x < b} .
Weiters sei f : ]a, b[ →
eine stetige Funktion.
Angenommen, für jede Folge (an ) n mit an ∈ ]a, b[ und
lim an = a
n →∞
konvergiert
Grenzwert ist Randpunkt
( f (an ) )n
und der Grenzwert ist immer die selbe Zahl c.
Folge der Funktionswerte
Dann lässt sich f auf den Randpunkt fortsetzen:
−
f
: [ a, b[ → ,
f fortges.
 f ( x) falls x ∈ ]a, b[
f ( x) = 
c falls x = a
−
Beispiel:
f : ]1, 2[ → ; x
Folge an = 1 +
x2 − 1
x −1
1
n
2
2
 1
 n +1
1 +  − 1

 −1
1 
 n

=
=
1
1
1+ −1
n
n
2
2
( n + 2n + 1 − n ) n = 2n + 1
=
n2
n
  n + 1 2 
 n 2 + 2n + 1 n 2 
− 1 n = 
− 2 n =
  n 

n2
n 



2n + 1
=2
n →∞
−−
n
Æ lim
 x2 − 1
falls x > 1

c = 2 f ( x) =  x − 1
2 falls x = 1

Bemerkung:
x 2 − 1 ( x − 1)( x + 1)
=
= x +1
x −1
x −1
−
Æ stetig.
Analog spricht man von stetigen Fortsetzungen von Funktionen auf den rechten Randpunkt
bzw. auf den fehlenden Punkt a im Definitionsbereich D = − {a} .
Beispiel:
f:
− {1} → ; x
x2 −1
ist für x ∈
x −1
− {1} definiert und lässt sich auf x = 1 stetig
fortsetzen.
- 20 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Def.: Wenn f : D2 →
−
stetig und f : D1 →
−
−
so dass D1 ⊂ D2 und f die Einschränkung
−
von f auf D1 ist, und f stetig, so heißt f eine stetige Fortsetzung von f auf D2 .
Satz: Falls D1 =
− {a}, D2 =
, dann gibt es höchstens eine stetige Fortsetzung.
Beispiel:
Stetige Funktion, die sich nicht fortsetzen lässt:
1
f : − {0} → ; x
x
Zusammenstückeln von stetigen Funktionen aus Funktionen die auf Intervallen definiert
sind
Es seien a = a1 < a2 < a3 < ... < an = b Zahlen, die das Intervall [ a, b ] in Teilintervalle
unterteilen. [ a, b ] = [ a1 , a2 ] ∪ [ a2 , a3 ] ∪ ... ∪ [ an −1 , an ] .
Weiters seien fi : [ ai , ai +1 ] →
stetig ( i = 1,..., n − 1 ).
Außerdem gelte fi (ai +1 ) = f i +1 (ai +1 ) (Æ Randpunkte stimmen überein)
Dann ist die Splinefunktion f durch Zusammenstückeln der fi definiert wie folgt:
f ( x) = f i ( x), falls x ∈ [ ai , ai +1 ] .
- 21 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Die Funktion ist stetig.
 x für x ∈ [ 0, ∞[
x =
− x für x ∈ ]−∞, 0]
- 22 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
5. Differenzialrechnung
Es sei f eine Zeit-Weg-Funktion.
A bewegt sich von Punkt p0 nach p1 . Zum Zeitpunkt f befindet sich A im Punkt f(t).
f (t0 ) = p0 , f (t1 ) = p1 .
Wie groß ist die Geschwindigkeit von A zum Zeitpunkt t?
Durchschnittliche Geschwindigkeit zwischen Zeitpunkt t3 und t4 ?
zurückgelegter Weg f (t4 ) − f (t3 )
=
verstrichene Zeit
t4 − t3
Was ist aber die augenblickliche Geschwindigkeit?
Idee: Berechne die augenblickliche Geschwindigkeit als Grenzwert:
 1
f  t +  − f (t )
n
lim 
n →∞
 1
t +  −t
 n
Geometrischer Zugang:
f : → sei eine Funktion.
x∈
T … Tangente an Graph im Punkt p.
p = ( x, f ( x ) )
- 23 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Grenzwert-Konstruktion:
Steigung von G =
f ( x ') − f ( x)
x '− x
Wenn x ' in einer Folge gegen x konvergiert, dann konvergiert die so konstruierte
Gerade G gegen die Tangente T.
→
Def.: Es sei f :
eine stetige Funktion. x ∈
.
f ( y ) − f ( x)
stetig fortsetzbar auf ganz
Wenn die Funktion Fx : − {x} → ; y
y−x
ist, insbesondere auf x = y, dann heißt f im Punkt differenzierbar und der Wert an
f ( y ) − f ( x)
der Stelle x, Fx ( y ) = lim
heißt Ableitung von f bei x.
y→x
y−x
Gebräuchliche Notationen:
df
.
dx
Wenn f bei jedem Punkt x differenzierbar ist dann bezeichnet man die Funktion
x
Ableitung von f bei x als f '.
•
Ableitung von f bei x:
•
Beispiel 1:
f :x
xn , n ∈
.
y −x
( y − x)( y n −1 + y n − 2 x + y n −3 x 2 + ... + yx n − 2 + x n −1 )
= lim
y→x y − x
y→x
y−x
n −1
n−2
n −1
= lim( y + yx + ... + x )
n
n
lim
=
y→x
Fx ( y ) := y n −1 + ... + x n −1
f '( x) = Fx ( x) = x n −1 + ... + x n −1 = nx n −1
Beispiel 2:
exp :
→ ; x
ex
Folge die gegen x konvergiert: ( yn ) n = x +
e y − ex
lim
y→x y − x
x+
1
n
− ex
= lim
y→x
1
x+ −x
n
e
1
.
n
1
exe n − e
= lim
n →∞
1
n
1
1
en −1
en −1
= lim e x
= e x lim
n →∞
n →∞
1
1
n
n
von x nicht abhängig
- 24 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Die numerische Berechnung zeigt:
1
en −1
lim
=1
n →∞
1
n
Æ exp' :
Beispiel 3:
ln :
+
→ ; x
ex .
ln x = log e ( x); x ∈ +
ln( y ) − ln( x)
Berechne den Grenzwert: lim
.
y→x
y−x
→ ; x
Folge, die gegen x konvergiert: yn = x +
1
. In diesem Fall ist eine Folge mit Produkt
n
1
x
besser: yn = x(1 + ) = x + .
n
n
  1 
 1
ln  x  1 +   − ln x
ln x + ln 1 +  − ln x
 n 
 n
lim 
= lim
n →∞
n →∞
x
x
x+ −x
n
n

 1
 1
ln  1 + 
 1 ln 1 + n  

  = 1 lim  n  = 1
= lim 
n →∞ x
1
1
x x →∞
x




n
n


1
.
Æ ln' : + → ; x
x
 1
ln  1 + 
n
= lim 
n →∞
x
n
=
Rechenregeln für Ableitung
Wenn f , g : → differenzierbar, dann ist auch h : → , h( x) = f ( x) + g ( x)
(Summenfunktion) differenzierbar, und es gilt h '( x) = f '( x) + g '( x) .
• f differenzierbar, λ ∈ . h( x) = λ f ( x) differenzierbar, h '( x) = λ f '( x) .
Æ Differenzieren ist „linear“.
•
Beispiel:
f ( x) = 7 x 3 + 14 x − 2 x + 5
( x n ) ' = nx n −1
( x 3 ) ' = 3 x 2 , ( x 2 ) ' = 2 x, ( x) ' = 1x 0 = 1, (5) ' = 0
f '( x) = 21x 2 + 28 x − 2 (Æ Summe der Teilfunktionen (7 x 3 ) ' = 21x 2 , (14 x 2 ) ' = 28 x, ... )
Produktregel:
h( x ) = f ( x ) ⋅ g ( x )
h '( x) = f '( x) ⋅ g ( x) + f ( x) ⋅ g '( x)
- 25 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Beweis:
f differenzierbar Æ f ( y ) − f ( x) = ( y − x) Fx ( y )
g differenzierbar Æ g ( y ) − g ( x) = ( y − x)Gx ( y )
f '( x) = Fx ( x)
g '( x) = Gx ( x)
h( y ) − H ( x ) =
=
=
f ( y ) g ( y ) − f ( x) g ( x) =
( f ( x) + ( y − x) Fx ( x) )( g ( x) + ( y − x)Gx ( y ) ) − f ( x) g ( x)
=
f ( x) g ( x) + ( y − x) Fx ( y ) g ( x) + ( y − x)Gx ( y ) f ( x) + ( y − x) 2 Fx ( y )Gx ( y ) − f ( x) g ( x) =
=
y − x ( Fx ( y ) g ( x) + Gx ( y ) f ( x) + ( y − x) Fx ( y )Gx ( y ) ) = ( y − x) H x ( y )
Hx ( y)
h '( x) = H x ( x) = Fx ( x) g ( x) + Gx ( x) f ( x) + ( x − x) Fx ( x)Gx ( x) =
=
f '( x) g ( x) + g '( x) f ( x)
Quotientenregel:
Es seien f , g :
→ differenzierbar, x ∈ , g ( x) ≠ 0 .
f '( x) g ( x) − f ( x) g '( x)
f ( x)
Dann ist h( x)
bei x differenzierbar, und h '( x) =
2
g ( x)
( g ( x) )
Kettenregel:
Es seien f , g : → differenzierbar.
Dann ist h = f g : → , h( x) = f ( g ( x) ) wieder differenzierbar und
h '( x) = f ' ( g ( x) ) g '( x) .
Beispiel:
f:
+
xα
→ ; x
Für reelle α ist
( )
α
α∈
1
nur für positive Zahlen definiert. ( ( −1) 2 = −1 ist nicht
definiert.)
ln xα = α ln x
/ exp auf beiden Seiten
α
xα = eln x = e(α ln x )
g ( x) = α ln x
daher xα = exp g ( x ) = exp ( g ( x) )
1
1
f '( x) = exp' ( g ( x) ) g '( x) = exp ( g ( x) ) α
= xα α
x
x
α
−1
α −1
α −1
= x αx
= αx x
=
αx
exp( x) = e x
=
gleiches Ergebnis
für allgemeine α .
- 26 -
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SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Beispiele aus den eingangs erwähnten Anschauungen für Ableitung
•
Tangente an Kreis
Halbkreis ist Graph der Funktion f : [ −1,1] → ; x
1 − x2 .
(Pythagoras x 2 + ( f ( x) ) = 1, daher f ( x) = 1 − x 2 .)
2
1
2
Kettenregel: f ( x) = g h = g ( h( x) ) mit g ( x) = x = x
h( x) = 1 − x 2
 12  1 − 12 1 1 1 1
g '( x) =  x  ' = x =
=
2 12 2 x
  2
x
h '( x) = −2 x
f '( x) =
1 1
−2 x
x
⋅ (−2 x) =
=−
2
2 h( x )
2 1− x
1 − x2
Steigung: −
x
1− x
Gerade T: y = −
Æ −
2
u
u
1− u2
x+d .
1− u2
(
)
d ist so zu wählen, dass u, 1 − u 2 auf T liegt:
1− u2 = −
u
u+d
1− u2
u
d = 1− u2 − −
u
1− u2
- 27 -
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SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
)
(
Gleichung der Kreistangente an u, 1 − u 2 :
y=−
•
u
1− u
2
x + 1− u2 −
−u
1− u2
u
Weg-Zeit-Funktion für ein Teilchen im freien Fall
Zum Zeitpunkt t = 0 wird Körper A losgelassen und bewegt sich im freien Fall
nach unten. f(t) ist die zurückgelegte Entfernung zur Zeit t.
Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t:
Geschwindigkeitsdifferenz v(t)
v(t ) − v(0)
= const.
t −0
Erdbeschleunigung a = 9,81m / s 2
v(t ) − 0
= a, v(t ) = at
t
Suchen:
Funktion f mit f '(t ) = at (“Stammfunktion“).
dt n
= n ⋅ f n −1
n=2
dt
dt 2
= 2t
dt
a
f (t ) = t 2 erfüllt das. Die Funktion beschreibt tatsächlich die Weg2
Zeit-Abhängigkeit im freien Fall.
Anwendungen der Differenzialrechnung
a) Iteration von Funktionen
xn +1 = f ( xn ), f : → stetig differenzierbar, Ableitung wieder stetig.
Grenzwert der Folge ( xn )n muss Fixwert von f sein, d.h. a ∈ kann nur dann Grenzwert
sein, wenn f (a) = a .
Beweis:
Angenommen lim xn = a dann ist wegen der Stetigkeit von f
x →∞
lim f ( xn ) = f (a )
n →∞
⇒ lim xn +1 = a
n →∞
- 28 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Wann ist umgekehrt ein Fixwert f ein Grenzwert?
Satz:
Wenn f '(a ) < 1 ist, dann gibt es eine Umgebung (a − h, a + h) von a, sodass
jede Folge x0 ∈ U , xn +1 = f ( xn ) gegen a konvergiert. Die Konvergenz ist
linear. Einen Fixpunkt a mit f '(a ) < 1 nennt man „attraktiv“.
Beispiel:
f : → ; x cos x
Die Folge konvergiert für einen beliebigen Startwert linear gegen a = 0, 73... Dieses a
ist attraktiver Fixpunkt und muss f '(a ) < 1 erfüllen.
f '( x) = − sin( x)
− sin(0, 73) = 0,8 < 1
⇒ attraktiver Fixpunkt.
Wenn f '( x) > 1 , dann konvergiert keine Folge (außer konstante Folgen) der Art
xn +1 = f ( xn ) gegen a. Auch wenn der Startwert noch so nahe bei a liegt, strebt die Folge
von a weg. (abstoßender Fixpunkt).
Idee:
In der Nähe des Fixpunktes verhält sich die Funktion wie die Tangente
xn +1 = f ( xn )
xn +1 = ( xn − a) ⋅ f '(a) + f (a)
=a
x
( x − a) f '(a ) + f (a) ist die Tangente von f durch (a,a)
Frage:
Wie groß kann die Umgebung sein in der die Folge zum Grenzwert konvergiert?
Satz:
Es sei f :[a, b] → [a, b] stetig differenzierbar. (a bzw. b können ∞ / − ∞ sein)
Æ Es sei f '( x) < q < 1 für alle x ∈ [a, b] .
Dann gibt es genau einen Fixpunkt a = f ( a) (attraktiv). Jede Folge
x0 ∈ [a, b], xn +1 = f ( xn ) konvergiert gegen a.
f '( x) < 1 für alle x reicht nicht aus! f '( x) < q < 1 notwendig!
- 29 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Beispiel:
1
x
1
f '( x) = 1 + (−1) x −2 = 1 − 2
x
1
0 ≤ 1 − 2 < 1 , daher ist f '( x) < 1 für alle x ∈ [1, ∞[ .
x
Aber f hat keinen Fixpunkt:
1
x = x+
x
1
0=
x
x⋅0 =1
0 = 1 ⇒ für kein x erfüllt.
[1, ∞[→ [1, ∞[; x
x+
Beispiel:
f : → , x e− x
f '( x) = e − x (−1) = −e− x
f '( x) < 1 gilt nur für x<0! Um den Satz anzuwenden muss zunächst f eingeschränkt
werden auf
+
→
+
Verallgemeinerung:
Betrachten f : 2 →
. In diesem Bereich gilt f '( x) < 1 .
2
, f stetig differenzierbar.
( f1 ( x1 , x2 ), f 2 ( x1 , x2 ) )
f : ( x1 , x2 )
Def.: f heißt stetig differenzierbar ( C1 ), wenn die Funktionen
f1x1 : x2
f1 ( x1 , x2 )
f 2 x1 : x2
f 2 ( x1 , x2 )
f1x2 : x1
f1 ( x1 , x2 )
f 2 x2 : x1
f 2 ( x1 , x2 )
alle stetig differenzierbar sind.
Beispiel:
1
 2
2
 x1 − x2 , 2 x1 x2 + 
2

2
2
x1 − x2
( x1 , x2 )
f1x1 : x2
Æ etwa f15 : x2
25 − x2 2 ist C1 .
(Genauso sind in diesem Fall f1x1 , ... , f 2 x2 alle C1 . Damit ist f :
Es sei f :
2
→
2
, ( x1 , x2 )
( f1 ( x1 , x2 ),
2
→
2
C1 .)
f 2 ( x1 , x2 ) ) stetig differenzierbar.
- 30 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Die Ableitung von f an der Stelle ( x1 , x2 ) ist definiert als eine Matrix von vier Zahlen:
 ∂f1
 ∂x ( x1 , x2 )
 1
 ∂f 2
 ∂x ( x1 , x2 )
 1
∂f1

( x1 , x2 ) 
∂x2

∂f 2

( x1 , x2 ) 
∂x2

Beispiel:
f:
2
→
2
1
 2
2
 x1 − x2 , 2 x1 x2 + 
2

, ( x1 , x2 )
Ableitung ( x1 , x2 ) :
 2 x1
2x
 2
−2 x2 
2 x1 
Wenn ( y1 , y2 ) in der Nähe von ( x1 , x2 ) ist, dann lässt sich die Funktion durch die
Ableitung approximativ beschreiben:
( y1 , y2 )
~
∂f1
∂f1


 f1 ( x1 , x2 ) + ∂x ( x1 , x2 )( y1 − x1 ) + ∂x ( x1 , x2 )( y2 − x2 ), 
1
2




∂f 2
∂f 2
 f 2 ( x1 , x2 ) + ∂x ( x1 , x2 )( y1 − x1 ) + ∂x ( x1 , x2 )( y2 − x2 ) 
1
2


( x1 , x2 ) = (1, 2) :
Ableitung:
 2 −4 
4 2 


( y1 , y2 )
f (1, 2) = (−3, 4,5)
( −3 + 2 ⋅ ( y1 − 1) + (−4) ⋅ ( y2 − 2),
4,5 + 4 ⋅ ( y1 − 1) + 2 ⋅ ( y2 − 2) )
Verhalten von Iterationen in der Nähe eines Fixpunktes (a1 , a2 ) :
f1 (a1 , a2 ) = a1 ,
f 2 (a1 , a2 ) = a2
( f (a1 , a2 ) = (a1 , a2 ) )


∂f1
∂f
∂f
∂f
( x1 − a1 ) + 1 ( x2 − a2 ), a2 + 2 ( x1 − a1 ) + 2 ( x2 − a2 ) 
 a1 +
∂x1
∂x2
∂x1
∂x2




∂f
∂f
∂f
∂f
 a1 + 1 y1 + 1 y2 , a2 + 2 y1 + 2 y2 

∂x1
∂x2
∂x1
∂x2 

( x1 − a1 + a1 , x2 − a2 + a2 )
(a1 + y1 , a2 + y2 )
~
Æ in "lineare Algebra" werden Funktionen dieser Bauart untersucht.
- 31 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Verschiedene Typen möglich:
1.) nodale Kontraktion
( x1 , x2 )
1
2

0

 x1 x2 
 , 
2 3

0

1
3 
2.) nodale Expansion
( x1 , x2 )
( 2 x1 ,3x2 )
 2 0
 0 3


3.) kontraktive Ähnlichkeit
1
2

0


0

1
2 
4.) expansive Ähnlichkeit
2 0
0 2


- 32 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
5.) spiralige Kontraktion
( x1 , x2 )
1
2

1
 2
 x1 − x2 x1 + x2 
,


2 
 2
1
− 
2

1 
2 
6.) spiralige Expansion
( x1 , x2 )
( x1 − x2 , x1 + x2 )
1 −1
1 1 


7.) hyperbolische Transformation
( x1 , x2 )
2

0

x2 

 2 x1 , 
2

0
1 
2 
- 33 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Angenommen f : → hat zwei Fixpunkte.
Der erste ist vom Typ "nodale Kontraktion", der zweite ist vom Typ "hyperbolische
Transformation".
Bei exakter Berechnung würde die Folge mit Startwert a0 nach a1 konvergieren. Bei
numerischer Berechnung treten jedoch kleine Fehler auf, die expansive Richtung setzt sich
durch und schießt die Folge weg, sie könnte dann z.B. stabil gegen a2 konvergieren.
- 34 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Einschub:
6. Komplexe Funktionen
Def.: Eine komplexe Zahl ist ein Paar (x, y) von reellen Zahlen.
(0,1) ist definiert als "imaginäre Einheit";
(x,0) heißt "reell" und wird identifiziert mit x ∈ .
Sei z = ( x, y ) eine komplexe Zahl.
Dann heißt x "Realteil" von z, Re( z ) = x
und y "Imaginärteil" von z, Im( z ) = y
x 2 + y 2 "Betrag" von z, z = x 2 + y 2 .
und
Schreibweise von komplexen Zahlen:
( x, y ) = ( x, 0) + (0, y ) = ( x, 0) + (0,1) ⋅ ( y, 0) = x + iy
Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division sind wie folgt definiert:
( x1 , y1 ) + ( x2 , y2 ) := ( x1 + x2 , y1 + y2 )
( x1 , y1 ) − ( x2 , y2 ) := ( x1 − x2 , y1 − y2 )
( x1 , y1 ) ⋅ ( x2 , y2 ) := ( x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 )
xx +yy
x y +x y 
:=  1 2 2 21 2 , − 1 2 2 22 1 
y1 y2
 y1 y2

( x1 , y1 )
( x2 , y2 )
Der Bereich der komplexen Zahlen wird mit
→ , ( x, y )
Eine Funktion f :
Funktion
2
→
2
bezeichnet. Die übrigen Rechenregeln gelten.
( u ( x, y ), v( x, y ) ) heißt stetig differenzierbar als
.
- 35 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Die Funktion heißt komplex differenzierbar (holomorph), wenn sie stetig differenzierbar ist,
und die Ableitung die Gleichungen
∂u ∂v
= ,
∂x ∂y
∂u
∂v
=−
∂y
∂x
erfüllen. ("Cauchy-Riemann´schen Differenzialgleichungen")
Wenn f :
→ , ( x, y )
( u ( x, y ), v( x, y ) ) komplex differenzierbar ist, dann heißt die
 ∂u ∂v   ∂u ∂v 
komplexe Zahl  ,  =  , −  Ableitung von f an der Stelle (x,y).
 ∂x ∂x   ∂y ∂y 
Beispiel
( x, y ) ( x 2 − y 2 , 2 xy )
reelle Ableitung:
Cauchy-Riemann erfüllt, f ist komplex
differenzierbar.
Die komplexe Ableitung ist (2x,2y).
Bemerkung:
( x 2 − y 2 , 2 xy ) = ( x, y )( x, y )
z
z ⋅ z = z2
Die Ableitung von z 2 ist 2 z .
Weitere komplex differenzierbare Funktionen
•
•
f :z
a0 + a1 z + a2 z 2 + ... + an z n wobei a0 ... an fixe komplexe Zahlen.
f ist komplex differenzierbar und f '( z ) = a1 + 2a2 z + ... + n ⋅ an ⋅ z n −1 .
Die Addition / Multiplikation / Komposition komplex differenzierbarer Funktionen ist
wieder komplex differenzierbar und es gelten die üblichen Regeln (Produkt-,
Quotienten- und Kettenregel).
- 36 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
→ , z
f:
x + iy
z2
( x + iy ) 2 = x 2 + 2 xiy + (iy ) 2
= x 2 + i ⋅ 2 xy + i 2 y 2
= x 2 + 2 xy − y 2 = ( x 2 − y 2 ) + i 2 xy
exp : → , x + iy e x cos y + i e x sin y
Ist exp komplex differenzierbar?
 ∂ e x cos y
∂ e x cos y 


x
x
∂x
∂y

  e cos y e ( − sin y ) 
=
 Æ Cauchy-Riemann erfüllt.

  e x sin y
x
x
x
e
y
cos
∂
∂
e
y
e
y
sin
sin






∂x
∂y


x
x
exp'( x + iy ) = e cos y + i e sin y = exp( x + iy )
(
)
(
)
(
)
(
)
(e
exp( z1 + z2 ) = exp( z1 ) ⋅ exp( z2 )
z1 + z2
= e z1 ⋅ e z2
)
Graphische Deutung der komplexen Zahlen
Jede komplexe Zahl z ≠ 0 lässt sich schreiben als eu +iv .
u = ln ( z )
v = x-Achse, Gerade Oz
z1 = eu1 +iv1
u1 = ln z1 , v1 =
z2 = eu2 +iv2
x-Achse, Oz1
u2 = ln z2 , v2 =
u3
x-Achse, Oz2
v3
z3 = z1 ⋅ z2 = eu1 +iv1 eu2 +iu2 = eu1 +u2 +i (u1 +u2 ) = eu3 + iv3
z3 = z1 , z2 = eu3 = eu1 + u2 = eu1 eu2 = z1 ⋅ z2
x-Achse, Oz3 =
x-Achse, Oz1 +
x-Achse, Oz2
- 37 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
f: → , z
z 2 + a : Abhängig vom Startwert konvergiert die Folge gegen attraktive
Fixpunkte oder geht gegen ∞ oder sie hüpft in einem endlichen Bereich chaotisch hin und
her.
Newton-Verfahren zur Bestimmung von Nullstellen einer Funktion
Sei f :[a, b] → stetig differenzierbar.
Gesucht ist ein x ∈ [a, b] , sodass f ( x) = 0 .
Idee: graphisch:
Ist x0 eine Nullstelle?
nein Æ Tangente durch x0 Æ schneiden mit x-Achse.
Steigung der Tangente:
− f ( x0 )
= f '( x0 )
x1 − x0
Berechnung von x1 aus dieser Gleichung:
− f ( x0 ) = ( x1 − x0 ) f '( x0 )
−
f ( x0 )
= x1 − x0
f '( x0 )
x1
= x0 −
f ( x0 )
f '( x0 )
Æ mit x1 das Verfahren wiederholen.
Æ rekursiv definierte Folge; x0 Startwert ist beliebig wählbar.
xn +1 := xn −
f ( xn )
f '( xn )
In vielen Fällen konvergiert diese Folge gegen eine Nullstelle. In der Regel ist die
Konvergenz quadratisch.
- 38 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Zweite Herleitung der rekursiven Formel:
Die Tangente an x0 hat die Gleichung y − f ( x0 ) = f '( x0 )( x − x0 ) .
Statt f ( x) = 0 löse g ( x) = 0 , wobei y = g ( x) .
Die Gleichung der Tangente ist g ( x) = f ( x0 ) + f '( x0 )( x − x0 ) = 0 .
Auflösen nach x:
f '( x0 )( x − x0 ) = − f ( x0 )
x = x0 −
f ( x0 )
f '( x0 )
Beispiel:
Berechnung von a .
Nullstelle der Funktion x
x0 beliebiger Startwert.
xn +1 = xn −
=
xn + a
2 xn
2
f ( xn )
f '( xn )
= xn −
xn +
=
x2 − a
xn 2 − a
2 xn
=
2 xn 2 − xn 2 + a
+
2 xn
2 xn
=
2 xn 2 − xn 2 + a
2 xn
a
xn
2
konvergiert quadratisch gegen
a wenn der Startwert x0 > 0 ist.
Beispiel:
Divergenz des Newton-Verfahrens
Satz:
Es sei f :[a, b] → zweimal stetig differenzierbar und es seien die folgenden
Bedingungen erfüllt:
f ( x) ⋅ f ''( x)
1)
< 1 für alle x ∈ [a, b] .
f '( x) 2
- 39 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
a ≤ x−
2)
f ( x)
≤ b für alle x. (d.h. Newton führt nicht aus [a, b] heraus)
f '( x)
Dann gibt es genau eine Nullstelle in [ a, b] , und das Newton-Verfahren
konvergiert gegen diese.
Beweis:
Ein früherer Satz besagt, dass eine rekursive Folge xn +1 = g ( xn ) immer gegen
den Fixpunkt in [a, b] konvergiert, wenn g '( x) < 1 in [a, b] ist.
Setze g ( x) = x −
f ( x)
f '( x)
Dann gilt
g '( x) = 1 −
− f ( x) ⋅ f ''( x) + f '( x) ⋅ f '( x)
( f '( x) )
2
f ( x) f ''( x) f '( x) 2
= 1+
−
f '( x) 2
f '( x) 2
f ( x) f ''( x)
= 1+
−1
f '( x) 2
f ( x) f ''( x)
=
f '( x) 2
Daher ist g '( x) < 1 äquivalent zu
f ( x) ⋅ f ''( x)
<1.
f '( x) 2
Dass heißt, wenn die Bedingungen erfüllt sind, konvergiert das Newton-Verfahren gegen den
einzigen Fixpunkt von g.
f ( x)
=x
x−
f '( x)
f ( x)
−
=0
(x ist Fixpunkt von g)
f '( x)
− f ( x) = 0
f ( x, y ) = 0 
 differenzierbare Funktionen
g ( x, y ) = 0 
F:
2
→
2
, ( x, y )
( f ( x, y), g ( x, y ) )
Gesucht ist die Nullstelle der Funktion F.
- 40 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Einfacher Fall: f,g sind lineare Funktionen.
f ( x, y ) = ax + by + e
g ( x, y ) = cx + dy + f
I: ax + by + e = 0
II: cx + dy + f = 0
III = d ⋅ I: adx + bdy + de = 0
IV = b ⋅ II: bcx + bdy + bf = 0
III − IV: (ad − bc) x + 0 + de − bf = 0
(ad − bc) x = −de + bf
x=
− de + bf
ad − bc
Voraussetzung: ad − bc ≠ 0 !
V = c ⋅ I: acx + bcy + ec = 0
VI = a ⋅ II: acx + adx + af = 0
VI − V: 0 + (ad − bc) y + af − ec = 0
(ad − bc) y = − af + ec
−af + ec
y=
ad − bc
Seien jetzt f,g beliebige differenzierbare Funktionen. ( x0 , y0 ) ist der Startwert für die
Newton-Iteration. In der Nähe von ( x0 , y0 ) lässt sich die Funktion F :
approximieren wie folgt:
2
→
2
linear
∂f
∂f
( x0 , y0 ) ⋅ ( x − x0 ) + ( x0 , y0 ) ⋅ ( y − y0 )
∂x
∂y
∂g
∂g
g ( x, y ) ~ g ( x0 , y0 ) +
( x0 , y0 ) ⋅ ( x − x0 ) +
( x0 , y0 ) ⋅ ( y − y0 )
∂x
∂y
f ( x, y ) ~ f ( x0 , y0 ) +
lineare Funktionen in x und y
x − x0 = x
y − y0 = y
lineares Gleichungssystem:
a
b
e
c
d
f
∂f
∂f
( x0 , y0 ) ⋅ x + ( x0 , y0 ) ⋅ y + f ( x0 , y0 ) = 0
∂x
∂y
∂g
∂g
( x0 , y0 ) ⋅ x +
( x0 , y0 ) ⋅ y + g ( x0 , y0 ) = 0
∂x
∂y
- 41 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Lösung des Systems gemäß obigen Lösungen:
∂g
∂f
− ( x0 , y0 ) ⋅ f ( x0 , y0 ) + ( x0 , y0 ) ⋅ g ( x0 , y0 )
∂y
∂y
F1 ( x0 , y0 ) : x =
∂f
∂g
∂f
∂g
( x0 , y0 ) ⋅ ( x0 , y0 ) − ( x0 , y0 ) ⋅ ( x0 , y0 )
∂x
∂y
∂y
∂x
∂f
∂g
( x0 , y0 ) ⋅ g ( x0 , y0 ) + ( x0 , y0 ) ⋅ f ( x0 , y0 )
∂x
F2 ( x0 , y0 ) : y = ∂x
∂f
∂g
∂f
∂g
( x0 , y0 ) ⋅ ( x0 , y0 ) − ( x0 , y0 ) ⋅ ( x0 , y0 )
∂x
∂y
∂y
∂x
Die Lösung des Gleichungssystems ist daher:
−
x1 = x0 + F1 ( x0 , y0 )
y1 = y0 + F2 ( x0 , y0 )
Dies wird als Iteration verwendet:
xn +1 = xn + F1 ( xn , yn )
yn +1 = yn + F2 ( xn , yn )
Beispiel:
f ( x, y ) = x 3 − 3 xy 2 − 1
g ( x, y ) = 3 x 2 y − y 3
 ∂f
 ∂x

 ∂g
 ∂x

∂f 
∂y  3 x 2 − 3 y 2
=
∂g   6 xy
∂y 
xn +1 = xn +
−6 xy 

3x 2 − 3 y 2 
− ( 3xn 2 − 3 yn 2 ) ⋅ ( xn 3 − 3 xn yn 2 − 1) + ( 6 xn yn ) ⋅ ( 3 xn 2 yn − yn 3 )
( 3x
2
n
yn +1 = yn +
− 3 yn 2 ) + 36 xn 2 yn 2
2
− ( 3xn 2 − 3 yn 2 ) ⋅ ( 3 xn 2 yn − yn 3 ) + ( 6 xn yn ) ⋅ ( xn 3 − 3 xn yn 2 − 1)
( 3x
n
2
− 3 yn 2 ) + 36 xn 2 yn 2
2
Für den Starwert ( x0 , y0 ) = (1,1) konvergiert diese Folge gegen (−0.5 , 0.873...) (?)
- 42 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Komplexes Newton-Verfahren
Gegeben: f : → , z
Gesucht: Nullstelle von f.
f ( z ) komplex differenzierbar.
Iterationsformel ist wie im reellen Fall: zn +1 = zn −
f ( zn )
.
f '( zn )
Wenn der Startwert z0 in der Nähe einer Nullstelle liegt, dann konvergiert die Folge gegen
diese Nullstelle. (mit quadratischer Konvergenzrate).
Beispiel:
Gesucht ist die Nullstelle von f ( z ) = z 3 − 1
z
= x + iy
z 3 − 1 = ( x + iy )3 − 1 =
======
Binomischer Lehrsatz:
(a + b)3 = a 3 + 3a 2b + 3ab 2 + b3
======
= x3 + 3x 2iy + 3 x(iy ) 2 + (iy )3 − 1
= x3 + i3 x 2 y + 3 xi 2 y 2 + i 3 y 3 − 1
= x3 + i3 x 2 y + 3 xy 2 + iy 3 − 1
= ( x 3 − 3 xy 2 − 1) + i (3x 2 y − y 3 )
Die komplexe Funktion f ( z ) = z 3 − 1 entspricht der Funktion
2
→ 2 , ( x, y ) ( x3 − 3xy 2 − 1, 3 x 2 y − y 3 ) .
f '( z ) = 3 z 2
zn 3 − 1
zn +1 = zn −
3 zn 2
- 43 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Nachtrag zu den Regeln des Differenzierens
Æ Kettenregel in zwei Variablen
Es sei f : 2 → differenzierbar
g1 , g 2 : → differenzierbar.
Dann ist die zusammengesetzte Funktion
h = f ( g1 , g 2 ) : → , x
f ( g1 ( x), g 2 ( x) ) wieder differenzierbar und es gilt die
∂f
∂f
( g1 ( x), g 2 ( x) ) ⋅ g1 '( x) + ( g1 ( x), g2 ( x) ) ⋅ g 2 '( x) .
∂x1
∂x2
x2 = g 2 ( x)
Formel h '( x) =
x1 = g1 ( x)
Æ Herleitung der Produktregel
( g1 ⋅ g 2 ) ' = g1 ⋅ g 2 '+ g 2 ⋅ g1 ' :
f:
2
→ , ( x1 , x2 )
x1 x2
h = f ( g1 ( x), g 2 ( x) ) = g1 ( x) ⋅ g 2 ( x)
h '( x) =
g 2 ( x)
⋅ g1 '( x) +
∂f
( g ,g )
∂x1 1 2
⋅ g 2 '( x)
g1 ( x)
∂f
( g ,g )
∂x2 1 2
Wir wissen bereits:
f :x
x a , f '( x) = a ⋅ x a −1 (Potenzfunktion)
g : x b x , g '( x) = ln b ⋅ b x (Exponentialfunktion)
Was ist die Ableitung von x x ?
g1 ( x) = x
g 2 ( x) = x
f ( x1 , x2 ) = x1x2
h( x) = g1 ( x) g2 ( x ) = x x
∂f
∂f
( g1 , g 2 ) ⋅ g1 ' +
( g1 , g 2 ) ⋅ g 2 ' = x ⋅ x x −1 + ln x ⋅ x x
h '( x) =
∂x1
∂
x
2
1
1
∂f
( x1 , x2 ) = x2 ⋅ x1x2 −1
∂x1
∂f
( x1 , x2 ) = ln x1 ⋅ x1x2
∂x2
- 44 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Implizit gegebene Funktionen
x
x
x2
y sodass f ( y, x) = 0
Æ explizite Angebe
Æ implizite Angabe
Die Nullstellenmenge von f ( x, y ) ist im Allgemeinen eine Kurve im
2
.
Beispiel: f ( x, y ) = x 2 + y 2 − 1
Die dick gezeichnete Kurve ist der Graph einer Funktion x
g ( x) sodass gilt: für jedes x ist
g(x) ein y, dass f ( x, y ) = 0 erfüllt. Mit anderen Worten: f ( x, g ( x) ) = 0 .
Jeder Definitionsbereich in der Nähe der zwei Punkte ist keine Funktion.
Allgemein gilt: (Satz über implizite Funktionen)
f ( x, y ) stetig differenzierbar.
Es sei f : 2 → , ( x, y )
Es sei ( x0 , y0 ) ein Punkt mit der Eigenschaft f ( x0 , y0 ) = 0 .
∂f
Zusätzlich gelte:
( x0 , y0 ) ≠ 0 (Tangentennullstellenmenge ist nicht senkrecht)
∂y
Dann existiert in der Nähe von ( x0 , y0 ) eine stetig differenzierbare Funktion deren
Graph in der Nullstellenmenge enthalten ist:
In geeigneter Umgebung [ x0 − Σ, x0 + Σ ] von x0 ist g : [ x0 − Σ, x0 + Σ ] stetig
differenzierbar und es gilt f ( x, g ( x) ) = 0 für alle x ∈ [ x0 − Σ, x0 + Σ ] .
Für die Ableitung gilt die Formel:
∂f
( x, g ( x ) )
g '( x) = − ∂x
∂f
( x, g ( x ) )
∂y
Beweis der Formel der Ableitung:
h( x) = f ( x, g ( x) ) = 0 wegen oben.
- 45 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Differenzieren auf beiden Seiten:
∂f
∂f
h '( x) = ( x, g ( x) ) ⋅ ( x) ' + ( x, g ( x) ) ⋅ g '( x) = 0
∂x
∂y
1
∂f
∂f
( x, g ( x) ) ⋅ g '( x) = − ( x, g ( x) )
∂y
∂x
∂f
− ( x, g ( x ) )
g '( x) = ∂x
∂f
( x, g ( x ) )
∂y
Beispiel:
f : ( x, y )
x 2 + y 2 − 1 definiert implizit die Funktion y = g ( x) = 1 − x 2 .
Definitionsintervall: [−1,1] .
g '( x) kann auch mit der Formel für implizites differenzieren ausgerechnet werden.
∂f
∂f
( x, y ) = 2 x
( x, y ) = 2 y
∂x
∂y
∂f
( x, g ( x ) )
x
2x
=−
=−
g '( x) = − ∂x
∂f
1 − x2
( x, g ( x ) ) 2 g ( x )
∂y
(Vgl. mit Beispiel aus den Ableitungsregeln „Tangente an Kreis“)
- 46 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
7. Optimierung
f: → , x
f ( x)
Gesucht: x0 , sodass f ( x0 ) maximal ist.
Def:
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Ein Wert b heißt Maximum von f, wenn es ein x0 gibt mit f ( x0 ) = b , und f ( x) ≤ b
für alle x.
Eine Stelle x0 heißt Maximumstelle, wenn f ( x0 ) = b und b ein Maximum ist.
Ein Wert b heißt lokales Maximum, wenn ein x0 mit f ( x0 ) = b und eine
Umgebung [ x0 − Σ, x0 + Σ] von x0 existiert, sodass f ( x) ≤ b für alle
x ∈ [ x0 − Σ, x0 + Σ] .
Eine Stelle x0 heißt lokale Maximumstelle, wenn f ( x0 ) = b und f ( x) ≤ b für eine
Umgebung [ x0 − Σ, x0 + Σ] gilt.
Analoge Definitionen für Minima.
Minimum existiert nicht.
Falls ein Maximum existiert, ist es eindeutig.
(Zitat: So wie beim Highlander: „Es kann nur einen geben“).
Es kann aber mehrere Maximalstellen geben.
Satz:
Falls f : → differenzierbar ist, und x0 eine (lokale) Maximal- oder Minimalstelle
ist, dann gilt f '( x0 ) = 0 .
Beweis:
Wäre f '( x0 ) > 0 , dann wäre f in einer Umgebung von x0 monoton wachsend und x0
könnte kein lokales Extremum sein. Wäre f '( x0 ) < 0 , dann wäre f in einer Umgebung
von x0 monoton fallend. Æ Für lokale Extrema bleibt daher nur f '( x0 ) = 0 .
- 47 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Beispiel:
Maximiere eine rechteckige Wiese bei gegebenem Umfang
2l + 2b = K
l ⋅ b → max
x=l
2 x + 2b = K
2b = K − 2 x
K − 2x
b=
2
K − 2 x Kx − 2 x 2 K
 K
f ( x) :  0,  → , x
x⋅
=
= x − x2
2
2
2
 2
K
f '( x) = − 2 x
2
K
K
− 2x = 0
→x=
Extremum bei
2
4
K
l=
Maximalstelle
4
K K K
b= − =
2 4 4
Maximum: l ⋅ b =
Falls f :[a, b] →
K2
.
16
stetig differenzierbar, und x0 ∈ ]a, b[ eine (lokale) Extremstelle ist, so gilt
f '( x0 ) = 0 .
Falls a ein lokales Maximum ist, gilt
f '(a) ≤ 0 .
Falls b ein lokales Minimum ist, gilt
f '(b) ≥ 0 .
Bedingung f '( x0 ) = 0 ist eine notwendige Bedingung für Extremstelle.
- 48 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Beispiel wo f '( x0 ) = 0 , aber bei x0 keine Extremstelle ist:
f '( x0 ) = 0 , aber kein lokales Extremum.
Optimierung in zwei Variablen
Es sei f : D → eine stetig differenzierbare Funktion.
Wenn ( x0 , y0 ) im Inneren von D ist und lokale Extremstelle ist, dann gilt
∂f
∂f
( x0 , y0 ) = ( x0 , y0 ) = 0 .
∂x
∂y
Berechnung des Extremums:
∂f
∂f
( x0 , y0 ) = 0
( x0 , y0 ) = 0
∂x
∂y
(2 Gleichungen in 2 Unbekannten).
Überprüfe ob es sich tatsächlich um ein Extremum handelt.
Löse das Gleichungssystem
Beispiel:
Maximiere das Volumen eines Quaders, Oberfläche ist konstant.
V = l ⋅ b ⋅ h → max
O = 2(lb + lb + bh)
x = l,
y=b
Optimierungsproblem mit Nebenbedingung!
O = 2 xy + 2( xh + yh)
O = 2 xy + 2( x + y )h
O − 2 xy = 2( x + y )h
h=
V = x⋅ y⋅
O − 2 xy
2( x + y )
O − 2 xy Oxy − 2 x 2 y 2
=
2( x + y )
2( x + y )
- 49 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
I:
II:
∂V 2( x + y )(Oy − 4 xy 2 ) − 2(Oxy − 2 x 2 y 2 )
=
2
∂x
( 2( x + y ) )
∂V 2( x + y )(Ox − 4 x 2 y ) − 2(Oxy − 2 x 2 y 2 )
=
2
∂y
( 2( x + y ) )
I=0; II=0
2( x + y )(Oy − 4 xy 2 ) − 2(Oxy − 2 x 2 y 2 ) = 0
2( x + y )(Ox − 4 x 2 y ) − 2(Oxy − 2 x 2 y 2 ) = 0
Æ Führt zu komplizierter Rechnung. Wir sind nicht motiviert das fertigzurechnen!
Optimierungsproblem mit Nebenbedingung
Gegeben: f , g : 2 →
Gesucht ist Maximum von f unter der Nebenbedingung g ( x, y ) = 0 .
Æ Die beiden ebenen Kurven g ( x, y ) = 0 und f ( x, y ) = c haben an der max-Stelle dieselbe
Tangente.
Die Ableitung der impliziten Funktion gegeben durch g ( x, y ) = 0 ist
∂g
( x0 , y0 )
− ∂x
.
∂g
( x0 , y0 )
∂y
- 50 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Analog ist die Ableitung der Funktion gegeben durch f ( x, y ) = c gleich
∂ ( f − c)
∂f
( x0 , y0 )
( x0 , y0 )
∂
∂
x
x
−
=−
∂ ( f − c)
∂f
( x0 , y0 )
( x0 , y0 )
∂y
∂y
Wenn die Tangenten übereinstimmen, stimmen die partiellen Ableitungen überein:
∂g
∂f
− ∂x = − ∂x an der Stelle ( x0 , y0 ) .
∂g
∂f
∂y
∂y
∂f ∂g
∂f ∂g
⋅
=
⋅
∂y ∂x
∂x ∂y
g ( x, y ) = 0
Notwendige Bedingung für lokales Extremum.
(Zwei Gleichungen in zwei Unbekannten)
Äquivalente Formulierung:
Lagrenge´sche Multiplikatorenmethode
Optimierung mit Nebenbedingung
Gesucht: Extremum von f ( x, y ) unter der Nebenbedingung g ( x, y ) = 0 .
Extremstelle ( x0 , y0 ) erfüllt die beiden Gleichungen
(1)
g ( x0 , y0 ) = 0
∂f ∂g ∂f ∂g
(2)
⋅ − ⋅
=0
∂y ∂x ∂x ∂y
Man tue so als ob man das Extremum der Funktion L( x, y, λ ) = f ( x, y ) + λ ⋅ g ( x, y ) zu finden
hätte.
Um das zu erreichen leiten wir nach x, y, λ ab.
(A)
(B)
(C)
∂L ∂f
∂g
=
+λ
∂x ∂x
∂x
∂L ∂f
∂g
=
+λ
∂y ∂y
∂y
∂L
= g ( x, y )
∂λ
Gleichungen Nullsetzen.
- 51 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Wenn ( x0 , y0 , λ0 ) diese drei Gleichungen erfüllen, so gilt g ( x0 , y0 ) = 0 (nach C).
∂g
∂g
∂f ∂g
∂g ∂g ∂g ∂f
∂g ∂g
⋅ (A) − ⋅ (B) :
⋅ +λ
⋅ − ⋅ −λ
=
∂y
∂x
∂x ∂y
∂x ∂y ∂x ∂y
∂x ∂y
∂f ∂g ∂g ∂f
= ⋅ − ⋅ =0
∂x ∂y ∂x ∂y
Beispiel:
Aus einer Kreisscheibe ist ein Kreissektor auszuschneiden, der zum Mantel eines
Kegels mit größtmöglichem Volumen zusammengerollt werden kann.
R (2π − α ) = 2rπ
Wenn r bekannt ist, dann lässt sich daraus α bestimmen.
r 2π h
→ max
3
Nebenbediungung: r 2 + h 2 = R 2
V=
Wir tun so, als ob L(r , h, λ ) =
(A)
(B)
(C)
(A)
R=const.
r 2 hπ
+ λ (r 2 + h 2 − R 2 ) zu maximieren wäre.
3
∂L
π
: 2rh + λ 2r = 0
3
∂r
2
∂L r π
:
+ λ 2h = 0
3
∂h
∂L
: r 2 + h2 − R2 = 0
∂λ
λ=−
2rh
π
3 = −h π
2r
3
- 52 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
einsetzen in (B)
r 2π
π
− h 2h = 0
3
3
2
r − 2h 2 = 0
|⋅
3
π
r2
h =
2
2
einsetzen in (C)
r2
− R2 = 0
2
r2
r2 +
= R2
2
 1
r 2 1 +  = R 2
 2
2
r 2 = R2
3
2 2
r =
R
3
r2 +
Satz:
Es seien f , g : 2 → stetig differenzierbare Funktionen. Wenn ( x0 , y0 ) ein lokales
Extremum von f unter der Nebenbedingung g ( x, y ) = 0 ist, dann gilt:
• Es existiert ein λ0 , sodass die drei partiellen Ableitungen von
L( x, y, λ ) = f ( x, y ) + λ ⋅ g ( x, y ) beim Punkt ( x0 , y0 , λ0 ) gleich 0 sind.
∂g
∂g
• oder
und
verschwinden beide bei ( x0 , y0 ) . (Æ degenerierter Fall)
∂y
∂x
Beispiel:
x1 + x2 + x3 = K
x1 x2 x3 → max
Wir tun so als ob L( x, y, λ ) = x1 x2 x3 + λ ( x1 + x2 + x3 − K ) zu maximieren wäre.
(A)
(B)
(C)
(D)
∂L
:
∂x1
∂L
:
∂x2
∂L
:
∂x3
∂L
:
∂λ
x2 x3 + λ = 0
x1 x3 + λ = 0
x1 x2 + λ = 0
x1 + x2 + x3 − K = 0
- 53 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
(A) - (B):
x1 x3 − x2 x3 = 0
( x1 − x2 ) x3 = 0
x3 ≠ 0 muss sein, da x3 = 0 zu x1 x2 x3 = 0 führt.
x1 − x2 = 0
Æ
x1 = x2
Analog:
x1 = x3
Æ x1 + x2 + x3 = 3 x1 = K ;
x2 = x3
x1 = x2 = x3 =
K
3
Mitunter ist es günstig umgekehrt ein Gleichungssystem auf ein Optimierungsproblem
zurückzuführen. Dies ist der Fall wenn die Gleichungen so komplex sind, dass die
Ableitungen schwer zu bilden sind.
f1 ( x1 , ... , xn ) = 0
f m ( x1 , ... , xn ) = 0
Gleichungssystem von m Gleichungen in n Unbekannten.
Jede Lösung ist eine Minimumstelle von F ( x1 , ... , xn ) = f12 + f 2 2 + ... + f m 2 .
Numerische Verfahren zur Optimierung.
- 54 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
8. Integralrechnung
f :[a, b] →
Gegeben:
F wird approximiert durch eine Summe von schmalen Rechtecken.
In einer Folge werden die Breiten schrittweise verringert → 0 .
Æ Das Integral ist der Grenzwert dieser Konstruktion.
Definitionen:
Eine Zerlegung eines Intervalls [a, b] ist gegeben durch
[a, b] = [ x1 = a, x2 ] ∪ [ x2 , x3 ] ∪ [ x3 , x4 ] ∪ ... ∪ [ xn −1 , xn = b]
wobei a = x1 < x2 < x3 < ... < xn = b ist.
Die Schrittweite ist maximal ( xi +1 − xi ) und wird in der Regel mit h bezeichnet.
Sei f :[a, b] → eine Funktion
Z, eine Zerlegung von [a, b] , ist gegeben durch x1 = a, x2 , ... , xn −1 , xn = b
Für jedes Intervall [ xi , xi +1 ] sei yi ∈ [ xi , xi +1 ] .
n −1
Dann heißt
∑ f ( y ) ⋅ (x
i =1
i
i +1
− xi ) eine zu Z gehörende Rechteckssumme von f.
Definition:
Eine folge von Rechteckssummen mit Schrittweite gegen 0 ist gegeben durch die
Folge von Zerlegungen Z1 , Z 2 ...
sowie für jede dieser Zerlegungen eine Folge von dazugehörigen Stützstellen:
Z i = a = x1,i < x2,i < ... < xni ,i = b
Stützstellen: y1,i ∈ [ x1,i , x2,i ],
y2,i ∈ [ x2,i , x3,i ]
- 55 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Die Folge der Rechteckssummen ist dann die Folge der reellen Zahlen
 ni −1

 ∑ f ( y j ) ⋅ ( x j +1,i − x j ,i ) 
 j =1
i
(= Flächeninhalt der Rechtecke, die zu Z i gehören)
Definition:
Wenn jede Folge von Rechteckssummen mit Schrittbewegungen gegen 0 konvergiert,
dann heißt f integrierbar, und der Grenzwert einer solchen Rechteckssumme (egal
welcher, es kommt immer das selbe heraus) heißt Integral von f von a bis b.
Geschrieben:
b
∫ f ( x) dx
a
Beispiel:
a = 0, b = 1; f :[a, b] → , x
Ist f integrierbar?
x
1
Wenn ja, was ist der Wert von
∫ x dx ?
0
1
(Das Ergebnis müsste sein. )
2
 1  1 2 
 i −1 
Z i = 0,  ∪  ,  ∪ ... ∪ 
,1 (Zerlegung in i gleich große Teilintervalle)
 i  i i 
 i

1
2
j −1
x1,i = 0, x2,i = , x3,i = , ..., x j ,i =
i
i
i
i
xni ,i = xi +1,i = = 1
i
( ni ist die Anzahl der Teilintervalle +1)
 j −1 j 
y j ,i ∈  x j ,i , x j +1,i  = 
,
 i i 
Wähle als Stützstellen den rechten Randpunkt y j ,i = x j +1,i =
j
.
i
 1 1 2   2 
Z 3 =  0,  ∪  ,  ∪  ,1
 3 3 3   3 
z.B.:
[0,1] =  a = x1,3 , x2,3  ∪  x2,3 , x3,3  ∪  x3,3 , x4,3 
- 56 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
RS3 = ( x2,3 − x1,3 ) ( y1,3 )+ ( x3,3 , x2,3 ) ( y2,3 )+ ( x4,3 , x3,3 ) ( y3,3 )
1
3
=
1
3
1
3
2
3
1
3
1
1 2 3 6 2
+ + = =
9 9 9 9 3
a1 = 1
ai
=
a2 =
ni −1
∑ ( x j +1,i − x j ,i ) ⋅ y j ,i
=
j =1
i
1
⋅∑ j =
i 2 j =1
=
i
3
4
a3 =
1 j
∑i⋅ i
j =1
1 i (i + 1)
⋅
j2
2
=
i (i + 1)
2i 2
Formel:
n
∑
j =1
j=
n(n + 1)
2
=
lim ai = lim
i →∞
i →∞
2
3
1 2
i −1 1
+ 2 + ... + 2 +
=
2
i i
i
i
=
i +1
2i
i +1 1
=
2i
2
Fundamentalsatz der Integralrechnung
Es sei f :[a, b] →
stetig. Dann ist f integrierbar.
Beweis:
Zu zeigen ist dass jede Folge von Rechtecksummen mit Schrittweite → 0 einen
Grenzwert besitzt.
Wir nehmen an, es ist eine Folge von Rechtecksummen gegeben:
(1)
Folge von Zerlegungen, Z i .
[a, b] =  a = x1,i , x2,i  ∪  x2,i , x3,i  ∪ ... ∪  xni −1,i , xni ,i = b 
Schrittweite hi := max( x j +1,i , x j ,i )
Die Folge ( hi )i konvergiert gegen 0.
(2)
Für jede Zerlegung Z i Stützstellen y j ,i ∈  x j ,i , x j +1,i  .
- 57 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Um die Konvergenz der Folge von Rechtecksummen zu zeigen reicht es zu zeigen:
Für jedes noch so kleine Σ > 0 gibt es einen Index N, sodass zwei Rechtecksummen
mit Index ≥ N sich um nicht mehr als Σ unterscheiden.
Wenn die Schrittweiten
der kleinen und der großen
Rechtecksummen klein
genug ist, dann ist auch die
(dunkelgraue)
Differenzfläche klein.
(kleiner als Σ ).
Annahme:
i1 , i2 > N
(N ist erst zu bestimmen)
Z i1 … große Rechtecksumme
Z i2 … kleine Rechtecksumme
Für jeden Punkt x im Intervall [a, b] lässt sich die Höhe der Differenzfläche über x
schreiben als f ( y j1 ,i1 ) − f ( y j2 ,i2 ) .
gr. Stützstelle
Daher ist
kl. Stützstelle
y j1 ,i1 − x ≤ hi1
y j2 ,i2 − x ≤ hi2
Daher ist
y j1 ,i1 − y j2 ≤ hi1 + hi2
- 58 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Da f stetig ist, gibt es eine Funktion δ : + →
x1 − x2 ≤ δ ( Σ ) ⇒ f ( x1 ) − f ( x2 ) ≤ Σ
+
(Stetigkeitsrate) sodass
Σ
.
b−a
Die Breite der Differenzrechtecke summieren zu b − a , wenn die Höhen beschränkt
Σ
sind durch b − a , dann ist die Differenzfläche ≤ (b − a) ⋅
= Σ.
b−a
 Σ 
Wir müssen daher dafür sorgen dass y j1 ,i1 − y j2 ,i2 ≤ δ 
 ist.
b−a
Nachdem y j1 ,i1 − y j2 ,i2 ≤ hi1 + hi2 ist, recht es dafür zu sorgen, dass
In unserem Fall wollen wir erreichen dass f ( x1 ) − f ( x2 ) ≤
hi1 ≤
 Σ 
 Σ 
δ


 b − a  und h ≤  b − a  .
i2
2
2
δ
Das ist möglich, da ( hi )i eine Nullfolge ist. (Für jeden Wert Σ ' (insbesondere für
Σ' =
 Σ 

 b − a  ) gibt es einen Index N, sodass h ≤ Σ ' für i ≥ N .)
i
2
δ
…
Auch unstetige Funktionen können integrierbar sein:
a<b<c
Der Wert von f ( x) bei x = b hat keinen Einfluss auf das Integral.
c
∫
a
b
c
a
b
f ( x) dx = ∫ f ( x) dx + ∫ f ( x) dx
Beide Teilintegrale existieren, daher existiert auch das Integral der Sprungfunktion.
- 59 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Beispiele von nichtintegrierbaren Funktionen
(1)
f :[−1,1] → ,
x
1
 falls x ≠ 0
x
0 falls x = 0
"unendlicher Sprung"
(2)
Eine Funktion mit sehr vielen endlichen Sprüngen:
f :[0,1] → , x
p

0 falls x rational (d.h. x = , p, q ∈ )
q

1 sonst

Springt unendlich oft zwischen 0 und 1 hin und her.
Eine Rechtecksumme mit rationalen Stützstellen hat den Wert 0. Eine Rechtecksumme mit
irrationalen Stützstellen hat den Wert 1. Daraus lässt sich eine Folge von Rechtecksummen
konstruieren, die zwischen 0 und 1 springt.
Def.:
Sei f eine stetige Funktion D →
( D = oder ein Intervall)
Dann heißt F : D → Stammfunktion von f, wenn F stetig differenzierbar ist und die
Ableitungsfunktion F '( x) = f ( x) für alle x ∈ D .
Beispiele:
f:
→ , x
Stammfunktion:
xn
n∈
x
x n +1
n +1
- 60 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
f ( x)
F ( x)
ex
cos( x)
sin( x)
ex
sin( x)
− cos( x)
Wenn f,g beide stetig, F Stammfunktion von f, G Stammfunktion von g, dann ist F+G
Stammfunktion von f+g.
Beispiel:
x3 x 4
2
3
f ( x) = x + x + 1 F ( x) = + + x
3 4
.
x3
2
g ( x) = 2 x − 3sin( x) G ( x) = 2 + 3cos( x)
3
Bemerkung:
Die Stammfunktion ist nicht eindeutig! (Konstanten können addiert werden)
Hauptsatz
Es sei f :[a, b] → stetig.
Dann besitzt f eine Stammfunktion F :[ a, b] →
.
b
Für das Integral gilt die Formel
∫ f ( x) dx = F (b) − F (a) .
a
Beispiel:
1
∫ x dx =
0
x2
2
−
x =1
x2
2
=
x =0
1
1
−0 =
2
2
Beweis:
x
H ( x) := ∫ f ( y ) dy
a
Bemerkung 1:
x
∫ f ( x) dx wäre falsch!
a
Bemerkung 2:
x
∫ f ( y) dy existiert wegen Fundamentalsatz.
a
- 61 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Behauptung: H ist Stammfunktion von f.
H ( x + h) − H ( x )
Beweis der Behauptung: H '( x) = lim
.
h →0
h
H ( x)
H ( x + h)
H ( x + h) − H ( x )
dunkelgraue Fläche
hell- und dunkelgraue Fläche
hellgraue Fläche
Es sei y1 Minimumstelle von f im Intervall [ x, x + h] ( f ( y1 ) Minimum).
Es sei y2 Maximumstelle von f im Intervall [ x, x + h] ( f ( y2 ) Maximum).
Die dunkelgraue Fläche liegt zwischen den
Werten der Rechteckflächen f ( y1 )h und
f ( y2 ) h .
f ( y1 )h ≤ H ( x + h) − H ( x) ≤ f ( y2 )h
H ( x + h) − H ( x )
≤ f ( y2 )
h
lim y1 = lim y2 da y1 , y2 ∈ [ x, x + h]
f ( y1 ) ≤
h →0
lim f ( y1 ) ≤ lim
h →0
f ( x)
( f stetig)
h →0
h →0
H ( x + h) − H ( x )
≤ lim f ( y2 )
h →0
h
f ( x)
( f stetig)
Daher ist lim
h →0
H ( x + h) − H ( x )
= f ( x) = H '( x) , d.h. H ist eine Stammfunktion von f.
h
Existenz einer Stammfunktion:
Es sei F :[a, b] → Stammfunktion. (z.B. F = H )
b
Wir haben noch zu zeigen, dass
∫ f ( x) dx = F (b) − F (a) .
a
F −H : x
F ( x) − H ( x) ist differenzierbar und
( F − H ) '( x) : F '( x) − H '( x) = f ( x) − f ( x) = 0
F − H ist daher konstant, F ( x) − H ( x) = C.
F ( x) = H ( x) + C
F (b) − F (a ) = H (b) + c − ( H (a ) + c ) = H (b) − H (a )
b
a
b
b
a
a
a
a
= ∫ f ( y ) dy − ∫ f ( y ) dy = ∫ f ( y ) dy = ∫ f ( x) dx
…
=0
- 62 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Mit Hilfe des Hauptsatzes lassen sich Flächen berechnen, die von Kurven begrenzt sind.
b
b
a
a
F = ∫ g ( x) dx − ∫ f ( x) dx
Anwendungen:
Beispiele:
(1) Volumen eines Rotationskörpers
f stetig, f ( x) > 0 für alle x ∈ [a, b]
Berechnung des Volumens des
Rotationskörpers, der vom
rotierenden Graphen und den
beiden Kreisscheiben bei a bzw. b
eingeschlossen wird.
Wir unterteilen [a, b] in Teilintervalle.
[a, b] = [a = x1 , x2 ] ∪ ... ∪ [ xn −1 , xn = b] .
Das Volumen der Kreisscheibe, die zum i-ten Intervall gehört:
V = r 2π h = f ( yi ) 2 π ( xi +1 − xi )
yi ist eine Stützstelle ∈ [ xi , xi +1 ]
(z.B.: yi := xi )
Summe der Kreisscheiben:
n −1
∑ f ( y ) π (x
2
i
i =1
i +1
− xi )
Definieren:
g :[a, b] → , g ( x) = f ( x) 2 π
Die Summe der Kreisscheiben ist eine Rechtecksumme für g. Wenn die
Schrittweite der Zerlegung gegen 0 geht, geht die Summe der Kreisscheiben
gegen das Volumen des Rotationskörpers, und die Rechtecksumme von g
gegen das Integral:
b
b
b
V = ∫ g ( x) dx = ∫ f ( x) π dx = π ∫ f ( x) 2 dx
2
a
a
a
- 63 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
(2) Kugel (ergibt sich durch die Rotation eines Halbkreises
f :[− R, R] → , x
V =π
R
∫
∫(
R
f ( x) 2 dx = π
−R
=π
R2 − x2
−R
)
R 2 − x 2 dx =
R
∫R
2
− x 2 dx =
−R



x3 
x3 
= π   R2 x − 
−  R2 x − 
=


3
3



x= R
x =− R 

  3 R3   3 R3  
4 3
= π   R −
 −  −R +
  = ... = π R
3  
3 
3

Trick, ein Volumen in Scheiben zu zerlegen, ist verallgemeinerbar
Geg.: Zylinderförmiges Glas, gefüllt mit Flüssigkeit.
Das Glas ist so geneigt, dass die Flüssigkeit auf einer Seite bis zum Rand geht, auf der
anderen Seite bis zum Boden.
Wie viel Flüssigkeit befindet sich in dem Glas?
V wird begrenzt durch eine halbe Kreisscheibe (Glasboden),
weiters eine halbe Ellipsenfläche (Oberfläche des Wassers)
und einer gekrümmten Fläche (Glas).
Lösung siehe Übung.
Berechnung der Bogenlänge einer Kurve in der Ebene.
Kurve ist gegeben:
a) als Graph einer Funktion f :[a, b] →
b) durch Parametrisierung: C :[t0 , t1 ] →
2
, t
( x(t ), y (t ) ')
Bemerkung:
(a) ist ein Spezialfall von (b):
x kann als Parameter gewählt werden. I. e. der Graph f :[a, b] → kann durch
c :[a, b] → 2 , t ( t , f (t ) ) (d.h. x(t ) = t , y (t ) = f (t ) ) parametrisiert werden.
- 64 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Kurve in Parametergestalt ist vorstellbar als Bahnkurve eines Punktes der sich zum Zeitpunkt
t am Ort ( x(t ), y (t ) ) in der Ebene befindet.
Schritt 1:
Schritt 2:
Bestimmen die Geschwindigkeit in jedem Zeitpunkt
Berechnen die Stammfunktion der Geschwindigkeit (Integral)
Die Ableitung des zurückgelegten Weges ist die geschwindigkeit, d.h. die
Stammfunktion gibt den zurückgelegten Weg an, und der zurückgelegte Weg
ist die Bogenlänge.
Beispiel:
Kreis:
[0, 2π ] → 2
t ( R cos t , R sin t )
Geschwindigkeit ist ein Vektor:
Die durchschnittliche Geschwindigkeit zwischen t0 und t1 ist
 x ( t 0 + h ) − x ( t 0 ) y ( t0 + h ) − y ( t 0 ) 
,


h
h


Die augenblickliche Geschwindigkeit ist der Grenzwert für h → 0 .
 x ( t 0 + h ) − x ( t0 ) y ( t 0 + h ) − y ( t 0 ) 
lim 
,
 = ( x '(t ), y '(t ) )
h →0
h
h


In unserem Fall ist das
( ( R cos t ) ', ( R sin t ) ') = ( − R sin t , R cos t )
Die Länge des Geschwindigkeitsvektors ist
x '(t ) 2 + y '(t ) 2 .
- 65 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
In unserem Fall:
R 2 sin 2 t + R 2 cos 2 t = R 2 ( sin 2 t + cos 2 t ) = R 2 = R Æ konstant.
Stammfunktion ist Rt. D.h. zum Zeitpunkt t0 ist der zurückgelegte Weg R ⋅ t0 .
Bogenlänge:
2π
∫ R dt = Rt
2π
− Rt
0
= 2π R − 2π 0 = 2π R (stimmt überein mit bekannter Formel)
0
Die allgemeine Formel für die Bogenlänge der Kurve
t1
C :[t0 , t1 ] →
2
( x(t ), y (t ) ) ist L = ∫ x '(t )2 + y '(t )2 dt
, t
t0
Beispiel:
Bogenlänge der Parabel y = x 2
Länge der fett gezeichneten Kurve: [0,1] → (t , t 2 )
1
1
1
L = ∫ (t ') + ( (t ) ' ) dt = ∫ 1 + ( 2t ) dt = ∫ 1 + 4t 2 dt
2
0
2
2
2
2
0
0
Die Stammfunktion ist (nach Maple):
1
1
+ 1 + 4t 2 + arcsinh(2t )
2
4
Bogenlänge:
1
1
1
1
1
 1

=
5 − ln
 ⋅1 ⋅ 5 + ⋅ arcsinh 2  −  ⋅ 0 + ⋅ arcsinh 0  (Maple)
4
4
2
4
2
 2

(Æ ca. 1,6…)
- 66 -
(
)
5 −2 −0
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Uneigentliches Integral
Beispiel:
1
∫
0
1
dx
x
Das Integral existiert nicht im Sinne der Riemann-Definition.
In jedem Intervall [Σ,1] ist die Funktion integrierbar (Fundamentalsatz)
1
∫
Σ
1
1
1
1
−
1
dx = ∫ x 2 dx = 2 x 2 − 2 x 2
x
Σ
1
1
lim ∫
Σ→ 0
Σ
(
= 2−2 Σ
Σ
)
1
dx = lim 2 − 2 Σ = 2
Σ→ 0
x
Allgemein:
b
Wenn für jedes Σ das Integral
b
∫
f ( x) dx existiert, und lim
a +Σ
Σ→0
∫
f ( x) dx
a +Σ
existiert, dann heißt dieser Grenzwert „uneigentliches Integral“ und wird mit
b
∫ f ( x) dx bezeichnet.
0
Integration im Komplexen
1. Art:
Funktionen von nach .
f: → , t
z (t ) = x(t ) + iy (t )
(Kurve in der komplexen Ebene)
b
b
b
b
a
a
a
a
∫ f (t ) dt = ∫ ( x(t ) + iy(t ) ) dt = ∫ x(t ) dt + i ∫ y(t ) dt
reelle Integrale
Æ kann also auf reelle integrale zurückgeführt werden.
- 67 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
2. Art:
Integrationsvariable ist ebenfalls komplex
z2
→
f:
. Wir wollen so was wie
∫ f ( z ) dz
berechnen.
z1
→ , z
Es sei f :
1+ i
∫
z
n −1
z dz = lim ∑ ( z j +1 − z j ) f ( z j ) , wobei z1 = 0, zn = 1 + i, ( z1...zn ) ist die Unterteilung
n →∞
0
j =0
der Strecke ]0,1 + i[ mit Schrittweite h.
j j
j
+ i = (1 + i )
n n
n
zj =
1+ i
∫
( j = (0,..., n)
n →∞
0
n −1
  j +1 j 
2 j
= ∑
−  ⋅ (1 + i ) ⋅  =
n
n
j =0   n
(1 + i )
n
2
(1 + i )
lim
2
n →∞
2
2
∑  
j =0
n −1
=
j (1 + i ) 
  j +1
j
(1 + i ) − (1 + i ) 
 =
n
n
 n 
j =0 
n −1
z dz = lim ∑ ( z j +1 − z j ) f ( z j ) =
n(n − 1)
⋅
2
(1 + i )
=
2
2
⋅
n −1
2 j
1
∑
 ⋅ (1 + i ) ⋅  =
n
j =0  n
(1 + i )
n2
2
n −1
∑j
=
j =0
n −1
n
n − 1 (1 + i ) 1 + 2i + i 2 1 + 2i − 1 2i
⋅
=
=
=
= =i
n
2
2
2
2
2
1+ i
In der obigen Rechnung war der Integrationsweg
∫
gewählt als die Strecke zwischen
0
Anfangs- und Endpunkt.
Hängt der Wert des Integrals vom Integrationsweg ab?
C :[0,1] → , t t + it 2 = z (t )
z (0) = 0, z (1) = 1 + i
Eine Möglichkeit das Integral zu berechnen ist Grenzwertbildung.
1
n
0
j =1
(
)
∫ z dz = ∑ z ( t j +1 ) − z ( t j ) z ( t j )
[0,1] = [0 = t1 , t2 ] ∪ ... ∪ [tn−1 , tn = 1]
- 68 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Wenn die Schrittweite gegen 0 geht, kann z ( t j +1 ) − z ( t j ) abgesetzt werden durch
dt
dt
t = ti
⋅ ( t j +1 − t j )
2
dz d ( t + it )
=
= 1 + i 2t , z ( t j +1 ) − z ( t j ) ~ (1 + 2i t j )( t j +1 − t j )
dt
dt
1
n
0
j =1
(
)
n
2
∫ z dz = ∑ z ( t j +1 ) − z ( t j ) z ( t j ) ~ ∑ ( t j +1 − t j )(1 + i 2t j ) ( t j + t j )
j =1
(1 + 2it ) ( t + it 2 ) .
Das ist eine Rechtecksumme der Funktion [ 0,1] → , t
1+ i
1
∫ z dz = ∫ (1 + 2it ) ( t + it ) dt
2
0
(ist Integral einer Funktion von
1
=
2
2
2 3
∫ ( t + 2it + it + 2i t ) dt =
0
1
=
→
)
0
1
∫ ( ( t − 2t ) + i ( 3t ) ) dt
3
2
=
0
1
∫ ( t − 2t ) dt + 3i ∫ t
3
0
2
dt =
0
  t3 
 t 2 2t 4 
 t 2 2t 4 
 t3  
=  −
−
−
+
3
i
−




   =
  3 
4  t =1  2
4  t =0
2
 3  t =0 
1
t
=

1
1 1
1

=  −  − 0 + 3i  − 0  = 3i ⋅
= i
3
2 2
3

Æ Das Integral hängt nicht vom Integrationsweg ab!
Hauptsatz der komplexen Analysis
Es sei f :
→
komplex differenzierbar.
z2
Dann ist das Integral
∫ f ( z ) dz
unabhängig vom Integrationsweg. Es existiert eine
z1
Stammfunktion F :
→
sodass F '( z ) = f ( z ) und
z2
∫ f ( z ) dz = F ( z ) − F ( z ) .
2
1
z1
Bemerkung:
Der komplexe Hauptsatz kann dazu verwendet werden rein reelle Integrale zu
bestimmen.
- 69 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
f :[a, b] →
Erweitern f auf Funktion
→
.
Wählen einen geschickten Integrationsweg über das Komplexe.
Der Hauptsatz gilt auch, wenn f nur in einem Bereich D →
Integrationsweg in D verläuft und keine Löcher hat.
definiert ist, solange der
Wenn der Integrationsweg auf der anderen Seite eines Loches verläuft, ist der Wert des
Integrals im Allgemeinen verschieden.
- 70 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
9. Potenzreihen und Potenzreihenentwicklung
Def.:
Eine Potenzreihe ist eine Funktion f : D →
(ai )i von reellen Zahlen.
∞
x
∑a x
i =0
i
i
( D ⊆ ) gegeben durch eine Folge
falls die Summe existiert. Andernfalls ist f ( x) nicht definiert.
Beispiel:
ai = 1 für alle i.
∞
x
∑x
i
(geometrische Reihe)
i =0
x ∈ D wenn x < 1, D = ]−1,1[
∞
Falls x < 1 , gilt f ( x) = ∑ xi =
i =0
Beispiel:
ai = C i
x
C∈
∞
∞
i =0
i =0
1
1− x
(beliebige Konstante)
∑ C i xi = ∑ ( Cx ) Æ wieder geometrische Reihe
i
Grenzwert existiert genau dann wenn Cx < 1 d.h.
x∈
falls c = 0
 1 1
x ∈  − ,  falls c ≠ 0
 c c
Falls x ∈ D , gilt x
Satz:
1
1 − Cx
Es ei f : D → eine Potenzreihe gegeben durch die Folge (ai )i .
Dann ist der Konvergenzbereich D ein Intervall mit den Randpunkten –R und +R
(R kann positiv, 0 oder ∞ sein), und R ist der kleinste Häufungswert der Folge
 1 

 .
 an 

n
Der Satz sagt nichts aus über die Konvergenz an den Randpunkten.
D = ]− R, R[ oder [ − R, R ] oder [ − R, R[ oder ]− R, R ] . Alle Fälle kommen vor.
wenn die Potenzreihe an einem Randpunkt konvergiert, ist die Konvergenz langsam.
- 71 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Beweis des Satzes:
Wiederholung aus dem Kapitel Folgen und Reihen:
Wenn ai ≤ c ⋅ q i für fast alle i, c,q fix, q < 1 , dann ist
∞
∑a
i =0
i
konvergent.
 1 
Es sei R0 der kleinste Häufungswert der Folge  n
 .
 an 

n
x < R0 . Zu zeigen:
∞
∑a x
i =0
i
i
existiert.
Nach dem Satz über Folgen reicht es, c und q zu finden, sodass ai x i ≤ c ⋅ q i für fast alle i.
i
i
ai x i ≤ i c ⋅ i q i
ai ⋅ x ≤ i c ⋅ q
Folge
 1

i
 − Σ⋅ x ≤ c ⋅q
R
 0

i
ai ⋅
1
i
ai
ist die konstante Folge 1.
Größter Häufungswert von
 1

Da x < R0 , ist x  + Σ  < 1
 R0

(falls Σ genügend klein)
i
Kleinster Häufungswert von
ai ist
1
i
1
.
R0
ist R0 .
ai
 1

Setze q := x  + Σ  , c = 1
 R0

 1

 + Σ  x ≤ q stimmt nach der Wahl von q.
 R0

Die Konvergenz ist daher bewiesen.
Sei jetzt x > R0
Dann ist die Folge ai xi keine Nullfolge mehr.
i
ai x hat einen Häufungswert > 1 .
∞
Nach einem weiteren Satz aus dem Kapitel Folgen und Reihen divergiert
∑b
i =0
i
wenn bi keine
Nullfolge bilden, also ist für x > R0 die Potenzreihe nicht definiert.
Beispiel:
∞
∑ ix
i =0
i
( ai = i )
Hat den Konvergenzradius lim
1
= 1 , d.h. D = ]−1,1[ .
i
1
Bestimme f   !
2
i →∞ i
Es sei f : ]−1,1[ , x
∞
∑ ix
i =0
i
- 72 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Satz:
Innerhalb des Konvergenzradius können Potenzreihenfunktionen beliebig oft
differenziert werden.
∞
g ( x) = ∑ xi
g ( x) =
i =0
∞
g '( x) = ∑ ixi −1
1
= (1 − x) −1
1− x
g '( x) = −1⋅ (1 − x) −2 ⋅ (−1)
i =0
= (1 − x) −2 =
∞
x
,
f ( x) = x ⋅ g '( x) = ∑ ix i =
(1 − x) 2
i =0
f :D→ , x
∞
∑a x
i =0
1
(1 − x) 2
1
1
1
2
f  =
= 2 =2
2
1
2
   1
1 − 
4
 2
i
i
Definitionsbereich D ist ein Intervall, das symmetrisch zum Nullpunkt liegt
(Grenzwert − R, R )
Im Inneren von D ist f stetig differenzierbar und die Ableitung ist gegeben durch
f '( x) =
∞
∑
i =1
setze j =i−1
i= j +1
∞
iqi xi −1 = ∑ ( j + 1)a j +1 x j
j =0
Die Ableitung ist wieder eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R.
Das kann man wiederholen:
(Siehe Satz oben): Jede Potenzreihenfunktion ist innerhalb des Konvergenzbereichs beliebig
oft stetig differenzierbar.
(d.h. f ist C ∞ , (vgl. stetig differenzierbar = C1 , 2x stetig differenzierbar = C 2 , …))
Angenommen f : D →
(irgendwie gegeben, z.B. durch Term f ( x) )
f ist eine Potenzreihenfunktion.
∞
f = ∑ ai x i für die Folge (ai )i .
i =0
a0 = f (0) ⇒
f ( x) = a0 + a1 x + a2 x 2 + ...
a1 = f '(0) ⇒
f '( x) = a1 + 2a2 x + 3a3 x 2 + 4a4 x 4 + ...
f ''(0)
2
f '''(0)
f '''( x) = 6a3 + 24a4 x + ...
a3 =
6
f ''''(0)
f ''''( x) = 24a4 + ...
a4 =
24
n-mal abgeleitet
(n)
f
(0) f (0)
Vermutung: an =
=
n!
n!
f ''( x) = 2a2 + 6a3 x + 12a4 x 2 + ...
a2 =
- 73 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Beweis:
∞
Es sei g ( x) = ∑ an x n , wobei an :=
n=0
f ( n ) (0)
n!
∞
∞
 f ( n ) (0) n −1 
nx  =
Dann ist g '( x) = ∑ ( an nx n −1 ) = ∑ 
n!
n=0
n=0 

∞
g ''( x) = ∑
m=0
f ( m + 2) (0) m
x
m!
∞
g ( k ) ( x) = ∑
m=0
g ( k ) (0) =
∞
∑
n =1
m=n−1
f ( n ) (0) n −1 ∞ f ( m +1) (0) m
x =∑
x
n!
m!
m=0
(Rechnung siehe oben)
f ( m + k ) (0) m
x
m!
f (0+ k ) (0) 0 f ( k ) (0)
x =
1 = f ( k ) (0)
0!
0!
f,g haben dieselben Ableitungen bei 0. Da beide Funktionen Potenzreihen sind gilt
f =g.
Falls f ( x) durch eine Potenzreihe darstellbar ist gilt
f '(0)
f ''(0) 2
f ( n ) (0) n
x+
x + ... +
x + ...
1!
2!
n!
„Taylorentwicklung von f um x = 0 .“
f ( x) = f (0) +
Taylorentwicklung um x = x0
f : D → , x0 ∈ D innerer Punkt
g ( x) = f ( x + x0 ) sei in eine Potenzreihe entwickelbar.
g ( x) = g (0) +
y = x + x0
g '(0)
g ''(0) 2
x+
x + ...
1!
2!
x = y − x0
f ( y ) = f ( x + x0 ) = g ( x) = g (0) +
g '(0)
g ''(0) 2
x+
x + ...
1!
2!
g '(0)
g ''(0)
2
( y − x0 ) +
( y − x0 ) + ...
1!
2!
„Taylorentwicklung von f um x = x0 “
= g (0) +
Def:
Es sei f : D → eine Funktion.
f heißt analytisch, wenn für jedes x0 die Taylorentwicklung von f um x0 existiert und
mit f auf einem (unter Umständen kleineren) Definitionsbereich übereinstimmt.
- 74 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Beispiele:
•
Polynomfunktionen
•
f ( x) = e x analytisch?
e0
e1
f ( x) = e0 + x + x 2 + ...
1!
2!
2
x x
x3
= 1 + + + + ...
1 2! 3!
um x0 :
f ( x)
•
e x0
e x0
2
x
x
−
+
( 0)
( x − x0 ) + ...
1!
2!
 x − x ( x − x0 )2

x0
0
= e 1 +
+
+ ... 


1!
2!


x0 ( x − x0 )
x0 + x − x0
x
=e e
=e
=e
= e x0 +
f ( x) = sin x ist analytisch
Taylorentwicklung um 0:
f '( x) = cos x
f ''( x) = − sin x
f '''( x) = − cos x
f ''''( x) = sin x = f ( x)
⇒ f ( n + 4) ( x) = f ( n ) ( x)
Wert bei 0:
f (0) = sin(0) = 0
f '(0) = cos(0) = 1
f ''(0) = − sin(0) = 0
f '''(0) = − cos(0) = −1
x x3 x5 x 7
sin x = − + − + −...
1! 3! 5! 7!
x2 x4 x6
cos x = 1 − + + + ...
2! 4! 6!
•
f ( x) = arctan x
( arctan x ) ' =
f '( x) =
1
1 + x2
Setze y := − x 2
1
= 1 + y + y 2 + y 3 + ...
1− y
1
= 1 − x 2 + x 4 − x 6 + x8 − +...
2
1+ x
- 75 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
f ( x) ist die Stammfunktion
x3 x5 x 7
f ( x) = C + x − + − + −...
3 5 7
Um C zu bestimmen, setze x = 0 ein
arctan(0) = 0 → C = 0
Komplexe Potenzreihen
Eine komplexe Potenzreihe ist eine Funktion f : D → , D ⊆
∞
∑ a z , (a )
gegeben durch z
i =0
i
i
i i
, Konvergenzbereich
ist eine Folge von komplexen Zahlen.
Satz:
D ist ein Kreis mit Mittelpunkt 0 der komplexen Zahlenebene, der Konvergenzradius
 1 
 .
ist der kleinste Häufungswert der Folge 
 n an 

n
Beweis:
 1 
 .
R := kleinster Häufungswert von 
 n an 

n
n
Sei z ∈ , bn := an z
Nebenrechnung:
bn =


n

n
n
 z
~ n = 
n
R
R
1 

an 
z
z
n
bn ist daher ein O(q n ) , wobei q =
n
n
z
z
bn = an z =
=
n
1
 1 
n

an
 an 


n
z
.
R
Falls q > 1 , ist bn keine Nullfolge, Reihe divergiert
Falls q < 1 , ist q n eine Nullfolge, die Reihe konvergiert so schnell wie die
geometrische Reihe
∞
∑q
i
(d.h. lineare Konvergenz).
i =0
D = { z / z < R} Falls die Potenzreihe am Kreisrand konvergiert, ist die Konvergenz
dort sehr schlecht.
- 76 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Wie im reellen ist eine Potenzreihenfunktion im Komplexen im Inneren des
Konvergenzbereichs beliebig oft differenzierbar.
Satz:
Es sei f am Punkt z = 0 komplex differenzierbar. Dann ist f beliebig oft komplex
differenzierbar und analytisch, d.h. f lässt sich in eine Potenzreihe entwickeln:
∞
f ( i ) (0) i
f ( z) = ∑
z (Taylorentwicklung)
i!
i =0
Die Konvergenz dieser Potenzreihe ist gleich der Entfernung des Nullpunktes zur
nächsten Singularität.
Bsp.: Falls f auf
− {Z1 , Z 2 , Z 3 , Z 4 , Z 5 } definiert ist, existiert die Taylorentwicklung
um 0 und R = min Z i .
Man beachte: Im Reellen kann folgendes schief gehen:
•
•
•
f könnte einmal, aber nicht öfter differenzierbar sein.
∞
f ( i ) (0) i
x
∑
i!
i =0
divergiert für alle x ≠ 0 oder die Reihe konvergiert zwar, aber nicht gegen die
Funktion f ( x) .
f kann auf ganz
analytisch sein, aber der Konvergenzradius kann kleiner als
∞ sein.
f könnte zwar C ∞ sein, aber nicht analytisch, d.h. die Reihe
Beispiel 1:
1
Æ ist analytisch für x ≠ −1
1+ x
Berechnen den Konvergenzradius der Taylorentwicklung um x = x0 .
f ( x) =
- 77 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)


f  ( x − x0 ) + x0  =


 =y

f ( x) =
=
1
1
⋅
1 + x0 1 + x0 + y
1 + x0 1 + x0
f ( x0 + y ) =
1
1 + x0 + y
1
1
1
1
⋅
=
⋅
1 + x0 1 + y
1 + x0 1 + z
1 + x0
=
=
1
1 + x0
1 + x0 + y
1 + x0
=
=
=z
=
1
1 − z + z 2 − z 3 + −...
1 + x0
(
)
=
2
3

 y   y 
1 
y
1 −
=
+
−
+ −...  =



1 + x0  1 + x0  1 + x0   1 + x0 


2
3

1  x − x0  x − x0   x − x0 
1 −
 =
=
+
−
+
−
...
 


1 + x0  1 + x0  1 + x0   1 + x0 


=
∞
∑a (x − x )
i =0
i
i
0
( −1)
1 
1 
ai =
−
 =
1 + x0  1 + x0  (1 + x0 )i +1
i
i
R ist der kleinste Häufungswert von
lim i 1 + x0
i →∞
i +1
i
i
1 + x0
i +1
1
= lim i 1 + x0 ⋅ lim i 1 + x0 = 1 + x0 ⋅1
i →∞
i →∞
R = 1 + x0
Das ist genau die Entfernung zur Singularität –1.
Konvergenzbereich der Taylorentwicklung um x0 = −2 ist (−3, −1) .
- 78 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
komplexe Konvergenzbereiche
f ( x) =
1
ist in ganz
1 + x2
analytisch, keine Singularitäten.
Taylorentwicklung um x0 = 0 :
1
= 1 − x 2 + x 4 − x 6 + x8 − +...
⇒ R =1
2
1+ x
Taylorentwicklung um x0 = −1 :
1
1 1
1
1
1
1
2
4
5
6
= − ( x − 1) + ( x − 1) − ( x − 1) + ( x − 1) − ( x − 1) + −...
2
1+ x
2 2
4
8
8
16
⇒R= 2
⇒R= 2
Taylorentwicklung um x0 = 1
Die Funktion auf der
- Zahlengerade:
- 79 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Dieselbe Funktion in
:
Konvergenzradius
Abstand zu z = i bzw. −i
z0 = 0
R = i − 0 = 1 (∗)
z0 = 1
R = i −1 = 2
z 0 = −1
R = i +1 = 2
(∗)
z = x + iy
z = x 2 + y 2 = 02 + 12 = 1
f ( z) =
1
1+ z2
Singularität wenn
1+ z2 = 0 ⇔
z 2 = −1
z = i, −i
Folgerung:
Der Konvergenzradius von reellen Potenzreihen kann manchmal auf schnelle Art
berechnet werden, wenn man zum Komplexen übergeht.
- 80 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
10. Differenzialgleichungen
Gesucht: Funktion x : → , t
höhere Ableitungen) vorkommen.
Wir haben bereits gelöst:
Bsp1:
x '(t ) = f (t )
f:
x(t ) die eine Gleichung erfüllt in der x(t ), x '(t ) (und evtl
→
gegebene stetige Funktion "Stammfunktion"
t
x(t ) = ∫ f ( s ) ds + C ist die Lösung dieser Differenzialgleichung.
0
Bsp2:
x '(t ) = x(t )
x(t ) = et ist eine Lösung.
Gibt es aber noch andere Lösungen?
Methode des Potenzreihenansatzes
x(t ) =
x0 + x1t + x2t 2 + x3t 3 + ...
x '(t ) = x1 + 2 x2t + 3 x3t 2 + 4 x4t 3 + ...
x0 = x1 , x1 = 2 x2 , x2 = 3 x3 , x3 = 4 x4
xn −1 = nxn
oder xn +1 =
xn
rekursive Definition einer Folge.
n +1
Die Folge ( xi )i ist eindeutig bestimmt durch die Rekursion und durch x0 .
Allgemeine Lösung:
xn
n +1
x
x C
C
x2
C
C
C
C
x1 = , x2 = 1 = , x3 =
=
= , x4 = 3 =
=
1
2 2
3 2 ⋅ 3 3!
4 3!4 4!
x0 = C , xn +1 =
C
C
C
⇒ xn = , xn +1 = n ! =
n!
n + 1 ( n + 1) !
x(t ) = C +


C
C
t t2
t + t 2 + ... = C  1 + + + ...  = C ⋅ et
1! 2!
 1! 2!

- 81 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Bsp3:
x '(t ) = f ( x(t ) ) , f stetig
"Zeitunabhängige Differenzialgleichung"
abgekürzte Schreibweise: x ' = f ( x)
Wir nehmen an, x ist bijektiv, d.h. x besitzt eine Umkehrfunktion
y: → , s
y ( s)
x ( y ( s ) ) = s für alle s ∈
und
y ( x(t ) ) = t für alle t ∈
Wende darauf die Kettenregel an:
y ' ( x(t ) ) ⋅ x '(t ) = 1
x '(t ) =
1
y ' ( x(t ) )
Abgekürzte Schreibweise:
1
x' =
Æ Wieder eine zeitunabhängige Differenzialgleichnug.
y '( x)
1
= f ( s)
y '( s)
Angenommen f ( s ) ≠ 0 für alle s
Suche y, sodass
y '( s ) =
1
,
f (s)
s
y ( s) = ∫
0
1
dp + C
f ( p)
s
x(t ) ist die Umkehrfunktion von y ( s ) = ∫
0
Beispiel:
x' = x
( f ( x) = x )
s
y ( s) =
1
dp + C
f ( p)
(Ergebnis: x(t ) = C ⋅ et )
1
dp + C = ln s − ln1 + C = ln s + C
p
=0
∫
01
verschoben auf 1
(bei 0 nicht definiert)
x ist die Umkehrfunktion von s ln s + C
Wir lösen die Gleichung t = ln x + C nach x auf:
t − C = ln x
/ e( )
et −C = eln x = x
x = et −C = et ⋅ e − C
C'
- 82 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Lösen der allgemeinen zeitunabhängigen Differenzialgleichung erster Ordnung
x ' = f ( x)
(Gesucht: x(t ) )
s
Lösung ist die Umkehrfunktion von y ( s ) = ∫
0
1
dr + C
f (r )
Was ist wenn f (r ) = 0 für r = r0 ?
Falls x(t ) = r0 , gilt x '(t ) = 0 .
Die konstante Funktion x(t ) = r0 ist eine Lösung.
Beispiel:
x ' = x2
s
Die Lösung ist die Umkehrfunktion von y ( s ) = ∫
1
=
1
dr + C =
r2
r −1
 r −1 
−
 +C
−1 r = s  −1  r =1
1
1
= − +1+ C = − + C '
s
s
1
t = − + C /− C
x
1
t −C = −
/⋅ (−1)
x
1
C −t =
x
1
1
= x,
x(t ) =
C −t
C −t
Lösungen von x ' = x 2 .
- 83 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Differenzialgleichung die durch Trennung der Variablen gelöst werden kann
x '(t ) = f ( x(t ) ) ⋅ g (t )
Abgekürzt: x ' = f ( x) ⋅ g (t )
dx
= f ( x) ⋅ g (t )
dt
1 dx
⋅ = g (t )
f ( x) dt
1
dx = g (t ) ⋅ dt
f ( x)
x
∫
0

/ : f ( x) 

/⋅ dt  formale Umformungen mathematisch


 nicht korrekt, aber nützlich zur Her leitung des Lösungsverfahrens
/∫



(∗)

t
1
dx + C = ∫ g (t ) dt + C
f ( x)
0
1
, und G (t ) Stammfunktion von g (t ) . Dann ist
f ( x)
F −1 ( G (t ) ) Lösung der Differenzialgleichung.
Sei F ( x) Stammfunktion von
t
(aus (*) folgt F ( x) = G (t ) , d.h. x = F −1 ( G (t ) ) )
Beispiel:
x' =
x
t
1
( f ( x) = x, g (t ) = )
t
dx x
1
=
/⋅ dt
dt t
x
1
1
dx = dt
x
t
ln x + C = ln t + C '
ln x = ln t + C1 / exp
x = eln t +C1 = eln t ⋅ eC1 = t ⋅ C2
C2
Lösung ist eine Gerade durch (0, 0) .
Für jeden Punkt ( t0 , x0 ) in der ( xt ) -Ebene gibt f ( x) ⋅ g (t ) die Steigung der Tangente einer
Lösung durch ( t0 , x0 ) an.
Diese Tangentensteigungen lassen sich in einem "Richtungsfeld" der Differenzialgleichung
graphisch darstellen.
- 84 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Richtungsfeld der Gleichung x ' =
x
.
t
Jede Lösungskurve hat in jedem Punkt die Steigung des Richtungsfeldes.
Beispiel:
−t
−t
x
(Steigung
steht im rechten Winkel zu )
x
x
t
Richtungsfeld liegt nahe: Lösungskurven bilden Kreise mit (0, 0) als Mittelpunkt.
x' =
- 85 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
x ' = x 2 modelliert Bevölkerungswachstum
x(t ) …Population zum Zeitpunkt t
x '(t ) … Populationswachstum
Wie groß ist x(t ) zum Zeitpunkt t = 1 wenn x(0) = 2 ist.
Problem x ' = x 2 , x(0) = 2 , gesucht: x ( insbesondere x(1) ) heißt Anfangswertproblem
Man könnte erwarten, dass der Anfangswert eine eindeutige Lösung festlegt.
x ' = x2
Die allgemeine Lösung ist die Umkehrfunktion von
s
1
1
1
−1
y ( s ) = ∫ 2 dr + C =
+
+C =
+C'
r
r
r
s
−
r
s
r
=
=
1
1
1
t = − +C
x
1
t −C = −
x
1
C −t =
x
1
x=
allgemeine Lösung.
C −t
Um C zu bestimmen, setze man t = 0 ein:
1
=2
C −0
1
=2
C
1
C=
2
Æ Lösung des Anfangswertproblems ist
1
= x(t )
1
−t
2
- 86 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
1
1
= −2 (??)
1
1
−1 −
2
2
Graph der Lösungskurve:
t = 1: x(1) =
=
Satz von Picard/Lindelöf
Es sei f : 2 → , ( x, t )
f ( x, t ) stetig in t und Lipschitz – stetig in x.
(f ist Lipschitz – stetig, wenn es eine Konstante L gibt, sodass
f ( x1 , t ) − f ( x2 , t ) ≤ L x1 − x2 )
Dann besitzt das Anfangswertproblem x '(t ) = f ( x(t ), t ) , x(0) = x0 eine eindeutige
stetig differenzierbare Lösung x(t ) (definiert in
).
f ( x, t ) = x 2 ist nicht Lipschitz – stetig in x.
Erklärung:
∂f
L ist das Maximum von
.
∂x
∂f
= 2 x wird aber beliebig groß.
∂x
Beispiel:
1
x ' = x2
Allgemeine Lösung:
(t − c )
x=
2
4
∂f 1 − 12
= x
⇒ geht gegen ∞ falls x → 0 .
∂x 2
Picard/Lindelöf ist nicht anwendbar.
- 87 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
x(0) = 0
(0 − c)
4
x(1)
2
=0 → c=0
t2
Lösung des Anfangswertproblems: x(t ) = .
4
1
x(1) =
⇒ Entstehung aus dem Nichts!
4
Zweite Lösung:
x(t ) = 0
x(1) = 0 !
weitere Lösung:
1

0 für t ≤ 2

x(t ) =   1 2
 t − 2 
 für t ≥ 1

2
 4
Def:
Eine lineare Differenzialgleichung ist eine Gleichung der Form
x '+ p (t ) x = 0
(1. Ordnung)
x ''+ p(t ) x '+ q (t ) x = 0
(2. Ordnung)
(etc.)
Wenn x(t ) = f (t ) eine Lösung ist, dann ist auch λ f (t ) eine Lösung.
Wenn f (t ), g (t ) Lösungen sind, dann ist f (t ) + g (t ) wieder eine Lösung.
Wenn x ''+ p(t ) x '+ q (t ) x = 0 eine Differenzialgleichung 2. Ordnung ist, dann gibt es
zwei Basislösungen f (t ) und g (t ) sodass die allgemeine Lösung
x(t ) = C1 f (t ) + C2 g (t ) ist, C1 , C2 können dann so bestimmt werden, dass
Anfangsbedingungen erfüllt sind, etwa x(0) = a, x '(0) = b .
Beispiel 1:
x ''− x = 0
x t = et
xt = et ist eine spezielle Lösung.
x '(t ) = e − t ⋅ (−1) = −e − t
x ''(t ) = −(−e − t ) = e − t
et , e − t können als Basislösungen verwendet werden.
Allgemeine Lösung: x(t ) = C0 et + C1e − t
Beispiel 2:
x ''+ x = 0
sin t , cos t sind spezielle Lösungen und können als
Basislösungen verwendet werden.
Allgemeine Lösung: x(t ) = C1 cos t + C2 sin t
- 88 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Allgemeine lineare Differenzialgleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten:
x ''+ ax '+ bx = 0
a, b ∈
Wie findet man spezielle Lösungen?
Probiere x(t ) = e rt
(r ist eine Konstante, die noch zu bestimmen ist.)
x '(t ) = e rt r
x ''(t ) = re rt r = e rt r 2
(
0 = x ''+ ax '+ bx = e rt r 2 + ae rt r + be rt = e rt r 2 + ar + b
)
r ist die Lösung der Gleichung r 2 + ar + b = 0 .
a
a2
r1,2 = − ±
−b
2
4
Drei Fälle:
a2
−b > 0
e r1t , e r2t sind Basislösungen.
•
4
Allgemeine Lösung: C1e r1t + C2 e r2t
•
a2
−b < 0
4
r1 , r2 sind komplexe Lösungen
a
a2
a
a2
a
a2
r1 = − +
− b = − + −1 ⋅ b −
= − +i b−
= u + iv
2
4
2
4
2
4
a
a2
r2 = − − i b −
= u + iv
2
4
u
r1t
e ,e
r2t
v
komplex – wertige Basislösungen
Durch geeignete Linearkombination können diese durch reelle Basislösungen ersetze
werden.
e r1t = e( u +iv )t = eut +ivt = eut cos(vt ) + ieut
e r2t = e(u −iv )t = eut −ivt = eut cos(vt ) − ieut
1 r1t
eut cos(vt ) eut cos(vt )
e + e r2t =
+
= eut cos(vt )
2
2
2
(
)
- 89 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
ie r1t = ieut cos(vt ) − eut sin(vt )
−ie r2t = −ieut cos(vt ) − eut sin(vt )
/⋅  12 
ie r1t − ie r2t = −2eut sin(vt )
=
−i r1t i r2t
e + e = eut sin(vt )
2
2
Allgemeine Lösung: C1eut cos(vt ) + C2 eut sin(vt )
"gedämpfte Schwingung"
•
a2
−b = 0
4
a2
b=
4
a2
x ''+ ax '+ x = 0
4
x ''+ 2dx '+ d 2 x = 0
d=
a
2
Falls r 2 + 2dr + d 2 = 0 , dann ist ert eine Lösung r 2 + 2dr + d 2 = ( r + d )
2
x(t ) = te − dt Erste reelle Lösung r = −d → x(t ) = e − dt
↑ ist auch eine Lösung (Beweis siehe Übung!)
Allgemeine Lösung: x(t ) = C1e − dt + C2te− dt
Falls x(t ) eine Weg-Zeit-Funktion ist, ist x ''+ ax '+ bx "oft" die Beschreibung einer
Bewegungsgleichung.
x '' …Beschleunigung
ax ' …Geschwindigkeit
bx … Ort
Gleichung beschreibt eine Kraft, die auf einen Körper in Bewegung wirkt.
x ''+ ax '+ bx = f (t )
⇒
typisches Problem der Kontrolltheorie
- 90 -
by veliant
SS2003
Mathematik 1 (Analysis)
Zur Lösung: Laplace – Transformation
Sie ordnet jeder Funktion f : [ 0, ∞[ → , t → f (t ) eine Funktion
L( f ) = g : D → , s
g ( s)
( D = [ 0, ∞[) zu und erfüllt die Eigenschaften
L ( λ f ) = λ L( f )

 Linearität
L ( f + g ) = L( f ) + L( g ) 
L( f ') = id ⋅ L( f ) − f (0)
L ( f ' )( s ) = s ⋅ L( f )( s ) − f (0)
L ( f '') = id 2 ⋅ L( f ) − id f (0) − f '(0)
Anwendung bei Differenzialgleichung:
x ''+ x = sin t
L( x ) = y , s
y(s)
L( x ') = sy ( s ) − x(0) = sy ( s )
L( x '') = s 2 y ( s ) − sx(0) − x '(0) = s 2 y ( s )
Lösen des Anfangswertproblems:
x(0) = x '(0) = 0
L ( x ''+ x ) = y ( s ) + s 2 y ( s )
(
)
y ( s ) + s 2 y ( s ) = s 2 + 1 y ( s ) = L ( sin t ) =
y ( s) =
1
s +1
2
1
s +1
2
x(t ) ist jetzt die Rücktransformierte von
1
(
t
1
: cos t − sin t .
2
s2 + 1 2
)
2
- 91 -
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