Allgemeine Molekulare Genetik 1

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Allgemeine Molekulare
Genetik 1
(LvNr. 300132)
SS10
Skriptum
GNU General Public License
1 - Modellorganismen in der Genetik
Genetische Studien werden in der Regel an Modellorganismen durchgeführt. Ein perfektes Modell
gibt es auch hier nicht, alle haben Vor- und Nachteile.
Vorteile
Nachteile
Fadenwurm
( Caenorhabditis elegans )
•
•
•
•
•
•
Kurze Generationszeit
Kleines Genom
Einfach zu halten (Agar)
100te Nachkommen
Gute Genetik
Tranformierbar
• Wenig Phänotypen, biochem.
Tests erforderlich
• Genetisches Material schwer
zu präparieren, da wenig
Gewebe
Acker-Schmalwand,
Schotenkresse
( Arabidopsis thaliana )
•
•
•
•
Kleines Genom
Kurze Generationszeit
100te Nachkommen
Transformierbar
• Dicotyle Pflanze, ökonom.
Interesse allerdings bei
Monocotylen
• Generationszeit
• Keine gezielten Knockouts
Zebrafisch
( Danio rerio )
• Kleines Genom
• Kurze Generationszeit
• 100te Nachkommen
Fruchtfliege
( Drosophila melanogaster )
•
•
•
•
•
•
Chromosomenkarte
Polytän-Chromosomen
100te Nachkommen
Leichte Haltung
Transformierbar
Klare Phänotypen
• Schlechte Biochemie
• Wenig homogenes Material
Bäckerhefe
( Saccharomyces cerevisiae )
•
•
•
•
•
Kleines Genom
Leichte Haltung
Gute Biochemie
Transformierbar
Homologe Rekombination
möglich
• Keine Entwicklungsvarianten
(Analyse von Morphogenen
nicht möglich)
• Unizellulär
Maus
( Mus musculus )
• Stellvertretend für Säuger
• Transgenität
•
•
•
•
•
Schwer zu halten
(Pflegeaufwand)
Infektionsanfällig
Keine gezielten
Knockouts
• Lange Generationszeit
• Teuer
• Haltungsaufwand
2 – Genetische Nomenklatur
Gene und deren Mutanten werden häufig irreführend und kontraintuitiv benannt. Wildtypen
(wildtypes) beschreiben funktionierende Organismen, Enzyme, etc., welche jedoch den Mutanten
entsprechend bezeichnet werden. Zum Beispiel fehlt einer Mutante von Drosophila mit weißen
-1-
Augen der rote Farbstoff, daher wird das Gen, das für diesen kodiert, als „WHITE“-Gen bezeichnet.
Neben phänotypischen Eigenschaften verwendet man auch biochemische Abweichungen
(Stoffwechsel) oder immunologische Besonderheiten (Resistenzen).
Weiters findet man unterschiedliche Schreibweisen mittels Groß- und Kleinbuchstaben sowie Plusund Minuszeichen, um Genotypen zu beschreiben. Dabei muss man teilweise Redundanzen in der
Schreibweise beachten (bedingt durch von Anfang an nicht festgelegte Regeln, darum haben
verschiedene Autoren verschiedene Schreibweisen verwendet), am Beispiel des Merkmals G:
G
G+
g
g-
ist äquivalent zu
ist äquivalent zu
ist äquivalent zu
ist eindeutig.
g+,
zu G,
zu G-,
In genealogischen Stammbäumen verwendet man symbolische Darstellungsweisen der Phänotypen
von Männchen und Weibchen, sowie „krank“ (besser wäre „phänotypisch betroffen“), „gesund“
(nicht betroffen) und Überträger.
Betroffen
Nicht betroffen
Überträger
Männchen
Weibchen
3 – Mendel revisited
Die Mendelschen Regeln gehören zum Standardrepertoire der klassischen Genetik und beschreiben
die Vererbung von Merkmalen. Sie sind nur auf diploide Organismen mit haploiden Gameten
anwendbar, es lassen sich ebenfalls Regeln für Organismen mit höherem Ploidiegrad ableiten.
Die Schlüssel zu Mendels Erfolg sind damals wie heute Voraussetzung zum Erkenntnisgewinn des
Genetikers:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Wahl des Versuchsobjekts
Nutzung reinerbiger Stämme
Schutz vor Fremdbesamung
Beschränkung auf wenige Merkmale
Groß angelegte Versuchsreihen
Statistische Auswertung
Uniformitätsregel (Reziprozitätsregel)
Werden 2 bezüglich eines Merkmals homozygote Individuen der Parentalgeneration (P) gekreuzt,
so erhält man eine uniforme Filialgeneration (F 1), deren Individuen bezogen auf das untersuchte
Merkmal untereinander phänotypisch gleich, aber heterozygot sind. Dies gilt für den Phänotyp
(äußeres Erscheinungsbild) wie den Genotyp (Erbausstattung), welcher bei allen heterozygot
(mischerbig) ist. Dabei ist es egal, welches der beiden Allele von der Mutter und welches vom Vater
vererbt wird (reziproke Kreuzung).
Die Ausprägung der Erbanlagen kann auf zweierlei Weise erfolgen, nämlich dominant-rezessiv oder
intermediär (siehe auch Erbgänge). Dominante Merkmale überdecken dabei rezessive (Bsp.
Blütenfarbe rot/weiß), intermediäre treten mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% oder in einer
Mischform in Erscheinung.
-2-
Zu einer Ausnahme kann es u.a. kommen, wenn ein Merkmal auf einem Geschlechtschromosom
(Gonosom) liegt.
Spaltungsregel (Segregationsregel)
Kreuzt man 2 heterozygote Organismen der F1-Generation, so ergibt sich in der Filialgeneration 2
(F2) bei dominant-rezessivem Erbgang eine Aufspaltung in den Genotypen zu 1:2:1 und in den
Phänotypen zu 3:1 in Bezug auf ein Merkmal (monohybrid), was aus der genetischem Ausstattung
der Gameten resultiert (Gamet kann dominantes oder rezessives Allel tragen).
Bei dihybrider Vererbung ergeben sich entsprechend mehr Gametenvarianten, nämlich 4 auf Grund
der möglichen Allelkombinationen. Hier tritt eine Aufspaltung von 9:3:3:1 auf.
Unabhängigkeitsregel (Neukombinationsregel)
Die Unabhängigkeitsregel beschreibt Vererbung von Merkmalen bei der Kreuzung reinerbiger
Individuen im dihybriden Erbgang. Die Allele werden unabhängig voneinander weiter gegeben.
Kreuzt man Individuen der F1-Generation unter sich, so treten neue, reinerbige Individuen auf.
Diese Regel gilt allerdings nur dann, wenn sich die für die Merkmale verantwortlichen Gene auf
verschiedenen Chromosomen befinden oder wenn sie auf dem gleichen Chromosom so weit
voneinander entfernt liegen, dass sie während der Meiose durch Crossing over regelmäßig getrennt
voneinander vererbt werden (polygene Erbgänge). Befinden sich Gene auf dem gleichen
Chromosom nahe beieinander, so werden sie in Kopplungsgruppen vererbt.
Die 9:3:3:1 Aufspaltung ist jedoch nur zutreffend, wenn beide Individuen in Bezug auf die Allele
homozygot sind. Ist dies nicht der Fall, erhält man Abweichungen von diesem Segregationsmuster
(zB. 6:4:2:2:2:1). In jedem Fall treten genau 2 neue homozygote Varianten auf.
Dominanz / Autosomal Dominante Vererbung
Merkmale werden in jeder Generation exprimiert. Dominante Merkmale sind meistens die Wildtypen, Mutanten-Allele sind entsprechend rezessiv. Liegen in einer Pflanze beispielsweise ein Allel
für einen weißen Farbstoff und ein Allel für einen roten Farbstoff vor, so wird die Expression eines
Allels bevorzugt – hier sei es der rote Farbstoff.
Rezessivität
Merkmale können Generationen überspringen und treten phänotypisch nur bei Reinerbigkeit der
Allele in Erscheinung. Die Eigenschaft Rezessivität verbindet der Autor mit der Vorstellung von
Genen, welche im Vergleich zu dominanten Genen bzw. Allelen eine verringerte, ineffektive bis
defekte oder weniger optimale Wirkung auf den Organismus haben. Da dominante Merkmale
rezessive überdecken, praktisch eine Wirkung oder eine stärkere, effektivere Wirkung durch
exprimierte Faktoren bzw. indirekt positiv regulierte Expression zeigen (vgl. Kompetitive Affinität
von Transkriptionsfaktoren), liegt eine Analogie von rezessiv zu fehlend oder vermindert nahe.
Ein Beispiel: Das Allel für Blutgruppenfaktor 0 verhält sich rezessiv gegenüber den Allelen für die
Blutgruppenfaktoren A und B.
Codominanz / Intermediäre Vererbung
Codominante Vererbung tritt wie auch Dominanz und Rezessivität bei heterozygoten Organismen
auf und beschreibt eine gemischte Merkmalsausprägung, somit liegt der Phänotyp in der Mitte der
beiden homozygoten (intermediär).
-3-
Der Autor stellt sich das Phänomen so vor, dass sich im Laufe der Evolution zwei gleichwertige
Pathways entwickelt haben, die parallel exprimiert werden können, ohne sich gegenseitig zu
beeinflussen.
Ein Beispiel für codominante Merkmale: Blutgruppen A und B – Trägt ein Individuum je ein Allel
für eines der beiden Glykoproteine, werden beide exprimiert, man hat Blutgruppe AB.
Dihybrider Erbgang / Polyhybride Erbgänge
Betrachtet man mehrere Allele der Eltern und möchte die möglichen Geno- und Phänotypen des
Offsprings auflisten, empfehlen sich Kreuzungstabellen. Bei dihybrider Vererbung mit
homozygoten Eltern ergibt sich eine Aufspaltung im Phänotyp zu 9:3:3:1, die Anzahl möglicher
haploiden Allelkombinationen in den Gameten beträgt 2 n. Kreuzungstabellen eines dihybriden und
polyhybriden Erbgangs:
AB
Ab
aB
ab
AB
AABB
AABb
AaBB
AaBb
Ab
AABb
AAbb
AbBb
Aabb
aB
AaBB
AaBb
aaBB
aaBb
ab
AaBb
Aabb
aaBb
aabb
Tabelle 1: Dihybrider Erbgang mit homozygoten Eltern (AAbb x aaBB)
ABC
ABC
ABc
AbC
Abc
aBC
aBc
abC
abc
AABBCC
ABc
AbC
Abc
aBC
aBc
abC
abc
Tabelle 2: Polyhybrider Erbgang mit homozygoten Eltern (AAbbCC x aaBBcc) zum selbst ausfüllen
4 – Ausnahmen Mendel'scher Genetik
4.1 Cytoplasmatische Vererbung (Mitochondrium / Plastid)
4.2 Maternaler Effekt
4.3 X-Inactivation / X-Linked
4.4 Homozygote Letalität
4.5 Imprinting
4.6 Su(var), E(var), pev
-4-
4.1 Cytoplasmatische Vererbung – Endosymbiontenfortpflanzung
Mitochondrien und Plastiden besitzen ein zirkuläres, reduziertes Genom, welches sie unabhängig
vom nukleären Genom vererben. Die Vermehrung der Endosymbionten erfolgt unabhängig vom
Zellzyklus, sie regeln quasi selbst ihre Population. Durch das permanente Nährstoffangebot ist ihre
Genexpression dem Zellmetabolismus angepasst.
Bei mitotischer Teilung der Wirtszellen erfolgt zufällige Aufteilung auf die Tochterzellen. Eine
Zelle enthält aber stets maternale Mitochondrien, da diejenigen des Spermiums nicht in die Oocyte
eindringen.
Durch die asexuelle Vermehrung sammeln sich negative traits durch Mutationen an. Da man die
Mutationsrate bestimmt durch die Fehlerfrequenz der Polymerasen in Abhängigkeit der
Reparaturmechanismen kennt, kann man bei Vergleich zweier Organismen, die sich zB. an 23
Positionen unterscheiden, den Generationsunterschied für Stammbaumanalysen schätzen. So hält
man die Abspaltung des Homo sapiens vor 100.000 – 150.000 Jahren als wahrscheinlich, da man
auf diesen Zeitpunkt die mitochondriale „Eva“ datiert.
Abb. 4.1 - Mutationsloci auf der menschlichen mtDNA und deren Krankheitsbilder
(Jantsch Folienset 1/SS09).
Befinden sich Mutationen im Mitochondrium, hat das z.T. erhebliche Auswirkungen auf den
Organismus in Form von Metabolismusstörungen oder neurodegenerativen Effekten sowie
Myopathien (siehe Bild 4.1).
Bei Pflanzen verhält es sich anders, da Keimbahnzellen spontan aus Somazellen hervorgehen.
Dabei kann es vorkommen, dass Gynander bezüglich der Plastiden vorliegen, sodass manche
Nachkommen derselben Pflanze Plastiden besitzen, andere widerum nicht.
In Neurospora crassa kann man die mitotischen Teilungsprodukte genau verfolgen, da die Gameten
in den Octaden linear angeordnet sind. Mitotische Marker zeigen im Gegensatz zu nukleären
Markern ein 1:0 oder 0:1 Segregationsmuster. In poky-Mutanten, eine mitochondriale Deletion, die
die zu einer geringeren Anzahl an Ribosomen auf Grund verminderter rRNA-Synthese führt, kann
man dieses Phänomen beobachten.
-5-
4.2 Maternaler Effekt
Der gravierende Unterschied zwischen dem maternalen Effekt und cytoplasmatischer Vererbung ist,
dass bei cytoplasmatischer Vererbung vererbbare Information in Form von mtDNA der Plastiden
vererbt wird, beim maternalen Effekt nur mRNA oder Proteine an ein Individuum weitergegeben
werden, die nicht vererbbar sind. Der maternale Effekt überdeckt den Genotyp eines Individuums.
Im Unterschied zur mitchondralen Vererbung, erbt ein Organismus die löslichen Faktoren des
Cytoplasmas der Oocyte (versch. RNA-Typen, Enzyme, Peptide, … ), sodass zwischen nukleärem
und plasmatischem Genotyp unterschieden werden kann bzw. muss, da Faktoren enthalten sein
können, für die gar kein Allel vorliegt. Frühe Phänotypen werden also durch den maternalen Effekt
festgelegt.
Das Phänomen kann man an verschiedenen Organismen gut beobachten. Wanderschnecken
(Lymnaea peregra) geben einen maternalen Faktor weiter, das Dextral-Protein, welches die
Schlagrichtung von Cilien in der Morphogenese bestimmt, sodass die rechtgängige Drehrichtung
des Gehäuses durch gerichtete Spülung von Wachstumsfaktoren zu Stande kommt. Das Gen ist
dominant, allerdings kann auch bei homozygot rezessiven Allelen der Zygote die Schnecke dextral
werden, da von der Mutter das Dextral-Protein in die Oocyte eingelagert wird. Nur wenn die Mutter
homozygot rezessiv ist, kann eine sinistrale Schnecke entstehen.
Die Diagnose situs inversus, eine seltene, aber nicht krankhafte anatomische Besonderheit (eine
Heterotaxie) beim Menschen ist auch auf einen Ciliendefekt zurückzuführen, dabei liegen die
inneren Organe spiegelverkehrt in der jeweils anderen Körperhälfte.
Frösche können eine Mutation besitzen, welche die Synthese von Ribosomen verhindert. Laut
Erwartung sollte eine Segregation von 3:0 eintreten, da der Organismus ohne Ribosomen nicht
funktioniert. Das Oocytenplasma enthält jedoch Ribosomen, welche die Fehlfunktion einige Zeit
kompensieren, dann stirbt der Organismus jedoch.
Bei M. musculus gibt es die Fellfarben-Phänotypen gelb, braun und gelb-agouti (die Haare sind der
Länge nach zweifarbig: braun und gelb). Wenn man agouti mit agouti kreuzt bekommt man 100%
agouti. Wenn man gelb mit gelb kreuzt bekommt man 2/3 Yellow und 1/3 Agouti. Das vierte
Individuum stirbt, da gelb homozygot letal ist, dadurch ergibt sich diese Verteilung. Gelb ist
dominant. Warum führt aber Fellfarbe zum Tod? Das Gen, das für die Fellfarbe verantwortlich ist,
wird immer zusammen mit dem MERC-Gen vererbt, welches in der Embryonalentwicklung von
Bedeutung ist und eine Deletion haben kann, die rezessiv letal ist.
Dominant letale Merkmale sind relativ selten, da sich tote Individuen in der Regel nicht
fortpflanzen, bildet sich der Phänotyp also vor der Geschlechtsreife aus, werden Allele also effektiv
aus dem Genpool entfernt. Manifestiert sich der Phänotyp allerdings erst nach der Fortpflanzung,
hält sich eine Mutation in der Population (Chorea Huntington, Veitstanz).
Drosophila besitzt das P-Element, welches in der Entwicklung die Stabilität des Genoms gefährdet,
da es bei Integration in Exon-Sequenzen Defekte hervorrufen kann. Durch die maternale Vererbung
spezieller piwi-interacting RNA (piRNA) wird in einem RNA-silencing Mechanismus die
genomische Integrität aufrecht erhalten.
Weiters kommt die Pigmentierung der Larven und Augen der Mehlmotte (Ephestia kuehnellia)
durch Einlagerung von Proteinen aus dem Ovar in den Dotter der Oocyte zu Stande.
-6-
4.3 X-Inactivation / X-Linked Traits
Die Inaktivierung eines X-Chromosoms ist eine Art der Gendosisregulation und ist mit Imprinting
verbunden. Weibchen sind Gynander, genetische Mosaike, bezüglich der X-Inaktivierung, da dies
zufällig passiert bzw. von unbekannten Faktoren bestimmt wird. Äußerlich nicht feststellbar, äußert
es sich indirekt durch zB Variationen in den Sekreten der Haut.
Der molekulare Hintergrund basiert auf einem X-inactivation center (Xic) auf dem X-Gonosom,
einem Chromosomenabschnitt mit den Regionen Xist, Tsix, Xite und anderen. Xist codiert eine
ncRNA (non-coding RNA), welche das transkribierende X-Chromosom umhüllt, Tsix ist für die
Paarung der X-Chromosomen verantwortlich.
Wie verhalten sich die beiden Sequenzen in der Ontogenese? In undifferentiated ES cells,
transcription of Tsix from both chromosomes maintains Xist expression at low levels and restricts
Xist RNA to the transcription site (day 0). Induction of differentiation triggers X–X colocalization,
counting and choice. Tsix is then downregulated on the presumptive X i , thereby allowing Xist RNAs
(blue lines) to accumulate in cis (day 2). On Xa, the repression of Xist is maintained through the
persistence of Tsix expression promoted by the Xite locus. Subsequently, the X i accumulates
heterochromatic epigenetic marks to maintain the silent state (Nature Cell Biology vol8/issue3
03/2006 208).
Das Phänomen kann X-chromosomal rezessive Phänotypen erscheinen lassen, wenn das gesunde
Allel inaktiviert wird bzw. zwei rezessive Allele vorhanden sind. Männchen zeigen immer den
kranken Phänotyp (zB. Rotgrünblindheit, Hämophilie).
Cytologisch ist das inaktivierte X-Chromosom als Barr-Körperchen feststellbar. Die Xchromosomale Vererbung verursacht eine Art „Hemizygotie“ bei Männchen, da es kein paternales
Allel für die x-linked genes gibt (bei Männchen findet natürlich keine X-Inaktivierung statt).
4.4 Homozygote Letalität
Dieses Phänomen verursacht Abweichungen in den Segregationsmustern des Mendelschen
Vererbungsmodells durch Verhinderung der Entwicklung eines Genotyps. Mögliche Ursachen sind
pleiotrope Auswirkung (agouti), Defektmutation beider Allele oder Erbung beider defekter Allele
eines Elternteils (uniparental disomy). Abweichung der Mendelschen Regeln durch Tod des
Individuums.
4.5 Imprinting
Evolutionärer Druck bezüglich variabler Expression postnataler Gene trat erstmalig bei den
Monotremata auf. Die Marsupalier haben daraus Imprinting und X-Inaktivation „erfunden“, beide
Phänomene traten vermutlich zeitgleich auf, da sie mechanistisch ähnlich sind. Später entwickelte
sich Methylierung zur Stabilisierung der Imprints und die zufällige Inaktivierung eines XGonosoms. Auch bei Pflanzen findet man Imprinting, was allerdings schlecht untersucht ist.
Diploide Organismen zeigen auf Grund des möglichen Vorhandenseins homozygoter Allele ein
Phänomen, welches für Gendosiskompensation sorgt, also eine quantitative Regulation der
Transkription. Dies ist notwendig, damit der Organismus nicht an Überexpression von Genen leidet.
Das Imprinting ist eine Art Schaltersystem, welches Gene selektiv positiv oder negativ reguliert,
sodass einmal ein maternales Allel, an einer anderen Stelle widerum der paternale Genotyp in
Erscheinung tritt. Imprinting beeinflusst also die Expression eines Allels oder Genlocus in
Abhängigkeit maternaler oder paternaler Vererbung. Beispielsweise wird in der Maus ausschließlich
das paternal vererbte igf2-Allel sowie das maternale H19-Allel exprimiert
-7-
Zur Zeit kennt man etwa 80-100 Genloci, welche selektiv paternale oder maternale Gene aktivieren
und mit Krankheiten, Morpho- oder Ontogenen assoziiert werden. Hat man ein aktives und ein
inaktives Allel und das aktive ist mutiert, so kommt es zur Ausbildung von Krankheiten, da das
gesunde inaktiv ist und nicht kompensieren kann.
Welche biochemischen Mechanismen stecken dahinter, wie schafft es die Zelle selektiv zwischen
Genregionen zu schalten? Die Antwort lautet Cytosinmethylierung.
Systeme, die mit Methylierung arbeiten, findet man sogar in E. coli, das seine Erbinformation mit
spezifischen Methylierungsmustern versieht. Sie besitzen darüber hinaus Restriktionsenzyme
(EcoK12), welche spezifisch fremde DNA erkennen (beispielsweise von Phagen), die nicht
methyliert ist, und spalten. Allerdings können Phagen auch Methylierung nutzen, um sich zu
„tarnen“ – hier ist EcoK12 wirkungslos.
Imprinting findet in CpG-reichen, upstream genreicher Regionen oder regulatorischer Sequenzen
statt, in so genannten „CpG-islands“ oder „imprinting (control) centers (ICs)“. Ein IC kann sich
über mehrere tausend Basenpaare erstrecken und die Verteilung von ICs folgt keiner (bisher
bekannten) Logik. Ob eine Basensequenz als IC wirken kann, hängt außerdem vom Geschlecht des
Individuums ab.
Beim Imprinting wird eine Methylgruppe (CH3) kovalent an den Pyrimidinring von Cytosin
gebunden. Dort wird in der Regel die DNA inaktiviert und kompaktiert, was aber nicht zwingend zu
einer Inaktivierung der dadurch kontrollierten Gene führt. Man spricht dann von einem „imprinted
gene“. Es wird nicht jedes Gen einzeln reguliert, sondern mehrere zu einem Cluster zusammengefasst.
Man erklärt Imprinting mit zwei Mechanismen. Einerseits kennt man imprinting control elements
(ICE), auch imprinting control regions (ICR) genannt, welche die Wirkung von Enhancern
beeinflussen und von Proteinen wie CTCF gebunden werden. Das menschliche Genom enthält etwa
15.000 Bindungsstellen für CTCF (chromosomal transcription control factor). Man spricht vom
-8-
insulator binding. ICEs müssen nicht in unmittelbarer Nähe des Leserahmens eines Gens liegen.
Wird ein ICE methyliert, kann ein Enhancer seine cis-Wirkung ausüben.
Der zweite Mechanismus besteht im Vorhandensein von non-coding RNA (ncRNA), primärer
RNA, die selbst kein Protein codiert, relativ lang und lausig gesplicet ist und im Kern verbleibt. Sie
beeinflusst die quantitative Transkription sowie die räumliche Verteilung bestimmter Faktoren. Ein
ICE kontrolliert die Expression einer bestimmten ncRNA, welche die Expression umliegender Gene
verhindert. Wird das ICE methyliert entsteht keine ncRNA, umliegende Gene sind nicht mehr
gesilenced.
Die Menge der Transkription der ncRNA ist insofern von Bedeutung, da sie den Zustand des
Chromatins, also die Packungsdichte bestimmt. Wie sie das fertig bringt und was die Selektivität
bedingt ist jedoch unklar.
Imprinting wirkt auf Wachstumsgene. Warum hat sich Imprinting entwickelt? Dazu hat man zwei
Modelle, nämlich die Genetic Conflict Hypothesis und die Ovarian Time Bomb Hypothesis.
Erstere besagt dass, „Because of multiple paternity, a mother's offspring are equally related to her
but can be less related to each other. A mother's genetic interests are best served by keeping control
over the distribution of her resources to these offspring, sharing it equally among them. Mothers
can retain such control by inactivating fetal growth-enhancing genes that they pass offspring to
obtain as much of this resource as maximizes their survival, even at the expense of half-sibs and the
mother. Inactivating fetal growth inhibitors in his offspring serves this purpose.”, zweitere dass,
“The spontaneous proliferation of an unfertilized egg in an ovary is a form of ovarian trophoblastic
disease, essentially ovarian cancer. Inactivating the only (maternal) copy of early-acting growth
enhancers lowers this risk, as does upregulating any growth inhibitors. This second change could
leave the fetus with too much inhibitor, an imbalance that can be corrected by downregulating the
paternal inhibitor’s copy. Thus, both the GCH and the OTH predict that fetal growth-affecting
genes are likely to be targets of imprinting, and that growth enhancers should be maternally
attenuated and growth inhibitors, paternally so.” (Folien Jantsch)
Eine Krankheit, die durch Imprinting hervorgerufen werden kann, ist das Prader-Willi-Syndrom.
Das betroffene Gen heißt SNRPN ( Small nuclear ribonucleoprotein-associated protein N), dessen
Funktion im gewebsspezifischen Splicen liegt.
Das maternale Allel ist durch Imprinting inaktiv, das paternale Allel ist aktiv. Ist das paternale Allel
durch Mutation defekt, kommt es zur Krankheit. Ist der Vater Träger eines defekten Allels kommt es
bei 50% der Nachkommenschaft zur Krankheitsbildung, da ein inaktives und ein defektes Allel
zusammen kommen. Wird das defekte Allel über die Mutter vererbt, ist die Nachkommenschaft
nicht betroffen, aber Träger.
Phänotypen von imprinted genes können verschiedene zu Grunde liegende Ursachen haben. (a) Es
kann eine Uniparentale Disomie (UPD) vorliegen. Dabei stammen beide Chromosomen eines
homologen Chromosomenpaares von einem Elternteil. Disomie kann eine Überexpression oder den
Ausfall einer genetischen Expression zur Folge haben. Da beide Allele aktiv oder oder inaktiv sind,
verhindert eine Abberation in der Embryonalentwicklung die Entwicklung von Embryonen (b) Ein
imprinted gene kann mutiert und dessen funktionierendes Allel inaktiviert sein und (c) eine ICR
selbst kann eine Defektmutation erleiden.
Der Imprint status verändert sich im Lebenzyklus eines Lebewesens. In der Keimbahn kommt es
zur Löschung von Methylmarkern, vermutlich in den Urkeimzellen (primordial germ cells). In den
reifen Gameten wird der Imprint status wieder hergestellt. Woher die beteiligten Enzyme wissen,
welche Bereiche sie wieder methylieren sollen, ist nicht bekannt.
DNMT1 – Desoxyribonucleinsäuremethyltransferase1 wirkt bei der somatischen Mitose, indem sie
-9-
hemimethylierte DNA nach der Replikation methyliert (maintenance methylation)
DNMT3 – Desoxyribonucleinsäuremethyltransferase3 sorgt für Methylierung in den Gameten nach
dem Entfernen der Methylmarker in den Urkeimzellen (de novo methylation)
4.6 Su(var), E(var), pev
Durch Imprinting kommt es zu einem Phänomen namens position effect variegation (pev), welches
sich auf die Expressivität eines Gens auswirkt. Kommt ein Gen durch Mutation (zB. Inversion eines
Chromosomenabschnitts durch Bestrahlung in Drosophila) in die Nähe einer heterochromatinen
Region, so kann die transkriptionelle Aktivität des Gens verringert bis ausgesetzt werden.
Verschiedene Faktoren lassen suppressor variegation Su(var) und enhancer variegation E(var)
entstehen, welche das gene silencing durch Ausbreitung oder Lockerung des Heterochromatins
regulieren. Wird es enhanced, ist das Gen stärker gesilenced, wird es suppressed, wird die Region
transkriptionell aktiver (vgl. Kapitel 6, Chromatinorganisation).
5 – Analyse genetischer Pathways
Genetische Analyse hat zum Ziel, die Auswirkung der Ausprägung von Gen A auf die Ausprägung
von Gen B zu untersuchen, also festzustellen, ob gleiche Phänotypen auch gleiche Ursachen haben.
Meistens entspricht ein beobachteter Phänotyp nicht einem speziellen Genotyp, sondern es liegen
spektrale Defekte zu Grunde. Die Funktion von Genen stellt man beim Vergleich von Mutanten fest.
Hängen Enzyme oder andere Faktoren in einem molekularen Pathway bzw. einer enzymatischen
Kaskade zusammen und fehlt einer der Faktoren, sodass die Reaktionskette unterbrochen wird,
spricht man von Epistasie.
Am Beispiel der Phenylketonurie: Sie hängt von zwei Schlüsselfaktoren ab – Phenylhydroxylase
und Tetrahydropterin (Cofaktor). Nun kann einerseits das Enzym defekt oder ineffizient sein,
andererseits auch der Cofaktor, dadurch ist der Pathway unterbrochen bzw. seine Leistung vermindert.
Gene welche im gleichen Pathway aktiv sind bzw. einander in ihrer Funktion beeinflussen sind
oftmals epistatisch zueinander. Das Fehlen von Genprodukt A verhindert die Wirkung von
Genprodukt B. A ist daher epistatisch zu B. B ist hypostatisch zu A.
Epistatische Gene müssen biochemisch nicht upstream von hypostatischen Genen agieren. Die
Gelbfärbung von Labrador Retrievern ist epistatisch zu brauner und schwarzer Fellfärbung. Die
Ablagerung des Farbstoffes im Fell wird verhindert, nicht aber in anderen Regionen wie der Nase.
Pigment wird gebildet (B schwarz, oder b braun), aber in Abhängikeit des Gens E/e nur in der Nase
oder auch im Fell abgelagert.
Das Fucosyl-Transferase (Fut1) Gen (Bombay-Phänotyp) ist epistatisch zum AB0 System. Dies
- 10 -
führt zu einer 6:3:3:4 Segregation. Dieses Enzym stellt eine Vorstufe durch glycosidische Bindung
von Fucose an die Substanz H her, welche nach Glykosylierung mit α-Galactose bzw. α-N-AcetylGalactosamin zum Glykoprotein der Blutgruppe B bzw. A wird. Fehlt das Enzym, kann nicht mit
Galactose oder ihrem Derivat glykosyliert werden, man hat also Blutgruppe 0.
Defekte Gene, welche im gleichen Pathway aktiv sind, können durch Komplementation analysiert
werden. Mutationen in beiden Allelen eines Gens komplementieren einander nicht. Mutationen in
unterschiedlichen Genen komplementieren einander. Voraussetzung für die Komplementation ist
- 11 -
Diploidie bzw. die Existenz von Wildtyp-Allelen. Ein Beispiel für Komplementation ist die Bildung
von Blütenfarbstoffen, hier in Campanula (Glockenblume). Aus einem Precursor wird in zwei
enzymatischen Reaktionen einer blauer Farbstoff gebildet. Die Parentalgeneration trägt in beiden
Allelen von Enzym 1 oder Enzym 2 eine Mutation, sodass der Pathway unterbrochen ist (weiße
Blüten, Precursor wird nicht vollständig umgesetzt). In der F1-Generation tauchen Individuen auf,
die blaue Blüten haben. Warum? Diese Individuen haben ein mutiertes und ein gesundes Allel,
letzteres kompensiert die Funktionslosigkeit des anderen, es ist wieder Enzym vorhanden, um den
Precursor umzusetzen. Komplementation ist eingetreten.
Selbstbefruchtung dieser Individuen führt in der F2-Generation zu einer phänotypischen 9:7
Segregation: 9 blau, 3:3:1 weiß.
Nicht nur Gene, deren Produkte in gleichen Pathways aktiv sind, sondern auch Gene deren Produkte
einander regulieren (zB. transkriptionell) zeigen eine atypische Segregation. Epistasis Analysen
geben aufschluss darüber, ob zwei Prozesse funktionell miteinander gekoppelt sind.
Für die Untersuchung von genetischen Pathways setzt man verschiedene Strategien ein. Supressor
Mutationen revertieren den Phänotyp von Mutationen, indem Interaktionspartner des mutierten
Genprodukts ebenfalls mutiert werden. Die primäre Mutation wird suprimiert. Dabei werden öfters
Genloci identifiziert, deren Produkte vorher gar nicht mit dem Pathway assoziiert worden sind. Als
Beispiel sei ein Gen m mutiert. Die Supressormutation s ermöglicht eine Interaktion mit dem
mutierten Protein m. Genetische Screens für Supressoren ermöglichen die Identifikation von
interagierenden Proteinen oder downstream targets eines Proteines m+.
Supressoren funktionieren nach drei Wirkprinzipien:
•
•
Interaction supressor. In einem Wildtyp binden Protein A und Protein B einander. Nun
mutiert B, A kann nicht mehr binden. Eine Supressormutation in A stellt die Interaktion
wieder her.
Bypass supressor. In einem Wildtyp existieren ein funktionierender Pathway A und ein
- 12 -
•
stummer Pathway B. Eine Mutation in A macht diesen funktionslos. Eine zweite Mutation in
B aktiviert Pathway B, der Pathway A nun ersetzt.
High copy supressor. Ein stabiles Genprodukt A tritt mit einem Produkt B in Wechselwirkung. Produkt A mutiert und entfaltet sich im ungebundenen Zustand. Produkt B wird
vermehrt gebildet, um mehr A zu binden und durch die Wechselwirkung die Funktionalität
von A aufrechtzuerhalten.
Modifier oder synthetic lethals beeinflussen einander und verändern (verstärken) einander in deren
Phänotyp. Genetische (Mutanten)-Screens für synthetic lethality und Suppressoren ermöglichen die
Analyse komplexer Pathways.
Einzelne Mutationen in einem Pathway stören meist nicht, mehrere Mutationen können aber zum
Ausfall führen. Hier setzt synthetic lethality an, indem man Komplementationsverhältnisse stört, um
Phänotypen zu erhalten. Als Beispiel zwei Proteine (A und B), die ein Heterodimer bilden und an
DNA binden. Schwächt eine Mutation in A die Affinität zur DNA, so kann die B-Untereinheit die
gemeinsame Funktion aufrechterhalten. Mutiert allerdings B auch noch (synthetic lethal), fällt das
Heterodimer von der DNA ab und, falls A und B als Transkriptionsfaktor an einen Promoter
gebunden haben, wird ein Gen nicht mehr exprimiert, man erhält einen Phänotyp, in solchen
Fällen meistens den Tod.
Penetranz und Expressivität sind weitere genetische bzw. molekulare Phänomene. Ersteres
beschreibt, ob ein Merkmal sichtbar wird oder nicht, zweiteres, bestimmt das Maß, in dem ein
Merkmal ausgeprägt wird. Variabilität in der Expressivität und Penetranz eines Allels können vom
genetischen Hintergrund des Organismus, der Position des Gens, oder von Umweltfaktoren
(Temperatur, Ernährung) abhängen und führt zu variablen Phänotypen.
Ein Beispiel zur Penetranz ist die Fellfärbung von Schneehasen (Lepus timidus) und Siam-Katzen.
Pigmentierung ist bei erhöhter Temperatur gestört. In den Extremitäten kann die Pigmentierung
erfolgen, da die Körpertemperatur geringer ist und bestimmte Enzyme wirksam werden. Diese Tiere
sind aber keinesfalls Chimären.
Hat eine Familie genetische Prädisposition für Tumore, so heißt das nicht, dass diese auch in jedem
Individuum entstehen, vielmehr bestimmen Umweltfaktoren, ob das Merkmal penetriert, also zum
Vorschein kommt.
6 – Chromatinorganisation
DNA ist im Zellkern mit Proteinen assoziiert. Das Chromatin ist aber keine homogene Masse, es
existieren genreiche und genarme Regionen, andere sind widerum für Enzyme schwer zugänglich,
vergleichbar mit einer schlechten Verkehrsanbindung. Sogenannte house keeping genes sind in jeder
Zelle erreichbar, gewebsspezifische Promoter werden im Zuge der Zelldifferenzierung still gelegt.
Die Totipotenz von Stammzellen geht durch Verpackung und Modifikation mit Inaktivierungsmarkern verloren, man spricht von epigenetic programming, das aber weit über das einfache Anund Ausschalten von Genen hinausgeht.
Chromatin kann in zwei Zuständen, euchromatin und heterochromatin, vorliegen, die cytologisch
durch Anfärben erkannt wurden. Euchromatin ist lockerer gepackt und erscheint heller als
Heterochromatin. Zweiteres unterteilt man weiters in
•
konstitutives Heterochromatin - diese DNA-Regionen sind permanent unzugänglich.
→ Centromer: Hier sind keine Gene, diese Region hat andere Aufgaben.
- 13 -
•
→ Telomer: Chromosomenenden sind leicht anzugreifen, hier dürfen keine wichtigen Gene
liegen
→ Genarme Regionen: verhindert Springen von Transposons und unnötige Aufblähung des
Genoms
fakultatives Heterochromatin – diese DNA-Regionen sind nur zeitweise inaktiv.
→ X-Inaktivierung
Wie hat man erkannt, dass position effect variegation Auswirkung auf die Expressivität hat? In
white+/+ Drosophila hat man mittels Röntgenstrahlung DSBs eingeführt. Die freien Enden wurden
mit falscher Orientierung repariert, als Folge waren betreffende Ommatidien farblos, obwohl die
genetische Information für die Färbung vorhanden, aber nicht mehr zugänglich war.
6.1 Nucleosomen
Die molekulare Grundlage für die Zugänglichkeit von genetischer Information sind Nucleosomen.
Sie sind aus verschiedenen Histonen aufgebaut, die zusammen ein Histonoktamer bilden. Die
Histone H2A, H2B, H3 und H4 sind pro Nucleosom zweifach vorhanden. Die DNA-Doppelhelix
wird in zwei Schlingen um ein Nucleosom gewunden, es entsteht die beads-on-a-string Struktur
(10nm-Faser). Zwischen zwei Nucleosomen bleibt die DNA nackt (165 bp in Euchromatin, 146 bp
in Heterochromatin).
Wie ist man auf die Existenz von Nucleosomen gekommen? Eigentlich war es Unfall: Unbeabsichtigterweise ist es in einem Experiment zu Endonucleaseaktivität gekommen, im Gel hat man
dann 146 bp und 165 bp Fragmente gefunden, dass diese Fragmente nicht weiter zersetzt wurden,
hat man der protektiven Wirkung von Proteinen zugeschrieben.
Das Histon H1 ist ein linker, der zu einem spiraligen Gerüst assembliert, an dem die Nucleosomen
orientiert werden. So erreicht man eine höhere Packungsdichte (30nm-Faser).
- 14 -
Die N-Termini der Histone sind flexible Regionen, ragen aus der Oberfläche des Nucleosoms
heraus und sind für Proteinmodifikationen zugänglich. Am häufigsten wird acetyliert, methyliert
oder phosphoryliert, aber auch andere Modifikationen wie Ubiquitinierung oder SUMOylierung
können stattfinden.
Die DNA ist als Säure negativ geladen, die Histone als Base stark positiv. Proteinmodifikation
verändert den Ladungscharakter der Histone und somit die Nettoladung des Nucleosoms. Das
Anhängen saurer Reste vermindert zum Beispiel die Packungsdichte, da die eingebrachte negative
Ladung die positive des Histons kompensiert und in Folge sich die DNA weitet, weil jetzt lokal nur
noch negative Ladung vorherrscht (gleiche Ladung stößt sich ab!).
Modifikation
Aminosäure
Enzymklasse
Wirkung
Acetylierung
Lys
Histonacetyltransferase (HAT)
Negative Ladung
Methylierung
Lys / Arg
Histonmethyltransferase (HMT)
Hydrophobizität
Phosphorylierung
Ser / Thr
Kinase
Negative Ladung
Die modifizierten Aminosäuren sind widerum Bindungsstellen für andere Proteine mit speziellen
Domänen, die ihrerseits wieder Aminosäurereste modifizieren können. Acetylierte Lysine werden
von Proteinen mit einer Bromodomäne erkannt, methylierte Lysine von Proteinen mit einer
Chromodomäne und phosphorylierte Aminosäuren von Proteinen mit 14-3-3-Domänen. Die SETDomäne von einigen Methyltransferasen hat zum Beispiel hohe Spezifität für H3K9, dem Lysin an
Position 9 von Histon 3. Bindet so eine Methyltransferase, werden manche umliegende Lysine
methyliert.
6.2 Histoncode-Hypothese
Heterochromatinbildung ist ein vielstufiger Prozess, man kann nicht einfach zwischen aktivem und
inaktivem Chromatin unterscheiden, es gibt viele Abstufungen. Der Epigenetiker sucht in Histonmodifikationen versteckte Information in Form des Histoncodes. Seine Eigenschaften:
•
•
•
Modifikationen passieren an definierbaren Stellen
Modifikationen passieren in enzymatischen Kaskaden abhängig von anderen Modifikationen
Modifikationen führen zu Chromatinorganisationsstufen
Dieser Code könnte kombinatorischen Charakter haben, ein Beispiel: H3S10 ist in aktivem und
inaktivem Zustand phosphoryliert, im aktiven Zustand H3K9 und H3K14 zusätzlich acetyliert.
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Methylierung findet sowohl in Eu- als auch in Heterochromatin, ein Acetylierungsmuster entscheidet dann über zugänglich oder unzugänglich.
Acetylierung trägt in der Regel zur Aktivierung bei, methylierte Histone sind vermehrt in
Heterochromatin zu finden. Lysin kann mono-, di- oder trimethyliert sein. H3K4me ist ein
Aktivierungsmarker, H3K9 ein Inaktivierungsmarker.
Der Histoncode ist (beinahe) universell, in jedem Organismus, dessen genetische Informationen
mit Histonen strukturiert ist, findet man die Methylierung H3K9, die aber unterschiedliche
Funktionen übernimmt.
Man gliedert die Histon-modifizierenden Faktoren in zwei Gruppen:
•
•
Su(var) → Erhöhen die Packungsdichte
− Histondeacetylasen (HDAC)
− Proteinphosphatasen (PPTasen)
− S-Adenosylmethionin Synthetase
− Heterochromatinprotein 1 (HP1)
− Histonmethyltransferasen
E(var) → Erniedrigen die Packungsdichte
− Histonacetyltransferasen
− SWI/SNF
Um diese Gliederung zu verstehen, muss man um die Ecke denken. Man hat bei der Benennung
Bezug auf die Expression einer Mutation genommen. Sie trat bei erhöhter Packungsdichte (Su(var))
seltener auf und bei E(var) konnte sie öfters beobachtet werden.
6.3 NuRD-Komplex
Neben den genannten Enzymen gibt es andere Faktoren, die in differentiertem Gewebe exprimiert
werden. Der NuRD-Komplex beinhaltet Histondeacetylasen (HDAC). Ist H3K4 methyliert, kann
der NuRD-Komplex nicht binden, andernfalls wird H3 deacetyliert und in weiterer Folge
methyliert.
Wie gelangt der NuRD-Komplex an die richtigen Stellen? Im Zuge des imprintings kommt es zur
Methylierung von CpG-islands der DNA, die von MBD2 erkannt wird. Der NuRD erkennt diese
Marker mittels MBD3 (methyl-bindung domain) und übersetzt die Anweisung zur Stilllegung der
Promoter auf die Proteinebene.
Dieser Mechanismus ist bei der Differenzierung von Geweben sinnvoll, da manche Gene in
manchen Geweben nutzlos sind. Beispielsweise wäre die Synthese von Alkoholdehydrogenase
(ADH) im Auge alles andere als energieeffizient, daher sollen solche Gene nicht einmal von starken
Transkriptionsaktivatoren wieder aktivierbar sein.
Solche Erkenntnisse sind wertvoll, wenn man Stammzellen verstehen möchte. Gibt man LIF
(leukemia inhibitory factor) zu einer ES-Kultur, erhält man so den undiffernzierten Zustand. Setzt
man es ab, kommt es zur Differenzierung. Bei einer NuRD-Mutation bleiben viele Zellen
undifferenziert, weil die Deacetylierung nicht stattfindet.
Wie kommt es zur Reversion von Heterochromatin in Euchromatin? Dazu werden drei Strategien
verfolgt:
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•
•
•
Marker entfernen: PPTasen (Phosphat), HDAC (Acetat) und Jumanji-Proteine (Methyl,
erst vor wenigen Jahren entdeckt)
Histon abbauen: Dabei gehen gleichzeitig alle Inaktivierungmarker verloren. Biochemisch
läuft Proteolyse ab, Polyubiquitinierung markiert das Histon für den Abbau des N-Terminus
oder des ganzen Proteins.
Marker dazugeben: H3K9me, gebunden von HP1, ist total inaktiv. Wird aber H3S10 von
Aurora B Kinase phosphoryliert, fällt HP1 ab.
Eine mutierte Aurora B Kinase zeigt in Drosophila hyperkondensierte Polytänchromosomen.
Wie werden Histonmodifikationen vererbt? Die spekulative gängige Meinung geht davon aus, dass
die Nucleosomen in einem semikonservativen Prozess 50:50 auf die Tochterzellen weitergegeben
werden. Neu synthetisierte Nucleosomen werden dabei mit den Markern versehen, die am
Nucleosom am Doppelstrang gegenüber erkennbar sind.
Um Transkription zu ermöglichen muss chromatin remodelling stattfinden, um eine Histon-freie
Region zu schaffen. In der Hefe bindet GCN5 im Vorfeld der Transkription, welches HAT-Funktion
ausübt. Das acetylierte Histon in der Umgebung des Promotors lockert sich. Nach Bindung der
Polymerase wird SWI/SNF rekrutiert, das wie ein Schneepflug Nucleosomen disassembliert. Der
experimentelle Beleg dafür ist, dass die Distanz zwischen den Nucleosomen beobachtbar größer
wird. Nachdem die Polymerase weitergezogen ist reassemblieren die Nucleosomen wieder.
Bei der X-inactivation kommt es auch zur Strukturveränderung des Chromatins. Sie passiert in
somatischem Gewebe zufällig, in der Embryonalentwicklung allerdings nur zum Teil. Die Zelle
muss feststellen können, wie viele X-Chromosomen sie hat. Woher weiß sie, wie viele vorhanden
sind? Die molekulare Grundlage ist das XIC (X-chromosome inactivation center), fehlt es, kommt
es nicht zur Inaktivierung. Es enthält verschiedene Sequenzen:
Xist → Xist RNA (frei nach Hamlet: to eXist or not to eXist, that is the question)
Tsix → Antisense Transkript zu Xist, down-regulation von Xist
Xite → Regulator
In YACs (yeast artificial chromosomes) wurden diese Sequenzen experimentell mittels Deletionen
untersucht, bei Tsix-Deletion haben die X-Chromosomen nicht mehr gepaart. Liegt Tsix auf einem
Autosom, so paaren X- und Autosom.
Xist RNA wird konstitutiv exprimiert, wird aber schnell wieder degradiert. Irgendwann bleibt die
RNA eines Chromosoms stabil und umhüllt das produktive X-Chromosom. Welches Signal dafür
verantwortlich ist, ist unklar. Das von Xist RNA umhüllte Chromosom rekrutiert Proteinfaktoren,
die über Histonmodifikation permanente Inaktivität festigen.
In der Embryonalentwicklung gibt es diese Zufälligkeit nicht, es wird immer das paternale Allel
exprimiert und somit das paternale X-Chromosom inaktiviert. Aber nur bis zum Blastocyste. Im
Trophoblast (extraembryonales Gewebe, Placenta) bleibt weiterhin das paternale gesilencet, im
ICM (inner cell mass) des Embryos beginnt der Kampf um Aktivierung von neuem.
Phylogenetisch hat sich die Zufälligkeit der Inaktivierung erst bei den Placentariern entwickelt, bei
den Marsupaliern, den „Erfindern“ der X-Inaktivierung, wird ausschließlich das paternale
gesilencet.
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6.4 Chromatin in der Mitose
In der Mitose wird Chromatin in Chromosomen verpackt. Mehrere Zentimeter lange Moleküle
müssen dabei auf 1-5 µm (Faktor 2.000-10.000 für ein 10mm langes Chromosom) zusammen
gepackt werden. Eine enorme Leistung, die in mehreren Kondensationsschritten vollbracht wird.
Löst man ein Metaphasen-Chromosom in 3-5M NaCl, so werden ionische Wechselwirkungen
gestört und die DNA liegt wieder als Faden vor, allerdings bleibt eine Proteinstruktur zurück, das
protein scaffold. Dieses besteht aus Nicht-Histon-Proteinen wie Topoisomerasen und SMCProteinen (structural maintenance of chromosomes).
Topoisomerasen, speziell Topoisomerase 2 (TopoII) kann mit Antikörpern nachgewiesen werden.
Topoisomerasen lösen aufgestaute DNA-Schleifen auf und werden entsprechend ihrem
biochemischen Mechanismus in zwei Gruppen geteilt:
•
•
Typ1 Topoisomerasen: Führen Einzelstrangbrüche ein
Typ2 Topoisomerasen: Führen Doppelstrangbrüche ein (TopoII)
Im aktiven Zentrum sitzt immer ein Tyrosinrest, der in einem nukleophilen Angriff eine Umesterung eines Phosphodiesters der DNA vornimmt.
Die zweite große Gruppe an scaffold-Proteinen sind SMC-Proteine. Die ATPasen SMC2 und
SMC4 bilden einen durch den Zellzyklus kontrollierten Condensin-Komplex, zwei coiled-coils,
die über ein hinge-Motiv verbunden sind. Kleisine verbinden die V- förmige Struktur zu einem
Ring, der hilft, das Chromatin zu kompaktieren.
Im (umstrittenen) loop model of chromosome organisation assoziieren matrix attachment regions
(MARs) mit der hypothetischen nuclear matrix. Manche Forscher postulieren die nuclear matrix
als eine Art chromosomales Cytoskelett. Das Argument, dass es keine Antikörper dagegen gibt/
geben kann, steht der high salt extraction gegenüber. Mit dieser Methode kann man unbekannte
Proteine aus dem Zellkern extrahieren. Die Theorie klingt plausibel, experimentelle Evidenz ist
allerdings noch ausständig.
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6.5 Karyotyping
Karyotypisierung beruht auf der Extraktion und selektiven Färbung von Chromosomen. Im Gbanding setzt man Giemsa ein, das eine Unterscheidung von Eu- und Heterochromatin erlaubt.
Chromosomen-Banding erlaubt die Erstellung eines Karyotyps und die Identifizierung
chromosomaler Aberrationen (numerisch und strukturell). Jeder G-Bande wird eine Nummer
zugewiesen, der kurze Arm wird als p-Arm, der lange als q-Arm bezeichnet. Eine eindeutige
Bezeichnung einer Abberration könnte lauten: t(11;22)(p13;q11.2) – Translokation zwischen den
Chromosomen 11 und 22, am p-Arm von Chromosom 22 schließt an Bereich 13 der zweite Bereich
des q-Arms von Chromosom 11 an.
Entsprechend der Lage des Centromers spricht man von metazentrischen, submetazentrischen,
akrozentrischen und telozentrischen Chromosomen.
Karyotypen sind Speziesgrenzen. Der chinesische und der indische Muntiac haben etwa die gleiche
Menge an DNA, diese ist aber unterschiedlich auf Chromosomen verteilt (beim indischen Muntiac
sind einige Chromsomen fusioniert). Die beiden Spezies können miteinander keine Nachkommen
haben, da keine homologen Chromosomen paaren können.
6.6 Chromosomenabberationen
Chromosomenabberationen können auf unterschiedliche Weise zu Stande kommen. Man versteht
darunter Mutationen, bei denen ganze Chromosomenabschnitte deletiert, translociert, invertiert oder
dupliziert werden sowie Ereignisse, die zum Verlust oder Gewinn zusätzlicher Erbinformation
führen.
Das Burkitt-Lymphom hat seine Ursache in der Translokation des c-myc-Gens von Chromosom 8
in die Nähe einer der Immunglobulin-Ketten Fc, λ, κ auf den Chromosomen 14, 22 oder 2.
Beim Philadelphia-Chromosom ist es zum gegenseitigen Austausch zwischen Chromosom 9 und
22 gekommen. Dadurch entstehen neuartige Fusionsgene. Das ursprüngliche Gen c-ABL, eine
Tyrosinkinase, fusioniert mit BCR, sodass in Folge ein BCR-ABL-Fusionsprotein gebildet wird, das
eine konstitive Signaltransduktion nach sich zieht und Apoptose blockiert – eine Tumorzelle
entsteht.
Bei der Änderung in der Anzahl von Chromosomen unterscheidet man zwischen:
•
•
abberrante Euploidie – Änderung der Zahl von ganzen Chromosomensätzen
Aneuploidie – Änderung der Anzahl einzelner Chromosomen
Monoploidien und Polyploidien sind abberrante Euploidien. Polyploidien unterscheidet man
weiter in Autopolyploidie, mehrfacher Chromosomensatz der gleichen Spezies, und Allopolyploidie, die Chromosomensätze stammen von verschiedenen Spezies.
Organismen, die parthenogenetisch reifen, sind oft monoploid. Staatenbildende Insekten umgehen
die Meiose (Drohnen). Monoploide Organismen umgehen die Meiose bei der Gametogenese.
Polyploidie ist ein häufiges Phänomen in Pflanzen. Indirekte Evidenz dafür sind die im Vergleich zu
ungeradzahligen häufigen geradzahligen haploiden Chromosomensätze. Nematoden und Amphibien
können abberrante Euploidien haben. Normalerweise geht mit dem Ploidiegrad die Körpergröße
einher.
Auf Grund von Segregationsfehlern in der Meiose sind Triploide und Alloploide Organismen in der
Regel steril. Bei der Gametogenese können Trivalente oder andere Falschpaarungen auf Grund
fehlender homologer Chromosomen auftreten, daher sind die Nachkommen aneuploid.
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Wie erhält man wieder fertile Nachkommen? Die Lösung heißt komplette Verdopplung der
Chromosomen durch Behandlung mit Colchizin, dem Gift der Herbstzeitlose. Es depolymerisiert
Tubulin, somit zerfällt der Spindelapparat. Es findet keine Segregation statt, dafür stehen jetzt
homologe Chromosomen zur Verfügung, um eine korrekte Segragation durchzuführen. Man
behandelt zum Beispiel den Zweig einer Pflanze, damit die Blüten daran polyploide Gameten
erzeugen. Aber es können immer noch Segregationsfehler auftreten: Quadrivalente (Chromosomen
haben partielle Ähnlichkeit zueineander), Univalent und Trivalent.
Sequenzierung von Genomen hat gezeigt, dass viele Pflanzen pseudo-polyploid sind, ihre Genome
aus verschiedenen frühen Auto- und Allopolyploidisierungen hervorgegangen sind. Heute verhalten
sie sich aber wie normale diploide Organismen.
Fremdbestäubung in Pflanzen führt oft zur Entstehung steriler Hybride. Ein Beispiel ist die neue
Spezies Raphanobrassica, die aus Hybridisierung von Vertretern der Gattungen Brassica und
Raphanus von Karpetschenko (1928) erzeugt wurde. Die F1-Genertation war allerdings steril. Durch
Behandlung mit Demecolcin (Colcemid, zweithäufigstes Alkaloid der Herbstzeitlose) wurde der
Chromosomensatz dupliziert, es entstand ein amphidiploides, fertiles Individuum mit je einem
diploiden Chromosomensatz der Eltern.
Hybridisierung und Alloploidisierung sind häufige Ereignisse in der Entwicklung (Evolution) neuer
Pflanzenspezies, speziell bei der Entstehung der heutigen Kulturpflanzen (Hybridisierung der
Brassicaceaen B. nigra, B. oleracea und B. Campestris).
Auch der moderne Weizen ist Resultat von Alloploidisierungen. Vor rund 10.000 Jahren sind
Triticum monococcum und Triticum searsii zu einem tetraploiden Hybriden (Triticum turgidum)
verschmolzen, später hat er mit dem wilden Weizen Triticum tauschii den hexaploiden Hybriden
und heutige Grundnahrungsmittel Triticum aestivum gebildet.
Wie geht man bei moderner Pflanzenzüchtung vor? Zuerst isoliert man die Protoplasten aus den
Zellen der Eltern. Die Protoplasten werden mit chemischen Agentien zur Fusion angeregt. Nun hat
man Hybride somatischer Zellen vorliegen. Die Stimulation zu Differenzierung und Teilung lässt
ein kleines amphidiploides Pflänzchen entstehen, das aber steril ist. Endomitose kann zur
Allopolyploidisierung führen, die den meiotischen Defekt kompensiert.
Die Duplikation oder Deletion einzelner Chromosomen (Aneuploidie) entsteht hauptsächlich durch
non-disjuntion in der ersten, selten auch in der zweiten, meiotischen Teilung.
Aneuploidien sind beim Menschen sind meist nicht mit dem Leben vereinbar und führen zu
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Spontanaborten, handelt es sich um kleinere Chromosomen werden Aneuploidien toleriert.
Bei aneuploiden Chromosomensätzen unterscheidet man Trisomien, Monosomien und Nullosomien.
•
•
•
•
X0 – Turner-Syndrom
XXY – Klinefelter-Syndrom
Trisomie 21 – Downs-Syndrom
Trisomie 18 – Edwards-Syndrom
Warum werden Aneuploidien kleiner Chromosomen toleriert? Dazu gibt es verschiedene Theorien,
Tatsache ist, dass zum Beispiel Chromosom 21 sehr klein und genarm ist. Deswegen findet wenig
Rekombination und physischer Kontakt statt, eine adäquate Segregation ist nicht gewährleistet.
Die Gonosomen paaren über eine sehr kurze, pseudo-autosomale Region, wodurch auch hier
Segregationsfehler passieren können.
Das Risiko für eine Trisomie 21 korreliert exponentiell mit dem Alter der Mutter. PID könnte Aufschluss über einen vorliegenden Fall geben, ist in Österreich aber verboten, es widerspricht offenbar
moralischen Wertvorstellungen.
6.7 Centromer
Das Centromer beherbergt das Kinetochor, eine Proteinstruktur mit drei Komponenten. An die
Corona (Motorproteine) binden Microtubuli.
•
•
•
inner kinetochor plate
outer kinetochor plate
corona
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Was ist die Funktion, wie und warum bildet sich ein Kinetochor? Das Kinetochor ist ein Ankerpunkt
für den Spindelapparat, Motorproteine üben Kraft aus, die die Chromosomen bzw. Schwesterchromatiden auseinanderzieht.
Microtubuli haben (+)-Enden und (-)-Enden. Die (-)-Enden befinden sich an den Centrosomen
(microtubuli organizing center), an den (+)-Enden wird Tubulin polymerisiert. Depolymerisation
passiert an beiden Enden, am (+)-Ende viel schneller.
Wie ist eine Centromersequenz definiert? Experimente in der Hefe zur Charakterisierung von CDEs
(centromer DNA elements) beigetragen. Dazu wurden ade2– Hefestämme mit Plasmiden transformiert, die ade2 (Adeninbiosynthese) und verschiedene Fragmente des Hefegenoms enthalten
haben. Normalerweise segregieren Plasmide nicht geordnet, sondern teilen sich irgendwie auf die
Tochterzellen auf. Trägt ein Plasmid allerdings ein CDE-insert, so kann sich ein Kinetochor bilden
und ade2 bleibt in beiden Zellen erhalten. Rote Kolonien signalisieren eine Unfähigkeit zur Adeninsynthese, hier sammelt sich ein farbiges Zwischenprodukt an. CDEs finden sich in fast allen HefeChromosomen.
Bei S. pombe und höheren Eukaryoten bildet repetitive DNA die Centromere, auch die Centromergröße variiert.
Gene, die in Centromerregionen inserieren, erfahren silencing, auch repetitive Elemente befinden
sich an mehreren Positionen im Genom, daher vermutet man, dass ein Centromer epigenetisch
definiert ist.
In der Hefe binden verschiedene Proteinfaktoren an CDEs, die CBFs genannt werde (centromer
bindung factors). CBF3 ist dabei ein Adapter für den Spindelapparat. Darüberhinaus befindet sich
an den Centromeren eine Histon H3 Variante, das CSE4 (CenH3, CEN3 Nucleosom).
Im Menschen sind Centromere durch α-Satelliten DNA (171 bp) definiert, die CENP-B Boxen
enthält, das sind Bindungsstellen für das CENP-B Protein. Auf Chromosom 1 befindet sich eine
zweite Region, die bei Verlust des ersten Centromers einspringen kann. Wie das passiert, ist unklar.
Neben CENP-B sind CENP-A und CENP-C am Kinetochor beteiligt. CENP-A ist das Analogon zu
CSE4, die Funktion von CENP-C ist unbekannt.
7 – Replikation
Das Replizieren von Genomen ist eine erstaunliche Leistung, müssen doch Strukturen wie Telomere
erhalten oder eine korrekte Segregation von Chromosomen gewährleistet werden. Die Replikation
in prokaryotischen unterscheidet sich von Replikation in Eukaryoten.
Der Zellzyklus wird durch checkpoints kontrolliert, besonders an heiklen Stellen wie Replikation
oder Segregation der Chromosomen muss besonders reguliert werden. Fehlen die checkpoints, läuft
der Zellzyklus weiter, aber unkontrolliert.
Man unterscheidet zwischen unidirektionaler (Eukaryoten) und bidirektionaler (Prokaryoten)
Replikation. Bakterielle Replikation ist bidirektional ausgehend von einem einzigen ORI. Sie wird
initiiert, wenn ein bestimmter Grenzwert der Zellmasse überschritten wird. DnaA bindet an hochaffine Sequenzen am ORI, fördert das Schmelzen A-T-reicher Bereiche (DUE, DNA unwinding
element) und das Beladen mit DnaB (Helicase). Vom Fis-Protein (factor of inversed stimulation)
liegen etwa 50.000 Moleküle pro Zelle vor, die mit DnaA konkurrieren. Wächst eine Zelle
verringert sich die relative Konzentration an Fis, die reprimierende Wirkung von Fis lässt nach,
Replikation kann beginnen. Bakterielle DNA hat bestimmte Terminationssequenzen (terC, 23 bp),
zwei ähnliche pro Nukleoid oder Plasmid. Diese sind beim Stoppen der Strangsynthese und der
Dekatenierung mittels Topoisomerase II von Bedeutung.
Für Replikation, speziell Strangsynthese, ist ein freies 3'-OH Ende erforderlich. Wie wird das zur
Verfügung gestellt? Verschiedene Strategien sind entstanden, um das Problem zu lösen:
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•
•
•
DNA nick: Einzelstrangbruch
RNA primer: DnaG (Primase)
Einzelnes Cytosintriphosphat: Adenoviren
Nachdem DnaA gebunden hat, wird DnaB und DnaC vom prepriming complex rekrutiert. Wie
werden leading und lagging strand koordiniert? Die Synthese des lagging strands erfolgt
diskontinuierlich, die Syntheserichtungen laufen genau genommen in entgegengesetzter Richtung.
Es gibt zwei Modelle der Okazaki-Fragmentverlängerung:
•
•
dissociation-association: Eine katalytische Untereinheit fällt ab, eine andere bindet
recycling: Dieselbe katalytische Untereinheit wird wiederverwendet
Das recycling-Modell ist das wahrscheinlichere, eine sliding clamp (β-Untereinheit der Polymerase)
wird mittels ATP-abhängigen clamp loading factors an den DNA-Strang geladen, je einmal am
leading und am lagging strand. Die clamp ist affin zur DNA Polymerase III, die τ-Untereinheiten
sorgen für Dimerisierung des Komlexes.
Das Äquivalent der clamp in Eukaryoten ist PCNA (proliferating cell nuclear antigen), ein Tumormarker.
Das Voranschreiten der DNA Polymerisation stellt man sich so vor, dass die DNA durch den
Replikationskomplex durchgezogen wird.
Die diskontinuierliche Synthese des lagging strands verläuft unterschiedlich in Prokaryoten und
Eukaryoten. In Bakterien hat DNA Pol III keine 5'-3' Exonuclease-Aktivität, DNA Pol I ersetzt die
Okazaki-Fragmente mit DNA, Ligase verbindet die Lücke im Phosphatrückgrat. In Eukaryoten
wird der Primer einfach im Zuge der Verlängerung des nächsten von FEN1 von der Matrize gelöst,
die Strangsynthese wird fortgesetzt, bis er auf DNA trifft. Die 3'-5' Lücke wird ebenfalls von Ligase
geschlossen.
Viele DNA Polymerasen haben eine 3'-5' proofreading-Aktivität. Dabei wirkt eine Untereinheit der
Polymerase als Exonuclease und entfernt Nukleotide, bis das mismatch gefunden wurde. Virale
Polymerasen oder die Taq-Polymerase, das man für PCR einsetzt, haben keine ExonukleaseAktivität und daher hohe Fehlerraten bis 10-5.
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Eukaryotische Chromosomen haben viele ARSs (autonomously replicating sequences, äquivalent
zu ORIs). Sie liegen 40-100 kb auseinander und deshalb so zahlreich, weil sonst Jahre vergehen
würden, bis zum Beispiel ein Mensch seine Embryonalphase beendet hätte. Welche Sequenzen das
sind, hat man mit Hefescreens herausgefunden. Mutationen in den Bereichen A, B1, B2 und B3
einer ARS haben dessen Aktivität stark herabgesetzt.
In Eukaryoten sind viele Polymerasen an der DNA Replikation beteiligt. Die Polymerasen α
(Initiation), δ (leading strand Elongation, ε (lagging strand elongation, unsicher), γ (mitochondriale
Replikation) haben replikative Funktionen. Man hat bisher keine Koordination zwsichen leading
und lagging strand Synthese finden können. Die Initiation der Replikation hängt von ähnlichen
Faktoren wie in Prokaroyten ab, allerdings gibt es kein Homolog zum τ-Protein, so liegen die
Replikationskomplexe nicht dimer vor.
Wie wird das gleichzeitige Auslösen der ARSs zur Replikation gewährleistet? Starke Kontrolle geht
von Cyclinen und cyclin-dependant kinases (cdk) aus, dem Kontrollsystem des Zellzyklus.
In der Hefe bleibt der ORC (origin recognition complex) permanent an ARS gebunden. Mit dem
ORC sind in der G1-Phase Cdt1 und Cdc6 sowie MCM (maintenance of minichromosomes)
assoziiert. In der S-Phase wird die Assemblierung durch Phosphorylierung dieser Faktoren
verhindert, somit kann eine Initiation nur in der G1-Phase erfolgen. Kommt es zu einem Fehler,
wird der Zellzyklus angehalten. Die weiteren wichtigen Schritte sind: (1) RNA Polymerase α
(Primase) startet Replikation und (2) PCNA rekrutiert Polymerase δ, Elongation wird eingeleitet.
7.1 Spezialformen der Replikation – Organellen, Adenoviren, Retroviren
Die Replikation von Mitochondrien und Plastiden sollte bidirektional sein, ist sie aber nicht. Sie
replizieren asymmetrisch von zwei ARSs aus, beide Stränge separat. Ausgehend von einem ARS
wird der H strand repliziert, es bildet sich ein displacement loop (D loop), der im EM sichtbar ist.
Der Einzelstrang kann mit einer Nuclease, die für Einzelstränge spezifisch ist, degradiert und somit
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nachgewiesen werden. Erreicht die Replikation die ARS des L strands, wird in die Gegenrichtung
repliziert. Jeder Strang für sich repliziert unidirektional.
Adenoviren sind lineare DNA Viren. Sie besitzen ein Protein mit Serin im aktiven Zentrum, das das
5'-terminale Cytosin bindet, die Doppelhelix geht auf und die DNA-abhängige Ad DNA Pol beginnt
mit einem einzigen Nukleotid (freies 3'-OH) die Synthese. Der zweite DNA Strang bildet derweil
eine Sekundärstruktur über Paarung der komplementären Enden.
Die Serin-Brücke wird anschließend gespalten und das 5'-Ende mit einem Triphosphatrest
geschützt, der vom Immunsystem benutzt wird (TLR-Interaktion), um die adenovirale DNA von
eigener DNA zu unterscheiden (eigene hat cap-Struktur).
Retroviren sind RNA Viren, die sich mittels Reverser Transkription über ein DNA-Intermediat
replizieren. Die viral codierte Reverse Transkriptase übersetzt das RNA Genom bei Infektion eines
Wirts in cDNA, die ins Genom der Wirts mittels Integrase integrieren und dort perisitieren kann.
Aber auch diese Polymerase braucht einen Startpunkt, der Ablauf einer reversen Transkription ist
folgender:
1. t-RNA des Wirts ist der Startpunkt
2. minus-Strang beginnt zu replizieren, bis Ende erreicht
3. Exonuclease legt die R-Region frei, somit wird der plus-Strang verkürzt
4. First jump ans andere Ende des plus-Strangs, Paarung mit der R-Region
5. Synthese bis Matrizenende erreicht ist
6. Entfernen der t-RNA, DNA-RNA-Hybrid liegt vor
7. Ribonuclease H degradiert RNA ineffizient, einzelne Nukleotide bleiben, dienen als Primer
8. Synthese des plus-Strangs
9. Second jump, Paarung an R-Region
10. U3 und U5 wurden jeweils dupliziert → LTRs zur Integration ins Genom
- 25 -
7.2 Zusammenhalt von Metaphasenchromosomen
Behandlung von Zellen mit Nocodazol hat gezeigt, dass die
Schwesterchromatiden sich vorzeitig voneinander lösen, es
also einen Faktor geben musste, der als Klebstoff wirkt.
Cohesine verbinden Schwesterchromatiden in der Metaphase, dabei wird so lange gewartet, bis das
Chromsom auf Spannung, also das Centromer an ein Mikrotubuli gebunden ist, sonst wirken die
Motorproteine nicht. Nocodazol (Strukturformel) depolymerisiert Mikrotubuli, das Signal für die
Motorproteine wird nie gegeben. Cohesine bestehen aus SMC1 und SMC3, Kleisine (Scc1, Scc3)
schließen daraus einen Ring, der beide Chromatiden, oder zumindest einige Chromatinschleifen,
umschließt. Die Tertiärstruktur und die Proteindomänen ähneln denen der Condensine.
In der Anaphase bewirkt der APC (anaphase promoting complex), dass Securin, welches die
Separase inhibiert, abgebaut wird. Dadurch kann Separase Scc1 abbauen, die Chromatiden können
segregieren.
In einem experimentellem Ansatz hat man die Cohesin-Gene unter induzierbare Promoter gestellt
und in verschiedenen Stadien des Zellzyklus aktiviert. Die Fragestellung war, ob der Zusammenhalt
mittels Cohesinen nach der DNA-Replikation etabliert wird. Das Ergebnis war aber, dass bereits vor
der S-Phase Cohesin exprimiert werden muss, was ein Indiz dafür ist, dass die Polymerasen durch
die Ringe hindurch synthetisieren.
Nach welchem Mechanismus wird die Segregation reguliert? Mad2-Kinase inhibiert den APC, bis
die Chromatiden auf Spannung sind (Mad-Pathway). Der APC ist eine Ubiquitin-abhängige
Protease.
Der dargestellte Prozess entspricht dem in der Hefe, in höheren Eukaryoten dürfte mehrere Ebenen
der Regulation geben: (1) centromernahe Kohäsion (wie bisher dargestellt), (2) Polokinase, eine
Aurorakinase, trennt Arme der Chromatiden.
Es ist essentiell, dass sicher gestellt ist, dass die Spindel richtig verankert wird, sonst würde es zur
asymmetrischen Verteilung und daher zu Segregationsdefekten und Aneuploidien kommen. Dazu
gibt es eine Reihe regulatorischer Kinasen, die Aurorakinasen. Ein abweichendes Segregationsverhalten zeigen Polytänchromosomen in den Speicheldrüsen von Drosophila-Larven. Das sind
Interphasechromosomen, die vergessen haben, nach der S-Phase zu segregieren (Endomitose). So
entsteht ein Bündel aus 1024 Strängen mit einem Bandenmuster, das schon früh eine Genkartierung
erlaubt hat. Die Folge der DNA-MAsse ist, dass viel mehr templates für die Transkription zur
Verfügung stehen und enorm viel Protein synthetisiert wird.
7.3 Telomere
Bei der Replikation linearer DNA ergibt sich ein Problem: Wenn das letzte Okazaki-Fragment vom
lagging strand entfernt wird, kann die verbleibende Sequenz nicht 5'-3' synthetisiert werden, es
bleibt ein 3'-Überhang am komlementären Strang. Im nächsten Replikationszyklus würde der nun
leading strand als verkürztes template dienen, über mehrere Zyklen läuft man in eine sukzessive
Verkürzung der DNA. Dies ist leider in somatischen Zellen der Fall.
Warum erleidet man nicht sofort Schaden? Im Bereich der Telomere liegen hochrepetitive Elemente
(TTAGGG) tausendfach hintereinander ohne codierende Funktion zu haben. Im subtelomeren
Bereich befindet sich außerdem Heterochromatin. Irgendwann wären allerdings codierende
Sequenzen betroffen, betroffene Zellen sterben dann. In Keimbahnzellen und leider auch Tumorzellen wirkt ein Mechanismus, der die Telomerlänge wiederherstellt. Darum ist es Therapieansatz,
die Telomeraseaktivität in Tumoren zu inhibieren – allerdings befürchtet man Kollateralschäden,
wenn auch epitheliale oder andere Stammzellen im adulten Menschen inhibiert werden. Die Maus
kann bis zu 3 Generation vollkommen ohne Telomerase auskommen (knock out), dann treten aber
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rasch Defekte und Tod ein. Die Telomerlängen sind von Spezies zu Spezies verschieden, die Maus
hat zum Beispiel längere Telomere als der Mensch.
Wie sieht der Mechanismus der Telomerverlängerung aus? Die humane Telomer Reverse Transkriptase (hTERT) verlängert mittels eines RNA-Templates immer den 3'-Überhang. Das RNATemplate ist recht unterschiedlich zwischen den Spezies. Für die Reparatur mittels hTERT ist eine
noch vorhandene TTAGGG-Sequenz nötig, sonst ist der Schaden irreparabel. Auf Grund dersich
wiederholenden Sequenz, kommt es zum slipping der hTERT, sodass mehrere Elongationszyklen
den Überhang auf etwa 200 Basen erweitern.
Die hTERT setzt sich aus den Unterheiten TP1 und p23 zusammen, die den Komplex stabilisieren,
TERT ist der katalytische Teil. Man kennt mindestens zwei Cofaktoren, die zu TTAGGG hochaffin
sind:
•
•
TRF1 – Inhibiert die Telomeraseaktivität und reguliert somit die Telomerlänge
TRF2 – Vermittelt t-loop Bildung; Verminderte Expression zeigt end-to-end Fusionen
- 27 -
Da auch nach Verlängerung noch ein 3'-Überhang bleibt, wurden von Organismen verschiedene
Strategien entwickelt, dass durch den Einzelstrang eine ungewollte Reparatur durch einen
Zellzyklus-Checkpoint ausgelöst wird. In der Hefe bindet Ku70/80 den 3'-Überhang und maskiert
ihn dadurch. Fehlt Ku70/80, beobachtet man end-to-end Fusion, die jetzt dizentrischen Chromosomen werden von der Spindel gewaltsam auseinandergerissen.
Telomere bilden im Menschen eine terminale schlaufenförmige Struktur, die verhindert, dass
Chromosomenenden als Chromosomenbrüche erkannt werden. Man spricht vom loop model of
telomer structure. Der Einzelstrang bildet einen d-loop, die Schlaufe bezeichnet man als t-loop. Die
Struktur wurde allerdings nur selten beobachtet und gleicht eher einem Postulat, trotzdem hat es
Eingang in die Lehrbücher gefunden.
8 – Genomorganisation
Die Genomgröße korreliert nicht mit der Anzahl an Genen. Komplexere Organismen haben bei
etwa gleicher Genzahl eklatant schwankende Genomgrößen, also Anzahlen an Basenpaaren (vgl.
Fadenwurm ↔ Mensch ↔ Lilie). Speziell bei Pflanzen, deren Speziesgrenzen auf Grund von
Polyploidien nicht klar definierbar sind, findet man deswegen extreme DNA-Mengen.
Wenn die Genzahl etwa gleich ist, warum variiert dann die Genomgröße? Neben codierenden
Sequenzen finden sich in Genomen eine Reihe von Elementen, die regulatorischer Natur,
individueller Marker oder parasitäre Reminiszenzen sein können.
1.
2.
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7.
8.
Regulatorische Sequenzen
Introns
Non-coding RNAs: Ribosomale RNA, tRNAs, miRNAs
Satelliten DNA
Repetitive DNA
DNA Transposons, Retrotransposons,
Long interspersed elements (LINES)
Short interspersed elements (SINES)
Generell handelt es sich dabei um repetitive DNA, früher als junk DNA bezeichnet. Man
unterscheidet zwischen hoch- und mittelrepetitiver DNA. Es gibt keine spezifischen Bereiche, in
denen repititive DNA vorkommt, sie verteilt sich auf alle Chromosomen.
- 28 -
8.1 Satellite DNA
Unter diesem Begriff vereint man hochrepetitive DNA sowie Unterruppen der tandem repeats.
Lange hat man weder zu Bedeutung noch zu Entstehung Theorien gehabt, heute weiß man, wie sie
sich im Genom verbreiten:
•
•
unequal crossing over – ändert die Zahl der Wiederholungen
replication slippage – RNA Polymerase macht beim Auftreffen auf bestimmte Sequenzen
vermehrt Fehler, der replizierte Strang kann seine Basenpaarung lösen, sodass die
Polymerase zurückrutscht → und schon wurde ein kurzer Abschnitt dupliziert.
Dadurch verändert sich das Verhältnis der G-C/A-T – Anteile im Genom, die ein spezifisches
Gewicht aufweisen. In einer Dichtegradientenzentrifugation (Salzgradient: Cäsiumchlorid) kann
nun der A-T-reiche Anteil (der fragmentierten Chromosomen, Anm.) als Satelliten DNA gewonnen
werden (geringere Dichte, weniger Svedberg-Einheiten). Satelliten befinden sich meist an
centromeren Regionen (CENP-8 boxes). Dieses Verfahren baut auf die Entdeckungen von Chargaff
auf und wurde vor dem Siegeszug der Gelelektrophorese eingesetzt.
VNTRs (variable number of tandem repeats) sind die Grundlage von Vaterschaftstests. VNTRs sind
spezifisch für ein Individuum und ergeben einen DNA fingerprint, bestehend aus Kombinationen
von Läng und Position von VNTRs im Genom (VNTRs haben 10-fach höhere Rekombinationswahrscheinlichkeit). Allerdings kann die Methode bei bottle neck Populationen, also Völkern, die
sich aus wenigen Individuen entwickelt haben (nordamerikanische Ureinwohner), versagen, da die
Variabilität zu gering ist (ein Merkmal kommt zB bei 2 Männern vor).
8.2 Tandem repeats
Multiple copy genes haben regulatorische Funktion, da sie eine höhere Transkription erlauben, mehr
RNA/Protein kann gebildet werden wegen mehr Ansatzstellen für die Polymerase. Histone und
rRNA sind Beispiele, diese Gene liegen mehrfach hintereinander im Genom, da davon viel
gebraucht wird.
8.3 Transposable elements
Transposable Elemente machen einen Großteil des Genoms aus. Man unterscheidet zwischen DNAund RNA-Transposons:
•
•
DNA-Transposon: Kann die Insertionsstelle wieder verlassen (non-replicative transposition) oder dupliziert sich während der Transposition (replicative transposition)
RNA-(Retro-)Transposon: Verbleibt an der Insertionsstelle, integriert stets eine neue Kopie
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DNA Transposons haben meist inverted repeats und führen bei Insertion zu target site duplication.
Die target site wird dabei im ersten Schritt von Transposase gebunden, die einen sticky end
Doppelstrangbruch einführt → die 3'-OH Reste der Host DNA werden dann mit 5'-Phosphat des
Transposons ligiert, die verbleibenden Lücken vom Wirt geschlossen (braune Ellipsen).
Die Verbreitung von DNA Transposons folgt meist einem excision-insertion Mechanismus, dabei
verlässt das Element die Insertionsstelle und hinterlässt eine verdoppelte target site oder einen
Doppelstrangbruch. Der Phage λ springt vollständig ohne target site duplication zu hinterlassen.
Manchmal folgt die Verbreitung aber auch einem copy Mechanismus, bei dem nur eine Kopie an
einer anderen Stelle integriert.
Replikative sowie nicht-replikative Transposition benutzen das gleiche Intermediat. Es sei an Hand
von Plasmiden (Mu-Phage) erklärt, da man es dabei am besten verstanden hat. Zuerst entstehen
Einzelstrangbrüche (nicking), danach ligieren die Enden des Transposons ans target unter
Ausbildung des strand transfer complex, eine dem Crossover ähnliche Struktur. Nun entscheidet es
sich, ob der Donor herausbricht oder sich ein Cointegrat bildet, das zwei Kopien des Transposons
beinhalten, bildet. Bricht der Donor, liegt das Plasmid linearisiert vor, das Transposons ist ohne
Replikation gesprungen. Das Cointegrat kann mit einem weiteren Plasmid fusionieren und eine
Kopie des Transposons weitergeben, das Transposon ist unter Replikation gesprungen.
Transposition ist eine treibende Kraft der Evolution („parasitäre“ DNA, selfish gene), die für ein
Individuum meist negative, für die Population aber in Summe positive Auswirkungen hat. Ist die
Transposase auf Grund einer Mutation defekt, kann dies durch die Transposase eines anderen,
mitunter nicht verwandten, Transposons kompensiert werden. Transposons können zu DNA
rearrangement in Form von Verlust oder Inversion genomischer Information führen:
→ Verlust: Direkte repeats paaren, zirkuläre DNA verlässt das Genom
→ Inversion: Indirekte repeats paaren, eingeschlossene DNA wird invertiert
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Die Eigenschaften von DNA-Transposons sind:
• Codieren meistens eine eigene Transposase (vgl. Mais Ac-Element)
• Können Deletionen in der Transposase haben (vgl. Mais Ds-Element)
• Können andere Gene zwischen den LTRs tragen
• Können durch eine in trans wirkende Transposase aktiviert werden
• Migrieren lokal
• Transposition kann präzise oder unpräzise sein
• Transposition führt häufig zu target site duplication
• Excision hinterlässt es einen toe-print, (Anlehnung an foot print, weil nur doppelte target
site bleibt)
Beispiele für DNA-Transposons sind IS1, IS2, IS4, IS5, IS10R, IS50R, IS903, alle mit Längen um
die 1000 Basenpaare, inverted repeats um 9-41 bp und target sites um die 10 bp.
Das Mais-Transposon kann in zwei Formen vorkommen, als activator-Element (AC) oder
dissociator-Element (DS). Das Aktivatorelement ist ein typisches DNA Transposon mit 5 Exons im
ORF. Dissoziatorelemente sind ähnlich, nur haben sie interne Deletionen oder sind mit Fremd-DNA
kontaminiert, sodass die Transposase funktionslos ist. AC-Elemente können DS-Elemente
aktivieren, da die terminalen Erkennungssquenzen erhalten bleiben.
Die ursprüngliche Beobachtung von Barbara McClintock (1948) war, dass Chromosom 9 an einem
DS-Locus gebrochen ist und zwar nur, wenn mit AC-Stämmen gekreuzt wurde. Nachkommen
dieser Individuen zeigen verschiedene Färbung der Maiskörner: In unmittelbarer Nähe des DSLocus liegen verschiedene Gene, darunter colourless (c) bzw. pigmented (C), letzteres ist für die
Färbung verantwortlich (Körner von wild wachsendem Mais sind braun).
Auf Grund des Doppelstrangbruchs, hervorgerufen durch AC-aktiviertes Springen des DS-Locus,
geht ein azentrisches Fragment verloren, die natürliche braune/violette Farbe wird nicht mehr
exprimiert. Mitotische Expansion führt zum gefleckten Phänotyp.
DS kann in pigmented inserieren und so seine Funktion stören. Körner dieses Genotyps sind dann
gelb. Verlässt DS den C-Locus, bildet sich wieder die braune Farbe. Das ist eine weitere Variante,
wie transposable Elemente zu einer Vielfalt an Phänotypen führen können ( → vgl. Farbmosaike bei
Wildblumen, meist auf virale Infektion zurückzuführen).
- 31 -
Transposable Elemente eignen sich hervorragend, um Gene kaputt zu machen oder zu stören und so
die Funktion in mutagenesis screens zu studieren. Der Genetiker wendet zwei approaches an:
1. loss of function: Transposon in den ORF eines Gens inserieren
2. gain of function: künstliches Transposon bringt ein neues/modifiziertes Gen mit einem
starken Promoter (zB P-Element von Drosophila)
Das P-Element von Drosophila ist erst vor etwa 200 Jahren in die Fruchtfliegenpopulation
eingewandert, vermutlich über die Hämolymphe von Raubwespen. Eine Infektion äußert sich einem
Phänomen, der hybrid dysgenesis. Man unterscheidet zwischen P- und M-Stämmen, erstere sind
Wildtyp (praktisch alle Fruchtfliegen haben P-Elemente), M-Stämme sind Laborstämme und haben
meist kein P-Element.
P-Elemente springen nur in der Keimbahn, somatisch werden alle 4 Exons exprimiert, die Transposase funktioniert daher nicht. Kreuzt man ein M-Weibchen mit einem P-Männchen sind die
Nachkommen steril (dysgene Kreuzung). Kreuzt man allerdings ein M-Weibchen mit einem P- oder
M-Männchen erhält man fertile Nachkommen (reziproke Kreuzung). Warum? In der reziproken
Kreuzung gibt das Weibchen über das Cytoplasma der Oocyte einen Repressor weiter, der die
Transposition des P-Elements verhindert. In der dysgenen Kreuzung sammeln sich Mutationen auf
Grund der ungezügelten Transposition und des fehlenden Repressors an, an Fortpflanzung können
diese Fliegen nicht einmal mehr denken.
Welcher molekulare Pathway liegt dem zu Grunde? Eine Sorte von siRNA, piRNA für PIWIinteracting RNA, etabliert Immunität gegen einwandernd P-Elemente im sogenannten ping-pong
model for piRNA biogenesis. Endogene Kopien von inaktivierten P-Elementen sammeln sich an
bestimmten Loci, die unter einem gemeinsamen Promoter stehen. Daraus entstehen antisense
Transkripte, die prozessiert werden und mit PIWI, einem Argonaut-ähnlichem Protein, assoziieren.
Der Komplex aus PIWI und piRNA kann nun Transposon-RNA spalten, die widerum die Spaltung
der antisense Transkripte fördert – quasi ein Henne-Ei-Kreislauf (Anm. des Verfassers). Der
Kreislauf produziert eine große Menge an piRNA, die mit dem Ooplasma vererbt wird – so sind
Weibchen mit einem P-Element resistent gegen eindringende P-Elemente. Allerdings sind noch
nicht alle Details geklärt.
Der Pathway wirkt erst ab einer bestimmten Konzentration an Transposons, erst wenn 30-40 PElemente im Genom vorhanden sind wird piRNA aktiv.
Wie verwendet man transposable Elemente zur Mutagenese? Ein gain of function approach ist, zwei
verschiedene bakterielle Vektoren im syncytischen Stadium eines Drosphila-Embryos zu injizieren.
Ein Vektor trägt ein Drosophila-Gen (ry+), der zweite, das Helferplasmid, den Selektionsmarker: In
diesem Fall ein P-Element, um Transposition in späteren Generationen zu verhindern.
Kosegregation des ry-Phänotyps mit einer bestimmten Mutation erlaubt Positionsbestimmung der
Mutation. Flankierende Sequenzen des Inserts im Genom werden mittels inverser PCR bestimmt.
8.4 Retrotransposons
Retrotransposons / RNA Transposons haben ein RNA-Intermediat im Gegensatz zu DNA-Transposons. Retrotransposons bleiben stets an der Insertionsstelle, sie inserieren Kopien, die revers aus
dem RNA-Intermediat transkribiert werden.
Retrotransposons und Retroviren sind strukturell und funktionell ähnlich, sie enthalten eine reverse
Transkriptase, eine Integrase und LTRs, die Hüllproteine (Env) haben sie verloren. Die Replikation
erfolgt wie bei Retroviren über zwei priming events ( vgl. adenovirale Replikation).
- 32 -
Wie hat man gefunden, dass es ein RNA-Intermediat gibt? Aus einem Plasmid mit Ty1 hat man ein
Plasmid hergestellt, das einen mit Galactose induzierbaren Promoter vor Ty1 sowie ein Fragment
eines anderen Gens innerhalb von Ty1 hat. Das primäre Transkript wurde in der Zelle gesplicet,
danach hat man Kopien von Ty1 ohne Intron im Genom nachgewiesen.
In eukaryotischen Genomen findet man drei Typen von Retrotransposons:
Virale Superfamilie
LINES
Avirale Superfamilie
Vertreter
Ty1 (S. cerevisiae)
Copia (D. melanogaster)
L1 (Mensch)
B1, B2, ID, B4 (Maus)
SINES (Alu Sequenz)
Pseudogene (7SL-RNA)
Termini
Long terminal repeats
Keine repeats
Keine repeats
Target repeats
4-6 bp
7-21 bp
7-21 bp
Enzymaktivität
Reverse Transkriptase
und/oder Integrase
Reverse Transkriptase,
Endonuklease
Keine (zu wenig
genetische Information)
Organisation
Kann Introns enthalten,
werden gesplicet
1 oder 2 durchgehende
ORFs
Keine Introns
Eigenschaften von Reverser Transkriptase:
•
•
•
•
Korrekturlesefunktion 3' → 5' fehlt: Fehlerrate 10-5
Toleriert primer misalignment
cDNA ist stets länger als RNA-template
Trägt zur Rekombination bei
Retrotransposons ohne LTRs (LINES, SINES) brauchen zur
Insertion einen DNA nick. Das Retroelement codiert diese Funktion
zusammen mit der reversen Transkriptase, die cis-Wirkung haben.
Genprodukte von LINES fördern die Aktivierung von SINES. Das
sind inaktive Transposons mit etwa 300 bp Länge, die in ihrer
Funktion auf LINES angewiesen sind.
LINES springen oft in aktive Gene – meist in Introns, andererseits
hätte es fatale Folgen.
LINES führen zu exon shuffling. Ein Gen X bestehe aus 4 Exons,
zwischen Exon 3 und 4 liegt ein L1 Transposon. Die Exons 1 bis 3
werden normalerweise zu einem Protein gesplicet. Nun springt L1
zwischen Exon 2 und 3 und nimmt Exon 4 mit (read through). Das
neue Protein besteht aus den Exons 1, 2 und 4, Exon 3 und 4 haben
getauscht.
Transposable Elemente im menschlichen Genom:
LINES
1-5 kb
20.000 – 40.000 Kopien
21% des Genoms
SINES
100-300 bp
1.500.000 Kopien
13% des Genoms
DNA Transposons
80-3000 bp (inaktiv/aktiv)
300.000 Kopien
3% ds Genoms
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8.5 Introns
Introns sind regulatorische Sequenzen, die nicht zur Codierung eines Proteins beitragen. Sie werden
mittels splicing aus dem primären Transkript entfernt, sodass die prozessierte mRNA nur aus Exons
besteht. Dieser Mechanismus ist eine evolutionäre Strategie, da Gene nicht ständig neu erfunden,
sondern bewährte Bausteine (zB. funktionelle Proteindomänen zur Bindung von Ionen) nur als
Blöcke verschoben werden müssen. Würden Organismen nur durch Punktmutationen evolvieren,
wäre die Evolution bei nicht auf dem heutigen Stand.
Der Trick besteht im alternative splicing. Dadurch erhält man proteomische Diversität, da eine
genetische Basis gewebsspezifisch in verschiedene Proteine übersetzt wird ( → vgl. Myoglobine).
Dies wird besonders in komplexen Organen (Hirn) und peipherem neuronalen Gewebe praktiziert.
Die meisten Intronsequenzen folgen dem Consensus GU/AG und werden durch die snRNPs U1,
U2, U4/U6 und U5 gesplicet. Eine kleine Fraktion ist durch einen AU/AC Consensus definiert
(ATAC introns), diese werden durch die snRNPs U11, U12 zusammen mit U4/U6 und U5 gesplicet.
U1 entspricht funktionell U11, U2 entspricht U12. Derzeit sind an die 40 U-snRNPs bekannt.
Small nuclear ribonucleoproteins (snRNPs) sind Partikel aus RNA und Proteinkompnenten. Oft
erfüllen RNPs katalytische Funktionen oder haben Signalaktivität mit der RNA als aktivem Teil.
Beispiele für RNPs sind:
•
•
•
•
snRNPs – Splicing
7SL RNPs – Teil des SRPs (signal recognition particle), verbindet Ribosomen mit rauem ER
rRNA – Ribosom
snoRNA- small nucleolar RNA, modifzierte RNA (Pseudouridinylierung, Methylierung)
Die splice sites werden durch homologe Basenpaarung des primären Transkripts mit snRNPs
definiert. Der branch point ist ein spezifisches Adenin, an dem Transesterfizierung stattfindet. Die
Definition dieses speziellen Adenins ist eine enorme Leistung, das statistisch jedes vierte Nukleotid
Adenin sein kann – so würde die RNA zerhackt anstatt sinnvoll prozessiert. snRNPs paaren auf 10
bp Länge, dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit einer AT-Mikrosequenz enorm → die splice site ist
definiert. Der branch point bleibt ungepaart, das 2'-OH bleibt frei und kann das 5'-Phosphat der
splice site angreifen.
Biochemisch katalysiert das Spliceosom, der Komplex aus RNA und snRNPs, zwei aufeinander
folgende Transesterfizierungen. Der Komplex hat 12,3 MDa und ist sogar im EM sichtbar.
Das Produkt sind verbundene Exons sowie eine Lariat-Struktur.
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Woher weiß man, dass die Basenpaarung essentiell ist? Man U1 mutiert, als Folge hat das splicing
nicht mehr funktioniert. Dann hat man eine Supressormutation in der splice site eingebracht,
dadurch wurde das Transkript wieder prozessiert.
Wie werden Introns von Proteinen erkannt? Der E-Komplex bildet sich durch Interaktion beider
splice sites. An der 5'-splice site bindet SF-2 (splicing factor 2) und U1. In der Nähe des branch
points befindet sich eine pyrimidinreiche Region, wo U2AF bindet. SF-1/BBP verbindet U1 und
U2AF und vervollständigt den E-Komplex.
Die Definition von Introns kann mittels zwei verschiedene Strategien erfolgen. Je nachdem, was in
größerer Menge vorliegt, wird das Kleine definiert, so wie man eher eine Oase in der Wüste
definiert als das Gebiet wo Wüste ist.
• intron definition – Bei großen Exons definiert SF-1 Introns durch Bindung
• exon definition – Bei großen Introns legen SR-Proteine die Exons fest, der Rest ist dann Intron
Wie erkennt die Zelle ordentlich gesplicete mRNA? An das Spliceosom bindet ein Protein, das nach
dem Splicen als Markierung an der exon junction zurückbleibt. Hier assembliert der exon junction
complex (EJC). Das Protein REF (Aly), eine Komponente des EJC, bindet an TAP/Mex, einen
Exportfaktor, der fertige mRNA durch eine Kernpore transportiert.
8.6 Andere repetitive Elemente
Manche zweiflügelige Insekten wie Drosophila besitzen keine Telomere, aber zwei retrotransposable Elemente ohne LTRs: HeT-A und TART. Daraus wird eine reverse Transkriptase
exprimiert sowie eine non-coding RNA hergestellt. Das Primingsignal kommt vom Chromsomenende selbst, die Transposons hängen die Sequenz der RNA ans Ende an und verlängern so die
Chromosomenenden.
Multi copy genes sind die letzte Gruppe von repetitiven Elementen, die essentielle Transkripte
liefern, wie zum Beispiel der Synthese von Ribosomen und Nucleoli. Information, die in großer
Menge in der Zelle gebraucht wird, wie ribosomale RNA, ist in multi copy genes organisiert. Sie
liegen in bis zu 1000 Kopien im Genom vor und sind in cluster gegliedert. Ribosomale Gene sind
tandemartig organisiert, in Arabidopsis thaliana kann eine nucleolus organizing region (NOR)
unterschieden werden, in der die Komponenten eines Ribosoms zu Blöcken sortiert in vielen
Kopien hintereinander vorliegen.
- 35 -
Eine NOR kann entfernt mit einem Operon verglichen werden, da die Aktivierung des
gemeinsamen Promoters einen polycistronischen 45S Precursor liefert. Daraus werden die 18S,
5.8S und 25S rRNA im Nucleolus prozessiert. Hier passiert auch der Zusammenbau der rRNA mit
den in den Kern importierten Proteinkomponenten zum fertigen Ribozym, das ins Cytoplasma
exportiert wird.
Wie wird das sequenzspezifische Prozessieren durchgeführt? Die Prozessierung im Nucleolus ähnelt
entfernt einem splicing-Mechanismus, mit der Ausnahme, dass mehrere Produkte statt einer reifen
mRNA entstehen. Im Nucleolus befinden sich snoRNAs (small nucleolar RNAs), die mit rRNA
sequenzspezifisch Basen paaren, daraufhin kommt es zur chemischen Modifikation der rRNA.
•
•
C/D box snoRNA: Methylierung der rRNA
H/ACA box snoRNA: Pseudouridinylierung – C5 statt N1 an die rRNA
In einer Zelle können so viele Nucleoli wie Chromosomen entstehen, meistens fusionieren sie. Man
hat experimentell die Transkription inhibiert, als Ergebnis haben sich die Nucleoli aufgelöst → der
Nachweis, dass es sich dabei nicht um Zellorganellen handelt, sondern um Synthesekomplexe, die
einen laufenden Betrieb repräsentieren.
8 – Meiose
In der meiotischen Zellteilung kommt es zur Reduktion des diploiden Genoms auf einen haploiden
Chromosomensatz und zur Durchmischung väterlicher und mütterlicher Allele durch Rekombination. Es läuft eine spezielle Form des mitotischen Programms ab.
In einer verlängerten Prophase, die man in die verschiedenen Stadien Leptotän, Zygotän,
Pachytän, Diplotän und Diakinese gliedert, kommt es zur Paarung der homologen Chromosomen
und Rekombination zwischen Chromatiden. Jedes Stadium ist cytologisch und mittels molekularer
Marker voneinander unterscheidbar.
In der Diakinese kann theoretisch zwischen vier Chromatiden Rekombination stattfinden, zwischen
- 36 -
Schwesterchromatiden passiert das allerdings sehr selten (würde ja auch nichts bringen).
Die grün markierten Chromatiden zeigen die Umwandlung eines Bivalents in die Kreuzform. Die
Strukturen sind topologisch gleichwertig, Pachytän → Diplotän → Diakinese.
Darunter sind mögliche Formen der Rekombination dargestellt: Stückaustausch zwischen (a) 2,
(b) 4 und (c) 3 Chromatiden.
Man unterscheidet zwei Arten von Rekombination:
•
•
interchromosomal (intergenomisch) – zufällige Aufteilung der ♀/♂ Chromosomen
intrachromosomal – Austausch zwischen homologen Chromosomen (crossing over)
Liegen zwei Marker am gleichen Chromosom, sind sie zu einem gewissen Grad gekoppelt, da sie
auf einer Segregationseinheit liegen (vgl. Haar- und Augenfarbe). Marker auf verschiedenen
Chromosomen sind völlig unabhängig. In der Meiose erfolgen meist interchromosomale und intrachromosomale Rekombination gemeinsam.
- 37 -
Formen der Segregation sind an der linearen Abfolge der Ascosporen in Neurospora crassa
ablesbar. Findet zwischen Centromer und Marker kein crossing over statt, kommt es zu einer 4:4
Aufteilung, man spricht von reduktionaler Segregation (links im Bild). Bei äquationaler
Segregation (rechts im Bild) kommt es zu crossing over, man erhält ein 2:2:2:2 Muster. Im
gesamten hat widerum 4 von jeder Sorte, nur die Anordnung ist anders (Perkins, Raju; 1995).
Was geschieht auf molekularer Ebene? Spo11, ein TopoII-ähnliches Enzym, führt einen DSB ein.
Die freien 5'-Enden werden von Nucleasen (Rad50, Mre11, Com1/Sae2) bearbeitet, sodass ein 3'Überhang entsteht. Dmc1/Rad51 fördern die Invasion des 3'-Überhangs in den Doppelstrang der
Nachbarchromatide, ein d-loop entsteht. Jetzt können zwei Alternativen eintreten, mittels nicking
entscheidet sich, ob es zur Bildung einer double holiday junction (DHJ) kommt oder nicht. Bildet
sich eine DHJ, kann crossing over stattfinden.
DHJs können zur Genkonversion führen, nämlich wenn durch die Nucleasen der Komplementärstrang eines Allels verloren geht und das Allel des anderen Elternteils als template zur Reparatur
verwendet wird. Nach Abschluss des crossing over liegen dann nicht-komplementäre Sequenzen der
Allele in einem Doppelstrang vor, mismatch repair entfernt die Information eines alten Allels und
überschreibt sie mit dem neuen.
In Neurospora crassa kann man eine 3:5 bzw. 2:6 Segregation beobachten. Im linken Teil des
Bildes kann man einen Ascus mit einer 2:6 Aufteilung sehen.
Wie wird eine holiday junction wieder aufgelöst? Die Proteine RuvA und RuvB assoziieren mit der
junction, RuvC bindet an ein WTT*S Sequenzmotiv von RuvB und bildet so das Resolvasom.
Der synaptonemale Komplex (SC) ist eine Proteinstruktur aus drei Komponenten (Rec8, Scp2/3,
Scp1), der sich während dem Zygotän und Pachytän bildet. Er assembliert erst nach der Einführung
von DSBs durch Spo11 und sorgt für Paarung der homologen Chromosomen. Man vermutet, dass er
auch die Zahl möglicher crossing over reguliert (crossover interference).
Chiasmata halten homologe Chromosomen ebenfalls verbunden, mitunter Jahre bis Jahrzehnte,
denn in Säugern beginnt die Meiose bereits im Embryonalstadium und wird erst sukzessive beim
Eisprung fortgesetzt.
In der ersten meiotischen Teilung wird die Kohäsion distal von den Chiasmata gelöst.  In der
zweiten meiotischen Teilung wird Kohäsion in Centromernähe gelöst. Bis dahin sorgt Sgo1
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(Shugoshin, jap. für Schutzgeist) in der Hefe sowie MEI-S332 in der Fruchtfliege über
Rekrutierung von Phosphatase für Zusammenhalt der Chromosomen.
Hier liegt auch die Ursache für Trisomien: Der Zusammenhalt muss im Menschen 40 Jahre aufrecht
erhalten werden. Im Laufe der Zeit kann die Kohäsion schwinden, auch bedingt durch geringe
Rekombination und daher wenige Chiasmata, sodass es mit höherem Alter zu Missegregation
kommen kann.
Der Ansatzpunkt der Spindel am Kinetochor wird zwischen MeioseI und MeioseII umstrukturiert,
Monopolin sorgt für die richtige Orientierung der Mikrotubuli.
Das Produkt der männlichen Meiose sind 4 Spermien. Die Produkte der weiblichen Meiose sind
eine Oocyte und drei Polkörperchen. PID ist in Österreich per se nicht erlaubt, daher zieht man
Polkörperchen zu genetischen Untersuchungen heran, da aus ihnen kein Embryo entsteht.
Oocyte und Polkörperchen enthalten unterschiedliches genetisches Material, so sind Resultate über
eine monogenetische Eigenschaft stets indirekte Rückschlüsse. Polkörperchendiagnostik (PKD)
setzt man besonders mit zunehmendem Alter der Mutter ein, um das Aneuploidierisiko abzuschätzen.
9 – Forward Genetics, Reverse Genetics
Unter forward genetics versteht man Methoden der klassischen Genetik, man macht zuerst etwas
kaputt und versucht dann zu bestimmen, was es war. Ein genetic screen folgt dem Schema:
•
•
•
Mutagenese
Phänotypen isolieren
Mutation/Gen im Genom finden
Phänotypen, die relativ leicht erkennbar sind, können sein: asymmetrische Polarität; Polarität
vertauscht, veränderte Augen oder Fühler, Blindheit, olfaktorisches Unvermögen (Drosophila).
Daneben sind große Individuenzahlen erforderlich, da bei chemischer Mutagenese zumindest
statistisch jedes Gen einmal betroffen sein muss, sonst kann man logischerweise nicht alle
untersuchen. In der Praxis passiert das aber sowieso nicht, ein Gen wird in mehreren Individuen
zerstört.
Reverse genetics basiert auf bereits akkumuliertem molekularen Wissen. Angenommen man kennt
ein Gen, dessen Produkt verschieden bekannte Domänen hat (Transmembrankinase). Dann sucht
man im Genom nach ähnlichen Sequenzen, versucht diese Gene gezielt zu inhibieren und
beobachtet anschließend die Auswirkung, beispielsweise Zellen verlieren Kontakt zu extrazellulärer
Matrix.
Humangenetik ist auf forward genetics angewiesen, selbtsverständlich führt man keine Mutagenese
durch, aber es gibt ausreichend Individuen, sodass natürliche Mutationen auffindbar sind.
9.1 Chromosome mapping in Eukaryoten
Meiotische Untersuchungen sind dafür unerlässlich, Merkmale können auf unterschiedliche Weise
segregieren:
• independant assortement – 2 Merkmale auf 2 verschiedenen Chromsomen
• linkage – 2 Merkmale auf homologen Chromosomen, kein Austausch
- 39 -
• linkage – 2 Merkmale auf homologem Paar, Austausch zwischen 2 Nichtschwesterchromatiden
Bei der Bestimmung der linkage ratio führt man eine Testkreuzung zwischen heterozygoten (F1 aus
homozygoter Elterngeneration) und homozygot rezessiven oder X-chromosomal hemizygoten
(männlichen) Individuen durch.
Totale Kopplung findet in Abwesenheit von Rekombination statt, gekoppelte Gene verhalten sich
wie ein einziger Locus in einer Rückkreuzung. Theoretisch gibt es so viele Kopplungsgruppen wie
Chromosmen.
Mit der Distanz zweier Genloci steigt die Wahrscheinlichkeit eines crossovers. Thomas Morgan und
sein Schüler Sturtevant haben als erste diese Beziehung erkannt und haben bei Drosophila mit
chromosome mapping begonnen. Ein Vorteil dabei war, dass in der männlichen Meiose keine
Rekombination stattfindet.
Sie erkannten außerdem, dass 2 Loci nur sehr selten komplett gekoppelt waren. Sie führten den
Begriff des centi-Morgans (cM) ein: 1% Rekombinationswahrscheinlichkeit entspricht einer map
unit und somit einem cM. Die theoretisch größte Frequenz ist 50 cM, Rekombinationsfrequenzen
korrelieren nicht linear. Gene die doppelt so weit entfernt liegen, rekombinieren aber nicht doppelt
so oft. Regionen mit vielen Rekombinationsereignissen nennt man hot spots.
Man unterscheidet zwischen single crossovers (SCO) und double crossovers (DCO).
Wozu betreibt man chromosome mapping? Den Genetiker interessieren die Position und Abfolge
von Genen auf Chromosomen. Dazu wendet er three-point-mapping an. In einer Testkreuzung
werden 3 Marker zueinander in Bezug gestellt.
Im einfacheren Fall hat ein Elternteil nur rezessive, der andere nur dominante Merkmale. Man zählt
beobachtete Phänotypen. Die häufigste Kombination stellt den parentalen Genotyp dar. SCOs geben
die relative Nähe zueinander an, sagen aber nichts über die Reihenfolge aus. Dazu wertet man die
DCOs aus und bestimmt, welches der drei Gene in der Mitte liegt. Zur Berechnung der cM werden
die Individuenzahlen der SCOs und DCOs zweier Marker zusammengezählt und auf die Gesamtmenge der Individuen bezogen.
Ein komplexeres Problem liegt vor, wenn die Verteilung der Allele (dominant/rezessiv) auf den
elterlichen Chromosomen unbekannt ist. Man wählt folgende Herangehensweise:
•
•
•
NCO: Bestimmung der Allelverteilung in paternalem Gamet
DCO: Bestimmung des mittigen Gens
Rückschluss auf Allelkombinationen
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Crossover interference beschreibt ein Phänomen, in dem ein Chiasma die Entstehung anderer
Chiasmata in seiner Umgebung inhibiert. Dieser Effekt schwindet mit der Distanz. Folglich ist die
Verteilung von Chiasmata nicht vollkommen zufällig.
Liegen zwei Marker sehr weit entfernt, kann es passieren, dass dazwischen ein oder mehrere DCOs
stattfinden, die aber nicht bemerkt werden, weil die Marker sich nicht verändert haben, also quasi
parental vorliegen.
Sowohl zu große als auch zu kleine Entfernung führen zu einer Diskrepanz zwischen hypothetischen und beobachteten map units.
Moderne genetische Analysen benutzen SNPs (single nucleotide polymorphisms). Im Gegensatz zu
phänotypischen Markern, die gut erkennbar und nicht letal sein dürfen, haben SNPs diese Nachteile
nicht. Es sind individuelle Unterschiede in der Basensequenz der DNA, die meist in Introns liegen
aber auch in Exons vorkommen, beispielsweise in den tRNA-Genen. Im Menschen kennt man
bereits tausende SNPs.
Wie weist man SNPs nach? Vorraussetzung ist die Amplifizierung von DNA Fragmenten mit PCR.
1. Restriktionsanalyse – Enzyme schneiden an spezifischen Sequenzen, befindet sich dort ein
SNP, kann die restriction site nicht mehr erkannt werden, man erhält andere Banden im Gel
2. Sequenzieren – Teuer, wenn es nicht anders geht
Was nützen SNPs? SNPs verwendet man zur Stammbaumanalyse generell und zum Zurückverfolgen von Erbkrankheiten, aber auch zur Lokalisierung von Mutationen. Dazu vergleicht man
SNPs verschiedener Populationen (Kaukasier, Asiaten, … ), was zur Eingrenzung einer Genregion
führt, die bei allen Populationen vorkommt. Haben alle untersuchten Individuen zum Beispiel ein
Colon-Karzinom, so könnte in dieser Genregion eine verantwortliche Mutation liegen. Eine
Sequenzierung des Bereichs gibt dann Gewissheit.
Voraussetzungen für forward genetic screens sind:
•
•
•
Mutagenesefähigkeit mittels Chemikalien oder Transposons
Rascher Lebenszyklus und leichte Kultivierbarkeit im Labor
Kleines Genom
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•
•
Analyse phänotypischer Marker ( vgl. Morphogene ↔ Hefe )
Transformierbarkeit ( Reversion von Mutationen )
Eigenschaften, Ziele und Methoden von reverse genetic screens sind:
•
•
•
•
•
Erfordert akkumuliertes molekulares Wissen
Die Funktion Y von Gen X will man herausfinden
Versuchsziel (das zu untersuchende Gen) sucht man sich meist in bioinformatic screens
Genfunktion inhibieren → Phänotyp studieren
Methoden: knock-out und knock-down (RNA-Interferenz)
In Hefe führt man einen knock-out mittels homologer Rekombination durch , bei C. elegans und
Drosophila wird diese Methode wenig angewandt. Ein Gen wird durch vollständiges Ersetzen oder
Insertion einer Resistenzkassette inhibiert. Da das Genom bekannt ist, können Resistenzkassetten
designed werden, die Homologiearme zur homologen Rekombination besitzen. Zur Herstellung der
Kassetten verdaut man klonierte Gene mit Restriktionsenzymen und ligiert ein insert hinein, in
diesem Fall eine Kanamycin-Resistenz.
Die Transformation erfolgt direkt durch die Membran (Bakterien haben im Gegensatz spezielle
Kanäle). Die freien DNA-Enden werden von der Hefe als kaputt erkannt und leiten Reparatur ein.
Stolpert der Mechanismus über die Homologien im Genom, kommt es zur Rekombination, das alte
Gen wird degradiert. An haploiden strains kann der Phänotyp direkt bestimmt werden.
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Die Maus als diploider Organismus erfordert mehr Aufwand, weil das zweite Allel den knock-out
überdeckt. Daneben funktioniert ein knock-out bei der Maus nur in embryonalen Stammzellen (ES,
aus der inner cell mass der Blastocyste). Eine weitere Schwierigkeit sind die Introns und repetitiven
Elemente – möchte man ein ganzes Gen ausknocken, so erreichen die Längen der Rekombinationskassetten leicht 20-22 kb Länge, was in Plasmiden nicht kloniert werden kann. Daher muss man
sich Genregionen aussuchen, meist der Promoter mit 2-3 Exons. Problematisch sind auch LINES
und SINES (22% des Genoms) – sie verursachen den Effekt, dass die Rekombinationskassette an
vielen verschiedenen Stellen im Genom inserieren könnte.
Die Rekombinationskassette enthält eine Neomycin-Resistenz sowie eine Thymidinkinase, beide
zur Selektion. Thymidinkinase erzeugt bei Behandlung der Zellen mit Ganciclovir ein toxisches
Produkt, als Folge sterben Zellen, bei denen die Kassette falsch inseriert hat. Neomycin im Medium
lässt Zellen leben, die überhaupt rekombiniert haben.
Damit ist es leider nicht getan. Die selektierten Zellen müssen nun in eine Blastocyste implantiert
werden, so erhält man eine Chimäre. Tritt der Fall ein, dass die transgenen Zellen an der Keimbahn
teilnehmen, kann man sie mit dominanten Individuen rückkreuzen, man erhält transgene Mäuse, die
homozygot sind und endlich einen Phänotyp zeigen.
Bei anderen Organismen, wo homologe Rekombination nicht oder weniger gut funktioniert, setzt
man RNA interference (RNAi) ein. Es handelt sich dabei um Ausnutzung eines zelleigenen antiviralen Mechanismus, der zur Unterdrückung von Transposons konstitutiv läuft.
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Doppelsträngige RNA wird dabei vom DICER in 21bp Fragmente (siRNA) gespalten. Die
konstante Länge kommt durch zwei RNAse-Domänen am DICER zu Stande. Der RISC (RNA
induced silencing complex) bindt siRNA und begibt sich in der Zelle auf die Suche nach
homologen Sequenzen. Wird eine gefunden, degradiert das Argonaut-Protein die gefundene
mRNA.
Man verfolgt zwei Strategien bei der Methode: Bei niederen Eukaryoten (C. elegans) wird dsRNA
unter einen induzierbaren Promoter gestellt oder über die Nahrungsaufnahme (Bakterien, die
dsRNA synthetisieren) eingebracht. Bei höheren Eukaryoten muss man gleich die 21bp Fragmente
einsetzen, da dsRNA viele andere zelluläre Abwehrmechanismen in Gang setzt. Verschiedene
Gewebe sind unterschiedlich zugänglich für die siRNA, die Leber von Mäusen erhält über die
Pfortader reichlich siRNA, das Hirn ist auf Grund der Blut-Hirn-Schranke gänzlich unzugänglich.
Mit RNAi hat man in Mäusen erfolgreich Hepatitis C behandelt.
Neben siRNA setzt man auch microRNA (miRNA) ein. Diese sind endogen als hairpin precursor
vorhanden. Er wird von einem DICER-ähnlichen Molekül gespalten, die Fragmente sind zum
target aber nur partiell homolog, sodass es nicht zur Degradierung sondern nur zur translationellen
Inhibition kommt. Im Menschen sind derzeit an die 700 miRNAs bekannt, von vielen kennt man
noch keine targets (orphans). Die Funktion ist fine tuning der Genexpression, da die Menge
translatierbarer mRNA reguliert wird.
Interessant ist der systemische Effekt, der durch einen zellulären Amplifikationsmechanismus
erzeugt wird. RNA-abhängige RNA Polymerasen (RDRP) amplifizieren siRNA und miRNA,
beladener RISC kann zwischen Zellen über spezielle Kanäle diffundieren. Das Phänomen wurde bei
Pflanzen entdeckt, deren Blätter von einem Virus befallen waren. Behandlung eines Blattes führte
zur Heilung der anderen Blätter
Genome wide reverse genetic screens wurden durchgeführt oder laufen in:
•
•
•
S. cerevisiae – mutant collection, Datenbank von 15.000 Mutanten, bei manchen kennt man
die Auswirkungen des knock-outs noch gar nicht
C. elegans – RNAi, Identifikation augenscheinlicher Phänotypen, zB keine Neuropeptide
Drosophila – läuft
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Probleme, die sich Stellen: (1) Phänotypen sind nicht immer offensichtlich, (2) RNAi funktioniert
nicht quantitativ, (3) knock-out essentieller Gene tötet das Individuum, bevor es studiert werden
kann.
10 – Populationsgenetik
Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht beschreibt den Zusammenhang zwischen Allelfrequenzen
und Genotypfrequenzen in einer idealen Population. Kennzeichen einer idealen Population sind:
•
•
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•
•
Sehr große Individuenzahl: Der zufällige Verlust eines Individuums oder Gendrift
verändert praktisch nicht die Häufigkeit der Allele, was bei einer kleinen Population relativ
große Auswirkungen hätte.
Panmixie: Alle Paarungen, auch von Trägern verschiedener Genotypen, sind gleich
wahrscheinlich und gleich erfolgreich.
Es gibt keine Selektion, somit also weder Selektionsvorteile noch -nachteile für die Träger
bestimmter Gene (Genotyp), die sich phänotypisch auswirken.
Es finden keine Mutationen statt.
Es findet keine Migration statt, die die Allelfrequenz (Genpool) verändern.
Die ideale Population ist ein theoretisches Konstrukt, da in der Realität mindestens eine der
Bedingungen, welche mit Ausnahme der Individuenzahlen alles Evolutionsfaktoren sind, nicht
erfüllt wird. Evolution findet also stets dann statt, wenn die obigen Voraussetzungen nicht gelten.
Eine Anwendung ist, ob alle möglichen Allele in einer Population adäquat auftreten oder ob positive
oder negative Selektion auftritt. Das Punett-Quadrat stellt die Genotypverteilung dar, die Gleichgwichtsbeziehung berechnet sich aus:
p² 2∗ p∗qq² =1
Weiblich
Männlich
A(p)
a(q)
A(p)
AA(p²)
Aa(pq)
a(q)
Aa(pq)
aa(q²)
Es liegen beim Menschen zwei Serotypen bezüglich des CCR5-Rezeptors vor. Dieses Oberflächenprotein ist Co-Rezeptor für das HI-Virus. Korrespondierende Genotypen zu den Phänotypen:
Genotyp
wt/wt
wt/Δ32
Δ32/Δ32
Phänotyp
Anfällig für HIV-1
Verlauf von AIDS verlangsamt
Resistent gegen viele HIV-1 Stämme
Obwohl Δ32 einen Selektionsvorteil bringt, kommt es nicht zu Abweichungen des Gleichgewichts,
da in diesem Fall die Durchseuchung mit HIV (noch) zu gering ist, um deutliche Veränderungen zu
sehen. In der obigen Tabelle ist eine exemplarische Berechnung der Allel- und Genotypfrequenzen
für zwei Allele dargestellt.
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Das gleiche Prinzip kann bei drei Allelen angewandt werden (p² + q² + r² + 2pq + 2pr + 2qr) , zum
Beispiel bei den Blutgruppen. Phänotypisch eindeutig manifestiert sich die Blutgruppe 0 (r²). Damit
kann man nun die Genotypfrequenz des zusammengesetzten Phänotyps Blutgruppe A berechnen, da
Blutgruppe A durch die Allelkombinationen AA oder A0 entstehen kann.
Kennt man die Frequenz rezessiver Allele, kann man die Frequenzen der anderen berechnen.
0.0004% (q²) der Bevölkerung leiden an cystischer Fibrose. Wie hoch ist der Anteil der Heterozygoten?
1. pq ²= p² 2∗p∗qq²
2. q= q² =0.02
3. pq=1 ⇒ p=1−q ⇒ p=0.98
4. 2pq =0.04⇒ 1/25 der Bevölkerung heterozygot
Dieses Diagramm zeigt, dass selbst bei geringem Anteil an Betroffenen ( zB. 10%), 40% der
Population Überträger sind.
Homozygot rezessive Individuen werden meist negativ selektiert, Merkmale persistieren aber in den
heterozygoten über viele Generationen. Je stärker selektiert wird, desto schneller nimmt die
Frequenz ab, erreicht aber nie null.
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Quellen
Audio-Aufnahmen von ephrodite
Jantsch Folien SS10
#Replicon
http://www.nature.com/nrm/journal/v3/n11/images/nrm951-i1.jpg
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