Orientierung im Netzwerk der Sorgen

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Orientierung im Netzwerk der
Sorgen: Psychotherapie bei
Generalisierter
Angststörung
Prof. Dr. Jürgen Hoyer (TU Dresden)
41. Lübecker Psychotherapietage
Überblick
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•
•
•
Welche Sorgen sind wie behandlungsbedürftig?
Die Störung: Was ist eine Generalisierte
Angststörung?
Das Störungsmodell: Welche Funktion haben
überzogene Sorgen?
Das Veränderungsmodell: Warum Exposition in
sensu theoretisch Erfolg haben sollte
Praxis der Sorgenexposition
Fehler und Fallen
Welche Sorgen sind wie
behandlungsbedürftig?
Eine 31-jährige Mutter eines zwei-jährigen Kindes befürchtet, ihr Kind könne sich
im Kindergarten anstecken und beide Eltern würde durch den zusätzlichen
Aufwand am Ende ihren Arbeitsplatz verlieren. Überhaupt mache sie sich zu viele
Sorgen über Zukunft, sie bekomme häufig Panikattacken deswegen.
Eine 42-jährige Verwaltungsangestellte, Mutter von zwei Kindern, schildert, der
Tag sei wieder chaotisch gewesen, sie wisse nicht, wo sie anfangen solle, zum
Beispiel habe ihre Tochter nicht wie geplant auf dem Handy angerufen, wann sie
nach Hause komme, jetzt sei sie ganz in „Panik“, ob der Termin mit der Oma
zustande komme. Deswegen sei sie auch so in Hetze und könne sich gar nicht
auf die Stunde konzentrieren. „Immer diese Sorgen – hoffentlich könne Sie mir
helfen!“
Ein 52-jähriger Galerist fürchtet, seine Söhne könnten an Depression erkranken,
seine Firma pleite gehen, seine Ehe scheitern. Er habe schon viele depressive
Episoden gehabt. Depression habe er im Moment nicht, aber diese furchtbaren
Sorgen!?
Ein 24-jähriger Student macht sich große Sorgen, er könne exmatrikuliert werden.
Er beschäftige sich nur noch sinnlos mit dem Computer und komme morgens
nicht aus dem Bett.
Sorgen als Leitsymptom?
• Alle haben Sorgen,
die meisten wollen
sie loswerden!
• Weltauflage:
über 15 Millionen
• Erstauflage: 1944
Kinder, die vor ihrem neunten
Lebensjahr einmal heruntergefallen
sind, leiden als Jugendliche weniger
häufig an Höhenangst
(-> Ellen Sandseter)
Sorgen…
•
sind eher eine gedankliche (als auf bildhaften
Vorstellungen beruhende) Aktivität
(Borkovec, Stöber & Ray, 1998; Wells, 1999),
•
sind mit ängstlicher Erwartung und Anspannung
(und negativen Gefühlen) verbunden (Barlow, 2002;
Borkovec, Stöber & Ray, 1998),
•
werden eher als intrusiv und unkontrollierbar erlebt
(Wells, 1999),
•
beschäftigen sich mit zukünftigen, potentiell
gefährlichen oder negativen Ereignissen
(Barlow, 2002; Borkovec, Stöber & Ray, 1998; Hoyer, Gloster &
Herzberg, 2009; Wells, 1999)
•
können der Problemlösung dienen oder nicht
(Hoyer & Heidrich, 2009).
Regel: Übertriebene Sorgen über
unlösbare Probleme sind am meisten
belastend (Hoyer & Heidrich, 2009; Hoyer & Uhmann, 2010)
• wirklich wichtig / nicht so wichtig
• lösbar / unlösbar
• angemessen / übertrieben
Arbeitsblatt zu den Sorgen (1)
1. Frage:
Welche meiner Sorgen sind wirklich wichtig?
Schwerwiegende Sorgen
Weniger wichtige Sorgen
Kind könnte einen Unfall haben
Vergessen Schulbrot
einzupacken?
Mein Mann könnte einen Unfall
haben
Nachbarin zieht sich etwas zurück
Mutter hat lebensgefährliche
Erkrankung
Nachbarin redet schlecht über
mich
Kind nimmt seine Medizin nicht
Arbeitsblatt zu den Sorgen (2)
2. Frage:
Welche der wichtigen Sorgen gehen (vermutlich) eher auf
lösbare Probleme zurück?
Unlösbare Probleme
Lösbare Probleme
Kind könnte einen Unfall haben
Kind nimmt seine Medizin nicht
Mein Mann könnte einen Unfall
haben
Mutter hat lebensgefährliche
Erkrankung
Arbeitsblatt zu den Sorgen (3)
3. Frage:
Welche der unlösbaren Probleme machen mir nach meiner
eigenen Überzeugung zu Recht Sorgen?
Sorgen überzogen
Sorgen zu recht
Kind könnte einen Unfall haben
Mutter hat lebensgefährliche
Erkrankung
Mein Mann könnte einen Unfall
haben
„Unwichtige Sorgen“
Sorgen
Zeitprojektion
Sorgen wegen lösbarer
Probleme
Problemlösetraining
Überzogene Sorgen wegen
unlösbarer Probleme
„Berechtigte“ Sorgen wegen
unlösbarer Probleme
Sorgenexposition
Empathie, Validierung
Eine 31-jährige Mutter eines zwei-jährigen Kindes befürchtet, ihr Kind könne sich
im Kindergarten
ansteckenAngststörung/Sorgenexposition
und beide Eltern würde durch den zusätzlichen
Generalisierte
Aufwand am Ende ihren Arbeitsplatz verlieren. Überhaupt mache sie sich zu viele
Sorgen über Zukunft, sie bekomme häufig Panikattacken deswegen.
Eine 42-jährige Verwaltungsangestellte, Mutter von zwei Kindern, schildert, der
Tag sei wieder chaotisch gewesen, sie wisse nicht, wo sie anfangen solle, zum
Beispiel habe ihre Tochter nicht wie geplant auf dem Handy angerufen, wann sie
Ineffiziente
Stressbewältigung/Zeitprojektion
nach Hause
komme, jetzt
sei sie ganz in „Panik“, ob der Termin mit der Oma
zustande komme. Deswegen sei sie auch so in Hetze und könne sich gar nicht
auf die Stunde konzentrieren. „Immer diese Sorgen – hoffentlich könne Sie mir
helfen!“
Ein 52-jähriger Galerist fürchtet, seine Söhne könnten an Depression erkranken,
seine Firma pleite gehen, seine Ehe scheitern. Er habe schon viele depressive
Generalisierte Angststörung/Sorgenexposition
Episoden gehabt. Depression habe er im Moment nicht, aber diese furchtbaren
Sorgen.
Ein 24-jähriger Student macht sich große Sorgen, er könne exmatrikuliert werden.
Er beschäftige
sich nur noch sinnlos mit dem Computer
und komme morgens
Dysthymie/Problemlösetraining,
Verhaltensaktivierung
nicht aus dem Bett.
Die Störung:
Was ist eine Generalisierte
Angststörung?
DSM-IV Kriterien für Generalisierte
Angststörung (GAS)
A. Übermäßige Angst und Sorge (furchtsame
Erwartung) bezüglich mehrerer Ereignisse oder
Tätigkeiten (wie etwa Arbeit oder Schulleistungen),
die während mindestens 6 Monaten an der Mehrzahl
der Tage auftraten.
B. Die Person hat Schwierigkeiten, die Sorgen zu
kontrollieren.
Die weiteren Kriterien der GAS
C. Drei der folgenden Symptome:
Ruhelosigkeit, leichte Ermüdbarkeit, Reizbarkeit,
Konzentrationsstörungen, Muskelspannung,
Schlafstörungen
D. Sorgen sind nicht auf eine andere Achse-I-Störung
beschränkt (z.B. Angst, sich zu blamieren)
E. Relevante Beeinträchtigung
F. Symptome nicht direkt auf Drogen, medizinische
Störungen, affektive oder psychotische Störungen
zurückzuführen (Abgrenzung zur Depression)
GAS ist häufig
Population
12-MonatsPrävalenz
Quelle
USA
3,1%; 3,1%
Kessler et al., 1994;
Kessler et al. 2005
Australien
3,6%
Hunt, Issakidis &
Andrews, 2002
Europa
1,7-3,4%
Wittchen/Jacobi et al.,
2012
GAS ist stark beeinträchtigend
(aus Lang & McTeague, 2009)
(auch: Sandelin et al., 2011; Revicki et al., 2011; Wittchen & Hoyer, 2001)
Folge-Risiko: depressive Störung
Cumulative % of
depression
60
50
PD
GAD
AG
SPP
SoP
no anxiety dx
40
30
20
10
0
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29
age of onset
EDSP, 2001
GAS: etwas späterer Beginn
Kessler et al., 2012
Das Störungsmodell:
Welche Funktion haben
überzogene Sorgen?
Funktionen der Sorgen
(Vermeidungstheorie der Sorgen sensu Borkovec)
• Während des Sorgenprozesses ist der relative Anteil
von Vorstellungen (gegenüber Kognitionen) reduziert
(Borkovec & Inz, 1990) und
• die Sprachproduktion bzw. Problemelaboration
weniger konkret (Stöber & Borkovec, 2000;)
• diese Abstraktheit “blockiert” aversive (emotionale
und physiologische) Angstreaktionen (Borkovec & Hu, 1990)
• Dies wirkt als negative Verstärkung der Sorgen und
fördert positive Annahmen über die Sorgen (Borkovec, Ray
& Stöber, 1998)
Sorgen = „kognitive Vermeidung“ ?
Vermeidung…
• von (negativen) Emotionen (Olatunji, Moretz & Zlomke, 2010)
• von physiologischem Arousal (reduzierte
Herzratenvariabilität) (Borkovec & Hu, 1990; Hoehn-Saric, 1998)
• von Unsicherheit (erhöhte Unsicherheitsintoleranz)
(Dugas, Buhr, Ladouceur, 2004)
Sorgen = „kognitive Vermeidung“
Vermeidung…
• von (negativen) Emotionen (Olatunji, Moretz & Zlomke, 2010)
• von physiologischem Arousal (reduzierte
Herzratenvariabilität) (Borkovec & Hu, 1990; Hoehn-Saric, 1998)
• von Unsicherheit (erhöhte Unsicherheitsintoleranz)
(Dugas, Buhr, Ladouceur, 2004), vor allem aber von:
• “emotionalen Kontrasten” (Newman & Llera, 2011)
Contrast Avoidance Theory of GAD
(Newman & Llera, 2011)
Idealisierte Darstellung
der Ergebnisse von
Borkovec & Hu, 1990;
Hoyer, 2012)
Contrast Avoidance Theory of GAD
(Newman & Llera, 2011)
„Ersparnis“
„Kosten“
„Kosten“
Idealisierte Darstellung
der Ergebnisse von
Borkovec & Hu, 1990;
Hoyer, 2012)
Das Veränderungsmodell:
Warum Exposition in sensu Erfolg
haben sollte
GAS: Komplexe Störung, komplexe Therapie?
Borkovec &
Costello (1993)
Entspannung, Kognitive Umstrukturierung, Sorgen-Exposition,
Desensibilisierung, Paradoxe Intervention
Craske, Barlow,
O´Leary (1992)
Entspannung, Kognitive Umstrukturierung, Sorgen-Exposition,
Paradoxe Intervention, Problemlösetraining
Dugas et al.
(2009)
Psychoedukation über die Sorgen, Kognitive Umstrukturierung
zum Thema Unsicherheit, Sorgen-Exposition,
Problemlösetraining
Behar et al. (2009) nennen 25 „Kernbehandlungselemente“
in den verschiedenen kontrollierten Studien zur GAS!
Sorgenexposition:
Therapie maladaptiver emotionaler Verarbeitung
(Becker & Hoyer, 2005; Hoyer et al., 2009)
•
•
Dysfunktionale Vermeidung – der Kernprozess bei
Angststörungen (Schmidt et al., 2012)
Das Therapieprinzip: Aktivierung der
„Furchtstruktur“ und Ermöglichung einer
Kontrasterfahrung (Emotional Processing Theory; Lang, 1977; Foa &
Kozak, 1986; Foa, Huppert & Cahill, 2006)
•
Transfer des Prinzips der Exposition auf die GAS:
Exposition in sensu mit „worst case scenarios“ (Hoyer
& Beesdo-Baum, 2012)
Konfrontation mit dem
Schlimmstmöglichen
Idealisierte Darstellung
der Ergebnisse von
Borkovec & Hu, 1990;
Hoyer, 2012)
Praxis der Sorgenexposition
Manual für die
Sorgenexposition:
Hoyer, J. & BeesdoBaum, K. (2012).
Prolonged imaginal
exposure based on
worry scenarios.
A: Herleitung der aufrechterhaltenden Bedingungen
• Angstkurven auf der Basis von strukturierten Tagebüchern
• Wie wirksam sind bisherige Kontrollmechanismen und
Vermeidung?
• Hinterfragen kurzfristiger und langfristiger Wirkungen
• Strategie: Geleitetes Entdecken
B: Herleitung der Sorgen-Konfrontation
• Vorstellungsexperiment (Was würde passieren, wenn Sie
sich intensiv auf eine einzige Sorge konzentrieren und diese
immer wieder durchdenken?)
• befürchtete und wahrscheinliche Angstkurve
• Diskussion von Zweifeln und Bedenken
• Überblick über das therapeutische Vorgehen
Kontrollversuche
• Sorgenketten/thematische Sprünge: spezielle
Form der „Ablenkung“
• Gedankenunterdrückung: der zu vermeidende
Gedanke wird indirekt stärker aktiviert
• Rückversichern: Tendenz zur Generalisierung; der
positive Effekt der Methode wird kontinuierlich
geringer
• Medikamente: Kompetenzerwartung sinkt (plus
gesundheitliche Folgeprobleme)
• Ablenkung: nur kurzfristig wirksam
Tochter geht
zur Schule,
hoffentlich
passiert nichts
70
Wie wird die
neue Präsentation?
Ist heute alles
klar gegangen?
Komme ich
pünktlich?
Lob vom Chef
Ist morgen alles in
Ordnung?
60
50
Was wird
morgen?
40
Arbeitsbeginn
30
20
Etwas ängstlich weiß nicht warum
Anruf der
Tochter
10
Termin
pünktlich
erreicht
fern gesehen
0
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
A: Herleitung der aufrechterhaltenden Bedingungen
• Angstkurven auf der Basis von strukturierten Tagebüchern
• Wie wirksam sind bisherige Kontrollmechanismen und
Vermeidung?
• Hinterfragen kurzfristiger und langfristiger Wirkungen
• Strategie: Geleitetes Entdecken
B: Herleitung der Sorgen-Konfrontation
• Vorstellungsexperiment (Was würde passieren, wenn Sie
sich intensiv auf eine einzige Sorge konzentrieren und diese
immer wieder durchdenken?)
• befürchtete und wahrscheinliche Angstkurve
• Diskussion von Zweifeln und Bedenken
• Überblick über das therapeutische Vorgehen
Sorgenexposition: die Schritte
• Kognitive Vorbereitung
• Auswahl relevanter Szenarien (Situationen)
• Erstellung eines Sorgenszenarios (mit genauen
Informationen zu allen sensorischen Qualitäten der
Situation)
• Durchführung der Exposition
• Nachbesprechen und mehrfache Wiederholung
• Hausaufgaben
• Konfrontation in vivo/Verhaltensexperimente
(Becker & Margraf, 2002; Hoyer & Beesdo, in
press)
•
Sorgenbereiche sammeln und einen Bereich
auswählen
•
Sorgenhierarchie erstellen und eine Sorge
auswählen
•
Ein Vorstellungszenario entwickeln
•
ggf. Vorstellungstraining durchführen
Konkret/detailgenau/auf alle Sinnesbereiche
bezogen/auf die eigenen Reaktionen bezogen
Was würde sich genau abspielen?
Wie würde es weiter gehen?
Was befürchten Sie genau?
Was wäre das schlimmste an...?
Wie geht es dann weiter?
Was hören Sie, sehen Sie, riechen Sie (etc.) in dieser Szene?
Welche Symptome spüren Sie?
Welche Gedanken gehen Ihnen durch den Kopf?
Ausgewählte Regeln:
• Bei Störungen wieder auf die Vorstellung
konzentrieren
• Zeichen vereinbaren: Therapeut hilft in die Szene
zurück
• Vorstellung solange halten, bis deutliche Reduktion
spürbar
• Angstreaktion mit in die Vorstellung einbeziehen
• Keine Gegenregulation
Therapieausschnitt
Sorgenexposition:
Video (5 min)
• „Eigentlich nur dass nichts passiert!“
Kognitive Nachbearbeitung: Befürchtungen im
Zusammenhang mit der eigenen Emotionsregulation
und Belastungsverarbeitung können korrigiert werden
Exposition in vivo & Rückfallprophylaxe
• Identifikation von typischem Sicherheits- und
Vermeidungsverhalten und von
Rückversicherungsstrategien
• Fallenlassen dieser Strategien im Alltag (z.B. aktives
Aufsuchen von „unsicheren“ Situationen)
• Identifikation von Risikosituationen für das alte
Verhaltensmuster
• Erstellen einer Liste von wirklich hilfreichen
Strategien
• N = 28 (SE) vs N = 29 (AE)
• Patienten mit primärer (CIDI-)
Diagnose
• Manualisierte Therapie (15
Sitzungen)
• Therapeutinnen/Therapeuten (N =
9) wurden in beiden
Behandlungsformen gleich
intensiv geschult!
• Therapeutinnen/Therapeuten
waren relativ unerfahren
(Ausbildungskandidaten)
WL (N = 29)
AE (N = 28)
SE (N = 29)
-2
-4
-6
-8
-10
**
Pre-Post Difference (Mean)
0
**
-12
HAM-A Baseline MW ~ 22
* P < .05, ** P < .001 vs. WL
Keine signifikanten
Unterschiede zwischen den
Interventionen
HAMA STAI-T PSWQ MCQ II WBSI
BSIGSI HAMD
BDI
Standardized Mean Difference
(Post vs Pre)
0,4
0,2
0
-0,2
-0,4
-0,6
-0,8
-1
-1,2
*
**
*
*
-1,4
-1,6
WL (N =28)
**
*
*
AE (N = 29)
SE (N = 28)
*
Keine signifikanten
Unterschiede
zwischen den
**
Interventionen,
durchgängig signifikante
Unterschiede gg. Warteliste
Studie zur Sorgenexposition:
Schlussfolgerungen
•
•
•
Erste „component control“ bzw. „dismantling“
Studie zur GAS: Sorgenexposition allein ist wirksam
Das spricht für die Bedeutung des
Störungsmechanismus „Vermeidung“ und des
Veränderungsmechanismus „Exposition“
Angewandte Entspannung scheint aber ebenso
wirksam. Offene Frage: Was sind die Mechanismen
„hinter“ der Veränderung?
Weitere Beobachtungen
•
Es gibt auch zahlreiche verhaltensbezogene
Indikatoren der Vermeidung. Diese nehmen
während der Therapie ab. Ihre Abnahme sagt den
langfristigen Therapieerfolg vorher (Beesdo-Baum et al.,
2012)
•
Die Furchtstruktur ist bei GAS „größer“: auch
neutrale Wörter, die mit der Thematik assoziiiert
sind lösen Angst aus. Dieser Effekt reduziert sich im
Therapieverlauf. Je eher er eintritt, desto eher
reduzieren sich die Angstsymptome (Reinecke et al., 2010;
Reinecke et al., in press a,b)
Fehler & Fallen
• Auswahl ungeeigneter Sorgen√
• Kontraindikationen
• Unsicherheitsintoleranz
• Negative Metakognitionen
• „ich möchte angstfrei sein!“
Indikation
geeignet:
eingeschränkt:
•komorbide GAS
•reine GAS
und Depression
•Sorgen als
Hauptproblem
•PrimärdiagnoseG
AS, komorbid:
Angststörungen
•Ggf. auch
Hypochondrie,
Anpassungsstörung
ungünstig:
• Körperliche
Symptome im
Vordergrund
• Sorgen schwer
identifizierbar
• Aktuelle reale
Bedrohungen
• (Kontraindikation
Psychosen)
Coping mit Unsicherheit (Dugas)
• Anerkennen: Unsicherheit ist unvermeidlich
(Sokratischer Dialog)
• Verhaltensexperimente (seek out and face
uncertainty)
• „Motivation follows action“
• Ergänzung (Wells): Neue
Verarbeitungspläne
Meta-Worry erfragen
•
•
•
•
•
Was ist am Sich-Sorgen selbst beunruhigend?
Wenn die Sorgen so unangenehm sind, warum
beenden Sie sie nicht?
Könnte irgendetwas passieren, wenn Sie
nichts gegen die Sorgen unternehmen
würden?
Was würde es bedeuten, wenn Sie die Sorgen
nicht mehr kontrollieren könnten?
Glauben Sie, dass es normal ist, Sorgen zu
haben?
Alternativen:
Liste der Vor- und Nachteile,
Kontrollverhalten identifizieren,
experimentelle Strategien
Beispiel für eine negative Metakognition
Pat.: Wenn hier anfange, mir meine Sorgen
vorzustellen, kann ich zu Hause nicht
abschalten und drehe durch!
Th.: ???
Neue Verarbeitungspläne
Alter Plan
Neuer Plan
Wenn Du etwas Neues tust, dann versuche
Gedanken an mögliche Gefahren zu
unterdrücken
Wenn Du etwas Neues tust, dann erlaube
Deinen Gedanken zu kommen und zu gehen
wie Ebbe und Flut
Wenn Du Dir Sorgen machst, dann bitte Deinen
Partner (…) um Rückversicherung
Wenn Du Dir Sorgen machst, dann verzichte
auf Rückversicherung
Wenn Du einen negativen Gedanken hast,
dann mache Dir Sorgen, was passieren könnte
und wie Du es vermeiden kannst
Wenn Du einen negativen Gedanken hast,
dann setze Dich nicht weiter mit ihm
auseinander und warte was passiert.
(eigene Beispiele?)
Mangelnde Akzeptanz von Symptomen: Ein
Zeitgeist-Phänomen?
„Control is the problem“ –
Gilt in besonderer Weise
bei der Generalisierten
Angststörung
Akzeptanzbasierte
Strategien lassen sich gut
mit den hier gezeigten
Ansätzen kombinieren
(Eifert & Forsyth, 2009)
Literatur
Becker, E. & Hoyer, J. (2005). Generalisierte Angststörung.
Göttingen: Hogrefe.
Becker, E. & Margraf, J. (2007). Generalisierte Angststörung. Ein
Therapieprogramm. Weinheim: Beltz.
Eifert, G. & Forsyth, J. (2009). Akzeptanz- und
Commitmenttherapie für Angststörungen. Tübingen: dgvt.
Hoyer, J. & Beesdo-Baum, K. (2012). Prolonged imaginal
exposure based on worry scenarios. In P. Neudeck & H.-U.
Wittchen (Eds.). Exposure therapy. Rethinking the model –
refining the method (p. 245-260). New York: Springer.
Hoyer, J. & Heidrich, S. (2009). Wann sind Sorgen pathologisch?
Verhaltenstherapie, 19, 33-39.
Wells, A. (2011). Metakognitive Therapie bei Angststörungen und
Depressionen. Weinheim: Beltz
Zugehörige Unterlagen
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