Ullrich-Turner-­ Syndrom: Ein Leitfaden für Patientinnen, Eltern und Angehörige Tilman R. Rohrer Tina Leßmeister-­Bastian Katharina Kunzler Ullrich-Turner-­Syndrom: Ein Leitfaden für Patientinnen, Eltern und Angehörige Univ.-Prof. Dr. Tilman Rohrer Tina Leßmeister-Bastian Katharina Kunzler Leiter der Sektion für Pädiatrische Endokrinologieassistentin DGE Ullrich-Turner Syndrom Vereinigung ­Endokrinologie und Diabetologie Sektion für Pädiatrische Deutschland e.V. Universität des Saarlandes Endokrinologie und Diabeto­logie Regionalgruppe Rheinland-Pfalz Klinik für Allg. Pädiatrie Universität des Saarlandes Homburg/Saar Klinik für Allg. Pädiatrie Homburg/Saar Inhaltsverzeichnis Vorwort7 1. Ullrich-­Turner-­Syndrom: Was ist das? 1.1 Geschichte 1.2 Häufigkeit 1.3Genetik 1.4Diagnosestellung 1.4.1Wie wird die Diagnose eines Ullrich-Turner-Syndroms gestellt? 1.4.2 Welche chromosomalen Veränderungen gibt es? 1.4.3 Welche Diagnosemöglichkeiten gibt es? 8 8 8 8 9 9 9 11 2. Typische Merkmale des Ullrich-­Turner-­Syndroms (UTS) 12 2.1 Übersicht der UTS-­t ypischen Merkmale 2.2 Kopf und Hals 2.2.1Ohren 2.2.2Augen 2.2.3 Kiefer und Zähne 2.2.4Hals 2.3 Brustkorb (Thorax) 2.4Lymphsystem 2.5 Haut und Nägel 2.5.1 Leberflecken 2.5.2 Flügelfell und Haaransatz 2.5.3Nagelveränderungen 2.6Skelett 2.6.1 Ellbogen 2.6.2 Wirbelsäule 2.6.3Handgelenk 2.6.4 Mittelhand-­und Mittelfußknochen 2.6.5 Knochendichte 2.7Kleinwuchs 2.8 Innere Organe und Stoffwechsel 2.8.1Schilddrüse 2.8.2Zuckerstoffwechsel 2.8.3Nieren 2.8.4Magen-Darm-Trakt 2.8.5 Herz und Blutgefäße 2.9 Pubertät, Hormonmangel und Fortpflanzungsfähigkeit 2.9.1 Pubertät und Fortpflanzungsfähigkeit 12 14 14 15 16 16 16 17 17 17 18 19 19 19 19 20 20 20 20 22 22 22 23 25 25 28 28 3. Behandlung des Ullrich-­Turner-­Syndroms 30 3.1 Kopf und Hals 30 3.1.1 Ohren 30 3.1.2 Augen 30 3.1.3Kiefer/Zähne 30 3.2Lymphsystem 30 3.2.1Lymphdrainage 31 3.2.2Kompressionstherapie 31 3.2.3Bewegung 31 3.3 Haut und Nägel 31 3.3.1Flügelfell 31 3.3.2Nagelveränderungen 31 3.4 Skelett 31 3.4.1Wirbelsäule 31 3.4.2Handgelenk 32 3.4.3 Knochendichte 32 3.5 Kleinwuchs 32 3.5.1 Was ist das Wachstumshormon? 32 3.5.2Wann sollte die Therapie mit dem Wachstumshormon beginnen? 32 3.5.3 Wie wird das Wachstumshormon verabreicht? 32 3.5.4 Wie lange dauert die Wachstumshormontherapie? 32 3.5.5Welche Nebenwirkungen hat eine Wachstumshormontherapie?33 3.5.6 Wie wird die Wachstumshormontherapie überwacht? 33 3.6 Innere Organe und Stoffwechsel 33 3.6.1Schilddrüse 33 3.6.2 Zuckerstoffwechsel 33 3.6.3 Nieren 34 3.6.4Magen-Darm-Trakt 34 3.6.5 Herz und Blutgefäße 34 3.7 Pubertät, Hormonmangel und Fortpflanzungsfähigkeit 35 3.7.1 Warum wird die Pubertät eingeleitet? 35 3.7.2 Wie wird die Pubertät eingeleitet? 35 3.7.3Welche Nebenwirkungen hat die Hormonersatztherapie? 36 3.7.4 Wann wird die Pubertät eingeleitet? 36 3.7.5Ist eine Schwangerschaft bei Ullrich-Turner-Syndrom möglich? 36 4 4. Übergang in die Erwachsenensprechstunde (Transition) 37 5. Fragen werdender Eltern 37 6. Empfohlene Untersuchungen 39 7. Literatur 42 8. Glossar 44 9. Selbsthilfegruppen und Kontaktadressen 50 5 6 Vorwort Liebe Eltern, die Diagnose Ullrich-Turner-Syndrom (UTS) wirft viele Fragen auf und verursacht Ängste. Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen diese nehmen und Antworten zu wichtigen Fragen geben und zeigen, dass mit der Besonderheit UTS ein weitgehend normales, selbstständiges Leben möglich ist. Sie erhalten hier einen Überblick über die Symptome und Be­hand­lungs­möglichkeiten nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wichtig zu wissen ist, dass die Auswirkungen eines UTS sehr unterschiedlich sein können und oftmals so diskret ausgeprägt sind, dass es nicht „auf den ersten Blick‟ ­erkennbar ist. Bei den wenigsten Mädchen und Frauen finden sich alle Symptome gleichzeitig. Ferner wird die große Bedeutung der regelmäßigen Kontroll­untersuchungen betont, die auch in das Erwachsenenalter hineinreichen und obligatorisch sein sollten. Werdenden Eltern, die die Diagnose schon durch Pränatal­diagnostik erhalten haben, raten wir dazu, sich ein realistisches Bild vom Leben mit UTS zu machen. Dazu ist der Kontakt zu Betroffenen eine wertvolle Möglichkeit, sich auszutauschen und eine eigene Meinung zu bilden. Diese Broschüre kann das Gespräch mit dem behandelnden Kinder-Endokrinologen und Kinder-Kardiologen nicht ersetzen. Sie soll Ihnen aber über das Ullrich-TurnerSyndrom und die Lebenssituation der Mädchen und Frauen mit UTS allgemeine Informationen vermitteln und eine Hilfestellung bieten. Unser Schwerpunkt liegt darin, die Bedürfnisse der jungen Mädchen und Frauen­zu erkennen und zu benennen, um so die Beratungs- und Behandlungssituation weiter zu verbessern. 7 1. Ullrich-­Turner-Syndrom: Was ist das? 1.1GESCHICHTE Das Ullrich-Turner-Syndrom (UTS), auch Turner-Syndrom oder Monosomie X g ­ enannt, ist nach dem deutschen Kinderarzt Otto Ullrich (1894 –1957) und dem amerikanischen Endokrinologen Henry Hubert Turner (1892 –1970) benannt. Dr. Otto Ullrich, ein Professor für Kinderheilkunde in der von Haunerschen Kinderklinik München, beschrieb 1930 erstmals das gemeinsame Vorkommen folgender Auffäl­lig­ keiten: Faltenhals, Überstreckbarkeit der Ellenbogengelenke, Kleinwuchs, gedrungener Körperbau und ausbleibende Geschlechtsentwicklung. Im Jahre 1938 beschrieb Dr. Henry Turner die Auffälligkeiten als ein eigenes Syndrom bei Mädchen. Erst 1959 wies Dr. Charles E. Ford nach, dass beim Ullrich-Turner-Syndrom anstatt der normalen 46 Chromosomen nur 45 vorhanden sind, wobei ein X-Chromosom vorhanden ist, ein zweites Geschlechtschromosom aber fehlt. 1.2HÄUFIGKEIT Das Ullrich-Turner Syndrom ist die häufigste Veränderung der Geschlechts­chromo­ somen bei Frauen. Es tritt mit einer Häufigkeit von 1:2000 bis 1:2500 aller lebend geborenen Mädchen auf. 1.3GENETIK Das Erbgut des Menschen ist im Normalfall auf 46 unter dem Mikroskop sichtbaren Paaren von Kern­körperchen, den Chromosomen, verteilt. Diese bilden 23 Paare, von denen eines das Geschlecht bestimmt. Dieses Geschlechtschromosomenpaar setzt sich entweder aus zwei gleichen X-Chromosomen (bei der Frau) oder einem X- und einem Y-Chromosom (beim Mann) zusammen. 8 Das UTS ist eine Fehlbildung (Anomalie) der Geschlechtschromosomen, bei der nur ein einzelnes X-Chromosom vorhanden ist. Es fehlt das zweite Geschlechts­chromosom, ein X-oder Y-Chromosom, das ein weibliches bzw. männliches Geschlecht korrekt bestimmen würde. Mädchen und Frauen mit UTS besitzen somit insgesamt 45 anstatt 46 Chromosomen. Da beim UTS nur ein einzelnes X-Chromosom vorhanden ist, spricht man auch von Monosomie X.­­Die genetische Kurzschreibweise für diesen Chromosomensatz (Karyotyp) lautet 45,X oder auch 45,X0 anstatt 46,XX bzw. 46,XY wie bei Frauen ohne UTS bzw. Männern. Mitunter ist die Chromosomenanomalie nicht in allen Zellen vorhanden. Dann gibt es neben den Zellen mit nur einem X-Chromosom auch Zellen mit zwei X-Chromosomen. Ein solches Nebeneinander von verschiedenen Zellen mit unterschiedlicher Anzahl an Chromosomen in den einzelnen Zellen wird als Mosaik bezeichnet. Die Symptomatik des UTS kann beim Mosaiktyp abgeschwächt sein. Die genaue Ursache für diese spontane Veränderung der Chromosomen ist noch nicht bekannt. Diese Chromosomenanomalie ist nicht erblich. 1.4DIAGNOSESTELLUNG 1.4.1 Wie wird die Diagnose eines Ullrich-Turner-Syndroms gestellt? Die Diagnose wird durch eine Chromosomenanalyse gestellt. Die Chromosomen eines Menschen befinden sich im Kern jeder Zelle des Körpers. Sie enthalten in einer genau festgelegten Reihenfolge die Erbanlagen (Gene). Wie oben erwähnt, liegen die Chromosomen paarweise vor. Eines der 23 Chromo­ somenpaare bestimmt das Geschlecht eines Menschen. Bei Frauen findet man in der Regel zwei X-Chromosomen, bei Männern ein X- und ein Y-Chromosom. Die anderen 22 Chromosomenpaare sind bei Frauen und Männern gleich und bestim­men andere Körpermerkmale und Eigenschaften. Veränderungen im Chromosomensatz können nur die Zahl der Chromosomen, nur ihre Struktur oder aber beides betreffen. 1.4.2 Welche chromosomalen Veränderungen gibt es bei UTS? Mit etwa 45 – 50 % ist 45,X das häufigste Erscheinungsbild eines Chromo­somensatz­ es (Karyotyp) beim Ullrich-Turner-Syndrom. Tabelle 1 führt weitere, seltenere Karyotypen­und Chromosomenveränderungen auf, die beim UTS vorkommen können. 9 Karyotyp Eigenheit 45,X ein X-Chromosom fehlt 46,X,i(Xq) Isochromosom eines langen Armes eines X-Chromosoms, d. h. zwei lange Arme sind miteinander verbunden statt eines kurzen und eines langen Armes 46,XXq- der lange Arm eines X-Chromosoms fehlt 46,XXp- der kurze Arm eines X-Chromosoms fehlt 46,X,r(X) Ringchromosom eines X-Chromosoms, d. h. der kurze und der lange Arme eines X-Chromosoms sind an ihren Enden miteinander verbunden 45,X/46,XX Mosaik 45,X/46,XY Mosaik Tab. 1: Verschiedene Karyotypen bei Patientinnen mit Ullrich-Turner-Syndrom Schematische Darstellungen der beim UTS beobachteten Chromosomenanomalien. Der kurze Arm des X-Chromosoms ist grün, der lange Arm rosa dargestellt. a: zum Vergleich: normale Frau; b: Monosomie X; c: Monosomie X-Mosaik mit normaler Zelllinie; d: Monosomie X-Mosaik mit 47,XXX-Zelllinie; e: Isochromosom für den langen Arm des X-Chromosoms; f: Isochromosom für den langen Arm X-Chromosoms im ­ Mosaik mit 45,X-Zelllinie; g: partielle Deletion des kurzen Arms „p‟ eines X-Chromosoms; h: partielle Deletion des langen Arms „q‟ eines X-Chromosoms; i: X-Ringchromosom; j: X-Markerchromosom. Abb. 1: Schematische Darstellungen der Chromosomenanomalien beim Ullrich-Turner-Syndrom [1]. Fasst verschiedene Karyotypen beim Ullrich-Turner-Syndrom zusammen 10 1.4.3 Welche Diagnosemöglichkeiten gibt es? Die Diagnose eines Ullrich-Turner-Syndroms kann entweder vor oder nach der Geburt erfolgen. Man spricht dann entsprechend von Pränatal- bzw. Post-natal-Diagnostik. Pränatal-Diagnostik: Pränatale diagnostische Maßnahmen wie Fruchtwasser­unter­ such­ung (Amniozentese) oder Chorionzottenbiopsie kommen meist dann zum Einsatz, wenn es im Ultraschall Auffälligkeiten gibt. Hierzu zählen eine verdickte Nacken­falte, Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme), ausgeprägte Flüssig-keitseinlagerungen im Halsbereich (zystische Hygrome), Fehlbildungen des Herzens wie z. B. eine Eineng­ung der Körperhauptschlagader (Aorta) im Bereich des Aortenbogens (Aorte­nisthmuss­ tenose) oder Linksherzdefekte, Nierenfehlbildungen, Wachstums­retar­dier­ung sowie über- oder unter­durch­schnittliche Fruchtwassermengen (Poly- oder Oligohydramnion) [3] [5] [6] [7] [8]. Ferner kann es zur zufälligen pränatalen Diagnose anhand eines auffälligen Karyo­ gramms im Rahmen von Screeninguntersuchungen bei schwangeren Frauen kommen,­ etwa auf Grund mütterlichen Alters oder bei auffälligen Labor­werten im mütterlichen Blut [3]. Ein höheres Alter der Mutter an sich ist jedoch kein Risikofaktor für das Auftreten von Monosomien [3]. Postnatal-Diagnostik: Postnatal gestellte Diagnosen beruhen meist auf klini­schen Auffälligkeiten, doch kann der Zeitpunkt der Diagnose individuell stark schwanken. Der häufigste Grund für eine zellgenetische (zytogenetische) Untersuchung bei Neu­ geborenen sind Flüssigkeitsansammlungen (Lymphödeme) an Händen und Füßen (93 %). Im frühen Kindesalter ist Kleinwuchs zu 82 % der Schlüssel zur Diagnose. Daher sollte bei jedem Mädchen, bei dem ein unklarer Kleinwuchs besteht, zwingend eine Chromosomenanalyse durch­geführt werden. Im jugendlichen Alter führt das Ausbleiben der Puber­täts­entwicklung meist zur Diagnosestellung. 11 2. Typische Merkmale des Ullrich-Turner-Syndroms Dieses Kapitel behandelt die typischen Merkmale des Ullrich-Turner-Syndroms (UTS) und wie sich diese in verschiedenen Organen und Körperregionen zeigen. In medizinischen Lehrbüchern werden meist die klassischen Merkmale des UTS, wie Kleinwuchs, Flügelfell (Pterygium colli), Lymphödem, Ellenbogenfehlstellung (Cubitus valgus) und fehlende Pubertätsentwicklung beschrieben. Solche typischen körperlichen Merkmale und Erscheinungen nennt man in der Medizin Stigmata. Schnell entsteht der Eindruck, dass die verschiedenen Stigmata immer in ihrer ganzen Fülle zum Bild der Erkrankung gehören. Bei Mädchen mit UTS sind die klinischen Merk­male jedoch oft nur teilweise und auch sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. In der Regel kommen nach dem ersten Lebensjahr außer Autoimmunerkrankungen (= Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet) keine neuen körperlichen Merkmale mehr hinzu. Eine Blickdiagnose zu stellen ist oft schwierig. Daher bedarf es einer sorgfältigen kör­ per­lichen Untersuchung, damit auch gering ausgeprägte Veränderungen zu erkennen sind. Zur gesicherten Diagnose führt erst die Chromosomenanalyse, welche meist im Rahmen einer Kleinwuchsabklärung durchgeführt wird. 2.1ÜBERSICHT DER UTS-TYPISCHEN MERKMALE Tabelle 2 fasst die beim Ullrich-Turner-Syndrom auftretenden Merkmale (Stigmata) und ihre prozentualen Häufigkeiten zusammen. Es kommen jedoch nicht notwendigerweise alle klinischen Zeichen bei einer Frau mit UTS vor. Nach dem ersten Lebensjahr treten keine neuen organischen Veränderungen auf. 12 Merkmal Häufigkeit Merkmal Häufigkeit Kleinwuchs 95 % Nieren 35 % Gonadendysgenesie 90 % Hufeisenniere 10 % Brust/Brustkorb (Thorax) Doppelniere 6 % Lageanomalien 6 % Weiter Brustwarzen­abstand 84 % Schildthorax 85 % Herz Trichterbrust 43 % Aortenisthmusstenose 30 % Bikuspidale Aorten­klappe 55 % Aortenstenose 15 % Augen 30 – 50 % Antimongoloide Lidachse 51 % Epikanthus 32 % Lymphatisches System Ptosis 46 % Handrückenödem (postnatal) 56 % 11 % Fußrückenödem (postnatal) 76 % 10 % Handrückenödem (permanent) 17 % 10 % Fußrückenödem (permanent) 32 % Strabismus Hypertelorismus Rot-Grün-Blindheit Haut/Nägel Hals/Nase/Ohren Flügelfell (Pterygium colli) sichtbar 30 % Pigmentnävi Flügelfell tastbar 50 % Keloidnarben 75 % Tiefer Haaransatz 59 % Zehennägel (hyperkonkav) 57 % Inverser Haaransatz 83 % Fingernägel (hyperkonkav) 19 % Kurzer Hals 64 % Ohrmuscheldysplasien 56 % Skelett Tiefer Ohransatz 36 % Cubitus valgus Mittelohrentzündung (Otitis media) Schallleitungsschwer­hörigkeit Innenohrschwerhörigkeit 75 –100 % 12 – 89 % 1 – 67 % 72 % 63 % kurzes Os meta­c arpale IV + V 45 – 50 % Brustwirbelsäulen­skoliose 13 % Genua valga 30 % Madelung‘sche Deformität 14 % Sonstige Autoimmunthyreopathie Hashimoto Pathologische Glukosetoleranz Zöliakie Arterieller Hochdruck (Erwachsene) 30 – 50 % Mund/Kiefer/Zähne Gotischer Gaumen 71 % 4 – 8 % Mikrognathie 45 % 30 % Retrognathie 32 % 40 % Tab. 2: Klinische Merkmale und Symptome (%) des Ullrich-Turner-Syndroms (modifiziert nach [1]) Sie finden alle Begriffe und deren Erklärung im Glossar ab Seite 44 13 2.2KOPF UND HALS UTS-typische Veränderungen im Bereich des Kopfes können sich an Ohren, Augen, Kiefer und Hals zeigen. 2.2.1 Ohren Mittel- und Innenohr Beim UTS treten häufig Hörminderungen auf. Diese stehen im Zusammenhang mit Problemen im Mittel- und Innenohr. Im Kindes- und Jugendalter steht die Schallleitungsschwerhörigkeit im Vordergrund. Diese ist auf gehäuft auftretende Mittelohrentzündungen zurückzuführen. Ab dem 30. Lebensjahr ist die Innenohrschwerhörigkeit zu beachten. Als Ursache der Innen­ ohrschwerhörigkeit vermutet man einen vorzeitigen Alterungsprozess der Gehör­ schnecke. Aufgrund des engen Rachenraumes und der Verlagerung der Ohrtrompete kommt es zu einer verminderten Belüftung des Mittelohres und in der Folge häufig zu Mittel­ ohrentzündungen. Diese treten bei 75 –100 % aller Kinder mit UTS zwischen dem 1. und 6. Lebensjahr auf. Außenohr Angeborene Verformungen und Fehlbil­ dungen der Ohrmuscheln (Ohrmuschel­ dysplasien Abbildung 2) sind ebenfalls nicht selten. Abb. 2: Ohrmuscheldysplasie, betonte Helix, mässig modellierte Ohrmuschel. Unterhalb des Ohrläppchens kommt der Ansatz eines Flügelfells (Pterygium colli) zur Darstellung 14 Durch regelmäßige Hörprüfungen wird eine Hörschädigung rechtzeitig erkannt, da diese bei Kindern durch Veränderung der Schallintensität, Tonerkennung und Tonunterscheidung die sprachliche Entwicklung behindert. 2.2.2 Augen Beim UTS sind an den Augen Auffälligkeiten der Lidachse, der Augenlider und der Augenbeweglichkeit zu beobachten. Ein Herabhängen des oberen Augenlides tritt einoder beidseitig bei 46 % der UTS-Patientinnen auf. Die Ursache ist eine Schwäche des Muskels, der für das Heben des Augenliedes zuständig ist. Bei 32 %­der Patien­ tinnen liegt eine zusätzliche Hautfalte im Bereich der Nasenwurzel­(Epikantus Ab­ bildung 3) vor, 10 % weisen einen vergrößerten Augenabstand (Hypertelorismus) auf. Abb. 3: Epikanthus, sichelförmige Falte der Haut am inneren Augenwinkel zwischen Ober- und Unterlid Die Veränderungen an den Augen stellen nicht nur ein kosmetisches Problem dar, sondern können je nach Ausprägung des Befundes ohne Therapie zu Sehbehinderungen, Gesichtsfeldeinschränkung und Sehschwäche führen. Je nach Schweregrad ist es ratsam eine operative Korrektur durchzuführen. Schielen Die Patientinnen können schielen, wobei es sich meist um ein Einwärtsschielen (Strabismus convergens) handelt. Das Schielen (bei ca. 11 % der Betroffenen) sollte rechtzeitig augenärztlich korrigiert werden. Rot-Grün-Blindheit Die Rot-Grün-Blindheit, auch Rot-Grün-Sehschwäche genannt, ist eine Störung des Farbsinns mit Schwäche bzw. vollständigem Fehlen der Wahrnehmung der Farben Grün und Rot. Sie kommt bei etwa 10 % aller UTS Patientinnen vor. 15 Abb. 5: Hoher Gaumen, auch gotischer Gaumen genannt, findet sich bei schmalem Kiefer Abb. 6: Mikrognathie, kleiner Unterkiefer, und Retrognathie, zurückgesunkener Unterkiefer im Verhältnis zu Oberkiefer und Mittelgesicht 2.2.3 Kiefer und Zähne Bei der Untersuchung des Mundbereiches sind ein spitzbogenartiger, hoher Gaumen (Abbildung 5) sowie ein zu kleiner Unterkiefer (Mikrognathie Abbildung 6) als UTStypische Veränderungen sichtbar. Der Unterkiefer kann auch nach hinten versetzt (Retrognathie) sein. Dann kommt es zu einem Überbiss oder einem Kreuzbiss. Zahn­ fehlstellungen sind häufig die Folge, da den Zähnen Platz fehlt. 2.2.4 Hals Auf das Flügelfell (Pterygium colli) wird bei den UTS-Stigmata der Haut in Kapitel ­­ 2.5.2 eingegangen. 2.3BRUSTKORB (THORAX) Ein auffallend breiter Brustkorb wird als „Schildthorax‟ bezeichnet und tritt mit 85 % sehr häufig auf. Das führt zu einer relativen Verlagerung der Brustwarzen (Mamillen) nach außen, so dass optisch der Eindruck eines weiten Brustwarzenabstandes entsteht (Abbildung 7). Neben dem Schildthorax wur­de bei 43 % der Patientinnen auch eine Trichterbrust beobachtet. 16 Abb. 7: Weiter Mamillenabstand, dadurch breit wirkender Brustkorb (auch Schildthorax genannt) 2.4LYMPHSYSTEM Ein erster Hinweis auf ein UTS ist bei neugeborenen Mädchen oft die Schwellung von Hand (Abbildung 8) und Fußrücken (Abbildung 9). Die Ursache hierfür ist eine Flüssig­ keitsansammlung (Lymphödem), welche sich in den meisten Fällen spontan zurück­ bildet. Im Erwachsenenalter können Ödeme wieder auftreten und finden sich an den Füßen bei etwa jeder dritten und an den Händen bei jeder sechsten Frau. Abb. 8: Handrückenödeme, Verdickung des Handrückens durch Wassereinlagerung (Lymphe) Abb. 9: Füßrückenödem, Verdickung des Fußrückens durch Wassereinlagerung (Lymphe) 2.5HAUT UND NÄGEL 2.5.1 Leberflecken Bei ca. 72 % der UTS-Patientinnen wird das gehäufte Auftreten von Leberflecken (Naevi) beobachtet (Abbildung 10). In der Regel handelt es sich um gutartige Ansammlungen von Pigmentzellen. Trotzdem sollten regelmäßige Kontrollen durch einen Hautarzt erfolgen. Abb. 10: Pigmentnaevi, begrenzte, gutartige Veränderung der Pigmentzellen der Haut 17 2.5.2 Flügelfell und Haaransatz Bei dem so genannten Flügelfell (Ptery­ gium colli) handelt es sich um eine Haut­ falte, die vom seitlichen Hals (Abbildung 2) bis zur Schulter reicht (Abbildung 11).­ Meist ist sie aber so gering ausgeprägt, dass sie erst auffällt, wenn der Kopf zur Seite geneigt wird. Bei vielen UTS-Patientinnen beobachtet man im Nacken einen tiefen Haaransatz mit einem Haarwachstum gegen die normale Wuchsrichtung, also von unten nach oben (Abbildung 12a, 12b). Abb. 11: Flügelfell (Pterygium colli), seitliche Hautfalte am Hals vom unteren Ohransatz zur Schulter ziehend Abb. 12: Inverser Haaransatz, die Haare im Nacken wachsen von unten nach oben, 12a Schulkind (links), 12b Säugling (rechts) 18 2.5.3 Nagelveränderungen Die Nägel sind oft stark nach innen oder außen gekrümmt (Abbildung 13a, 13b). Folge dieser besonderen Nagelform sind häufige Nagelbettentzündungen durch das Einwachsen der Nägel. Abb. 13: Dysplastische Nägel, nach oben wachsende Fußnägel durch angeborene Zehenödeme an den Zehenspitzen, 13a Säugling (links), 13b Schulkind (rechts) 2.6SKELETT 2.6.1 Ellbogen (Cubitus valgus) Der Cubitus valgus ist eine seitliche Abwei­chung des Unterarms gegenüber dem Oberarm bei bis zu zwei Dritteln der Mädchen (Abbildung 14). Hierdurch kann das Drehen der Hand eingeschränkt sein. 2.6.2 Wirbelsäule (Skoliose und Kyphose) Skoliosen sind seitlich-verdrehte Ver­ krüm­mungen der Wirbelsäule. Sie können schon in der Kindheit auftreten und können mit steigendem Alter, in der Pubertät und im Rahmen einer Wachs­tums­hormontherapie zunehmen. Als Kyphose bezeichnet man eine übersteigerte Krümmung der Brust­ wirbelsäule („Rundrücken‟). Abb. 14: Cubitus valgus, in der Längsachse abweichen des Unterarmes nach unten aussen im Vergleich zum Oberarm 19 2.6.3 Handgelenk Die Madelung-Deformität ist eine Fehl­ stellung im Handgelenk (Abbildung 15). Dabei ist die Beweglichkeit des Hand­­ gelenkes eingeschränkt. 2.6.4 Mittelhand- und Mittelfußknochen Hierbei handelt es sich um Verkürzun­ gen der 4. oder 5. Mittelhand- oder Mittelfußknochen. Bei den Mittelhand­ knochen ist dieser Befund bei Faust­ schluss meist deutlich erkennbar (Abbildung 16). Die Beweglichkeit ist dabei nicht eingeschränkt. Abb. 15: Madelung Deformität, vorstehendes Ulnaköpfchen, dadurch angedeutete Stufen­ bildung im Handgelenk 2.6.5 Knochendichte Osteopenie (Minderung der Knochen­ dichte) und Osteoporose stellen bei ­Erwachsenen mit UTS ein häufiges Problem dar, und schon im Kindesund Jugend­alter zeigen Mädchen mit UTS eine ver­min­derte Knochendichte. Abb. 16: Verkürztes Metakarpale IV, verkürzter Mittelhandknochen des Ringfingers, dadurch ist der Fingerknöchel kürzer als bei den anderen Fingern 2.7KLEINWUCHS Der Kleinwuchs ist das häufigste beobachtete Merkmal des UTS. Ca. 95 % der Patientinnen mit UTS weisen ein vermindertes Wachstum bzw. eine verminderte Körpergröße auf. Ab dem 3. Lebensjahr weisen die Mädchen mit UTS ein verzögertes Wachstum auf. Im Verlauf der Kindheit bis zum Erwachsenenalter fällt die Wachstumsge­schwindigkeit weiter ab. Dies verstärkt sich durch den fehlenden Wachstums­schub in der Pubertät deutlich. Daher liegt die mittlere Endgröße bei erwachs­enen UTS-Frauen ca. 20 cm unter der von Frauen in der Allgemein­bevölkerung. Die Ausprägung des Kleinwuchses sowie die Endgröße im Erwachsenenalter hängen bei UTS-Frauen auch von der Größe der Eltern ab. 20 Abbildung 17 zeigt die Perzentilkurve für die Körperhöhe bei Mädchen und jungen Frauen mit UTS im Alter von zwei bis zwanzig Jahren. Anhand solcher Kurven lässt sich ablesen, ob eine Patientin im Vergleich zu ihren Alters­genossinnen langsamer wächst bzw. besonders klein ist. Abb. 17: Perzentilkurven für die Körperhöhe bei Mädchen und jungen Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom im Alter von zwei bis zwanzig Jahren 21 2.8INNERE ORGANE UND STOFFWECHSEL 2.8.1 Schilddrüse Schilddrüsenerkrankungen sind bei Menschen mit Ullrich-Turner Syndrom deutlich häufiger als in der Allgemeinbevölkerung. Im Vordergrund stehen hier die so genannte Hashimoto-Schilddrüsenentzündung (Hashimoto-Thyreoiditis)­und die Schilddrüsen­­ unterfunktion (Hypothyreose). Die Schilddrüse bildet die lebens­wichtigen S ­ childdrüsen­ hormone T3 und T4, die für den Energiestoffwechsel unerlässlich sind. ­­ Hashimoto-Thyreoiditis Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine chronische Entzündung der Schilddrüse, verur­ sacht durch körpereigene Antikörper. Das Immunsystem des Körpers rich­tet sich gegen die eigene Schilddrüse, greift sie an und löst eine Entzündungs­reaktion im Organ aus. Dabei kann es allmählich zur völligen Zerstörung der Schilddrüse kommen. Da die Schilddrüse im Verlauf der Hashimoto-Thyreoiditis zu wenig und irgendwann gar keine Schilddrüsenhormone mehr produziert, besteht die Gefahr einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Hypothyreose Bei der Schilddrüsenunterfunktion bildet die Schilddrüse zu wenig Schilddrüsen­ hormon. In der Folge ist der Stoffwechsel der betroffenen Menschen krankhaft verlangsamt, funktioniert sozusagen nur noch in Zeitlupe. Entsprechend nimmt die körperliche und auch die geistige Leistungsfähigkeit ab. 2.8.2 Zuckerstoffwechsel Die Regulation des Blutzuckerspiegels kann bei Patienten mit UTS gestört sein. Von einer gestörten Glukosetoleranz spricht man, wenn unter besonderen Belastungs­ bedingungen (z. B. nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit) die Blutzucker­werte nicht dem Normbereich entsprechen. Zum Nachweis einer gestörten Glukoseverwertung und zur Frühdiagnostik des Diabetes mellitus wird ein Zuckerbelastungstest, der orale Glukose-Toleranz-Test (oGTT), durchgeführt. 22 Die Stoffwechsellage kann sich im Rahmen einer Wachstumshormontherapie zeitweise (s. Kapitel 3.5) verschlechtern. Nach Beendigung dieser Behandlung normalisieren sich die Werte allerdings meist wieder. 2.8.3 Nieren Veränderungen an den Nieren treten bei Patientinnen mit UTS mit 30 – 40 % relativ häufig auf. Hufeisenniere und Beckenniere Bei der sog. Hufeisenniere sind die beiden Nieren an ihren unteren Polen miteinander verwachsen (Abbildung 18). Die Harnleiter münden anatomisch normal in die Blase. In der Regel ist die Nierenfunktion nicht beeinträchtigt. Als Beckenniere bezeichnet man eine Nierenfehllage, bei der eine Niere im Bereich des Beckens liegt (Abbildung 19). Diese Lageanomalie kann zu einer Behinderung des Harnflusses führen. Abb. 18: Schematische Darstellung einer Huf­ eisenniere. Die Unterpole beider Nieren sind zusammengewachsen Abb. 19: Schematische Darstellung einer Beckenniere. Eine Niere (hier rechts) liegt nicht an der gewöhnlichen Stelle am Rücken, sondern sie liegt im kleinen Becken 23 Abb. 20: Schematische Darstellung eines vesikoureteralen Refluxes. Rechts normaler Harnfluß von den Nierenbecken entlang des Harnleiters in die Harnblase (schwarze Pfeile). Links Fluß beim Wasserlassen in entgegengesetzter Richtung von der Harnblase in die Nierenbecken (rote Pfeile) Vesikoureteraler Reflux (VUR) Das Zurückfließen (Reflux) des Urins aus der Harnblase in den Harnleiter (Ureter) bis hinauf in das Nierenbecken bezeichnet man als vesikoureteralen Reflux (VUR). Beim gesunden Menschen fließt der Urin nur von der Niere durch den Harnleiter in die Harnblase, aber nicht in umgekehrter Richtung. Die richtige und falsche Richtung des Harnflusses­ stellt Abbildung 20 a/b schematisch dar. Liegt eine Blaseninfektion vor, können Bakterien mit dem rückfließenden Harn viel leichter über die Harnleiter bis in die Nieren gelangen und dort Infektionen und Narben verursachen. In der Folge treten dann gehäuft Entzündungen des Nieren­ beckens (Pyelonephritis) auf, die auf Dauer die Niere schädigen können. 24 2.8.4 Magen-Darm-Trakt Zöliakie Bei der Zöliakie handelt es sich um eine Überempfindlichkeit gegen Gluten (ein Bestandteil einiger Getreidearten und Mehlsorten aus Eiweiß). Folge ist eine Entzün­ dung­der Schleimhaut und Zerstörung der Darmschleimhaut. Zur Diagnose­stellung gehören­der Nachweis bestimmter Antikörper im Blut sowie eine Darmspiegelung. Auch bei Patientinnen, die beschwerdefrei sind, sollten regelmäßig (alle 2 bis 5 Jahre) die Zöliakie-Antikörper bestimmt werden. Morbus Crohn Der Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmentzündung, die alle Abschnit­ te des Verdauungstraktes, vom Mund über die Speiseröhre bis zum Enddarm betreffen kann. Am häufigsten kommt die Entzündung jedoch im letzten Dünndarmabschnitt (Ileum) und im Anfangsbereich des Dickdarms (Kolon) vor. Die Erkrankung verläuft meist schubweise, das heißt, dass sich beschwerdefreie und entzündliche Phasen in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen abwechseln. Colitis ulcerosa Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Dickdarms (Kolon). Meist beginnt die Entzündung im Enddarm und breitet sich von dort kontinuierlich auf die höher gelegenen Dickdarmanteile aus. Die Ausdehnung und der Verlauf der Erkrankung können individuell sehr unterschiedlich sein. 2.8.5 Herz und Blutgefäße Häufigkeit Die Häufigkeit von Herzfehlern beim UTS wird in der Literatur mit 23 – 50 % ange­ge­ ben. Mit 30 – 50 % ist der häufigste angeborene Herzfehler des UTS die sog. bikus­pide Aortenklappe (BAV), (Abbildung 21). Als zweithäufigste ange­borene Veränderung des Herzens beim UTS beobachtet man mit 30 % die Einengung der Aorta im Bereich des Aortenbogens (Aortenisthmusstenose (CoA, ISTA), Abbildung­22). Die Diagnose eines Herzfehlers kann durch eine Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie) gestellt werden. Die schnittbildgebende Kernspinuntersuchung (Magnetresonanztomographie (MRT)) des Herzens und der Aorta ermöglicht eine ge­ nau­ere Darstellung. 25 Bikuspide Aortenklappe Die Herzklappe am Ausgang der linken Herzkammer zur Körperhauptschlagader­ (Aortenklappe) ist im Normalfall dreisegelig (trikuspid), d. h. sie besitzt drei Klappen­ segel. Wurden nur zwei Klappen ausgebildet, spricht man im Falle dieser angeborenen­ Veränderung von einer zweisegeligen (bikuspiden oder bikuspidalen) Aortenklappe (Abbildung 21). Trikuspide Aortenklappe Aortenklappe Bikuspide Aortenklappe Abb. 21: Schematische Darstellung einer bikuspiden Aortenklappe. Der Kreis in der Übersicht links zeigt die Lage der Aortenklappe. Rechts oben regelrechte dreisegelige (trikuspide) Aortenklappe, rechts unten zweisegelige (bikuspide) Aortenklappe durch Zusammenwachsen von zwei Segeln (gestrichelte Linie) 26 Aortenisthmusstenose Ist die Körperhauptschlagader (Aorta) im Bereich des Aortenbogens verengt, spricht man von einer Aortenisthmusstenose (ISTA oder CoA) Abbildung 22 zeigt eine ISTA in schematischer Darstellung. Da das Blut zur Versorgung der unteren Körperhälfte zuerst vom Herzen durch diese Verengung (Stenose) gepumpt werden muss, entsteht zwischen der oberen und unteren Körperhälfte ein Blutdruck- und Pulsunterschied, der für das Krankheitsbild typisch ist. Abb. 22: Schematische Darstellung einer Aortenisthmusstenose. Der Pfeil markiert die Engstelle (Stenose) im Aortenbogen Aortenaneurysma Eine Aussackung der Körperhauptschlagader (Aortenaneurysma) tritt gehäuft auf bei hohem Blutdruck. Bestehen auffällige Herzbefunde (kardiologische Auffälligkeiten) oder lässt sich die Aorta in der jährlichen Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie) nicht sicher beurteilen, sollte alle fünf Jahre ein MRT des Herzens durchgeführt werden. 27 Bluthochdruck Viele Patientinnen mit UTS entwickeln einen hohen Blutdruck (Hypertonie). Dieser betrifft etwa 30 – 40 % aller erwachsenen Frauen mit UTS. Es ist w ­ ichtig, schon bei Kindern bei jedem Arztbesuch den Blutdruck zu kontrollieren. Mit Hilfe einer Langzeit-Blutdruckmessung können die Blutdruckspitzen im Tagesver­ lauf und auch nachts erfasst werden. Durch eine spezielle Ultraschalluntersuchung der Gefäße (Doppler-Sonographie) können z. B. Verengungen an den Nierengefäßen als Ursache erkannt werden. 2.9PUBERTÄT, HORMONMANGEL UND FORTPFLANZUNGSFÄHIGKEIT Das Ullrich-Turner-Syndrom zeigt unterschiedliche hormonelle Störungen. Am häufigs­ ten zeigt sich ein Mangel an weiblichen Hormonen, die in den Eierstöcken­gebildet werden (Ovarialhormonen). Dieser Hormonmangel hängt davon ab, wie stark die Unter­funktion (Ovarialinsuffizienz) der Eierstöcke ausgeprägt ist. Die aufgrund dieser Störung fehlende Pubertätsentwicklung und Unfruchtbarkeit (Infertilität) der Patien­ tinnen sind neben dem Kleinwuchs das häufigste klinische Merkmal des UTS. 2.9.1 Pubertät und Fertilität Über 90 % der Patientinnen mit UTS zeigen eine Fehlfunktion der Eierstöcke; 30 % dieser Patientinnen treten zwar verspätet, aber spontan in die Pubertät ein. Bei einigen zeigt sich eine fortschreitende Pubertät, und 2 – 5 % bekommen spontan ihre Regelblutung. Diese Patientinnen mit spontaner Regelblutung haben die Möglichkeit, ohne medikamentöse Therapie schwanger zu werden. Spontane Schwangerschaften treten bei Frauen mit UTS allerdings extrem selten auf. Die meisten Frauen mit UTS sind aufgrund der fehlenden Funktion der Eierstöcke unfruchtbar (infertil). 28 29 3. Behandlung des Ullrich-Turner-Syndroms 3.1KOPF UND HALS 3.1.1 Ohren Bei Mittelohrentzündungen ist die gezielte antibiotische Therapie sehr wichtig, um als Folge eine Schalleitungsschwerhörigkeit zu vermeiden. Weitere therapeutische Maßnahmen sind abschwellende Nasentropfen und entzündungshemmende Medika­ mente. Wird eine Schwerhörigkeit diagnostiziert, ist eine Hörgeräteversorgung zwin­gend erfor­derlich. Etwa ein Viertel der Mädchen und Frauen mit UTS benötigt dauerhaft ein Hörgerät. 3.1.2 Augen Bei ausgeprägten herabhängenden Augenlidern (Ptosis) mit drohender Sehbehinder­ ungen, Gesichtsfeldeinschränkung und Sehschwäche ist eine operative Korrektur erforderlich. Ein Schielen der Augen (bei ca. 11 %) sollte ebenfalls rechtzeitig augenärztlich korri­ giert werden. 3.1.3 Kiefer/Zähne Eventuell ist es nötig, Zähne zu ziehen und die Patientin mit Zahnspangen zu versor­ gen, um so im Kiefer Platz zu schaffen. In der Regel ist eine kieferorthopädische Therapie ausreichend. 3.2LYMPHSYSTEM Die Therapie des Lymphödems ist in der Regel konservativ. Eine Entlastung des Lymphsystems kann durch Lymphdrainage, Hochlagerung, körperliche Bewegung oder Kompressionsbehandlung erfolgen. 30 3.2.1 Lymphdrainage Durch die manuelle Lymphdrainage kann Gewebeflüssigkeit aus den geschwollenen Bereichen in die funktionstüchtigen Bereiche des Lymphsystems verschoben werden. 3.2.2 Kompressionstherapie Durch die Kompressionstherapie werden die Druckverhältnisse im Gewebe positiv beeinflusst. Damit wird der Rückfluss der Flüssigkeit in die Lymphgefäße und Venen ermöglicht. Der eigentliche Kompressionsverband wird mit textil-elastischen Kurz­ zugbinden angelegt. 3.2.3 Bewegung Regelmäßige Bewegungsübungen fördern ebenfalls die Entstauung. 3.3HAUT UND NÄGEL 3.3.1 Flügelfell Je nach Schwere der Ausprägung des Flügelfells am Hals ist eine chirurgische Ent­ fernung möglich. 3.3.2 Nagelveränderungen Wegen der häufigen Nagelbettentzündungen ist richtige Nagelpflege extrem wichtig. Die Nägel sollten gerade und nicht zu kurz geschnitten werden, damit die Nägel weder die Haut verletzen noch einwachsen können. Bei stark gewölbten Nägeln sollte durch Abfeilen der Nagelmitte Druck von den Nagel­ rändern genommen werden. Außerdem sollten keine zu engen oder zu flachen Schuhe getragen werden. Treten häufig Entzündungen auf, kann chirurgisch behandelt werden. Je nach Nagelform sind die Betreuung durch eine med. Fußpflege und speziell angefertigte Schuhe ratsam. 3.4SKELETT 3.4.1 Wirbelsäule Eine konsequente und frühzeitig beginnende krankengymnastische Therapie ist bei der Skoliose erforderlich, um Folgeschäden zu vermeiden. Bei schweren Formen können auch eine Versorgung mit einem Korsett oder operative Eingriffe notwendig sein. Mindestens einmal jährlich sollte eine klinische Untersuchung der Wirbelsäule durchgeführt werden. 31 3.4.2 Handgelenk Die Therapie der Mandelungschen Deformität ist in der Regel operativ und erfolgt mit dem Ziel, die Beweglichkeit zu verbessern. 3.4.3 Knochendichte Behandlung mit Östrogenen scheint einen positiven Einfluss auf die Knochendichte und das Frakturrisiko zu haben. 3.5KLEINWUCHS Die einzige wirksame Behandlung des Kleinwuchses erfolgt mit synthetisch herge­stel­ lten Wachstumshormonen. 3.5.1 Was ist das Wachstumshormon? Das Wachstumshormon, mit wissenschaftlichem Namen Somatropin, ist ein körper­ eigener Botenstoff. 3.5.2 Wann sollte die Therapie mit dem Wachstumshormon beginnen? Die Behandlung sollte mit 2, spätestens mit 4 Jahren beginnen. Der Größen­gewinn durch adäquate Wachstumshormontherapie ist erheblich. Bei F ­ rauen mit UTS kann der Zugewinn an Körperhöhe 5 bis 12 cm betragen. Jedoch s ­ pielen eine Vielzahl an Faktoren mit, insbesondere die Größe der Eltern, die Körpergröße bei Therapiebeginn, der Zeitpunkt und die Dauer der Therapie, die Dosierung des Wachstumshormons und der Pubertätsverlauf. 3.5.3 Wie wird das Wachstumshormon verabreicht? Das Wachstumshormon kann leider nicht als Tablette eingenommen werden, es muss täglich unter die Haut gespritzt werden. Dies geschieht am besten abends vor dem Schlafengehen mit einer Injektionshilfe. Als Injektionsbereich eignet sich bei Kleinkindern der Po am besten, da hier genügend Fettgewebe vorhanden ist. Später sind die Vorderseiten der Oberschenkel und der Bauch geeignet. Etwa ab Schulalter können Kinder sich auch selbst spritzen, wenn sie dies wollen. 3.5.4 Wie lange dauert die Wachstumshormontherapie? Die Therapie sollte bis zum Abschluss des Längenwachstums durchgeführt werden, d. h. bis die Wachstumsfugen geschlossen sind. 32 3.5.5 Welche Nebenwirkungen hat eine Wachstumshormontherapie? Wirksame Arzneimittel ohne Nebenwirkungen gibt es nicht. Allerdings gibt es Medi­kamente, bei denen die Wirkung in besonders günstigem Verhältnis zu den Nebenwirkungen steht – größere Wirkung, geringere Nebenwirkungen. Das ist auch beim Wachstumshormon der Fall, das im eigentlichen Sinne auch kein Medikament, also keine fremde Substanz, sondern die Kopie eines körpereigenen Hormons ist. Unter der Therapie kommt es zu einem Aufholwachstum, daran muss sich der Körper erst gewöhnen. Insgesamt sind Nebenwirkungen selten. 3.5.6 Wie wird die Wachstumshormontherapie überwacht? Kinder mit Wachstumshormon-Therapie müssen regelmäßig ärztlich überwacht werden, um den Erfolg der Therapie beurteilen und eventuelle Nebenwirkungen früh­ zeitig erkennen zu können. Dazu sind anfangs vierteljährliche, später halbjährliche Termine beim Kinder-Endokrinologen notwendig. Es werden das Blutbild, Schilddrüsenwerte, der Zuckerstoffwechsel sowie die Wachstumsfaktoren kontrolliert. Eine jährliche Überprüfung des Knochenalters ist in der Regel ausreichend; hier kann die Veränderung der zu erwartenden Endgröße (d. h. der „Gewinn‟ an Zentimetern (cm) im Vergleich zur Ausgangsuntersuchung) berechnet werden. 3.6INNERE ORGANE UND STOFFWECHSEL 3.6.1 Schilddrüse Zum Ausgleich einer Schilddrüsenunterfunktion steht Schilddrüsenhormon in Tabletten- und Tropfenform zur Verfügung. Eine Hashimoto-Thyreoiditis endet nicht zwangsläufig in einer Unterfunktion der Schilddrüse. In diesem Fall ist keine Therapie notwendig, doch sollten regelmäßig Laborkontrollen durchgeführt werden. 3.6.2 Zuckerstoffwechsel Bei der Behandlung des Diabetes sind eine frühzeitige Ernährungsberatung, regel­ mäßige Gewichtskontrollen und gewisse Änderungen des Lebensstils von größter Bedeutung. 33 3.6.3 Nieren Um akute Erkrankungen wie Blasenentzündungen und Nierenbeckenentzündungen und ihre Spätfolgen zu vermeiden, muss bei einem vesikoureteralen Reflux (VUR) eine konsequente Dauertherapie mit Antibiotika erfolgen. Je nach Ausprägung ist auch eine Operation zu erwägen. 3.6.4 Magen-Darm-Trakt Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts sollten von einem Kinder-Gastroen­terologen behandelt werden. Zöliakie Bei Vorliegen einer Zöliakie muss eine glutenfreie Diät eingehalten werden. Morbus Crohn Therapieziel ist es, den Entzündungsprozess im Darm zu unterbinden. Während eines akuten Krankheitsschubs kommen Medikamente wie spezielle Entzündungshemmer oder Cortison zum Einsatz. Auch die Ernährung spielt eine Rolle. In Fällen, bei denen es zu negativen Begleiterscheinungen oder gar einem Darmver­ schluss kommt, hilft nur ein operativer Eingriff. Colitis ulcerosa Die Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten steht im Vordergrund. Diese wirken am besten direkt am Ort des entzündlichen Geschehens im Darm. In manchen Fällen lässt sich eine Colitis ulcerosa nicht mehr mit Medikamenten kontrollieren, dann wird eine Operation unumgänglich. 3.6.5 Herz und Blutgefäße Bikuspide Aortenklappe Bei Klappenfehlbildungen sollte eine dauerhafte vorbeugende Behandlung gegen eine Entzündung der Herzinnenhaut (Endokarditisprophylaxe) erfolgen. Das bedeutet, dass bei fiebrigen Erkrankungen oder Behandlungen in bakterienreichen Umgebungen (z. B. beim Zahnarzt) einmalig ein Antibiotikum gegeben wird. Aortenisthmusstenose Je nach Ausprägung der Engstelle muss die Aorta in diesem Gefäßabschnitt operativ korrigiert werden. 34 Aortenaneurysma Die Notwendigkeit einer operativen Korrektur hängt vom Grad der Ausweitung des Aneurysmas ab. Bluthochdruck Die konsequente Senkung des Bluthochdrucks mithilfe von Medikamenten ist unver­ zichtbar, da ein hoher Blutdruck auch zur Aussackung der Gefäßwand an der Aorta (Aortenaneurysma) führen kann. Hierbei besteht die Gefahr, dass die Aorta einreißt und es zu schweren, lebensbedrohlichen inneren Blutungen kommen kann. 3.7PUBERTÄT, HORMONMANGEL UND FORTPFLANZUNGSFÄHIGKEIT 3.7.1 Warum wird die Pubertät eingeleitet? Die Pubertät leitet man ein, um das Brustwachstum, einen normalen weiblichen Zyklus und das Wachstum der inneren Geschlechtsorgane herbeizuführen. Weitere Ziele der Therapie bestehen darin, eine normale Knochendichte zu erreichen, Herz-KreislaufErkrankungen vorzubeugen, das Selbstbewusstsein zu stärken und die körperliche und psychische Lebensqualität zu verbessern. 3.7.2 Wie wird die Pubertät eingeleitet? Die Pubertät wird eingeleitet, indem die Hormone ersetzt werden, die aufgrund der Unterfunktion der Eierstöcke fehlen. Zunächst erfolgt die Behandlung mit Östro­ge­nen (Monotherapie). Nach ein bis zwei Jahren muss die Behandlung um ein Progesteron­ derivat, ein sog. Gestagen, erweitert werden, damit es zu normalen Regelblutungen kommt. Die Hormonpräparate gibt es in unterschiedlichen Darreichungsformen. Über den Mund (oral) eingenommen werden können sie als Tabletten, Dragees, Kapseln oder Tropfen. Für die Verabreichung über die Haut (dermal) gibt es Gele oder Pflaster. Unter der Hormonersatztherapie erfolgen regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Auch nach dem Ende der Pubertät muss die Therapie mit Östrogen und Gestagen weitergeführt werden. 35 3.7.3 Welche Nebenwirkungen hat die Hormonersatztherapie? Die Pubertät und eine normale Entwicklung können nur mit Medikamenten eingeleitet werden. Es können Nebenwirkungen auftreten, aber der Nutzen dieser Behandlung überwiegt ganz klar. Unter Hormonersatztherapie kann es zu einer Veränderung von Leberenzymen kommen. Wenn ein erhöhtes Risiko für Blutgerinnsel (Thromboserisiko) besteht, ist die Verwen­ dung von Pflastern der oralen Gabe überlegen, da die transdermale Gabe das Throm­ bose­risiko nicht erhöht. Für die Pubertätseinleitung (­ Pubertätsinduktion) liegt keine Zulassung vor, so dass es sich um eine sog. „off-label‟-Therapie handelt. Hierzu benötigt man nach einem Aufklärungsgespräch das Einverständnis der Eltern und der Patientin. 3.7.4 Wann wird die Pubertät eingeleitet? Bei Mädchen mit UTS leitet man ab einem Lebensalter beziehungsweise einer Knochenreife von 11 (10 –12) Jahren die Pubertät in der Regel mit Östrogenen ein. Es handelt sich dabei um eine individuelle Entscheidung, die u. a. von der Wachstumsprognose und psychosozialen Situation abhängt. 3.7.5 Ist eine Schwangerschaft bei Ullrich-Turner-Syndrom möglich? Bei den meisten Mädchen mit UTS verschwinden die Eizellen um das zehnte Lebens­ jahr. Trotzdem werden 2 – 4 % der Frauen mit UTS ohne Eizellspende schwanger. Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft besteht bei Frauen mit altersentsprechend und von selbst eingesetzter Pubertät. Eine Schwangerschaft bei Frauen mit UTS lässt sich aber auch mit künstlicher Befruchtung ermöglichen. 36 4. übergang in die Erwachsenensprechstunde (Transition) Für den Übergang in die Erwachsenenmedizin und für die Weiterbetreuung von Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom gibt es konkrete Empfehlungen. Die Betreuung muss aufgrund der Vielfalt der klinischen Befunde und der Kom­ plexi­tät des Krankheitsbildes unbedingt interdisziplinär erfolgen, d. h. es müssen mehr­ere Fachärzte aus verschiedenen Fachdisziplinen einbezogen werden. Die Betreuungskonzepte müssen individuell angepasst werden und richten sich sowohl nach Lebensalter als auch nach vorhandenen Begleiterkrankungen. 5. Fragen werdender Eltern Eltern, die eine Tochter mit Ullrich-Turner-Syndrom erwarten, haben viele Fragen: • Was kommt mit einem Baby auf uns zu? • Sind wir dann nur noch im Krankenhaus? • Sieht jeder, dass unsere Tochter UTS hat? • Wann und in welchem Umfang sollten wir unsere Tochter über Wachstums­störungen und die wahrscheinliche Unfruchtbarkeit aufklären? • Wie sieht der Umgang in Familie, Kindergarten, Schule und Beruf aus? 37 Für die Lebensqualität ist die altersgemäße körperliche Entwicklung von großer Bedeu­tung. Dies beinhaltet zuallererst den rechtzeitigen Beginn einer Behandlung mit Wachstumshormon in der Kindheit und mit Östrogen im Jugendalter. Extrem wichtig ist, dass die Kinder und Jugendlichen ihrem Alter und Entwicklungsstand ent­ sprechend über das Krankheitsbild und seine Auswirkungen aufgeklärt werden und auf alle Fragen ehrliche Antworten bekommen. Kindern und Jugendlichen ist es sehr wichtig, dass sie sich auch körperlich wie Gleichaltrige entwickeln und Erklärungen für ihre „körperlichen Besonderheiten‟ (vermindertes Wachstum, ausbleibende Pubertätsentwicklung) bekommen, die ihnen oft schon sehr früh bewusst werden. Damit wird auch vermieden, dass sie eine Außenseiterrolle einnehmen. S ­ pätestens mit Beginn der Östrogentherapie sollten die Mädchen vollständig über die hohe Wahrscheinlichkeit einer Unfruchtbarkeit (Infertilität) aufgeklärt werden und ihnen mögliche Alternativen wie Adoption aufgezeigt werden. Bekannt ist heute auch, dass UTS-Patientinnen Teilleistungsschwächen vor allem im räumlichen Denken, der Geometrie oder auch der Körperkoordination aufweisen können. Diese können aber durch Nachhilfe und Training ausgeglichen werden. Indem die Eltern altersgemäße Anforderungen an ihre Tochter mit UTS stellen und sie nicht überbehüten, stärken sie ihr Selbstbewusstsein erheblich und unterstützen sie darin, als erwachsene Frau ein selbstbestimmtes und voll integriertes Privatund Berufsleben führen zu können. 38 6. Empfohlene Untersuchungen Für Mädchen und Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom sind bei Diagnose­stellung und danach regelmäßig und altersabhängig folgende Untersuchungen empfohlen. Bei Diagnosestellung: 4 – 10 Jahre Alle Altersgruppen • Schilddrüsenfunktion • Herzuntersuchung beim Spezialisten • Zöliakie-Antikörper (Kernspinuntersuchung (MRT) des Herzens, wenn die Kooperation möglich ist, bei allen Jugendlichen) • Ultraschall Nieren und Harnwege • Hörprüfung • Skoliose/Kyphose? • Entwicklungspsycholog. und psychosoziale Untersuchung • Detaillierte Aufklärung (Spezialisten) • Wachstum? • Pubertät? • Hinweis auf Selbsthilfegruppe 0 – 4 Jahre • Entwicklungspsycholog. und psychosoziale Untersuchung • kieferorthopädische Untersuchung > 10 Jahre • Schilddrüsenfunktion • Zöliakie-Antikörper • entwicklungspsychologische und psychosoziale Untersuchung • kieferorthopädische Untersuchung • Eierstockfunktion? Östrogen/ Gestagen-Substitution • L abor (Blutfette, Nierenwerte, Blutzucker, Leberwerte, Blutbild) • Hüftultraschall • Körpermasseindex (BMI), Gewicht • ab 1 Jahr: Sehschule, Augenarzt • > 18 Jahre: Osteodensitometrie 39 Kontrolluntersuchungen bei Diagnose und altersspezifisch Alle Altersgruppen Häufigkeit • Blutdruckmessung, Kardiologische Kontrollen jährlich • Hörprüfung alle 1 – 5 Jahre • Augenarzt/Sehschule alle 1 – 5 Jahre Säuglinge • BERA mit 6 und 12 Monaten Schulalter • Leber- und Schilddrüsenwert jährlich • Zöliakie-Antikörper alle 2 – 5 Jahre • Zahnarzt halbjährlich • Orthopäde Jugendliche, junge Erwachsene • Blutfette und Blutzucker jährlich • Leber- und Schilddrüsenwerte alle 2 – 5 Jahre • Zöliakie-Antikörper alle 2 – 5 Jahre • Gynäkologische Kontrollen jährlich Kardiologische Untersuchungen Bei Diagnosestellung • U ntersuchung durch einen KinderKardiologen • Umfassende klinische Untersuchung inkl. Blutdruck an allen 4 Extremitäten • Bildgebung: Herz inkl. Aortenklappe, Aortenbogen und Lungenvenen (Pulmonalvenen) • Echokardiographie bei Säuglingen, Kindern und jungen Mädchen • Untersuchung des Herzens mittels Kernspin (MRT) und Ultraschall (Echokardiographie; „Echo‟) bei älteren Mädchen und Erwachs­ enen Verlaufskontrollen in Abhängig­keit von Ausgangsbefund und Klinik • N ormaler Befund des Herz-Kreislauf-Systems und altersentsprechender Blutdruck • Erneute Untersuchung mittels Bildgebung entweder zum Zeitpunkt der Transition, vor geplanter Schwangerschaft oder bei Neuauftreten eines Bluthochdrucks. Auch bei unauffälliger Echokardiographie sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein MRT des Herzens durchgeführt werden • Patienten mit nachgewiesenen krankhaften Veränderungen des Herz-Kreislauf-Systems werden entsprechend den Empfehlungen des betreuenden Kinder-Kardiologen kontrolliert 40 Modifiziert nach 11 Empfehlungen zur Nachsorge Zum Zeitpunkt der Transition Jährlich • 24-Stunden-Blutdruckmessung • Gynäkologische Untersuchung • Elektrokardiographie (EKG), • Anpassung der Östrogen-/ Echokardiographie (ggf. Kernspinuntersuchung (MRT) Herz/Aorta) • Gynäkologische Untersuchung • Hautinspektion (Nävi) • Knochendichtemessung (DXA) • Lebensstil/Ernährungsgewohnheiten • Körperzusammensetzung (BMI, Taillen- und Hüftumfang) Gestagentherapie • Hautinspektion (Nävi) • Körperliche Untersuchung • Blutdruckmessung, Herzauskultation (Abhören der Herztöne mittels Stethoskop) • Kontrolle der Körperzusammensetzung ­ (Ziel-BMI < 25) • Nieren- und Leberwerte • Nieren- und Leberwerte • Nüchtern: Blutfette, Glukose • Nierensonographie • Schilddrüsenfunktion (TSH) • Nüchternblutzucker, Insulin, Blutfette, Cholesterinwerte • Psychologische Beratung • Schilddrüsenfunktion (TSH) • Zöliakieabklärung Alle 3 – 5 Jahre • Hörtest (Audiogramm) • EKG, Echokardiographie • Schilddrüsenautoantikörper • ggf. Schilddrüsensonographie • bei positiver HLA-Typisierung erneut Zöliakiescreening 41 7. Literatur 1. B rämswig JH, Meschede D, Schnitker A, Wygold T, Wessels K. Das Ullrich-Turner Syndrom. 2. Aufl. Bremen: Uni-Med; 2008. 2. G ravholt CH, Veldhuis JD, Christiansen JS. Increased disorderliness and decreased mass and daily rate of endogenous growth hormone secretion in adult Turner syndrome: the impact of body composition, maximal oxygen uptake and treatment with sex hormones. Growth hormone & IGF research : official journal of the Growth Hormone Research Society and the International IGF Research Society. 1998 Aug;8(4):289 – 98. 3. S ybert VP, McCauley E. Turner’s syndrome. The New England journal of medicine. 2004 Sep 16;351(12):1227 – 38. 4. S utton EJ, McInerney-Leo A, Bondy CA, Gollust SE, King D, Biesecker B. Turner syndrome: four challenges across the lifespan. American journal of medical genetics Part A. 2005 Dec 1;139A(2):57 – 66. 5. H aak MC, Bartelings MM, Gittenberger-De Groot AC, Van Vugt JM. Cardiac mal­for­ mations in first-trimester fetuses with increased nuchal translucency: ultrasound diagnosis and postmortem morphology. Ultrasound in obstetrics & gynecology: the official journal of the International Society of Ultrasound in Obstetrics and ­Gynecology 2002 Jul;20(1):14 – 21. 42 6. N icolaides KH, Azar G, Snijders RJ, Gosden CM. Fetal nuchal oedema: associated malformations and chromosomal defects. Fetal diagnosis and therapy. 1992;7(2):123 – 31. 7. N icolaides KH, Heath V, Cicero S. Increased fetal nuchal translucency at 11 –14 weeks. Prenatal diagnosis. 2002 Apr;22(4):308 –15. 8. B ronshtein M, Zimmer EZ, Blazer S. A characteristic cluster of fetal sonographic markers that are predictive of fetal Turner syndrome in early pregnancy. American journal of obstetrics and gynecology. 2003 Apr;188(4):1016 – 20. 9. Ranke MB, Pfluger H, Rosendahl W, Stubbe P, Enders H, Bierich JR, et al. Turner syndrome: spontaneous growth in 150 cases and review of the literature. European journal of pediatrics. 1983 Dec;141(2):81 – 8. 10. B olar K, Hoffman AR, Maneatis T, Lippe B. 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Brainstem Evoked Response Audiometry) bikuspid, bikuspidal zweisegelig BMI Körpermasseindex (engl. body mass index) Chorionzottenbiopsie, Chorionbiopsie Untersuchungsmethode zum vorgeburtlichen Nachweis einiger Stoffwechselerkrankungen und erblich bedingter Besonderheiten Chromosom Struktur im Zellkern, die Gene mit Erbinformationen tragen Colitis ulcerosa eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Dickdarms Cubitus valgus abnormale Ellenbogenstellung/ Ellenbogenfehlstellung Darmepithel oberste Zellschicht der Darmschleimhaut 44 Deformität vorgeburtlich entstandene Fehlbildung oder nachgeburtlich erworbene Abweichung der Gestalt von Organen oder Gliedmaßen Derivat Abkömmling, chemisch abgewandelter Stoff Desoxyribonukleinsäure Trägerstoff der Erbinformation Diabetes Zuckerkrankheit Diabetologe, Diabetologin Diabetesspezialist, Diabetesspezialistin DNA, DNS Desoxyribonukleinsäure Doppler-Sonographie Bestimmung von Blutflussgeschwindigkeiten im Ultraschall DXA Verfahren zur Bestimmung der Knochendichte bei Osteoporose Echokardiographie Ultraschalluntersuchung des Herzens Elektrokardiogramm Herzspannungskurve Endokarditis Entzündung der Herzinnenhaut Endokrinologe, Endokrinologin Hormonspezialist, Hormonspezialistin Endomysium Muskelfaserhülle Epikantus zusätzliche Hautfalte im Bereich der Nasenwurzel Epiphysenfuge knorpelige Wachstumsfuge im Knochen Epiphyseolysis capitis femoris Hüftkopflösung Follikelstimulierendes Hormon Hormon, das für die Eizellenreifung verantwort­lich ist FSH Follikelstimulierendes Hormon fT4 freies Schilddrüsenhormon T4 45 Gastroenterologe, Gastroenterologin Magen-Darm-Spezialist, -Spezialistin Gen DNA-Abschnitt mit der Erbinformation für ein bestimmtes Eiweiß Geschlechtschromosom geschlechtsbestimmendes X- oder Y-Chromosom GH Wachstumshormon Gliadin ein Getreideeiweiß Gluten Klebereiweiß, Bestandteil einiger ­Getreidearten und Mehlsorten HLA Leukozytenantigene Hygrom, zystisches ausgeprägte Flüssigkeitseinlagerungen im Halsbereich Hypertelorismus vergrößerter Augenabstand Hypertension Bluthochdruck Hypertonie Bluthochdruck hypoplastisch unterentwickelt, zu klein Immunsystem Abwehrsystem des Körpers Infertilität Unfruchtbarkeit Isochromosom Chromosom mit struktureller Fehlbildung Kardiologe, Kardiologin Herzspezialist, Herzspezialistin Kardio-MRT Magnetresonanztomographie des H ­ erzens und der Aorta Karyotyp Gesamtheit aller Chromosomen­eigenschaften Kieferorthopäde, Kieferorthopädin Kieferspezialist, Kieferspezialistin Kolon Dickdarm 46 kongenital von Geburt an konnatal angeboren Kyphose Rückenverkrümmung nach außen LH Luteinisierndes Hormon L-Thyroxin, T4 Schilddrüsenhormon Luteinisierndes Hormon (LH) Hormon, das den Eisprung auslöst Lymphödem Flüssigkeitsansammlung im Gewebe Magnetresonanz­tomo­ graphie (MRT) schnittbildgebende Kernspinuntersuchung im Magnetfeld Mamille Brustwarze Mikrognathie zu kleiner Unterkiefer Monosomie Vorliegen nur eines von zwei Chromosomen Monosomie X eine andere Bezeichnung für das Ullrich-TurnerSyndrom Morbus Crohn eine chronisch-entzündliche Erkrankung des ­­ Dünn- und Dickdarms MRT Magnetresonanztomographie Ödem Flüssigkeitseinlagerung im Gewebe Oozyt Eizelle Ophtalmologe, Ophtalmologin Augenarzt, Augenärztin Osteodensitometrie Knochendichtemessung Osteopenie verminderte Knochendichte, Vorstufe der Osteoporose Osteoporose Knochenschwund 47 Ovarialhormone Sammelbezeichnung für die von den Eierstöcken hergestellten weiblichen Sexualhormone, vor allem Östrogene und Gestagene Ovarialinsuffizienz Fehlfunktion der Eierstöcke, wobei nur geringe Mengen oder überhaupt keine weiblichen Geschlechtshormone gebildet werden Pigmentnävus gutartige, meist bräunliche bis braune Fehlbildung der Haut Prophylaxe vorbeugende Behandlung Pterygium colli Flügelfell Ptose, Ptosis Vollständiges oder partielles Herabhängen des oberen Augenlids Pulmonalklappe Herzklappe am Ausgang der rechten Herzkammer zur Lungenarterie Pulmonalvene Lungenvene (aus der linken und aus der rechten Lunge) Pyelonephritis Entzündungen des Nierenbeckens Reflux Rückfluss Retrognathie nach hinten versetzter Unterkiefer Schildthorax breiter Brustkorb mit weitem Brust­warzenabstand Screeninguntersuchung Vortest, Suchtest Skoliose Wirbelsäulenverkrümmung in seitliche Richtung Somatropin Wachstumshormon Stenose Verengung Stigma typisches körperliches Erscheinungmerkmal einer Erkrankung Strabismus convergens Einwärtsschielen 48 Substitution(stherapie) Ersatz(-therapie) Syndrom Summe von Erscheinungen oder Symp-tomen, die miteinander auftreten können und vermutlich durch dieselbe Ursache hervorgerufen werden Thyreoiditis Schilddrüsenentzündung Thyreotropin schilddrüsenstimulierendes Hormon TPO Thyreoperoxidase, ein Enzym in der Schilddrüse Transition Übergang in die Erwachsensprechstunde Transglutaminase Enzym, das Eiweiße durch Quervernetzungen verstärkt trikuspid dreisegelig TSH thyreoidstimulierendes Hormon, Thyreotropin, schilddrüsenstimulierendes Hormon TTG Gewerbetransglutaminase (engl. tissue transglutaminase) Vesikoureteraler Reflux (VUR) Zurückfließen des Urins aus der Harnblase in den Harnleiter bis hinauf in das Nierenbecken VUR Vesikoureteraler Reflux X-Chromosom Geschlechtschromoson, das bei der Frau üblicherweise doppelt vorkommt Y-Chromosom Geschlechtschromosom, das beim Mann zusammen mit dem X-Chromosom vorkommt Zöliakie Glutenunverträglichkeit mit chronischer Erkrankung der Dünndarmschleimhaut Zytologie Beurteilung von Zellen unter dem Mikroskop 49 9. Selbsthilfegruppen und Kontaktadressen Hilfreiche Adressen und Kontakte Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland e.V. Sandra Reiß Schumannstrasse 38 60325 Frankfurt Bürozeiten: Dienstag: 17.00 – 20.00 Uhr Donnerstag: 13.00 –16.00 Uhr Telefon: 069 27245827 (AB) E-Mail: [email protected] Internet: www.turner-syndrom.de Beratungs- und Informationstelefon: Dipl. Psychologin Angelika Bock Telefon: 05652 9184485 (AB) E-Mail: [email protected] Ansprechpartnerin für die Mädchenarbeit: Bettina von Hanffstengel Telefon: 09192 994086 E-Mail: [email protected] Weitere Informationen finden Sie bei/unter: Bock, Angelika: Leben mit dem Ullrich-Turner-Syndrom Ernst Reinhardt Verlag München 2002. ISBN-10: 3497016187, ISBN-13: 978-3497016181 Brämswig, Jürgen H.: Das Ullrich-Turner Syndrom (unter Mitwirkung von Dieter Meschede, Annette Schnitker, Thorsten Wygold, Kerstin Wessels) 2. Aufl. UNI-MED Verlag Bremen 2008. ISBN-10: 3837420205, ISBN-13: 978-3837420203 Ullrich-Turner-Syndrom-Nachrichten. ISSN: 0946-8331. Die Vereinszeitschrift der UTS-Vereinigung Deutschland e. V. erscheint viermal jährlich. Hier finden sich z. B. Erfahrungsberichte zu vielen verschiedenen Themen. 50 Im Internet sind alle Ausgaben der Ullrich-Turner-Syndrom-Nachrichten ab 2004 als PDF abrufbar unter: www.turner-syndrom.de/info-uts/uts-nachrichten/uts-nachrichten.html Internet-Adressen Ullrich-Turner-Syndrom Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland e. V. www.turner-syndrom.de Zöliakie Zöliakie Deutsche Zöliakie Gesellschaft e. V. www.dzg-online.de Schilddrüsenerkrankungen www.sd-bv.de/home.php 51 Merck Serono GmbH Alsfelder Straße 17 64289 Darmstadt Tel.:06151 6285-0 Fax:06151 6285-821 [email protected] www.merckserono.de Merck Servicecenter Gebührenfreie Telefon-Hotline 0800 1005177 W823775 04/2017 DE/SAI/0417/0052 www.einfach-wachsen.de