Fact Sheet Hanta-Fieber

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Hanta-Fieber
Erreger: Hantaviren (HV)
Hanta-Fieber (HF) wird durch Hantaviren (HV) ausgelöst. HV
bilden mit vier weiteren Serogruppen (Bunya-, Phlebo-, Nairound Tospovirus) die Familie der Bunyaviren (nach dem
Bunyamwera-Virus benannt, welches in Bunyamwera, Uganda,
entdeckt wurde). Der Name Hanta geht auf einen Fluss
(Hantaan) in Korea zurück, wo in den 1950er Jahren während
des Koreakrieges Tausende UN-Soldaten an einer Infektion mit
HV erkrankten. HV bestehen aus einer Lipidhülle, welche drei
Nukleokapside (schraubenförmige Proteinhülle) umgibt, und
weisen einen Durchmesser von 80-115 nm auf. Das Genom ist
eine Negativ-Strang-RNA und besteht aus den drei Segmenten S BILD: Hantavirus
(1’700 Basen), M (3’600 Basen) und L (6’500-8’500 Basen). Die Quelle: College of American Pathologists.
S-RNA kodiert für ein Nucleokapsidprotein, welches mit RNA Segmenten assoziiert ist, die M-RNA
für zwei Glycoproteine (G1 und G2), welche in der Virusmembran eingelagert werden. Die L-RNA
kodiert für ein Polypeptid (L), welches als Enzym für die Virusreplikation notwendig ist. Die Viren
werden durch Exozytose (Ausschleusen aus der Zelle) freigesetzt.
Vorkommen
Im Westen wurde HF mit dem Koreakrieg (1951-53) bekannt,
als über 3’000 US-Soldaten eine Krankheit mit Fieber und
Nierenversagen entwickelten. Die Krankheit wurde als
koreanisches hämorrhagisches Fieber bekannt und wies eine
Sterberate von 10% auf. Es dauerte aber über 20 Jahre, bis
der Krankheitserreger 1976 in Mäusen (Apodemus
agararius) isoliert werden konnte. Einige Jahre später
bewiesen finnische Forscher eine Verwandtschaft mit einem
in Rötelmäusen (Clethrionomys glareolus) isolierten Virus,
welches beim Menschen eine epidemische Nephropathie
(Nierenerkrankung) verursacht. Obwohl die Symptome
denjenigen des koreanischen hämorrhagischen Fiebers sehr
ähnlich sind, kommen Hämorrhagien nur selten vor und die
Rötelmaus (Clethrionomys glareolus),
Sterberate beträgt 0,2%. Erst in den frühen Achtzigerjahren BILD:
Quelle: www.hlasek.com
wurde der Krankheitserreger, das Puumala-Virus (PUU),
isoliert. Seoul- und Hantaan-Viren (in Asien, über 100’000 jährliche Fälle) und Puumala-, Tula- und
Dobrava-Viren (Europa) sind die häufigsten HV, welche hämorrhagisches Fieber mit Nierensyndrom
(HFRS) verursachen können. Das Dobrava-Virus ist der virulenteste Subtyp in Europa und weist
eine Sterberate von 12% auf. In Europa wurde seit dem Frühling 2005 ein vermehrtes Auftreten von
HV-Erkrankungen sowohl in Belgien, Deutschland und Frankreich festgestellt. Der in Deutschland
dominierende HV-Serotyp PUU verursachte im Jahre 2005 über 300 Fälle. PUU-Infektionen wurden
ebenfalls aus einer Reihe anderer europäischer Länder gemeldet, unter anderem aus Schweden,
Finnland, Russland, Italien, Tschechische Republik, Slowenien, Kroatien sowie Griechenland.
In den USA wurde man im Mai des Jahres 1993 mit den HV konfrontiert, als 32 von 55 jungen
Mitgliedern des Navajo Stammes in Neu Mexiko innert kurzer Zeit an einer bisher unbekannten
Krankheit verstarben. Das lokale Gesundheitswesen gab der Krankheit den Namen "unexplained
adult respiratory distress syndrome" (ARDS). Wenige Wochen später wurde das Virus von
Forschern identifiziert und den HV zugeteilt, obwohl es neu mit Lungensymptomen gekoppelt war.
Im selben Jahr wurde das Virus Muerto Canyon Virus, später Sin Nombre Virus genannt. Die
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Krankheit wird heute noch Hantavirus Pulmonary Syndrom (HPS) genannt. Die Gründe für das
Auftauchen von HV in Amerika scheinen ein durch El Nino (1991-92) erwärmter Winter und ein
regnerischer Frühling zu sein, welche zu einem zehnfachen Anstieg der infizierten Mäusepopulation
führten.
Übertragung (Transmission)
Im Gegensatz zu allen anderen Bunyaviren, welche durch Insekten übertragen werden, sind die
Überträger bei HV Nagetiere. Ansteckungsquellen für den in Europa vorkommenden Puumala-Virus
sind Urin, Fäzes und Speichel infizierter Rötelmäuse (Clethrionomys glareolus), seltener
Brandmäuse (Apodemus agrarius) oder Wanderratten (Rattus norvegicus). Das Habitat der
Rötelmäuse sind insbesondere Buchenwälder sowie waldnahe Gebiete. Verschiedene Studien
ergaben, dass das Vorkommen von PUU-Infektionen beim Menschen eng mit der
Populationsgrösse der Nagetiere korreliert. Die Tierbestände unterliegen zyklischen Veränderungen
in Abhängigkeit von Klima und Nahrungsangebot. Durch eine ausgeprägte Buchen- oder
Eichenmast, die in Abständen von 6 bis 8 Jahren auftritt, kann es zu einem massiven Anstieg der
Mäusepopulation kommen. Dieser Umstand erklärt die regionalen epidemischen Häufungen von
Infektionen beim Menschen. Der Mensch infiziert sich durch direkten oder indirekten Kontakt mit den
Ausscheidungen infizierter Mäuse. Da HV auch in ausgetrocknetem Zustand, zum Beispiel im
Staub, über längere Zeit infektiös bleiben, sind typische Ansteckungswege das Kehren von
befallenen Kellern, Speichern oder Holzschuppen. Auch bei Arbeiten an Holzstapeln kann es zur
Exposition mit Nagerexkrementen kommen. Weitere Ansteckungsmöglichkeiten sind infektiöse
Aerosole sowie der Genuss von Lebensmitteln oder Wasser, welche mit Nagerexkrementen
kontaminiert wurden. Obwohl eine HV-Übertragung von Mensch zu Mensch als unwahrscheinlich
betrachtet wird, wurde im Jahre 1998 eine solche Transmission mit der Spezies Andes-Virus
molekularbiologisch belegt.
Krankheitsverlauf (Symptomatik)
Nach einer Inkubationszeit von 5 bis 35 Tagen beginnt die Erkrankung charakteristisch für alle
Verlausformen mit akutem Fieber (3 bis 4 Tage über 38°C) und einem schweren Krankheitsgefühl
mit Kopf-, Muskel- und Flanken- bzw. Rückenschmerzen. Auch Schwindel, Sehstörungen,
Bauchschmerzen, Diarrhöen, ein petechiales Exanthem (Hautausschlag mit kleinen Blutungen) und
ein trockener Reizhusten können auftreten. Häufig verläuft die Infektion bei uns aber
asymptomatisch oder lediglich mit leichten grippeähnlichen Beschwerden und wird selten als HF
erkannt.
HV werden mit zwei unterschiedlichen Krankheiten assoziiert. In Europa ist das typische
Krankheitsbild einer Infektion mit HV vorherrschend die Nephropathia epidemica (NE) mit
Nierenfunktionsstörungen bis hin zur dialysepflichtigen (benötigt künstliche Blutreinigung)
Niereninsuffizienz. Die NE ist eine mildere Form des hämorrhagischen Fiebers mit renalem
Syndrom (HFRS), welches seltener in Europa auftritt. Im amerikanischen und im asiatischen Raum
herrschen das HFRS, seltener das HV-Lungensyndrom (HPS) vor.
HFRS: Bei einem Teil der Erkrankten kommt es nach wenigen Tagen zu einem Anstieg des
Serumkreatinins, einer Proteinurie (Vorhandensein von mehr als 150 mg Eiweiss in einem Liter
Harn), konsekutiver Oligurie (ausgeschiedene Menge von Urin pro Tag weniger als 500 ml),
Ödemen sowie einem Blutdruckabfall und schliesslich zum akuten Nierenversagen. Typisch sind
zudem kolikartige uni- oder bilaterale Flankenschmerzen. Es kommt bereits mit dem Fieberbeginn
zum Anstieg der Retentionswerte (Messung der Konzentration von Kreatinin und Harnstoff im Blut),
die nach 4 bis 10 Tage ihr Maximum erreichen. Das Ausmass der Nierenfunktioneinschränkung
reicht bis zur Dialysepflichtigkeit. Die Letalität der Nephropathia epidemica beträgt etwa 1%. In etwa
16% der Fälle kommt es neben dem akuten Nierenversagen auch noch zur Lungenbeteiligung mit
peribronchialen Infiltraten und Pleuraerguss (Flüssigkeitsansammlung um die Lungen). Die
Sterberate für HFRS liegt bei 10%.
HPS: Das HV-Lungensyndrom (HPS) mit interstitieller (zwischengeweblicher) Pneumonie,
schwerem Lungenödem, Schock und ARDS (Atemnotsyndrom der Erwachsenen) wird durch in
Europa bisher nicht vorkommende Serotypen ausgelöst. In Amerika und Asien ist die Erkrankung
selten, weist aber eine hohe Sterberate von bis zu 50% auf.
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LABOR SPIEZ, Februar 2006
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Nachweis (Diagnostik)
Da der behandelnde Arzt mit HV-Erkrankungen in der Regel nicht vertraut ist, wird die korrekte Diagnose selten gestellt. Spezifische IgM-Antikörper können bereits ab dem 4. Krankheitstag mittels
ELISA (enzyme-linked immune assay) nachgewiesen werden und überleben bis zu sechs Monaten.
Die Diagnose wird durch den Anstieg oder die Konversion der später (zwei Wochen nach Krankheitsbeginn) auftretenden HV-spezifischen IgG-Antikörper bestätigt. In der Routinediagnostik findet
die Virus-Anzucht in der Zellkultur kaum Anwendung. Sie ist aus Blut nur kurz nach Krankheitsbeginn erfolgreich und an besondere Vorkehrungen der Laborsicherheitsstufe 3 gebunden. Bei Nephropathie (Nierenerkrankung) und Lungenversagen (insbesondere mit hämorrhagischem Syndrom)
wird der qualitative PCR (Polymerase-Kettenreaktion)-Nachweis in den ersten Tagen nach Krankheitsbeginn aus Urin, Leukozyten oder Biopsien durchgeführt. Bei HPS können HV bis 10 Tage
nach Krankheitsbeginn mittels PCR nachgewiesen werden. Neue immunchromatographische
Nachweismethoden sind weniger aufwendig als ELISA und teilweise sogar sensitiver.
Da eine erhebliche Zahl von HV-Infektionen nur eine unspezifische Symptomatik aufweisen, kann
angenommen werden, dass die gemeldeten Zahlen nur einen geringen Anteil der Erkrankungen erfassen.
Therapie
Die Therapie von HV-Infektionen ist in erster Linie symptomatisch. Obwohl schwer verlaufende Fälle
erfolgreich mit dem Virostatikum (Medikament, das die Vermehrung von Viren hemmt) Ribavirin
behandelt wurden, ist dessen Einsatz laut diversen Studien sehr umstritten.
Prävention
Kommerzielle Impfstoffe sind aktuell noch nicht erhältlich.
Diverse Studien mit HFRS-Patienten wurden erfolgreich mit
einem kommerziellen koreanischen Hantaan-Virus-Impfstamm (HantavaxTM) durchgeführt (HJELLE 2002). Der
Impfstamm wurde aus Formalin-inaktivierten Viren aus
Nagerhirnzellen gewonnen. Die Wirkung ist stark von der
Dosierung (Impfwiederholungen) abhängig und eine Langzeitwirkung ist umstritten. Bei weiteren Impfstoffentwicklungen wurden diverse HV gentechnisch verändert. Der Einsatz bei Mäusen ergab viel versprechende Resultate.
Neuste Fortschritte wurden bei Nagetieren mit DNAImmunisierung erzielt: Dabei werden Teile von Viren-DNA
BILD: U.S. Army Center for Health Promotion and Preveninjiziert, was durch Expression eines oder mehrerer Proteine tive Medicine
Quelle: www.cdc.gov
eine Immunantwort herbeiführt.
Bei Mäusen wurden Interferon-beta-Behandlungen (IFN-β; immunstimulierendes Gewebehormon)
als präventive Massnahme mit Erfolg getestet. Die Überlebenschance konnte von 20% auf 90% gesteigert werden.
HV-Infektionen können verhindert werden, indem der Kontakt zu Mäusen und deren Ausscheidungen vermieden und bestimmte Verhütungsmassnahmen berücksichtigt werden. An erster Stelle
steht die Bekämpfung von Mäusen innerhalb von Wohnungen, Häusern und deren näherer Umgebung. In den USA wird die Mäusepopulation regelmässig auf das Vorhandensein von HV untersucht.
Hantaviren als biologische Kampfstoffe
HV werden international als potentielle biologische Kampfstoffe eingeteilt, jedoch in der untersten
Wichtigkeitsstufe. HV sind weltweit problemlos erhältlich, jedoch sehr schwer über Zellkultur zu
züchten. Die Verteilung der HV könnte über ein Aerosol oder über das Ausbreiten von infizierten
Mäusen erfolgen. Da infizierte Mäuse nur äusserst selten Symptome zeigen, ist ein gründliches
Monitoring unerlässlich.
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Literatur
PADULA P.J. et al.: Hantavirus pulmonary syndrome outbreak in Argentina: molecular evidence for person-to-person
transmission of Andes virus. Virology. 1998; 241:323–330.
ZHENG L.Y. et al.: Enhancing DNA vaccine potency against hantavirus by co-administration of interleukin-12 expression
vector as a genetic adjuvant. Chin Med J (Engl). 2005 Feb 20; 118(4):313-9.
HJELLE B.: Vaccines against hantaviruses. Expert. Rev. Vaccines. 2002; 1:373–384.
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