Vorlesung - Universität Duisburg

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Entwicklungsbiologie
Entwicklungsgenetik
Entwicklungsphysiologie
Horst Grunz
B
A
C
D
Organ Engineering
EE
5. Auflage - Essen 2000
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Aktuelles zur Stammzellproblematik S.Seite 146
Erklärung der Abbildungen auf der Titelseite:
Abb. A und B:
Vorstellungen der Präformisten vom Aufbau des
A. Eies (Ovulisten)
B. Spermiums (Animalculisten)
Es handelt sich hier um die Darstellung der
extremsten Form der Hypothese (Einschachtelungstheorie)
Abb. C:
Plasmid (Vektor in der Gentechnik)
In der Mitte, ein symbolischer Vertreter unserer wichtigsten
Mitarbeiter, ein männlicher Südafrikanischer Krallenfrosch
(Xenopus laevis). Die adulten Weibchen unterscheiden
sich von den Männchen durch ihre deutlich umfangreichere
Körpergröße und Kloakenpapillen.Die Embryonen (Eier,
Larven) dieser Species (Anura [Frosch-lurche], Amphibia)
sind im Gegensatz zu unseren einheimischen Molchen
(Urodela [Schwanzlurche], Amphibia) und Fröschen das
ganze Jahr über unter Laborbedingungen erhältlich.
Unter den Wirbeltieren ist die Embryonalentwicklung der
Amphibien am besten untersucht. Viele klassische und
moderne molekularbiologische Versuche wurden zuerst an
Amphibienembryonen durchgeführt.
Abb. D Organ-Ersatz (Organ Engineering). Herzstrukturen
wurden in Zellkultur erzeugt und einem Frosch-Embryo als
Ersatz für eine entnommene Herzanlage eingesetzt (Rescue
Experiment) . Diese Forschungsrichtung ist jetzt sehr aktuell.
Sie hat das Ziel, experimentell erzeugte Ersatzorgane in
Zukunft auch für den Menschen zur Verfügung zu haben. Bei
Säugern (im Ausland auch beim Menschen) wird dies mi
ttlerweile mit omnipotenten Stammzellen (stem cells) versucht
bzw. bereits durchgeführt (siehe S.85)
Abb. E Schematische Darstellung der Expression von
Genen und sezernierten Proteinen in der frühen AmphibienGastrula. Im Gegensatz zur traditionellen Auffassung wirken
die in der Spemannschen Organisatorregion lokalisierten
neuralen Induktionsfaktoren als Inhibitoren vor allem als
Antagonisten zu BMP-4. Genauere Beschreibung siehe unter
Frühembryonale Induktion (ab Seite 64)
Ein Video-Lehrfilm (40 Minuten)
"Amphibienentwicklung und Klassische
Versuche" ist gegen einen Unkostenbeitrag
im Sekretariat Zoophysiologie erhältlich.
Ausführliches Inhaltsverzeichnis mit Seitenangaben
siehe Seite 144 -145
Stichwortverzeichnis
ab Seite 149
Besuchen Sie auch unsere
Homepage des Faches
Zoophysiologie im Internet:
http://www.uni-essen.de/zoophysiologie/
Nachweis der Abbildungen:
Zu einem großen Teil handelt es sich um selbst gezeichnete
Abbildungen (Kopien von farbigen Overhead-Folien, die
während der Vorlesung gezeigt werden).
Die übrigen Abbildungen sind modifiziert worden nach
Vorlagen aus:
Spemann: Experimentelle Beiträge einer Theorie der
Entwicklung
Kühn: Vorlesungen über Entwicklungsbiologie
Hadorn: Experimentelle Entwicklungsforschung an
Amphibien
Duellmann & Trueb: Biology of Amphibians
Gilbert: Developmental Biology
Wolpert: Principles of Development
Die Qualität der ursprünglich zum Teil farbigenAbbildungen kann
im Xeroxkopierverfahren nicht erreicht werden. Deshalb weise ich
besonders darauf hin, daß die farbigen Original Overhead-Folien
während meiner Vorlesung "Entwicklungsbiologie" bzw.
"Physiologie der Tiere" gezeigt werden.
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06.03.2003, 22:26 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Vorwort
Die vorliegende Einführung ist entstanden
in Anlehnung an meine Aufzeichnungen
für die Vorlesung "Entwicklungsbiologie"
auf wiederholten Wunsch von studentischer
Seite. Das Interesse an einer kurzen
Einführung besteht deshalb, weil es kein
einführendes Lehrbuch in deutscher Sprache
gibt, das sämtliche Aspekte der Entwicklungsbiologie (Grundstudium)
gleichzeitig abdeckt. Die entwicklungsbiologische Forschung hat in den letzten
Jahren enorm an Bedeutung gewonnen
(Nobelpreis 1995, s.S.11), da die
komplizierten Abläufe während der
frühembryonalen Entwicklung heute mittels
moderner molekulargenetischer Methoden
untersucht werden können. Da viele Fragen
der frühembryonalen Entwicklung und
Differenzierung von gesellschaftlicher
Relevanz und Brisanz sind (s.u.), ist eine
differenzierte und sachliche Diskussion
dringend erforderlich. Dies ist jedoch nur
möglich, wenn man die Materie auch in
molekularer Hinsicht wenigstens in den
Grundzügen versteht. Dies muß vom
zukünftigen Biologielehrer und Ökologen
erwartet werden. Bekanntlich werden in
der Öffentlichkeit immer wieder Dinge in
einen Topf geworfen, die nichts miteinander
zu tun haben, z.B. biologisches und
molekular-biologisches Klonen, Embryotransfer, Retortenbaby (in vitro Fertilisation
oder extrauterine Insemination) und Genmanipulation am Embryo, das menschliche
Genomprojekt und der gläserne Mensch,
genetisch veränderte Pflanzen und
sogenannte genetisch manipulierte
Lebensmittel, um nur einige wenige
Problemkreise zu nennen. Andererseits
erwartet man, daß das Krebsproblem und
die AIDS-Problematik von der modernen
Wissenschaft möglichst umgehend gelöst
wird. Aber gerade die Ursachen für diese
Krankheiten können nur durch moderne
gentechnische und zellbiologische
Methoden nachgewiesen werden.
Fundamentalisten und manche Gesunde
ignorieren häufig dabei die Tatsache, daß
diese Probleme nur durch Grundlagenforschung (im Verbund mit angewandter
Forschung) mittels molekularbiologischer
Methoden (verteufelt unter dem
Schlagwort: Genmanipulation) gelöst
werden können. Es ist in der Öffentlichkeit
nicht hinreichend bekannt, daß man bei
normalen als auch bei "anormalen" Zellen
(Krebszellen) ähnliche Differenzierungsund Regulationsmechanismen vorfindet.
Manchmal lassen geringfügige Unterschiede auf unterschiedlichen Ebenen der
in der Zelle ablaufenden molekularbiologischen Prozesse aus einer normalen
Zelle eine Krebszelle entstehen. Bestimmte
Wachstumsfaktoren oder ihre Rezeptoren
spielen als Determinationsfaktoren
(Festlegung der Differenzierungsrichtung
einer Zelle) während der Embryonalentwicklung (normale Zellen) eine zentrale
Rolle. Andererseits können geringfügige
Veränderungen der Struktur der bei
Krebszellen und normalen Zellen
vorhandenen Komponenten der Signalkette
zur Krebsauslösung führen (Transformation
von normalen zu malignen Zellen). Es muß
betont werden, daß die gerade auch in
Fachkreisen aufgrund zunehmender Spezialisierung betriebene strenge Separation
in bestimmte Teildisziplinen der Biologie
und Medizin nicht immer bestanden hat.
Theodor Boveri erkannte bereits gegen Ende
des 19. Jahrhunderts eindeutige
Korrelationen zwischen normaler Zelle und
Krebszelle. Zu etwa gleicher Zeit benutzten
Ernst Haeckel und viele andere Embryologen Erkenntnisse aus der Entwicklungsbiologie (z.B. Biogenetisches Grundgesetz),
um direkte Bezüge zur Evolutionsforschung
und Ökologie aufzuzeigen. Ernst Haeckel's
(1834-1919) Definition der Ökologie von
1866 hat sicher auch heute noch seine
Gültigkeit: Unter Ökologie verstehen wir
die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden
Außenwelt, wohin wir im weiteren Sinne
alle "Existenz Bedingungen" rechnen
können. Diese sind teils organischer, teils
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
anorganischer Natur.
Ich weise besonders darauf hin, daß nicht
einmal so sehr der erwachsene Organismus,
sondern in besonderem Maße der Embryo
(oder Larvenstadien) auf Umwelteinflüsse
(Umweltgifte [z.B. Schwermetalle oder
Insektizide], bestimmte Viren [Röteln],
ionisierende Strahlen [z.B Röntgenstrahlen], Pharmaka [z.B. Thalidomid= Contergan] besonders sensibel reagiert. Das gilt
sowohl für Embryonalstadien niederer
Organismen als auch für Feten von Säugern
und Mensch. Das in der Bevölkerung wohl
bekannteste Beispiel für verheerende
Auswirkungen bestimmter chemischer
Substanzen auf den werdenden Organismus
war die Contergan-Tragödie (Wirkstoff:
Thalidomid). Während es beim Embryo
vor allem zu Extremitätenmißbildungen
kam, trug der Erwachsene (Mutter) keine
Schäden davon. Bei der ständig steigenden
Zahl von negativen Umweltfaktoren, die
auf den menschlichen oder tierischen
Organismus einwirken, erhöht sich das
Risiko , daß es während der Embryonalentwicklung zu dauerhaften Schäden kommt
(bis hin zur Veränderung des Erbmaterials
[Schädigung der Keimzellen]).
In diesem überarbeiteten Skript werden
neben der klassischen Entwicklungsbiologie nun auch neueste Erkenntnisse
der Entwicklungsgenetik (Molekulare
Entwicklungsbiologie - Molekulare
Genetik) berücksichtigt,
die im
Hauptstudium vertieft werden.
Die Zahl der Abbildungen ist auf ein
Mindestmaß beschränkt, da erläuternde
DIAS und farbige Overhead-Folien während meiner Vorlesungen "Einführung in
die Entwicklungsbiologie"(Grundstudium)
und "Physiologie der Tiere" (Hauptstudium)
gezeigt werden.
Das wohl bekannteste Experiment in
der Biologie, der Spemannsche EinsteckTest(Spemannsches Organisatorexperiment [Hans Spemann and Hilde Mangold,
1924]), für das Speamnn 1935 den
Nobelpreis erhielt, ist wieder in das Zentrum
des Interesses vieler international bekannter
Arbeitsgruppen gerückt. Es besteht heute
die Möglichkeit, die durch dieses
Experiment aufgeworfenen Fragen zur
Bildung der Grundstruktur des
Wirbeltierembryos, der embryonalen
Gehirnentwicklung und den dafür
verantwortlichen räumlich und zeitlich
spezifisch exprimierten Genen mittels
molekularbiologischer Methoden zu
beantworten.
Die Vergabe des Nobelpreises 1995 an die
Entwicklungsbiologen Nüsslein-Volhard
(Max-Planck Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen), Lewis (USA) und
Wieschaus (USA) haben bereits dazu
geführt, daß dieses Wissenschaftsgebiet
wieder stärker in das Interesse der
Öffentlichkeit gerückt ist.
Ich hoffe, daß ich dazu beitragen
kann, daß das Interesse für eines der
faszinierendsten Teilgebiete der modernen
Biologie geweckt wird, das in letzter Zeit
exponentiell an wissenschaftlicher und
gesellschaftspolitischer Bedeutung
gewonnen hat.
Horst Grunz
Essen 2000
Die wichtigsten Techniken und Grundlagen
der Gentechnologie werden in meiner
Wintervorlesung (Physiologie der Tiere,
Hauptstudium*) erläutert. Dazu gehören auch
die Struktur und Funktion von Induktions(Wachstums)-faktoren und ihrer Rezeptoren.
Diese Kenntnis ist die Voraussetzung für eine
erfolgreiche Teilnahme am Grosspraktikum
und den Seminaren im Fach Zoophysiologie.
*) Diese Vorlesung befaßt sich mit den
prüfungsrelevanten Themen (Staatsexamen und
Ökologiediplom):
1. Zellbiologie/Physiologie der Zelle (Bereich A)
2. Phsiologie der Tiere (Bereich C)
3. Entwicklungsphysiologie /Entwicklungsgenetik
(Bereich D)
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06.03.2003, 22:26 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Amhibien- zentrales Vertebraten- Modellsystem der
Entwicklungsbiologie und Entwicklungsgenetik
Die Entwicklungsbiologie und Entwicklungsgenetik hat in
den letzten Jahren für viele Nachbardisziplinen der
Wissenschaft und gesellschaft spolitisch zentrale Bedeutung
erlangt. Das wird nur zum Teil dadurch deutlich, daß der
Nobelpreis für Physiologie und Experimentelle Medizin 1995
exakt 60 Jahre nach dem Nobelpreis für Hans Spemann an
die Entwicklungsbiologen Nüsslein-Volhard, Lewis und
Wieschaus vergeben wurde. Abläufe während der frühembryonalen Entwicklung können heute mittels moderner
molekulargenetischer Methoden untersucht werden. Der
Amphibienembro (Molche und Frösche) ist aufgrund einer
über 90jährigen Forschungstradition der am besten
beschriebenen Wirbeltierembro.
(Experimentelle
Untersuchungen und Manipulationen am menschlichen
Embro sind bekanntlich nicht erlaubt).Die am Amphibienembro
mittels molekularbiologischer (molekulargenetischer)
Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse sind sowohl für
die Grundlagenforschung als auch für die angewandte
Forschung von weitreichender Bedeutung.
Entwicklungsgenetik und Evolution - eine zweite
biologische Revolution nach Darwin
Durch die Molekularbiologie haben sich in den letzten Jahren
völlig neue Perspektiven eröffnet, die die alten Traditionen
zur Zeit Ernst Haeckels und Charles Darwin (Verknüpfung
von Embryogenese und Evolution (Ontogenese und
Phylogenese) wiederaufleben lassen und grundlegend
erweitert haben. So konnte gezeigt werden, daß bestimmte
Gene (vor allem Gene mit Homeobox und anderen
konservierten Basensequenzenen), die während der
Embryogenese für die Bildung der Körpergrundgestalt
verantwortlich sind, bei vielen Tierklassen zu finden sind. So
ist das Gen Cerberus (in der antiken Mythologie ist Cerberus
der vielköpfige Höllenhund) sowohl bei Xenopus
(Krallenfrosch) als auch bei der Maus verantwortlich für die
Bildung der Kopfregiondes Embryos bei ( Piccolo, S., Agius,
E., Leyns, L., Bhattacharyya, S., Grunz, H., Bouwmeester, T. and
DeRobertis, E. M. (1999). The head inducer Cerberus is a
multifunctional antagonist of Nodal, BMP and Wnt signals. Nature
397: 707-710).
Belo, J. A., Bouwmeester, T., Leyns, L., Kertesz, N., Gallo, M.,
Follettie, M. and DeRobertis, E. M. (1997). Cerberus-like is a
secreted factor with neuralizing activity expressed in the anterior
primitive endoderm of the mouse gastrula. Mechanisms of
Development 68: 45-57.
Entwicklungsgenetik und Paläontologie
Weiterhin sind bestimmte Gene, die bei Wirbeltieren
(Vertebrata) die zukünftige Dorsalseite (Rücken)
programmieren, bei Nichtwirbeltieren (Evertebrata, z.B.
Fliege- Drosophila) für die Determination der Ventralseite
(Bauch) und vice versa verantwortlich. Daraus wurde
geschlossen, daß Evertebrata und Vertebrata (Protostomia
bzw. Deuterostomia) während der Evolution nicht völlig
unterschiedliche Entwicklungsprinzien etabliert haben,
sondern wahrscheinlich auf eine gemeinsame Stammform,
die Urbilateralia (vor 300-600 Millionen Jahren) zurückgehen.
(DeRobertis EM and Sasai, Y (1996): A common plan for
dorsoventral patterning in Bilateralia. Nature 380, 37-40
(siehe auch Abb. 69 ).
Entwicklungsgenetik revolutioniert die traditionelle
Zoologie - Neudefinition der Homologie/AnalogieBegriffe
Durch Prof. Walther Gehrings Team in Basel (den meisten
bekannt als Mitautor[Wehner und Gehring] des Lehrbuchs:
Zoologie) konnte gezeigt werden, daß bestimmte traditionelle
Auffassunegen zur Homologie- und Analogie-Forschung neu
überdacht werden müssen. Die Entwicklung aller im Tierreich
einschließlich Mensch vorkommenden Lichtsinnesorgane
(vom primitiven Grubenauge bis zum hochentwickelten
Linsen- oder Komplexauge) werden von einem hochkonservierten "Master"-kontrollgen (Pax-Gen und Homologe)
gesteuert bzw. eingeleitet. Damit müssen die Begriffe der
konvergenten Entwicklung bzw. Homologie/Analogie neu
definiert werden. Eines der bekanntesten Beispiele für
Analogie (Konvergenz)in der traditionellen Zoologie ist die
Entwicklung des Tintenfischauges im Vergleich zum
Wirbeltierauge.Konrad Lorenz (Nobelpreis für seine Arbeiten
auf dem Gebiet der Verhaltensforschung[Ethologie]) hatte
noch 1978 die Augenbildung bei beiden Tierklassen als
konvergente Entwicklung beschrieben (siehe Abb. 1 ). Nach
neuesten Erkenntnissen in Bezug auf das "Ur"gen Pax würde
es sich bei diesen Augentypen nicht um analoge sondern um
homologe Strukturen handeln (Abb.1 und 2).
Embryonale Klonierung - die klonierten Frösche
das Schaf Dolly
Ein weiteres wichtiges Gebiet der Enwicklungsbiologie
und -genetik ist die Klonierung von Embryonen aus Kernen
von ausdifferenzierten, somatischen Zellen (adulten
Geweben). Dies gelang zuerst an Fröschen, 20 Jahre vor der
Klonierung des Schafes Dolly (siehe unter Kerntransplantation, Abb. 84, 85).
Organ Engineering - experimentell produzierte Organe
Für die Medizin von großem Interesse ist die experimentelle
Produktion von Geweben und Organen. Es ist bereits möglich,
Haut unter Zellkuturbedingungen zu züchten. Diese kann
dann z.B. bei Verbrennungen als Hautersatz verwendet
werden. Am Amphibien-Modellsystem ist es bereits in unserem
Labor gelungen, experimentell Herzstrukturen unter
Zellkulturbedingungen zu produzieren (Abb. 77).
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 1
Abb.1 Tintenfisch- und Wirbeltierauge imVergleich im
Buch von Konrad Lorenz: "Vergleichende Verhaltungsforschung". In traditioneller Sicht ist dies das
Standardbeispiel für Konvergenz und analoge Entwicklung.
Die moderne Entwicklungsgenetik hat jedoch gezeigt, daß
zu Beginn der Embryonalentwicklung die Determination
beider Augentypen vom gleichen Masterkontrollgen Pax 6
programmiert werden.
Abb. 2 Pax 6- Genexpression in der Zukünftigen Gehirnund Augenregion beim Krallenfrosch (Xenopus laevis) und
dem Bergmolch (Triturus alpestris). Durch sogenannte Whole
mount in situ Hybridisierung kann die
Pax 6-mRNA sichtbar gemacht werden. Der Nachweis wurde
hier an frühen Neurulae duchgeführt, einem Zeitpunkt an
dem das Zwischenhirn (Diencephalon) und die beiden
Augenbecher angelegt werden. Die Sterne kennzeichnen die
zukünftige Linsenregion des Auges.
Abb. 2
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Hinweise zum Videofilm "Entwicklungsbiologie der
Amphibien"
erhältlich im Sekretariat Zoophysiologie (kurze
Sequenzen sind auch auf der WEB-site der
Zoophysiologie (http:// www.uni-essen.de/
zoophysiologie) zu sehen.
Im Video wird die Normalentwicklung der Amphibien
(Bergmolch) und die wichtigsten klassischen entwickllungsbiologischen Experimente und Zellaffinitätsversuche
gezeigt.
Sie stellen die Basis für das Verständnis
molekularbiologischer (molekulargenetischer/ entwicklungsbiologischer) Zusammenhänge dar.
Das wohl bekannteste Experiment in der Biologie, der
Spemannsche Einsteck-Test(Spemannsches Organisatorexperiment [Hans Spemann and Hilde Mangold, 1924]), für
das Spemann 1935 den Nobelpreis erhielt, ist wieder in das
Zentrum des Interesses vieler international bekannter Arbeitsgruppen gerückt. Es besteht heute die Möglichkeit, die durch
dieses Experiment aufgeworfenen Fragen zur Bildung der
Grundstruktur des Wirbeltierembryos, der embryonalen
Achsenorgane und den dafür verantwortlichen räumlich und
zeitlich spezifisch exprimierten Genen mittels
molekularbiologischer Methoden zu beantworten( s.Abb. 63).
Durch unsere eigenen Arbeiten konnten wir dazu beitragen,
daß Gene und ihre Produkte gefunden wurden, die
antagonistisch zum Spemannschen Organisator fungieren.
Wichtige Informationen zur Gesamtproblemematik enthält
der Reviewartikel: Grunz,H. (1997) Neural induction in
amphibians. in „Current Topics in Developmental Biology“,
Vol 35:191-228 (ed. R.Pederson and Gerald Schatten,
Academic Press).
Zum Videofilm
Eine Reihe von Aufnahmen sind bereits vor über 20 Jahren mit einer
Leicina-Spezial-Zeitrafferanlage entstanden (siehe auch technische
Details). Das gesamte Material ist dann 1997 auf Videofilm umkopiert
worden und in Zusammenarbeit mit dem Medienzentrum der
Universität GH Essen mit zusätzlichen Echtzeitaufnahmen,
Animationen und Kommentar ergänzt worden.
Es handelt sich teilweise um einmaliges historisches Material:
place afterdisaggregation and delayed reaggregation without
inducer. Cell Diff.&Develop. 28, 211-218; Grunz, H. and Tacke, L.
(1990 ) Extracellular Matrix Components Prevent Neural
Differentiation of Disaggregated Xenopus Ectoderm Cells. Cell
Differentiation and Development, 32, 117-124). Diese Arbeiten mit
Krallenfroschembryonen waren richtungsweisend für Forschungen
in viele Laboratorien. Es konnte gezeigt werden, daß Gene und
ihre Produkte wie BMP-4 und vent-1 auf der zukünftigen Ventralseite
des Embryos exprimiert werden, die als Antagonisten zu Genen
fungieren, die ausschließlich oder überwiegend im Spemannschen
Organisator aktiviert werden. Ähnliche Gene und ihre Produkte
sind auch bei der Fliege und Maus für die Festlegung der
Körpergrundgestalt verantwortlich (Abb.119).
Technische Details
Zeitraffung: 2 Einzelbilder pro Minute. Entwicklungszeiten der
Embryonen (Alpen-bzw. Bergmolch - Trirturus alpestris) bei 18˚°C:
ungefurchtes Ei bis zur Morula: 17 Std,
ungefurchtes Ei bis frühe Gastrula: 33 Std.
Gastrula bis mittlere Neurula: 74 Std.
bis Schwanzknospe:94 Std
bis zur schwimmfähigen Larve (bis zum Schlüpfen aus der
Gallerthülle): 11 Tage
Die Mikrooperationen in Echtzeit wurden von mir bei
gleichzeitiger Präparation und Auslösung per Fußschalter
gefilmt (also notgedrungen mit geringstem personellen Aufwand;
nicht wie in Hollywood)
Dunkelfeldaufnahmen mit Leitz Orthoplan,
Phasenkontrast mit Inversionsmikroskop,
Mikrooperationen mit Stereomikroskop (Carl Zeiss),
Film: Kodak Super 8,
Umkopiert auf Videomaterial und elektronisch im Medienzentrum
unserer Hochschule bearbeitet.
Von dem Mastertape wurden Kopien in PAL-, NTSC- und
SECAM-Versionen gezogen.
(erhältlich gegen einen Unlostenbeitrag im Sekretariat
Zoophysiologie)
1. Einsteckversuch des ersten in hochangereicherten
Wachstumsfaktor (Induktionsfaktor): Vegetalisierender Faktor, heute
als Aktivin bekannt. Er kann jetzt gentechnisch synthetisiert werden
(siehe unter Frühembryonale Induktionsfaktoren).
2. Sandwich-Versuch mit Vegetalisierender Faktor. Erstmalige
Beschreibung der Länssstreckung von mesodermal induziertem
Ektoderm, das sich wie isolierte Spemannsche Organisatorregion
verhält: Umprogrammierung von Ektoderm - statt zu Epidermis
entwickelt es sich zu Muskulatur und Chorda.
3.Disaggregations-und Reaggregationsversuche, die 1989 zeigen
konnten, daß sich Ektodermzellen nach transienter Disaggregation
in Einzelzellen zu Gehirnstrukturen differenzieren (Grunz H, Tacke
L (1989) Neural differentiation of Xenopus laevis ectoderm takes
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Niemals werden wir mit der Erforschung
des Lebens endgültig abschließen , und
wenn wir einen vorläufigen Abschluß
zeitweise versuchen, so wissen wir doch
sehr wohl, daß auch das Beste , was wir
geben können , nicht mehr bedeutet, als
eine Stufe zum Besseren
Besseren.
August Weismann in: "Vorträge einer Deszendenztheorie",
1904 gehalten in Freiburg i.Br.
Abb. 3 Hans Spemann (etwa 1924 in Freiburg)
Nobelpreis-Urkunde 1935
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
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Zoophysiologie im Internet:
http://www.uni-essen.de/zoophysiologie/
WWW: http://www.uni-essen.de/fb9/
zmimophysiologie/
Abteilung
Zoophysiologie
http://www.uni-essen.de/
zoophysiologie/
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Entwicklungsbiologie
Entwicklungsgenetik
Entwicklungsphysiologie
Horst Grunz
5.Auflage, Essen 2000
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Morphologie und
Anatomie
Evolution
Zellbiologie
Ökologie
Paläontologie
Physiologie
Entwicklungsbiologie
Embryologie (Ontogenese und Phylogenese)
Entwicklungsphysiologie
Molekulargenetische Entwicklungsbiologie
Genetik
(Cytogenetik)
Biochemie
Molekularbiologie
Molekuare Genetik
Teratologie
Pathologie
Krebsforschung
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Inhaltsverzeichnis
Ausführliches Inhaltsverzeichnis mit
Seitenangaben siehe Seite 144- 145
Stichwortverzeichnis ab Seite 150
1.
2.
3a.
3b.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Geschichtliches
Keimzellen-Lokalisation
Spermatogenese
Oogenese
Befruchtung
Entwicklungstypen der Keime
Seeigel
Amphibien
Klassische Versuche
Insekten
Vögel
Säugetiere
Grundlagen der
Molekularbiologie
(Molekulargenetische
Embryologie)
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Molekulare Entwicklungsbiologie und
Entwicklungsgenetik, zentrale Themen in
Wissenschaft und Gesellschaft
A. Nicht Gentechnik
C. Nicht Gentechnik
(gefährlich)
1.Organisator-Experiment (Spemann,
Nobelpreis 1935)
2.Schnürversuche
3.Kerntransplantation
4.Extrauterine Insemination ("Retortenbaby")
5.Biologisches Klonen und Embryonentransfer
a) mikrochirurugische Blastomeren-Separation
b) Superovulation
c) Chimären (verschiedene Spezies,
z.B."Schiege")
d) Kombination von Blastomeren mehrerer
Zygoten
6. Amniocentese oder Chorionzottenbiopsie
(s.auch "Gentechnik nützlich", Punkt 9
1.Teratogene
a) Pharmaka (z.B.Thalidomid [Contergan])
b) Alkohol
c) Nikotin
2. Pathogene Bakterien für die biologische
Kriegsführung (z.B.Milzbrandbakterien)
3. Giftgas
4. Lebensmittelzusätze und Verunreinigungen des
Trinkwassers
5. Luftverschmutzung
6. Züchtung von Monster-Tieren
7.Radioaktive Strahlung (zu viel, zu lang)
a) Röntgendiagnose (zu häufig, defekte Geräte)
b) Forschung (Gefährdung nur bei unsachgemäßen
Umgang)
8. Tiermehl-Verfütterung (s. Punkt 9)
B. Gentechnik (nützlich)
D. Gentechnik (gefährlich)
Gentechnik in der Industrie (Beispiele)
1.Pharmaka-Herstellung (z.B.Insulin)
2. Reindarstellung von Proteinen für die
Grundlagenforschung
3. Enzyme für die Lebensmittel-Herstellung
(z.B.Fermente für die Käsezubereitung)
Gentechnik in der Landwirtschaft
1.Transgene Tiere (s. aber Punkt C6)
2.Transgene Pflanzen
Gentechnik in der Biologie und Medizin
1.Entwicklungsbiologieund Embryologie
(Nobelpreis 1995)
2.Molekulare Evolution
3.Populationsgenetik
4.Paläontologie
5.Anthropologie
6.AIDS und andere Immunkrankheiten
7.Krebsproblematik
8.Genomprojekt (Kartierung desmenschlichen
Genoms
9. Perinatale Diagnostik (siehe auchAmniocentese
oder Chorionzottenbiopsie)
10. Gentherapie(siehe aber unter "Gentechnik
gefährlich", Punkt 2)
11. Kriminaltechnische Untersuchungen
(Vaterschaftsnachweis, Tätersuche bei
Vergewaltigung und/oder Mord)
1. Mutwillige Umwandlung harmloser Bakterien
in pathogene Organismen
2. Manipulation an menschlichen Embryonen,
und zwar unkontrollierter Eingriff in die
Erbinformation (Erarbeitung von Richtlinien
durch Ethik-Kommissionen)
E. Tierversuche
Alternative Methoden
1.Gewebekulturen (aber nur begrenzt einsetzbar)
2. Multimedia-Techniken (Audio/Video)
Ganztierversuche (notwendige Tests)
Wechselwirkungen zwischen verschiedenen
Körperregionen und Organen (Beispiele)
a)Wechselwirkungen zwischen
Zentralnervensystem und Zielorganen
b) Wirkungsweise von Hormonen
c) Entstehung von Krebszellen (z.B. Krebsvorläuferzellen während der
Embryonalentwicklung (Gehirntumore)
d) Immunologische Prozesse (z.B.Allergien, AIDS,
Organtransplantationen)
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06.03.2003, 22:26 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Literatur
WILLIAMS, PATIENT: Gentechnologie, Thieme Verlag 1991.
(die mit c gekennzeichneten Bücher sind für den
Einstieg in die Materie; die mit * sind für
weiterführende Studien und das Hauptstudium
besonders zu empfehlen. Die nicht gekennzeichneten Bücher sind als Ergänzung für bestimmte
Teilgebiete der Entwicklungsbiologie geeignet).
HADORN: Experimentelle Entwicklungsforschung. Verständliche Wissenschaften, Springer
Verlag 1981. c
WATSON, GILMAN, WITKOWSKI, ZOLLER: Rekombinierte
DNA, 2. Auflage Spektrum Akademischer Verlag GmbH.
Heidelberg, Berlin, Oxford 1993. c bis *
BROWN, T.A. Gentechnologie für Einsteiger. Sepektrum Verlag
1995
EDE: Eine Einführung in die Entwicklungsbiologie, Thieme Verlag. c
GILBERT: Developmental Biology, Fifth Editon 1997. Sinauer
Associates, Inc. Sunderland, Massachussetts. c
ALBERTS/BRAY/LEWIS/RAFF/ROBERTS/WATSON:
Molecular Biology of the Cell.. Neueste Auflage *
Deutsche Version: Molekularbiologie der Zelle,
Übersetzung der engl. Version
MÜLLER: Entwicklungsbiologie UTB, Gustav Fischer Verlag
1995. c
KÜHN : Vorlesungen über Entwicklungsphysiologie, Springer Verlag 1965.
MÜLLER: Developmental Biology , Springer Verlag, 2.Auflage.
1999.
Brown, T.A. Gentechnik für Einsteiger, Spektrum Verlag
1995 c
STARCK: Embryologie, Thieme Verlag Stuttgart
1975. *
Wolpert, L.: Principles of Development. Current Biology
LTD./ Oxford University Press. 1998.
TUCHMANN-DUPLESSIS: Embryogenesis, Illustrated Human Embryologie, Springer, Chap- DEVELOPMENTAL BIOLOGY IN GERMANY
man & Hall 1972.
Sonderheft der wissenschaftlichen Zeitschrift
International Journal of Developmental Biology.
GOERTTLER: Entwicklungsgeschichte des Men- Herausgeber: M.Trendelenburg und H.Grunz
schen, Springer Verlag 1950.
(1996).
BRACHET: Introduction to Molecular Embryology, Springer Verlag 1973.
LANGMAN: Medizinische Embryologie. Thieme Verlag 1976. c *
BALINSKI: An Introduction to Embryology, Saunders Co.
1981. Thieme Verlag 1981.
enthält 16 "historische" Artikel über die
Entwicklungsbiologie in Deutschland, einschließlich
Review-Artikel: Grunz (1996) Factors responsible for the
establishment of the body plan in the amphibian embryo und
ein Interview-Artikel mit dem Pioneer der molekularen
Entwicklungsbiologie Prof.Dr.Dr.Heinz Tiedemann (Schüler
des Nobelpreisträgers Otto Warburg):
Grunz: The long road to chemical and molecular embryology.
What amphibians can teach us on differentiation.
(weitere Hinweise auf der Homepage des Faches
Zoophysiologie im Internet:
BRESCH, HAUSMANN: Klassische und molekulare http://www.uni-essen.de/zoophysiologie
Genetik.
BROWDER: Developmental Biology. Holt-Saunders
International Editions.
WEHNER, GEHRING: Zoologie, Thieme Verlag 1990.
GRUNZ,H.(1997) Neural induction in
Amphibians. In: "Current Topics in Developmental
Biology" Academic Press (Ed. Pederson and
Schatten)
SCHARF, WEBER: Fortpflanzung und GRUNZ,H. (1999) Gene expression and pattern
Entwicklung, Materialien für die Sekundarstufe II formation during early embryonic development.
(Biologie) Schroedel Verlag. Neueste Auflage c im Druck.
13
VorlesungNeu PM76.März2003
13
06.03.2003, 22:26 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Einige wichtige Daten zur Entwicklungsgeschichte und Entwicklungsphysiologie
1687:
MARCELLO MALPIGHI (16281694) „Opera omnia“: Entwicklung
von Insekten.
384 - 322
v. Chr.:
1580:
1651:
1665:
Aristoteles: Entwickelt Vorstellungen, 1688:
N. MALEBRANCHE (1638-1715)
daß die (Embryonal)Entwicklung die
Verfechter der Präformationslehre.
Neubildung einer vorher noch nicht 1701:
Der Hildesheimer Arzt ALBRECHT
bestehenden Mannigfaltigkeit sei.
beobachtet erstmals Parthenogenese
[Schon sehr ähnlicher Standpunkt wie
bei Schmetterlingen.
der Epigentiker C.F.Wolff (1733- 1758:
JACOBI: Künstliche Befruchtung bei
1794)
FABRICIUS AB AQUAPENDENTE 1759:
Fischen.
C. F. WOLFF (1733-1794) „Theoria
(1537-1619) Vergleichende Embryo-
generationis“ widerlegt die Lehre von
logie der Haie, Reptilien, Vögel und
der Präformation und stellt dafür die
Säuger.
Lehre von der Epigenesis auf. Epige-
WILLIAM HARVEY(1578-1657)
netiker.
„Exercitationes de generatione anima- 1762:
CH. BONNET (1720-1793) entdeckt
lium“: Alle, auch vivipare Tiere, ent-
die Parthenogenese bei Blattläusen.
wickeln sich aus Eiern. Der Hühne-
Extremster Vertreter der Präformati-
rembryo entsteht aus der Kernscheibe.
onslehre (Einschachtelungstheorie)
Entdecker des Blutkreislaufes. Epige- 1780:
L. SPALLANZANI (1729-1799)
netiker.
Künstliche Befruchtung bei Seiden-
REGNIER DE GRAAF (1611-1673)
spinnern und Amphibien.
beschreibt die nach ihm benannten 1786:
Widerlegt SPALLANZANI die Lehre
Follikel fälschlich als Eier der Säuge-
von der Urzeugung.
1799-1830: CUVIER. Begründer der vergleichen-
tiere.
1669:
JAN SWAMMERDAM (1637-1685)
den Anatomie
„Allgemeene verhandeling van bloede- 1815:
A. v. CHAMISSO (1781-1838) Gene-
lose diertjens“. Präformist. Auswick-
rationswechsel der Salpen.
lung - Ausschlüpfen von Insektenlar- 1817:
ven. Sein Verdienst: Widerlegung der
H. C. PANDER (1794-1858) „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des
Urzeugung.
Hühnchens im Eye“. Unterscheidet 3
1677-1678:LEEUWENHOEK entdeckt die Sper-
Keimblätter.
matozoen. Konstukteur des ersten 1821:
H. FR. MECKEL (1781-1833) beto-
Mikroskops.
die Parallelität von Ontogenese und
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
1825:
Phylogenese. Anhänger der Lamarck- 1859:
CHARLES DARWIN: On the orign
schen Theorie (Meckelsches Rekapi-
of species by means of natural selecti-
tulationsgesetz).
on (Die Entstehung der Arten durch
J. E. PURKINJE (1787-1869) entdeckt
die Keimscheibe im Vogelei.
1827:
1828-37:
natürliche Zuchtwahl).
1864:
FRITZ MÜLLER (1821-1897) weist
KARL ERNST von BAER (1792-
darauf hin, daß die Ontogenese ein
1876) entdeckt das Ei im Graafschen
mehr oder weniger treues Abbild der
Follikel des Hundes. „De ovi mamma-
Phylogenese ist.
lium et hominis genesi“Begründer der 1864:
D. J. PISSAREW „Das Leben des
modernen Embryologie).
do.: „Über Entwicklungsgeschichte der
Embryos als kurze Geschichte und
Ahnentafel der betreffenden Art“.
Tiere. Beobachtung und Reflexion“.
1866:
ERNST HAECKEL (1834-1919) „Ge-
1835:
do: „Untersuchungen über die Ent-
nerelle Morphologie“, Ontogenie und
wicklungsgeschichte der Fische“.
Phylogenie. Biogenetisches Grundge-
1830:
JOHANNES MÜLLER (1801-1858)
setz. [Die von Haeckel mit dem Bioge-
„Bildungsgeschichte der Genitalien
netischen Grundgesetz vertretene Mei-
aus anatomischen Untersuchungen an
nung steht im Gegensatz zu der von
Embryonen des Menschen und der
Tiere“. Müllersche Gang.
Ernst von Baer vetretenen Auffassung]
1866-71:
A. KOWALEVSKY (1840-1901)
1833:
BISCHOFF entdeckt die Blastogene-
Grundlegende Arbeiten über die Ent-
se des Säugereis.
wicklung der Tunicaten des Amphio-
1833:
C. TH. von SIEBOLD (1804-1885)
xus, Ctenophoren, Arthropoden. Er-
Entwicklungsgang der Trematoden.
kennt die Bedeutung der Gastrula. Be-
1837:
S. LOVEN (1809-1895) Generations-
nen der Honigbiene entwickeln sich 1875:
aus unbefruchteten Eiern.
gründer der Keimblättertheorie.
J. J. METSCHNIKOFF (1845-1916)
Entwicklungsgeschichte zahlreicher
Wirbelloser . Keimblätterlehre bei
Arthropoden, Mollusken, Echinoder
men, Tunicaten.
Gebrüder HERTWIG (OSKAR u. RICHARD) Befruchtungsvorgänge am
ALLMAN bezeichnet das äußere
Seeigelei.
wechsel Polyp-Meduse.
1844:
ab 1864:
A. v. KOELLIKER (1817-1906) definiert das Ei als Zelle.
1815:
1853:
J. DZIERZON (1811-1906) Die Droh-
Keimblatt als Ektoderm; das innere 1848-1920 O. BÜTSCHLI beobachtet die Vereials Entoderm
1854-1863 G.MENDEL: Verbungsgesetze
nigung von Ei und Spermatozoon bei
Anguillula rigida.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
1878:
1881-85:
B. KATSCHEK „Trochophoratheo- 1924:
SPEMANN H. und HILDE MAN-
rie“.
GOLD: Nachweis des Organisatoref-
A. WEISMANN (1834-1914) Theo-
fektes
rie von der Unsterblichkeit des Keim- ab 1924:
OTTO MANGOLD: Prinzipien der
plasmas und dessen Kontinuität in der
Amphibienentwicklung (z.B. homoi-
Keimbahn, Bedeutung der Reduktions-
ogenetische Induktion)
1934:
teilung.
HÄMMERLING,J.: Bedeutung des
W. ROUX (1850-1924) begründet die
Zellkerns und seiner Produkte (mRNA)
Entwicklungsphysiologie.
für die Bestimmung des Phänotyps bei
HANS DRIESCH (1867-1941) „Entwicklungsmechanische Studien“.
der Schirmalge (Acetabularia mediterrania un A. crenulata)
Theorie der organischen Entwicklung. 1935:
SPEMANN erhält Nobelpreis für Ex-
O. SCHULZE Die künstliche Erzeu-
perimentelle Medizin
gung von Doppelbildungen bei Am- ab 1940:
BRACHET,
phibien.
NEEDHAM Vertreter der Chemi-
TH. BOVERI (1862-1915) Soma und
schen Entwicklungsphysiologie
Propagationszellen von Ascaris.
HOLTFRETER: Zellaffinität, aber
1895:
dto.: Furchung kernloser Seeigeleier.
auch viele andere Fragen der frühem-
1899:
F. SCHAUDINN (1871-1906) Gene-
bryonalen Entwicklung
1884:
ab 1891:
1894:
1895:
rationswechsel der Protozoen.
ab 1955:
WADDINGTON,
BRIGGS, KING: Spezifität der Kern-
H. SPEMANN (1869-1941) Beginn
funktion während der frühembryona-
der Experimente am Molchei. 1935
len Entwicklung. Kerntransplantation-
Nobelpreis für Medizin
sexperimente
1899:
Defektversuche am embryonalen
GURDON: Transplantation von Zell-
Amphibienauge.
kernen aus Geweben von Larvensta-
1897:
HERLITZKA: Sullo sviluppo di em-
dien und Epithelzellen adulter Frö-
brioni completi da blastomeri isolati
sche in Amphibienoozyten. Biologi-
die uova di tritione (Molge cristata).
sches Cloning= experimentelleProduk-
A. N. SEWERZOW „Etüden zur Evolutionstheorie. Individuelle Entwick-
tion von vielen Fröschen (mehr als 20)
mit identischen Erbmaterial (wie bei
lung und Evolution“. Iswestija
eineiigen Zwillingen)
ab 1897:
1912:
1923:
Univ.Kiev
MINTZ, ILMENSEE: Kerntransplan-
VOGT: Farbmarkierungen bei Am-
tation bei Mäusen, Insekten oder Tera-
phibien
tocarcinoma-Zellen.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
.
ab 1956:
LOPASHOV:
Entwicklung des
Wirbeltierauges. Transdifferenzierung
Genexpression am
HÖRSTADIUS: Seeigelentwicklung
Xenopus laevis = Südafrikanischer
MOSCONA. Probleme der Zellaffini-
Krallenfrosch
tät (Zellerkennung), vor allem an ab 1985:
DAWID,ASASHIMA,SMITH,
Warmblütern (Huhn, Säugetiere)
SLACK, MELTON, GURDON,
NAKAMURA, NIEUWKOOP: Bil-
DeROBERTIS,
dung des Mesoderms während derAm-
KIMELMAN; KNÖCHEL, TIEDE-
Modellsystem
KIRSCHNER,
phibienentwicklung
MANN, GRUNZ u.a.: Lokalisation und
SAXEN und TOIVONEN 2-Gradientenhypothese
Wirkungsweise von
Wachstumsfaktoren
[bzw. frühembryonale Determinationsfakto-
TIEDEMANN: Isolierung von em-
ren z.B. Vegetalisierender Faktor , XTC-MIF
bryonalen Induktionsfaktoren. Vege-
(Rohfraktion aus Überständen einer
permanenten Zellinie von Xenopus [biologisch
talisierender Faktor. Der erste in hoch-
aktive
angereicherter Form isolierte Wachs-
vegetalisierenden Faktor: Aktivin])und andere Faktoren der TGF (Transformierender
tumsfaktor (mesodermaler Induktions-
Komponente
wie
bei
dem
faktor), identisch mit Aktivin (Vertreter
Wachstumsfaktor)- und FGF (Fibroblastenwachstumsfaktor)-Superfamilie] während der
der TGFß-Superproteinfamilie).
Embryogenese. Räumliche und embryonal-
YAMADA: Anreicherung eines mesodermalen Induktionsfaktors
aus
Meerschweinchenknochenmark. Mechanismen der Augenlinsenregenera-
ab 1972
und embryonalstadien-spezifische
stadienspezifische Lokalisation mesodermaler, neural spezifischer oder
homeobox–
enthaltender Gene. Bildung des Zentralnervensystems und der übrigen Organsysteme
der Vertebraten. Determination der
tion (Wolff'sche Linsenregeneration)
dorsoventralen und anteroposterioren
Körperachsen. Bedeutung von Protooncoge-
Molekulargenetische Embryologiefor-
nen und Oncogenen ("Krebsgenen") für die
schung
Steuerung und Kontrolle der Differenzierung.
(Herstellung der ersten rekombinanten DNA-Moleküle und Untersuchun- 1995
gen über embryonalspezifische Genexpression)
NÜSSLEIN-VOLHARD, JÄCKLE,
GRUSS, GEHRING u.a. (Modellsysteme: Maus und Drosophila)
1983:
DAWID und SARGENT: Räumliche
Nobelpreis für die Entwicklungsbiologen Christiane Nüsslein-Volhard,
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie,Tübingen, Edward B.Lewis
(USA) und Eric Wieschaus (USA)
Molekulargenetische Mechanismen
der Embryonalentwicklung bei
Drosophila.
17
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Der Begriff Entwicklung für Embryonalenetwicklung (Ontogenese=Individualentwicklung) ist im
Englischen eindeutig definiert, nämlich Development. Dagegen kann im Deutschen unter Entwicklung auch Evolution gemeint sein, d.h. Phylogenese= Stammes(entwicklungs)geschichte.
Der Begriff Evolution (Ausrollung) hat heute eine
andere Bedeutung (Begriff für Stammesentwicklung).
Welche praktische Bedeutung hat die
Untersuchung der frühembryonalen
Entwicklung?
1. Verständnis der Mißbildungsentstehung (Teratologie)
a) Embryonalentwicklung unter der Wirkung
äußerer Einflüsse → Pharmaka, Umweltgifte
b) innere Ursachen (genetische Ursachen) auch
diejenigen, die nicht durch Umwelteinflüsse
bewirkt wurden.
2. Verständnis der Krebsentstehung (Krebspro–
blem)
3. Produktion von Organen (Leber, Herz, Niere
etc.) unter experimentellen Bedingungen als
"Ersatzteile" für krankhafte Organe.
engl.: Organ Engineering
gie) und Entwicklungsphysiologie (Funktionelle
Embryologie).
Definition: Entwicklungsbiologie beschäftigt
sich mit der Aufklärung der morphologischen und
molekularbiologischen Prozesse während der
Embryonalentwicklung (Individualentwicklung=
Ontogenese). Die Entwicklungsbiologie steht in
enger Beziehung zu den Nachbardisziplinen Evolutionsbiologie und Genetik. Entwicklungsgenetisch arbeitende Laboratorien verwenden diese
und weitere Untersuchungsmethoden gleichzeitig.
Historisch gesehen ergibt sich folgendeGiederung:
I. Deskriptive Embryologie ( 16., 17., 18. und 19.
Jahrhundert)
II. Vergleichende Embryologie makroskopische und mikroskopische Beobachtung (ab17 .Jahrhundert)
Im 20. Jahrh. → Elektronenmikroskopie (Ultrastrukturforschung)
III. Experimentelle Embryologie
Höhepunkt: Spemanns und Hilde Mangolds Organisator-Experiment, für das Spemann 1935 als erster
Zoologe den Nobelpreis für Physiologie und
Experimentelle Medizin erhielt.
Die moderne Naturwissenschaft beginnt im 17.
IV. Chemische Embryologie
Jahrhundert mit Galilei, Keppler, Newton, u.a.m..
Waddington, Brachet ab 1930]
[Needham,
Von der deskriptiven zur molekularen EmV. Molekulare-Embryologie → Gentechnobryologie
logie Rekombinante DNA-Methodik - Molekulare
Genetik
Die Klärung der Abläufe und Prozesse von der
Eizelle zum Embryo und zum adulten Organismus
Heute wird die frühembryonale Entwicklung mit
waren und sind das Ziel der klassischen und moHilfe aller 5 Untersuchungsmethoden erforscht.
dernen Embryologie und molekulargenetischen
Entwicklungsbiologie.
Bedeutende Vertreter der Deskriptiven EmbryoloDie Entwicklungsbiologie kann man unterteilen in
gie waren Aristoteles (384-322 v. Chr.) und CasEntwicklungsgeschichte (Deskriptive Embryolopar Friedrich Wolff (1753-1794). Diese postulier-
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
ten (man kann beide als Epigenetiker bezeichnen),
daß es während der Embryonalentwicklung zu
einer → Neubildung einer vorher noch nicht bestehenden Mannigfaltigkeit im Gegensatz zu der
Auffassung der Präformisten kommt. Sie stellten sich die
Embryonalentwicklung als Evolution vor, d.h. im wahresten
Sinne des Wortes, nämlich als "Ausrollung". Dies wäre
vergleichbar mit einer Blütenknospe, die durch "Ausrollung"
erst die engültige Gestalt erreicht. Einer der Vertreter der
Präformisten war Swammerdam (1653-1680). Er postulierte
die Auswickelung (Evolution) schon vorhandener, nur langsam in der Größe wachsender Teile.
Der extremste Standpunkt einiger Präformisten war die
Einschachtelungstheorie .
Die Präformisten waren in 2 Lager gespalten (siehe auch
Abbildungen auf der Umschlagseite)und zwar in die Ovisten:
Das Ei beinhaltet bereits den Embryo, das Spermium ist nur
der Auslöser der Entwicklung. Animalculisten: Das Spermium enthält den präformierten Organismus und ernährt sich
lediglich vom Ei nach seinem Eindringen in die Oozyte.
Einer der Hauptvertreter dieser Theorie war der oben erwähnte
Swammerdam. Sein Verdienst war es aber, daß er der Theorie der Urzeugung jeden Boden entzog. (Theorie der
Urzeugung: z.B. Fliegen gehen aus faulendem Fleisch hervor
- die abgelegten Fliegeneier konnten in früheren
Jahrhunderten aufgrund ihrer geringen Größe ohne Stereolupe
oder Mikroskop nicht erkannt werden).
Leuwenhook als Konstrukteur des ersten Mikroskops war
einer der ersten Entdecker der Spermien. Damit war der Weg
geebnet für eine mikroskopische Analyse morphologischer
und anatomischer Sachverhalte.
Der Embryologe und Philosoph Ernst Haeckel postulierte
aufgrund vergleichender Beobachtungen von Embryonalstadien 1866 das sogenannte Biogenetische Grundgesetzt.
Er stellte damit eine Verknüpfung zwischen Ontogenese
(Individualentwicklung [Embryonalentwicklung]) und Phylogenese (Stammesentwicklung [Evolution]) her.
Das Biogenetische Grundgesetzt besagt, daß der Embryo
während seiner Ontogenese die Prozesse der Phylogenese
rekapituliert. Das Gesetz wird aber heute in vielen
Lehrbüchern im Sinne der richtigen Auffassung von Ernst
von Baer und entgegen der ursprünglichen Auffassung von
Ernst Haeckel interpretiert. Haeckel glaubte nämlich, daß
der Mensch als Endstadium der Evolutionwährend seiner
Embryonalentwicklung Adultstadien (adult = erwachsen)
niederer Organismen durchläuft. Die menschliche Eizelle
entspräche danach dem adulten Zustand von Protozoen
(Einzellern), die koloniebildenden Protozoen (Volvox , etc.)
entsprächen dem Blastulastadium. Die embryonalen Kiemenspalten-Anlagen beim Menschen entsprächen dem
adulten (erwachsenen) Stadium der Fische, bei
denen die Kiemen als Dauerorgane (Atmung) erhalten bleiben. Haeckels Auffassung steht damit
im Gegensatz zu der auch nach heutigen
Erkenntnissen richtigen Auffassung von Ernst von
Baer, der bereits vor Haeckel erkannte, daß
sämtliche Vertebraten (Wirbeltiere)- Embryonen
einschließlich Mensch ein Kiemenspaltenstadium
durchlaufen. Mit zunehmenden Alter nimmt der
Embryo jedoch das spezifische Aussehen seiner
Art an. Mit anderen Worten: Der Embryo einer
bestimmten Spezies durchläuft nicht das Adultstadium anderer niederer Tierarten. Die Evolution
verläuft also nicht schienenförmig linear, sondern
vergleichbar mit einen Laubbaum stark verzweigt.
Nach der Deskriptiven Embryologie folgt ab ca.
1890 die Experimentelle Embryologie, da man
sich nun für die Ursachen bestimmter Embryonalabläufe interessierte.
1. Driesch's Experimente mit Seeigeln. Durchtrennung von 2-Zellstadien mit Glasnadeln oder
++
Disaggregation mit Ca - freiem Meerwasser.
Ergebis: Aus den 2 Blastomeren des 2-Zellstadiums
gingen nach Separation zwei Embryonen hervor.
Bevor man etwas von DNA (Desoxyribonucleinsäure) als genetischen Informationsträger wußte,
nahm man an, daß sich die Zellen des Embryos
deshalb in verschiedener Richtung entwickelten
Abb. 4 A. Normale Entwicklung eines Seeigelkeimes (hier gezeigt
bis zur Pluteuslarve)
B. Trennung der ersten beiden Blastomeren des Seeigelembryos in
++
++
Ca /Mg -freiem Meerwasser.Aus beiden Blastomeren geht je ein
vollständiger, wenn auch, wie zu erwarten, verkleinerter Embryo
hervor.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
(Herz, Leber, Gehirnzelle), weil sie Unterschiede
im Kern aufwiesen. Weismann stellte die richtige
Hypothese der Unsterblichkeit des Keimplasmas
(Keimbahnzellen) im Gegensatz zur Vergänglichkeit der somatischen Zellen (Normale
Körperzellen) auf, was sich als falsch herausstellte.
Weiterhin postulierte er, daß die Differenzierung
auf ungleichen Kernqualitäten bei somatischen
Zellen und Zellen der Keimbahn beruhe. Boveri
lieferte den scheinbaren Beweis für diese Hypothese anhand der Embryonal-entwicklung des
Pferdespulwurms (Ascaris megalocephalus [Parascaris aequorum]).
Wilhelm Roux lieferte zudem den scheinbaren
Beweis, daß die Kernqualitäten selbst von
somatischen Zellen bereits nach der ersten
Zellteilung unterschiedlich sind. Durch sein
Anstichexperiment einer der zwei Blastomeren
des 2-Zellstaiums eines Amphibienembryos,
entwickelte sich nur ein halber Embryo. Damit
schien bereits im 2-Zellstadium die linke und
rechte Seite des Embryos determiniert.
Beim Ascaris megalocephalus (Parascaris
aequorum), dem Pferdespulwurm, handelt es sich
um einen Sonderfall im Tierreich. Bei dieser
Spezies ist es tatsächlich so, daß die somatischen Abb. 6
Zellen (gewöhnliche Körperzellen) einen Teil ihrer
Aufsicht auf eine
DNA während der ersten Furchungsstadien A.
Neurula. Die linke Blastomere
im
2-Zellstadium mit einer heißen
verlieren (sogenannte Chromatin-Diminution).
Nadel angestochen
Lediglich die Kerne der Vorläuferzellen der B. Transversalschnitt der Neurula
Querschnitt durch eine Blastula (links derabgetötete Teil)
Keimzellen (Geschlechtszellen) (Keimbahn) C.
D.Querschnitt durch eine früheGastrula (links derabgetötete Teil)
E. Querschnitt durch eine späteGastrula (links derabgetötete Teil)
behalten den gesamten DNA-Bestand.
F. Querschnitt durch eine frühe Neurula(links derabgetötete Teil)
Abb. 5 Chromatin-Diminution bei Ascaris
Dagegen bestätigten Herlizka und Spemann später
an Amphibien die Ergebnisse von Driesch an
Seeigeln. Roux erhielt nur deshalb einen halben
Embryo, weil die abgetötete Blastomere die
verbliebene lebende daran hinderte, eine
Gesamtembryoanlage zu regulieren (s.unten).
Damit sind wir bereits bei einem wesentlichen
Prinzip der Embryonalentwicklung.
Aus einer ungeteilten Eizelle geht nach einem
Prozeß der
1. Furchung,
2. Gastrulation,
3. Neurulation und
4. Organogenese
ein vielzelliger Organismus hervor.
Wir werden später auf diese Prozesse zurückkommen, die bei allen Wirbeltieren (Vertebraten) einschließlich Mensch zu finden sind.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Die Hypothese der unterschiedlichen
Kernqualitäten wurde widerlegt durch:
1. Spemanns Versuch der verzögerten Kernver2.Schnürungsexperimente
sorgung
Ebenso wie das Experiment der verzögerten
2. Spemanns Schnürungsversuche
Kernversorgung und die Kerntransplanta3. Kerntransplantationsversuche von Gurdon
tionsexperimente von Briggs, King, Gurdon und
Minz belegen die Schürungsexperimente, daß
Kerne nach mehreren Zellzyklen nicht ihren
Informationsgehalt verlieren. Selbst in der frühen
Gastrula können aus den beiden Teilbereichen
vollständige Embryonen hervorgehen, wenn bei
der sagittalen Schnürung beide Hemisphären die
Hälfte der Umundlippe und des übrigen Keimes
erhalten (Abb. 8 A,B).
Abb. 7 Spemanns Versuch der verzögerten
Kernversorgung
Aus dem Spemannschen Experiment der
verzögerten Kernversorgung können zwei wichtige
Schlußfolgerungen gezogen werden (detailierte
Erklärung während der Vorlesung). 1. Für die
Einleitung der Furchungsprozesse ist der Abb. 8 A. Schnürung des ungefurchten Eies
Zellkernvon zentraler Bedeutung 2.Zellkerne
B. Schnürung in der frühen Gastrula
besitzen auch nach mehreren Teilungen noch die
gesamte genetische Information, wie sie für die
Realisation eines vollständigen Embryos
erforderlich sind (s. auch Kerntransplantationsexperiment von Gurdon, Abb. 84, 85).
21
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 9 Schnürung von frühen Gastrulae in
verschiedenen Ebenen
Erfolgt die Schürung so, daß nur ein Fragment die
Umundlippe enthält, so entwickelt sich ein
normaler Keim und ein Bauchstück(Abb. 9 C,D).
Ich weise besonders auf die Nützlichkeit solcher
Experimente für das bessere Verständnis für die
Abläufe bei höheren Vertebraten einschließlich
Mensch hin, da auch beim Menschen manchmal
bauchstückähnliche Mißbildungen zusammen mit
einem normalen Fetus gefunden werden. Das ist
auf asymmetrische Aufteilung des Embryos
während der frühen Furchungsstadien
zurückzuführen.
3. durch Gurdons berühmte Kerntransplantationsexperimente (Abb. 84, 85).
verfügen, die zur Bildung eines vollständigen Organismus erforderlich ist. Jedoch besitzen die einzelnen Zellen Unterschiede im Cytoplasma, z.B.
Regulationsfaktoren einschließlich Transkriptionsfaktoren und Induktionsfaktoren. Diese Faktoren
sorgen dafür, daß sichz.B. die eine Zelle zur Muskelzelle mit der Synthese von Myoglobin und eine
andere Zelle zur Blutzelle entwickelt, die zur Synthese von Hämoglobin, dem Blutfarbstoff, befähigt ist. Es spielen bei diesen Prozessen jedoch
noch andere Prinzipien neben der genetischen
Regulation und Kontrolle eine wesentliche Rolle.
Dazu gehören sekundäre Prozesse wie die Interaktionen zwischen Zellen und Geweben. Große Bedeutung für die Normalentwicklung haben die
Zelladhäsion und spezifische Zellerkennung. Ohne
sie können die komplizierten Gestaltungsprozesse
während der Embryogenese nicht realisiert werden. Störungen dieser Abläufe führen zu Mißbildungen (z.B. Hasenscharte, offener Wirbelsäulenbereich: Spina bifida etc.). Der Informationsfluß
verläuft nicht nur von der DNA (Kern) zur Plasmamembran (Zelloberfläche), sondern gerade auch
in umgekehrter Richtung von der Zelloberfläche
über plasmamembranständige Rezeptoren zum
Zellkern, z.B. im Falle der Wachtumsfaktoren und
embryonalen Induktionsfaktoren. Störungen dieser
Prozesse und Signalwege spielen auch bei der
Krebsentstehhung eine wesentliche Rolle.
Im folgenden möchte ich zunächst Grundprinzipien der frühembryonalen Entwicklung darstellen
und werde später auf klassische und moderne
Untersuchungen eingehen. Letztere kann man
auch beschreiben als: Biochemie der Morphogenese oder Molekulargenetische Embryologie.
4. Klonierung des Schafes Dolly aus Zellkernen
des Euters eines erwachsenen Schafes.
Mit diesen Experimenten konnte eindeutig gezeigt werden, daß alle frühembryonalen Zellen
noch über die gesamte genetische Information
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Modellsysteme zum Nachweis
der zentralen Bedeutung des
Zellkernes für die Steuerung der
Entwicklung
Das berühmte Experiment der Kerntransplantation
bei der Schirmalge Acetabularia hat gezeigt, welche
zentrale Rolle dem Zellkern und seinen Produkten
(vor allem der Boten-mRNA) zukommt
(Hämmerling, 1934). Zu dieser Zeit (1934) kannte
man noch so gut wie nichts über DNA- und RNAStruktur und -funktion.
Durch den Versuch konnte zweierlei gezeigt
werden:
1. der Kern ist verantwortlich dafür, daß ein Schirm
regeneriert wird ,
2. der Kern ist für die artspezifische Ausbildung
des Schirmes verantwortlich (Abb.10A). Das
Fragmentierungsexperiment (Zerteilung der Alge
in apicale Spitze des Stiels, zentralen Teil und
Rhizoid (Abb.10 B) weist darauf hin, daß eine
mRNA (Boten-RNA) vorhanden sein muß. Wird
nämlich die Alge vor der Schirmbildung zerteilt,
so ist die für die Schirmbildung notwendige mRNA
vom Kern zum apikalen Teil des Stiels gewandert.
Im Mittelteil befindet sich keine mRNA mehr. Das
Rhizoid mit dem Kern kann nach der Zerteilung
erneut mRNA synthetisieren. Somit erklärt sich
der Befund, daß sich aus Rhizoid und apicalen Teil
des Stiels, nicht aber aus dem Mittelteil, ein Schirm
bilden kann. Der Beweis, daß tatsächlich BotenmRNA für die Ausbildung des Schirms
verantwortlich ist, wurde erst viel später durch
einen Hämmerling-Schüler (Prof. Schweiger) und
Mitarbeiter, erbracht (Kloppstech und Schweiger
(1975): Polyadenylated RNA from Acetabularia.
Differentiation 4, 115-123. Das klassische
Experiment von Hämmerling (1934) steht in
Übereinstimmung mit dem heute generell
anerkannten sogenannten Dogma der Molekularbiologie: DNA → RNA (mRNA) → Protein.
Die DNA kodiert für spezifische mRNAs, die in
spezifische Strukturproteine (z.B. im AcetabulariaSchirm) translatiert werden. Diese Prozesse sind
jedoch
wesentlich
komplexer.
Sie
werdenausführlich in meiner Vorlesung
“Entwicklungs-biologie und Zellbiologie”
(Hauptstudium) behandelt.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 10
Vom Einzeller zum Vielzeller (Auftreten des
Phänomens Tod in der Evolution und die
Ausbildung von Arbeitsteilung und
Spezialisierung
liche Vermehrungsformen. Somit läßt sich bei
Volvox bereits ein zentrales Prinzip der Entwicklungsbiologie dokumentieren: die Differenzierung
in somatische (Körper) Zellen und
Geschlechtszellen (Keimzellen). Dieses
Grundprinzip ist nicht nur für die
Entwicklungsbiologie sondern für die gesamte
Biologie von umfassender Bedeutung. Beim
Vielzeller können die Keimzellen (Geschlechtszellen) als unsterblich angesehen werden. Sämtlich
Prozesse und Disziplinen der Biologie sind darauf
ausgerichtet, daß die Keimzellen in Form einer
nächsten Generation überleben. Bekanntlich wird
hierfür
Niedere Organismen (Bakterien oder einzellige
Algen) vermehren sich durch Quer- oder
Längsteilung. Bei diesen Lebewesen gibt es keine
Leiche. Demnach sind sie, solange keine
Umweltkatastrophen eintreten, unsterblich. Erste
Schritte einer Spezialisierung zeigen bestimmte
Algen in “männliche” und “weibliche” (besser +
und (-)- Typen) Genotypen [Phänotyp ist
identisch](Abb.11a) Der nächste Evolutionsschritt
ist eine Zusammen-lagerung von Organismen
gleichen Phänotyps zu einem Pseudovielzeller
(Abb. 11b). Das erstmalige Auftreten des
Phänomens Tod und dem Übrigbleiben einer Leiche
und lebender Nachkommen ist bei der Alge Volvox
zu beobachten (Abb. 11d ).
Weiterhin entstehen bei Volvox in Form eines
Generationswechsels vegetative und geschlecht- Abb. 4
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
mittels der somatischen Zellen (den
“gewöhnlichen” Körperzellen) bei den höchst
entwickelten Organismen ein sehr hoher Aufwand
betrieben. Sämtliche evolutionären “Errungenschaften” dienen dem Ziel, ein Optimum der
Überlebensfähigkeit der Keimzellen eines
Individuums oder einer ganzen Spezies zu
erreichen.
Diesem zentralen Ziel dienen:
1) Struktur der Organismen (Morphologie und
Anatomie)
2) Physiologie (neurale und vegetative Physiologie)
und
3) Anpassung an die Umwelt (Ökologie,
Verhaltensbiologie)
1), 2) und 3) sind eng miteinander korreliert. So
bieten z.B. besonders leistungsfähige Sinnesorgane
(statt Grubenaugen → Linsenaugen*) und
besondere Verhaltensweisen (z.B. Ernährungsspezialisten) einen Selektionsvorteil gegenüber
anderen Tieren (siehe Lehrbücher der Physiologie,
Ethologie und Evolution). Das gilt besonders, wenn
diese Leistungen optimal an die jeweilige
Umgebung angepaßt sind.
*) Recht spektakuläre neueste entwicklungsbiologisch/ molekulargenetische Erkenntnisse der
Arbeitsgruppe von Prof. Gehring deuten darauf
hin, daß offensichtlich das Auge bei verschiedenen
Tierarten und Tierklassen während der Evolution
nicht immer wieder neu "erfunden" wurde.
Trotz erheblicher morphologischer und
funktioneller Unterschiede der adulten
Sinnesorgane sieht es so aus, als wenn für die
Anlage aller Augentypen sehr ähnliche entwicklungsbiologische Stategien verwendet wurden
und werden [Mastergen-Prinzip] (siehe Seite 137).
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Dictyostelium
discoideum
Ein sehr interessantes Lebewesen, das sowohl als
Einzeller als auch als Vielzeller vorkommt, ist der
Schleimpilz Dictyostelium discoideum (Abb. 12).
Neben dem Prinzip der Differenzierung in
somatische Zellen und Keimzellen, finden wir hier
die Aggregation von Einzelzellen zu einem
Gewebeverband. Für diesen Prozess sind schon
spezielle Zellerkennungsmechanismen und
charakteristische Signalmoleküle (Acrasin)
erforderlich. Für diesen wichtigen evolutionären
Schritt der selektiven Zellerkennung (mutual cell
affinity) sind ähnlich wie bei der primitiven
Zellverbandbildung der Schwämme schon recht
komplizierte extrazelluläre Matrixstrukturen
(wesentliche Bestandteile: Glykoproteine,
Glukosaminoglykane, Catherine, Catenine, Cognin
N-CAM, C-CAM, etc.) erforderlich.
Abb. 12
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Bildung und Wanderung der Keimzellen
Ausgangspunkt jeder frühembryonalen Entwicklung ist die Entstehung reifer Eier (Oozyten) und
Samenfäden (Spermatozoen). Der erste Schritt ist
jedoch die Entwicklung von Urgeschlechtszellen,
die bereits sehr früh in der Embryonalentwicklung
nachzuweisen sind.Es können schon bald in der
Ontogenese Keimzellen von somatischen (Körper)Zellen unterschieden werden. Differenzen bestehen im RNA-Gehalt im sogenannten Keimplasma
des Eies, das in die zukünftigen Keimzellen integriert wird. Solches RNA-reiche Keimplasma findet man bei den Insekten im posterioren (hinteren)
Keimbereich, das in die Keimzellen integriert wird
(Abb. 13 B). Der Nach-weis, daß dort die Keimzellen lokalisiert sind, wurde durch folgendes Experiment erbracht:
Durch UV-Bestrahlung des caudalen Keimbereiches des Insekteneies ergaben sich sterile Individuen.
Bei Amphibien erfolgt nach der Neurulation die
Einwanderung der Urgeschlechtszellen in die
Urogenitalleiste (Abb. 14 B, 15 A).
Bei Vögeln erfolgt die Wanderung über die Blutwege (Adern) ausgehend von einer sichelförmigen
Region des Entoderms (Abb. 14 C, 15 B) an der
vorderen Grenze der Keimscheibe. Dann erfolgt
die Einwanderung in das embryonale
Blutsystem.Dieser Vorgang wird als Diapedesis
bezeichnet (Abb. 15 B). Über den Blutkreislauf
erreichen die Urgeschlechtszellen die
Genitalleisten.
A
B
C
Abb. 15 Vorgang der Urgeschlechtszellenwanderung
Abb. 13
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Prozesse bei der Keimzellbildung
Meiose
Sobald die Urgeschlechtszellen in die Gonaden
eingewandert sind (Abb. 14 C, 15), teilen sie sich
vielfach ( ständig sich wiederholende Mitosen).
Damit wird die Voraussetzung für die Produktion
einer großen Zahl von Gameten geschaffen.
Sowohl während der Oogenese als auch der Spermatogenese muß der Chromosomenbestand von
diploid (2n) auf haploid (n) reduziert werden.
Dieser Prozess wird als Meiose bezeichnet.
Nach der letzten mitotischen Teilung folgt eine
Periode der DNA-Synthese (S-Phase), so daß die
Zellkerne der Keimzellen bei ihrem Eintritt in die
Meiose über die zweifache DNA-Menge (4 C)
verfügen. In dieser Phase besteht jedes Chromosom aus zwei Schwester-Chromatiden (sister chromatids), die über ein gemeinsames Centromer
miteinander verbunden sind. In anderen Worten:
Obgleich dipoid, enthält die Zelle 4 Kopien jedes
Chromosoms, aber die Chromosomen erscheinen
als zwei Chromatiden, die miteinander verbunden sind. Die Meiose umfaßt zwei Zellteilugen.
Bei der ersten Teilung paaren sich homologe
Chromosomen und werden dann auf verschiedene Zellen verteilt. Daher werden in der 1.Reifeteilung homologe Chromosomen auf zwei Tochterzellen verteilt und zwar in der Weise, daß jede
Zelle nur eine Kopie eines jeden Chromosoms
erhält. Aber jedes Chromosom hat sich bereits
redupliziert. Die 2. meiotische Teilung separiert
dann die zwei Schwester-Chromatiden voneinander. Folglich besitzt jede der 4 entstandenen Zellen eine einfache (haploide) Kopie eines jeden
Chromosoms.
Die erste meiotische Teilung (1.Reifeteilung)
beginnt mit einer langen Prophase, die in fünf
Teilabschnitte gegliedert werden kann:
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 15
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Leptotän (griechisch: dünner Faden)
Während dieses Stadiums liegt das Chromatin
des Chromatids als langer dünner Faden vor, so
daß einzelne Chromosomen nicht identifiziert
werden können. Die DNA-Replikation hat bereits
stattgefunden und jedes Chromosom besteht aus
2 parallel angeordneten Chromatiden.
Zygotän (griechisch: paariger Faden)
Im Zygotän legen sich homologe Chromosomen
(väterlicher-mütterlicher Herkunft) eng nebeneinander in sehr exakter Anordnung. Diese Paarung wird als Synapse bezeichnet und ist typisch
für die Meiose. Dieses Phänomen tritt in der
Mitose nicht auf. Obwohl der Mechanismus , wie
jedes Chromosom seinen homologen Partner erkennt, unbekannt ist, so scheint es doch sicher,
daß die Kernmembran für diesen Prozess besonders wichtig ist. Da sich die Chromosomen an
einem Punkt der Membran blumenstraußähnlich
anordnen, wird dieses Stadium auch als Bukettstadium bezeichnet. Weiterhin ist ein proteinhaltiges Band für diese reißverschlußähnliche Zusammenlagerung der Chromosmen erforderlich,
welches als Synaptischer Komplex bezeichnet
wird. Dieser Komplex ist eine leiterartige Struktur mit einem zentralen Element und zwei lateralen Balken. Das Chromatin ist assoziiert mit den
zwei lateralen Balken. Dadurch kommt die Koppelung zwischen den beiden Chromatiden zustande. Die Konfiguration, die durch die 4
Chromatiden und den Synaptischen Komplex
gebildet wird , wird auch als Tetraden-Stadium
oder als Bivalent-Stadium bezeichnet.
Pachytän (griechisch: dicker Faden)
Während der nächsten Phase der meiotischen
Prophase verdicken und verkürzen sich die Chromatiden. Individuelle Chromosomen können jetzt
im Lichtmikroskop unterschieden werden. In diesem Stadium findet Crossing-over statt. Cros-
sing-over bewirkt den Austausch von genetischem Material von homologen Chromosomen
(Genen) von einem zum anderen Chromatid.
Dieses Crossing-over setzt sich auch im nächsten
Stadium, dem Diplotän, fort.
Diplotän (griechisch: doppelter Faden)
In diesem Stadium löst sich der Synaptische Komplex auf und die 2 homologen Chromosomen beginnen sich voneinander zu trennen. Normalerweise bleiben sie aber noch an verschiedenen
Stellen, sogenannten Chiasmata, verbunden. In
diesen Bereichen hat das Crossing-over stattgefunden. Bei einigen Species (z.B. Amphibien)
nehmen die Chromosomen sowohl männlicher
als auch weiblicher Keimzellen in dieser Phase
das Aussehen von Lampenbürsten (Lampenbürsten-Chromosom) an. Diese Chromosomen synthetisieren äußerst aktiv RNA. Die Lampenbürstenchromosomen bilden äußerst stabile und ausgedehnte Schleifen (Loops) aus, die mit neu transkribierter RNA, verpackt in RNA-Proteinkomplexe, bedeckt sind. Aufgrund dieser Hülle kann
man diese Lampenbürstenchromosomen im Gegensatz zu anderen Chromosomen im gleichen
Meiose-Stadium selbst im Lichtmikroskop erkennen.
Diakinese (griechisch: sich auseinander bewe–
gen)
In diesem nächsten Stadium wandern die Centromeren auseinander und die Chromosomen bleiben nur am Ende der Chromatiden miteinander
verbunden. Dieses letzte Stadium der meiotischen
Prophase endet mit der Auflösung der Kernmembran und dem Auseinanderwandern der Chromosomen. Sie bilden dann die Metaphase-Platte.
Während der Anaphase I trennen sich homologe
Chromosomen voneinander.
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Telophase I
Es folgt die Telophase I, in der zwei Tochterzellen
gebildet werden, wobei jede Zelle einen Partner
jedes homologen Chromosomenpaars erhält.
Interkinese
Nach einer kurzen Interkinese findet die zweite
meiotische Teilung statt. Während dieser Teilung
teilt sich jedes Centromer eines jeden Chromosoms während der Anaphase II , so daß jede der
Tochterzellen eins der zwei Chromatiden erhält.
Das endgültige Ergebnis ist die Bildung von 4
haploiden Zellen.
Aus 1 Spermatocyte I. Ordnung gehen hervor →
2 Spermatocyten II. Ordnung → 4 Praespermiden
→ 4 Spermiden. Es erfolgt dann die Differenzierung zu 4 Spermien.
Dadurch werden folgende Ergebnisse erzielt: In
2 Teilungsschritten entstehen 4 Gonen. Man unterscheidet eine erste und eine zweite Reifeteilung. Oogenese und Spermatogenese unterscheiden sich durch die Anzahl der entstehenden reifen Geschlechtszellen. In der Spermatogenese
gehen aus den nach den Spermatocytenteilung
hervorgehenden 4 Gonen (Spermatogonien) 4
Spermien hervor. Bei der Oogenese dagegen geht
aus einer Gone nur 1 reife Eizelle [Oogonium],
hervor. Gleichzeitig entstehen 3 degenerierende
Polkörperchen.
Spermatogenese
Spermiohistogenese
Aus den Urkeimzellen (entodermale Wanderzellen) gehen nach Vermehrungsphasen, Wachstumsphasen, Reifeteilungen und Spermiohistogenese (Differenzierung) die fertigen Spermien
hervor.
Zwei wichtige Prinzipien gelten bei der Spermienbildung (dies trifft übrigens auch für die
Oogenese zu):
1. Während der Entwicklung von der Urkeimzelle
zu den reifen Keimzellen (Gonen) wird der Chromosoemenbestand reduziert (2 n → n), damit bei
der Befruchtung wieder ein diploider Zustand
erreicht werden kann.
2. Während der Meiose finden Chromosomenkonjugationen statt (Austausch von Chromatinbereichen und damit Genbereichen), die eine Neukombination des Erbmaterials ermöglichen.
(Abbildungen werden in der Vorlesung gezeigt)
Spermien der verschiedenen Tierarten sind recht
unterschiedlich aufgebaut, deshalb hier nur die
Schilderung allgemeingültiger Tatsachen.
1. Der Kern weist geringe Veränderungen bei der
Entwicklung der Spermatide zum Spermium
auf. Er wird nur länglich und paßt sich der
Kopfform des Spermiums an. Chromatin wird
unsichtbar, Kern erscheint homogen und färbt
sich dunkel an.
2. DieSpermiden besitzen 2 Centriolen: proximales und distales Centriol. Aus dem distalen
wächst der Schwanzfaden aus. Das Cytoplasma kommt um die Centriolen zu liegen.
3. Das Akrosom (enthält Enzyme zum Eindringen
in die Eizelle) entsteht in engem ZusammenWährend dieser Periode der Praespermidenteihang mit dem Golgiapparat in Kernnähe.
lungen laufen die Reifungsprozesse (Meiose) ab. 4. Die Mitochondrien ordnen sich im Mittelstück
Die Spermatiden sind genetisch gesehen fertige
des Spermiums an.
Gameten (haploid = n).
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Oogenese
Aufbau des reifen Spermiens (Ausnahme z.B.
Ascaris: kein Mittel- und Schwanzteil)
Die Meiose läuft ähnlich ab wie bei der SpermatoKopf
genese. Unterschiedlich ist nur, daß im Gegensatz
Hals
zur Spermatozyte 1. Ordnung(Ergebnis: 4 SperMittelstück
mien) aus der Oozyte 1. Ordnung nur ein reifes Ei
Schwanz
hervorgeht. Im Vergleich zur Spermide (Spermatide) unterscheidet sich die reife Eizelle äußerlich
kaum von der Oozyte (aber genetisch).Die OozySpermienübertragungsmechanismen
tenentwicklung geht folgendermaßen vor sich: Es
Jeder Paarbildung im Tierreich einschließlich erfolgt die erste Reifeteilung: die Chromosomen
Mensch geht ein Synchronisationsvorgang kondensieren und die reduplizierten homologen
(Vorspiel, Balz) voraus, der besonders dringend Chromosomen separieren sich in der Anaphase I
erforderlich ist bei Spezies, die keine innere in zwei Tochterkerne. Jeder dieser Kerne enthält
Besamung (mittels spezieller Geschlechtsorgane die Hälfte der ursprünglichen Chromosomenzahl.
[Penis, Männchen] ) aufweisen (z.B. Seeigel, Gegen Ende der 1.Reifeteilung teilt sich das CytoStichling, Hering oder Schwanzlurche [Urodela]). plasma asymmetrisch, so daß zwei Zellen unterTrotz optimaler hormoneller Gegebenheiten und schiedlicher Größe entstehen, nämlich 1 kleines
Reifezustand der Gonaden (Jahreszeit plus Balz) Polkörperchen und die große Oozyte II. Ordnung.
würde eine asynchrone Ei- und Spermaabgabe Zu diesem Zeitpunkt besteht jedes Chromosom
(räumlich und zeitlich stark differierend) nicht zur noch aus 2 Schwesterchromatiden. Diese ChroBesamung der reifen Eizelle führen. Ein sehr gutes matiden werden erst in der 2.Reifeteilung sepaBeispiel für diese Synchronisationsabläufe ist die riert und in 2 Tochterzellen verteilt. Dieser ProBalz der Schwanzmolche (Molche, Urodela) zess ist identisch mit einer normalen Mitose . Nach
(Abb.17, 18 ). Man kann dieses Paarungsverhalten dieser letzten Chromosomenseparation in der Anaim Frühjahr in klaren Teichen beobachten. Nach phase II teilt sich das Cytoplasma der großen
Anlocken des Weibchens durch Pheromone Oozyte II.Ordnung wieder asymmetrisch. Das Er(Geschlechtsduftstoffe) setzt das Männchen eine gebnis ist das reife Ei und ein zweites PolkörperSpermatophore (Spermaträger mit gelatine- chen mit jeweils haploider Anzahl von Chromosoähnlicher Konsistenz) auf dem Substrat (z.B. men. Das 1 Polkörperchen kann sich ebenfalls
nochmals teilen, so daß insgesamt 3 PolkörperTeichboden) ab (Abb. 16).
chen entstehen, die anschließend degenerieren.
Bei den meisten Vertebraten schreitet die Oozytenreifung bis zur Metaphase der 2.Reifeteilung
fort und bleibt in dieseStadium stehen (Monate bis
Jahre). Bei der Ovulation wird die Oozyte
II.Ordnung aus dem Ovar freigesetzt und vollendet nach dem Endringen des Spermiums die
Meiose.
Abb. 16 Spermatophore der Urodelen
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Balz und Besamung bei Schwanzlurchen
Das Weibchen nimmt bei erfolgreicher
Synchronisation das Spermapaket (Abb. 13, grauer
Bereich) an der der Spitze der Spermatophore in
ihre Kloake auf. (Abb. 18 C,F, 19 ).
Abb. 19 Kloake des Molchweibchens
Die Besamung jedes einzelnen Eies erfolgt durch
die in der Spermatheca aufbewahrten Spermien.
Wie gelangen die Spermien zum Ei? (alle Tiere):
Abb. 17 Molchbalz (Triturus vulgaris, Teichmolch) 1. Spermien werden bei wasserlebenden Formen
in das Süß-oder Salzwasser abgegeben:
Echinodermen, Mollusken, Fische, Amphibien
(Anura= Froschlurche). Es kann bereits eine
Art Begattung vorkommen: Bei Fröschen: das
Männchen umklammert bei der Spermaabgabe
das Weibchen oder kommt in enge Berührung
mit ihm(Abb.20). Die Umklammerung oder
der Kontakt wird solange aufrechterhalten, bis
die Eier besamt sind.Dies geschieht bei
Hymenochirus an der der Wasseroberfläche
(Abb.21D). Bei einer anderen Spezies
(Ascaphus truei) besitzt das Männchen bereits
einen penisartigen Fortsatz, der bei der
Begattung des Weibchens in die Kloake
eingeführt wird (Abb. 22). Bestimmte Fische
(Lebendgebärende Zahnkarpfen) haben eine
umgeformte Bauchflosse (penisartig), die
ebenfalls innere Befruchtung ermöglicht.
2. Ablage der Spermamasse in oder auf einer
Abb. 18 Details der Molchbalz von Triturus
Kapsel (Spermatophor, Samenstift, Abb.16)
cristatus (Kammolch)
und Aufnahme des Samenpakets in die Kloake
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
bei Insekta, Turbullaria, Cephalopoda,
Amphibia (Urodela) [Kloake =Endbereich des
Urogenitaltrakts=Mündung von Geschlechtsund Exkretionsprodukten].
3. Innere Besamung (Begattung) setzt die Bildung
spezieller Begattungsorgane voraus: Viele Sauropsiden und Säuger.
Abb. 20 Verschiedene speziesspezifische
Positionen bei der Begattung von Fröschen
Abb. 22 Begattung bei Ascaphus truei
Abb. 21 Begattung bei Hymenochirus
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06.03.2003, 22:26 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Die Eier von Hemiphractus johnsoni
werden auf dem Rücken des Weibchens
angeheftet. Das Colestethus-Männchen
setzt sich mit den Hinterbeinen in die
Gallertmasse, die die kurz vor dem Schlüfen
stehenden Larven (Kaulquappen) enthält.
Aus den geplatzten Gallerthüllen bewegen
sich die Larven auf den Rücken des
Männchens , wo sie durch klebriges Sekret
angeheftet werden. Alle drei Froscharten
suchen kleine Teiche auf, sobald die Larven
schwimmfähig sind.
Der einzige "eiertransportierende"
europäische Frosch ist die Geburtshelferkröte (Alytes). Das Weibchen übergibt
die Eischnüre an das Männchen, das diese
an seine Hinterbeine befestigt. Die
Betreuung erfolgt bis zum Schlüpfen und
Einbringen der Larven in nahrungsreiche
Teiche.
Abb. 23 Verschiedene Frösche mit intensiver
Brutpflege
Bei Gastrotheca cornuta werden die
abgelegten Eier in eine Rückentasche des
Weibchens geschoben. Dort entwickeln sie
sich zur Larve. Das feuchte Milieu der
Tasche
enthält
relativ
hohe
Harnstoffkonzentrationen (urea), die für
die normale Entwicklung sogar notwendig
sind
(Del Pino, E.M., Alcocer, I. and Grunz, H. (1994).
Urea is necessary for the culture of embryos of the
marsupial frog Gastrotheca riobambae, and is
tolerated by embryos of the aquatic frog Xenopus
laevis. Development Growth & Differentiation
36:73-80).
35
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Befruchtung bei Seeigeln
dringlich.
(Ideales Beispiel für den Besamungs- und BeDie Bildung der Befruchtungsmembran ist eine
fruchtungsvorgang)
Reaktion der äußeren Cytoplasmaschicht, der EiEs kann zwischen Besamung und Befruchtung rinde (Cortex).
unterschieden werden. Unter Besamung kann man Sie ist bei Seeigeln 1-1,5 µm dick und enthält eine
sämtliche Abläufe von der Abgabe der Spermien gleichmäßige Schicht spezifisch färbbarer Granubis zum Eindringen in die Eizelle definieren. Die la. Bei der nach Auftreffen des Spermiums auf die
eigentliche Befruchtung kann man gleichsetzen Eioberfläche einsetzende Cortexreaktion werden
mit der Verschmelzung des weiblichen und männ- von der Eirindenschicht Cortexgranula die Mucolichen Vorkerns. Der Einfachkeit halber werden polysaccharide (polyanionische Glucosaminoglydie unten dargestellten Prozesse aber unter dem cane) enthalten, in Tropfen vereinigt zur Dottermembran hin ausgeschieden.
Begriff Befruchtung beschrieben.
Die Furchung des Seeigeleies erfolgt total, inäqual. Die Entwicklung der Seeigel ist besonders Die Tröpfchen verschmelzen mit der Dottermemgut untersucht, weil die Eier leicht zu erhalten und bran, die damit zur sehr stabilen Befruchtungszu beobachten sind(transparente Embryonen). Die membran wird. Sie verhindert das weitere EinEmbryonen entwickeln sich außerhalb des mütter- dringen von Spermien.
lichen Organismus und sind bis zur
schwimmfähigen Larve und darüber hnaus transparent.
Vorgang der Befruchtung (generelle Aussage)
Der Vorgang der Befruchtung kann bei Seeigeln
unter dem Mikroskop verfolgt werden. Ei und
Spermium müssen so konstruiert sein, daß
folgende Prozesse gewährleistet sind, damit eine
erfolgreiche Besamung erreicht wird:
1. Auffinden des Eies durch das Spermium
2. Besamung des Eies bei gleichzeitiger Verhinderung der Mehrfachbesamung.
Bei 1. sind vor allem chemotaktische Prozesse
beteiligt.
Für 2. sind eine Reihe von Teilprozessen verantwortlich:
1. Nach Eindringen des Spermakopfes hebt sich
die Befruchtungsmembran vom Ei ab und zwar
innerhalb von 10-20 sec. Erst ist sie gewellt,
wird dann aber schließlich glatt und sehr widerstansfähig.
2. Nach 2 Min. ist dieser Vorgang beendet und die
Membran ist für weitere Spermien undurch-
Das Acrosom öffnet die Gelatinehüllen (äußeren
Eihüllen) dort wo das Spermium auftrifft.
Proteolytische Enzyme (Proteasen) sind dabei
beteiligt. Es bildet sich vom Acrosom ein Filament,
das in die Oberfläche des Eies eindringt. Die
Membranen des akrosomalen Vesikels und der
Eimembran fusionieren. Durch den entstehenden
Kanal wird der Spermakern, Mitochondrien und
Flagellum in das Ei gezogen. Flagellum und Mitochondrien lösen sich auf. Deshalb gehen im Embryo
alle Mitochondrien auf den mütterlichen
Organismus zurück.
Bei einigen dotterreichen Eiern (Selachier, Vögel,
Amphibien) kommt es zu physiologischer Polyspermie. Aber auch in diesem Falle kommt nur ein
Spermakern zur Befruchtung. Die übrigen gehen
entweder zugrunde oder sorgen als sogenannte
Merocytenkerne für die Verflüssigung (Verstoffwechselung) des Dotters.
Die Cortexgranula können sich auch bei den Oo-
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zyten bestimmter Tierarten in doppelt lichtbre- Vorgang der Befruchtung bei Amphibien
chende Stäbchen verwandeln. Aber auch sie werden im Normalfall in die Dottermembran eingela- Der Vorgang verläuft ähnlich wie bei den Seegert, wodurch die widerstandsfähige Befruchtungs- igeln. Die Befruchtungsmembran verhindert das
membran entsteht.
Eindringen weiterer Spermien. Bei Amphibien
Nach neueren Auffassungen enthalten die Cortex- kommt aber Polyspermie vor, wahrscheinlich
granula (in Wirklichkeit Vesikeln) Mucopoly- deshalb, weil die Cortex-Reaktion sehr langsam
saccharide (besser: polyanionische Glucosamino- abläuft.
glykane), die nach ihrer Freisetzung osmotisch
wirksam werden.
Mit der Entstehung der Befruchtungsmembran,
Durch die sich abhebende Dottermembran wird auch als Cortikal-Reaktion oder Eiaktivierung
Wasser (Amphibien) oder Meerwasser (Seeigel) bezeichnet, gehen tiefgreifende Veränderungen
von außen her aufgenommen. Die perivitelline in der Ultrastruktur der Ei-Cortex einher. Die
Flüssigkeit ist dann hoch viskos, so daß die Eizelle Cortex-Granulae (Vesikeln) öffnen sich zum
schließlich überall den gleichen Abstand von der perivitellinen Raum. Sie enthalten Proteasen und
Membran einhält.
Glykoproteine stark sauren Charakters (sogenannte
saure Polysaccharide oder Mucopolysaccharide
Granula oder Stäbchen, die in die Dottermembran [neue Bezeichnung: polyanionische Glucosaminoaufgenommen werden, sorgen für die Bildung der glykane], die die sehr sauren SO3H-gruppen entwiderstandfähigen Befruchtungsmembran.
halten). Der chemische Aufbau und die Unterscheidung von Proteinen, Glykoproteinen, GlyNach Ausscheidung der Granula verändert sich kosaminoglykanen werden in meiner Hauptauch die Rinde (Cortex) des Eies. Sie wird gelati- studiumvorlesung"Entwicklungsbiologie und
nös fest. Das Ei regiert nach der Befruchtung auf Zellbiologie" erläutert.
Diese sauren
Druck wesentlich unempfindlicher.
Proteoglykane prezipitieren, sobald sie mit Wasser in Berührung kommen und fangen sofort an
mit der Dottermembran zu interagieren. Das Er-
Abb. 24
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gebnis ist die Bildung einer fast kristallinen, 3. Ausbildung einer Pseudoplacenta bei einzelnen Reptilien (Ausnahmen). Hierbei handelt
widerstandsfähigen Befruchtungsmembran.
es sich um eine allantoide* Placenta.
Gleichzeitig treten Veränderungen in der Polarität
[*Allantois: aus dem Griechischen: schlauchdes Eies auf. Dafür ist das Amphibienei ein sehr
förmig; Ausstülpung des Enddarmes. Hat die
gutes Beispiel. Gegenüber dem Eintrittspunkts
Funktion der embryonalen Harnblase]
des Spermiums
Sie nimmt als Chorioallantois mit der Uterusbildet sich durch Verlagerung des in der Cortex
schleimhaut engen Kontakt auf. Die Placenta
angeordneten Pigments (maternale Melaningraist vom endothelio-endothelialen Typ. Bereits
nula) zum animalen Pol eine pigmentärmere
fetal-maternaler Stoff(Gas)austausch (aber Eier
Zone, der sogenannte graue Halbmond. Dieser
enthalten noch Dotter).
Bereich ist mit der zukünftigen (präsumptiven)
Dorsalseite des Keimes, aber nicht exakt mit der 4. Bei den Säugetieren (Mammalia) wird ein
Spezialorgan (Placenta ) ausgebildet, das als
der dorsalen Urmundzone(Spemannscher
Vermittler für Stoff- und Gasaustausch zwiOrganisator-Bereich, identisch (Abb. 24).
schen Fetus und maternalen Organismus dient.
Damit ergeben sich bereits 2 wesentliche PolariDie Eizelle hat es nun nicht mehr nötig, Nährtäten des befruchteten Eies:
dotter zu speichern. Mamalia-Eier (Ausnahanimal-vegetativ und dorsal-ventral.
me: Monotremata) sind dotterfreie Eizellen.
[ Es handelt sich aus stammesgeschichtlicher
Sicht um sekundär dotterarme Eier].
Während der Evolution haben sich unterschiedli- In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß Carl
che Entwicklungstypen (in Beziehung zum ma- Ernst von Baer 1827 als erster eine Eizelle eines
ternalen [mütterlichen] Organismus) herausgebil- Säugetieres beobachtet hat (im Graafschen Follikel des Hundes). Obwohl die Eizelle der Säudet:
getiere eine der größten Zellen des Körpers ist
1. Fische legen ihre Eier, nachdem sie aus dem (beim Menschen ø 120-150 µm) ist sie jedoch zu
Eierstock freigesetzt worden sind, im Wasser klein, als daß an ihr früher Manipulationen
durchgeführt werden konnten. Ein Großteil entfrei ab, wo sie besamt werden.
Amphibien legen die befruchteten Eier an Grä- wicklungsbiologischer Erkenntnisse wurden an
sern oder Wasserpflanzen ab. Schwanzlurche Amphibienkeimen erzielt. Beim Säuger und spelegen die Eier zwischen mit den Hinterbeinen ziell beim Menschen ergeben sich im Gegengefalteten Wasserpflanzen ab (Schutz vor Räu- satz zu Amphibien eine Reihe von
Schwierigkeiten
bern).
2. Schutz durch den mütterlichen Organismus
Das Ei verbleibt im mütterlichen Organismus, Vergleich des Eies bei Säugern (einschließlich
liegt aber wie ein Fremdkörper im Ovidukt Mensch) und Amphibien
ohne innigen Kontakt zum mütterlichen Organismus ( Haie, Alpensalamander; letzterer hat Säugerei
diese Art der "Brutpflege" wegen der ungünstigen Umweltbedingungen entwickelt; Hautta- 1. Ei sehr klein (0,12-0.15 mm = 120-150 µm)
[Ausnahmen: Monotremata]
schen auf dem Rücken tropischer Frösche, z.B.
2. Ei wächst im maternalen Organismus heran
species Gastrotheca).
[Deshalb nicht gut beobachtbar]
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3. Ei ist dotterarm, muß nach Experimenten reim- Die Eier können sich unterscheiden in folgenden
plantiert werden (bisher unter in vitro Bedin- Merkmalen:
gungen nur kurze Aufzucht möglich).[in vivo =
unter normalen Lebensbedingungen. Hier: im 1. Dotter
mütterlichen Organismus; in vitro = in Zellkul- a) Verteilung
tur]
b) Menge
4. Bei Experimenten am menschlichen Embryo
c) Beschaffenheit
Probleme ethischer und moralischer Natur.
2. Eihüllen und Schalen
Amphibien
I. Primäre Membranen, von der Eizelle gebildet,
1. Ei relativ groß (1-2 mm).
z. B. Membrana vitellinaII. Sekundäre Mem2. Ei entwickelt sich außerhalb des mütterlichen
branen vom Follikelepithel im Ovar gebildet, z.
Organismus (deshalb experimentell leicht zu
B. Zona pellucida oder sogen. „Chorion“ der
gänglich).
Nematoden.
3. Der am besten untersuchte Vertebraten (Wir
III. Tertiäre Membranen und Schalen werden im
beltier)-Embryo.
Oviduct gebildet, z.B. Gallerhülle bei Anuren
4. Ei ist dotterreich, jede Zelle besitzt eigenen
und Urodelen, Hornschalen der Selachier, EiDottervorrat. Explantations- und Transplantaweißschicht im Vogelei, Kalkschale der Sautionsexperimente sind ohne die erst seit neuerer
ropsideneier.
Zeit zur Verfügung stehenden komplizierten 3. Pigmentierung (Embryonalpigment bei
Kulturmedien durchführbar.
Amphibien)
5. Keine Probleme ethischer Natur.
Man kann verschiedene Eitypen unterscheiden
nach der Dotterbeschaffenheit und der Dottermenge.
Die Größe der Eizelle steht in Beziehung zu ihrem
Dottergehalt. Die polylecithalen Eier erreichen
einen beachtlichen Durchmesser (Teleostier, Reptilien und Vögel). Aber auch mesolecithale Amphibieneier sind noch recht groß (Axolotl 2 mm ø,
Triturus 1,5 mm, Krallenfrosch 1 mm). Unter den
Säugetieren weisen die Monotremata die umfangreichsten Eier auf (ø 3,5 - 4 mm). Die Eier der
Beuteltiere(Beutelmarder [Dasyurus] 240 µm) sind
ebenfalls noch weit größer als die der Eutheria
(höhere Säuger, placentale Säuger): 60-180 µm
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Bei den Amphibien [total, inäquale Furchung,
Holoblastier] ist die animal-vegetative Achse (animal-vegetativer Gradient) bereits vor dem Spermaeintritt festgelegt. Durch den Spermaeintritt
wird zusätzlich die dorsal/ventrale (Rücken/
Bauch)- Symmetrie bestimmt. (Abb. 24). Die Verteilung von Dotterkörnern ist inhomogen. Bei den
Amphibien besitzt jede Zelle bis hin zur schwimmfähigen Larve ihren eigenen Dottervorrat. Jede
Zelle ist also mit ihrer Ernährungsreserve versorgt.
Bei den höheren Vertebraten ist das anders, wie
wir sehen werden. Neben einem Dottergradienten
kann bei den Amphibien ein ribosomaler Gradient
festgestellt werden. Eine Neusynthese von m-RNA
und folglich von Proteinen (im Zusammenspiel
mit den Ribosomen) kann erst mit Beginn der
Gastrula nach der sogenannten Midblastula-Transition (MBT) erfolgen. Die meisten Ribosomen
sind frei, wenige sind an endoplasmatisches Retikulum gebunden. Die Amphibienoozyte enthält
alle notwendigen Bestandteile, um auch mit fremder (injizierter) mRNA (Boten-RNA) entsprechende Proteine zu synthetisieren. Die AmphibienOozyte kann deshalb als "biologisches Reagenzglas" verwendet werden. Bei Injektionen von
Globin-messenger wird Globin synthetisiert. Bei
gleichzeitiger Injektion von Häm, das das Ei erwartungsgemäß nicht synthetisieren kann, wird
Hämoglobin (Blutfarbstoff) gebildet, der in diesem frühen Entwicklungsstadium nicht produziert
wird. Weiterhin kann man Gradienten von nicht
partikulär gebundenen Stoffen nachweisen, z.B.
Induktions-und Transkriptionsfaktoren (Transkriptionsfaktoren binden an bestimmte DNA-Regionen und kontrollieren [regulieren] so die Transkriptionsprozesse). Dadurch bedingt ist auch die
räumliche und entwicklungsabhängige Expression bestimmter Gene. Solche Faktoren und aktivierte Gene sind für die Entwicklung der einzelnen Keimbereiche von besonderer Bedeutung. Die
Aufklärung der räumlichen und zeitlichen Genexpression und damit die Steuerung der Determina-
tions- und Differenzierungsprozesse im werdenden Organismus (z.B.Bildung des Zentralnervensystems) ist das Ziel der modernen molekularbiologischen
und
molekulargenetischen
Entwicklungsbiologie. Durch das klassische
Umkehrexperiment von Pasteels und Schleip
konnte schon 1927 gezeigt werden, daß bestimmte
Gradienten verschiedener Faktoren im Ei
vorhanden sein müssen (Abb. 25). Wird ein FroschEi im 2-Blastomerenstadium um 180° gedreht
(z.B. Positionierung zwischen Glasscheiben mit
fixiertem Abstand), so bilden sich zwei
Urmundregionen. Weil sich Cytoplasmakomponenten aufgrund der Schwerkraft in
bestimmter Weise verlagert haben, kommt es nicht
nur auf der zukünftigen Dorsalseite, sondern
zusätzlich auch auf der präsumptiven Ventralseite
zu cytoplasmatischen Interaktionen, die zur
Ausbildung eines zweiten Urmundes führen. Dieses
Experiment kann mittlerweile auch molekularbiologisch erklärt werden. Hinweise auf
Gradienten bereits während der frühen
Furchungsstadien haben unsere
Isolationsexperimente von Blastomeren im 8Zellstadium erbracht (Grunz, 1977, 1994; Li,
Mao,Yan,Grunz, 1996).
Die Amphibienoozyte weist außerdem noch eine
Besonderheit in ihrer Chromosomenstruktur auf,
Abb. 25 Umkehrexperiment nach Schleip und
Pasteels
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in den sogenannten Lampenbürstenchromosomen.
Diese Chromosomen im Diplotän-Stadium besitzen eine besonders starke RNA-Syntheseaktivität
und sind im Gegensatz zu anderen Chromosomen
im Diplotän-Stadium auch im Lichtmikroskop gut
erkennbar.
Sofort nach der Befruchtung erfolgt die erste Zellteilung und in rascher Reihenfolge die weiteren
Furchungsteilungen. Es handelt sich hierbei um
normale Zellteilungen (Mitosen). Wir können verschiedene Furchungstypen bei den verschiedenen
Tierklassen unterscheiden und zwar zwei große
Gruppen:
I. Spiralfurchung (viele Mollusken und
Anneliden)
II. Radiärfurchung (bei Seeigeln und Vertebra
Beispiele für Regulationseier
Die Besonderheit der Spiralfurchung besteht darin,
daß die Spindelbildung während der Furchung
nicht senkrecht und radiär zueinander angeordnet
sind, sondern in Winkeln von ca. 45°. Dadurch
ergibt sich sich eine spiralförmig versetzte
Anordnung der einzelnen Blastomeren (Abb.26 ).
Bei manchen Schnecken findet man links- oder
rechts-gewundene Schneckenhäuser. Dies geht
schon auf die ersten Furchungsstadien zurück:
rechts- oder links-versetzte Anordnung der
Blastomeren (Abb. 27). Neben diesen
Besonderheiten weisen die Spiralier eine frühe
und strenge Determination der Blastomeren auf
(Mosaiktyp). Der Ausfall einzelner Blastomeren
führt zum Fehlen bestimmter Körper- oder
Organbereiche.
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Abb. 26 Spiralfurchung
Abb. 27 Entstehung eines links-und rechtsgängigen
Schneckenhauses
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Phylogenese gezeigt werden. Stammbäume
rezenter Tierarten können auch aufgrund des
Bei diesen Fischen handelt es sich wie bei den Vergleichs (Homologievergleich) konservierter
Amphibia und Echinodermata ebenfalls um Holo- Moleküle (z.B. Cytochrom C) erstellt werden (s.
blastier . Diese altertümlichen Fischgruppen der Lehrbücher der Zellbiologie und Biochemie).
Gonoiden [Stör, Knochenhecht, Schlammfisch]
und Dipnoer [Lungenatmer: Neroceratodus,
Protopterus, Lepidosiren] weisen einen Furchungstyp auf, der einen Übergang vom amphibienähnlichen Furchungstyp zu den Meroblastiern
(Reptilien, Vögeln) darstellt (Abb.28). Der animale
Pol weist bereits eine große Zahl von Blastomeren
auf, bevor die erste Furche zum vegetativen Pol
durchschneidet. Dagegen durchläuf Polypterus
(Flösselhecht) eine totale, fast äquale Furchung.
Die Furchung von Acipenser (Stör) ähnelt
derjenigen der Amphibien. Anhand des
Furchungstyps kann ein phylogenetischer
Stammbaum erstellt werden (Abb. 29). Damit
kann ein direkter Bezug zwischen Ontogenese und Abb. 28
Furchung bei Ganoiden und Dipnoern
Abb. 29
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1. Mosaikeier (verlorengegangene Keimbezirke
können nicht reguliert werden; Ergebnis: anormale
Embryonen)
Teleostier (disocoidale Furchung)
2. Regulationseier (Keimbereiche können reguliert
Es bildet sich eine Keimscheibe aus, die vom werden; Ergebnis: normale Embryonen)
Dotter durch eine Furchungshöhle getrennt ist.
Es muß jedoch betont werden, daß man nicht
immer zwischen beiden Typen klar trennen kann.
Elasmobranchier
Wenn ich bei einem Regulationsei sehr große
Die Eier der Haie und Rochen (Selachier) sind Eibereiche entferne, so kann ein solcher Verlust
sehr dotterreich. Sie bilden ebenfalls eine Keim- natürlich nicht ohne Folgen bleiben. Neben der
scheibe aus. Da Selachier physiologische Poly- Quantität des Verlustes spielt auch die Qualität des
spermie zeigen, sorgen die überzähligen Sperma- entfernten Materials (Keimregion) eine wesentlikerne als Merocyten für einen Abbau des Dotters. che Rolle. Weiterhin konnte gezeigt werden, daß
auch in Mosaikeiern Regulationen bis zu einem
gewissen geringen Grade möglich sind.
Sauropsiden (Reptilien und Vögel)
Meroblastier
Die Keimscheibe ist weniger stark vom Dotter
abgesetzt als bei den Teleostiern und Selachiern.
Wie bei den Fischen kommt es zur Bildung eines
Dottersyncytiums.
Dotter unter der Keimscheibe wird verflüssigt, so
daß die Subgerminalhöhle entsteht.
Säugetiere (Totale Furchung)
Beispiele für Mosaikeier
Mollusca (Ilyanassa), Annelida und Tunicata
Wird bei Anneliden die Blastomere 4D entfernt,
so fehlt der Larve später das Mesoderm. Das ist das
Keimblatt, aus dem bei den Wirbeltieren Chorda,
Muskulatur, Nieren, Herz und Blutzellen hervorgehen.
Der Dottervorrat bei den höheren Säugetieren ist
gering (dotterarme Eier). Jedoch sind die Eier
noch dotterreich bei den niederen Säugern.
Furchungstypen
Der Furchungstyp ist von wesentlicher Bedeutung, weil bereits zu diesem frühen Entwicklungszeitpunkt die späteren Embryonalbereiche festge
legt werden. Dabei ist zu unterscheiden, ob aus
bestimmten Blastomeren immer nur ganz definierte Körperbereiche entstehen oder ob unter bestimmten Bedingungen (z.B. Defekten des Eies
durch äußere Einwirkungen) diese Organbezirke
durch andere Eibereichen ersetzt werden können.
Wir unterscheiden deshalb:
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Ich weise nochmals auf das Anstichexpe- Schritte beobachten:
riment von Roux hin, das auf einen
Mosaikcharakter des Amphibienkeims hin- 1. Interphase
zudeuten schien.
2. Prophase
3. Metaphase
Wenn beim Seeigel in späteren Stadien 4. Anaphase
ganze Keimbereiche entfernt werden, so 5. Telophase.
gibt es mehr oder weniger große Ausfälle.
Dabei zeigt sich jedoch, daß bestimmten Die frühere Bezeichnung Ruhephase - RuBlastomeren besonders große Bedeutung hekern anstelle der Interphase ist nicht korzukommt. Bei der weiteren Furchung er- rekt, da in dieser Periode die DNA-Synthehält man beim Seeigel sogenannte Mikro- se erfolgt.
und Makromeren, die in Zellkränzen ange- Im sich furchenden Ei erfolgen die Mitosen
ordnet sind.
sehr rasch hintereinander. Es gibt keine
langen Pausen wie bei älteren Geweben,
Furchung (allgemeine Prinzipien)
bei denen die Interphase recht lange dauern
kann (G1-, G2-, S-Phase). Ebenso wie in
Unter Furchungsstadien verstehen wir 2, embryonalen Zellen erfolgt die DNA4, 8, 16, 32 - Zellstadien. Im Morula - Synthese in nicht embryonalen Zellen in
Stadium (Maulbeerstadium) sieht der Keim einer speziellen Periode der Interphase, und
aus wie eine Maulbeere. Es folgt das zwar in der sogenannten S-Phase. Sofort
Blastula -Stadium (Blasenkeim). Der Keim nach der Zellteilung enthält der Nucleus
besitzt jetzt ein sogenanntes Blastocoel den diploiden Gehalt (2c) an DNA. Keine
(Keimhöhle).
DNA-Synthese erfolgt in den folgenden
Die
Zellteilung
während
der Stunden, der sogenannten G1-Phase (G =
Frühentwicklung bei Amphibien läuft Gap: Unterbrechung). Darauf folgt die Phazunächst synchron später asynchron ab. se der DNA-Verdoppelung, die sogenannte
Vor allem im vegetativen, dotterreichen S-Phase, in der ein DNA-Gehalt von 4c
Bereich des Keimes erfolgt die Zellteilung (das ist das Vierfache des Wertes bei Sperlangsamer. Die Zellteilung (Mitose) verläuft matozoen) erreicht wird. Auf die S-Phase,
bei embryonalen Zellen nach ähnlichen die einige Stunden dauert, folgt die G2Prinzipien wie bei sich noch teilenden Zel- Periode. Dieser Ruhephase, während der
len im adulten Organismus, es gibt aber so sich am DNA-Gehalt nichts ändert, folgt
gut wie keine G-Phasen.
die eigentliche Zellteilung. Einige Zellen
Wir können folgende klar definierbaren teilen sich nie mehr [z.B. Nervenzellen des
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Gehirns]. Man sagt, daß sie sich in Go
befinden. Mittlerweile gibt es neuere
Hinweise, die auf die Teilungsfähigkeit
bestimmter Gehirnzellen hinweisen. Der
Hauptunterschied zwischen sich teilenden
Eiern und anderen Zellen ist folgender: Die
Interphase ist kürzer, so daß G1 und G2
praktisch fehlen. Mit anderen Worten: das
sich teilende Ei repliziert seine DNA mit
voller Geschwindigkeit genauso wie
Bakterien. Nur wenn die Kerne der Blastomeren tatsächlich in der Mitose (Metaphase, Anaphase) sind, erfolgt keine DNASynthese. Nach Beendigung der
frühembryonalen Furchungsperiode nimmt
die Mitose-Aktivität ab und es stellt sich
ein "typischer" Zellzyklus ein.
Die Gründe für die große Leistungsfähigkeit der Eier (im Gegensatz zu nichtembryonalen Zellen), DNA zu synthetisieren,
sind folgende:
1. Die gesamte Maschinerie für die DNASynthese ist bereits im befruchteten Ei
vorhanden:
a) in großen Mengen DNA-Polymerase,
das Enzym, das die neue komplementäre
Polynucleotid-Kette an der DNA-Matrize (ein Strang des Doppelstrangs) synthetisiert. Bei jeder Zellteilung wandert
die DNA-Polymerase aus dem Cytoplasma in den Zellkern. Der Zygoten-Kern
und jeder einzelne Blastula-Kern hat den
gleichen DNA-Polymerase-Gehalt zur
Verfügung. Bei nichtembryonalen Zel-
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schiedliche Gene aktiviert werden. Folglich
finden sich in den verschiedenen Zellen im
Laufe der Embryogenese und
Differenzierung zu adulten Geweben (Organen) Variationen in der Art der synthetisierten m-RNA und folglich der translatierten Proteine.
Bei den beiden klassischen Experimenten
Aufgrund unseres heutigen Wissens über von Spemann, die die Pluripotenz (Konstanz
die Vorgänge bei der Mitose, vor allem des genetischen Materials) demonstrierten,
unserer Kenntnisse der biochemischen handelt es sich um das:
Abläufe (DNA-Struktur und identische
Replikation), ist klar, daß jede neu entste- 1. Schnürungsexperiment
hende Zelle immer wieder den gleichen Beweis: keine ungleiche Verteilung der geBestand an genetischer Information erhält. netischen Information für linke bzw. rechte
Ich hatte schon kurz erwähnt, daß diese Körperhälfte
Auffassung im 19. Jahrhundert, bevor man
etwas von DNA wußte, keineswegs verbreitet war. Man nahm vielmehr eine un- 2. Experiment der verzögerten Kernversorgleiche Verteilung von Kernmaterial an, gung einer Eihälfte. Beweis der
woraus dann die unterschiedliche Entwick- Kernäquivalenz: auch nach mehreren Milung der einzelnen Zellen erklärt wurde. tosen besitzt jeder Zellkern noch die geDaß das aber keineswegs so ist, konnte samte genetische Information, um die Entbereits durch die klassischen Versuche von wicklung eines vollständigen Embryos zu
Spemann gezeigt werden (Versuch der ver- realisieren (Abb. 7 ).
zögerten Kernversorgung). Ich möchte noch
anmerken, daß die Differenzierung der verschiedenen Zellen, wie wir heute wissen,
nicht auf einer ungleichen Verteilung des
genetischen Materials beruht, sondern auf
Unterschieden im Cytoplasma der einzelnen embryonalenen Zellen. Dort nämlich
befinden sich Regulationsfaktoren
(Unterschiedliche Verteilung im Ei), die
dafür sorgen, daß verschiedene Bereiche
des DNA-Stranges abgelesen, d.h. unter-
len ist das nicht der Fall. Sie müssen erst
vor der Zellteilung das Protein (Enzym)
DNA-Polymerase neu synthetisieren.
Das benötigt Zeit und erklärt die Notwendigkeit der G1-Periode.
b) Nukleotide, ATP, weitere Enzyme
(z.B.Ligasen), etc.
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Furchungstyp in Korrelation zur
Dottermenge und Dotterverteilung
Dottermenge
Dottermenge
Furchungstyp
Tiere
alecithal - oligolecithal* total,adäqual (Abb.30α) Viele Wirbellose
(dotterfrei - dotterarm)
Branchiostoma,Säuger (Mammalia)
mesolecithal*
(mäßig dotterreich)
total, inäqual(Abb.30ß) Viele Amphibien, Ganoiden
(Stör, Knochenhecht, Schlamm
fisch), Petromycon (Neunauge)
Dipnoer (Lungenatmer: Neoceratodus, Protopterus, Lepidosiren)
polylecithal**
(dotterreich)
partiell, discoidal
(Abb. 30 γ)
polylecithal**
partiell, superfiziell die meisten Arthropoden
(Abb. 30 δ )
(Insekten, Spinnen, viele
Crustaceen, Myriopoden)
Myxine, Selachier, Teleostier,
Gymnophionen (Blindwühlen
[Amphibia]), Reptilia, Aves,
Monotremata
* Holoblastische Furchung
**Meroblastische Furchung
Tabelle 1
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Abb. 30
Dotterverteilung
Dotterverteilung
Furchungssymmetrie
Tiere
isolecithal
Rotationssymmetrie
Säuger
(gleichmäßige
radiär
Echinodermata, Branchiostma
Verteilung)
spiral
Mollusca (die meisten),
Annelida , Plattund Rundwürmer
bilateral
Ascidien (Seescheiden)
discoidal
Cyclostoma, Pisces, Amphibia,
Reptilia, Aves, Monotremata
Cephalopoda
anisolecithal
(ungleichmäßige
Verteilung)
A. telolecithal
(an einem Pol des
Eies angehäuft)
bilateral
B. centrolecithal
superfiziell
(im Zentrum des Eies)
Insekten, Spinnen, Krebse,
Tausendfüßler
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Wirbeltierentwicklung am Beispiel der
Amphibien (s. auch Videofilm: Kurze
Sequenzen auch auf unserer WEB-site:
http://www.uni-essen.de/zoophysiologie
Die Normogenese (Ontogenese) der Wirbeltiere
kann in folgende Entwicklungsphasen eingeteilt
werden: 1. Furchung einschließlich Morula- und
Blastula-Bildung bei Amphibien, Blastocyste bei
Säugern) 2.Gastrulation 3.Neurulation
4.Organogenese
Abb. 31 Furchung des Amphibienkeimes
Furchung
Es handelt sich bei den Amphibienembryonen um
Holoblastier im Gegensatz zu Meroblastier
(Elasmobranchii [Haie, Rochen],Teleostei
[Knochenfische], Sauropsiden [Reptilien, Vögel].
Bei den Amphibienkeimen haben wir es mit einer
totalen inäqualen Furchung zu tun. Der gesamte
Dotter wird in den Keim einbezogen. Die 1. Furche
erfolgt meridional beginnend vom animalen Pol
(Abb. 31). Die Durchschnürung des Eies erfolgt in
Richtung des vegetativen Pols langsamer aufgrund des hohen Dottergehalts. Ergebnis: 2-Zellstadium. Die 2. Furche, senkrecht zur 1.
Furche,verläuft ebenfalls meridional, so daß das
4-Zell-Stadium entsteht. Die 3. Furche ist eine
äquatoriale Furche und zwar nicht genau am
Eiäquator, sondern über dem Eiäquator; deshalb
die Bezeichnung "inäquale Furchung". Die Mito-
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sen verlaufen z.B. bei Triturus vulgaris (Teichmolch) oder Triturus alpestris (Alpenmolch) in
den ersten 5 Teilungsschritten streng synchron.
Die Kerne sind immer in der gleichen Phase. Ab
32-Zellstadium wird diese strenge Synchronie
weitgehend aufgehoben und geht in der grobzelligen Blastula vollständig verloren.
Gastrulation:
Auf die Furchung folgt die Gastrulation. Fragen
wir uns, welche Bedeutung das Gastrulationsgeschehen für die Primitiventwicklung hat. Sehr
simpel und zusammenfassend kann man feststellen: Aus dem bis dahin einschichtigen Blasenkeim
wird während der Gastrulation der 3-keimblättrige
Embryo gebildet. Das gilt nicht nur für die Amphibien, sondern für alle höheren Vertebraten einschließlich Mensch. Bei der Furchung wird der
Keim in einzelne Kompartimente zergliedert.
Während der Gastrulation aber kann man massive
Zellbewegungen feststellen. Nach der Gastrulation ( in der anschließenden Neurulation und Organogenese) erfolgen keine dramatische Zellwanderungen mehr. Während der sogenannten Organogenese findet lediglich eine Differenzierung
(Histogenese)der Zellen, Gewebe und Organe bis
zum adulten Endzustand statt, ohne daß äußerlich
noch völlig neue Veränderungen festzustellen sind.
Diese Aussage gilt jedoch nicht für Prozesse der
Metamorphose (Kaulquappe zum Frosch; Insektenmetamorphose: Holometabole Entwicklungsweise). Durch Vogt’s Vital-Farbmarkierungsexperimente(1923-1929) konnten diese Zellwanderungsprozesse in deskripter Weise elegant aufgeklärt werden (Methode: mit Agar-Blöcken, die mit
Nilblau-Sulfat oder Neutralrot getränkt waren, wurden Farbmarkierungen auf die Eioberfläche gestempelt).
So konnten die Zellbewegungen während der
Gastrulation genau verfolgt werden. Einige Dinge
sind allerdings auch ohne Farbmarkierung deutlich zu erkennen und zu verfolgen. Der Gastrulationsbeginn wird sichtbar durch das Auftreten des
Urmundes(Abb. 32 a, α, 33 A, E). Die Neurulation
ist äußerlich an der Bildung der Neuralfalten zu
verfolgen (Abb. 34). Während der Gastrulation,
deren wesentliche Abläufe man von außen nicht
verfolgen kann, wird das Zentralnervensystem
(Gehirn und Rückenmark) induziert(Abb. 30B,
C,D, F,G,H). Bei diesem Prozess handelt es sich
um eine komplizierte Signalkette und damit wie
bei der Krebsproblematik um ein zentrales
Problem der modernen Zellforschung. Es kommt
in dieser Periode zu einem komplexen
Zusammenspiel von Wachstumsfaktoren
(Induktionsfaktoren) und regional- und
stadienspezifisch exprimierten Genen.
Der Urmund wird kenntlich durch die Konzentrierung von Embryonalpigment in der dorsalen
Keimregion, da die Zellen in dieser Zone flaschenförmigige Gestalt annehmen (Abb.35 A). Dadurch
werden die Zellen an ihrer Außenseite
(Keimoberfläche) dunkler und somit wird der
sichelförmige Urmund erkennbar.
Dann erfolgt die sogenannte Invagination oder
besser Involution, das Einwandern von Zellmaterial in das Keiminnere, und zwar so, daß der bis
jetzt einschichtige Keim 2-schichtig* wird (Abb.
35).
*Anmerkung: In Wirklichkeit besteht das Ektoderm bei Anuren , also auch bei Xenopus
(Südafrikanischer Krallenfrosch) , aus mehreren
Zellagen (Asashima und Grunz, 1983).
(Abb. 33 E,F; vergl. Urodela 33 A,B).
Durch Vogt’s Farbmarkierungs-Experimente
konnte für die Gastrula ein Anlagen-Plan aufgestellt werden. Danach kann man bereits in der
frühen Gastrula Aussagen darüber machen, welcher Keimbereich sich zu bestimmten Organen
oder Geweben der Larve oder adulten Organismus
entwickeln wird (Abb. 36, 37, 38, 39, 40).
Und zwar geht hervor aus dem:
Ektoderm: präsumptive Epidermis und Neuralstrukturen (Gehirn, Rückenmark)
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Abb. 32 Gastrulation bei Amphibien
(Urodela)
Abb. 34 Neurulation
Mesoderm: Chorda, Muskulatur, Herz, Blutzellen, Niere etc. (Text weiter auf Seite 44)
Entoderm: Darm und Anhangorgane
(Pankreas, Leber, Lunge, etc).
Ähnliche Anlagepläne hat man auch bei allen
übrigen Vertebraten aufgestellt (Abb. 34).
Das Schicksal der 3 Keimblätter
(Die folgenden Aussagen sind allgemeingültig für
alle Wirbeltiere)
Es gehen hervor aus dem:
EKTODERM
1a)
Abb. 33 Vergleich der Gastrulation bei Urodela
(links) und Anura (rechts)
b)
c)
d)
e)
f)
Epidermis mit Anhangsorganen:
Haare, Nägel, Schweiß-, Talg- und Milchdrüsen
Epithel der Mundschleimhaut und Drüsen
Schmelzkappen der Zähne
Vorderer Lappen der Hypophyse (Adenohypophyse)
Epithel der Nasenschleimhaut und das
Epithel des Afters
52
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06.03.2003, 22:26 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
g)
i)
ii)
2.
a)
b)
3.
4.
Epithel des Sinus urogenitalis
Scheidenvorhof bis zum Hymen (im weibl.
Organismus)
Vorderer Teil des Harnröhrenepithels (im
männl. Organismus)
Zentrales und peripheres Nervensystem einschließlich
Gliagewebe
Sinnesepithelien der Nase, des inneren Ohres, des Auges und eines Teils der Geschmacksorgane
Im Auge:
Tapetum
Linse
Teil des Glaskörpers
Muskeln der Iris
Abb. 35 Urmundlippenbereich bei Xenopus
laevis (Anura)
Epithelien des Amnions und Chorions (vorübergehende Funktion während der Embryonalentwicklung; nach dem Schlüpfen
oder der Geburt werden die extraembryonalen Hilfsstrukturen nicht mehr benötigt)
MESODERM
1. Skelettmuskel- und Bindegewebeapparat
einschließlich:
a)
Knorpel
b)
Dentin der Zähne
c)
Sekundäre Hüllen aller endothelialen und
epithelialen Gänge und Leitungsgebilde
2.
3.
Urogenitalsystem einschließlich: Rindenschicht der Nebenniere (Markschicht wird
von Ganglienleisten-Derivaten gebildet.
(ausschließlich: Epithel der Harnblase und
der Harnröhre
Blut- und Gefäßsystem einschließlich: Herz, Abb. 36 Vergleich der Gastrulation bei
verschiedenen Wirbeltieren
Lymphknoten, Lymphgefäße und Milz
Fortsezung auf Seite 55
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Anlagepläne im frühen Gastrulastadium
Abb.38 Darstellung der Differenzierungsleistungen während der Normalentwicklung
(Normogenese [prospektive Bedeutung]).
Abb. 37 Anlagenpläne bei verschiedenen
Wirbeltieren
Abb. 39 Darstellung der autonomen Differenzierungsleistungen der einzelnen Areale der frühe Abb. 39 Anlagenplan für einzelne Keimbereiche
Gastrula, d.h. bei Isolierung (Explantation) können unter in vitro-Kulturbedingungen [prospektive
sich diese Bereiche ohne Zellinteraktionen mit Potenz]
Nachbarzonen in bestimmter Weise differenzieren
(prospektive Potenz).
Abb.40 Anlagenplan, wie er in dieser oder
ähnlicher Form in neueren Publikationen
dargestellt wird. Berücksichtigt wurden hier
neuere Erkenntnisse darüber, wo bestimmte
Induktionsfaktoren (Wachstumsfaktoren) in der
dorsal vegetativen oder ventral vegetativen Zone
lokalisiert sind oder nach der mittleren BlastulaPhase (midblastula transition = MBT) bestimmte
Abb. 40 Anlagenplan mit Angaben, wo bestimmte
Gene angeschaltet werden.
Gene in der frühen Gastrula exprimiert werden.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Fortsetzung von Seite 53
4.
Extraembryonale Bindegewebe der Embryonalanhänge
lich Mensch sehr ähnlich verlaufen.
Ergebnis der Formbildung nach Abschluß
der Gastrulation; der folgende für die Wirbeltiere
typische Bauplan ist angelegt worden:
ENTODERM
1. Medullarrohr (Gehirn und Rückenmark)
2. Neuralleisten
1.
Epithel des Magen- und Darm-Kanals (Aus- 3. Chorda dorsalis
nahme: die oben erwähnten vom Ektoderm 4. Ursegmente: Somiten/Seitenplatten
gelieferten Anhangsorgane):
5. Darmrohr
a)
Geschmacksknospen
b)
Leber
c)
Pankreas
d)
Schilddrüse
e)
Epithelkörperchen (Parathormon)
f)
Thymus
g)
Branchialkörperchen
h)
Tuba auditiva
i)
Mittelohr
Abb. 41
k)
Kehlkopf
l)
Luftröhre
zu 2. Aus den Neuralleisten-Zellen gehen hervor:
m) Bronchien
a) Neurone und Gliazellen des sensorischen,
n)
Lungen
sympathischen und parasympathischen Ner
2.
Epithel der Harnblase und Harnröhre (Ausvensystems.
nahmen: s. unter Ektoderm
b) die Epinephrin (Adrenalin)-produzieren
3.
Epithel des Dottersackes und der Allantois
den Zellen des Nebennierenmarks.
(vorübergehende Funktion während der
c) die Pigment-bildenden Zellen der EpiEmbryonalentwicklung)
dermis.
Das Endergebnis ist am Ende der Gastrulation:
d) Skelett- und Bindegewebe des KopfbeEntoderm und Mesoderm liegen innerhalb des
reiches
Keims. Äußerlich sieht man den Fortgang des zu 3. Chorda: (embryonale Wirbelsäure) verProzesses am Kleinerwerden des Dotterpropfes.
schwindet später bis auf Reste innerhalb der
Das Entoderm verlagert sich vollständig ins KeiWirbelkörper, welche sich um die Chorda
minnere.
herum entwickeln. Dies geschieht bei den
verschiedenen Vertebraten in unterschiedNeurulation
lichem Ausmaße (vgl. Lehrbücher der ver
gleichenden Anatomie und Morphologie der
Nach der Gastrulation erfolgt die Neurulation. Die
Wirbeltiere (z.B. Romer).
Neurulation beginnt mit dem Sichtbarwerden der zu 4. Aus den Ursegmenten geht der gesamte
Neuralplatte, auch Medullarplatte genannt. Das ist
Skelett- und Muskelapparat des Körper,
die Region, die von Chordamesoderm unterlagert
sowie der bindegewebige Stützapparat herwird und aus der das Zentralnervensystem hervorvor. Aus dem visceralenMesodermblatt
geht. Ich weise schon jetzt darauf hin, daß diese
(Splanchnopleura) entsteht die äußere
Prozesse bei den Vögeln und Säugern einschließ-
55
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Umkleidung des Darms.
Aus dem äußeren parietalen Blatt (Somatopleura) geht die Basis (Grundlage) der
Körperwand hervor. Beide sind durch die
sekundäreLeibeshöhle, das Cölom, getrennt.
zu 5. Aus dem Darmrohr (Entoderm) entwickelt
sich der gesamte Darm mit Anhangdrüsen
und Organen von Mund bis After. After und
Mund selbst sind dagegen ektodermalen
Usprungs.
Klassische entwicklungsphysiologische
Experimente
Verschmelzung von zwei 2-Zell-Embryonen
(Mangold/Seidel, 1927)
Dieses Experiment weist cytoplasmatische Gradienten nach, die bereits im ungefurchten Ei vorhanden sind. Der graue Halbmond kann als äußerliche
Indikation solcher Gradienten dienen, ist aber
nicht exakt mit der Lokalisation bestimmter Stoffe
identisch.
Bei dem Schnürungsexperiment von 2-Zellstadien ging aus weniger mehr hervor. In dem hier
beschriebenen Experiment zeigt sich, daß die Regulation auch in umgekehrter Richtung verlaufen
kann: aus mehr wird weniger, d.h. es wird nur ein
Embryo, wenn auch wesentlich größer als im
Abb. 42 Schwanzknospenstadium
Normalfall, gebildet.
Abb.44 A. werden zwei Keime im 2-Zellstadium
Organogenese
(hantelförmige Verformung in bestimmten
Kulturmedien) miteinander verschmolzen, bildet
Wie der Name schon sagt,, kommt es im Laufe der sich unter speziellen Bedingungen ein einziger
weiteren Entwicklung zur histotypischen vergrößerter Embryo (Zellmasse doppelt so groß
(gewebetypischen) Differenzierung der Organe wie ein Einzellkeim). Ob aus den Kombinationen
und Gewebe.
nur ein Embryo oder Doppel- bzw.
Mehrfachbildungen hervorgehen, hängt davon ab,
in welcher Ebene die erste Furchung erfolgt. Neben
dem sehr häufigen Typ in Richtung der zukünftigen
Sagittalebenen des Embryos (Abb. 45 b und ß)
sind noch weitere Furchungsebenen möglich (a, α
und c). Bei b und ß wird das Keimmaterial durch
die erste Furchung gleichmäßig auf die linke und
rechte Blastomere verteilt (vergleiche
Schnürungsversuche in 2-Zellstadium oder in der
früheren Gastrula [in Sagittalrichtung]). Nur in
solchen Kombinationskeimen, in denen die
Abb. 43 Organogenese
zukünftigen Urmundlippenregionen beider
ursprünglicher Keime benachbart zu liegen
kommen, ergibt sich ein einziger vergrößerter
Keim (siehe Kombinationen a β = 2 (Abb.45 D,E),
evtl. auch noch a α = 1.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Andere Kombinationen, z.B. 4 oder 6 ergeben
mehrere Chorda- und Neuralrohrbildungen
(siehe Abb. 44 G,H).
Abb.44 Verschmelzungsexperiment von
2 Embryonen im 2-Zellstadium
Abb. 45 Verschiedene Ergebnisse nach
Verschmelzung von 2 Embryonen im 2Zellstadium (Erklärung siehe Text)
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Experimente zu Fragen nach der Determination der Embryonalgewebe
1. Explantationsexperimente
2. Exogastrulation-Experiment (Holtfreter, 1933)
3. Transplantationsexperimente
zu 1. Explantationsexperiment (Sandwich-Experiment)
Isoliertes Ektoderm entwickelt sich zu atypischer
Epidermis. Nach Induktion mit Induktionsfaktoren kann es aber neurale, mesodermale und entodermale Derivate bilden.
Andere Bezirke → z.B. die dorsaleUrmundlippe
differenziert sich autonom zu Chorda und
Muskulatur (Abb. 58, 76).
Mit diesen Experimenten läßt sich klären, welche
Embryonalbereiche bereits in ihrer Entwicklung
festgelegt (determiniert) sind und welche Bereiche noch zu einem bestimmten Zeitpunkt der
Embryonalentwicklung in ihrer Differenzierungsmöglichkeit verändert werden können. Auch
heute sind die Begriffe prospektive Bedeutung
und prospektive Potenz für die zusammenfassende Benennung selbst molekularbiologischer Abläufe sehr nützlich. Prospektive Bedeutung beschreibt die Fähigkeit von Zellen und Geweben,
sich so zu entwickeln, wie es in der Normalentwicklung (Normogenese) der Fall ist. Prospektive
Potenz beschreibt die Fähigkeit von Zell- und
Gewebearealen, sich abweichend von ihrer normalen Differenzierungsleistung zu entwickeln.
Die prospektive Potenz einer Zelle oder eines
Gewebebereichs kann größer oder geringer sein
als es gemäß ihrer prospektiven Bedeutung der
Fall wäre.
So differenziert sich isoliertes Neuroektoderm
(präsumptives [zukünftiges] Zentralnervensystem)
zu Epidermis. In diesem Falle ist die prospektive
Potenz des Keimbereichs nach seiner Isolation
geringer als gemäß seiner prospektiven Bedeutung. Behandelt man aber die zukünftige Bauchepidermis (Ventrales Ektoderm) nach der Isolation mit bestimmten Induktionsfaktoren, so kann
sich dieses Gewebe zu Gehirn, Chorda, Muskel
oder Darm entwickeln. In diesem Fall ist die
prospektive Potenz des Ektoderms (präsumptive
Epidermis) größer als es gemäß der prospektiven
Bedeutung der Fall wäre.
Die Begriffe Prospektive Bedeutung und Prospektive Potenz können auch an Furchungsstadien des Amphibieneies (Regulationstyp) und vonMollusken oder Anneliden (Mosaiktyp) erklärt
werden:
Betrachten wir ein 2-Zellstadium der Amphibien.
Wir wissen, daß aus jeder der beiden Blastomeren
in der Normogenese eine Körperhälfte hervorgeht. Im Schnürungsversuch entwickelt sich aus
jeder der beiden Blastomeren eine vollständige
Larve. In diesem Falle ist die Prospektive Potenz
der einzelnen Blastomere größer als ihre Prospektive Bedeutung. Bei Regulationseiern (z.B. Amphibien) ist die prospektive Potenz bestimmter
Keimbereiche auch in der späteren Embryonalentwicklung größer als gemäß ihrer prospektiven
Bedeutung.
Bei Mosaikeiern ist dieDetermination [ prospektive Bedeutung] der meisten Zellen unwiderruflich
festgelegt, d.h. bei Zerstörung fällt ein Körperoder Organbereich aus. Deshalb gilt für für Mosaikeier:
die Prospektive Potenz ist gleich der Prospektiven Bedeutung.
zu 2. Exogastrulation : Ektoderm differenziert
sich zu atypischer Epidermis statt zu Gehirnstrukturen. Da das Mesoderm nicht in das Keiminnere
verlagert wird, fehlt die Induktionsaktivität des
Chordamesoderms, das das Neuroektoderm während der Gastrulation unterlagert.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb.46 Exogastrula-Versuche
Werden Axolotl-Embryonen (Ambystoma mexicanum =
Mexikanischer Molch) ab ca. 16-32 Zellstadium in hypertoner
Kulturlösung (erhöhte Salzkonzentration) gehalten, so kommt
es zu sogenannten Exagastrulae. Das Mesoderm
(einschließlich Spemannscher Organisator [dorsale
Urmundlippe = Chordamesoderm]) wandert unter diesen
Bedingungen nicht in das Keiminnere ein (wie bei der
normalen Gastrulation), sondern das gesamte Mesoentoderm
separiert sich vom Ektoderm. Dadurch unterbleibt die
Unterlagung des Neuroektoderms durch das Mesoderm, so
daß die Neuralinduktion unterbleibt. Das Ektoderm
differenziert sich lediglich zu atypischen Epidermis, das
Mesoderm autonom zu Chorda und Somiten. Dieses
Experiment von Holtfreter (1933) wies nach, daß für die
neurale Induktion (Gehirnbildung) die Interaktion von
Ektoderm und Mesoderm erforderlich ist, und zwar durch
vertikale Signale zwischen Chordamesoderm und
Neuroektoderm (Abb. 46). Wir konnten diese Ergebnissean
Axolotl bei einem weiteren Vetreter der Urodela (Triturus
alpestris) bestätigen. Aber auch bei Xenopus laevis (Südafrikanischer Krallenfrosch), ein Vertreter der Anura spielen
Abb.47 Die wichtigsten biologischen Testmethoden (Beschreibung siehe nächste Seite)
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
offensichtlich planare Induktionsprozesse vor Beginn der
Gastrulation eine untergeordnete Rolle (Grunz, Schüren,
Richter, 1995). Dies konnte in vergleichenden
Untersuchungen (Xenopus versus T.alp.) mit mehreren
molekularen Markern wie Pax-6, engrailed-2, otx2, cerberus
etc. gezeigt werden (Chen , Hollemann, Pieler, Grunz
(1999), im Druck in dem Journal MOD [Mechanisms of
Development]).
Abb.47 Die wichtigsten biologischen Testmethoden
A. Implantationsmethode (Einsteck-Versuch) nach Hans
Spemann und Hilde Mangold (1924). In das Blastocoel einer
frühen Gastrula kann entweder dorsale Urmundlippe
(Spemannscher Organisator) oder Induktionsfaktoren,
gebunden an präzipitiert es γ -Globulin (Trägerprotein)
implantiert werden. Es bilden sich dann sekundäre Strukturen
auf derBauchseite des Wirtsembryos (vergleiche Abb. 57, 55
A-C).
B. Sandwich-Test nach Holtfreter (1934). Animale Kappen
(omnipotentes Ektoderm) werden aus mittleren bzw. späten
Blastulae oder frühen Gastrulae isoliert und der zu testende
Induktor (gebunden an ein Trägerprotein) zwischen beiden
Stücken eingeschlossen (Abb.49 a).
C. Nucleopore -Filterkammer
Nicht-präzipitierte (= lösliche) Induktionsfaktoren zeigen
nur einen Effekt, wenn sie mit der ehemals dem Blastocoel
zugewandten Seite des Ektoderms in Kontakt kommen.
Weiterhin weist das Ektoderm einen Abkugelungseffekt auf,
wodurch das Eindringen des Induktors unmöglich gemacht
wird. Um das Ektoderm am Abkugeln zu hindern, wird es
mittels eines permeablen Filters auf dem Substrat fixiert,
ohne daß es zerquetscht wird.
D. Test von Induktionsfaktoren (z.B.FGF oder Aktivin) in
speziellen Mikrotestplatten für sehr geringes Volumen (5-10
µl) (Grunz, et al., 1988)
E. Disaggregationsversuche (Grunz, 1969; Minuth und
Grunz, 1980; Grunz und Tacke, 1989)
F. Präparation von Pseudoexogastrulae zur Klärung der
Frage nach planaren oder vertikalen Signalen während der
primären Schritte der neuralen Induktion (Chen, Hollemann,
Pieler and Grunz, 1999).
zu 3. Spemanns klassische Austauschexperimente
bei
Molchembryonen
(heteroplastische Transplantation) Abb. 48
Austausch von dorsalem Ektoderm (Neuroektoderm, präsumptiver Gehirnregion) und
ventralem Ektoderm (präsumptiver Bauchepidermis)
a) in der frühen Gastrula erfolgt eine ortsgemäße
Entwicklung
b) in der späten Gastrula erfolgt eine herkunftsmäßige Entwicklung des Transplantats
Experimente zu Beginn der Gastrulation: Abb.
48 a - c, a' - c'
Experimente am Ende der Gastrulation: α - γ,
α'- β'
Triturus vulgaris (Teichmolch = viel braunes
Embryonalpigment [braunschwarz]): a - c, α, β;
Triturus cristatus (Kammolch = fast kein
Embryonalexperiment [weiße Embryonen]): a' c',α', β', γ
Die sogenannte heteroplastische Transplantation
(Gewebeaustausch zwischen zwei Species) wurde
gewählt, um das Spender- und Wirtsmaterial bis
zur Differenzierung der Derivate verfolgen zu
können.
Wird in der frühen Gastrula präsumptive
Gehirnregion (Neuroektoderm) in den
präsumptiven Epidermisbereich eines Wirtsembryos und vice versa transplantiert [a-c, a'-c'],
so entwickelt sich das Transplantat ortsgemäß, da
beide, Neuroektoderm und Ektoderm noch nicht
endgültig determiniert sind (weitere Erklärungen,
z.B. Bedeutung der Kompetenz während der
Vorlesung)
Im späten Gastrula/frühen Neurula[α - γ, α'- β'] ist
das anteriore Neuroektoderm durch das
unterlagernde Chordamesoderm bereits zu Gehirn
determiniert (α). Das ventrale Ektoderm ist
ebenfalls schon determiniert, aber zu Bauepidermis
(α'). Beide Transplantate entwickeln sich nun
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
herkunftsgemäß, i.e. Gehirn (Auge) [β',γ] bzw.
Epidermis [β].
Das Ergebnis ist 1. die Differenzierung von
Epidermis innerhalb der Gehirnregion, also ein
Fehlen bestimmter Teile des Gehirns (β; endgültige
Differenzierung ohne Abbildung) bzw. 2. die
Differenzierung eines zusätzlichen Auges in der
Bauch-Rumpfregion des Wirtskeimes (γ).
zu 3. Xenoplastische Austauschexperimente
Der Gewebeaustausch zwischen Anuren
(Froschlurchen) und Urodelen (Schwanzlurche)
wird als Xenoplastische Transplantation
bezeichnet. Das Experiment wird in der Vorlesung
detailliert diskutiert. An diesem Beispiel können
die Begriffe herkunftsgemäß, ortsgemäß,
artsspezifisch, Kompetenz, Bedeutung der
Spezifität des Reaktionssystems und art- Abb.48 Heteroplastische Transplantation
übergreifende Induktionsaktivität besonders
informativ erklärt werden (Abb.50, 51).
Begriff der Kompetenz
Unter Kompetenz versteht man die Fähigkeit einer Zelle oder eines Gewebes auf einen Induktionsreiz (Signal) zu reagieren. Diese Fähigkeit
hängt von der Art und dem Embryonalalter der
reagierenden Zelle ab. Ektoderm aus der frühen
Gastrula kann durch dorsale Urmundlippe
(Spemann'sche Organisator) zu Gehirngewebe
induziert werden, nicht aber Ektoderm aus der
späten Gastrula. Man sagt, daß das Ektoderm der
späten Gastrula die Kompetenz verloren hat, auf
Induktionssignale zu reagieren. Durch Proteinsynthesehemmer kann der Kompetenzverlust für
eine bestimmte Zeit verzögert werden
(Publikation:Grunz, 1970). Momentan werden in
der Forschung die molekularen Mechanismen
untersucht, wie es zum Kompetenzverlust einer
Zelle kommt. Infrage kommen der Verlust von
spezifischen Rezeptoren (Liganden für Wachs-
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
tums- oder Induktionsfaktoren) auf der äußeren
Zellmembran oder Aktivierung von Inhibitormechanismen innerhalb der Zelle. Das Spemannsche
Transplantationsexperiment (Abb.48) kann sowohl die Begriffe Kompetenz als auch die
Definitionen Ortsgemäße Entwicklung und
Herkunftsgemäße Entwicklung verdeutlichen.
Zellaffinität
Unter Zellaffinität versteht man die Fähigkeit der
Zellen, gleich- oder verschiedenartige(Nachbar-)
Zellen zu erkennen. Gleichartige Zellen bilden
Keim- oder Gewebeverbände, während sich verschiedenartige Zellen voneinander trennen. Bei
diesen Erkennungsmechanismen spielt die äußere Zellmembran ([Glyko-]Proteine der Plasma- Abb.50 Xenoplastische Transplantation
membran) eine entscheidende Rolle (Grunz, 1969).
Wichtige Funktionen bei der Zellerkennung und
Zellmotilität hat das Cytoskelett (Mikrotubuli und
Mikrofilamente) in Wechselwirkung mit Komponenten der Plasmamembran. Die Zellaffinität
von Ektodermzellen kann experimentell verändert
werden (Publikation Grunz, 1972). Beispiele für
die selektive Zellaffinität werden in der Vorlesung
vorgestellt.
Abb. 51 Ergebnis einer Xenoplastischen
Transplantation
Abb.49 Isolierung und Kombination von
Ektoderm und Entoderm (Grunz, 1972)
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Während der Embryonalentwicklung (auch beim
Menschen) kann es zu anormalen Veränderungen
der spezifischen Zellerkennung kommen, wodurch
Mißbildungen entstehen können (z.B.
Hasenscharte, Spina bifida), weil bestimmte Zellund Gewebeareale keinen Kontakt zueinander
aufnehmen. Zellerkennungsmechanismen spielen
auch bei der Krebsproblematik eine Rolle. Unter
bestimmten Bedingungen verlassen Zellen
“verbotenerweise” ihren Zellverband und können
als maligne Wanderzellen Tochtergeschwülste
(Metastasen) bilden.
ursprünglichen (jetzt experimentell mesodermalisierten) Ektodermzellen mit Entodermzellen gemischt (Abb. 49 c), so verhalten sie sich
wie Mesodermzellen, d.h. sie haben eine positive
Affinität zu Entoderm erlangt. Statt sich von den
Entodermzellen zu separieren, werden sie von den
Entodermzellen umhüllt (Abb. 52b) (Grunz, 1972).
Werden Ektoderm- und Entodermzellen aus
Blastula- oder frühen Gastrulastadien isoliert
(Abb.49, 52) und miteinander vermischt, so kommt
es innerhalb von 24 Stunden zu einer (Aus-)
Sortierung (englisch: sorting out). Dies ist möglich,
weil sich die Zellen amoeboid bewegen können
(siehe meine Videofilm, der während der Vorlesung
gezeigt wird). Nach 24 Stunden haben sich die
Ektoderm-zellen vollständig von den
Entodermzellen getrennt (negative Zellaffinität,
Abb. 52 a). Werden dagegen Mesodermzellen mit
Entodermzellen gemischt, “vertragen” sich beide
Zellsorten miteinander und es bildet sich ein
Reaggregat, bestehend aus Chorda und Somiten
im Zentrum, umhüllt vom Entoderm (Abb. 49b).
Mesoderm als mittleres Keimblatt weist eine Abb.52 Ergebnis der Kombination von Zellen
positive Affinität sowohl zu Entoderm (inneres aus verschiedenen Keimblättern
Keimblatt) wie auch zu Ektoderm (äußeres (Townes und Holtfreter, 1955)
Keimblatt) auf. Werden Zellen aller drei
Keimblätter miteinander gemischt, so ergeben sich
pseudoembryoartige Gebilde, nämlich Ektoderm
(Epidermis) außen, Mesoderm (Chorda,
Muskulatur, Coelomepithel) in der Mitte und
Entoderm (Darm) im Zentrum (Abb. 52d). Die
Zellaffinität kann experimentell verändert werden
(Grunz, 1972). Werden Ektodermzellen mit
vegetalisierenden (mesodermalisierenden) Faktor
[Aktivin] behandelt, so werden sie mesodermal
induziert (Differenzierung von Chorda und
Muskulatur, Abb. 49a). Werden solche
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Regionalspezifische Induktion
durch verschiedene Bereiche der oberen
Urmundlippe
Mangold-Experiment, 1933
Verschiedene Bereiche der dorsalen Urmundlippe bzw. das invaginierte Chordamesoderm der
späten Gastrula rufen in kompetentem Ektoderm
unterschiedliche Induktionen hervor. So induziert
der craniale Bereich der dorsalen Urmundlippe
Kopfinduktionen, die caudale Zone aber Schwanzinduktionen (Abb. 53, 54)
Ähnliche Ergebnisse erzielt man, wenn craniales
bzw. caudales Chordamesoderm aus der frühen
Neurula, das in der Normogenese das
darüberliegende Neuroektoderm zu Gehirn
determiniert, im Einsteck-Versuch getestet wird.
Der craniale Chordamesoderm-Bereich induziert
im Wirtsembryo sekundäre Kopfbildungen, der
caudale Bereich ruft Schwanzinduktionen hervor
(Abb. 54).
Mittlerweile gibt es völlig neue Erkenntnisse über
die Bildung des Organisators (Review: Dawid,
1992; Grunz,1992, 1993, 1996). Man hat kürzlich
Gene identifiziert, die nur in der Organisatorregion exprimiert werden (XFD-1, XFKH-1,
goosecoid, noggin, Abb. 40). Diese Gene sind
wesentlich bei den ersten Schritten der Achsenbildung (Chorda, Somiten, Neuralrohr) beteiligt.
Abb.53
Abb.54
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 55Einsteck-Test (Vergl. Abb. 57 A, B'';
53b).
Verschiedene Bereiche der dorsalen Urmundlippe
(Spemannscher Organisator) wurden in das
Blastocoel von Wirtsgastrulae von Triturus
alpestris implantiert.
A. Der craniale und caudale Bereich der dorsalen
Urmundlippe (Abb. 53 b) wurde implantiert in
das Blastocoel einer frühen Gastrula. Es bildete
sich ein fast vollständiger sekundärer Embryo.
(Vergl. Organisatorexperiment von Hans
Spemann und Hilde Mangold, Abb.57 G)
B. Der craniale Bereich der dorsalen Urmundlippe
(Abb. 53 b) wurde implantiert in das Blastocoel
einer frühen Gastrula. Es bildete sich ein
sekundärer Kopf. (Vergl. das Experiment von
Otto Mangold, Abb. 54 d)
C. Der caudale Bereich der dorsalen Urmundlippe
(Abb. 53 b) wurde implantiert in das Blastocoel
einer frühen Gastrula (vergl. Abb. 53b, 54c1). In
Abb.54 wurde im Gegensatz zu meinem
Experiment (caudale obere Urmundlippe, Abb.
53b) der caudale Bereich des Chordamesoderms
(bereits eingewanderte caudale dorsale
Urmundregion) als Induktor verwendet. Es bildete
sich in beiden Experimentausführungen ein
sekundärer Schwanzbereich.
(Experimente und Originalaufnahmen
H.Grunz)
von
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Zwei-Gradienten-Hypothese von Toivonen und
Saxén
Es wurden Knochenmark (überwiegend mesodermaler Induktor) und Leberstücke (überwiegend neuraler Induktor) gleichzeitig oder alleine
in Gastrulae implantiert oder im SandwichVersuch getestet.
Leber allein induziert in kompetentem Ektoderm
archencephale (Vorderhirn) Strukturen.
Knochenmark allein induziert in kompetentem
Ektoderm spinocaudale Strukturen (Schwanzstrukturen).
cranialen und caudalen Bereich bestimmte
homeobox enthaltende Gene bzw. eine ganze
Kaskade anderer Gene aktiviert werden, die bei
der Festlegung (Determination) der verschiedenen Gehirn- und Körperregionen eine wesentliche
Rolle spielen. Neben der Zwei-GradientenHypothese gibt es noch die AktivierungsTransformations-Hypothese von Nieuwkoop.
In diesem Modell nimmt man an, daß das Ektoderm
zunächst latent zu Vorderhirn determiniert
(aktiviert) wird. Erfolgt keine weitere Information, geht aus dem Ektoderm Vorderhirn hervor.
Setzt jedoch ein zeitlich versetzter mesodermaler
Induktionsreiz ein (ebenfalls ausgehend vom
Chordamesoderm), so kommt es zur Transformation des Ektoderms zu Mittel-/Nachhirn- und
Schwanzregion-Derivaten. Man ist im Augenblick dabei, die molekularen Mechanismen dieser
Prozesse aufzuklären. Dies ist nur mit Hilfe der
modernen Gentechnik möglich.
Aktivierungs Transformations-Hypothese
(nach Nieuwkoop)
Abb. 56 Schematische Darstellung der Gradienten-Hypothese von Saxén und Toivonen
Leber + Knochenmark induzieren deuterencephale Strukturen (Mittelhirn). Aus diesem Experiment wurde geschlossen, daß in der Normogenese
zwei
Induktionsprinzipien
(Abb. 56,,
mesodermale[M] bzw. neurale[N]) in bestimmten
Konzentrationen (Gradienten) auf das
Neuroektoderm einwirken müssen, um die
anterioposteriore Embryonalachse zu realisieren.
Ähnliche Ergebnisse wurden von der Gruppe
Tiedemann mit angereicherten Proteinfraktionen
(neural und mesodermal induziernde Faktoren )
erzielt. Neuere Untersuchungen deuten darauf
hin, daß während der Embryonalentwicklung im
Beim Einwandern des Chordamesoderms wird
nach dieser Hypothese zunnächst das unterlagerte
Neuroektoderm "aktiviert" (Activation), d.h. zu
archencephalen Strukturen (Vorderhirn)
determiniert. Die weitere Einwanderung des
Chordamesoderms bewirkt dann im posteriroren
und caudalen Bereich die "Transformation" von
archencephalen zu deuterencephalen (Mittelhirn)
und rhombencephalen (Hinterhirn) Strukturen.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Induktion
(Embryonale Induktion)
Das Spemann / Mangold - Experiment (1924)
Organisator oder Einsteckexperiment
Bestimmte Bereiche des Embryos sind in der
Lage, durch Zellinteraktionen kompetente Zellen
in eine andere Differenzierungsrichtung zu lenken. So differenziert sich dorsale Urmundlippe
autonom zu Chorda und Muskulatur, ist aber darüberhinaus in der Lage, Ektoderm zur Bildung
des Zentralnervensystems zu induzieren. Der
dorsale Urmundlippenbereich hat also die Funktion eines Induktors oder Organisators. Spemann
hat diesen Bereich als Organisator bezeichnet,
weil er an der Organisation des Achsensystems
des entstehenden Embryos entscheidend beteiligt
ist.
Das Spemann/Mangold - Experiment
(neuerdings auch im englischen Sprachraum häufig als
Einsteck-Experiment bezeichnet), für das Spemann
1935 den Nobelpreis für Experimentelle Medizin
erhielt (Abb.57) , wird in der Vorlesung unter
Berücksichtigung neuester Erkenntnisse genauer
erklärt.Wird der Spemannsche Organisator (dorsale
Urmundlippe) isoliert aufgezogen, so zeigt er ein
typisches autonomes Elongationsverhalten( Abb.
58 A,b1,c1,d1). Diese Eigenschaft ist bei
Randzonenmaterial weniger ausgeprägt (Abb.58B,
e1, f1).Ein ähnliches Elongationsverhalten erlangt
kompetentes Ektoderm, wenn es durch hohe
Konzentrationen von Aktivin (Wachstumsfaktor
der TGFß-Super-proteinfamilie) mesodermal
induziert wird. Dieses induzierte Ektoderm
differenziert sich wie der Spemannsche
Organisatorbereich in Chorda und Muskulatur
(Somiten).
Abb.57 Organisator- (Eisteck-) Experiment Abb. 58
(Spemann und Hilde Mangold, 1924).
Nobelpreisfür Spemann (1935)
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Fragen nach den Mechanismen der
Induktion
Frage nach der Natur der Induktionsstoffe
Es gab verschiedene Ansätze in der Geschichte der Entwicklungsbiologie, das Problem der embryonalen Induktion zu
lösen.
Die neurale Induktion (Bildung von Gehirnstrukturen) kann
durch einfache chemische Substanzen wie Harnstoff und
Methylenblau ausgelöst werden. Das könnte zu dem Trugschluß führen, daß für diesen Prozeß auch in der Normogenese keine spezifischen Informationsmoleküle notwendig
sind. Das Problem ist jedoch viel komplizierter als
ursprünglich erwartet und ist bis heute noch nicht bis in alle
Einzelheiten gelöst. Man weiß mittlereweile, daß nicht nur
das Induktionssystem (Chordamesoderm, Spemannscher
Organisator), sondern auch das Reaktionssystem (Ektoderm,
Neuroektoderm)bei
der
Bildung
des
Zentralnervensystems eine wesentliche Rolle spielen. Wird
Ektoderm durch calciumfreie Kulturlösung in Einzelzellen
zerlegt (disaggregiert) und erst nach 2-3 Stunden wieder zu
größeren
Zellverbänden
zusammengeschüttelt
(reaggregiert), so bilden sich aus diesen Zellaggregaten
Gehirnstrukturen anstelle von Epidermis (Grunz und Tacke,
1989).
Man weiß mittlerweile (seit 1995), daß BMP-4 die Neural
entwicklung verhindert. Durch Interaktion von Faktoren in
der Spemannschen Organisatorregion und BMP-4 kommt
es zur Induktion des Zentralnervensystems (s. unten).
Man hat Lipide, Nucleinsäuren und schließlich Proteine in
Betracht gezogen. Im Gegensatz zu den 30iger Jahren nahm
man in den 40igern an, daß für so komplizierte Prozesse wie
der neuralen Induktion nur Moleküle mit hohen Informationsgehalt infrage kämen (also nicht so einfache und
unspezifische Substanzen wie Methylenblau). Deshalb hat
man zunächst gedacht, Ribonukleinsäuren könnten als
solche Induktionsfaktoren agieren.
Mittlerweile weiß man, daß bei der Steuerung der
mesodermalen und wahrscheinlich auch bei der neuralen
Induktion Proteine als Informationsmoleküle wirksam sind.
Zunächst hat man sogenannte heterogene Induktoren (Knochenmark, Leber, Milz, Hela-Zellen, Gewebe von 11 Tage
alten Hühnerembryonen) als Induktormaterial verwendet.
Diese Gewebe oder aus ihnen isolierte Proteinfraktionen
rufen verschiedene Typen von Induktionen (mesodermale,
neurale oder entodermale Induktionen) hervor. Diese Gewebe
enthalten also Faktoren,von denen in den letzten Jahren
einige charakterisiert worden sind.
So macht man heute für die Induktion mesodermaler Derivate
(Chorda, Muskulatur, Blutzellen etc.) Faktoren der FGF
(Fibroblasten- Wachstumsfaktoren = Fibroblast Growth
Factor) und der TGFß (Transforming Growth Factor) ProteinSuperfamilien verantwortlich. Der erste in hochangereicherte Form isolierte Induktionsfaktor war der
vegetalisierende Faktor (Arbeiten von Prof.Dr.Dr.
Tiedemann), der identisch oder weitgehend identisch mit
Aktivin A (=EDF) ist. Der zuerst von J.Smith isolierte XTCMIF (Xenopus Tadpole Cells Mesoderm Inducing Faktor)
wurde aus dem Überstand einer permanenten XenopusZellinie gewonnen . Es handelt sich dabei um ein
Proteingemisch, das als aktive Komponente Aktivin enthält.
Aktivin, XTX-MIF und vegetalisierender Faktor haben
identische Induktionseigenschaften. Das mittlerweise
gentechnisch (rekombinant) in homogener Form
(Reinstsubstanz) synthetisierbare Aktivin besitzt eine hohe
biologische Aktivität (Induktionsaktivität) in geringsten
Konzentrationen. Aktivin gehört zur TGFß-Superfamilie
und induziert bei Konzentrationen von 20-100 ng/ml in
kompetentem Ektoderm (Ektoderm der mittleren Blastula,
animal cap assay) dorsale mesodermale Strukturen wie
Chorda und Somitenmuskulatur. In niedrigeren
Konzentrationen (weniger als 20 ng/ml) werden ventrale
mesodermale Struktiuren realisiert. (Grunz, 1983, Asashima
und Mitarbeiter, 1991)[Abb.72]. Weitere wichtige Faktoren
der TGFß-Superproteinfamilie sind die BMPs (bone
morphogenetic protein), die ventrales Mesoderm induzieren
Abb. 59 Wichtige Vertreter der TGFß-Superproteinfamilie.
Auch der vegetalisierende Faktor (als erster isoliert) liegt als
Dimer vor. Durch reduzierende Substanzen (Mercapthoethanol) wird die Dissulfid-Brücke (siehe auch bei Activin in
der Abbildung) zerstört und der Faktor inaktiviert.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
können.Sie spielen aber auch eine wesentliche Rolle bei der
Determination von Ektoderm zu Epidermis und neuralen
Strukturen (Gehirn). Dieses Forschungsgebiet steht im Zentrum intensiver Forschungen international bekannter
Forschergruppen, weil diese Faktoren nicht in der
Normogenese und im Zusammenhang
mit
Evolutionsprozessen, sondern auch bei der Krebsentstehung eine zentrale Rolle spielen (Verwandtschaft von
Wachstumsfaktoren und ihren Rezeptoren mit Oncogenen
und Protooncogenen). Oncogene sind Krebs hervorrufende
Gene oder ihre Produkte.
Von der Einzelle zum Embryo - Ausbildung
der Körpergrundgestalt(Hauptkörperachsen)
3. Ausbildung der cranial/caudalen Polarität
Die Determination von anterior/posterioren Polarität fällt
teilweise mit der cranial/caudalen Polarität früher
Gastrula-Stadien zusammen, i.e. die vordere (anteriore)
Region der Dorsalregion entspricht der späteren
Kopfregion (cranial).
Zu 1) Während der Oogenese entsteht bereits durch
asymmetrische Verteilung von Dotter, Embryonalpigment,
aber auch von molekularbiologisch charakterisierten
Substanzen wie Vg1 und bestimmte mRNAs und Proteine
eine animal/vegetative Polarität. Bei Drosophila bildet sich
während der Oogenese durch Einlagerung maternaler
Substanzen, die anteriore/posteriore Embryonalachse aus.
Ein wichtiger Faktor ist dabei das maternale Effekt Gen
bicoid.
Die Ausbildung folgender Polaritäten sind für die
Embryonalentwicklung von entscheidender Bedeutung:
1.
2.
Ausbildung der animal/vegetativen Polarität
Ausbildung der animal/vegetativen Polarität
Abb. 60 Darstellung der verschiedenen
Polaritäten am Beispiel eines jungen
Amphibienembryos (frühes Schwanzknospenstadium)
Abb. 61 Determination der anterioren/
posterioren und dorsal/ventralen
Polarität während der Oogenese bei
Drosophila.Bereits während des
Oozytenstadiums werden von den
Nährzellen bicoid-mRNA transferriert.
Diese mRNA und das von ihr
kodierteProtein bestimmt diePosition
des zukünftigen Kopfes. Sowohl die
mRNA als auch das Protein ist in Form
eines Gradienten (Abnahme von anterior
nach posterior) verteilt.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 62 Determination der Polaritäten während der Amphibien-Embryonalentwicklung A. Ausbildung der animal/
vegetativen Polarität (Ooozytenstadium vor der Besamung) B. Ausbildung der animal/vegetativen Polarität durch
Cortical Rotation nach Eindringen des Spermiums auf der gegenüberliegenden Seite in der anialen Hälfte C. Bildung
des dorsalen Mesoderms (auch als Nieuwkoop Center bezeichnet) D. Bildung des Spemann'schen Organisators E. F.
Ausbildung der cranial/caudalen Polarität durch Retinsäure und FGF (E = frühe Gastrula, F = späte Gastrula)
A
B
Abb. 63 Traditionelles (A) und Modernes Konzept (B)
der Frühembryonalen Induktion.Dargestellt sind zwei
frühe Gastrulae.
Früher nahm man an, daß sämtliche Induktionssignale
instruktiv von der Spemannschen Organisatorregion
ausgingen, und die übrigen Bereiche des Embryos
lediglich auf diese Signale permissiv reagierten. Deshalb
sind diese Signale in (A) als Pfeile dargestellt.
Molekularbiologische Befunde in neuester Zeit haben
jedoch gezeigt, daß die in der Spemannschen Organisator
expremierten Gene und sezernierten Induktoren eine
Inhibitionswirkung gegenüber BMP-4, Nodal und Wnt
ausüben. BMP-4 wirkt als Antagonist zu den neuralen
Induktionsfaktoren wie Chordin, Noggin und Cerberus.
(Weitere Informationen im Text).
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Zu 2) Durch den Spermaeintritt unterhalb des animalen Pols
(aber innerhalb des Breitengrades zufallsgemäß), kommt es
exakt auf der gegenüberliegenden Seite im vegetativen
Bereich zur „Cortical Rotation“. Dabei verschiebt sich die
Cortex (Rinde) gegenüber dem tieferliegenden Cytosol
äquatorialwärts. Bei einigen Amphibien bildet sich der
sogenannte graue Halbmond aus, der partiell der zukünftigen
Spemannschen Organisatorzone (dorsale Urmundlippe in
der frühen Gastrula) entspricht. Der graue Halbmond kommt
durch Embryonalpigmentverringerung in der Maginalzone
durch die Cortikalrotation zustande.
Man weiß mittlerweile eine Menge über die dabei
ablaufenden molekularbiologischen Prozesse
a) Verlagerung von Vg1 (Substanz, die zur TGFβSuperproteinfamilie zählt)
Verlagerung bestimmter mRNAs und andere Proteine
Verlagerung von β-catenin in die zukünftige Dorsalseite
b) durch diese Verlagerung entsteht ein dorsales
Zentrum (manchmal als Nieuwkoop Center
bezeichnet). Durch Interaktion von Activin, Vg1 und
Wnt kommt es auf der Dorsalseite zur Activierung
von early response-Genen, wie goosecoid (gc) und
siamamois. Der Wnt-Signalweg ist eng korreliert mit
β-catenin, das vor allem auf der Dorsalseite
lokalisiert und aktiviert wird.
Goosecoid (Homeobox-Gen), das nur auf der Dorsalseite
in der Region des Spemannschen Organisator expremiert
wird, aktiviert Gene, die für sezernierte Proteine wie
Chordin, Follistatin, Noggin, Frz-1 kodieren. Sezernierte
Proteine sind Proteine die eine für die Auschleusung aus
der Zelle notwendige Signalsequenz besitzen. Zu den
nicht sezernierter Proteinen gehört z.B. goosecoid, das
eine Homeodomäne besitzt, die die Bindung dieser
spezifischen Regulatorproteine (Transkriptionsfaktoren)
an die DNA ermöglichen.
Chordin, Follistatin, Noggin, Frz-1 (Antagonist zum
vegetalisierenden Wnt) werden nur in der Region des
Spemannschen Organisators expremiert. Sie sind für die
Dorsalisierung des Mesoderms und die Induktion des
Zentralnervensystems verantwortlich. Sie besitzen keine
eigenen Rezeptoren sondern interagieren mit BMP4, das
als Antiorganisator wirkt (genauer Mechanismus der
neuralen Induktion s. unten).
Ein weiteres Molekül, das Kopfinduktionen hervorruft, also
partielle Spemannsche Organisatoreigenschaften besitzt [der
Organisator programmiert eine komplette Achse: Kopf,
Rumpf, Schwanz] ist Cerberus. Dieses Gen ist aktiv im
Kopfentoderm also noch weiter anterior als der klassische
Organisatorbereich. Das Protein ist ebenfalls ein Antagonist
zu BMP4, darüberhinaus aber auch zu den Rumpfinduktoren
Nodal und Wnt. Durch die Inhibition der drei Faktoren
kommt es zur Bildung der Kopfstrukturen. Wird Cerberus
mRNA in ventrale Blastomeren des 8-Zell-Stadiums injiziert,
so bildet sich ein zusätzlicher Kopf , also ein ähnlicher Effekt
wie er durch den vorderen Bereich des Organisators
hervorgerufen wird (Cerberus war in der Mythologie der
Höllenhund, der mehrere Köpfe besaß).
Zu 3) anteriore/posteriore (cranial/caudale) Polarität
Bei der Determination der zukünftigen Kopf-, Rumpf- und
Schwanzregion ist eine Interaktion einer Reihe von Faktoren
verantwortlich. Dazu gehört das gerade erwähnte Cerberus,
aber auch Retinsäure (Vitamin A-Homolog) und Retinsäure
abbauende Enzyme und wahrscheinlich FGF (FibroblastenWachstumsfaktor). Durch noch nicht genaue bekannte
Mechanismen, an denen diese und noch unbekannte Faktoren
beteiligt sind, kommt es zur Programmierung der einzelnen
Gehirnregionen (Tel-, Di-, Mes-, Met- Myelencephalon und
des Rückenmarkes) und der Rumpf- und Schwanzregion.
Die Antiorganisatoren und das Neural Default Modell
1989 hat unsere Arbeitsgruppe Forschungsergebnisse
publiziert, die bahnbrechend für das Verständnis der
Wirbeltierembryonalentwicklung waren. Die sich daran
anschließenden Versuche mehrerer Arbeitsgruppen ergaben
evolutionsbiologische Erkenntnisse von bis dahin nicht
erwarteter Tragweite (s. unten).
Alle Experimente und Erwartungen nach Spemann’s und
Hilde Mangold’s Organisator-Experiment waren auf die
Suche nach dem Organisatorstoff (Induktor) gerichtet. Ein
solcher Induktor, lokalisiert in der dorsalen Urmundlippe
(Spemannscher Organisator), sollte demnach alle übrigen
Bereiche des Embryos veranlassen, sich in bestimmter
Richtung zu organisieren und zu entwickeln. Der Induktor
wäre also ein Instruktor, der die übrigen Bereiche des Embryos
in permissiver (also nur in empfangender) Weise
programmiert (s. Abb. 63 A). Nach dieser traditionellen
Hypothese würde das Neuroektoderm neuralfaktorenspezifische Rezeptoren besitzen und bei Anwesenheit eines
neuralen Induktors zu Gehirnstrukturen determiniert. Ohne
Induktorsignal entwickelt sich das Ektoderm zu Epidermis,
wie dies Isolationsexperimente tatsächlich zeigen konnten.
Eine paradoxe Situation ergab sich jedoch, als wir zeigen
konnten, daß sich Ektoderm nach Disaggregation in
Einzelzellen ohne Induktor zu Gehirnstrukturen entwickelte
(Grunz und Tacke, 1989). Welche Rolle sollte nach den
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
traditionellen Hypothesen jetzt noch ein neuraler Induktor
spielen? Für die späteren Untersuchungen von Interesse war
unser Befund 1 Jahr später, daß der Zellüberstand
disaggegierter Zellen nach Zugabe zu disaggregierten
Ektodermzellen die Neuraldifferenzierung unterband. Die
Zellen differenzierten sich wie nicht disaggregierte
Ektodermzellen zu Epidermis. Schon zu dieser Zeit nahmen
wir an, daß ein bestimmtes Molekül im Extrazellularraum
die autonome Neuralentwicklung des Ektoderms verhindert
(Grunz und Tacke, 1990). 5 Jahre später wurde dann dieses
Molekül identifiziert (Wilson und Hemmati-Brivanlou,
1995). Es handelt sich um BMP-4 (bone morphogenetic
protein= Knochen-Morphogenetisches Protein). Wie auch
bei einigen anderen Wachstumsfaktoren (FGF, TGF) hat
BMP während der frühembryonalen Entwicklung eine andere
Aufgabe als bei der Organogenese, nämlich Mitwirkung bei
der Determination der dorsal/ventralen Polarität. Später in
der Entwicklung wird BMP seinem Namen gerecht und ist
bei der Knochenbildung beteiligt.
Welche Rolle spielt BMP4 und neurale
Induktionsfaktoren bei der Gehirndetermination?
Mittlerweile weiß man, warum sich disaggregierte
Ektodermzellen zu Gehirnzellen entwickeln. Offensichtlich
wird bei der Disaggregation BMP4 und/oder BMP2 aus dem
Extrazellularbereich abgelöst und diffundiert in die
Zellkulturlösung. Die Konzentration von BMP ist nun so
gering, daß eine Bindung an den BMP-Rezeptor nicht in
genügender Konzentration erfolgen kann (Abb. 64,67 ).
BMP-Zugabe in genügender Konzentration ins
Kulturmedium bewirkt die Determination der disaggregierten
Zellen zu Epidermis.
Bereits vor der Entdeckung des „epidermalisierenden“
Effektes von BMP wurde ein sezernierter gehirninduzierender
Faktor, das Chordin, im Bereich der dorsalen Urmundlippe
(Spemannschen Organisatorbereich) gefunden. Wenn man
Ekoderm (intakte animale Kappen) mit diesen Protein
behandelte, so erhielt man Gehirnstrukturen. Unbehandelte
animale Kappen differenzieren sich zu Epidermis. Wie ließen
sich diese Befunde mit der Disaggregationsexperimente
vereinbaren? Es stellte sich heraus, daß Chordin im Gegensatz
zu traditionellen Überlegungen keinen eigenen Rezeptor
besitzt. Vielmehr reagiert es mit BMP im Extrazellularraum
zwischen induzierenden Chordamesoderm und reagierenden
Neuroektoderm und bildet mit ihm einen Komplex. Dadurch
kann BMP2/4 nicht mehr mit seinem Rezeptor interagieren,
was eine Neuralisierung des Ektoderms zur Folge hat. Daher
ergibt sich das gleiche Ergebnis wie bei der Disaggregation
der Ektodermzellen. Damit war der scheinbare Widerspruch
– autonome Neuralisation bzw. neurale Induktion –
aufgehoben. Mittlerweile konnte gezeigt werden, daß alle
bisher bekannten neuralisierenden Faktoren wie Follistatin,
Noggin und Cerberus Komplexe mit BMP 2/4 bilden. Somit
wirkt BMP als Antiorganisator. Im Gegensatz zur
traditionellen Auffassung ist somit der Grundzustand des
Ektoderms neural und nicht epidermal. BMP wirkt also als
epidermaler Induktor. Diese Befunde haben deshalb zur
Bezeichnung „Neural-Default-Status“ des Ektoderms geführt.
Eine Neuralisierung des Ektoderms kann auch erzielt werden,
wenn man den Signalweg des BMP4 unterbricht. Das ist
möglich mit sogenannten dominant-negativen Inhibitoren.
Zwei Strategien werden dabei angewandt. Entweder
synthetisiert man solche mRNA-Konstrukte, die für ein
unvollständiges BMP4-Protein kodiert, das nicht korrekt an
seinen Rezeptor binden kann. Da die mRNA im Überschuß
meist in die zukünftigen ventralen Blastomeren eines 8Zellstadiums injiziert wird, kommt es zu einer Überexpression
(overexpression). Die im frühen Embryo vorhandene korrekte
mRNA wird dadurch kompetitiv ausgeschaltet (also ein
dominant-negetativer Effekt). Ebenso kann man auch eine
mRNA im Überschuß injiziieren, die für einen defekten
BMP4-Rezeptor kodiert. Dadurch wird erreicht, daß der
BMP4-Ligand nicht mehr an den Rezeptor andocken kann.
Auch dieser dominant-negative BMP-Rezeptor hat eine
Neuralisierung (Gehirnbildung) des Ektoderms zur Folge.
Struktur und Funktion von Rezeptoren
Rezeptoren sind Moleküle, die auf Signalmoleküle
reagieren. Die Signalmoleküle(Liganden) docken in
spezifischer Weise an ihrem Rezeptor an. Es gibt zwei
Haupttypen von Liganden:
1. Petidmoleküle wie Insulin oder Induktionsfaktoren
bzw. Wachstumsfaktoren (Proteine), die mit
plasmamembranständigen (äußere Zellmmembran)
interagieren.
2. Steroidhormone, die in die Zelle eindringen und dort
mit ihrem Rezetor einen Komplex bilden.
Im Falle beider Signalmolekül- und Rezeptortypen
verläuft die weitere Signalkette bis zum Zellkern, wo es
dann zu einer Interaktion mit der DNA und zur
Genregulation kommt.
Wie bereits erwähnt, reagiert BMP-4 mit seinem Rezetor
auf der äußeren Zellmembran und bewirkt so, daß sich
Ektoderm zu Epidermis differenziert. Die bisher
bekannten neuralen Induktionsfaktoren besitzen keine
eigenenen Rezeptoren, sondern hindern das BMP mit
seinem Rezeptor zu interagieren. Solche Signalketten
sind in der Abbidung 65 zu sehen.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
DORSALIZATION
and NEURAL INDUCTION
VENTRALIZATION
and ANTINEURALIZATION
BMP4/InductorComplex
A
B
1. LIGAND BINDING
BMP4 or other members of
the TGFß-superfamily
Accessory receptor
(Type III receptor
betaglycan)
NH 2
C
Chordin or other
neural inducers
(nogging, cerberus, etc.)
Diluting out
into the culture
medium after
disaggregation
✂
2. COMPLEX FORMATION
Inhibition of
BMP4-binding
to the receptor
NH 2
NH 2
3. PHOSPHORYLATION
Type II receptor
(Primary Receptor)
II
I
GS Box
P
Type I receptor
(Transducer)
Heteromeric
Complex
II
P
4. SIGNAL
PROPAGATION
P
P
COOH
COOH
COOH
Formation of
epidermis
I
I
II
COOH
Substrate
Kern, DNA
COOH
✂
Formation of
neural tissue
Abb. 64 Schematische Darstellung der Interaktion von BMP4 und seinem Rezeptor. Durch Bindung von Chordin und
anderen sezernierten Induktionsfaktoren (Gene und ihre
Produkte expremiert imOrganisator- bereich) an BMP-4
kommt es zur neuralen Induktion. Zusammen mit anderen
Signalketten und sekundären Interaktionen kommt es zur
Bildung des kompletten Zentralnervensystems.
Die oben dargestellte Signalkette ist nicht auf das
Amphibienmodell beschränkt, sondern es handelt sich um in
der Zellbiologie weitverbreitete Mechanismen der Interaktion
von Liganden mit ihren spezifischen Rezeptoren.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 65 Signalkette von Wachstumsfaktoren
(embryonalen Induktionsfaktoren), die zur
Anschaltung von Genen im Spemannschen
Organisatorbereich führen.
Man kann experimentell die DNA so verändern, daß sie eine
mutierte mRNA transkribiert und folglich die Synthese eines
nicht mehr funktionsfähigen Rezeptors zur Folge hat (Abb.
66). Wird diese mRNA in Blastomeren des 2-Zellstadiums
injiziert, so wirkt das translatierte Protein als dominantnegativer Rezeptor, d.h. es konkurriert bzw. dominiert das
Wildtyp-Protein und hat damit einen Inhibitionseffekt (also
negativen Effekt) (Abb.66).
Ähnliche Effekte kann man auch dadurch erreichen, daß man
den Liganden(z.B. BMP-4) mutiert, so daß er nicht mehr mit
seinem Rezeptor reagieren kann. Im diesem Falle
differenziert sich dann Ektoderm nicht zu Epidermis wie in
der Normogenese, sondern zu neuralen Strukturen.
Abb. 66 Effekt eines dominant-negativen
Rezeptors
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Die Bedeutung von Gradienten
Wie kommt es nun aber zur differenziellen Ausbildung der
cranial/caudalen Polarität also zur Organisation von Kopf,
Rumpf- und Schwanzregion? Gut erklären kann man sich die
Bildung der Dorsalseite (hohe Konzentration von Chordin,
kaum BMP) bzw. Ventralseite (hohe Konzentration von
BMP, kein Chordin). Wie sieht es aber in der intermediären
Region aus? Hilfreich bei der Beanwortung dieser Frage war
der Nachweis einer Metalloprotease mit der Bezeichnung
Xolloid. Dieses Enzym wird ebenso wie BMP4 und Chordin
wahrscheinlich in spezifischer Konzentration in den
Extrazellularraum sezerniert und löst den BMP/ChordinKomplex auf, in dem es das Chordin in zwei Domänen
spaltet. Damit wird Chordin inaktiv und BMP wird wieder
frei und kann an seinen Rezeptor binden. Mit diesem Modell
kann man die Bildung eines spezifischen anterioren/
posterioren Gradienten postulieren (Abb.68A ). Ein
ähnlicher Mechanismus kann ebenfalls für Cerberus
angenommen werden. Interessant an Cerberus ist, daß das
Protein in 2 verschiedenen Formen als Cer-L (lange Form)
und Cer-S (kurze Form) vorkommt. Beide Formen binden
BMP, Nodal und Wnt in unterschiedlicher Weiseeines
Gradienten (Abb. 68B). Durch Inhibition sämtlicher
Rumpforganisatoren (ventral/caudal) wie BMP, Nodal und
Wnt kommt es zur Realisation der Kopfregion (Piccolo, S.,
Abb. 67 Nachweis des Antagonismus zwischen Chordin
und BMP-4.
Der in der Spemannschen Organisatorregion expremierte
neurale Induktionsfaktor Chordin bildet mit BMP-4 oder
BMP-7 einen Komplex und verhindet dadurch die Bindung
von BMP-4/7 an seinen Rezeptor (Genaue Erklärung siehe
Text).
BMP bewirkt die Determination von Ektoderm zu Epidermis.
Werden Ektodermzellen disaggregiert, bilden sich
Neuralstrukturen (oberer Teil der Abbildung). Das wird
auch durch RT-PCR (unterer Tei der Abbildung)
nachgewiesen. Der pan-neurale Marker NCAM ist im Embryo
(Kontrolle)(Bande 1) und in disaggregierten Zellen
(Bezeichnung: untreated, Bande 2) nachzuweisen. Nach
Zugabe von BMP zu den disaggregierten Zellen (Bande 3)
wird die Expression des neuralen Markers verhindert.
Folglich kommt es jetzt zur Expression des
epidermisspezifischen Keratins. Wird gleichzeitig BMP und
Chordin (Bande 4) zugegeben, wird das BMP daran gehindert
mit seinem Rezeptor zu reagieren und es kommt zur Expression
von NCAM und histologisch zur Bildung von
Gehirnstrukturen
Agius, E., Leyns, L., Bhattacharyya, S., Grunz, H., Bouwmeester,
T. and DeRobertis, E. M. (1999). The head inducer Cerberus is a
multifunctional antagonist of Nodal, BMP and Wnt signals. Nature
397: 707-710).
Bedeutung von BMP und Chordin für die Evolution Die Urbilateralia-Hypothese
Von großer Tragweite für die gesamte Biologie war der
Befund, daß bei Drosophila (Vertreter der Evertebrata)
homologe Gene und ihre Produkte zu denen von Xenopus
oder Zebrafish (Vertebrata) gefunden wurden. So gibt es zu
Chordin (Xenopus) ein homologes Protein bei Drosophila,
nämlich short gastrulation (sog). Das homologe Protein zu
BMP 2/4 /(Xenopus) ist dpp (decapentaplegic, Drosophila).
Wichtig für das Verständnis der Evolutionsprozesse war der
Befund, daß Chordin bei Xenopus die zukünftige Dorsalseite,
sog bei Drosophila aber die zukünftige Ventralseite
determiniert. Bei BMP/dpp ist es umgekehrt. Ebenso
eindrucksvoll war der Versuch, bei dem die in Drosophila
ventralisieren de sog -mRNA in Xenopus-Embryonen injiziert
wurde und dort eine Dorsalisierung (Kopfstrukturen)
hervorrrief. Andererseits wirkt dpp wie BMP. Daraus wurde
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
geschlossen, daß Protostomia und Deuterostomia aus einer
gemeinsamen Urform (den Urbilateralia) vor ca. 300 – 600
Millionen Jahren hervorgegangen sind.
Curioserweise wurde mit diesen molekularbiologischen
Befunden die bereits 1822 von dem französischen Anatom
Geoffry De-Hillaire aufgestellte Hypothese bestätigt, daß
bezüglich dorsal/ventraler Polarität kein Unterschied besteht
zwischen Evertebraten und Vertebraten. Er hatte einen
Hummer auf den Rücken plaziert und fand auf diese Weise
die gleiche Organisation wie bei den Wirbeltieren nämlich
das Herz auf der Bauchseite und das Zentralnervensystem
auf der Rückenseite (Abb.70). In dieser hart geführten
Auseinandersetzung war der französische Anatom Curvier
der Hauptvertreter der Mehrheit der Wissenschaftler, die
weiterhin die traditionelle Auffassung vertraten.
Ein weiteres spektakuläres Beispiel für konservierte
Genfunktionen in der Evolution – das Masterkontroll-Gen
Pax 6 (siehe S. 4, 5, 137 ).
Die Bedeutung und Wirkungsweise
frühembryonaler Induktionsfaktoren
Frühembryonale Induktionsfaktoren (Determinationsfaktoren) sind für die Progammierung des
Körperbauplanes verantwortlich. Durch
spezifische Interaktionen mit Transkriptionsfaktoren sorgen sie für die räumliche und zeitliche
Regulation (Expression und Repression) der für
die Zelldifferenzierung bedeutsamen Gene und
ihrer Produkte. Diese Prozesse sind für die Bildung
des Mesoderms (Derivate: Muskulatur, Chorda,
Herz, Blut) und des Zentralnevensystems (Gehirn
und Nervenbahnen) von fundamentaler Bedeutung.
Der erste mit biochemischen Methoden
hochangereicherte Induktionsfaktor (Protein) war
der von der Gruppe Prof. Tiedemann, Berlin, aus
Hühnerembryonen isolierte Mesoderm- und
Entoderm-Derivate induzierende Faktor. Er wurde
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
A
B
Abb. 68 Modelle für die Erklärung der Ausbildung von dorsal/
ventralen (Rücken/Bauch)und anterior/posterioren (Kopf/Rumpf/
Schwanz) Gradienten. Das obere Diagramm zeigt die Interaktion
von Chordin (Region 4, Induktor des Spemannschen Organisators)
und BMP-4 (Region 1 auf der zukünftigen Bauchseite). In der
intermediären Region bewirkt ein Enzym (Xolloid=Metalloprotease,
bei Drosophila: Tolloid) für die Spaltung des Chordin/BMP-4Komplexes innerhalb des Chordins. Dadurch kommt es zur partiellen
Freisetzung des BMP-4 und durch seine Bindung an seine Rezeptoren
zur Realisation intermediärer Differenzierungen (zwischen dorsal
und ventral). Ähnliche Mechanismen gibt es bei Drosophila, dort
aber programmiert das Chordin-Homologe Short gastrulation
(sog) die Ventralseite und decapentaplegic (dpp, homolog zu BMP4) die Dorsalseite (siehe auch meine Hinweise auf die
Evolutionsaspekte dieser Befunde).
Das untere Diagramm zeigt die Wirkungsweise von Cerberus,
einem Gen, das im einwandernden Kopfmesoderm (in der äußerst
anterioren Region des Spemann'schen Organisatorregion)
expremiert wird. Es konnte gezeigt werden, daß bei gleichzeitiger
Inhibition von BMP-4, Nodal und Wnt die Kopfregion realiesiert
wird. Fehlt Cerberus oder ist das Gen mutiert, kommen die Rupfund Bauchregion-Organisatoren BMP-4, Nodal und Wnt zum Zuge
und dem resultierenden Embryo fehlen die Kopfstrukturen.
Besonders interessant ist die Tatsache, daß Cerberus in einer
kurzen und langen Proteinform vorkommt und offensichtlich in
Form eines Gradienten sezerniert wird. Die lange Form bindet alle
Moleküle BMP-4, Nodal und Wnt. Damit kommt es zur Bildung des
Vorderkopfes und Vorderhirns. Nimmt man an, daß in einer
intermediären Zone vor allem die kurze Cerberus-Form sezerniert
wird, kommt es nur zur Bindung von Nodal und damit zur Realisation
der Rumpfregion (Piccolo, S., Agius, E., Bhattacharyya, S., Grunz,
H., Bouwmeester, T. and DeRobertis, E. M. (1999). The headinducer Cerberus is a multifunctional antagonist of Nodal, BMP
and Wnt signals. Nature 397, 707-710.)
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
als vegetalisierender Faktor bezeichnet, weil er in
kompetentem Ektoderm Gewebe induziert, die im
Embryo aus dem vegetativen Bereich und der
Marginalzone (nicht aus dem animalen Bereich)
des Embryos hervorgehen. Es konnte gezeigt
werden, daß eng verwandte Faktoren in
differenzierten Zellen (im erwachsenen
Organismus[Maus, Ratte, Mensch]) vorkommen.
Dort wirken sie als Wachstumsfaktoren (growth
factors), d.h. als Stimulatoren der Zellteilung
(Proliferation). Dazu gehören Proteine der
Fibroblasten-Wachstumsfaktoren (FGF)- und der
Tumorwachstumsfaktoren (TGFβ)-Superproteinfamilien. In der Embryogenese wirken sie
aber als Programmierungsfaktoren, d.h. als
Determinationsfaktoren.
Es war ein international stark beachteter
Durchbruch als nachgewiesen werden konnte, daß
der vegetalisierende Faktor homolog ist zu Activin.
Activin (activin βA), ebenfalls ein Mitglied der
Abb. 69
Verwandte Gene und ihre Produkte
(Proteine) sind bei den Protostomia für die
Determination der Dorsalseite und bei den
Deuterostomia für die Ventralseite und vice versa
verantwortlich (siehe Urbilateralia - Hypothese).
Abb. 70 Hummerpräparation von Geoffry DeHillaire.
Der franz. Anatom orientierte das Tier mit dem
Rücken zum Substrat. Damit ist die Anordnung der
wichtigsten Organe ähnlich wie bei den Vertebraten
- Herz auf der Bauchseite (ventral), das
Zentralnervensystem auf der Rückenseite
(dorsal)(siehe Urbilateralia-Hypothese).
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
TGFβ)-Superfamilie wurde ursprünglich aus
Follikel-Flüssigkeit isoliert. Es ist ein
Gonadenhormon, das die FSH-Sekretion stimuliert.
Ebenfalls eng verwandt mit Activin ist der von
Smith isolierte XTC-Faktor aus Xenopus-LarvenZellkulturen (Xenopus Tadpole Cells) und der
Erythroid Differenzierungsfaktor (EDF). Letzterer
induziert
Erythroleukemia-Zellen
zur
Differenzierung in Hämoglobin produzierende
Zellen. Ein weiteres Activin-verwandtes Protein
konnte aus Amnionflüssigkeit isoliert werden.
Der Autor (H. Grunz) konnte als erster 1983 zeigen,
daß vegetalisierender Faktor (= Activin) in
kompetenten Ektoderm in Abhängigkeit der
Konzentration und Dauer der Einwirkungszeit
eine Vielfalt mesodermaler und entodermaler
Derivate induzieren kann. Durch das induzierte
Mesoderm können dann noch sekundär neurale
Strukturen gebildet werden (Grunz, H. [1983]:
Change in the differentiation pattern of Xenopus
laevis ectoderm by variation of the incubation
time and concentration of vetalizing factor. Roux’s
Arch. Dev. Biol. 192, 130-137).
Mit steigenden Konzentrationen und Verlängerung
der Einwirkungszeit des Induktionsfaktors kommt
es zu einer Verschiebung des Differenzierungsmusters von ventralen zu dorsalen mesodermalen
Strukturen. Man kann die gebildeten Gewebe
bestimmten Zonen im Embryo zuordnen. So sind
Blutzellen, Herz und Coelom auf der Ventralseite,
Vornierenkanälchen in der Intermediärzone
undSomiten, Chorda und Neuralrohr auf der
Dorsalseite lokalisiert. Eine solche Veränderung
des Differenzierungsmusters von ventral zu
dorsalen Strukturen ist in den Abbildungen 72 AF zu sehen. Niedrige AktivinKonzentrationen
induzieren Blutzellen und Herzstrukturen (Abb.
72 B,C). Mittlere Konzentrationen induzieren
Chorda und Muskulatur (Abb. 72 F,G). Sehr hohe
Konzentrationen von Activin (vegetalisierender
Faktor) bewirken die Bildung entodermaler
Derivate (Abb.72 H), wie dies im Embryo am
vegetativen Polbereich der Fall ist.
Steigende Activinkonzentrationen bewirken die
Aktivierung spezifischer Gene in einer bestimmten
Sequenz. Vergleiche dazu auch die Ergebnisse
von Christine Nüsslein-Vollhard (Nobelpreis
1995), die eine Korrelation zwischen Gradienten
bestimmter maternaler Faktoren (z.B. Bicoid) und
der Aktivierung spezifischer Gene nachweisen
konnte. Durch neuere Arbeiten von Green und
Smith konnte gezeigt werden, daß selbst bei linearer
Erhöhung der Activinkonzentrationen die
Anschaltung von charakteristischen Genen und
folglich die Programmierung bestimmter Zelltypen
in dem behandelten Ektoderm stufenweise erfolgt
(Abb. 75). Dies ist besonders schön zu sehen, bei
den folgenden Gen-Expressionen: EpidermisKeratin: kein oder fast kein Activin; ventral/
posteriore Gene Xhox 3, XIHbox 6: wenig Activin;
Gene der ventralen Marginalzone: Muskel Actin
und Brachyury (Xbra): mittlere Activinkonzentration: Gen im Organisatorbereich
[dorsales Mesoderm] goosecoid: hohe
Activinkonzentrationen. Diese stufenweise
Anschaltung von Genen und die Musterbildung
habe ich in den Abbildungen 73 und 74 gezeigten
Modellen dargestellt. Bei zunehmenden Activinkonzentrationen und Induktoreinwirkungszeiten
kommt es zu einer stufenweisen Realisierung
bestimmter Zelltypen. In Abbildung 56 ist die
Rückseite des Modells gezeigt, an der man die
gleichzeitige Realisierung bestimmter Gewebetypen klarmachen kann. Hier nur drei Beispiele:
bei hoher Activinkonzentration und langer
Inkubationsdauer bildet sich Chorda und Entoderm
oder nur Entoderm (Säule 9 und 7, und
histologisches Präparat, Abb.54 G.,H.); bei
niedriger Activinkonzentration und kürzerer
Inkubationszeit erhält man Explantate, die
Epidermis und Mesenchym (2), Herzstrukturen
(4), Muskulatur (6), Chorda (7) und
Neuralstrukturen (8) enthalten. Unbehandelte
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Ektoderm-Explantate differenzieren sich nur zu
atypischer Epidermis (Abb. 73,74(1) und Abb.
72A.
Neueste Untersuchungen deuten darauf hin, daß
der Grundzustand (default-Zustand) des Ektoderms
neural ist (Hemmathi-Brivanlou 1994; Kelly und
Melton, 1994). Durch sehr geringe Konzentrationen von Wachstumsfaktoren (z.B. BMPverwandte Faktoren) im Ektoderm oder in der
extrazellulären Matrix des Ektoderms könnte die
Neuralisation des Ektoderms verhindert werden.
Neurale Induktoren
im Spemannschen
Organisatorbereich würden nach dieser Hypothese
mit solchen Faktoren interagieren und somit die
Neuralisation des Ektoderms verhindern.
Diese Hypothese wird auch durch unsere
Disaggregations- und Reaggregationsversuche von
Ektoderm gestützt. Disaggregierte Ektodermzellen
(3 Stunden einzeln gehaltenen) bilden nach ihrer
Reaggregation neurale Strukturen (Grunz und
Tacke 1989, 1990). Die als Einzelzellen über 3 h
kultivierten Ektodermzellen könnten aus der
extrazellulären Matrix Faktoren ins umliegende
Medium verlieren, die für die Determination des
intakten nicht disaggregierten Ektoderms (während
der Normogenese) zu Epidermis erforderlich sind.
Nur der Teil des Ektoderms (Neuroektoderm), der
vom einwandernden Chordamesoderm
(Organisatorbereich = dorsaler Urmundlippenbereich) unterlagert wird und neuralisiernden
Faktoren ( aus dem Chordamesoderm stammend)
ausgesetzt ist, wird in neuraler Richtung (Zentralnervensystem) determiniert.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
A
E
B
F
C
G
D
H
Abb. 71 (oben) Wirkungsweise von frühembryonalen
Induktions-faktoren (Schema verändert nach Asashima,
1994)
Dargestellt sind die Induktionsfaktoren (Activin
[=vegetalisiernder Factor] und aFGF/bFGF), die chemisch
unterschiedlichen Proteinsuperfamilien angehören:
1. FGF (Fibroblasten growth factor)-Superproteinfamilie
2. TGFß (Transforming growth factor)-Superproteinfamilie
Abb. 72 (links) Differenzierung von kompetentem Ektoderm
von Xenopus laevis, das im Sandwich-Test (animal cap
assay) mit steigenden Konzentrationen von vegetalisierenden
Faktor (= Activin) behandelt wurde. A. kein Activin
(Kontrolle)
B,C niedrige Activin-Konzentration D-F mittlere ActivinKonz. G,G hohe Activin-Konz. (Grunz, 1983)
Bei steigenden Aktivinkonzentrationen wird folgende Sequenz
von induzierten Geweben beobachtet: Epidermis (A),
Blutzellen (B), Mesenchym und Blutzellen (C), Herzstrukturen
(D), Herzstrukturen und Niere (E), Muskulatur (F),
Muskulatur und Chorda (G), Entodermderivate (H)
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb.73
(1 atypische Epidermis, 2 Epidermis und
Mesenchym, 3 Coelomepithel und Blutzellen, 4 Herzstrukturen,
5 Vornierenkanälchen, 6 Muskulatur (Somiten), 7 Chorda,
8 Neural, 9 Entoderm
Abb. 74
5 Vornierenkanälchen,
Abbildungen 73-75 Darstellung der Wirkungsweise frühembryonaler Induktionsfaktoren
(Gradientenmodelle[Grunz, 1996] und Northernblot[Abb.75], verändert nach Green, New, Smith,
1992)
Gezeigt sind die Effekte von Activin (= vegetalisierender Faktor, XTC, oder EDF), Vertreter der
TGFß-Superproteinfamilie.
[vergleiche
decapentaplegic (dpp) -Gen bei Drosophila; auch
ein Vertreter der TGFß-Familie].
Abb. 73zeigt die schematische Darstellung der in
den Abbildungen 72 und 75 gezeigten Ergebnisse:
Realisation verschiedener Gewebe in Abhängigkeit
von der Konzentration(K) und Dauer der
Einwirkungszeit(T). Trotz linearer Zunahme von
K und/oder T erfolgt die Induktion der
verschiedenen Gewebe bei Erreichen bestimmter
Schwellenwerte (threshold concentrations)
stufenweise (verg. Abb. 72 und 75).
Abb. 74 (Rückseite des Modells) zeigt die alleinige
oder gleichzeitige Realisation verschiedener
Gewebe.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 75 Bei bestimmten Konzentrationen von
Activin (Erreichen bestimmter Schwellenwerte),
werden neue Gene aktiviert, dafür aber andere fast
oder ganz abgeschaltet (*). Gut zu sehen ist das für
Keratin (Abschaltung bei 0.9 units/ml)und
Anschaltung (Expression) von Xhox 3. Ebenfalls
deutlich zusehen ist der Wechsel von brachyury
(Gen in der Marginalzone mit Ausnahme der
Organisatorregion) und goosecoid (Gen in der
Organisatorregion) (nach Green,New,Smith, 1992)
*)Die Problematik ist jedoch komplizierter als hier
beschrieben. Offensichtlich werden bei unterschiedlichen
Aktivinkonzentrationen zunächst die gleichen Gene (vor
allem ventral mesodermale) angeschaltet. Die Expression
dorsaler mesodermaler Gene erfolgt dann aufgrund
sekundärer Zellinteraktionen.
Grunz,H. (1979) Change of the differentiation pattern of amphibian
ectoderm after the increase of the initial cell mass. Wilhelm Roux’ Arch.
187, 49-57
Minuth, and Grunz(1980) The formation of mesodermal derivates after
induction with vegetalizing factor depends on secondary cell
interactions. Cell Differentiation 9, 229-238
Green, J.B.A., Smith, J.C. and Gerhart, J.C. (1994). Slow emergence
of a multithreshold response to activin requires cell-contact-dependent
sharpening but not prepattern. Development 120, 2271-2278.
Wilson, P.A., and Melton, D.A. (1994). Mesodermal patterning by an
inducer gradient depends on secondary cell-cell communication.
Current Biology 4, 676-686.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Veränderung der Differenzierungsrichtung des Spemannschen Organisators von Chorda /
Muskulatur zu Herzstrukturen durch Suramin (Abb. 76) und Organ-Engineering (Abb. 77).
➚
A
➚
B
aging in vitro up till
stage 12.5 prior to
± Suramin treatment
± Suramin
C
➚
± Suramin
D
± Suramin
➚
A
A. Isolierung des Spemannischen Organisators (obere
Urmundlippe) der früheren Gastrula (oben) und der mittleren
Gastrula (Mitte) bzw. Extirpation der Neuralplatte/
Chordamesoderm aus der früheren Neurula (unten).
Wird die obere Urmundlippe (Spemannischer Organisator)
mit mikro-chirurgischen Methoden aus dem 1,5 mm großen
Embryo (Stecknadelkopf-größe) isoliert und in Zellkultur
aufgezogen, so differenziert sich dieses Fragment zu Chorda
[zukünftige Wirbelsäule] (no), Muskulatur (so) und
Gehirnstrukturen (br) (s. Abb. B). Wird der Spemannsche
Organisator mit Suramin behandelt,differenziert sich das
Explantat zu einem blasenförmigen Gebilde, das sich
rythmisch kontrahiert (Abb. C). Histologische und
molekulargenetische Analysen haben ergeben, daß sich der
Spemannsche Organisator unter diesen Bedingungen zu
Herzstrukturen entwickelt.
®
Suramin (Germanin ), ursprünglich gegen den Erreger der
Schlafkrankheit eingesetzt, interagiert mit Wachstumsfaktoren, die im Spemannschen Organisator vorhanden sind
und verändert seine Differenzierungsrichtung (Grunz, 1992,
1993;Oschwald, Clement, Knöchel, Grunz, 1994; Fainsod,
Steinbeisser, DeRobertis, 1995). Durch die Behandlung mit
Suramin kommt es zur Ventralisierung (Herzstrukturen,
Abb. 76 C,D) der dorsalen Strukturen (Chorda und
Muskulatur) des Spemannschen Organisators.
B . Isolierte obere Urmundlippe (Spemannscher
Organisator) ohne Suramin-Behandlung hat sich, wie
erwartet, zu Chorda und Muskulatur entwickelt.
no = Chorda, so = Somiten (Muskulatur),
br = Gehirn
C. .Histologischer Schnitt durch eine Blase mit
Herzstrukturen, die aus der oberen Urmundlippe
(Spemannschr Organisator) nach Suramin-Behandlung
hervorgegangen ist.
h = Herzstrukturen, ce= cement gland (Haftdrüse)
D. Ein
Herzspezifischer Gen-Marker beweist, daß sich
isolierte dorsale Urmundlippe nach Behandlung mit Suramin
zu Herzstrukturen differenziert hatte (Vergleiche das Herz in
der normalen Larve).
Abb. 76 Spemannscher Organisator, behandelt
mit oder ohne Suramin (Grunz, 1992,1993)
E. Das in der isolierten oberen Urmundlippe vorhandene
Kopfentoderm wird durch die Suraminbehandlung nicht
inhibiert. Der Gen-Marker Endodermin wird im Entoderm
des Embryos (Schwanzknospenstadium) und im
Spemannschen Organisator mit oder ohne
Suraminbehandlung expremiert.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
F
G
H
Abb. 77. .Spemannscher Organisator differenziert sich
nach Behandlung mit Suramin zu Herzstructuren(Abb. 76C).
Solche in Gewebekultur erzeugten Herzstrukturen können
die normale Herzanlage, die dem Empfängerembryo entfernt
wurde (E), ersetzen (F, Rescue-Experiment). Diese Larven
bewegen sich wie normale Larven.Wird das experimentell
erzeugte Herz in die caudale Bauchregion transplantiert
(D), so erhält man ein zusätzliches Herz (H).
In G sind Larven nach 12 Tagen Aufzucht mit ersetztem Herz
(wie in A) und Larven ohne Herz zu sehen. Die Larven ohne
Herz sind hypertrophiert (aufgebläht). Das ist damit zu
erklären, daß sie aufgrund des fehlenden Herzens natürlich
auch keine funktionierenden Nieren besitzen (fehlende
Durchblutung). Diese Larven haben keine Überlebenschance.
C
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Das Experiment erlaubt folgende Aussagen:
Augenentwicklung und
Transplantationsexperimente
Das Wirbeltierauge ist ein hochentwickeltes
Linsenauge. Der Augenbecher (Derivat des
Diencephalon) induziert das darüberliegende Ektoderm zu Linse und Cornea.
Beim ebenfalls hochentwickelten
Linsenauge der Cephalopoden (Tintenfische) geht dagegen sowohl der
Augenbecher als auch die Linse aus dem
ektodermalen Keimblatt durch Einstülpung
hervor (siehe auch neue molekulargenetische Befunde zur AnalogieHomologie-Problematik; Pax6-Gen (Abb.
2 und Seite 137).
Wird präsumptive Bauchepidermis von
Triturus cristatus (Kammolch) in die
zukünftige Linsenregion eines Triturus
vulgaris Embryos transplantiert (Abb.78),
so wird durch Induktion des Augenbechers
des Wirts eine Linse im Ektoderm des
Spenders induziert (a). Das rechte Auge (b)
des Wirts dient als Kontrolle. Die Linse in
a (linkes Auge) ist deutlich größer als in (b)
(normales rechtes Auge von T. vulgaris).
1. Der Augenbecher induziert im
darüberliegenden Ektoderm die Linse
2. Das Induktionssignal ist nicht speziesspezifisch (bei dem Experiment handelt es
sich um eine heteroplastische
Transplantation)
3. Das reagierende Gewebe dagegen
differenziert sich spezies-spezifisch (Größe
der Linse entspricht der Spezies, aus der
das Ektoderm stammt) [herkunftsgemäße
Entwicklung]
4. Nicht nur das Ektoderm in der Nähe des
(bzw. über dem) zukünftigen Augenbecher
kann auf das Induktionssignal reagieren,
sondern auch das gesamte ventrale
Ektoderm (präs. Bauchepidermis). Dieses
Experiment ist nicht in Abb.78 dar gestellt.
Es konnte jedoch an Xenopus-Embryonen
gezeigt werden, daß es auch zur
Linsenbildung ohne Augenbecher kommen
kann (sogenannte freie Linsen). Wird in der
frühen Neurula der schraffierte Teil
(Neuroektoderm und das drunterliegende
Mesoderm, siehe Abb.79) explantiert, so
findet man trotz einseitig fehlendem
Augenbecher häufig eine Linse (freie Linse)
(Brahma und Grunz, 1988). Dieser Befund
ist jedoch nicht wiedersprüchlich zu den
Befunden von Spemann (Bedeutung des
Augenbechers für die Linseninduktion),
weil offensichtlich zumindest bei Xenopus
bereits in der frühen Neurula die
Linsenbildung durch das unterlagernde
Kopf-mesoderm im Ektoderm induziert
wird. Die Linsendetermination erfolgt also
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
vor der Ausformung des Augenbechers.
Ähnliche Effekte hatte auch Spemann schon
bei einigen Spezies beschrieben. In diesem
Zusammenhang wurde von ihm der Begriff
der "doppelten Sicherung" geprägt. Er
glaubte aber im Gegensatz zu uns, daß das
Ektoderm bei einigen Spezies eine
autonome interne Linsendifferenzierungspotenz besitzt.
Das Kopfmesoderm hat auch bei den
Urodelen eine weitere wichtige Bedeutung.
Es sorgt dafür, daß in der Normogenese
realisiert werden kann. Entfernt man
experimentell immer breitere Stücke des
Mesoderms in der medianen Zone (Abb.
80, p.P. und En), so kommt es zu einer
Annäherung, einer partiellen Verschmelzung (Synopthalmie, Abb.81, 3),
vollständigen Verschmelzung (Cyclopie;
Cyclopenauge, Abb. 81, 4) und letztendlich
zum Verschwinden der Augenregion (Abb.
81, 6). Ähnliche Effekte können bei
Behandlung der Embryonen mit
Cysteiniumchlorid beobachtet werden,
wodurch die Ausdehnung oder die
Einwanderung des Entomesoderms und die
Augenanlagenbildung inhibiert wird.
Abb. 78 a,b (frühes Augenentwickl-ungsstadium), Abb.678 c,d (Augen im adulten
Molch, c= T. cristatus-Linse, d=
T.vulgaris-Linse)
Abb. 79
Abb. 80
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Transdetermination
Während der Embryonalentwicklung von Drosophila sind im Larvenstadium Ansammlungen von
undifferenzierten Zellen vorhanden, die Imaginalscheiben (imago [lat.] = erwachsen). Aus ihnen
gehen bestimmte Organbereiche des erwachsenen
Tieres (der Imago) hervor, z.B. Antennen, Augen,
Beine, Halteren, Flügel und Genitalien. Die Zellen
der einzelnen Imaginalscheiben sind bereits determiniert, d.h. sie entwickeln sich normalerweise zu
Antennen , Augen, etc. (Abb.96).
Ernst Hadorn und Mitarbeiter konnten aber zeigen, daß die Zellen der Imaginalscheiben in eine
andere Determinationsrichtung gelenkt werden
können. Er nannte dieses Phänomen Transdetermination. So kann aus einer Genital-Imaginalscheibe ein Bein hervorgehen. Jedoch sind nur
bestimmte Transdeterminationsrichtungen möglich. Aus einer Bein-Imaginalscheibe können also
umgekehrt keine Genitalien entstehen (Abb. 82b).
Abb. 81
Abb. 82a
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Diese Transdeterminations-Potenzen konnten durch folgende
Experimente nachgewiesen werden: Imginalscheiben können
aus Larven herausoperiert und in erwachsenen Fliegen transplantiert werden
(Abb.82a). Dort teilen sich die Imaginalscheiben-Zellen
weiter, bilden aber keine adulten Organe. Nach verschiedenen Zeiten (4-28 Tage) werden sie in normale Larven
transplantiert. Bei der Metamorphose gehen Organe
Genital-Imaginalscheibe
Bein-Imaginalscheibe
Imaginalscheiben für
Kopforgane (Mund,
Oberlippe)
Antennen
Palpus
Flügel-Imaginalscheibe
Abb. 82b
Thorax
hervor, die typisch sind für das adulte Tier. In den
meisten Fällen geht aus einer AntennenImaginalscheibe auch eine Antenne hervor. Jedoch
in einigen Fällen entwickelten sich aus
Teilbereichen der Antennen-Imaginalscheibe
Beinabschnitte. Dieses Phänomen wird als Transdetermination bezeichnet, weil anstelle des „normalen“ Organs eine Differenzierung realisiert wird,
die einem anderen Körperbereich oder Körperteil
entspricht Abb. 82a,b). Die Imaginalscheibenzellen haben die Fähigkeit bewahrt, sich
in eine andere Differenzierungsrichtung zu
entwickeln als es ihrer normalen Potenz (oder
gemäß ihrer prospektiven Bedeutung) entspricht.
Andererseits gibt es nur wenige Fälle im Tierreich,
in denen sich differenzierte Zellen in einen
anderen Zelltyp verwandeln können. Diese
"normale" Zelltypstabilität (Erhaltung des
Determinations- und und vor allem Differenzierungszustandes) ist in vielen normalen
Geweben lebensnotwendig und lebenserhaltend.
Die anormale Veränderung der Zelldetermination
und Differenzierung und den damit verbundenen
Prozessen (Erhöhung der Zellproliferation,
Änderung des Stoffwechsels und der Zellaffinität
und Motilität) ist dagegen häufig lebensbedrohend
(Tumorbildung, Auswandern aus dem Zellverband
[Metastasenbildung] bei der Krebsproblematik).
Transdifferenzierung (Metaplasia)
Ein unumstrittenes Beispiel dafür, daß sich adulte
Zellen die Potenz zur Umwandlung in andere
Zelltypen bewahrt haben, stellen die Irisepithelzellen des oberen Irisbereiches bei bestimmten
Molcharten dar. Nach Entfernung der Augenlinse
bildet sich aus diesen Zellen eine neue Linse
(Abb.83). Dieser Prozeß wird auch als Wolffsche
Linsenregeneration bezeichnet. Es handelt sich
also um eine Transdifferenzierung (auch als Metaplasia bezeichnet) von pigmentierten Irisepithelzellen in transparente Linsenzellen. Dabei werden
Gene aktiviert, die für spezielle Linsenproteine
(Cristalline) kodieren. Die bei der Wolffschen
Linsenregeneration ablaufenden zellbiologischen
Prozesse wurden intensiv von Tuneo Yamada und
Mitarbeitern im Oak Ridge National Laboratory,
Oak Ridge, Tennessee, untersucht. Die
Linsenregeneration beim Molch stellt ein günstiges Modellsystem für molekularbiologische Studien über die Mechanismen der spezifischen Genaktivierung und Genregulation dar. Folgende Prozesse wurden bei der Bildung einer neuen Linse
beobachtet:
A. Die Kerne der Zellen des oberen Irisrandes
verändern ihre Form.
B. Die dorsalen Iriszellen bilden große Mengen
von Ribosomen.
C. Einsetzen von DNA-Replikation mit anschließender Zellteilung.
D. Dedifferenzierung der Irisepithelzellen: Die
Zellen entledigen sich der Melanosomen zusammen mit Anteilen von Cytoplasma [Die dunkelbraun gefärbten Melanosomen geben den Irisepi89
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 83 Wolffsche Linsenregeneration
(ausgehend vom dorsalen Irisrand beim erwachsenen Molch, dessen ursprüngliche Linse mit
einem Iridektomie-Messerchen* entfernt wurde,
bildet sich eine neue funktionstüchtige Linse)
( *wird auch in der Augenchirurgie beim Menschen
verwendet)
thel-Zellen die charakteristische dunkle Färbung].
Dieser Prozeß der Depigmentierung wurde von
Yamada als Shedding (Abschnürung) bezeichnet.
Die abgestoßenen Zellbereiche mit Melanosomen
werden von Makrophagen aufgenommen und
wegtransportiert.
E. Die dorsalen Irisepithelzellen (nicht aber die
Zellen am ventralen Irisrand) fahren fort, sich zu
teilen und bilden eine sich ständig vergrößernde
Zellmasse in der Region der entfernten Linse.
F. Die zukünftigen Linsenzellen synthetisieren
nun spezifische Proteine(α-, ß-, γ-, δ-Cristalline),
die typisch sind für Linsenzellen.
G. Die neue Linse bildet peripher angeordnete
Linsenepithelzellen und zentral gelegene Linsenfiberzellen.
H. Sobald sich die neue Linse gebildet hat, beenden die pigmentierten Zellen am dorsalen Rand
der Iris ihre Mitosetätigkeit. Die Zellen am unteren
(ventralen) Irisrand teilen sich kurz nach der Entfernung der ursprünglichen Linse ebenfalls für
begrenzte Zeit. Es kommt aber zu keiner Dedifferenzierung und Depigmentierung wie bei den
Zellen am oberen (dorsalen) Irisrand. Weiterhin
sind auch Retinazellen des Molchauges in der
Lage, sich unter in vitro - Bedingungen in
Linsenzellen umzuwandeln (Transdetermination
von Retina- in Linsenzellen; Arbeiten von
Lopashov (Moskau), Hoperskaya (Moskau),
Eguchi (Japan).
Diese Beispiele (Transdetermination und Transdifferenzierung) zeigen, daß differenzierteZellen
in einem bestimmten Grade und unter bestimmten
Bedingungen in der Lage sind, sich zu einen
anderen Zelltyp zu entwickeln. Diese Potenz ist
aber limitiert. Eine Irisepithelzelle kann wohl zu
einer Linsenzelle umprogrammiert werden, es ist
aber bis jetzt nicht gelungen, eine Transdifferenzierung eines anderen Zelltyps zu
erreichen. Höchstwahrscheinlich ist dies auch gar
nicht möglich. Hinweise für eine eingeschränkte
Differenzierungspotenz differenzierter Zellen
haben auch die Kerntransplantationsexperimente
geliefert.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Dies konnte dadurch gezeigt werden, daß Kerne
von Geweben in eine Zygote transplantiert wurden,
deren eigener Kern zuvor experimentell entfernt
wurde. Der „neue“ Kern wäre dann in der Lage, die
Aufgaben des entfernten Kerns zu übernehmen,
d.h. die normale Embryonalentwicklung in Gang
zu setzen. Ein solches Experiment erlaubt es die
Weißmann’sche Hypothese der eingeschränkten
Kernpotenz in den verschiedenen Geweben während und nach der Differenzierung zu widerlegen.
Briggs und King haben 1952 solche Experimente
durchgeführt, als entsprechende Mikro-transplantations-Methoden verfügbar waren. Sie konnten
zeigen, daß Kerne von Blastulazellen nach ihrer
Transplantation in entkernte Oozyten in der Lage
waren, die Entwicklung schwimmender
Kaulquappen zu realisieren. Dieses Experiment
war eine Variante von Spemanns Versuch der
verzögerten Kernversorgung eines geschnürten
Amphibieneies. Es war also schon klar, daß Blastulakerne noch über die Potenz verfügen, die
Entwicklung bis zum Larvenstadium und bis zum
metamorphosierten Frosch oder Molch zu ermöglichen. Es zeigte sich aber, daß Kerne aus zunehmend älteren Entwicklungsstadien (älter als Blastulae) kontinuierlich ihre Potenz verloren, die
Embryonalentwicklung bis zum Larvenstudium
zu realisieren.
Dabei zeigte sich jedoch, daß Kerne aus unterschiedlichen Geweben oder Keimblättern verschiedene Potenzen aufwiesen. Keimbahnzellen aus
Kaulquappen von Rana konnten in 40 % der Fälle
die Entwicklung von Oozyten bis zur Kaulquappen steuern. Kerne somatischer Gewebe (z.B.
Entoderm = zukünftiger Darm) der Kaulquappe
(Rana) waren jedoch nur in geringem Prozentsatz
in der Lage(Abb.85), die Entwicklung in Gang zu
setzen. John Gurdon konnte zeigen, daß Kerne
von Entodermzellen von KrallenfroschKaulquappen (Xenopus laevis) noch über die
Potenz verfügen, in 4 % Fälle die Entwicklung bis
zur schwimmenden Kaulquappe in Gang zu setzen.
Durch Serientransplantationen (Entodermkern in
Oozyte, Entwicklung der Oozyte bis zur Blastula,
Blastulakerne wieder in neue entkernte Oozyten)
konnten die Prozentwerte der Entwicklung zur
normalen Larve deutlich erhöht werden (Abb.84,
85). Selbst Kerne aus eindeutig differenzierten
Geweben (Schwimmhautepithel des erwachsenen
Frosches), die in "entkernte" Oozyten transplantiert wurden, konnten die Entwicklung bis zur
Neurula realisieren. Durch Serientransplantation
konnte erreicht werden, daß in zahlreichen Fällen
immerhin das Kaulquappenstadium erreicht wurde. Die Tiere starben aber kurz bevor gleichalte
Abb. 84
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normale Kaulquappen mit der ersten Nahrungsaufnahme beginnen. In sehr wenigen Fällen
entwickelten sich die Larven zu adulten Fröschen
(Abb.85). Aus diesen Ergebnissen kann gefolgert
werden, daß die Kerne adulter Gewebe noch alle
Gene enthalten, die wir auch im Oozytenkern
vorfinden. Es findet also während der Differenzierung der einzelnen Gewebe kein differenzieller
Genverlust statt. Es handelt sich vielmehr um eine
selektive Expression verschiedener Gene korreliert mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien
und Körperregionen (Organe, Gewebe). Warum
Kerne adulter Gewebe nur pluripotent und nicht
totipotent sind, ist bislang ungeklärt. In Säugern
(Maus und insbesondere Mensch) erscheint es im
Augenblick als reine Utopie durch Transplantation von Kernen differenzierter (adulter) Zellen in
entkernte Zygoten geklonte Individuen zu
produzieren. Mit Kernen früher Embryonalstadien
ist dies aber möglich. Durch Injektion von
Blastocystenkernen von schwarzen Mäusen in
Blastocsyten von weißen Mäusen konnten
Chimären erhalten werden, phänotypisch erkennbar
an der schwarz/weiß Streifung des Felles.
Besonders interessant war der Befund, daß selbst
bestimmte Krebszellen (Zellkerne aus
Teratocarcinoma-Zellinien), die tödliche Tumoren
in der adulten Maus hervorrufen, nach Implantation
in Blastocysten normaler Mäuse "normal"
werden(Abb.86). Sie werden in den Blastocystenzellverband integriert und sind nach vielen
Teilungen in sämtlichen Organen der gesunden
Maus nachzuweisen. Schon phänotypisch ist das
dadurch nachweisbar, weil das Fell schwarz/weiß
(zebraartig) gefärbt ist, da die TeratocarcinomaKerne von schwarzen Mäusen stammen und in
Albino-Blastocysten implantiert wurden (Abb.86).
Durch den Einsatz molekularbiologischer
Techniken konnte gezeigt werden, daß Zellen mit
gleichem DNA-Bestand (Äquivalenz des Genoms)
z.B. zukünftige Blutzellen bzw. zukünftige
Epidermiszellen aber jeweils andere Gene
aktivieren und entsprechende mRNA transkribieren [Blutzellen = Globin-mRNA, Epidermis =
Keratin-mRNA]. Weiter unten werden die molekularbiologischen Standardtechniken zum Nachweis der differenziellen Genexpression
beschrieben, die sowohl aus der Entwicklungsbiologie (Embryologie) als auch aus anderen Bereichen der Zellforschung (einschließlich Krebsforschung) nicht mehr wegzudenken sind und die
ständig an Bedeutung gewinnen.
Abb. 85
Abb. 86
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Furchung des Seeigelkeimes (Abb.87)
1. 2 meriodionale Furchungen
2. Im 4-Zellstadium wird dann die erste äquatoriale Furchung angelegt → das führt zum 8-Zellstadium
3. Durch meridionale Furchung werden die 4 animalen in 8 gleichgroße Blastomeren zerlegt.
4. Gleichzeitig werden die 4 vegetativen Blastomeren inäqual in 4 große äquatorialwärts liegende Makromeren und vier kleine Mikromeren
am vegetativen Pol zerlegt → 16-Zellstadium
5. Der Übergang vom 16 zum 32-Zellstadium
erfolgt folgendermaßen:
a) Die acht animalen werden durch eine latitudinale Furchung in 2 Kränze geteilt.
Abb. 87
b) Die Makromeren teilen sich durch Meridionalfurchen in einen Ring von 8 gleichgroßen Zellen.
c) Die vier Mikromeren schnüren zum vegetativen
Pol 4 kleinste Mikromeren ab.
Die 4 Mikromeren des 16-Zellstadiums teilen sich
nicht so schnell wie die übrigen Blastomeren. Sie
wandern später als primäre Mesenchymzellen ins
Innere der Blastula ein.
Im 64-Zellstadium haben wir folgende Verhältnisse:
40 an1 + an2 - Blastomeren
8 veg1 - Blastomeren
8 veg2 - Blastomeren
8 Mikromeren
Bei weiteren Teilungen werden die Größenunterschiede zwischen den Zellen verwischt und es
bildet sich eine mit Gallerte gefüllte Furchungshöhle.
Zu diesem Zeitpunkt kann man den Keim als
Blastula → Blasenkeim bezeichnen.
Erklärung des Begriffes "Determination": Man sagt, eine
Zelle ist determiniert, wenn ihre Entwicklungsrichtung
festgelegt ist, d.h. wenn eine Zelle unwiderruflich programmiert worden ist, sich z.B. zu einer Muskel- oder Gehirnzelle
zu entwickeln. Unter Differenzierung versteht man die
Ausprägung von Merkmalen, die spezifisch für eine Zelle,
einen Zellverband oder ein Organ sind.
In der molekularen Entwicklungsbiologie kann der Differenzierungszustand und Differenzierungstyp bestimmter
Zellen durch molekulare Marker (antisense-RNA oder monobzw. polyklonale Antikörper) bereits vor der histotypischen (histologisch charakterisierbaren) Differenzierung
nachgewiesen werden.
[Histologie = Gewebelehre].
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
1. Die Echinodermen-Blastula ist bereits früh bekleidet mit beweglichen Wimpern. Sie bewegt
sich zuerst in der Eihülle und schwimmt nach dem
Ausschlüpfen frei beweglich umher.
2. Auswachsen von Wimpern am animal Pol.
3. Abplattung des vegetativen Pols.
4. Einwanderung (von dort aus) des primären
Mesenchyms, das von den Mikromeren des 16Zell-Stadiums abstammt.
5. Ringbildung des primären Mesenchyms um die
Basis des Urdarms mit 2 größeren (paarigen)
Anhäufungen links und rechts an der künftigen
Ventralseite des Keims. Damit zeigt der Keim
bilateral-symmetrischen Bau. Besonders deutlich ist dies etwas später in der Entwicklung,
siehe bei Prismenstadium.
6. Ausscheidung von Dreistrahlern als erste Anlage des Larvenskeletts in den paarigen Ansammlungen der primären Mesenchymzellen.
7. Auswanderung von sekundären Mesenchymzellen vom Gipfel des Urdarmdaches.
8. Seitlich werden als Mesoderm die Coelomsäcke abgeschnürt.
9. Gliederung des Darmes in Oesophagus, Mitteldarm und Enddarm.
10. Der Darm krümmt sich zur künftigen
Ventralseite. Der animale ventrale Teil plattet
sich zum Oralfeld ab.
11. Das Ektoderm auf der Dorsalseite wächst
stärker als auf der Ventralseite und dehnt sich
aus → Entstehung des Prismenstadiums.
12. Einsenkung des Ektoderms auf der Ventralseite als Mundbucht und Verschmelzung mit
dem Urdarmgipfel. → Der Anfang des Oesophagus ist also ektodermaler Herkunft.
→Deuterostomia*
13. Schließlich wachsen die Oral- und Analfortsätze aus → Entstehung der Pluteuslarve
*Deuterostomia: Urmund wird zum After. Der
Vorderdarm bricht sekundär zur Mundbucht durch.
Nervensystem wird auf der Rückenseite angelegt.
Protostomia: Urmund wird zur späteren Mundregion. Der After entsteht durch sekundäre Einsenkung des Ektoderms und verschmilzt mit dem
caudalen Teil des Urdarms. Neuralsystem wird
auf der Bauchseite angelegt.
Ebenso wie bei Amphibien, konnte bei den Seeigeln die prospektive Bedeutung bestimmter
Keimbezirke durch Farbmarkierungen bestimmt
werden → Vitalmarkierungs-Versuche mit Vitalfarben (s.Abb. im Anhang).
Der Zellkranz an1 des 16-Zellstadiums liefert
einen ganz bestimmten Ektodermbereich. Werden
im 16-Zellstadium die Makromeren angefärbt, so
wird neben dem Darm auch ein großer Teil Ektoderm gefärbt.
Die Grenze zwischen Ektoderm und Entoderm
muß also innerhalb der Makromeren des 32-ZellStadiums verlaufen, beim 64-Zellstadium also
zwischen veg1 und veg2. Das konnte durch Anfärbung von veg2 (und Mikromeren) des 64Zellstadiums gezeigt werden.
Wird der gesamte animale Teil eines 8-oder 16Zellstadiums isoliert aufgezogen, so geht daraus
nur ein Wimpern trangendes Fragment hervor
(Es findet keine Gastrulation statt). Dagegen ist
der vegetative Bereich in der Lage, zu gastrulieren
und Larven zu bilden.
In der vegetativen Hälfte ist also Material vorhanden, aus dem in der Normogenese primäres
Mesenchym, Entoderm und ein Teil des
Ektoderms hervorgeht. Bestimmte Bereiche
können jedoch durch andere Keimregionen ersetzt
werden (reguliert werden). Der EchinodermenKeim ist also kein Mosaikkeim. Dies konnte
durch
Kombinationen
verschiedener
Keimbereiche gezeigt werden.
Die einzelnen Zellkränze sind also nicht streng
gemäß ihrer prospektiven Bedeutung in ihrer
Entwicklung festgelegt.
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Ihre prospektive Potenz ist also größer als ihre
prospektive Bedeutung.
Man kann also für Mosaik- im Vergleich zu Regulations-Eiern folgende Definitionen anwenden:
Mosaik-Eier: prospektive Potenz = prospektive
Bedeutung
Regulations-Eier: prospektive Potenz > prospektive Bedeutung.
Diese konnte auch durch Defektversuche gezeigt
werden ( Abb.88)
Normalerweise geht aus veg2 der Darm, nicht
aber das Skelett hervor.
Aus veg1 geht ein Teil des Ektoderms hervor, bei
gleichzeitiger Anwesenheit von Mikromeren aber
Darm, wobei sich die Mikromeren selber
zum Larvenskelett entwickeln.
Auch bei Fehlen der vegetativen Blastomeren,
aber bei Anwesenheit der Mikromeren entsteht
eine normale Pluteuslarve(Abb.88 an1+4
Mikromeren; an2+2 Mikromeren).
Abb. 88
Daraus wurde geschlossen, daß ein animal/vegetatives Gefälle vorhanden sei. Nur bei Kombination von animalen und vegetativen Keimberei- Abb. 89
chen in der richtigen Relation erhält man vollständige (normale) Pluteuslarven. Das konnte in
Kombinationsversuchen animaler und vegetativer
Blastomeren gezeigt werden (Abb.88).
Diese Ergebnisse wurden mittels der GradientenHypothese von Hörstadius, Runnström und Cziak
erklärt (Abb.89).
Die höchste animale Tendenz ist im obersten
Zellkranz an1 vorhanden, die höchste vegetative
in den Mikromeren. Werden entsprechende Keimbereiche, animale und vegetative, in der richtigen
Relation kombiniert, erhält man normale Larven.
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Insektenentwicklung
Die Insekten sind erst recht spät Objekte der
Entwicklungsphysiologie geworden. Besonders
erwähnenswert sind die Experimente zur Transdetermination von Zellen in Imaginalscheiben
von Hadorn, der Nachweis von Genaktivitäten an
Riesenchromosomen (Beermann), die Wirkung
der Metamorphose steuernder Hormone (Karlson) und Schnürungsexperimente zur Kausalanalyse der Entstehung der Körperachse (Sander,
Kalthoff, Ilmensee). In neuester Zeit wurden gerade mit Insekten (insbesondere Drosophila = Tau
fliege) weitreichende molekulargenetische Ergebnisse erzielt (Gehring, Jäckle, Nüsslein-Volhard,
Lewis (USA), Wieschaus (USA); Nobelpreis
1995 für die 3 letzten Wissenschaftler). Von großer
Bedeutung auch für die Vertebratenentwicklung
einschließlich Mensch sind die Befunde über Maternaleffektgene, Segmentierungsgene und eine
Homeobox enthaltende Gene (Abb. 120, 121).
Da die Insekten die artenreichste Tierklasse
darstellen (wichtige Vertreter im Ökosystem),
erscheint es mir für angehende Biologen (nicht
nur für entwicklungsbiologisch Interessierte) als
besonders notwendig, sich mit der Embryonalentwicklung dieser Arthropoden vertraut zu
machen.
Die Insekten weisen schon während der Oogenese
(Abb. 90) eine centrolecithale Dotterverteilung
auf und furchen sich deshalb später superfiziell.
Zunächst soll eine allgemeine schematische Darstellung (Prototyp) der Entwicklung ohne Konzentrierung auf einen bestimmten Eityp erfolgen:
1.
Abb. 90 Verschiedene Eifachtypen bei Insekten
panoistisch (links)
meroistisch-polytroph (Mitte)
meroistisch-telotroph (rechts)
Die Kernteilungen beginnen in der Tiefe
des Dotters. Insekteneier sind sehr dotterreich mit zentral angeordnetem Dotter
(centrolecithal). Die Kerne liegen im sogenannten Furchungszentrum umgeben
von Cytoplasmahöfen (Abb.91 a-c).
96
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2.
Mit den Cytoplasmahöfen wandern die
Kerne (Furchungsenergiden ) bei gleichzeitiger Vermehrung (viele Mitosen) auseinander und dann zur Eioberfläche.
3.
Dort verschmilzt ihr Hofplasma mit einer
Cytoplasmaschicht an der Eioberfläche,
dem Rindenplasma oder dem sogenannten Periplasma.
4.
Nach weiterer Kernvermehrung erfolgt
das Auftreten von Zellgrenzen. Dieses
einschichtige Oberflächenepithel stellt
das Blastoderm dar (Blastodermstadium).
5.
Ausbildung der Keimanlage. Die Zellen
im Bereich der zukünftigen Keimanlage
werden höher, teilen sich häufiger und
scharen sich enger zusammen als im übrigen Blastoderm. Diese Region entspricht
dem späteren Thorax, dem sogenannten
Differenzierungszentrum. Von hier gehen alle weiteren Prozesse aus. Im typischen Falle formt sich eine paarige Keimanlage. Diese Keimanlage schließt sich
ventralwärts zu einer schild- oder herzförmigen Anlage zusammen.
Ihr vorderer Teil verbreitert sich zu den
paarigen Kopflappen. Je nach Art kann
die Keimanlage einen großen Teil des
Blastoderms einnehmen oder aber nur
winzig sein (1/8-1/20 der Eilänge) z.B.
bei der Libelle Platycnemis pennipes.
6.
7.
Abb. 91
Die Mittelplatte senkt sich unter Bildung
einer „Primitivrinne“ als unteres Blatt ein
und wird von den Seitenplatten, die das
Ektoderm bilden, überwachsen. Dieser
Vorgang geht vom Differenzierungszentrum aus und schreitet nach vorne und
hinten fort ↔ . Vom Differenzierungszentrum geht auch die Segmentierung
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des Körpers aus. 1. Segmentgrenze zwischen 2. Maxille und 1. Thoraxsegment.
Sobald die Ektodermseitenplatten sich
median zusammengeschlossen haben,
wird die Keimanlage als Keimstreif bezeichnet.
8.
Aus dem extraembryonalen Blastoderm
entwickeln sich 2 Embryonalhüllen, eine
äußere, die Serosa und eine innere, das
Amnion. Das Amnion geht vom Rand der
Keimanlage aus und schließt sich über
ihr. Die sich bildende Amnionhöhle oder
Keimhöhle ist mit einer Flüssigkeit gefüllt, auf der die Keimanlage ruht und in
die später die Extremitäten vorgestülpt
werden.
9.
Das Ektoderm stülpt sich in der Nähe des
Vorder- und Hinterendes ein zu Vorderund Hinterdarmanlage.
10.
Vom Differenzierungszentrum ausgehend sondern sich nach hinten und vorne
und seitlich Neuroblastengruppen ab, aus
denen die Ganglien des Bauchmarkes
hervorgehen. Im Kopfbereich gliedert
sich die paarige Anlage des Gehirns vom
Ektoderm ab.
11.
Im unteren Blatt trennen sich von einem
Mittelstreifen, der im typischen Fall zu
Entoderm wird, paarige Seitenstreifen als
Mesoderm ab.
Gemäß der Ektodermsegmentierung gliedert sich
das Mesoderm. In jedem segmentalen Abschnitt
entsteht eine Coelomhöhle. Die Coelomsäcke öffnen sich später zur allgemeinen Leibeshöhle und
Abb. 92
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die Teile ihrer Wand liefern Anlagen der:
1. Skelettmuskulatur
2. Muskelumkleidung des Darmes
3. Mesodermale Umkleidung anderer Organe
4. Fettkörper
5. Blutzellen.
Alle Organe werden zunächst im ventralen Keimstreif angelegt; dann wachsen die Seitenteile im
Zusammenhang mit dem Amnion dorsalwärts und
vollziehen den Rückenschluß. Bei sogenannten
Kurzkeimen (kleine Keimanlage) streckt sich der
Embryo während der Entwicklung, krümmt sich
dabei und wird tief in die Dottermasse eingesenkt
(Einrollung). Später wird diese Einrollung durch
eine Ausrollung wieder rückgängig gemacht. Dies
ist der Fall beim Kurzkeim der Libelle Platycnemis pennipes. Die Honigbiene ist ein typischer
Vertreter des Langkeims.
Determinationsvorgänge bei den
Insekten (Klassische Versuche von Kalthoff
und Sander, u.a.)
Über die frühembryonalen Determinationsvorgän-
ge bei Insekten geben Schnürungs- und UVBestrahlungsexperimente Auskunft.
Man kann folgende Zentren unterscheiden:
1. Bildungszentrum (BZ)
2. Differenzierungszentrum. (DZ)
Ohne ihre Aktivität kann keine normale Entwicklung erfolgen. Wird während der Furchung ein
kleines Stück des Hinterendes des Keimes abgeschnürt, bevor die Kerne die Eioberfläche erreicht
haben, entsteht ein normaler Keim.
Legt man die Schnürung nur wenig weiter nach
vorn, entsteht überhaupt kein Keim.
Es geht also vom Bildungszentrum, wenn es mit
Kernen versorgt ist, eine Information zum vorderen Teil des Keimes aus, die wichtig zur weiteren
Differenzierung ist.
Ebenso wichtig ist eine Region in der mittleren
Zone des Keimes, das sogenannte Differenzierungszentrum.
Vor oder hinter dieser Zone im 512-Zell-Stadium
geschnürt, läßt den Keim nur dort entstehen, wo
das Differenzierungszentrum enthalten ist. Durch
Abb. 93
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UV-Bestrahlung wird eine Verschiebung des DZ
bewirkt.
Im Blastodermstadium liegt der Ort des DZ schon
fest und nur der Teil, der das DZ enthält, bildet
einen Keim.
Schnürung in der Mitte des DZ → beide Hälften
entwickeln eine Keimanlage.
Neueste Forschungen (Arbeiten von Jäckle,
Nüsslein-Volhard, Wieschaus, Lewis)
Die weitgehende Aufklärung der Mechanismen
bei der Konstruktion des Körperbauplanes
(Körpergrundgestalt) von Drosophila während der
frühembryonalen Entwicklung wurde begünstigt
durch drei wesentliche Gesichtspunkte:
Unvollständige Schnürung während der Furchung ergibt → Kopf vorne und Rumpf hinten
1.Verfügbarkeit von Mutanten bei gleichzeitiger
Erklärung:BZ und DZ können ungehindert ihre
kurzer Generationszeit
Wirkung ausüben. Die weitere unvollständige
Entwicklung liegt daran, daß die Einrollung be- 2. Freie Diffusion von Morphogenen im gesamten
hindert ist durch die Schnürung.
Embryo (keine Aufteilung [Kompartmentierung] des Embryos in der Frühphase
Es ist also folgende Reaktionsfolge festzustellen:
der Embryonalentwicklung; bei den Seeigeln
und Vertebraten erfolgt bereits kurz nach der
1. Aktivierung des Bildungszentrums durch einBefruchtung die Aufteilung in Blastomeren)
wandernde Kerne.
2. Aktivierung des Differenzierungszentrums 3. Anwendung molekularbiologischer Technikdurch das Bildungszentrum.
en und ergänzender genetischer Untersuchungen
Das Bildungszentrum ist nicht mit den Polzellen
zu verwechseln. Aus ihnen gehen die Keimzellen Am Aufbau der Körpergrundgestalt sind 5 Klassen
hervor. Es handelt sich um Furchungskerne, die in von Genen beteiligt:
das Posterior-Ende eingewandert sind und durch
das dortige Rindenplasma zu Keimzellen deter- 1. Maternale Gene (Eipolaritätsgene = egg
miniert werden. Sie werden als Polzellen nach
polarity genes)
außen abgeschnürt, später wieder in das Keimin- 2. Gap-Gene
nere aufgenommen und gelangen in das Meso- 3. Paaregelgene
derm der Genitalanlage. Werden Sie durch UV 4. Segmentpolaritätsgene
bestrahlt, so entstehen unfruchtbare Individuen 5. Homöotische Gene
(Abb. 13B ).
Diese mittels klassischer embryologischer Im Folgenden die Schilderung der Prozesse nur in
Methoden erzielten Erkenntnisse sind durch die Grundzügen.
molekulargenetischen Methoden in jüngster Zeit (Darstellung der detaillierten und komplizierten
vertieft und erweitert worden. Die Grundprinzipien Abläufe ist Stoff meiner Vorlesung im Hauptder Embryonalentwicklung sind somit auch aus studium)
molekularbiologischer Sicht weitgehend
aufgeklärt worden (Campos-Ortega, Jäckle, Zunächst wird im Insektenei festgelegt, wo sich
Gehring, Nüsslein-Volhard, Lewis, Wieschaus). später der Kopf und das Schwanzende befinden
werden (Determination der Eipolarität). Weiterhin
wird die Rücken- und Bauchseite determiniert.
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Diese Programmierung erfolgt durch mütterliche
(maternale) Faktoren, von denen man bis jetzt 25
kennt. Anteriore Organisatorgene determinieren
den Kopf und Thoraxbereich, posteriore
Organisatorgene kontrollieren die Entwicklung des
Abdomens. Terminale Organisatorgene
determinieren die Bildung von Terminalstrukturen
am Vorder- bzw. Hinterende des Embryos.
Es handelt sich bei den erwähnten Prozessen um
ein kompliziertes Wechselspiel zwischen
verschiedenen Transkriptionsfaktoren und
Faktoren, die an der Synthese, Transport und
Lokalisierung der anterioren und posterioren
Signalfaktoren beteiligt sind.
So bilden sich zunächst zwei gegeneinander
gerichtete Gradienten. Einer wird durch das Gen
biocoid (mRNA, Protein und Gradient) von anterior
nach posterior (cranial nach caudal) realisiert und
ein entgegengesetzter Gradient, gesteuert durch
Gene wie nanos und caudal, verläuft von caudal
nach cranial (Abb.120 ). Weiterhin wird schon im
Ei die dorsoventrale Polarität (Rücken/Bauch)
durch lokalisierte Signale ausgehend von den die
Eizelle umgebenden Follikelzellen(Abb.61)
festgelegt (Abb. 90F; Drosophila-Typ:Abb.90
Mitte). Sie binden an Rezeptoren auf der
Außenseite des Eies. Das dadurch erfolgende
transmembrane Signal kontrolliert die Verteilung
eines genregulatorisch wirksamen Proteins. Durch
die asymmetrische Verteilung des dorsal-Proteins
und das in den perivitellinen Raum sezernierte
Protein (decapentaplegic = dpp) kommt es zur
Interaktion mit weiteren Genen cactus und twist
und letztendlich zur Determination der dorsoventralen Polarität. Besonders erwähnenswert ist,
daß dpp-Gen für ein Protein der TGFβSuperproteinfamilie kodiert. Activin (zuerst als
vegetalisierender Faktor beschrieben) ist ebenfalls
ein Mitglied der TGFß-Superfamilie und spielt
während der Amphibien-entwicklung (Xenopus
laevis) eine bedeutsame Rolle bei der MesodermBildung und ist wahrscheinlich bei der Ausbildung
der dorso-
ventralen Polarität wesentlich beteiligt.
Bei Drosophila bewirkt der biocoid Konzentrationsgradient in einem weiteren Schritt die
streng koordinierte Expression von Lücken-,
Paarregel-, Segmentpolaritäts- und homöotischen
Genen. Dadurch kommt es zu einer stufenweisen
Untergliederung des Embryos in sehr regelmäßig
angeordnete Segment- und Untersegmentstrukturen (Abb. 120, 121).
Nachdem die Segmentgrenzen festgelegt sind,
werden die segmentspezifischen Charakteristika
programmiert. Dies geschieht durch homöotische
Gene (homeotic selector genes [Lewis 1978]). Es
gibt zwei Regionen auf dem Drosophila
Chromosom 3, welche die meisten dieser
homöotischen Gene enthalten (Abb. 117 ). Es
handelt sich dabei um den Antennapedia-Komplex
und den Biothorax-Komplex (Lewis 1978
[Nobelpreis 1995], Abb. 118 ).
Abb. 94 Hypothese zur Evolution der Insekten
Durch Modifikation und Duplikation homeotischer Gene können
bestimmte Körpersegmente im Laufe der Evolution verdoppelt
oder auch reduziert werden (flügellose, Dipteren,
Odonata=Libellen).
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Die vierflügelige Fruchtfliege wurde erzeugt durch Postembryonale Entwicklung der In3 Mutationen im Bereich der cis-Regulatoren des sekten
Ultrabithorax-Gens. Dadurch wird das 3.
Thoraxsegment in ein dem 2. Thoraxsegment Je nachdem die Insekten nach Sprengen der Eischaähnliches Segment umgewandelt (Verwandlung le schon Ähnlichkeiten zum erwachsenen Tier
der Halteren [Schwingkölbchen]) in ein weiteres aufweisen, unterscheidet man
Flügelpaar).
1. Hemimetabole Insekten (z.B. Heuschrecken
Diese entwicklungsbiologisch/genetischen [Orthopthera], Läuse und Wanzen [Hemiptera]
Erkenntnisse sind von enormer Tragweite für das 2. Holometabole Insekten (z.B. Käfer und SchmetVerständnis der Evolution. Durch Duplikation und terlinge)
Abwandlung von homöotischen Genen des Die Hemimetabolen wandeln durch mehrere HäuBithorax-Antennapedia-Komplexes könnte die tungen die larvalen Organe ganz allmählich in die
Segmenspezifikation bei der Insektenevolution von adulten um(Abb.95). Umwandlung von Larve
tausendfüßler-ähnlichen Insekten bis zu den 4- (flügellos, über das Nymphen-Stadium (äußere
und 2-Flüglern (Orthoptera, Diptera) vonstatten Flügelanlagen in Flügelscheiden) zum nicht deutgegangen sei (Abb.94 ).
lich anders aussehenden adulten Tier (Imago).
Abb. 95
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Die Holometabolen legen Imaginalscheiben an.
Dies sind Epidermiseinstülpungen, die mehr oder
weniger tief eingesenkt sind (Abb.96).
X = extraembryonales Hüllmaterial vor dem Keim
A = Kopfsegmente
B = Mandibelregion
C = Thorax
D = Vordere Abdominalsegmente
1. Schnürung des späten Blastodermstadiums
ergibt zwei Teilembryonen, die zusammen
alle Strukturen des gesamten Embryos darstellen.
Abb. 96
Aus ihnen gehen die Beine, Flügel , Komplexaugen und die vom Ektoderm gelieferten Teile des
Geschlechtsapparats hervor. Nach mehreren Larvenhäutungen entsteht die Puppe und schließlich
die Imago. Bei dieser vollständigen Metamorphose sehen die Imago-Organe ganz anders aus als die
larvalen.
Die Kernäquivalenz (Pluripotenz) konnte auch
für Insekten (Drosophila) ähnlich den Experimenten von Gurdon an Amphibien festgestellt werden.
R egionale Differenzierungsunterschiede müssen
auf Qualitätsunterschiede im kortikalen Plasma
zurückgeführt werden. Daß bestimmte Gradienten, vor allem anterior/posterior, cranial/caudal
im Insektenei vorhanden sind, konnte schon durch
die klassischen auch durch die Versuche von Sanders an der Kleinzikade Euscelis gezeigt werden.
Der hintere Pol ist durch eine Ansammlung symbiontischer Bakterien gekennzeichnet. Die Regionen des Eies wurden von Sanders folgendermaßen gekennzeichnet (siehe Abbildungen S.48,
50 bei Ede:Einführung in die Entwicklungsbiologie
und Wolpert: Principles of Development, Abb.
5.34, hier verändert im Skript Abb. 97):
2. Wird die Schnürung aber an einem früheren
Stadium, nämlich Stadium der Kernvermehrung durchgeführt, fehlen dem entstehenden
Teilembryo sämtliche mittleren Strukturen. Gemäß der Doppelgradientenhypothese war offensichtlich der Gradient zum Zeitpunkt der
Schnürung noch nicht aufgebaut. (Fehlen der
Information zur Bildung mittlerer Strukturen).
3. Bei einer Schnürung im Kernvermehrungsstadium und Plazierung des Hinterpolmaterials
(HPM) mit der Bakterienkugel direkt vor die
Schnürstelle, bildet sich hinter der Schnürung
ein defekter Embryo, während vorne ein stark
verkürzter, aber normaler Embryo entsteht.
Das zeigt, daß offensichtlich nun im vorderen
Schnürbereich die Quelle des hinteren Gradienten in Form des Plasma/Symbionten-Materials transplantiert wurde.
4. Verschiebt man die Schnürung ganz nach vorne
und plaziert das HPM direkt dahinter, so bildet
sich vorne nur extraembryonales Hüllmaterial, hinten aber ein Doppelabdomen. Das erkärt
sich daraus, daß hinten Informationen für das
Abdomen bestehen bleiben. Durch Transplantation des HPM wird auch dort ein Abdomengradient vor der Schnürung gebildet. Es
überwiegen die hinteren über die vorderen
Faktoren.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
5. Verschiebt man im Kernvermehrungsstadium
das HPM zur Mitte des Eies und schnürt erst im
späten Blastodermstadium, wenn sich der neue
Gradient bereits ausgebildet hat, dann ist es
gleichgültig, ob vor oder hinter der Symbiontenmasse geschnürt wird. In jedem Fall bildet
sich anterior ein kompletter verkürzter Embryo und hinten ein inverser Halbembryo.
mit großer Akribie sowohl am Modellsystem
Drosophila als auch an den VertrebratenModellsystemen Xenopus laevis und Maus/Ratte
fortgesetzt. Der Interessierte an diesem zentralen
Forschungsgebiet der modernen Molekulargenetischen Entwicklungsbiologie sei für weiterführende Studien auf die Lehrbücher Gilbert: Developmental Biology und Albers et al.: Molekularbiologie der Zelle) verwiesen. Molekulargeneti6. Bei der Chironomide Smittia konnte Kalthoff sche Grundlagen werden auch in meiner Vorledurch UV-Bestrahlung des vorderen Eipols sung : Entwicklungsbiologie und Zellbiologie
zum Zeitpunkt der Kernmvermehrung und (Hauptstudium) vermittelt.
Kernmigration Doppelabdomenkeime erzeugen. Auch diese Befunde stehen mit dem Doppelgradientenmodell im Einklang. Offensichtlich wird der vordere Gradient durch UV zerstört. Durch RNase- Behandlungen des Vorderpols entsteht ein Doppelabdomen. Offensichtlich handelt es sich bei den Targets der
Bestrahlung und RNase-Behandlung um RNPPartikel (Ribonukleoprotein-Partikel), die maskierte maternale m-RNA darstellen. Da der
Prozentsatz UV-induzierter Doppelabdomen
zum Zeitpunkt der Kernvermehrung am größten war, wird die mRNA eventuell zu diesem
Zeitpunkt translatiert.
Die Existenz solcher Gradienten ist auch in jüngster Zeit mit molekularbiologisch-gentechnischen
Methoden bestätigt worden. Maternaleffektgene
wie bicoid und caudal (Abb.116,12) erzeugen im
befruchteten Ei anterior-posterior0e Gradienten.
Gradienten homeotischer Gene findet man auch
während der Embryonalentwicklung der Amphi- Abb. 97 Erklärung siehe Text
bien und der Säuger. Die modernen
leistungsfähigen molekularbiologischen Techniken haben den Kenntnisstand in den letzten Jahren
über zellbiologischen Entwicklungsprinzipien
(gültig auch für andere Organismen) am Modellsystem der Insektenentwicklung (insbesondere
Drosophila) exponentiell erweitert. Diese Forschungsaktivitäten werden auch im Augenblick
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Vogelembryogenese
Die Bedeutung der Kenntnis der frühembryonalen Entwicklung der Vögel besteht in der großen
Ähnlichkeit mit der Entwicklung der Säugetiere
(einschließlich Mensch). Reptilien, Vögel und
Säuger lassen sich zu den sogenannten Amniota
zusammenfassen, deren Embryonen eine spezielle Eihülle (das Amnion) ausbilden. Die Besonderheit des Vogeleies besteht darin, daß es im
Gegensatz zum Säugerkeim für Beobachtungen
relativ leicht zugänglich ist. Wesentlicher Unterschied zwischen Vogel- und Säugerkeim ist der
Dotterreichtum der Vogelembryonen. Es gibt
Hinweise dafür, daß die Eier der Säugetiere während der Evolution erst sekundär wieder dotterarm
geworden sind. Das wurde möglich, weil die Entwicklung innerhalb des mütterlichen Organismus
abläuft und ihre Ernährung über den mütterlichen
Kreislauf erfolgt. Die Eizelle des Vogels (wir
besprechen hier die Entwicklung des Huhns) ist
der Dotter des Hühnereies (Abb.98). Sie löst sich
nach Abschluß ihrer Reifung aus dem Eierstock,
wird mit einer Eihaut, dem Oolemm, umhüllt und
wird während ihrer Wanderung im Eileiter mit der
Eiweißhülle und schließlich mit einer Kalkschale
umkleidet. Beide sind Sekrete der Wandepithelien des Oviducts. Die Hauptmasse der Eizelle
besteht aus Nährdotter, bestehend aus kleineren
und größeren Fettkügelchen. Direkt unter dem
Oolemm, am animalen Pol des lebendigen Eies,
liegt ein kleiner, weißer Fleck. Das ist die Keimscheibe. Sie liegt im lebenden Ei immer oben
(orientiert sich auch nach Drehung des Eies immer
wieder nach oben). Beim Dotter kann man zwei
Typen unterscheiden: a) weißer b) gelber Dotter. Sie sind abwechselnd schalenförmig im Ei
gelagert. Der weiße Dotter umgibt das ganze Ei
unter dem Oolemm. Unter der Keimscheibe kommt
er aber in größeren Mengen vor und dringt als
kolbenförmiger Zapfen (Latebra) bis in den Mittelpunkt der Dotterkugel vor. Die Dotterkugel
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 98
wird innerhalb der Kalkschale festgehalten durch
zwei spiralig gedrehte Stränge, welche aus einer
besonders zähen Eiweißsubstanz bestehen (Chalazen). Sie ziehen sich zu den beiden Polen des
Eies und sind dort mit der inneren Schalenhaut
verbunden, der Membrana testae. Die Kalkschale
(Testa) besteht aus einem durch Kalksalze imprägnierten Fasergerüst, das luftdurchlässig ist. Das
Ei wird kurz nach der Ablösung aus dem Eierstock
im Oviduct befruchtet und beginnt sofort mit der
Furchung. Bei der Eiablage befindet sich das Ei im
Gastrulastadium. Das war der Grund dafür, daß
für viele experimentelle Untersuchungen an frühen Furchungsstadien die Amphibien vorgezogen
werden, die vom ungefurchten Ei an außerhalb
des mütterlichen Organismus heranwachsen.
Furchung
Bei den Vögeln beobachten wir eine partielle oder
discoidale (scheibenförmige Keimanlage) Furch
ung mit einer telolecithalen Dotterverteilung. Das
Ei furcht sich nur im Bereich der Keimscheibe, die
große Dottermasse wird nicht in die Furchungsprozesse einbezogen.
Die ersten beiden Furchungen erfolgen vertical,
die 3. Furchung verläuft wie bei den Amphibien
horizontal; danach folgen unregelmäßige Teilungen (horizontal bzw. vertical).
Die Keimscheibe wächst sowohl flächenhaft als
auch in der Dicke.
Mit dem Beginn der Bebrütung (Gastrula) verflüssigt sich der Dotter (weiße Dotter) unter der Keimscheibe und es entsteht die sogenannte Subgerminalhöhle . Sie ist mit Einschränkungen vergleichbar
mit dem Blastocoel bei den Amphibien. Sie vergrößert sich zunehmend mit der Ausbreitung der
Keimscheibe. Nur ein Teil der Keimscheibe wird
zum Keimfeld des Embryos. Diese sogenannte
Area pellucida, dem innersten Hof der Keimscheibe, liegt halb transparent über der Subgerminalhöhle. Weiter peripher schließt sich die Area opaca an. Das ist eine Zone, in welcher die Keimscheibe dem entodermalen Randwulst aufliegt, der die
Subgerminalhöhle begrenzt. Noch weiter peripher
folgt dann das Dotterfeld, Area vitellina, das im
Laufe der Entwicklung von der Keimscheibe überwachsen wird. Das Hinterende der Keimscheibe
ist verdickt und kennzeichnet bereits vor der Bebrütung die Längsachse des Keims.
Kurze Zeit nach der Eiablage ist der Keim zweischichtig geworden. Das Entoderm hat sich gebildet. Es hat sich durch Abspaltung (Delamination)
aus der Masse der Furchungszellen gelöst (Delaminations-Entoderm). Ein Teil der Zelle stammt
aber auch vom posterioren Teil der Keimscheibe.
Eine Invagination findet nicht statt (bezüglich des
Entoderms).
Im Entoderm werden schon während der Furchung im cranialen Bereich der Keimscheibe die
Urgeschlechtszellen lokalisiert.
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Nach 10-12 h Bebrütung wird in der Area
pellucida von hinten (caudal) nach vorne (cranial) ein verdickter Zellstreifen im Ektoderm,
der sogenannte Primitivstreifen sichtbar. Am
vorderen Ende bildet sich der sogenannte Primitivknoten oder auch Hensenscher Knoten(
Abb.99).
Abb. 100
Abb. 99
18 Std. Bebrütung (Abb. 100)
Vom Hensenschen Knoten wird nach cranial
(kopfwärts) unter dem Ektoderm ein feiner
Längsstreifen gebildet, der sogenannte Kopffortsatz (Chorda dorsalis).
18-30 Std. Bebrütung (Abb. 100)
Cranial bildet sich die Medullarplatte, die durch
Auffaltung zur Rinne und dann zum Rohr wird.
Gleichzeitig wird caudal die Primitivrinne kürzer. Wenn das Medullarrohr bis auf den noch
offenen Neuroporus posterior, in dessen Boden
er Hensensche Knoten liegt, geschlossen ist,
beginnt sich der Embryonalkörper von der Area
pellucida, der Keimscheibe, abzufalten.
Vor dem Medullarrohr (cranial) bildet sich die
Amnionfalte, erhebt sich über den Kopf, während der Embryo gleichsam in den Dotter einsinkt. Anschließend bilden sich die seitlichen
Amnionfalten, später die hinteren Amnionfalten bis der gesamte Embryo eingeschlossen ist.
Alles, was außerhalb dieser Falten liegt wird als
extraembryonaler Teil der Keimanlage bezeichnet. Die Herzanlage bildet sich durch Abfaltung des visceralen Mesodermblattes auf der
Ventralseite des Embryos, wo sich die beiden
Blätter zur zunächst paarigen Herzanlage vereinigen. Im Gegensatz zu Fischen und Amphibien, die nackt in den Hüllen ihrer Eier liegen,
entwickeln die Embryonen der Vögel und
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Säugetiere neben einem Dottersack, den auch
die Fische besitzen, folgende Strukturen:
1.Amnion
2.Chorion und
3.Allantois.
hen aus einer ektodermalen und mesodermalen
Schicht. Der Dottersack wird von allen 3 Keimblättern fast ganz umwachsen.
75 Std. Bebrütung
Es handelt sich bei diesen extraembryonalen Organen um zellig gegliederte Systeme. Sie gehören zur
lebenden Substanz des Embryos, wenn sie auch bei
der Geburt oder beim Schlüpfen abgeworfen
werden. Aufgrund des Fehlens oder Besitzes dieser
Organe teilt man die Wirbeltiere ein in:
I. Anamnier (Fische, Amphibien)
II. Amnioten (Reptilien, Vögel, Säuger)
Der Dottersack (Saccus vitellinus)
(Bruchsack des Mitteldarms)
I. Bei Fischen, Reptilien und Vögeln ist der Dottervorrat extraembryonal lokalisiert und primär (von
Anfang an) vorhanden.
II. Bei Säugetieren wird der Dottersack als gewisser Nahrungsvorrat erst sekundär gefüllt.
Dem Dottersack liegt das viscerale Mesodermblatt an, das durch sein engmaschiges
Kapillarsystem den Dotter abbaut und dem Embryo
als Nahrung zuführt. Der Darm faltet sich im
Laufe der Embryonalentwicklung vom Entoderm
des Dottersackes ab, bleibt aber mit diesem durch
den Dottersackgang, Ductus omphaloentericus
oder vitellinus, innerhalb des Nabelstranges verbunden. Bei den Sauropsiden wird der Dottersack
in den Darm aufgenommen und so wieder zurückgezogen. Bei den Säugern wird er vom Darm
abgeschnürt und bei der Geburt abgeworfen.
Das extraembryonale Cölom hat sich durch die
mächtige Entwicklung der Allantois stark erweitert (Abb. 104). Das an die Eiweißschicht angrenzende amniogene Chorion umhüllt den ganzen
Keim und den Dottersack bis auf eine kleine
Stelle am vegetativen Pol.
Durch das dem Chorion anliegende viscerale Mesodermblatt der Allantois erfolgt später in ganzer
Ausdehnung die Vascularisation des Chorion (allantoide Vascularisation). Die dem Amnion anliegende Fläche des visceralen Allantoisblattes
verwächst mit dem Amnion und bildet das sogenannte Muskelblatt, aus dem glatte Muskulatur
entsteht. Der Nabelring (N) schließt, vom Amnion umhüllt (Hautnabel) den Dottersackgang und
Allantoisgang ein. Beide liegen innerhalb ihres
Nabelstrangcoeloms.
50-60 Std. Bebrütung (Abb. 104)
Der Embryo ist vom Dottersack abgefaltet und in
ihn hineingesunken. Amnion und Chorion beste
Abb. 101
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Entwicklung des embryonalen Blutgefäßsystems (Amphibien - Vögel)
Amphibien
Ab dem Schwanzknospenstadium müssen die
Nahrungsstoffe aus dem im Darmboden vorhandenen Nährdotter allen Embryobereichen zugeführt werden.
Dargestellt ist in der Abbildung 103 der unter dem
Ektoderm (präs. Epidermis) durchschimmernde
Rand des Mesoderms.
Die Blutgefäßanlagen (paarig) verschmelzen zu
einem gemeinsamen Strang, der späteren Vena
subintestinalis.
Die Randzellen werden zum Endothelrohr der
Vena subintestinalis. Die inneren Zellen zu Blutzellen. Die Herzanlage besteht auf jeder Seite aus
einem Endothelrohr. Die Endothelrohre haben sich
bereits zum Endothelschlauch des Herzens verei- Abb. 103
nigt. Das viscerale Blatt des Mesoderms hat sich
Aus dem Herzen entspringen cranialwärts die Aorta
an dieser Stelle zur Myoepikardanalge des Herventralis, von der die Kiemenbogenarterien abgezens verdickt(Abb.102).
hen. Diese münden in die dorsal gelegene Aortenwurzel, von der im Körperbereich Seitenäste abgehen. Der am frühesten ausgebildete Seitenast ist
die Arteria vitellina, die den Darm umgibt.
Mesocardium anterius. Es handelt sich um die
übriggebliebene Verbindung zwischen dem
visceralen und parietalen Mesodermblatt (viscerales Blatt ist zum Myoepicard verdickt) [s.Abb.84].
Herzbildung beim Vogel
Die Herzanlage verlagert sich ventralwärts, sobald sich der Embryo abfaltet (Abb.105).
Querschnitte im Kopfbereich eines Hühnerembryos:
a) Beide Seiten des Kopfcöloms (Perikard) sind
fast vereinigt bis auf das Mesocardium anterius,
Abb. 102
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
welches etwas später auch durchbricht.
b) Der Endothelschlauch des Herzens zeigt noch
die paarige Anlage.
Im Bereich des Endothelschlauches ist das viscerale
Blatt des Mesoderms zur Myoepikardanlage verdickt, aus der die gesamte übrige Wand des
Herzens hervorgeht.
Es muß auf die Ähnlichkeit zwischen Amphibien
und Vögel hingewiesen werden. Wenn man sich
bei den Amphibien den Mesodermmantel aufgeklappt denkt, so erhält man ähnliche Verhältnisse
wie bei den Frühstadien der Dotterumwachsung
bei den Vögeln (genaue Erklärung während der
Vorlesung).
Alle zu- und abführenden Gefäße der Allantois
und des Dottersacks liegen innerhalb des Nabelstranges. Wenn der Dottersack-Kreislauf
zurückgebildet wird, tritt der Allantois-Kreislauf
an seine Stelle.
Dottersack und Allantois-Kreislauf (Hühnerembryo 100 Std. bebrütet)
Der Embryo liegt auf dem Dottersack (Abb.106).
Die umgebende schlauchförmige Blase ist die
Allantois. Die Dottersackarterie (Arteria
vitellina) entspringt aus der dorsalen Aorta. Die
Allantoisarterie (A. allantoidea oder umbilicalis)
entspringt aus dem caudalen Bereich der Aorta.
Abb. 104
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Abb. 105
Abb. 106
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Extraembryonale Hilfssysteme
Das Amnion (aus dem Griechischen: Schafhaut,
weil bei diesem Tier offensichtlich erstmals beobachtet) umhüllt als feinhäutiger, durchsichtiger
Sack den gesamten Embryo. Der Embryo
schwimmt innerhalb dieses Sackes in einer Amnionflüssigkeit.
Bedeutung:
a) Mechanischer Schutz des Keimes
b) Schutz des Embryos vor Austrocknung. Wichtige Voraussetzung für die terrestrische Lebensweise der Sauropsiden.
Bedeutung:
1. embryonaler Harnsack
2. extraembryonales Ernährungs- und Respirationsorgan (aufgrund eines gut entwickelten BlutGefäßsystems in seiner Wand)
Die Allantois ist mittels Allantoisgang (Ductus
allantoideus) innerhalb des Nabelstranges mit
dem Enddarm des Embryos verbunden.
Wenn bei einigen Sauropsiden und allen Säugern
keine Stoffwechselprodukte mehr im Harnsack
angesammelt werden, die Produkte also über das
Gefäßsystem abgeführt werden, wird das Lumen
(Hohlraum) der Allantois rudimentär.
Entstehung:
I. Bei allen Sauropsiden und meisten Säugetieren Embryonalentwicklung der Säugetiere
durch Vertiefung ektodermaler Falten, die über
dem Embryo verwachsen.
Obwohl es sich um dotterarme Eier handelt, nimmt
→ Faltenamnion
man an, daß sie ursprünglich von Säugetieren mit
II. Bei einigen Säugetieren und Mensch
dotterreichen Eiern abstammen. Gründe:
→ Spaltamnion (Schizamnion)
Spaltamnion deshalb, weil die Amnionhöhle von 1. flächenhafte Keimbildung bei den rezenten
vornherein als primärer Spalt (durch Dehiszenz) Säugetieren
innerhalb der embryonalen Furchungszellen ent- 2. Art der Entodermbildung (durch Abspaltung)
steht.
3. Anlage des Dottersackes
Das Chorion (Leder- oder Zottenhaut)
Furchung
Zweite Hülle des Embryos, die den Embryo mitsamt seinem Amnion einschließt.
Bedeutung:
Grenzhaut des Embryos gegenüber seiner Umwelt. Regelt Stoffwechselaustausch → wichtigstes Ernährungsorgan bei den Eiern aller Tiere
(Vögel und Säugetiere), deren Ernährung nicht
durch intraembryonale Dottervorräte gesichert
ist.
Totale adäquale Furchung des Eies (wie bei den
Amphibien). Es erfolgt aber eine unregelmäßige
Teilung, so daß auch ungerade Zahlen bei den
Blastomeren auftreten → (3, 5, 9 usw.).
Die Allantois (wurst- oder schlauchförmiges
Gebilde)
Die einzelnen Blastomeren besitzen schon früh
ganz verschiedene prospektive Bedeutung und
prospektive Potenzen.
Die Außenschicht der Morula hat mit der Bildung
des Embryos überhaupt nichts zu tun. Aus ihr
entwickelt sich das extraembryonale Ektoderm,
das Chorion. Es wird seiner Aufgabe gemäß, dem
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Embryo Nahrung zuzuführen, als Trophoblast
bezeichnet (aus dem griechischen: Nahrung, Speise). Der Trophoblast nimmt die Verbindung zur
mütterlichen Uterusschleimhaut auf. Der Unterschied zwischen Trophoblasten-Zellen und den
eigentlichen Embryonalzellen, also zwischen
Hilfszellen und Bildungszellen, ist erheblich. Für
die Ernährung der wenigen Embryonalzellen wird
ein erstaunlicher Aufwand betrieben.
Im 16-Zell-Stadium gehören 13 Zellen zum Trophoblasten u. 3 sind Bildungszellen (Abb. 107),
im 574 Blastomerenstadium gehören 470 Zellen
zum Trophoblasten und 104 sind Bildungszellen.
ren des Keimes liegt, verwechselt werden. Bei
den Säugern ist der Hohlraum anstelle der Dottermasse der Sauropsiden getreten. Die dem Hohlraum zugekehrte Seite des Embryoblasten entspricht seinem vegetativen Pol. Von hier sondern
sich durch einfache Abspaltung die Entodermzellen des Keims ab und wandern an der Innenseite
des Trophoblasten entlang. So wird die Blastocyste doppelwandig und entspricht nun völlig der
die Dotterkugel umwachsende zweischichtigen
Keimblase der Reptilien und Vögel. Das Entoderm kann bei manchen Säugetieren bereits früh
innerhalb des
Von den 104 Zellen sind 80 Entodermzellen und
20-24 die eigentlichen Embryonalzellen.
Abb. 107 Die Entwicklung des Trophoblasten
Nach den ersten Zellteilungen bildet sich zunächst das Morulastadium, dem das Blastocystenstadium folgt. Es besteht aus zwei Zellbereichen, der inneren Zellmasse (präsumptive Embryonalzellen) und der sie umgebenden äußeren
Zellschicht. Die äußere Zellschicht bildet den
Trophoblasten, aus dem später die Placenta
hervorgeht (Abb.108).Dieses Stadium darf aber
nicht mit der Blastula der Amphibien und der
Hohlraum der Blastocyste nicht mit dem Blastocoel der Amphibien, ein Hohlraum, der im Inne-
Abb. 108
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Embryoblasts unterschieden werden (besondere
Gestalt oder aufgrund besonderer Färbbarkeit der
basalen Gruppe des Embryoblasten).
Bei der Primitiventwicklung kann man 4 Typen
unterschieden:
Typ I (Raubtiere)
Die Blastocyste wird auf der Innenseite des Trophoblasten von Entodermzellen umwachsen. Sie
stammen aus dem basalen Teil des Embryoblasten. Der Embryoblast wird als Keimscheibe in
die Außenwand eingegliedert; die Trophoblastzellen weichen auseinander. Beim Hund entsteht
so der Keimschild und in wenigen Tagen nach der
Begattung in ihm der Primitivstreifen mit Hensenschen Knoten . Von da ab erfolgt die Entwicklung wie beim Hühnchen. Das Amnion entsteht
aus freier Auffaltung des Ektoderms nach Ausbildung der Medullarrinne. Das Chorion ist wohl
schon als geschlossene Trophoblastschale vor der
Furchung angelegt, aber erst der alte Modus der
Faltenbildung trennt die Bezirke des Amnions
und Chorions wirklich voneinander, genau wie
beim Hühnchen. Es entsteht ein Faltenamnion
und das Chorion ist seiner Abgrenzung nach als
„amniogenes Chorion“ zu bezeichnen [amniogenes Chorion = weil aus dem Faltungsprozeß des
Amnions entstanden]. Das Cölom schiebt sich bis
über den Äquator über den Dottersack hinweg.
Seine untere Hälfte liegt dem Trophoblasten direkt an.
Der bei Huftieren vorübergehende Zustand der
Embryocyste wird hier beibehalten. Der umschlossene Raum entwickelt sich direkt zur „MarkAmnionhöhle“, d.h. zum Hohlraum des Amnions
und des Medullarrohrs. Der Keimschild entwikkelt sich aus der basalen Platte der Embryocyste.
Der obere Wandanteil bildet das Amnionepithel.
Es handelt sich hier um ein Schizamnion (durch
Abspaltung) im Gegensatz zum Amnion, das durch
Faltung entstanden ist.
Typ IV (Mensch)
Es bildet sich ebenfalls eine Embryocyste und
eine Mark-Amnion. Aber: Es erfolgt schon
frühzeitig die Abspaltung eines Entodermblastems.
Einnistung des Embryos in die Uterusschleimhaut im Blastocystenstadium
Erste Entwicklungswoche
Im Blastocystenstadium dringt der Embryo in die
Epithelzellen (Endometrium) der Uterusschleimhaut ein und zwar mit der Seite, an der der Embryoblast (innere Zellmasse) liegt. Damit ist die erste
Embryonalwoche beendet. Die Uteruswand besteht aus 3 Schichten:
1. Endometrium (Schleimhautauskleidung)
2. Myometrium (Schicht glatter Muskulatur)
3. Perimetrium (Peritoneale Außenschicht)
Typ II (Huftiere)
Zweite Entwicklungswoche
Im Embryoblast entsteht schon primär ein Hohlraum - die Embryocyste. Nach ihrer Eröffnung Während der 2. Entwicklungswoche kommt es bei
wird sie als Keimschild wie bei I in den Tropho- der menschlichen Embryonalentwicklung zur tieblasten integriert.
fen Einnistung der Blastocyste in die Uterusschleimhaut. Der Trophoblast entwickelt sich daTyp III (Insektivoren und Primaten und etwas bei zu zwei verschiedenen Bereichen, nämlich
abgeändert bei den Nagetieren)
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zum
A. Synzytiotrophoblast
B. Zytotrophoblast. (Abb. 109)
Der Embryoblast wird zweischichtig und besteht
jetzt aus Ektoderm und Entoderm. Am 8. Tag
bildet sich die Ammionhöhle. Am 9. Tag ist die
Blastozyste fast vollständig in die Uterusschleimhaut eingebettet. Es hat sich der primäre Dottersack gebildet, der von der Heuser-Membran begrenzt wird. Diese Membran geht im embryonalen Bereich in die Entodermschicht über. Am 11.
bis 12. Entwicklungstag liegt die Blastozyste so
tief im Endometriumstroma, daß nur noch eine
leichte Wölbung der Uteruswand auf die Einnistungsstelle hinweist. Der Trophoblast hat sich
deutlich verdickt und vergrößert. Synzytiumzellen dringen tief in das Stroma ein, wodurch es zu
einer Kontaktaufnahme zum mütterlichen Kreislaufsystem kommt.
Dritte Entwicklungswoche
In der dritten Entwicklungswoche geht aus der 2–
schichtigen Keimscheibe der aus drei Keimblätter
bestehende Embryo hervor. Von nun an ist die
Entwicklung weitgehend identisch mit der Vogelembryogenese. Zunächst bildet sich der Primitivstreifen aus. Er entsteht auf der caudalen Seite der
Keimscheibe im Ektoderm. Cranial endet der Primitivstreifen im Primitivknoten. Ähnlich wie beim
Hühnchen kommt es zur Einwanderung von Zellen von beiden Seiten des Primitivstreifens. Die
Zellen wandern lateral zwischen Ektoderm und
Entoderm. Dieser Vorgang wird wie bei den Amphibien als Invagination bezeichnet. Damit kommt
es zur Bildung des 3. Keimblattes, dem Mesoderm. Im Bereich des Primitivknotens wandern
Zellen auch cranialwärts ein und bilden somit
einen röhrenförmigen Fortsatz, den Chordafortsatz. Der Chordafortsatz stellt die Anlage für das
embryonaleAchsenorgan, der Chorda dorsalis, dar.
Am 17. Entwicklungstag liegt das mesodermale
Blatt als separate Einheit zwischen Ektoderm und
Abb. 109
Abb. 110
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Entoderm. Am 18. Tag besteht die Keimscheibe
aus einem länglichen Gebilde, das im cranialen
breiter als im caudalen Bereich ist. Der Primitivknoten verlagert sich kontinuierlich noch caudal, während sich die Chordaanlage gleichzeitig
verlängert. Am Ende der 3. Woche hat sich die
Neuralplatte gebildet, die ähnlich wie bei den
Amphibien eine schuhsohlenähnliche Form aufweist. Auch beim Menschen wird die Neuralplatte
vom Chordamesoderm induziert. In den weiteren
Tagen bilden sich die Neuralfalten, dazwischenliegend befindet sich die Neuralplatte. Nach der
medianen Verschmelzung der Neuralfalten entsteht das Neuralrohr. Die weiteren Prozesse (Allantois-, Amnionbildung etc.) verlaufen weitgehend ähnlich wie beim Vogelembryo.
Menstruationszyklus
Hypophyse zurück hemmt die Ausschüttung von
FSH. Östrogen fördert die Produktion von Prolactin und ICSH. Letzteres bewirkt wiederum die
Produktion von Progesteron kurz vor der Ovulation. Progesteron sorgt für die Umwandlung des
Uterusepithels in der prägraviden Phase und damit für die Vorbereitung der Einnistung des befruchteten Eies (Sekretionsphase der Uterusschleimhaut). Solange die Progesteronproduktion anhält, bleibt dieser Zustand erhalten.
Wenn das Ei befruchtet wird, wandelt sich der
Gelbkörper um zum Corpus luteum graviditatis.
Es kommt zur Steigerung der Progesteronproduktion. Diese wird später von der Plazenta übernommen.
Wird das Ei nicht befruchtet, bildet sich der Gelbkörper zurück. Folglich geht auch die Progesteronproduktion zurück, so daß
die
Sekretionsschleimhaut abgebaut wird und bei der
Menstruation abgestoßen wird.
Der neue Zyklus nach der Abstoßung der Uterusschleimhaut wird durch die Hypophyse eingeleitet (schüttet folgende Hormone aus):
Hormone
FSH (Follikelstimulierendes Hormon)
ICSH (Interstitialzellen-stimulierendes Hormon)
und später
FSH, das direkt auf die Keimzellen (Reifung
eines neuen Follikels) wirkt.
ICSH = LH (Luteinisierendes Hormon) bewirkt
im Follikel die Produktion von Östradiol.
Bei weiter ansteigender ICSH-Konzentration tritt
bei bestimmten ICSH/FSH-Verhältnis Ovulation
(Follikelsprung) ein und anschließend die Ausbildung des Corpus luteum (Gelbkörper).
Die Hypophyse wirkt vor allem auf das Ovar.
Die Keimdrüsenhormone (Östrogene) wirken auf
den Uterus (Abb.110).
1. Hormone werden von speziellen endokrinen
Drüsen gebildet.
2. Sie werden direkt ins Blut abgegeben. DerTransport erfolgt zu speziellen
3. Geweben und Zellen, die auf den Hormonreiz
selektiv reagieren. Manche Zellen und Organe
reagieren gar nicht, andere völlig entgegengesetzt
in ihrem Metabolismus auf die Hormone.
Aufbau der neuen Schleimhaut
1. Kleine Moleküle (Derivate von Aminosäuren,
z. B. Thyroxin)
2. Polypeptide oder Proteine (Oxytocin, Insulin)
3. Steroide (Derivate des Cholesterins)
Die Proliferationsphase ist kurz vor der Ovulation
beendet. Gleichzeitig wirkt das Östrogen auf die
Oft wirken Hormone auf Gewebe, die selbst wiederum Hormone produzieren.
Hormone gehören unterschiedlichen chemischen
Substanzengruppen an:
116
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 111 Riesenchromosomen von
Chironomus tentans
Es handelt sich immer um das gleiche Chromosom,
aber in verschiedenen Geweben.
a-d Chromosom 1.
Speicheldrüse (a),
Malpighische Gefäße (b), Rectum (c), Mitteldarm
(d)
e-h Chromosom 3. Malpighische Gefäße (e,g)
[e=Larve, g=Puppe], Rectum (f,g)[f=Larve,
g=Puppe]
a-d Genexpression (Puffs) in verschiedenen
Organen
e-g entwicklungsstadienabhängige
Genexpression. Diese Genexpression (erkennbar
als Puffbildung) wird durch erhöhte EcdysteronKonzentration ausgelöst (Abb. 113).
Abb. 112 Die Metamorphose der Froschlarve
(Kaulquappe) zum erwachsenen Frosch
Fehlen entsprechende Hormone (z.B. Thyroxin),
bleibt die Metamorphose aus. Bei bestimmten
Amphibienarten hat sich das Ausbleiben der
Metamorphose im Laufe der Evolution als
Dieses Beispiel zeigt die direkte(sogar Selektionsvorteil erwiesen (Phänomen der
morphologisch sichtbare) Korrelation zwischen Neotenie = Eintritt der Geschlechtsreife im
Hormonwirkung, Entwicklungsstadium und Larvenstadium, z.B. bei Ambystoma mexicanum
Genexpression.
[Axolotl]).
117
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Wirkungsweise der Hormone:
1. Sie beeinflussen die Syntheserate von Enzymen und anderen Proteinen
2. Einfluß auf die Enzymaktivität
3. Änderung der Permeabilität der Zellmembran.
Kein bekanntes Hormon ist aber ein Enzym oder
Coenzym.
Die Hormonwirkung besteht darin, bereits vorhandene Stoffwechselprozesse zu regulieren.
Ebenso wie Enzyme sind sie als „Katalysatoren“
bei Stoffwechselprozessen aktiv. Im Gegensatz
zu den Enzymen nehmen sie aber an der Stoffwechselprozessen nicht selber teil.
Proteohormone findet man im Blut in Konzentrationen von:
10-12 bis 10-10 Mol/Liter
Steroid-Protein -Komplex wandert in den Zellkern ein und bewirkt die Synthese spezifischer
m-RNAs. Dadurch kommt es zur Bildung zellspezifischer Proteine oder sekundärer Hormone.
2. Die Peptidhormone binden an spezifische Rezeptoren in der äußeren Zellmembran (Plasmamembran). Ein Teil von ihnen besitzt einen intrazellulären Proteinanteil, der Tyrosinkinase- oder
Serinkinase-Aktivität besitzt. Durch die Bindung
des Hormons oder Wachstumsfaktors an den spezifischen Rezeptor werden eine Reihe weiterer
Abläufe in der nachfolgenden Signalkette aktiviert, die zur Neusynthese zellspezifischer Produkte führen können. Die embryonalen Induktionsfaktoren binden ebenfalls an Rezeptoren mit
Tyrosin- oder Serinkinase-Aktivität.
Schilddrüsenhormon und Steroidhormone:
10-9 bis 10-6 Mol/Liter
Ecdyson bzw. sein Derivat Ecdysteron (20-OHEcdyson) bewirkt bei Fliegenmaden die
Pupariumbildung (Abb.113). Es war das erste
Insektenhormon, das in reiner kristallisierter Form
isoliert werden konnte. Die Strukturaufklärung
ergab, daß es sich um ein Steroidhormon handelt.
20-Hydroxyecdyson ist auch verantwortlich für
die Häutung der Krebse. Das Schilddrüsenhormon
spielt eine wenetliche Rolle bei der Amphibienmetamorphose (Abb.112). Die Hormone kann
man aufgrund ihrer unterschiedlichen chemischen
Struktur und ihrer Angriffspunkte in der Signalkette in der Zelle in 2 Gruppen unterteilen:
1. Steroid-Hormone
2. Peptidhormone
1. Die Steroid-Hormone dringen in die Zelle ein
und werden an ein Protein gebunden. Dieser
Abb. 113
118
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
kulturzellen radioaktive Vorstufen zugeführt werden. Anschließend werden die Ribosomen isoliert
und aus ihnen 28 S ribosomale RNA (rRNA)
Nachweis der spezifischen Genexpression vor isoliert. Die rRNA wird auf die Filter gegeben, an
der Entwicklung rekombinanter DNA-Techni- die die Leber-DNA gebunden ist. Die rRNA wird
ken
nur an die DNA-Bereiche binden, die für die rRNA
kodiert. Mit dieser Methode konnte gezeigt werHybridisierung von Nukleinsäuren
den, daß der Nucleolus die 28 s rRNA kodiert. Das
Experiment wurde von Wallace und Birnstiel
Vor der Einführung der Klonierungstechniken (1966) durchgeführt (Abb.114):
wurden bereits Hybridisationstechniken eingesetzt,
um zu testen, ob eine bestimmte Nucleotidsequenz
mit einer anderen übereinstimmt. Wie der Name
schon sagt, bestehen Hybridmoleküle aus zwei
verschiedenen Nucleotidsträngen, meist unterschiedlichen Ursprungs. Sie weisen komplementäre Basenpaare auf. Es konnte gezeigt werden,
daß DNA bei Erhitzen auf über 90° C in ihre
Einzelstränge zerfällt. Man spricht auch von Denaturierung oder Schmelzen der DNA. (Eine Denaturierung erfolgt auch bei NaOH-Behandlung).
Erfolgt auf das Erhitzen eine langsame Abkühlung, so legen sich die komplementären Basensequenzen wieder aneinander und es bilden sich
wieder Doppelstränge. Werden jedoch DNA-Arten mit unterschiedlichen Gensequenzen miteinander gemischt, erfolgt keine Hybridisierung. Sind
Teilbereiche der DNA identisch, erfolgt eine partielle Hybridisierung. In ähnlicher Weise kann
auch RNA mit DNA Hybride bilden. So bindet
RNA an die Genbereiche der DNA, an denen sie
transkribiert wurde. Meist wird einer der Nucleinsäurestränge radioaktiv markiert, um den Hybridisationprozeß mit entsprechenden Detektionsmethoden nachweisen zu können. Im folgenden wird
ein Experiment beschrieben, in dem die Hybridisierungstechnik eingesetzt wurde (Abb. 96): Nicht
radioaktiv markierte DNA aus Frosch-Leber wird
denaturiert (Zerlegen in Einzelstränge in alkalischem Milieu) und immobilisiert auf Nitrocellulose Filterpapier. Radioaktive RNA wird parallel
hergestellt, indem einem anderen Frosch oder Zell-
Molekularbiologische Techniken
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
1. normalen Kaulquappen: Je Zellkern 2 Nucleoli
2. heterozyote Mutanten-Kaulquappe: Je Zellkern
nur 1 Nucleolus
3. homozygote Mutanten-Kaulquappen: Zellkerne enthalten überhaupt keine Nucleoli (Kaulquappen sterben vor der Metamophose)
von den homozygoten Mutanten. Es wurden dann
unterschiedliche Mengen von radioaktiver 28 s
rRNA (verschiedene Filter) mit den 3 unterschiedlichen DNA-Typen (aus normalen Kaulquappen
und Mutanten) hybridisiert. Auf einige Filter wurde wenig, auf andere mehr radioaktive rRNA auf
Abb. 114
Die isolierte DNA der 3 verschiedenen Kaulquappen Serien wurde denaturiert. 50 µg DNA wurde
dann auf Filterpapier (12 Filter pro Serie) aufgebracht. Die erste Gruppe von Filtern enthielt dann
denaturierte DNA von Wildtyp-Kaulquappen, die
zweite von den heterozygoten Mutanten, die dritte
getragen.
Es wurde folgendes Ergebnis erzielt:
1. radioaktive rRNA hybridisierte sehr gut mit
normaler Kaulquappen-DNA (linke Reihe in der
Abb.)
2. bei Kaulquappen ohne Nucleoli erfolgte keine
120
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
spezifische Bindung (rechte Reihe).
3. bei heterozygoten Kaulquappen (1 Nucleolus
wurde nur halb soviel rRNA gebunden wie bei
normalen Kaulquappen (mittlere Reihe).
Damit konnte nachgewiesen werden, daß 28 s
rRNA von der Nucleolus-Region des Kaulquappen-Genoms kodiert wird. Solche Aussagen über
bestimmte Genbereiche und Gene waren vor der
Verfügbarkeit der neuen Klonierungstechniken
aber eher die Ausnahme, da mit den oben beschriebenen Techniken nur Nucleinsäure-Abschnitte
(mRNA) nachgewiesen werden konnten, die in
vielen Kopien in der Zelle vorkommen. mRNA
von z.B. Genen (Single copy-Gene), die für seltene Strukturproteine kodieren, ließen sich mit der
Technik nicht analysieren.
Gentechnologie
Die wichtigsten Techniken und Grundlagen
werden in meiner Wintervorlesung erläutert.
Sie sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche
Teilnahme amGroßpraktikum und den
Seminaren im Fach Zoophysiologie.
Neue Technologien haben das Studium der DNAStruktur revolutioniert. Das gilt vor allem für die
Möglichkeit, neue Informationen über das Eukaryonten-Genom und die Genregulation während der Embryogenese und Zelldifferenzierung
zu erhalten.
1. Präparation von molekularen Sonden
m-RNA kann aus Zellen unterschiedlich gewonnen werden:
a) Isolation von m-RNA beim Prozess der Translation.
Behandlung von Polysomen mit EDTA oder Puromycin - Dissoziation des Komplexes. Separation der m-RNA von den Ribosomen. Identitätsbestimmung der RNA durch in vitro Proteinsynthese (Zellfreie Proteinbiosynthese = "Cell-free
protein-synthesizing systems", z.B. Reticulocyten-
oder Weizenkeim-System). Es werden radioaktive Aminosäuren dem zellfreien System zugefügt,
so daß neu synthetisierte Proteine aufgrund des
Einbaues der radioaktiven Vorstufen erkannt werden können .
b) Eine andere nützliche Sonde wird gewonnen,
in dem man - von m-RNA ausgehend - cDNA
synthetisiert (Complementary [komplimentäre]
DNA). Dies ist ein DNA-Einzelstrang, der gebildet wird als Kopie von mRNA mit Hilfe des
Enzyms Reverse-Transkriptase. Normalerweise
findet man das Enzym bei Retroviren, die statt
DNA RNA enthalten. Der Besitz des Enzyms
Reverse Transkriptase verleiht ihnen die Fähigkeit, komplementäre DNA-Kopien von RNA herzustellen.
2. Präparation synthetischer Gene
a) Einzelsträngige cDNA kann als Matrize für
die Produktion eines komplementären DNA-Stranges dienen. Erforderlich ist das Enzym DNA Polymerase I. Es entsteht ein DNA- Doppelstrang,
welcher ein komplettes synthetisches Gen darstellt. So wurden die Gene synthetisiert, die für
Kaninchenglobin und für Ovalbumin (Huhn)
kodieren.
b) Die Codon Sequenz wird aufgrund der Kenntnis der Aminosäure-Sequenz des Proteins konstruiert. Bei dieser Methode erübrigt sich die
primäre Isolation von m-RNA und die anschließende Umkopierung mittels Reverser
Transkriptase. Die Bedeutung solcher Techniken
ist gerade auch im
industriellen Bereich von revolutionärer Bedeutung. In dieser Weise ist z.B. das Insulingen
chemisch synthetisiert worden.
3. Rekombinante DNA-Techniken
(Klonierungstechniken)
Keine einzelne Entwicklung in der Molekularbiologie hat mehr Begeisterung und Befürchtungen ausgelöst, als die Methode, eukaryontische
DNA durch Einbau in Plasmide und Einschleu-
121
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
ßung in Bakterien zu klonieren. Diese Technik hat
es ermöglicht, geradezu unlimitierte Mengen von
spezifischen DNA-Sequenzen zu produzieren.
Plasmide sind kleine, zirkuläre DNA-Moleküle,
die sich selbständig und unabhängig vom Bakteriengenom replizieren, z. B. in E.coli. Das Plasmid
wird als Vehikel benutzt, um eukaryontische DNA
in Bakterien einzuschleusen. Die eurkaryotische
DNA wird in das Plasmid durch enzymatische
Rekombination eingebaut. Sie wird zusammen
mit der Plasmid-DNA repliziert. Diese Insertion
von eukaryotischer DNA wurde möglich gemacht
durch Restriktions-Endonucleasen. Diese Enzyme
wurden aus Mikroorganismen isoliert. Sie schneiden die DNA an ganz spezifischen Stellen. Diese
Orte für den Angriff dieser Enzyme ("Restriction
sites") bestehen gewöhnlich aus 4 oder 6 Basenpaaren. Die Restriction sites haben pallindromische Symmetrie, d.h. die Basensequenz auf dem
einen Strang der DNA ist spiegelbildlich zum
komplementären.
Heutzutage ist es aufgrund der rekombinanten
DNA-Techniken möglich, spezielle Gene und
mRNAs zu isolieren und zu identifizieren, auch
dann, wenn die mRNAs nur in wenigen Kopien
in der Zelle vorliegen. Diese Technik wird als
Genklonierung bezeichnet. Mit traditionellen biochemischen Methoden wäre es nicht möglich, ein
einzelnes Gen mit ca. 15.000 Basenpaaren aus
einer Gesamtzahl von etwa 2 x 105 Genen (menschliches Genom) zu charakterisieren. Mit den modernen molekularbiologischen Methoden jedoch
ist dies möglich, genauso wie die Synthese einer
enormen Zahl von Kopien eines Gens.
Differentielle Hybridisation (SubtraktionsKlonierung)
Diese Methode wird angewandt, wenn zwei mRNA
Preparationen verfügbar sind, die beide viele gemeinsame Sequenzen (identische mRNAs) besitzen, sich aber durch einige verschiedene unterscheiden, die besonders interessant sind, d.h.
mRNAs von Zellen vor oder nach heat-shock,
Pharmaka-, Hormone-Gaben oder Zellen verschiedener Entwicklungsstadien (z.B. Oozyten oder
Gastrulae wie im Beispiel in der Abb. im Anhang).
32P-radioaktiv
markierte cDNA wird in vitro synthetisiert ausgehend von beiden Poly(A)+ - RNAPräparationen. Die meisten cDNA Sequenzen sind
bei beiden Populationen gleich. Aber in den Zellen
unterschiedlicher Entwicklungsstadien sind einige
neue Sequenzen vorhanden. Diese Prozedur wurde
benutzt, um cDNA Klone von entwicklungsstadien-spezifischen mRNAs am VertebratenModellsystem Xenopus laevis (Südafrikanischer
Krallenfrosch) zu charakterisieren(Dworkin and
Dawid, 1980; Richter, Grunz, Dawid, 1988).
Einbau von eukaryotischer DNA in Vektoren
(Plasmide oder Phagen)
Man geht dabei folgendermaßen vor: Zunächst
wird die Kern-DNA (meist Eukaryoten-DNA) in
viele einzelne Stücke zerlegt. Als molekularbiologisches „Schneidewerkzeug“ dienen RestriktionsEndonucleasen (auch als Restriktionsenzyme bezeichnet). Diese Enzyme erkennen spezifisch bestimmte Sequenzen der DNA und schneiden den
DNA-Strang überall dort, wo diese Basensequenz
vorkommt. So schneidet ECORI (isoliert aus dem
Bakterium Escherichia coli) die DNA an vielen
Stellen, und zwar immer dort, wo die Basensequenz
3'-Ende ....... GAATTC........ 5'
5'-Ende ....... CTTAAG........ 3' vorkommt.
Es handelt sich bei den Sequenzen, die von den
Restriktionsenzymen geschnitten werden um sogenannte palindromische Sequenzen, d.h. sie sind,
vom 3' zum 5'-Ende bzw. vom 5' zum 3'-Ende
gelesen, identisch. Eine weitere Besonderheit der
Restriktionsenzyme ist es, daß ihre Schnitte entweder stumpfe (blund) oder überlappende (sticky)
Enden der DNA hinterlassen.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Als nächster Schritt folgt der Einbau der DNAFragmente in Klonierungs-Vektoren. Geeignet sind
entweder ringförmige DNA-Moleküle (Plasmide)
oder spezifisch veränderte Viren (Phagen). Erstere
kommen in Bakterien vor und werden unabhängig
vom Bakterienchromosom repliziert. Sie enthalten Gensequenzen, die für bestimmte Antibiotika
abbauende Enzyme (z.B. Tetracyclin oder Ampicillin) kodieren. Wenn das Bakterium solche
Plasmide enthält, ist es gegen die entsprechenden
Antibiotica resistent. Bestimmte modifizierte Viren sind besonders dann für Klonierungsexperimente geeignet, wenn besonders große DNA-Fragmente kloniert werden sollen. Plasmide können so
konstruiert werden, daß sie z.B. nur einen EcoRIoder BamHI-sensitive Gensequenz besitzen. Deshalb kann der Ring an nur einer Stelle aufgeschnitten werden. Wird dieses geöffnete Plasmid (viele
Kopien) gemischt mit DNA-Fragmenten, die ebenfalls mit dem gleichen Restriktionsenzym geschnitten wurde, so kommt es in vielen Fällen zu einer
Verbindung zwischen Plasmid-DNA und Eukaryoten-DNA. Beide DNAs besitzen komplementäre
Basensequenzen (sticky ends), die kovalent mittels eines spezifischen Enzyms, DNA Ligase, miteinander verknüpft werden. Als Ergebnis erhält
man Plasmide, die nur ein einziges Stück von
Eukaryoten-DNA (z.B. von Insekten [Drosophila],
Frösche oder Säugetieren) enthalten. Diese Plasmide werden auch als Rekombinante Plasmide
oder meist als Rekombinante DNA bezeichnet.
Die häufig verwendeten und kommerziell erhältlilichen Plasmide enthalten meist zwei AntibiotikaResistenzen. Das tcR-Gen verleiht dem Bakterium
Tetracyclin-Resistenz, das ApR-Gen AmpicillinResistenz. Diese Tatsache ist für Klonierungstechniken von entscheidender Bedeutung, weil es dadurch möglich wird, nur solche Bakterien zu selektionieren, die ein rekombinantes Plasmid aufgenommen haben. Hier der prinzipielle Ablauf der
Methodik.
Durch geeignete Techniken ist es möglich, daß
Wild-Typ E.coli-Bakterien rekombinante Plasmide aufnehmen. Aber nicht jedes Bakterium
nimmt Plasmide auf. Auf Ampicillin-haltigen AgarPetrischalen vermehren sich nur solche Bakterien,
die rekombinante Plasmide aufgenommen haben
(wichtiges Selektionsprinzip). Es werden dann
Kolonien von auf Ampicillin-wachsenden Bakterien auf andere Agarplatten, die Tetracyclin enthalten, übertragen. Falls die Bakterien dort wachsen, muß der Genbereich, der für die Resistenz
verantwortlich ist, intakt sein. Die Plasmide haben
sich in diesem Falle einfach wieder geschlossen,
ohne daß sie Eukaryoten-DNA integriert haben.
Sie sind deshalb für die weitere Klonierung uninteressant. Durch spezielle Methoden (spezielle
Konstruktion des Plasmids), auf die ich hier nicht
eingehe, kann die spontane Ringbildung vermieden werden. Bakterien, die auf Ampicillin, aber
nicht auf Tetracyclin-haltigen Agarplatten wachsen, enthalten Plasmide, deren tcR-Gen-Sequenz
durch ein integriertes Eukaryoten-DNA-Stück
(Fremd-DNA) unterbrochen und deshalb inaktiviert wurde. Diese Bakterienkolonien sind für die
weitere Analyse interessant. Im anschließenden
sogenannten „Screening“ (Sortieren, Sieben) wird
nach solchen Bakterien-Kolonien gesucht, die ein
bestimmtes Eukaryonten-Gen (im Plasmid) enthalten: Bakterienzellen der Kolonien, die rekombinante Plasmide enthalten, werden durch Abdruck von den Agarplatten auf NitrozelluloseFilter plaziert. Nach Lysierung (Platzen) der Bakterien wird die DNA an das Filter gebunden. Es
folgt eine Hitzedenaturierung der DNA (Separierung der DNA in Einzelstränge). Dann werden die
Filter in einer Lösung inkubiert, die die RNA (oder
deren cDNA-Kopie) des Genes enhält, das kloniert werden soll. Falls eines der Plasmide das
gesuchte Gen enthält, so ist die entsprechende
DNA auf dem Filter gebunden. Nur diese DNA
kann die radioaktive spezifische RNA oder cDNA
binden, d.h. die RNA oder cDNA mit komplimen123
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tären Basen bildet mit der DNA ein Hybridmolekül. Es wird dann ein Röntgenfilm in Kontakt mit
dem Filter gebracht. Über der Region, in der die
immobilisierte DNA die radioaktive RNA oder
cDNA gebunden hat (Bakterienkolonie mit dem
gesuchten Gen), bildet sich auf dem Röntgenfilm
nach seiner Entwicklung ein schwarzer Fleck.
[Die energiereichen Elektronen, abgestrahlt von
der radioaktiven RNA, haben den gleichen Effekt
auf die Silberhalogenid-Kristalle in der Filmemulsion wie sichtbares Licht]. Nun weiß man, welche
Kolonie auf der Agarplatte das gesuchte Gen enthält und kann nun diese Bakterien billionenfach
vermehren und damit gleichzeitig die in ihnen
vorhandenen rekombinanten Plasmide (als Insert
das gesuchte Gen).
te DNA-Moleküle (Plasmid + fremd DNA) produziert werden.
Dabei wird sowohl das Plasmid als auch die
Fremd-DNA (meist von Eukaryoten) mit dem
gleichen Restriktionsenzym behandelt, wodurch
komplementäre „sticky ends“ geschaffen werden.
Durch ein weiteres Enzym, DNA-Ligase, erfolgt
der Einbau der Eukaryoten-DNA in das Plasmid.
Nach Herstellung des Hybrid-Plasmids wird dieses in E.coli-Bakterien eingeschleust, wo es repliziert wird. Dieser Prozeß wird auch als Transformation der Bakterien bezeichnet.
Die rekombinanten Plasmide können dann von der
chromosomalen DNA des Bakteriums durch Ultrazentrifugation oder durch spezielle säulenchromatographische Techniken separiert werden. Die
Eukaryonten-DNA kann dann durch das jeweils
spezifische Restriktionsenzym aus dem Plasmidring herausgeschnitten werden. Auf diese Weise
können Mikrogramm-Mengen der DNA-Sequenz,
die das zu isolierende Gen repräsentieren, in hochangereicherter Form gewonnen werden. Das oben
geschilderte Verfahren hört sich einfacher an als es
in der Praxis tatsächlich ist. Um ein bestimmtes
Gen von Säugetieren zu charakterisieren, muß
man etwa 1500 Kolonien screenen, was mit erheblichen technischen know how und vor allem großem Zeitaufwand verbunden ist.
M 13 ist ein Einzelstrang - DNA-Bakteriophage.
In der Wirtszelle verwandelt er sich in eine replikative Form (doppelsträngig). Das Genome ist
zirkulär, 6500 Nukleotide lang.
Bis auf eine 507-lange Nucleotid-Region, genannt
intergenic sequence (IS) enthält das M 13-Genom
genetische Information, die für die Virus-Replikation notwendig ist. Die IS akzeptiert jedoch inserts
von Fremd-DNA, ohne daß die Lebensfähigkeit
(viability) des M 13 verlorengeht. Die für die
Klonierung konstruierten M 13 besitzen 2 Typen
von Sequenzen, die in dieser Region eingefügt
sind.
1) Das erste ist ein Fragment des E.coli lac operon,
das die Regulator-Region und Kodierungsinformation für die ersten 146 Aminosäuren des ßgalactosidase-Gens (Z-Gen) enthält (siehe JacobMonod-Modell).
Der aminoterminale Bereich des ß-galactosidase Proteins, synthetisiert in den infizierten Zellen,
ist in der Lage, ein defektes ß-galactosidase - Gen
(lac- - Mutante: z- y+ a+, das auf dem F-Episome
in der Wirtszelle vorhanden ist, zu komplementieren ("α- complementation").
Die Komplementation produziert aktive ß-ga-
Spezielle Erläuterungen
Die Abkürzungen der Restriktionsenzyme deuten
auf die Organismen hin, in denen sie vorkommen,
z.B. EcoRI in E.coli.
Diese Enzyme produzieren entweder „klebrige
Enden“(sticky ends) oder „stumpfe Enden“ (blund
ends) . Dadurch können ringförmige rekombinan-
Klonierung in Phagen
Bakteriophage M 13 Vektors [(X-Gal)-Prinzip]
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lactosidase, die eine blaueFarbe-Bildung bewirkt,
wenn die Phagen und E.coli in Gegenwart des
Induktors Isopropyl-thiogalactoside (IPTG) und
dem chromogenen Substrat Xgal wachsen (Xgal =
5-bromo-4-chloro-3-indolyl-ß-D-galactoside,
IPTG ist ein nicht verstoffwechselbarer Induktor)
2) Der zweite Sequenztyp ist ein kleines DNAFragment („Polylinker“), das verschiedene einmal
vorhandene Restriction-Sites enthält. Dieses DNAFragment (Polylinker) ist in den N-terminalen
Bereich des ß-galactosidase Gens eingefügt. Diese
Insertion hat keinen negativen Einfluß auf die
Fähigkeit des ß-galactosidase Peptids, die ß-galactosidase-Mutante zu komplementieren.
Jedoch, weitere Insertionen (z. B. Fremd-[Eukaryoten]-DNA) zerstören die Komplementation.
Phagen, die Inserts enthalten, ergeben farblose
Plaques, wenn sie in Gegenwart von IPTC und
Xgal gehalten werden.
Klonierung in Plasmiden
Wichtigste Voraussetzung für effektive Klonierung:
Möglichkeit der Unterscheidung von Plasmiden
mit oder ohne Fremd-DNA, d. h. Rezirkulation
ohne Fremd-DNA.
1. Weitgehende Verhinderung der Rezirkulation
(genaue Einhaltung von bestimmten Konzentrations-Relationen von Vector und Fremd-DNA oder
andere Techniken [siehe unten]).
2. Unterscheidung von Rekombinanter DNA von
nicht rekombinanter DNA durch genetische Techniken.
a) Insertions - Inaktivierung von Genbereichen
auf dem Vektor, die Antibiotika-Resistenz bewirken.
b) Directional cloning (Gezieltes Klonieren)
Viele Plasmid-Vektoren besitzen 2 oder mehrere
einmalige Restriktionsenzym Erkennungs-Sequenzen (Recognition sites).
Es besitzt z.B. Plasmid PBR 322 jeweils eine
Hind III und eine Bam H I - Schnittstelle. Nach
Spaltung mit beiden Enzymen kann das größere
Fragment elektrophoretisch separiert werden und
mit Fremd-DNA [geschnitten mit den gleichen
Enzymen] ligiert werden, die ebenfalls kohesive
Enden besitzt und somit kompatibel ist zu den
durch Bam H I und Hind III im Plasmid produzierten klebrigen Enden. Die resultierenden zirkulären Rekombinanten transformieren die Bakterien
zu Ampicillin Resistenz. Weil bei nicht Rekombinanten aufgrund der fehlenden Komplementarität
zwischen dem durch Hind III und Bam H I produzierten Sequenzen die Rezirkulation nicht effektiv
verläuft, ist die Transformation der E.coli sehr
unzureichend. Das bedeutet, daß die meisten ampicillin-resistenten E.coli-Kolonien auch FremdDNA eingebaut haben.
zu 1. Verhinderung der Rezirkulation
Während der Ligation katalysiert DNA-Ligase die
Bildung von Phosphodiesterbindungen zwischen
zwei benachbarten Nukleotiden nur dann, wenn 1
Nukleotid eine 5'-Phosphatgruppe und das andere
eine 3'-Hydroxylgruppe enthält.
Die Rezirkulationsneigung kann verringert werden, wenn man die 5'-Phosphate von beiden Enden
der linearen DNA mittels bakterieller Alkalischer
Phosphatase oder Calf intestinal Phosphatase
(Darm-Phosphatase) entfernt.
Der Vektor kann daher keine Phosphodiester-Bindung bilden, d. h. keine Rezirkulation; dagegen
aber Fremd-DNA mit jeweils 1 Strang. Die zirculäre
DNA (Vektor + Fremd-DNA) transformiert trotz
der Nicks die Bakterien effizienter als die lineare
Plasmid DNA.
Bakteriophage λ
λ ist ein doppelsträngiger DNA-Virus mit einer
Genomgröße von ~ 50 Kb. In λ−Bakteriophagen
liegt die DNA als ein lineares Duplex-Molekül vor
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
mit einzelsträngigen komplementären Enden ,12
Nucleotide lang (cohesive ends). Nach Eindringen
in die Bakterien findet Rezirkulation durch Paarung der kohesiven Enden statt. Es erfolgt dann
eine Replikation der ringförmigen DNA. Zwei
Vermehrungsprinzipien:
1. Lytisches Wachstum
Vermehrung und Bildung von Phagen
2. Lysogenes Wachstum
Integration des Phagengenoms in die Wirts-DNA
(E.coli)
Assembly (Zusammenbau der Phagenuntereinheiten)
Die 2 Hauptuntereinheiten der reifen Bakteriophagen - Kopf und Schwanz, werden separat konstruiert und später zum funktionsfähigen Phagen zusammengesetzt.
Konstruktion von Bakteriophage λ -Vektoren
Zwei verschiedene Typen von Konstruktionen sind
üblich:
1) 1. Typ besitzt einen single target site (Angriffspunkt für ein Restriktionenzym), wo die FremdDNA eingefügt wird. (Insertions Vektor)
2) 2. Typ besitzt ein Paar von Sites, die ein
Segment betreffen, das entfernt und durch FremdDNA ersetzt werden kann. (Replacement- oder
Substitutions- Vektor)
Das Klonieren mit Bakteriophage λ -Vektoren
umfaßt folgende Schritte:
1. Vektor DNA wird mit geeigneten Restriktionsenzymen geschnitten. Im Falle der Replacement
Vektoren werden der linke und rechte Arm vom
zentralen „Stuffer“(Füller)-Fragment mittels Dichtegradienten-Zentrifugation oder Gelelektrophorese getrennt.
2. Die Arme werden dann mit Fremd-DNA ligiert,
die entsprechende kompatible Endbereiche aufweist.
3. Die so erhaltene rekombinante DNA wird in
vitro in Bakteriophagen verpackt, die dann Plaques bei geeigneten (Lysierung der Bakterien) Wirten bilden.
4. Rekombinante Phagen, die die gewünschte
Fremd-DNA integriert haben, werden dann meist
mittels Nukleinsäure-Hybridisierung indentifiziert.
Auswahl des geeigneten Vektors
Nicht jeder Vektor ist für den Einbau jedes DNAFragments geeignet.
Folgende Betrachtungen sind wichtig für die Auswahl:
1. Die Restriktionsenzyme, die verwendet werden
sollen
2. die Größe des Fragments der Fremd-DNA, das
in den Vektor eingefügt werden soll.
Nur etwa 60 % des viralen Genoms (der linke Arm,
~ 20 Kb lang, der die „Kopf und Schwanzgene“ A
- J enthält, und der rechte Arm von PR bis zum Cos
R site) ist notwendig für die lytische Propagation.
Dagegen ist das mittlere Drittel des Genoms nicht
notwendig für das lytische Wachstum. Es kann
deshalb durch Fremd-DNA ersetzt werden.
Die Vitalität des Phagen nimmt jedoch dramatisch
ab, wenn DNA e ingebaut wird, die länger als
105 % oder kürzer als 78 % des Wildtyp-Genoms
ist. Es ist deshalb wichtig, eine Kombination von
Vektor und Fremd-DNA so zu wählen, daß der
resultierende rekombinante Phage innerhalb bestimmter Größengrenzen liegt.
Das Stuffer-Segment kann als Selektionsprinzip
dienen.
1. Wird linker und rechter Arm ohne Stuffer fusioniert, so ist dieses Genom zu klein, um verpackt zu
werden. Nur ein Genom mit integrierter FremdDNA wird verpackt.
2. Bestimmte Vektoren enthalten einen Stuffer,
der Gene enthält, die einen bestimmten Phenotyp
realisieren, der leicht zu identifizieren ist.
So enthalten verschiedene Vektoren in dieser
Stuffer-Region unter anderem ein Segment der E.
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coli DNA, das für ß-galactosidase kodiert. Solche
Vektoren bilden blaue Plaques, wenn sie auf lac-Wirte in Gegenwart des chromogenen Substrats 5bromo-4-chloro-3-indolyl-ß-D-galactoside (X-gal)
platiert werden.
Die Klonierung mit diesem Vektor resultiert in
dem Ersetzen (Replacement) des größten Teils
des ß-galactosidase Gens durch Fremd-DNA. Die
sich ergebenden Phagen können dadurch erkannt
werden, daß sie farblose Plaques im X-Gal-System bilden, wenn sie auf auf lac--Wirte transferiert werden.
IV Deletionen von Wildtyp λ -Sequenzen sind
angedeutet durch eine durchgezogene Linie.
V Insertionen oder Substitutionen werden durch
Boxen mit diagonalen Streifen angedeutet (Insertionen von E.coli),
VI Restriktionsenzym-Schnittstellen, die nicht in
der Wild-typ-DNA vorhanden sind, sind auf der
Vektor-Liste angedeutet (oben auf der Abbildung).
VII Rechts von der Vektor-Karte VIIa(auch in der
Restrictions Sites-Liste VIIb) sind die Restriktionsenzyme aufgelistet, die bei diesem Vektor
angewendet werden können.
Kartierung des Bakteriophagen λ -VekVIII Über jeder Linie ist die Fragmentgröße (in
tors
Kb) angedeutet,
auf der linken Seite die maximale Größe
Jede Karte von Bakteriophagen (λ -Vektoren) ist
auf der rechten Seite die minimale Größe
folgendermaßen aufgebaut (siehe Abbildung auf
die von dem Vektor noch toleriert wird.
der nächsten Seite):
1. Die erste Zeile ist eine Skala in Kilobasen (Kb).
2. Die zweite Zeile charakterisiert die Restriktionsenzym-Orte und die Positionen der wichtigsten Gene der Wildtyp -λ -DNA.
3. die dritte Zeile ist eine Karte des vorliegendenVektors
I weiße Rechtecke repräsentieren Regionen, dievom Wildtyp abgeleitet sind (identisch sind).
II spezifische Mutationen (z. B. Wam oder ts) sind
über diesen Rechtecken eingezeichnet.
III Restriction sites, die durch in vivo oder in vitro
selection während der Konstruktion des Vektors
entfernt wurden, sind durch kleine x über den
Rechtecken angedeutet.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
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das Enzym Exonuclease- Aktivität und kann Nuc-
Strategien für die Erstellung einer cDNA- leotide vom 5'-Ende des Nick entfernen. Die Entfernung von Nucleotiden von der 5' Seite und
Bibliothek [cDNA-Library])
Definition einer cDNA-library: Erfassung sämtlicher mRNAs, die in einem bestimmten Zelltyp
vorkommen. Sämtliche mögliche mRNAs dieses
Zelltyps werden in Plasmide oder Phagen verpackt und stehen somit dem kundigen „Leser“ wie
in einer Bibliothek zum „Lesen“ (Screening) zur
Verfügung.
Es handelt sich im Gegensatz zu einer Genomischen Bibliothek nur um einen kleinen Teil der im
Gesamtgenom gespeicherten Informationen. Während die genomischen Sequenzen in jeder Zelle
weitgehend identisch sind, ergeben sich bei den
mRNAs in den verschiedenen, differenzierten
Zellen deutliche Unterschiede (Beispiele: in Blutzellen finden wir mRNA, die für Globin kodiert, in
Muskelzellen Muskel-α−actin-mRNA, in Epidermiszellen mRNA, die für α−Keratin kodiert oder
in zukünftigen Gehirnzellen mRNA, die für neuralspezifisches ß-Tubulin kodiert).
sequentielle Addition an der 3'-Seite resultiert in
einer Bewegung des Nick (nick translation) entlang der DNA.
Durch Ersetzen der kalten Nucleotide durch hochradioaktive ergibt sich eine spezifische Aktivität
höher als 108 cpm/µg.
Nachweis der Identität der Klone, die die gewünschte cDNA enthalten:
1. Die klonierte cDNA ist in der Lage, die speziellen mRNA zu selektionieren.
cDNA (kloniert) wird an Nitrocellulose-Filter
gebunden und mRNA in Lösung daran hybridisiert. Nach Auswaschen der nicht gesuchten
mRNAs, wird die gesuchte mRNA aus dem Hybrid
abgelöst und in einem zellfreien System translatiert.
2. Hybridisierung der klonierten cDNA an die zu
charakterisierende mRNA. Dadurch wird die Translations (Proteinsynthese) inhibiert. Damit kann die
Abundant mRNAs (in vielen Kopien vorhandene Identität einer bestimmten mRNA nachgewiesen
werden.
mRNA)
3. Durch direkte DNA-Sequenzierung, wenn die
50 - 90 % der totalen cytoplasmatischen poly(A)+ Aminosequenz des Proteins bekannt ist und damit
RNA, isoliert von bestimmten Zelltypen, ist in auch die Basensequenz.
diesem Falle eine bestimmte mRNA, z. B. Ovalbumin oder Globin-mRNA. Ohne weitere Reinigung Low Abundant mRNAs (wenige mRNA-Kopien
kann von der abundant mRNA mittels Reverser pro Zelle)
Transkriptase 32P-markierte einzelsträngige cDNA
synthetisiert werden. Es folgt die Synthese zum Neueste Strategien zum Nachweis seltener
mRNAs bestehen darin:
Doppelstrang und die Klonierung.
Herstellung einer großen Zahl von cDNA Klonen
ausgehend von totaler poly (A)+ RNA und IdenticDNA-Synthese mittels Nick-Translation
fizierung einer bestimmten cDNA. Die gesamte
DNase I produziert Nicks mit 5'-Phosphat-Termi- Kollektion von cDNAs einer bestimmten Präparation von poly (A)+- RNA (aus bestimmten Zellen,
ni (Nick = Kerbe).
Escherichia coli DNA Polymerase I fügt Nucleo- z.B. Leber oder Muskel) wird cDNA - Bibliothek
tide an die 3'-hydroxyl- Termini. Außerdem hat (cDNA-Library) genannt.
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Eine typische Säugerzelle enthält zwischen 10.000
und 30.000 verschiedenen mRNA-Sequenzen.
Williams (1981) hat die Zahl der Klone bestimmt,
die notwendig sind, um eine komplette cDNALibrary von einer menschlichen Fibroblasten-Zelle zu erhalten, die etwa 12.000 verschiedene
mRNA-Sequenzen enthält. Die Low abundance Klasse von mRNAs ( <14 Kopien pro Zelle)
repräsentiert etwa 30 % der gesamt mRNA. Es gibt
etwa 11.000 verschiedene mRNAs in dieser Klasse.
Die minimale Zahl von Klonen, um eine
vollständige Representation aller low abundance
mRNAs zu erhalten, beträgt dann 11.000 / 0,30 =
~ 37.000.
N = 170.391,46 Kolonien.
Diese Zahl ist in Reichweite existierender Techniken, da zwischen 1 x 105 und 6 x 105 Kolonien pro
µg doppelsträngige cDNA durch homopolymeric
tailing oder doppel-linker Prozeduren erhalten
werden können.
Genomische Bibliothek
(Erfassung sämtlicher DNA-Bereiche, also des
gesamten Genoms, verpackt in Einzelabschnitten
in verschiedene Phagen)
Konstruktion genomischer Bibliotheken in
Die Zahl der Klone, die notwendig ist, um eine Bakeriophaten λ-Vektoren
bestimmte Wahrscheinlichkeit zu erreichen, daß
eine bestimmte low-abundance Sequenz in der Die heutige Strategie besteht darin, komplette Bibliotheken (Libraries) von eukaryotischer DNA
Library vorhanden ist, beträgt
zu konstruieren und dann die rekombinanten Phagen mittels Hybridisierung zu identifizieren, die
die gesuchten Sequenzen enthalten.
N=
ln (1 - P)
ln (1 - n )
Die Libraries von eukaryotischer DNA können auf
2 Arten präpariert werden.
N = Zahl von erforderlichen Klonen
P = gewünschte Wahrscheinlichkeit (hoch, normalerweise 0.99)
n = Einzelner Typ von low abundant RNA innerhalb einer gesamten mRNA- Population.
A) Spaltung der Genom-DNA und zwar vollständig mittels Restriktionsenzymen und Einbau der
Fragmente in geeignete Bakteriophagen λ-Vektoren.
Die Methode hat 2 Nachteile:
a) Wenn die interessierende Sequenz (also innerAlso für das obige Beispiel (menschlicher Fibro- halb des codierenden Bereichs) Recognition sites
blast) ergibt sich dann:
für die gewählten Restriktionsenzyme enthält, dann
wird die Sequenz in 2 oder mehr Stücken kloniert.
Es kann aber auch sein, daß die Sequenz als ein zu
großes DNA-Fragment vorliegt, so daß es nicht in
ln ( 1 - 0.99 )
N=
die Bakteriophagen DNA eingebaut werden kann
ln ( 1 - 1/37.000)
(siehe unter Aufbau von Phagen).
b) Die durchschnittliche Größe der Fragmente, die
durch Spaltung der eukaryontischen DNA mittels
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hexanucleotid - erkennende Restriktionsenzyme
produziert werden, ist relativ klein (~ 4 Kb). Eine
vollständige Library enthält deshalb eine große
Zahl rekombinanter Bakteriophagen, und das
Screening mittels Hybridisierung wird sehr arbeitsaufwendig und teuer.
B) Beide Probleme können umgangen werden,
wenn große DNA-Fragmente (~ 20 Kb) kloniert
werden, die durch zufälliges Spalten der DNA
(random shearing) erhalten werden. Damit ist ausgeschlossen, daß bestimmte Sequenzen aufgrund
ungünstiger Verteilung oder Vorhandensein von
Restriktionsenzym-Recognition sites nicht erfaßt
werden. Weitere Vorteile der randomly sheared
DNA (oder der partiellen Verdauung mittels Restriktionsenzymen, s.unten):
P = gewünschte Wahrscheinlichkeit
f = Verhältnis von einzelner Rekombinanter DNA
[vorliegend in jeweils einem Phagen] zum Gesamtgenom
N = Zahl der notwendigen Rekombinanten (Phagen)
Um z.B. mit 99 % Wahrscheinlichkeit (P = 0.99)
eine bestimmte Sequenz in einer Library von 17
Kb-Fragmenten im Säugergenom (3x109bp) zu
erfassen, ergibt sich:
1) Möglichkeit, das eukaryonische Genom entlang
zu wandern in der Art, wie es bei einem Nicht
Überlappen (das ist der Fall bei Spaltung durch
Restriktionsenzyme) ausgeschlossen ist. Die Zahl
der potentiell verschiedenen Klone ist unbegrenzt.
Es ist möglich, die aus einem rekombinanten Klon
gewonnen DNA-Fragmente als Sonde (Probe) zur = 8.1 x 105 (Zahl der notwendigen rekombinanWanderung (walk) am gesamten Genom entlang ten Bakteriophagen)
zu benutzen.
3) Die Kenntnis der Verteilung der Restrictions
2) Weil die randomly sheared DNA-Fragmente, Orte in oder um die gesuchte Sequenz herum ist
die für die Klonierung verwandt werden, relativ nicht notwendig, bevor die Klonierung versucht
groß sind, müssen nur noch weniger als 1 Million wird.
Recombinante Phagen produziert und gescreened
werden, um eine gute Chance zu haben, eine be- Darstellung der Hauptschritte einer Genomic
stimmte Gensequenz (single-copy-sequence) der DNA Library
eukaryotischen DNA zu isolieren. Die exakte
Wahrscheinlichkeit, daß jede Sequenz des Ge- 1. Behandlung eines Bakteriophagen l (Substitunoms erfaßt wird, kann mit folgender Formel be- tions -Vektor), der die Aufnahme von bis zu 20 kbrechnet werden. Jede Sequenz hängt von der Zahl Fragmente aufnehmen kann, mit einer Restriktions-Endonuclease. Entfernung des internen Stufder verfügbaren rekombinanten Phagen (N) ab.
fer-Fragments durch Gradientenzentrifugation.
2. Herstellung von 20 Kb-Fragmenten des eukaryonten Genoms durch partielle Verdauung mit
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Restrictionsenzymen (ergibt DNA-Fragmente, die
der sheared DNA sehr ähnlich ist)
3. Die Arme des Vektors und die Fragmente der
Eukaryonten-DNA werden mit Ligase verknüpft
und diese Rekombinanten-Moleküle in Bakteriophagenköpfe verpackt und auf E.coli-Kolonien
amplifiziert. Die sich so ergebende Library kann
aufbewahrt und über lange Zeit verwendet werden. Sie kann gescreened werden auf das Vorhandensein vieler verschiedener Gensequenzen.
DNA-Sequenzierung
Die DNA-Sequenz kann Auskunft darüber geben,
welche Proteine von ihr kodiert werden. Auch
können die Sequenzen, die für ähnliche Proteine
kodieren, miteinander verglichen werden und der
Grad der Identität bzw.Homologie bestimmt werden. Weiterhin ist es möglich, regulatorische DNASequenzen von verschiedenen Genen zu vergleichen, die z.B. durch bestimmte Hormone aktiviert
werden. So besitzen z.B. alle die Gene, die durch
das Hormon Progesteron reguliert werden, die
gleiche DNA-Sequenz in der Nähe der Startregion
für die proteinkodierende Sequenz. Unsere Arbeitsgruppe konnte zusammen mit einer Forschergruppe am NIH/National Institutes of Health (Nationalen Gesundheitsbehörde), Bethesda bei
Washington,USA zeigen, daß die Sequenz eines
in der Embryonalentwicklung früh (in der Gastrula) expremierten Genes, ähnlich derjenigen von ßtubulin ist. Es handelt sich bei unserem Gen um ein
gehirnspezifisches ß-tubulin.
Zwei DNA-Sequenzierungsmethoden sind üblich:
1. nach Maxam und Gilbert (KettenspaltungsMethode = chemische Spaltung)
2. nach Sanger (Kettenabbruch-Methode = „Dideoxy“-Sequenzierungs-Methode)
zu 1) gereinigte einheitliche DNA-Fragmente aus
einem Plasmid oder Phagen werden mittels Polynucleotid-Kinase an den 5'-Enden der DNA mit
32P radioaktiv markiert. Der DNA-Doppelstrang
wird dann mittels eines Restriktionsenzyms in 2
unterschiedlich große Fragmente gespalten. Die
Separation erfolgt mittels Gelelektrophorese, so
daß man ein DNA-Fragment mit 32P-Marking am
5'-Ende erhält. Es folgt dann eine zufallsgemäße
Spaltung der DNA mittels speziellen Chemikalien. Es werden 4 Ansätze (z.B. Reagenzgläser) der
gleichen DNA mit jeweils einer anderen Chemikalie behandelt. Im ersten Ansatz wird überwiegend
bei der Base T, im zweiten bei C, im dritten bei G
und beim vierten bei A gespalten. (Hinweis: In der
Praxis sind die Chemikalien nicht so spezifisch. So
werden in zwei Ansätzen gleichzeitig bei A und G
bzw. T und C gespalten. Durch vergleichende
Subtraktions-Analyse mit den beiden anderen
Ansätzen ist aber eine eindeutige Basenidentifizierung möglich). Die Spaltung erfolgt jedoch
zufallsgemäß. In einem DNA-Fragment am ersten
A, in einem anderen DNA-Fragment jedoch nur
am fünften A downstram vom 5'-Ende. Man erhält
somit unterschiedlich lange DNA-Fragmente, die
alle am 5'-Ende radioaktiv markiert sind. Die gleichzeitig entstehenden nicht radioaktiven Fragmentewerden in der anschließenden Autoradiographie
nicht nachgewiesen und stören somit auch nicht
bei der Auswertung. Da die unterschiedlich langen
DNA-Fragmente im elektrischen Feld unterschiedlich schnell wandern, können sie mittels Polyacrylgel-Elektrophorese aufgetrennt werden. Die 4 Proben (T-, C-, G-, A-Spaltprodukte) werden auf 4
Bahnen aufgetragen. Da die DNA negativ geladen
ist, wandern die DNA-Fragmente zur Anode (+Pol), und zwar kürzere Fragmente schneller und
weiter als lange. Nach der Elektrophorese wird das
Gel in Kontakt mit einem Röntgenfilm gebracht.
Überall dort, wo eine radioaktive Bande vorhanden ist, wird der darüberliegende Film geschwärzt
(sichtbar nach der Entwicklung des Films). Die
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Ableseung der Basensequenz erfolgt dann vom können. Die Auswertung erfolgt wie bei dieser
unteren Rand in Richtung zum oberen Rand des oben beschriebenen Methode.
Gels (vom + zum - Pol).
In situ Hybridisierung
zu 2) Kettenabbruch [Dideoxy-Sequenzierungs]-Methode nach Sanger et al., 1977
Wenn auf diese Weise ein Gen charakterisiert
Auch bei dieser Methode beginnt man wieder mit worden ist, kann man seine Expression z.B. wähdem Plasmid oder Phagen, die das gesuchte Gen rend der Embryonalentwicklung verfolgen. Die
enthalten. Man isoliert dann einen Einzelstrang entsprechende mRNA, die für ein bestimmtes Proder ringförmigen DNA. Dann wird ein radioakti- tein kodiert, läßt sich während bestimmter Entver Primer (ca. 20 Basenpaare langes DNA-Frag- wicklungsstadien in bestimmten Zellen nachweiment), der komplimentär ist, an den Bereich der sen. So konnte unsere Arbeitsgruppe ein gehirnPlasmid-DNA gebunden, der unmittelbar vor dem spezifisches Gen im Neuroektoderm bereits in der
klonierten Gen liegt. Da die Basensequenzen im Gastrula von Xenopus laevis (Krallenfrosch) nachPlasmid bekannt sind, kann ein solcher Primer weisen, lange bevor sich die Gehirnzellen histoty(Oligonucleotid) leicht synthetisch hergestellt pisch differenzieren. Man kann die spezifische
werden. Der Primer besitzt ein freies 3'-Ende, an Genexpression sowohl im Ganzkeim (whole
das weitere Nukleotide angehängt werden können. mount-in situ-Hybridisierungstechnik) als auch
Ähnlich wie bei der Maxam und Gilbert-Methode am histologischen Schnitt nachweisen. Am histobereitet man vier verschiedene Reagenzgefäße vor. logischen Schnitt bindet cDNA (radioaktiv) an
Jedes dieser Gefäße enthält die DNA mit Primer komplementäre mRNA in Zellen oder Geweben,
und alle 4 Desoxynucleotide (ATP, GTP, CTP und die auf einem Objektträger aufgebracht worden
TTP). Aber zusätzlich erhält jedes Gefäß ein je- ist. Nachdem nicht gebundene cDNA weggewaweils unterschiedliches Dideoxinucleosidtri- schen worden ist, werden die histologischen Schritphosphat . Das erste Gefäß Dideoxi G, das zweite te mit einer Fotoemulsion bedeckt. Überall dort,
Dideoxi A, das dritte Dideoxi T und das vierte wo die radioaktive cDNA Hybride mit der gesuchDideoxi C. Im Gegensatz zu Deoxi-Nucleotiden ten mRNA gebilet hat, werden die Silberhalogebesitzen die Dideoxi-Nucleotide keine 5'-OH- nid-Kristalle durch die radioaktive Strahlung aktiGruppe. Wenn nun bei der DNA-Synthese durch viert. Sie werden im anschließenden EntwickDNA-Polymerase 1 ein solches Dideoxi-Nucleo- lungsprozeß zu metallischem Silber umgewantid eingebaut wird, erfolgt ein kettenabbruch, da an delt. Durch spezielle mikroskopische Analysedas modifizierte Nucleotid kein weiteres Nukleo- techniken können die Silberkörner überall dort
tid angehängt werden kann. Da gleichzeitig „nor- nachgewiesen werden, wo die gesuchte mRNA in
male“ Nukleotide vorhanden sind, und ebenfalls in der Zelle lokalisiert ist. Wie bereits oben erwähnt
die Kette integriert werden, erfolgt der Einbau der läßt sich die in situ-Hybridisierungstechnik somodifizierten Nukleotide zufallsgemäß, z.B. Di- wohl am histologischen Schnitt als auch am gandeoxi GTP manchmal am 1., 2., 3. oder 4. komp- zen Embryonen (whole mount-in-situ-Hybridisielimentären C usw. Der Kettenabbruch erfolgt des- rungstechnik) anwenden. Auf die recht komplihalb an unterschiedlichen Stellen. Man erhält so- zierte Methodik kann hier nicht eingegangen
mit radioaktive Fragmente, die unterschiedlich werden(Es sei deshalb auf folgende Literatur verlang sind und die wie bei der Maxam und Gilbert- wiesen (Grunz, 1990; Oschwald, Richter, Grunz,
Methode elektrophoresisch aufgetrennt werden 1991).
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR)
Die Entwicklung der PCR-Methode ist ebenso
revolutionär wie die Entdeckung der Restriktionsenzyme und Entwicklung der Southern-Plot-Technik. Die PCR-Technik ist so sensitiv, daß ein
einzelnes DNA-Molekül millionenfach amplifiziert werden kann. Es können single-copy-Gene
im Routineverfahren aus einer komplexen Mischung von genomischen Sequenzen "herausgefiltert" werden und als Banden auf Agarose-Gelen
sichtbar gemacht werden. Die Technik wird mittlerweile in vielen Bereichen der Wissenschaft angewandt, z.B. bei der Analyse von Erbkrankheiten, bei kriminaltechnischen Untersuchungen, in
der Evolutionsbiologie, bei der Krebsforschung
und selbstverständlich auch in der Grundlagensforschung in der Entwicklungsbiologie und Embryologie. Besonders interessant für den Biologen
und Paläontologen ist die Tatsache, daß DNAReste an Organismen in Museen und bei archeologischen/paläontologischen Funden mit der PCRTechnik amplifiziert werden können. Das gilt jedoch nur für den Fall, daß die DNA über die
Jahrhunderte nach Absterben der Organismen
nicht extrem modifiziert worden ist (günstig ist
eine Kryokonservierung).
Die zu amplifzierende DNA-Sequenz (Doppelstrang) wird denaturiert. Zwei verschiedene Primer (RNA-Primer), die zu einer bestimmten Region der zu amplifizierenden DNA komplimentär
sind, werden an die Einzelstränge der DNA gebunden. Wenn man nach einem bestimmten Gen
sucht, kennt man dessen Gensequenz und kann
entsprechende Oligonucleotid-Primer synthetisieren. So kann man Primer 1 synthetisieren, der an
die Region der DNA bindet, der für die N-terminale Region des entsprechenden Proteins kodiert,
bzw. Primer 2, der für das Carboxende des entsprechenden Proteins kodiert, bzw. Primer 2, der
für das Carboxylende kodiert. Sobald ein Primer
an die DNA gebunden ist, kann die DNA Polyme-
rase einen neuen komplimentären DNA-Strang
synthetisieren. Das besondere an der PCR-Technik ist nun, daß es sich hier nicht um eine gewöhnliche E.coli DNA-Polymerase handelt. Stattdessen kommt hier eine DNA Polymerase zum Einsatz, wie wir sie in Bakterien (Thermus aquaticus)
finden, die in heißen Quellen (z.B. im Yellowstone
National Park, USA) vorkommen. Die Temperatur in diesen Quellen beträgt ca.
90° C. Diese spezielle DNA-Polymerase wird bei
dieser hohen Temperatur nicht denaturiert. Die
PCR-Technik nutzt nun diese Besonderheit dieser
Evolutionsanpassung aus. Sobald nämlich der
zweite DNA-Strang synthetisiert worden ist, wird
die DNA durch Temperaturerhöhung denaturiert
(Auftrennung des Doppelstranges in Einzelstränge). Während dieser Temperaturerhöhung wird
die T. aquaticus DNA Polymerase nicht denaturiert.
Nach Abkühlen der Präparation erfolgt die erneute
Bindung der Primer an die DNA und eine erneute
Synthese von komplimentären DNA-Strängen.In
sich wiederholende Zyklen von Denaturierung der
DNA und Neusynthese der komplimentären Stränge wird die DNA millionenfach vermehrt. Nach 20
Runden erhält man 220 Kopien des ursprünglichen
DNA-Stranges (also eine etwas mehr als 1 millionenfache Amplifizierung).
Abschließend weise ich darauf hin, daß molekularbiologische (molekulargenetische ) Aspekte der
Entwicklungsbiologie in meiner Vorlesung "Topographie und Molekularbiologie der Zelle" behandelt werden. Zum Verständnis dieser Probleme sind Grundkenntnisse der gentechnischen
Methoden erforderlich, die in dieser Vorlesung
des Hauptstudiums vermittelt werden. Für Interessenten, die sich mit der Materie der molekulargenetischen Entwicklungsbiologie schon jetzt vertraut
machen wollen, sei auf die Lehrbücher Alberts et
al.: Molekularbiologie der Zelle bzw. Gilbert:
Developmental Biology verwiesen.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Molekulare Embryologie
Eines der faszinierendsten Gebiete der Biologie ist
die Umsetzung der Information der DNA (primär:
lineare Anordnung der codierenden Sequenzen) in
ein 3-dimensionales Embryonalsystem. Bei
Berücksichtigung des für die embryonalen Abläufe
während der Ontogenese sehr wesentlichen Faktors
Zeit kommt eine weitere vierte Dimension hinzu.
Anders ausgedrückt heißt das, daß ausgehend von
der Oozyte komplizierte, räumlich und zeitlich
streng koordinierte Abläufe erforderlich sind, damit
aus der relativ einfach organisierten befruchteten
Eizelle (Zygote) ein 3-dimensionaler Organismus
mit spezifischen Polaritäten (anterior-posterior,
dorsal-ventral, lateral-median, cranial-caudal,
proximal-parietal) entstehen kann. Beteiligt an
diesen Prozessen ist ein Kaskade spezifischer Gene
und ihre Produkte in Wechselwirkung mit
mütterlichen Faktoren und Substanzen (maternal
factors, lokalisiert im Cytoplasma). Letztere spielen
während der frühen Embryonalstadien eine
wesentliche Rolle für die Furchungsprozesse
(Mitose/Spindelbildung, Synthese neuer
Zellmembranen etc.). Ab der mittleren Blastula
(Midblastula-Transition) bei den Amphibien, bei
Säugern schon während der ersten Furchungen,
kommt es dann zur Aktivierung zygotischer Gene
und der Synthese vor allem neuer mRNAs und
folglich zur Synthese differenzierungsspezifischer
Proteine (d.h. Proteine, die spezifisch sind z.B. für
zukünftige Blutzellen [Hämoglobin], Muskelzellen
[Myoglobin], Epidemiszellen [Keratin] etc.
Aufgrund der kurzen Generationszeit und der
Verfügbarkeit einer Reihe von gut charakterisierten
Mutanten wurde es durch den Einsatz der modernen
Gentechnologie (molekulare Genetik, Molekularbiologie) möglich, bei der Taufliege (Drosophila
melanogaster), die wesentliche Schritte während
der frühen Embryonalentwicklung aufzuklären.
Bereits in der klassischen Drosophila-Genetik
wurden bestimmte Mutationen beschrieben, die,
wie wir heute wissen, auf homöotische Gene
(homoios [griechisch] = ähnlich) zurückzuführen
sind. Bei diesen homöotischen Mutationen wurden
bestimmte Körperteile in einen anderen
umgewandelt. So hat die dominante homöotische
Mutation in dem Genbereich Antennapedia (Antp)
zur Folge, daß sich anstelle von Antennen Beine in
der Kopfregion der Taufliege entwickeln. Mittels
gentechnischer Sequenzierungsmethoden stellte
man fest, daß dieses Gen und auch andere
homöotische Gene einen konservierten
Genabschnitt (180 bp) besitzen, der für eine 60
Aminosäuren lange Sequenz kodiert, d.h. für die
Homöo-Domäne. Dieser als Homöobox
bezeichnete Genabschnitt wurde mittels
entsprechender Gensonden auch bei Säugern
gefunden. Weiterhin hat man durch Screening
mittels einer die Homeobox enthaltende Gensonde
eine ganze Reihe von anderen Genen mit
Homeobox-Bereichen finden können. Wichtig: Als
homöotische Gene im engeren Sinne werden nicht
sämtliche Gene bezeichnet, die eine Homeobox
enthalten, sondern nur solche, die für die endgültige
Determination eines jeden Segments des Embryos
verantwortlich sind. Dazu gehören die
Genkomplexe Antennepedia (Ant-C) und Bithorax
(BX-C) [Abb.117]. Damit konnte eindrucksvoll
gezeigt werden, daß bestimmte Gene, die von
zentraler Bedeutung für die Entwicklung eines
Individuums sind, während der Evolution nur
unwesentlich verändert wurden. Ein weiterer
wesentlicher Punkt ist, daß viele entwicklungsbiologische Abläufe auch auf molekularer Ebene
sowohl bei niederen als auch bei höheren
Organismen einschließlich Mensch erstaunlich
ähnlich ablaufen. Diese Aussage war für die
Wissenschaft auch aus technisch- methodischer
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Sicht von weitreichender Bedeutung. Man hat
nämlich Gene, die bei Drosophila bereits
charakterisiert werden konnten, als Gensonden
verwendet, um sehr verwandte Gene (z.B. forkhead,
goosecoid etc.) auch bei Xenopus (Südafrikanischer
Krallenfrosch) und Säugern nachweisen zu können.
Es sollte jedoch betont werden, daß die verwandten
Gene mit weitgehend ähnlicher Basensequenz nicht
die gleichen Funktionen bei den verschiedenen
Spezies erfüllen. Das ist auch nicht zu erwarten, da
es sich bei Drosophila um einen Evertebraten
(Protostomia), bei Xenopus und Säugern aber um
Vertebraten (Deuterostomia) handelt. (Man denke
z.B. an die Unterschiede bei der Bildung des
Zentralnerven- und Kreislaufsystems).
Embryonale Gene bei Drosophila
Man konnte aufgrund der bereits vorliegenden
Beobachtungen der Endstadien von Mutanten, die
meist lethal sind, eine molekularbiologische
Analyse der für die charakteristischen Merkmale
der Mutanten verantwortlichen Gene durchführen.
Es handelt sich um Gene, die in unterschiedlichen
Entwicklungsstadien von Drosophila ihre Wirkung
entfalten. Man kann 3 verschiedene Klassen
unterscheiden (Abb.120, 121):
Abb. 116
Phänotypen von Entwicklungsmutanten, die auf fehlende Expression
von Genen auf unterschiedlicher zeitlicher (entwicklungsstadienspezifisch) und hierarchischer Ebene zurückzuführen sind
1. Mütterliche Gene (maternal effect genes)
2. Segmentierungsgene
a) Lückengene (gap genes)
b) Paarregelgene (gap rule genes)
c) Segmentpolaritätsgene (segment polarity
genes)
3. Homöotische Gene im engeren Sinne
1. Mütterliche Gene
Mütterliche RNA wird im Ei prelokalisiert
angeordnet (also anterior bzw. posterior). Ihre
Produkte (Proteine) bestimmen die anteriorAbb. 117 Karte des Bithorax komplexes
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb.118 Auswirkungen von genetischen Veränderungen im Bereich des Bithorax-Komplexes
A. Normale Drosophila-Fliege(Diptera) mit einem
Flügelpaar am Thoraxsegement 2 (T2). Am Thoraxsegement
3 befinden sich die Halteren (Schwingkölbchen; rudimentäre
Flügel).
B. Mutante mit 2 Flügelpaaren. Dieser Mutanten-phänotyp
(bithorax) läßt sich dadurch experimentell erzeugen, indem
man frühe Embryonalstadien einem Temperaturschock
(35 °C) aussetzt oder einer Ätherbehandlung unterzieht
(Gloor, 1947).
C. Mutante, die für drei mutierte Allele (bx, abx und pbx) des
Bithoraxkomplexes homozygot ist. Daraus resultiert die
Umwandlung von T3 in Strukturen, die denen des
Thoraxsegements T2 ähnlich sind. Das transformierte
Segment besitzt statt Halteren nun ein weiteres gut
ausgebildetes Flügelpaar. Die molekularbiologischen Hintergründe wurden von dem Entwicklungsbiologen E.B.Lewis,
Nobelpreis 1995, aufgeklärt (Lewis, Nature[1978] 276:
565). Die molekarbiologische Aufklärung dieses Phänomens
ist deshalb von so großer Relevanz, weil damit sehr schön
gezeigt werden kann, wie genetisch- entwicklungsbiologische
Mechanismen unmittelbar mit der Evolution in Verbindung
gebracht werden können. Die Entwicklung bestimmter
Strukturen ist nicht grundsätzlich auf eine völlige
Neuentwicklung zurückzuführen, sondern beruht oft nur auf
einer Aktivierung, Deaktivierung, Verdoppelung oder
Reduzierung bestimmter Genbereiche. Besonders starke
Auswirkungen auf die Embryonalstrukturen (und die
daraus hervorgehenden adulten Segement- und
Organbereiche) haben Gene (übergeordnete Gene oder
Mastergene), die am Anfang der Gen- Hierarchie stehen
(mütterliche Gene, homöotische Gene). Ein weiteres
besonders interessantes Gen ist das Drosophila-Gen eyeless
(ey), das für einen Transkriptionsfaktor kodiert. Es ist homog
zu dem Maus-Gen Small Eye (Pax-6) und dem menschlichen
Gen Aniridia. Da also Homologe dieses Gens (ey) bei
Vertebraten, Ascidien, Insekten, Cephalopoden und
Nematoden nachgewiesen wurde, nimmt man an, daß es sich
um ein Master Kontrollgen im ganzen Metozoen-Reich
handelt. Für die Augenentwicklung bei Drosophila sind
wahrscheinlich weitere 2000 dem ey-Gen nachgeschaltete
Gene erforderlich. Die Ergebnisse der Gruppe Gehring
deuten darauf hin, daß das Auge (Grubenauge, Linsenauge
oder Komplexauge) nicht jedesmal während der Evolution
völlig neu entwickelt wurde (frühere Vorstellungen), sondern
ausgehend von einem Mastergen am Anfang der Hierarchie
lediglich die
sich anschließenden Gene (weitere
Transkriptionsfaktoren und Strukturgene) bei den einzelnen
Tierarten variiert wurden. Auch an diesem Beispiel kann
sehr pregnant die Beziehung zwischen Molekulargenetik,
Entwicklungsbiologie und Evolution demonstriert werden
(G.Halder, P.Callerts, W. Gehring (1995) Induction of
ectotopic eyes by targeted expression of the eyelessgene in
Drosophila. Science 267, 1788-1792; G.Halder, P.Callerts,
W. Gehring (1995) New perspectives on eye evolution.
Current Opinion in Genetics and & Development 5, 602609) [siehe auch S. 4 , 5].
137
VorlesungNeu PM76.März2003
137
06.03.2003, 22:27 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
posteriore Achse des Embryos. Im Falle von bicoid
handelt es sich um ein Gen, das für einen
Transkriptionsfaktor mit einer Homeo-Domäne
kodiert.
Hinweis: Neben Bicoid wurden eine Reihe anderer
Gene der obigen Klassen als Transkriptionsfaktoren
identifiziert (s. Tabelle 2 und separaten Abschnitt
über Transkriptionsfaktoren)
2. Segmentierungsgene
a) Lückengene (gap genes)
Lückengene sind dafür verantwortlich, daß alle
erforderlichen Segmente des Embryos gebildet
werden. Bei Mutanten fehlen mehrere Segmente,
z.B. bei Knirps die meisten Abdominalsegmente
b) Paarregelgene (pair rule genes)
Defekte Paarregelgene haben den Verlust von
Segmenten in regelmäßigen Abständen zur
Folge. So fehlt bei der Mutante fushi tarazu
jedes zweite Segment.
c) Segmentpolaritätsgene (segment polarity genes) Abb. 119 Die verwandten Gene (Hox2 bei der
Maus und der Antennapedia- und BithoraxBei Mutationen sind die einzelnen Segmente Komplex bei Drosphila) sind in gleichen
betroffen. Es wird nur ein Teil des Segments Schraffierungen dargestellt. Beachtenswert ist, daß
gebildet und durch das Spiegelbild des restlichen ähnliche Gene in gleicher Reihenfolge(anteriorposterior) sowohl bei Drosphila als auch bei der
Segment ersetzt (z.B. engrailed).
Maus exprimiert werden. Im embryonalen
3. Homöotische Gene (s.Abb.120 und Tabelle 2, Nervensystem (in Entwicklung begriffen) der Maus
werden die Hox-Gene wohl posterior überlappend
Seite 140)
Homöotische Gene sind für die endgültige exprimiert, zeigen aber anterior scharf begrenzte
Determination eines jeden Segments Expressionsgrenzen. Die Expression der Gene
verantwortlich. Man könnte sie auch als nimmt von anterior nach posterior kontinuierlich
Segmentidentifikationsgene (Segment identity ab. Besonders bemerkenswert ist die erstaunliche
genes) bezeichnen. Zu ihnen gehören der Konstanz dieser Gene während der Evolution von
Antennapedia (Ant C)- und der Bithorax (BX- Evertebraten bis hin zu den höheren Vertebraten.
C)-Komplex.
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VorlesungNeu PM76.März2003
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Abb. 120 Zeitliche und räumliche Lokalisation
und Wirkung verschiedener Gene und ihrer
Produkte im Drosophila-Embryo.
Abbildung modifiziert nach Hoch und Jäckle
(1995). Biospektrum 5, 22-33.
139
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
mütterliche Gene (maternal ef fect genes)
anterior -Bereich
posterior -Bereich
terminale Gruppe
dorso-ventral-Bereich
bicoid (bcd)*
exuperantia (exu)
swallow (sww)
caudal (cad)*
nanos (nos)
pumilio (pum)
oskar (osk)
vasa (vas)
staufen (stau)
valois (val)
tudor (tud)
torso (tor)
torsolike (tsl)
trunk (trk)
fs(I) polehole (fs(I) ph)
fs(I) Nasrat (fs(I) N)
dorsal (dl)
Toll (Tl)
snake (snk)
cactus (cac)
spätzle (spz)
pelle (pll)
easter (ea)
tube (tub)
pipe (pip)
nudel (ndl)
windbeutel (wbl)
zygotische Gene
snail (sna)
twist (twi)
zerknüllt (zen)
decapentaplegic (dpp)
gap genes
(Lückengene)
hunchback (hb) •
Krüppel (Kr) •
knirps (kn) •
giant (gt)
tailless (tll)
pairrule genes
(Paarregelgene)
even skipped (eve) *
hairy (h)
runt (run)
fushi tarazu (ftz) *
odd-paired (opa)
odd-skipped (odd)
sloppy-paired (slp)
• Gene, die für Zinkfinger Proteine (T ranskriptionsfaktoren codieren
* Homeoboxenthaltende
Gene
segment polarity genes
(Segmentpolaritätsgene)
engrailed (en)*
wingless (wg)
patched (ptc)
gooseberry (gsb)
paired (prd)
armadillo (arm)
cubitus-interuptus (ci D)
fused (fu)
naked (nkd)
hedgehog (hh)
dishevelled (l(l)dsh)
homoeotic genes
(Homöotische Gene)
proboscipedia (pb)
Deformed (Dfd)
Sex combs reduced (Scr)
Antennapedia (Antp)
Ultrabithorax (Ubx)
Abdominal-A (abd-A)
*
Abdominal-B (abd-B)
Abb. 121 Übersicht über die in Drosophila
identifizierten Gene
140
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06.03.2003, 22:27 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Transkriptionsfaktoren
und zwar Transkriptionsfaktoren mit
Eine Reihe der oben genannten Gene kodieren für
Transkriptionsfaktoren. Aufgrund ihrer speziellen
Struktur sind diese Proteine in der Lage, spezifische
Bindungen mit der DNA einzugehen (an
bestimmten Positionen der DNA). Sie können
damit die Transkription der m-RNA verhindern
oder ermöglichen.
1) Helix-Turn-Helix-Homöodomäne
2) Zinkfinger-Domänen
3) Leucin-Zipper (Leucin-“Reißverschluß“)
4) Helix-Loop-Helix-Struktur
5) POU-Domäne (zusammen mit Homöobox)
Es gibt noch weitere Transkriptionsfaktoren, die
Man kann Transkriptionsfaktoren aufgrund ihrer ebenfalls spezifisch an die DNA binden, die sich
unterschiedlichen Struktur unterscheiden (s. auch aber nicht in diese Klassen einordnen lassen.
Tabelle 2):
Tabelle 2 Beispiele für DNA-bindende Proteine (Transkriptions[Genregulations] Faktoren)
Klasse / Genprodukt
Organismus
Bemerkung
MATα1
MATα2
MATa1
Hefe
Hefe
Hefe
Aktiviert α-spezifische Gene
Inaktiviert α-spezifische Gene
Bindet an α2, um haploid-spzefische Gene zu
reprimieren
Antennapedia*
Ultrabithorax*
Engrailed*
Paired*
Fushi tarazu*
HOX*
Drosophila
Drosophila
Drosophila
Drosophila
Drosophila
Maus
Unc86+
von Nematoden fest
Oct 1+
Oct2+
Pit+
Nematode
Homöotisches Gen
Homöotisches Gen
Segment-Polaritätsgen
Paar-Regel-Gen
Paar-Regel-Gen
Potentielle Entwicklungsregulatoren; mehr als
zehn verschiedene Proteine
Legt den Zellstammbaum bei der Entwicklung
Mensch
Mensch
Maus
Weit verbreiteter Regulator
Lymphzell-spezifischer Aktivator
Hypophysen-spezifischer Aktivator
Helix-Knick-Helix
(Helix-turn-Helix)
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Fortsetzung der Tabelle 2
Zinkfinger
GAL4
HAP1
SWI5
Hefe
Hefe
Hefe
Galactose-abhängiger Aktivator
Induzierbarer Aktivator von Cytochrom c
Aktiviert die Transkription des HO-Gens in
Mutterzellen
Gap-Gene
Gap-Gene
Krüppel
Hunchback
Drosophila
Drosophila
Steroidrezeptoren
Vertebraten
Positiv und negativ wirkend; in vielen, aber
nicht allen Zellen vorkommend
SP1
Vertebraten
Weit verbreiteter Aktivator
Homo- und Heterodimere mit amphiphiler Helix
Leucin-Zipper
GCN4
Hefe
C/EBP
Säugetiere
c-Fos/c-Jun
JunB
Säugetiere
Maus
Aktiviert Gene, die für Enzyme der
Aminosäurenbiosynthese codieren
Aktiviert Gene in Leber und anderen Geweben;
nicht in allen Zellen vorkommend
Wachstumsregulation (+ ? und -)
Wachstumsregulation, weit verbreitet
Helix-Schleife-Helix
(Helix-turn-Helix)
Daugtherless
Drosophila
Achaete-scute (T3)
Drosophila
MyoD
Amphibien
Säugetiere
Säugetiere
E 12 und E 47
An der Entwicklung des Nervensystems
beteiligt
An der Entwicklung des Nervensystems
beteiligt
Muskeldifferenzierung
Immunglobulin-Gen-Aktivierung
* Protein enthält die Homöoboxsequenz
+ Protein enthält eine Homöobox und eine als POU bezeichnete zweite Domäne, die hoch
konserviert ist.
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .......................................................................................................... 2
Einleitung - Entwicklungsbiologie und Entwicklungsgenetik moderne interdisziplinäre Wissenschaft ......................................................... 4
Molekulare Entwicklungsbiologie - zentrale Wissenschaft
in Forschung und Gesellschaft ..................................................................... 12
Literatur ..................................................................................................... 13
Wichtige Daten zur Entwicklungsbiologie ............................................... 14
Bedeutung der Entwicklungsbiologie und Entwicklungsgenetik ......... 18
Von der Descriptiven zur Molekularen Entwicklungsbiologie ............... 18
Modellsysteme - Bedeutung des Zellkerns (DNA) für die Steuerung
der
Entwicklung .................................................................................................. 23
Bildung der Keimzellen (Urgeschlechtszellen) ....................................... 27
Spermatogenese und Spermiohistogenese ............................................ 31
Balz und Besamung bei Schwanz- und Froschlurchen ......................... 33
Befruchtung (Beispiele: Seeigel und Amphibien) ................................... 36
Eitypen und Brutpflege .............................................................................. 38
Furchungstypen (Spiral- und Radiärfurchung) ....................................... 41
Furchung ..................................................................................................... 45
Furchungstyp in Korrelation zur Dottermenge und Dotterverteilung ... 48
Gastrulation ................................................................................................ 51
Neurulation ................................................................................................. 55
Klassische entwicklungsbiologische Experimente ................................ 56
Embryonale Induktion - von Spemann bis zur Molekulargenetik Induktionsfaktoren, Rezeptoren, Gradienten, Neural Default Model .... 67
Bedeutung und Wirkungsweise frühembryonaler Induktionsfaktoren Urbilateralia - Hypothese, selektive Genexpression ............................... 77
Organ Engineering (Organ- und Gewebezüchtung) ............................... 84
Augenentwicklung- Transplantationsexperimente ................................. 86
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VorlesungNeu PM76.März2003
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06.03.2003, 22:27 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Transdetermination ....................................................................................88
Transdifferenzierung (Metaplasia)............................................................ 89
Kerntransplantation ...................................................................................91
Seeigelentwicklung und klassische Experimente .................................. 93
Insektenentwicklung ..................................................................................96
Insektenentwicklung- Evolutionsaspekte .............................................. 101
Insekten - postembryonale Entwicklung ...............................................102
Vogelembryogenese ................................................................................ 105
Amphibien - Vögel - Vergleich des embryonalen Blutgefäßsystems ...... 109
Säugerentwicklung ..................................................................................112
Menstruation, Hormone, Metamorphose ...............................................117
Molekularbiologische Techniken (nicht rekombinant) ......................... 119
Gentechnologie (rekombinante DNA-Technologie) .............................. 121
cDNA-Library (Bibliothek) ....................................................................... 129
Genomische Bibliothek (Genomic Library) ........................................... 131
DNA-Sequenzierung ................................................................................ 132
Whole mount in situ Hybridisierung ........................................................133
Polymerase-Kettenreaktion (PCR).......................................................... 134
Molekulare Entwicklungsbiologie .......................................................... 135
Embryonale Gene bei Drosophila ........................................................... 136
Homeobox und Homöotische Gene (Transkriptionsfaktoren) ............. 140
145
VorlesungNeu PM76.März2003
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06.03.2003, 22:27 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Stammzellforschung - Biotechnologie - Organersatz
Aktuelle Themen der Biotechnologie,
vor allem Stammzellforschung
Die Diskussion über Stammzellforschung einschließlich
reproduktives und therapeutisches Klonen wurde durch die
den Report über das Klonschaf Dolly und später durch die
Nachricht ausgelöst, dass das menschliche Genom
weitgehend entschlüsselt sei. Daraus wurden jedoch bis
heute in der Öffentlichkeit folgende voreilige Schlüsse
gezogen:
1. Es handelt sich bei der Entschlüsselung um eine
überragende intellektuelle Leistung (besser:
technische Leistung)
2. Es entstand der Eindruck, dass mit dieser Entschlüsselung
der gläserne Mensch Realität geworden sei mit allen
Vorteilen aber besonders mit allen Nachteilen (z.B.):
a) Risikoabschätzung bei Versicherungen
b) therapeutisches und reproduktives Klonen, etc.
Dabei wird übersehen, das mit der Kenntnis der Basensequenz
noch keine Informationen über die Funktion der einzelnen
Gene und Signalketten oder gar von Netzwerken zwischen
den Genen und ihren Signalketten vorliegt. Die Basensequenz
könnte man mit einem Buch mit Millionenen chinesischer
Schriftzeichen oder ägyptischer Hierglyphen vergleichen,
dessen Bedeutung ("Funktion") für den Unkundigen völlig
unverständlich ist. Bekanntlich konnte erst der Franzose
Champollion aufgrund seines Sprachtalents, Genialität,
zielgerichten Fleiß und eine Portion Glück den rätselhaften
Code der Hieroglyphen entschlüsseln.
In der Öffentlichkeit weiterhin unbekannt ist die Tatsache,
dass in Tier- (Forschungs)- Modellen (Caenorhabditis,
Drosophila, Zebrafisch, Xenopus, Maus) bereits viele
Funktionen von Genen und natürlich auch ihre Struktur
bekannt sind. Die Wirkung von Genen (also ihre Funktion)
lässt sich bei Tieren im Gegensatz zum Menschen durch
Gewinn- oder Verlust-Experimenten (gain- and loss of function)
testen, d.h. Über- und Nicht-Funktion von Genen. Es ist klar,
dass es ethisch nicht vertretbar wäre, im menschlichen
Embryo ein Gen auszuschalten (z.B. knock-out-Versuche),
um zu sehen, welche Funktionsstörungen ( Missbildungen)
auftreten. Damit wird deutlich, dass aus ethischen Gründen
(selbst bei einer extrem liberalen Gesetzgebung) solche
Versuche zur funktionellen Analyse von Genen grundsätzlich
ausgeschlossen sind.
Aktuelle Themen der Biotechnologie, die in der
Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden:
1. Präimplantationsdiagnostik (PID )
2. Extrakorporale Befruchtung
3. Embryonale kontra adulte Stammzellforschung
5. reproduktives Klonen
6. therapeutisches Klonen
7. Klonen genetisch veränderte Tiere (Gene für Interleukin
Abb.1
3 Monate alter Fetus (Länge
ca.75 mm)
Bis zu diesem Entwicklungsstadium ist eine Abtreibung
straffrei (Deutschland).
Abb. 2
14 Tage alter Embryo. (Mensch). Bis zu diesem
Stadium ist in Großbritannien Forschung erlaubt
(Verbot in Deutschland).
etc. oder immunneutrale Tiere für die Transplantationsbiologie)
4. perinatale Diagnostik
a) Fruchtwasser-Untersuchung (Amniocentese)
b) Chorionzotten-Biopsie
Embryonenschutzgesetz
Verbot jeglicher experimenteller Manipulationen an
befruchteten menschlichen Eizellen (in Großbritannien
Experimente an menschlichen Embryonen bis zum 14. Tag
nach der Befruchtung der Oozyte erlaubt-die Embryo befindet
sich dann im Stadium der beginnenden Gastrulation).
146
VorlesungNeu PM76.März2003
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06.03.2003, 22:27 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Stammzellforschung - Biotechnologie - Organersatz
Definition, ab wann embryonal von menschlichem Leben
gesprochen werden kann
Der Beginn des menschlichen Lebens wird gemäß der
Auffassung der christlichen Kirchen definiert als die
Verschmelzung des männlichen mit dem weiblichen Vorkern.
(sogenannte Befruchtung). Damit wäre auch die
Präimplantationsdiagnostik verboten, die aber während der
ersten Furchungsteilungen durchgeführt wird . Diese Definition
(Verschmelzung von männlichem und weiblichem
Erbmaterials) trifft jedoch nicht zu bei therapeutischen und
reproduktivem Klonen. In diesem Falle kommt es zu einem
Transfer eines Kerns (diploid =2n) aus einer adulten
Körperzelle (somatische Zelle) in eine Zygote, deren eigener
(mütterlicher) Kern entfernt wurde. In diesem Falle greift das
Embryonenschutzgesetz der deutschen Gesetzgebung, dass
jegliche experimentelle Forschung an menschlichen
Keimzellen verboten ist. Dazu gehören auch das
therapeutische und reproduktive Klonen, obwohl es sich in
diesem Falle nicht um die Lebensentstehung durch
Verschmelzung von Samen- und Eizelle handelt. Verstöße
werden strafrechtlich verfolgt. Problematisch ist diese
Gesetzeslage im Hinblick auf die Tatsache, dass eine
Abtreibung eines Feten bis zur 12. Schwangerschaftwoche
straffrei bleibt (Abb. 1), während Experimente zum Beispiel
an einem 8-Zell- Stadium bis zu 12.Tage alten Embryonen
verboten sind (Abb. 2).
Befürworter dieser Gesetzeslage begründen ihren Standpunkt
damit, dass es sich im Falle der Abtreibung um eine
Notsituation der Frau, bei Experimenten am frühen Embryo
aber um für die Gesellschaft verzichtbare Forschung von
Wissenschaftlern handelt. Häufig wird den Wissenschaftlern
Eigeninteresse verbunden mit finanziellen Vorteilen und
Streben nach persönlicher Reputation unterstellt. Dies kann
durchaus in einigen Fällen zutreffen. Daher ist eine
Selbstkontrolle durch die wissenschaftliche Community
erforderlich.
Präimplantationsdiagnostik (PID)
Den durch extrakorporale Befruchtung gewonnenen
Embryonen (8 -16-Blastomerenstadien) werden eine
Blastomere entnommen und mittels molekulargenetischer
Methoden auf mögliche Gendefekte untersucht.
Im Falle negativer Befunde erfolgt die Implantation der
Blastocyste in die Uterusschleimhaut .
Der Vorteil gegenüber der Amniocentese oder ChorionzottenBiopsie besteht darin, dass Embryonen mit genetischen
Defekten vor der Implantation selektioniert werden können.
Damit entfällt das in erster Linie bei der Frau mit psychischen
Belastungen einhergehende Abtreibungsverfahren. Es ist
jedoch zu erwähnen, dass PID mit einem erheblichen Aufwand
verbunden ist und nicht als Routineverfahren (also auch bei
Nicht-Risikopersonen) sinnvoll ist.
Embryonale Stammzellen
Bei embryonalen Stammenzellen handelt es sich bei
Säugerembryonen einschließlich Mensch um pluripotente
Zellen. Frühe Embryonalstadien, z.B. alle Blastomeren eines
2-8 -Zellstadiums sind noch totipotent, sie können also einen
vollständigen Embryo realisieren. Nach jetzigem
Wissensstand handelt es sich aber bei der inneren Zellmasse
(inner cell mass) von Blastocysten um pluripotente Zellen.
Sie sind noch in der Lage, unter bestimmten Bedingung sich
in eine Vielzahl von Zellen zu differenzieren. Ein vollständiger
Embryo wird sich aber nicht bilden, da für diese Prozesse
komplizierte Wechselwirkungen zwischen Zellen und
Keimbättern (3-dimensionale Gestaltungsbewegungen)
erforderlich sind. Bekanntlich geht aus den Zellen der inneren
Zellmasse des Blastocystenstadiums der eigentliche Embryo,
aber aus den übrigen Zellen (Trophoblast) embryonale
Hilfssysteme (extraembryonal) wie die Placenta hervor.
Das Blastocysten-Stadium ist das Embryonalstadium (14
Tage), das sich aus der befruchteten Eizelle in die
Gebährmutter (Uterus) einnistet (Nidation). Das
Blastocystenstadium ist das Ergebnis mehrfacher Teilungen
der befruchteten Eizelle während ihrer Wanderung im Eileiter.
Plkuripotente embryonale Stammenzellen sind noch in der
Lage, sich in eine Vielzahl verscheidener Zelltypen des
Embryos zu entwickeln. Diese Programmierung in eine
bestimmte Differenzierungsrichtung kann durch spezielle
experimentelle
Methoden
(Behandlung
mit
Induktionsfaktoren-Wachstumsfaktoren) erfolgen. Bislang
steht hier die Forschung bei Säugern noch am Anfang. Man
spricht in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit des
therapeutischen Klonens: ein somatischer Kern eines
Patienten (z.B. Leberkranker) wird in eine entkernte Oozyte
transferiert und bis zum Blastocystenstadium kultiviert.
Experimentell könnten Herz- oder Leberzellen programmiert
werden, die dann defekte Leber- oder Herzzellen des Herzoder Leberkranken ersetzen könnten. Der enormer Vorteil
gegenüber traditionellen Herz- oder Lebertransplantationen
(Herz oder Leber eines genetisch unterschiedlichen Spenders)
bestände darin, das keine Immun (Abstoßungs)- Reaktionen
gegenüber dem Transplantat erfolgen würde.
"Adulte" (Somatische) Stammzellen
Stammzellen des blutbildenden (hämopoetisches) Systems
können in verschiedene Blutzellentypen transformiert werden.
Weiterhin wird versucht, aus Nabelschnurzellen verschiedene
Gewebe zu programmieren. Der Vorteil dieser
Forschungsprogramme wird besonders in Deutschland darin
gesehen, dass auf Embryonale Stammzellenforschung
verzichtet werden könnte.
Argumente für und gegen "adulte" beziehungsweise
embryonale Stammzellen
1. Bislang konnte nicht gezeigt werden, dass adulte
Stammzellen "extrem" pluripotent sind, d.h. aus bestimmten
Zellen können, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt
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VorlesungNeu PM76.März2003
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H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Stammzellforschung - Biotechnologie - Organersatz
andere Zellentypen gezüchtet werden.
2. Wenn es gelingen würde , aus z.B. Nabelschnur-Zellen
z.B. Leber-oder Gehirnzellen zu züchten, wäre dies tatsächlich
aus ethische Sicht ein klarer Vorteil gegenüber Embryonalen
Stammzellen. Allerdings müssten sie vom gleichen Patienten
(Empfänger) stammen, d.h. bereits bei der Geburt müssten
"seine" Zellen in einer "Nabelschnurzellbank" deponiert
worden sein. Daher sind Forschungsaktivitäten darauf
gerichtet, das iZukunft das Immununverträglichkeitsproblem
bei nicht-autologem Zelltransfer ausschaltet werden kann.
Spezielle Hinweise des Autors (H. Grunz)
Adulte Stammzellenforschung ist aus verschiedenen Gründen
weniger aussichtsreich als Embryonale Stammzellforschung:
1. Zellen sind nicht nur begrenzt pluripotent. Es müssen erst
Techniken entwickelt werden, um eine umfassende
Pluripotenz (Differenzierungsleistung) zu erreichen (Dies ist
vorläufig nicht realisierbar).
2. Nabelschnurzellen weisen nicht die gleiche genetische
Ausstattung auf, wie der zukünftige Empfänger
(Immunproblematik).
3. Risiko der Krebsentstehung: zur Umwandlung adulter
Stammzellen in pluripotente Zellen ist eine Zellenvermehrung
(Zellpropagation ) erforderlich. Normale embryonale und die
meisten adulten Zellen weisen eine kontrollierte
Teilungstätigkeit auf, d.h. die Teilung wird in einem bestimmten
Stadium bzw. bestimmten Zeitpunkt beendet. Das ist bei
Krebszellen nicht der Fall (Gefahr der Metastasenbildung).
Bei experimentell zu Teilungen veranlasste adulten
Stammzellen besteht das Risiko der krebsartigen
(unkontrollierten) Zellvermehrung.
Unserer Labor konnte bereits vor 20 Jahren zusammen
mit russischen Wissenschaftlern zeigen, dass Irisepitheloder Linsenzellen des Auges beim Molch nicht in einen
anderen Zelltyp (Ausnahme Retinazellen) transformiert
werden können (siehe Skript - Metaplasie =Transdifferenzierung). Von Interesse ist, dass pigmentierte
Irisepithelzellen in transparente Linsenzellen
transformiert werden können, aber eben nicht in völlig
andere vom Auge unbabhängige Zelltypen wie Darmoder Nierenzellen.
Zum Argument - es sollten erst Machbarkeitstudien an
Tiermodellen durchgeführt werden, ehe man die
Programmierung menschlicher embryonaler Stammzellen versucht:
Es ist richtig, dass bisher nur wenige Ergebnisse zur
experimentellen Transformation von Säugetier-Stammzellen
vorliegen. Es ist technisch äußerst schwierig, solche
Experimente an Säugetierenzellen (z.B. Maus, Ratte,
Kaninchen, Rhesusaffe etc.) durchzuführen - schon alleine
aufgrund der wenigen zur Verfügung stehenden Embryonen.
Zum Argument: Ergebnisse am Tier sind nicht auf den
Menschen übertragbar
Spätestens seit den Nobelpreisen (1995 und 2000) für
experimentelle
Medizin
und
Physiologie
an
Entwicklungbiologen (Modellsysteme: Drosophila- und
Caenorhabditis) ist auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt
geworden, dass die genetische Verwandtschaft zwischen
niederen und höheren Organismen bedeutend enger ist als
zuvor angenommen (siehe Skript: Homeobox-Gene,
homeotische Gene, Masterkontrollgene, Transkriptionsfaktoren etc.). Es konnte gezeigt werden, dass große
Übereinstimmungen in den Grundprinzipien der
Zelldifferenzierung und Musterbildung vorhanden sind.
Es gibt bereits eine Reihe von Ergebnissen bei Drosophila,
Xenopus, Zebrafisch, Maus und Mensch, die diese Annahme
beweisen. Somit ist das Argument überzeugend, man solle
weiterhin alle Forschungsmöglichkeiten an Tiermodellen
ausschöpfen. Die bereits vorliegenden umfassenden
experimentellen Daten (vor allem auch molekualargenetische
Ergebnisse) sind eine wesentliche Vorrausetzung für eine
erfolgreiche Forschung an menschlichen embryonalen und
sommatischen (adulten) Stammzellen.
S
tammzellenforschung an Amphibien mit Induktionsfaktoren bereits seit über 20 Jahren
- ein exzellentes Modellsystem Ektodermzellen mittlerer Blastulae von Molch-oder
Froschembryonen sind pluripotent . Sie können experimentell
mit Induktionsfaktoren (Wachstumsfaktoren) in Derivate aller
drei Keinemblätter programmiert werden, d.h. in neurale
(z.B. Gehirn), mesodermale (z.B. Muskel ) und entodermale
(z.B. Darm) Derivate (Details siehe Skript). Durch Activin
(Wachstumsfaktor der TGFß- Superprotein -Familie; TGFß
= transforming growth factor) können Ektoderm-Zellen in alle
mögliche Zelltypen transformiert werden (z.B. auch in Herzund Nierenzellen, Grunz, 1983). Unser Labor war weltweit
das erste, das Herzstrukturen unter Zellkulturbedingungen
kultivieren konnte, die nach Transplantation in einen
Empfänger voll funktionsfähig waren (die Froschlarve war
lebensfähig und schwamm aktiv in der Zuchtschale umher).
Weiter waren wir und andere in der Lage, neue Gene und ihre
Funktion zu charakterisieren, die bei der Bildung des
werdenden Organismus beteiligt sind. Eine Reihe dieser
Gene mit weitgehender strukturellen Homologie (oft über
80%) haben auch beim Menschen eine ähnliche Funktion
(analytisch nachweisbar aufgrund bestimmter
Krankheitsbilder).
Daher ist es sinnvoll, Stammzellforschung und
Genfunktionsstudien gerade an dem sehr gut untersuchten
Amphibien-Modellsystem oder auch an anderen tierischen
Organismen mit großem finanziellen und intellektuellen
Einsatz fortzusetzen.
148
VorlesungNeu PM76.März2003
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06.03.2003, 22:27 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Index
A
Acetabularia
23
Acipenser, Stör
43
activation-Transformation
66
Acrosom
36
adäqual
48
Aktivierung-Transformierung 67
Aktivin, Activin
67, 78, 79, 81,
82, 83
alecithal
48
Allantois
108, 110, 111
Ambystoma mexicanum
117
Amnion
105, 108
Amnion, Spalten
112
Amnionfalte
107, 112
Amniota
108, 112
Ampicillin
123
Analogie
4
Anamnier
108
animal cap assay
60
Animalkulisten
19
Aniridia
137
anisolecithal
49
Anlagenplan
51, 54
Anstichexperiment (Roux)
20
Antennapedia
135
anterior
69
anteriore Gene
101
Antiorganisator
72
Aorta ventralis
109
Aortenwurzel
109
Area opaca
106
Area pellucida
106
Area vitellina
106
Arteria allantoidea
110, 111
Arteria omphalo-mesenteria 111
Arteria umbilicalis
110, 111
Arteria vitellina
109, 110
Ascaris
(Chromatin-Diminution)
20
Axolotl
117
B
ß-catenin
71, 74
Baer Carl Ernst von
19, 38
Bakteriophage
124, 125
Bauchstück (Schnürung)
22
Befruchtungsmembran
36, 38
Besamung
36
Beuteltiere
39
Beutelmarder
39
bicoid
69, 101, 104, 139
Biogenetisches Grundgesetz 19
Biologischer Test
59
Bithorax
101, 135, 136, 137
Blastocyste
113, 114
Blastula
45
Blastocoel
45
Blastoderm
97
Blutgefäßsystem
109
BMP- 2/4 (Bone-morphogeneticProtein)
6, 68,72, 73,75
BMP-7
75
Brachyury
83
Brutpflege
38
C
cactus
101
catenin, ß-catenin
71
caudal
69, 101, 104
cDNA
121
cDNA-Library (Bibliothek)
125
centrolecithal
49, 96
Cephalopode
86
cerberus
70
cer-L
75, 77
cer-S
75, 77
Chalazen
106
Chorda dorsalis
55, 107, 115
Chordafortsatz
115
Chordamesoderm
68
Chordin
70
Chorion
39. 108
Chorioallantois
38
Chromatin-Diminution
20
Cölom
56, 94
extraembryonal
108
Corpus luteum
115, 116
Corpus luteum graviditatis
116
Cortex
37, 38
Cortikalreaktion
37
Cortical Rotation
37, 70,71
cranial
69
Cristalline
89, 90
Curvier ( franz.Anatom)
76
Cyclopie
87
Cytotrophoblast
115
Cziak
95
D
Darwin Charles
4
decapentaplegic (dpp)
75, 78, 101
Defektversuche
95
De Hillaire, Geoffry
76
Delamination
106
Deskriptive Embryologie
18
Determination
40, 93, 99
Determinationsfaktoren
40, 76, 78
Diminution
20
Deuterostomia
4, 76, 94
Dictyostelium discoideum
26
Diencephalon
5
Differenzierung
40, 93
Dipnoer
43
Disaggregationsversuche 60, 71, 80
discoidal
48, 106
dishevelled
74
DNA-Polymerase
46
DNA-Sequenzierung
Maxam und Gilbert
Sanger
132
Dolly, Schaf
4, 22
Dominant-negativer Rezeptor 72, 74
doppelte Sicherung
87
dorsal (Gen)
101
dorsale Urmundlippe
67
Dorsalseite
4
Dotter
39
weisser, gelber
105
Dottermenge
39
Dotterbeschaffenheit
39
Dottermembran
36
Dottersack
108
Dottersackgang
108
Dottersackkreislauf
110
Dottersyncytium
44
Dotterverteilung
49
Double-gradient-hypothesis 66
dpp (decapentaplegic)
75, 78
Dreistrahler
94
Ductus allantoideus
112
Ductus omphaloentericus
108
Ductus vitellinus
108
E
Ecdyson
118
Ecdysteron
117
EDF (Erythroid-growthfactor)
68, 79
Eihüllen
39
Einsteckexperiment
60
Ektoderm
51, 52
Elasmobranchier
(Haie,Rochen)
44
Embryoblast
114
Endodermin
84
Endometrium
114
Entoderm
52, 55
Endothelrohr
109
Endothelschlauch
109, 110
Entwicklungsgeschichte
18
Entwicklungsphysiologie
18
149
VorlesungNeu PM76.März2003
149
06.03.2003, 22:27 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
Euteria
39
Evolution
4, 101, 137
Exogastrulation
58, 59
Explantationsexperimente
58
extraembryonales Ektoderm 112
Evolution
18, 101, 138
F
Faltenamnion
112
FGF (fibroblast-growthfactor)
68, 70, 78, 81
Flagellum
36
Flösselhecht
43
FSH
116
Furchung
45
Furchungsstadien
45
Furchungstyp
41, 44
G
G1-Phase
Gap-Gene
Gallerthülle
Gastrotheca
Gastrula
Gastrulation
Geburtshelferkröte
Gelbkörper
Genomische Bibliothek
Geoffry De Hillaire
Genitalleisten
Gnoiden
goosecoid (gsc)
Gradienten
Graafscher Follikel
Grauer Halbmond
GSK-3
Gurdon
45
100
39
35
51
51, 52, 53
35
116
130
76, 78
27
43
71, 74
75, 77
115
56
74
2
I
Implantationsmethode
60
Imago
88, 102, 103
Imaginalscheiben
88, 89, 103
inäqual
48
Induktion
67
Induktion, neurale
68
Induktion, Kopf,Schwanz
64
Induktion, regional
64
Induktionsfaktoren
51
Innere Zellmasse
113
in situ Hybridisierung
133
instruktiv
70
IPTG
125
Irisepithelzellen
89
isolecithal
49
J
Juvenilhormon
Rywhi0
Ting0
Jorrno se 0, 0
Juntel 0
118
K
H
Haeckel Ernst
Halbmond, grauer
Halteren
Hemimetabole Insekten
Hensenscher Knoten
herkunftsgemäß
Herz
heteroplastische
Transplantation
Heuser Membran
Histogenese
Histologie
Hörstadius
Holoblastier
43
holoblastisch
48
holometabole Insekten
51, 102
Homeobox
4
Homologie
4
Homeöotische Gene
100, 101, 135,136, 138, 140
Hormone
118
Hornschalen
39
Hummer
76, 78
Hybridisierung
119
4
56, 71
102, 137
102
107
60, 86
84, 85
61
115
51
93
95
Kalkschale (Testa)
39, 105, 106
Keimscheibe
107
Keimzellen
24, 27
Keratin
75
Kerntransplantation
23, 91, 92
Kinasen (Threonin-/Serin-)
74
Klonierung, Embryonale
4
Kompetenz
Komplexauge
4
Konvergenz
5
Kopfcölom
109
Kopffortsatz
107
Kopfinduktion
64
Kurzkeim
99
L
Langkeim
99
Latebra
105
LEF-1
74
Leibeshöhle, sekundäre(Cölom) 56
Lepidosiren
43
Leucin-Zipper
139
LH
116
Ligand
73
Linse, freie
86
Linsenauge
4
Linsenregeneration, Wolffsche 89
Linsenzellen
89
Lueckengene 100, 101, 136, 140
Lungenatmer
43
Luteinisierendes Hormon
116
M
Makromeren
93
Mammalia
38
Mangold, Hilde
65
Mastergene
137
Maternale Gene
maternal effect gene
69, 96, 100,140
Maxam und Gilbert
132
MBT
40
Medullarrohr, Neuralrohr
55
Medullarplatte
107
Meiose
28
Melaningranulae
38
Membrana vitellina
39
Meroblastier
44
meroblastisch
48
meroistisch
96
Mesenchymzellen, primäre
93, 94
Mesenchymzellen, sekundäre 94
Mesocardium anterior
109
Mesoderm
52, 53
mesolecithal
39, 48
Metamorphose
51, 117, 118
Metaplasia
89
Midblastula Transition
40
Mikromeren
93
Monotremata
38, 39
Morula
45
Mosaikeier, Mosaiktyp
41, 44, 58
Mucosa
113
Mütterliche Gene
69, 96, 100, 136, 140
Myoepikard
109, 110
Myometrium
114
150
VorlesungNeu PM76.März2003
150
06.03.2003, 22:27 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
N
Nabelring
nanos
Neotenie
Neroceratodus
Neural-Default-Model
Neuroporus posterior
Neuroektoderm
Neurulation
Neuralfalten
Neuralleisten
Neuralplatte
Neuralrohr
Nobelpreisurkunde
Nodal
Noggin
Nymphe
108
101
117
43
72
107
68
51, 52, 55
51, 116
55
116
116
6
75, 77
70
102
O
Östrogen
Oolemm
ologolecithal
Oogenese
Organisator
Oviduct
Ovisten
Ovidukt
Organisator
Organ Engineering
Organogenese
ortsgemäß
Ontogenese
116
105
46
69
65
105
19
38, 39
4,18, 85
51
60
18
P
Paarregelgene
100, 101
PCR
134
pair rule genes, Paarregel-Gene
100, 101, 136, 138, 140, 141
panoistisch
96
parietales Blatt
107
Pasteels und Schleip
40
Pax 6-Gen
4,5, 86, 137
Peptid-Induktoren(Hormone) 72, 118
Perikard
109
Perimetrium
114
permissiv
70, 71
Phagen
122
Phyologenese
18
Pigment
39
Placenta
allantoide
38
endothelio-endothelial
38
Plasmid
121, 122
Pluteuslarve
95
Polarität
69, 101
Polkörperchen
32
polylecithal
39, 48
Polylinker
125
Polzellen
100
Polypterus
43
posterior
69
postembryonale Entwicklung 102
posteriore Gene
101
Präformisten
19
Primitivstreifen
107,
115
Primitivknoten
107,
115
Prismenstadium
94
Progesteron
116
prspektive Bedeutung 58, 89, 95, 112
prospektive Potenz
58, 95, 112
Prothoraxdrüse
118
Protopterus
43
Protostomia
4, 76, 94
Pseudoexogastrula
60
Smad 2, Smad 4
small eye
sog (short gastrulation)
Somatische Zellen
Somatopleura
Somiten
107
Sorting out
Spaltenamnion
Spemann, Hans
Speramtogenese
Spermiohistogenese
Spermatophore
Spiralfurchung
Splanchnopleura
Steroid-Hormone
Stör
Subgerminalhöhle
superfiziell
Syncytyothrophoblast
Synopthalmie
74
137
75, 78
24
107
55, 67,
63
112
7, 65
31
31
32
41, 49
107
72, 118
43
106
48
113, 115
87
R
Radiärfurchung
41, 49
Regulationseier
41, 44, 58
Rekombinante DNA
123
Rescue (Herz)
85
Restriktionendonuclease
122
Restriktionsenzyme
122
Retinsäure
70, 71
Reverse Transkriptase
121
Rezeptoren
73
Tyrosin-,Serin-,ThreoninkinaseAktivität
118
Riesenchromosomen
117
Roux, Wilhelm
20
rRNA
121
RT-PCR
75
Runnström
95
S
Saccus vitellinus
108
Sanger
132
Sauropsiden
44
Schirmalge
23
Schnürungsexperimente
21, 22
Schwingkölbchen
102
Segmentierungsgene
96, 100, 136, 138
Segement polarity genes
96, 100, 136, 138
Seitenplatten
55, 107
Short gastrulation (sog)
75, 78
Siamois
74
Sicherung, doppelte
87
Single copy-Gene
121
Signalkette
73, 74
T
Tcf-3
74
terminale Gene
101
Testa (Kalkschale)
39, 105, 106
Testmethoden
59
Teleostier, Knochenfische
44
Tetracyclin
123
TGFß
67, 68, 78, 81
Tintenfischauge
4, 5
telolecithal
49,
106
Thorax
97,
102
Tolloid
77
Transdetermination
88, 89
Transdifferenzierung
89
Transkriptionsfaktoren 101, 138, 141
Transplantation
60, 86
Transplantationsexperimente 58
Triturus cristatus
86
Triturus vulgaris
86, 87
Trophoblast
113
Tumorwachstumsfaktoren
78
twist
101
U
Ultrabithorax
Umkehrexperiment nach
Schleip und Pasteels
Urbilateralia
Urgeschlechtszellen
Urmundlippe
Ursegmente
102
40
4, 76, 78
27, 106
53
55
151
VorlesungNeu PM76.März2003
151
06.03.2003, 22:27 Uhr
H. Grunz: Entwicklungsbiologie
V
Vascularisation, allantoide
Ventralseite
vegetalisierender Faktor
vent-1
Vektoren
Vergleichende Embryologie
vg1
viscerales Blatt
Vitalmarkierung
Volvox
Vorkern
108
4
78
6
122
18
71
107
51, 94
24
36
W
Wachstumsfaktoren
51
Wirbeltierauge
4, 5
Whole mount in situ
Hybridisierung
5
Wnt
71, 75, 77
Wolffsche Linsenregeneration 89, 90
X
Xgal
Xenoplastische
Transplantation
XTC-Factor
Xolloid
125
61
68, 79
75, 77
Y
Yamada, Tuneo
89
Z
Zellaffinität
Zellerkennung
Zona pellucida
Zwei-Gradienten-Hypothese
Zwischenhirn
Zytotrophoblast
62
63
39
66
5
115
152
VorlesungNeu PM76.März2003
152
06.03.2003, 22:27 Uhr
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