zu berücksichtigen. „Auch der Tod ist Teil der Behandlungsqualität“, betonte Professor Janssens. Alle an der Behandlung Beteiligten müssen gemeinsam klären, ob die festgelegten Therapieziele glaubhaft erreicht werden können. Patientenwille und ärztliche Indikation müssen hier die Grundlage für eine eventuelle Therapiezieländerung sein. Für Gespräche in einem ruhigen und geschützten Rahmen verfügt die Intensivstation des SAH über einen eigenen Besprechungsraum. Dieser wertvolle Rückzugsort biete laut Prof. Janssens die Möglichkeit zum Austausch zwischen Angehörigen und Ärzten, Seelsorgern, Pflegepersonal und Mitgliedern der Ethikkommission – in ruhiger und vertraulicher Atmosphäre, ehrlich, empathisch und auf Augenhöhe. AM ENDE DES LEBENS – STERBEN IN WÜRDE Im Rahmen der diesjährigen „Woche für das Leben“, einer Initiative der katholischen und evangelischen Kirche, veranstaltete das Ethikkomitee des SAH am 27. April im Talbahnhof einen Informationsabend zu dem Thema „Sterben in Würde“. Im Mittelpunkt des Abends standen die beiden Themenkomplexe „Sterbenskrank im Krankenhaus“ und „Sterbenskrank Zuhause“, die aus ärztlicher, pflegerischer und seelsorgerischer Sicht von den Fachspezialisten und Praktikern unter der Prämisse, was Medizin heute kann und darf und wo ihre Grenzen liegen, umfassend erläutert wurden. Sterbenskrank im Krankenhaus Wenn Therapien nicht mehr barmherzig oder sinnvoll sind. Was die Medizin eindeutig nicht darf, stellte in seinem einführenden Vortrag Pfarrer Christoph Graaff vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes deutlich heraus: „Kein Mensch darf einen anderen Menschen töten“. Jeder Mensch steht in einer besonderen Beziehung zu Gott und Gott zu ihm. Deshalb darf der Mensch nicht über sein Leben oder das Leben eines anderen verfügen, sondern muss es am Ende wieder in die Hände Gottes zurücklegen. Gleichwohl darf der natürliche Prozess des Sterbens zugelassen werden, auch derart, dass man von weiteren therapeutischen Maßnahmen Abstand nimmt. Dabei muss der Sterbende die Möglichkeit haben, in Ruhe, Geborgenheit und angstfrei „seinen“ Tod zu sterben, begleitet von menschlicher Zuwendung sowie schmerztherapeutischer, pflegerischer und seelsorgerischer Versorgung. Alles andere „wäre ein Ausverkauf aller Menschlichkeit und Würde.“ So schmerzfrei und würdevoll wie möglich. Dass die Wünsche eines Todkranken respektiert werden müssen, unterstrich auch Privatdozent Dr. Peter Staib, der als Chefarzt des Euregio-Krebszentrums über den Umgang mit unheilbar Kranken und Patienten in der Endphase ihrer Erkrankung berichtete: Bei der Palliativmedizin geht es im Gegensatz zur kurativen Medizin, deren Ziel die Heilung von Kranken ist, nicht mehr um die Heilung, sondern um die Linderung des Leidens. Gemäß dem von Dr. Staib zitierten Ausspruch von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin, „es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“ steht hier nicht losgelöst die Lebensverlängerung im Vordergrund, sondern die Fürsorge und die Erlangung der bestmöglichen Lebensqualität für die verbleibende Zeit. Alle Entscheidungen werden deshalb in Abstimmung mit dem Patienten und den Angehörigen durch das betreuende interdisziplinäre Team getroffen, das sich aus Ärzten, palliativmedizinisch ausgebildeten Pflegekräften, Seelsorgern, Psychologen und Sozialarbeitern zusammensetzt. Zielsetzung der palliativen Versorgung am Lebensende im Hospital sind somit nach Dr. Staib: 1. die Symptomkontrolle zur Verbesserung der Lebensqualität 2. die Schmerzlinderung bzw. Schmerzfreiheit sowie 3. die „Total Care“ - also die umfassende Fürsorge - für einen todkranken Menschen. Sterbenskrank Zuhause „Sterbebegleitung ist gleichzeitig auch Lebensbegleitung“ … „und dies ganz nah am Menschen - am Patienten wie auch an den Angehörigen“, dies betonte Schwester Maria Stolz von der Station 6A der Onkologie, die das Thema aus pflegerischer Sicht beleuchtete. Für die Pflegenden ist es Aufgabe und Anliegen zugleich, dem Patienten ein möglichst friedvolles und würdiges Sterben nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu ermöglichen. Um dies zu gewährleisten und dem Sterbenden ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, wird alles dafür getan, ein beschirmtes und geborgenes Umfeld zu schaffen, in dem der Sterbende sich nicht alleingelassen fühlt. Der Tod gehört zum Leben – „Den Tod wieder in die Mitte der Gesellschaft holen“ Dr. Paul-Hubert Wilhelms schilderte aus seinem reichen Erfahrungsschatz die besonderen Obliegenheiten des Hausarztes bei der Sterbebegleitung: Aufgrund der meist über viele Jahre gewachsenen persönlichen Beziehung zwischen Hausarzt, Patient und oftmals auch den Angehörigen, ist der Hausarzt die Vertrauensperson, die als Ratgeber und Beistand fungiert; auf die man sich verlässt. Er kennt die häuslichen Bedingungen und hat detaillierte Einblicke in die psychische Verfassung des Patienten. Gemäß der Einschätzung des Hausarztes und in Abstimmung mit Patient und Angehörigen wird die häusliche Versorgung festgelegt und zusammen mit den Netzwerkpartnern der Pflegedienste eine ambulante Betreuung einbezogen. Ein Stückweit fungiere der Hausarzt aber auch als Seelsorger, der dem Patienten in den letzten Tagen beisteht und ihm das Loslassen erleichtert. Nicht alles was möglich ist, muss angewendet werden. Einen Einblick in die besonderen Gegebenheiten auf der Intensivstation vermittelte Prof. Dr. Uwe Janssens, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin. Wenngleich hier rasche Entscheidungen über die Einleitung oder Fortführung intensivmedizinischer Maßnahmen gefragt sind, gehört es im Sinne der medizinisch-pflegerischen Kernaufgabe „cure, care and comfort“ auch und gerade in der Intensivmedizin zum Selbstverständnis und zur Behandlungsqualität, auf die Komplexität eines jeden Patienten einzugehen, seine Autonomie anzuerkennen und seine Wünsche „Die früheren Gemeindeschwestern, das sind wir heute“. Schon mit dieser Wortwahl machte Björn Guske, Pflegedienstleiter im ServiceZentrum Häusliche Pflege, anschaulich klar, dass auch bei den ambulanten palliativen Pflegediensten der Mensch mit seinen ganz persönlichen Bedürfnissen und seiner individuellen Wesenseinheit im Mittelpunkt steht. Denn bei Sterbenskranken geht es zusätzlich zu der pflegerischen Betreuung in besonderem Maße um die menschliche Hinwendung. Ebenso wie der Hausarzt stehen die Pflegenden in einer engen Vertrautheit zum Patienten; sie kennen ihn, seine Geschichte und sein Umfeld. Pfarrer Christoph Graaff 30 31 Inge Nadenau Durch diese Verbundenheit sind die Pflegenden in der Lage, auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des einzelnen gezielt und sehr persönlich einzugehen. Dies bestätigten ebenfalls die geladenen Vertreter des Palliatvnetzwerkes Eschweiler/Stolberg. Es ist wichtig, über ein eng gestricktes Netzwerk aus verschiedenen palliativmedizinisch ausgebildeten Fachkräften zu verfügen, das rund um die Uhr für Patienten in der letzten Lebensphase da ist, um die häusliche Versorgung zu verbessern, Ruhe und Sicherheit zu vermitteln und ein menschenwürdiges Sterben zu Hause zu ermöglichen. Sterben im Hospiz – vom Leben Abschied nehmen – in Würde und Geborgenheit Inge Nadenau, Leiterin des Hospizes „Haus Hörn“ in Aachen, gab einen Einblick in ihre Einrichtung. Hospize sind kleine, häuslich und familiär eingerichtete Organisationen, die Sterbenskranke palliativ versorgen. Speziell geschultes Pflegepersonal, Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen, Seelsorger und ehrenamtliche Helfer betreuen Patienten und ihre Angehörigen in behüteter und umsorgter Atmosphäre. „Die schwerkranken Menschen brauchen nicht nur uns, sondern wir brauchen auch sie“, schlussfolgerte Nadenau mit bewegenden Worten. „Leben tun wir bis zuletzt – auch im Hospiz“. In der abschließenden Podiumsdiskussion, die wie der gesamte Vortragsabend von Dr. Eberhardt Schneider moderiert wurde, stellten sich die Referenten zusammen mit dem Ethikkomitee den Fragen des Publikums, wodurch diverse Aspekte des Themas eingehender beleuchtet und vertieft werden konnten. Forderungen nach einem höheren Personalschlüssel bei der stationären Versorgung kamen auf. Im DRG-gebundenen Abrechnungssystem gäbe es keine Gegenfinanzierung, um sich Zeit zu nehmen. Die aktuelle Diskussion rund um die Palliativmedizin lässt hoffen, eventuelle neue Ressourcen zu erhalten. „Wir müssen Situationen schaffen, in denen gut gestorben werden kann“, war die einstimmige Schlussfolgerung. „Das Ziel des Abends war, den Strukturen und Netzwerken ein Gesicht zu verleihen – dies ist gelungen“, dankte Joachim Griebel in seiner Funktion als Vorsitzender des SAH-Ethikkomitees allen Anwesenden zum Ende der Veranstaltung. „Bis zur letzten Minute das Leben zu bejahen und zu begleiten, dies ist der Tenor der diesjährigen Woche für das Leben.“ Prof. Dr. med. Uwe Janssens Dr. med. Eberhardt Schneider PD Dr. med. Peter Staib Schwester Maria Stolz Dr. med. Paul-Hubert Wilhelms Björn Guske