Genetische Marker in der Entomologie Wolfgang Arthofer Wien, 19. November 2004 Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 1865 Merkmale werden unabhängig voneinander vererbt 1871 Entdeckung der Nukleinsäuren 1903 Chromosomen sind Träger des Erbguts 1927 Mutationen sind physische Veränderungen eines Gens 1944 DNA ist der Träger der genetischen Information 1945 Gene codieren Proteine 1953 DNA hat eine Doppelhelix - Struktur 1961 Der genetische Code besteht aus Basentripletts 1971 Die zelluläre DNA enthält repetitive Elemente 1977 Eukaryotische Gene sind unterbrochen 1977 DNA kann sequenziert werden 1988 das PCR-Verfahren revolutioniert die MolBiol 1995 erste Bakteriengenome vollständig bekannt 2001 erster Rohentwurf der humanen Gensequenz Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 1 DNA ist der Träger der genetischen Information • Desoxyribonukleinsäure findet sich in allen pro- und eukaryotischen Zellen sowie in zahlreichen Viren • Manche Viren enthalten ausschließlich RNA • In jeden Fall sind Nukleinsäuren die Informationsträger Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie DNA hat eine Doppelhelix - Struktur • Die ‚Holme‘ der Struktur werden durch eine Abfolge aus Phosphaten und dem Zucker Desoxyribose gebildet • Die ‚Sprossen‘ bestehen aus den Basenpaaren Adenosin - Thymin bzw. Cytosin - Guanin • Die beiden Stränge verlaufen in entgegengesetzter Richtung (‚Antiparallel‘) • Aufgrund der Basenpaarung trägt jeder der beiden Stränge die gleiche, komplementäre Information Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 2 Der genetische Code besteht aus Basentripletts • Die Natur verwendet 20 verschiedene Aminosäuren zum Aufbau der Proteine • Die DNA codiert die korrekte Abfolge dieser Aminosäuren • Mit 4 ‚Buchstaben‘ sind ‚Worte‘ von mindestens 3 Buchstaben erforderlich, um diese Zahl von Aminosäuren darzustellen Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Der genetische Code besteht aus Basentripletts 1. Position T C A G Wolfgang Arthofer 2. Position 3. Position T C A G Phe Ser Tyr Cys T Phe Ser Tyr Cys C Leu Ser Stop Stop A Leu Ser Stop Leu Pro His Arg T Leu Pro His Arg C Leu Pro Glu Arg A Leu Pro Glu Arg G Ile Thr Asp Ser T Ile Thr Asp Ser C Ile Thr Lys Arg A Met Thr Lys Arg G Val Ala Asp Gly T Val Ala Asp Gly C Val Ala Glu Gly A Val Ala Glu Gly G G Genetische Marker in der Entomologie 3 Der genetische Code besteht aus Basentripletts • Dieser Code ist bei allen eukaryoten Zellen universell • Jede Sequenz kann in drei möglichen Leserahmen gesehen werden • Eine Änderung der Basenabfolge führt nicht unbedingt zu einer Änderung der codierten Aminosäure Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Die zelluläre DNA enthält repetitive Elemente • Die Größe des Genoms steht nur bei niederen Organismen in direktem Zusammenhang mit ihrer morphologischen Komplexität • Bei höheren Organismen kann der DNA-Gehalt innerhalb eines Phylums massiv unterschiedlich sein • Trotzdem verfügen diese Organismen über eine vergleichbare Anzahl an Genen Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 4 Die zelluläre DNA enthält repetitive Elemente Anbetrachts großer Genome kann ein wesentlicher Teil der DNA nicht aus Genen bestehen. Diese Hypothese wurde durch zahlreiche Untersuchungen bestätigt. Repetitiven Elementen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Die zelluläre DNA enthält repetitive Elemente Die wesentlichsten repetitiven Elemente des Genoms sind • • • • • • Satelliten (Centromer-Region) Minisatelliten (Telomer-Region) Mikrosatelliten Cluster von rDNA Transposons und Retroposons Pseudogene Diese DNA-Teile enthalten keine Protein-Codes, haben aber durchaus biologische Funktionen! Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 5 Eukaryotische Gene sind unterbrochen • Gene sind wesentlich länger als die von ihnen codierten Proteine • sie werden vollständig in RNA übertragen (Transkription) • anschließend werden Teile der RNA entfernt (splicing) - dadurch entsteht die ‚gereifte‘ RNA für die Proteinsynthese • Entfernte Teile = Exons • Codierende Teile = Introns Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Eukaryotische Gene sind unterbrochen • biologische Funktion der Introns nicht restlos geklärt • Verhältnis Intron : Exon sehr unterschiedlich Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 6 Nur ein kleiner Teil der DNA ist codierend Pseudogene 5% Introns 24% Mikrosatelliten 3% andere intergenische DNA 22% Exons 1% Transposons 45% Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Mutationen sind physische Veränderungen eines Gens ... • • • • • Austausch einzelner Basen Hinzufügung von Basen (Insertion) Verlust von Basen (Deletion) Frameshifts Duplikation ganzer DNA-Abschnitte Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 7 Mutationen sind physische Veränderungen eines Gens ... • • • • • Austausch einzelner Basen Hinzufügung von Basen (Insertion) Verlust von Basen (Deletion) Frameshifts Duplikation ganzer DNA-Abschnitte ... oder Veränderungen eines nicht codierenden DNA-Abschnitts Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Die meisten Veränderungen der DNA-Sequenz sind ohne Folgen • der Austausch einer Base verändert nicht notwendigerweise die Aminosäuresequenz eines Proteins • der Austausch einer Aminosäure verändert nicht notwendigerweise die Proteinfunktion • nicht mutierte Allele heterozygoter Organismen können dominant sein • möglicherweise codiert ein anderer Locus innerhalb einer Genfamilie für ein funktionales Protein • der Großteil der DNA höherer Lebewesen codiert überhaupt nicht für Proteine Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 8 Verschiedene DNA-Regionen haben unterschiedliche Mutationsraten 18S - rDNA nieder nukleare single-copy DNA (scnDNA) nukleare Pseudogene Introns mitochondriale DNA (mtDNA) ITS - rDNA Minisatelliten hoch Mikrosatelliten Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Polymerase Chain Reaction (PCR) • 1988 von Saiki et al. entwickeltes Verfahren • ein von zwei bekannten, kurzen Sequenzen (Primer, etwa 20 bp) flankiertes DNA-Stück kann dadurch millionenfach vermehrt werden • heute unzählige Anwendungen in der MolBiol Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 9 Genetische Marker • sind definierte Abschnitte der DNA oder ihrer Folgeprodukte (RNA, Proteine) • ihre Sequenz unterscheidet sich in charakteristischer Weise von der homologen Sequenz anderer Individuen, Populationen oder Taxa • die Sequenz des Markers kann direkt betrachtet werden • oder es werden Effekte, die direkt auf der Sequenz beruhen, untersucht (restriction sites, sekundäre Strukturen, Proteine etc.) Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Der ideale genetische Marker • ist einfach und zuverlässig zu isolieren • unterliegt keinem Selektionsdruck • Basensubstitutionen sind häufig genug, dass zwischen den untersuchten Individuen (Populationen, Taxa) ein klarer Polymorphismus besteht • Basensubstitutionen sind selten genug, dass frühere Mutationen nicht durch spätere maskiert werden Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 10 Multi – Locus - Marker • charakterisieren viele verschiedene Gene in einer einzigen Analyse • ergeben dichotome Merkmale (eine Fragment ist vorhanden oder nicht) • können paarweise verglichen werden, eignen sich aber nicht zur Analyse von Allelhäufigkeiten • zeigen mitunter nicht-vererbbare Variationen an Wolfgang Arthofer RFLP Genetische Marker in der Entomologie (Restriction Fragment Length Polymorphism) • DNA unterschiedlicher Herkunft trägt an verschiedenen Stellen Sequenzen, die von Restriktionsenzymen erkannt werden • Die Restriktionsenzyme schneiden die DNA an diesen Stellen Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 11 RFLP (Restriction Fragment Length Polymorphism) • DNA unterschiedlicher Herkunft trägt an verschiedenen Stellen Sequenzen, die von Restriktionsenzymen erkannt werden • Die Restriktionsenzyme schneiden die DNA an diesen Stellen • Durch Elektrophorese auf einem AgaroseGel werden die Bruchstücke getrennt und die Längenunterschiede sichtbar gemacht Wolfgang Arthofer RFLP Genetische Marker in der Entomologie (Restriction Fragment Length Polymorphism) • in den 1980er-Jahren entwickelt, heute durch PCR-Techniken weitgehend verdrängt • stabil, gut reproduzierbar • geringer apparativer Aufwand • große DNA-Mengen erforderlich • eher langsam und teuer Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 12 RAPD (Random Amplified Polymorphic DNA) • arbeitet mit der PCR-Technik • sehr kurze Primer amplifizieren Zufallssequenzen aus dem Genom • diese Fragmente werden aufgetrennt und ergeben typische, zumeist sehr polymorphe Bandenmuster Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie RAPD (Random Amplified Polymorphic DNA) • kommt mit wenig DNA aus • rasch und relativ billig • sehr schlecht reproduzierbar Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 13 AFLP (Amplified Fragment Length Polymorphism) • eine Kombination der RFLP- und RAPDTechnik: DNA mit Enzymen verdaut, Fragmente dann amplifiziert • sehr hoch auflösend • gut reproduzierbar • technisch anspruchsvoll und teuer Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Single – Locus - Marker • analysieren jeweils einen einzigen Genlocus • sind flexibler und informativer als Multi-Locus- Marker, aber aufwändiger in der Entwicklung • die Ergebnisse werden als numerische AllelHäufigkeiten dargestellt • ermöglicht mächtige statistische Analysen und den direkten Vergleich verschiedener Untersuchungen Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 14 Allozyme (Isoenzyme) • Enzyme mit identer biologischer Wirkung aber unterschiedlichem chemischen Aufbau • können aufgrund unterschiedlicher Ladung durch Elektrophorese leicht getrennt werden Wolfgang Arthofer SSCP Genetische Marker in der Entomologie (Single Strand Conformation Polymorphism) • Wanderungsverhalten von Einzelstrang-DNA abhängig von der Faltung des Moleküls • Faltung kann bei kurzen Strängen schon durch einzelne Basenveränderungen unterschiedlich sein • derartige Stränge können leicht durch PCR gewonnen werden Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 15 Mikrosatelliten • Wiederholungen kurzer DNA-Motive (2 – 6 bp) • Anzahl der repeats = Länge des Mikrosatelliten • von konservierten Flankenregionen umgeben • nuklear, nicht codierend • unklare biologische Funktion Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Mikrosatelliten • haben etwa die 1000-fache Mutationsrate verglichen mit scnDNA • dies kann durch ‚slippage events‘ erklärt werden • schon innerhalb einiger 100 Generationen können deutliche Veränderungen der Länge auftreten Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 16 Mikrosatelliten • die Mikrosat-Loci müssen für jede untersuchte Spezies de novo isoliert werden • mittels PCR und Kapillarelektrophorese wird die Länge des Mikrosatelliten bestimmt • die Auswertung der Daten erfolgt zumeist mittels spezieller Software Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Ribosomale DNA (rDNA) • codiert für die Ribosomen aufbauende RNA • große Genfamilie mit hoher Transkriptionsaktivität und einigen tausend Kopien in einer langen Reihe • konzertierte Evolution der Mitglieder der Genfamilie: rDNA verhält sich faktisch wie ein einziger Locus Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 17 Molekulare Charakterisierung der Insektizid-Resistenz beim Kartoffelkäfer Clark J.M. et al. (2001) DNA-based genotyping techniques for the detection of point mutations associated with insecticide resistance in Colorado potato beetle Leptinotarsa decemlineata. Pest Manag. Sci. 57: 968-974 • Zwei Punktmutationen des AChE-Gens sind verantwortlich für Resistenz gegen Azinphos und Permethrin • Die Punktmutation verändert die sekundäre DNAStruktur und erlaubt dadurch den Nachweis der Resistenz mittels SSCP Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Genetische Untersuchungen beim Kiefern-Prozessionsspinner Salvato P. et al. (2002) Genetic diffentiation in the winter pine processionary moth (Thaumetopoea pityocampawilkinsoni complex), inferred by AFLP and mitochondrial DNA markers. Molecular Ecology 11: 2435-2444 • mtDNA-Analyse weist auf eine Trennung der beiden Unterarten Pityocampa und Wilkinsoni vor 4.5 bis 5.2 Mio. Jahren hin • bei Pityocampa konnten mehrere getrennte europäische Populationen nachgewiesen werden • der Vergleich von mtDNA und nDNA zeigt, dass vor allem die Migration männlicher Tiere zum genetischen Austausch beiträgt Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 18 Vergleich verschiedener Markersysteme bei der Seidenraupe Nagaraju J. et al. (2001) Comparison of multilocus RFLPs and PCR-based marker systems for genetic analysis of the silkworm, Bombyx mori. Heredity 86: 588-597 3 2 1 0 SSR Inter-SSR Diversitätsindex RAPD RFLP Effektive Multiplex-Ratio . 0,1 Diversitätsindex (DI): Maß für den Grad des detektierten Polymorphismus Effektive Multiplex-Ratio (EMP): Anteil polymorpher Loci im Assay Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie Verwendung von rDNA zur Erstellung einer Phylogenie der Arthropoden Giribet G. , Ribera C. (2000) A Review of Arthropod Phylogeny: New Data Based on Ribosomal DNA Sequenzes and Direct Character Optimization. Cladistics 16: 204-231 • sehr konservierte 18S-rDNA von 139 Taxa nahezu aller Arthropoda-Klassen untersucht • DNA-Längen von 1350 – 2700 bp beobachtet • Sequenzen enthalten nicht genug Information für eine exakte Phylogenie • zahlreiche verschwundene Taxa machen Analyse schwierig • morphologisch schwer einzuordnende Gruppen (Collembola, Crustacea, Pauropoda, ...) haben auch schwer einzuordnende DNA-Sequenzen Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 19 Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! [email protected] Wolfgang Arthofer Genetische Marker in der Entomologie 20