Moderne immunzytologische und molekularbiologische Untersuchungsmethoden bilden 12. Jahrgang · Nr. 4/2010 gemeinsam mit der klassischen Zytomorphologie die Basis für die Diagnostik der Erkrankungen des Blutes und des Knochenmarks. Insbesondere die molekularbiologische Diagnostik hilft bei der Therapieentscheidung, zum Beispiel für den Inhalt Einsatz der Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender autologer oder allogener Blutstammzelltransplantation, Bendamustin plus Rituximab (B-R) ist CHOP-R als First-line-Therapie bei indolenten und MantelzellLymphomen signifikant überlegen die in Deutschland seit den 80er Jahren verfügbar ist. Gegenwärtig liegt der Schwerpunkt in der Verbesserung der 4 Transplantationsverfahren und der Vermeidung schwerer Allogene Blutstammzelltransplantation 10 Nebenwirkungen. So können Blutstammzelltransplantati- Arzneimittelinnovationen in der Hämato-Onkologie 14 mit Begleiterkrankungen erfolgreich durchgeführt werden. Medizin mit Herz 16 Persönliche Schutzausrüstung, Teil 2 18 onen heute auch bei älteren Patienten und bei Patienten Blutstammzelltransplantationen gehören neben Chemound Strahlentherapie zu den Behandlungsoptionen des Multiplen Myeloms. Der europäische Zusammenschluss Preisverleihung für Teamarbeit von Ärzten und Apothekern: Onkologische Teams sind spitze 23 9. NZW-Süd in Ravensburg 24 Kommentar des Herausgebers 47 Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung 50 von Selbsthilfegruppen für Patienten mit Multiplem Myelom (Myeloma Euronet) hat eine erste internationale Umfrage durchgeführt, die sich mit der Frage beschäftigt, EDITORIAL Inhalt/Editorial von wem und vor allem wann die Patienten ihre MyelomDiagnose erhalten. Die vorgestellten Ergebnisse zeigen Wege zur Verkürzung einer häufig langwierigen PatientenOdyssee auf und werden sicher nicht nur eine Ergänzung Transarterielle Chemoembolisation (TACE ) – Wirkungsoptimierung von Zytostatika 57 Die PTA-Weiterqualifizierung „Zytostatika“ 62 Kostbares Nabelschnurblut 64 für Ihre Beratungsroutine sein. In der heutigen Ausgabe der „Onkologischen Pharmazie“ nimmt neben der allogenen Blutstammzelltransplantation und der Nabelschnurbluttransplantation die StiL-Studie NHL 1-2003 zur First-Line-Therapie bei indolenten und Mantelzell-Lymphomen einen besonderen Platz ein. Ständige Rubriken Zusätzlich finden Sie, liebe Leser, den Bericht über die Testiertes interaktives Selbststudium 12 Impressum 15 Buchbesprechung 55 Die besten Websites 66 Highlights des 9. NZW-Süd in Ravensburg sowie Beiträge zur persönlichen Schutzausrüstung in der ZytostatikaHerstellung, zu neuen Arzneimitteln in der Onkologie, zur transarteriellen Chemoembolisation, zur psychischen Unterstützung von Krebskranken durch Haustiere sowie zur PTA-Weiterqualifizierung. Ihre Karla Domagk Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 3 Bendamustin plus Rituximab Bendamustin plus Rituximab (B-R) ist CHOP-R als First-line-Therapie bei indolenten und Mantelzell-Lymphomen signifikant überlegen Von Jürgen Barth, Gießen und Petra Ortner, München D ies war die Schlussfolgerung aus den finalen Daten einer multizentrischen randomisierten Studie der Studiengruppe indolente Lymphome (StiL), die Studienleiter Prof Dr. Mathias J. Rummel, Giessen, auf der Jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) 2009 präsentierte (12). Die StiL hatte die Kombination Bendamustin plus Rituximab (B-R) mit dem als Standardtherapie für indolente Lymphome geltenden Kombinationsschema CHOP-R randomisiert verglichen. Indolente Lymphome stellen nach wie vor eine Herausforderung für Hämatologen dar, denn eine wirkliche Standard-Therapieoption, die zur Heilung führt, konnte bis heute nicht definiert werden. Bis zur Publikation dieser Daten galt CHOP-R (Kombination aus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison (CHOP) plus dem monoklonalen Antikörper Rituximab (R) als Therapiestandard für Patienten mit diesen Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL). Die Therapie mit CHOPR ist jedoch bekannterweise mit einer hohen Toxizität inklusive der Anthrazyklin bedingten Kardiotoxizität behaftet. Daher wird in modernen Studien nach Optionen gesucht, die bei mindestens Äquieffektivität besser tolerabel für die Patienten sind. Die Kombination bestehend aus Bendamustin, 90 mg/m² an Tag 1 und 2, + Rituximab, 375 mg/m² am Tag 1 wurde erstmalig im Jahr 2000 von der Studiengruppe indolente Lymphome (StiL) an 63 Patienten mit rezidivierten oder refraktären Lymphomen geprüft. Ein Drittel der Patienten waren Chemotherapie-refraktär, hauptsächlich gegenüber CHOP. Eine Rituximab-haltige Vortherapie war damals nicht zulässig. Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug 90% mit einer CRRate (komplette Remission) von 60% und umfasste auch Mantelzell-Lymphome. Das mediane PFS (progressionsfreies Überleben) lag bei 24 Monaten (5 bis 44 Monate) und einer 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 55%. Eine Grad 3/4 Hämatotoxizität trat in 16% der Zyklen als Leukopenie, in 3% der Zyklen als Thrombozytopenie und in 1% der CHOP-R Rituximab Cyclophosphamid Doxorubicin Vincristin Prednison Wiederholung Tag 22 375 mg/m² 750 mg/m2 50 mg/m2 1,4 mg/m2 100 mg B-R Rituximab 375 mg/m² Tag 1 Bendamustin 90 mg/m² Tag 1 und 2 Wiederholung Tag 28 Zyklen als Anämie auf. Es keine wurden weiteren Organtoxizitäten beobachtet [1]. Diese Daten wurden durch eine US-amerikanische multizentrische Studie an Patienten mit follikulären, niedrig malignen und Mantelzell-Lymphomen bestätigt. Die Patienten dieser Studie waren nach einer Chemotherapie mit (56%) oder ohne Rituximab rezidiviert, jedoch nicht Rituximabrefraktär. Die ORR aller Patienten betrug 92% mit 55% CR. Bei den Patienten mit Rituximab in der Historie betrug die ORR 86% mit einer CR-Rate von 35% [2]. Diese Studienergebnisse waren auch die Rationale für die Durchführung einer direkten Ver- 4 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 gleichsstudie zwischen B-R und CHOP-R, die übrigens von keiner Pharmafirma unterstützt wurde. StiL-Studie B-R vs. CHOP-R Um die Rolle von B-R weiter zu evaluieren, verglich die randomisierte multizentrische Phase-III-Studie (NHL 1-2003) der StiL Tag 1 Tag 1 Tag 1 Tag 1 Tag 1-5 i.v. 500 ml NaCl 0,9% i.v. 250 ml NaCl 0,9% i.v. Bolus i.v. Bolus p.o. B-R direkt mit CHOP-R bei Patienten mit unvorbehandelten follikulären, indolenten und Mantelzell-Lymphomen. Im Rahmen dieser Studie sollte primär die Frage beantwortet werden, ob in der Primärtherapie niedrigmaligner und Mantelzell-Lymphome die Monotherapie mit Bendamustin der etablierten, jedoch recht toxischen Polychemotherapie mit CHOP, jeweils in Kombination mit Rituximab, in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) gleichwertig ist. Bei dieser auf Nicht-Unterlegenheit angelegten Studie sollte das PFS nach 3 Jahren nicht mehr als 10% abweichen dürfen. Sekundäre Studienziele waren die Ansprechraten, die Zeit bis zur nächsten Therapie, das ereignisfreie und das Gesamt­ überleben, die Akut- und Spättoxizität und die infektiösen Komplikationen sowie die Fähigkeit zur Stammzellmobilisation bei jungen Patienten. Bendamustin plus Rituximab In weniger als 5 Jahren wurden insgesamt 549 Patienten mit follikulären Lymphomen Grad 1 und 2, Waldenström-Lymphomen, mit CLL ohne leukämische Phase, nodulären und generalisierten MarginalzonenLymphomen sowie Mantelzell-Lymphomen, die weder chemotherapeutisch noch mit Interferonen oder mit Rituximab vorbehandelt sein durften, in die Studie aufgenommen. Diese erhielten für maximal 6 Zyklen randomisiert entweder Rituximab (375 mg/m²) an Tag 1 plus Bendamustin (90 mg/m²) an Tag 1 und 2 (B-R) alle 28 Tage oder Standard-CHOP plus 375 mg/ m² Rituximab alle 21 Tage (Kasten). Über die Hälfte der Patienten (54%) hatte ein follikuläres Lymphom, 18% ein Mantelzell-Lymphom, eine besonders schwer zu behandelnde Gruppe der NHL. Die NHLEntitäten waren in beiden Studienarmen gleich verteilt. Das mediane Alter der Patienten betrug 64 Jahre. 513 Patienten waren für das Ansprechen und die Verträglichkeit auswertbar, 260 von ihnen waren mit B-R, 253 mit CHOP-R behandelt worden. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 34 Monate. Signikikant längeres medianes PFS durch B-R Die finalen Studienergebnisse demonstrieren, dass B-R nicht nur deutlich besser verträglich ist, sondern sowohl das mediane progressionsfreie Überleben als auch die Rate an kompletten Remissionen signifikant verbessert. Zwar waren die Gesamtansprechraten mit 92,7% unter B-R und 91,3% unter CHOP-R vergleichbar, jedoch war die Rate an kompletten Remissionen (CR) von 39,6% unter B-R signifikant höher als unter CHOP-R mit 30,0% (p=0,0262). Die Patienten im B-R-Arm lebten im Median rund 20 Monate länger progressionsfrei als die Patienten, die CHOP-R erhalten hatten: Das mediane PFS im B-R-Arm betrug 54,9 Monate, dagegen nur 34,8 Monate im CHOP-R-Arm (p=0,00012) (Abb. 1). Auch die Zeit bis zur nächsten Behandlung (Time to next treatment, TTNT) ist unter B-R signifikant länger. Sie lag unter CHOP-R median bei 37,5 Monaten, unter Abb. 1: B-R versus CHOP-R: Progressionsfreies Überleben [NHL 1-2003] B-R ist dieser Zeitpunkt noch nicht für alle Patienten erreicht (p=0,000022). Laut Prof. Rummel (12) ist gerade die TTNT ein aussagekräftiger Marker für die Progression, da sie nicht vom Untersucher abhängig ist, sondern vom tatsächlich vorliegenden und behandlungsbedürftigen Rezidiv. Er wies auch auf die Qualität der Remissionen unter B-R hin: Während unter CHOP-R erwartungsgemäß die Patienten mit einer kompletten Remission (CR) das längste PFS aufwiesen, war es unter B-R egal, ob die Patienten eine CR oder eine partielle Remission (PR) erreicht hatten. Das mediane PFS war auch bei Patienten, die B-R erhalten und eine PR erzielt hatten, signifikant besser als bei den Patienten mit einer PR unter CHOP-R (p<0,0001). Wirksamkeit in Subentitäten Der PFS-Vorteil von B-R versus CHOP-R erstreckte sich auf alle Subentitäten. Auch bei Patienten mit den schwierig zu behandelnden Mantelzell-Lymphomen war nach 34 Monaten Nachbeobachtungszeit das mediane PFS mit 32,5 Monaten unter B-R signifikant höher als unter CHOP-R mit 22,3 Monaten (p=0,0146) (Tab. 1). Interessanterweise bestand der Effektivitätsvorteil von B-R auch bei Patienten, die erhöhte LDH-Werte > 240 U/l aufwiesen. Von diesen Patienten hatte man erwartet, dass sie auf das „aggressivere“ CHOP-R besser ansprechen würden, was jedoch nicht der Fall war. Tab. 1: B-R versus CHOP-R: Medianes progressionsfreies Überleben in Subentitäten [NHL 1-2003] n Medianes PFS (Monate) B-R CHOP-R p- Wert Follikuläre Lymphome 279 n.y.r.* 46,7 0,0281 Mantelzell- Lymphome 93 32,5 22,3 0,0146 Marginalzonen- Lymphome 67 n.y.r. 47,2 0,6210 M. Waldenström 41 n.y.r. 34,8 0,0024 *noch nicht erreicht Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 5 Bendamustin plus Rituximab Signifikant geringere Hämatotoxizität und kein kompletter Haarverlust unter B-R Wie erwartet erwies sich B-R als deutlich besser verträglich als CHOP-R. Die Hämatotoxizität war unter CHOP-R deutlich stärker ausgeprägt. Eine Leukopenie vom Grad 3 und 4 trat in 38,2% der Zyklen signifikant häufiger auf als unter B-R (12,1% der Zyklen) (p<0,0001). Mit der gleichen Signifikanz waren auch die Neutropenien vom Grad 3 und 4 bei den mit CHOP-R behandelten Patienten erhöht (46,5% der Zyklen unter CHOP-R vs. 10,7% der Zyklen unter B-R). So musste auch nur in 4% der Zyklen mit B-R G-CSF gegeben werden, aber in 20% der Zyklen mit CHOP-R (p<0,0001). Während 96 Patienten unter B-R eine Infektion hatten, waren es unter CHOP-R 127 Patienten (p=0,0025). Nur ein Patient aus dem B-R-Arm erlitt eine lebensbedrohliche Sepsis, aber acht mit CHOP-R behandelte Patienten (p=0,0190). Auch die die Patienten subjektiv belastenden Nebenwirkungen wie Alopezie, periphere Neuropathie und Stomatitis waren unter B-R wesentlich geringer ausgeprägt. Unter B-R kam es bei 15% der Patienten zu einer Alopezie vom Grad 1, ein völliger Haarverlust trat bei keinem Patienten auf, während 62% der Patienten unter CHOP-R von Alopezie betroffen waren. Nur 18 Patienten, die mit B-R behandelt wurden, litten unter peripherer Neuropathie gegenüber 73 Patienten im CHOP-R-Arm. Laut M. Rummel ist dies eine sehr bedeutsame Studie (12), die in ihrer Art wohl heute die einzige bleiben wird, da sie den direkten Effekt eines Bendamustin-haltigen Schemas mit dem Standard-First-line-Schema CHOP-R ohne Erhaltungstherapie verglich und den direkten Vorteil von B-R als Firstline-Therapie demonstrieren konnte. B-R hat seiner Meinung nach gezeigt, dass es CHOP-R als First-line-Therapie bei diesen NHL-Entitäten ablösen kann. In heutigen Studien wird an die First-line-Therapie immer eine Erhaltungstherapie angeschlossen, so dass sich nur der Effekt des Gesamtkonzeptes messen lässt. Der Effekt einer Erhaltungstherapie nach der B-R First-line-Therapie wird nun auch in der derzeit laufenden StiL-Studie NHL 7-2008 geprüft, die B-R StiL – Studiengruppe indolente Lymphome Die STiL ist ein deutschlandweiter Zusammenschluss hämatologischonkologischer Kliniken und Schwerpunktpraxen. Wissenschaftlicher Schwerpunkt der Studiengruppe ist die Durchführung nichtkommerzieller, prospektiver, randomisierter Studien und Phase-II-Studien zu modernen Therapieverfahren, mit dem Ziel der Therapieoptimierung. Die Studienzentrale befindet sich am Klinikum der Justus-Liebig-Universität Gießen (Studienleiter: Prof. Dr. med. Mathias Rummel; Studienkoordinator: Jürgen Barth). http://www.stil-info.de mit einer nachfolgenden entweder zweioder vierjährigen Erhaltungstherapie mit Rituximab bei den follikulären NHLs und einer zweijährigen Erhaltung vs. einer Nachbeobachtung (=Standard) bei den anderen Entitäten untersucht (Details: [http://www. stil-info.de/index.php?id=263]). Mobilisation peripherer Blutstammund Vorläuferzellen als sekundärer Untersuchungsendpunkt Nach der Gabe von Alkylanzien (+ G-CSF) können autologe, periphere Blutstammzellen (CD34+ Zellen) mobilisiert werden. Allerdings gelten einige Alkylanzien (so v. a. NLost-Derivate), wie auch einige Antimetabolite, als besonders stammzelltoxisch. Das Mobilisationspotenzial von Bendamustin ist derzeit noch nicht systematisch untersucht worden, zumal Bendamustin bisher vornehmlich nach Versagen anderer myelotoxischer Therapien eingesetzt wurde. Im Rahmen der StiL-Studie NHL 1-2003 war ein sekundärer, explorativer Untersuchungsendpunkt die Möglichkeit der suffizienten Mobilisation peripherer Blutstammund Vorläuferzellen (Ziel: 2.0 x106 CD34+ Zellen/kg Körpergewicht) bei jüngeren Patienten, nach Abschluss von CHOP-R 6 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 oder B-R. Weiterhin sollten die jeweiligen Ausbeuten verglichen werden. Von den 549 randomisierten Patienten waren 513 auswertbar (B-R = 260, CHOP-R = 253). In jedem Arm konnten 23 Mobilisationen durchgeführt werden. Sowohl im B-R-Arm als auch im CHOP-R-Arm konnten 18 Mobilisationen nach Abschluss der Chemotherapie durchgeführt werden. Bei je 5 weiteren Patienten wurden periphere Blutstammzellen (PBSZ) im ersten Rezidiv separiert. Das mediane Alter betrug 51 Jahre im B-R-Arm und 53 Jahre im CHOP-RArm. Mobilisiert wurde überwiegend mit Cyclophosphamid + G-CSF (je 9 Patienten pro Arm) oder mit G-CSF allein (7 Patienten nach B-R, 2 Patienten nach CHOP-R). Alternative Mobilisierungsregime bei den restlichen Patienten waren Dexa-BEAM, DHAP, ICE und andere. Die mediane CD34+ Ausbeute unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Armen. Sie betrug in der B-R-Gruppe 4.55 x 106 CD34+ Zellen/kg und einem Schwankungsbereich von 1.68 – 12.35 x 106 CD34+ Zellen/kg. Im CHOP-R-Arm waren es 6.17 x 106 CD 34+ Zellen/kg (Schwankungsbereich: 1.68 – 20.39 x 106 CD34+ Zellen/kg). Auch die Anzahl der notwendigen Apharesen war im Median nicht unterschiedlich (B-R: 1.85 vs. CHOP-R: 1.66). Lediglich 3 Patienten waren nicht in der Lage mehr als 2.0 x 106 CD34+ Zellen/kg zu mobilisieren. 1 Patient nach B-R (1.68 x 106 CD34+ Zellen /kg), und 2 Patienten nach CHOP-R (1.68 x 106 CD34+ Zellen/kg). Bei einem Patienten war keine Mobilisierung möglich. Bei denjenigen Patienten mit erfolgreicher Mobilisation nach Beendigung der Erstlinientherapie (je 18 Patienten pro Arm), war ebenfalls kein signifikanter Unterschied in den Ausbeuten festzustellen (B-R: median 5.52 x 106 CD34+ Zellen/kg vs. CHOP-R: median 7.35 x 106 CD34+ Zellen/kg). Die Stammzellausbeute der jeweils 5 Patienten im Rezidiv war annähernd gleich (B-R: median 8.79 x 106 CD34+ Zellen/kg vs. CHOP-R: median 7.3 x 106 CD34+ Zellen/kg). Es zeigt sich also, dass eine suffiziente Menge an PBSZ nach B-R mobilisierbar ist und dass die Ausbeute in der Größenordnung wie Bendamustin plus Rituximab nach vorausgegangener CHOP-R-Chemotherapie liegt [3]. Pharmazeutische Aspekte Rekonstitution und Stabilität Bendamustin ist in der Bundesrepublik ein „alter Bekannter“ im Gegensatz zu den USA, wo die Substanz erst seit 2008 zugelassen ist. Aus pharmazeutischer Sicht gibt es einige Hinweise: Bendamustin muss in Aqua gelöst werden und kann nicht per Mischadapter oder Überleitungskanüle in Infusionsbeutel überführt werden. Allerdings sind die Chloridionen für die chemische Stabilität maßgebend. Daher muss Bendamustin nach dem Vorlösen schnellstmöglich in Kochsalz 0,9% überführt werden. Bei umgehender Lagerung im Kühlschrank ergibt sich eine chemisch-physikalische Haltbarkeit von 120 Stunden, wie Mass et. al. nachweisen konnten [4] und in der deutschen Fachinformation [5] berücksichtigt ist. Bei Raumtemperatur ist die Stabilität auf 9 Stunden begrenzt. Die amerikanische Produktinformation [6] lässt als Trägerlösung auch eine halbisotone NaCl-Glukoselösung (0,45% / 2,5%) zu. Die Stabilität von Treanda® wird mit nur 3 Stunden bei Raumtemperatur für beide Trägerlösungen angegeben. Der verminderte Chloridgehalt der NaClGlukoselösung begrenzt die Haltbarkeit aus unserer Sicht. Wegen der Hydrolyse aber auch wegen der rasch einsetzenden Metabolisierung und Elimination (Verteilungshalbwertszeit: 7 Minuten) wird eine kurze Infusionsdauer von 30 bis 60 Minuten empfohlen, um zu suffizienten Gewebespiegeln zu kommen. Die 30minütige Kurzinfusion, wie sie in Deutschland praktiziert wird, lässt sich mit Infusionsvolumina von 100 bis 250 ml NaCl 0,9% gut realisieren. Warum die amerikanische Verschreibungsinformation 500 ml NaCl 0,9% bzw. eine Endkonzentration von 0,2-0,6 mg/ml vorsieht, ist unklar. Eine Kurzinfusion mit einem solchen Volumen ist schwer umsetzbar. Während nach der deutschen Rekostitutionsvorschrift [5] eine Endkonzentration von 2,5 mg/ml entsteht, beschreibt die die amerikanische FPI eine Rekonstituti- on, nach der eine Endkonzentration von 5 mg/ml resultiert, was aber auch in deutscher Literatur seit langem beschrieben ist [7]. So lässt sich das Injektionsvolumen für das Zuspritzen in 100 – 250 ml Beutel reduzieren. Für einen Patienten mit 2 m² KOF und einer Basisdosierung von 90 mg/m² ergibt sich ein Volumen von 36 ml im Unterschied zur Konzentration mit 2,5 mg/ml, bei der 72 ml resultieren. 72 ml sind nicht in die o. g. Beutelgrößen zuspritzbar. Dosierung Bendamustin ist als Ribomustin® in der Bundesrepublik, als Treanda® in den USA und inzwischen auch in Europa als Levact® und in Japan als Treakisym® zugelassen worden, mit unterschiedlichen Indikationen und daher auch mit unterschiedlichen Dosierungen. Die „flexibelste“ Dosierungsspanne resultiert aus der deutschen Zulassung, die weder eine Standarddosierung noch ein Standardregime definiert. Die Dosierungen rangieren zwischen 60 mg/m² über 5 Tage bis zu 150 mg/m² an 2 aufeinander folgenden Tagen. Dagegen definiert die US-amerikanische Zulassung eine Dosierung von 100 mg/m² bis 120 mg/m² an 2 aufeinander folgenden Tagen eines 28 bzw. 21 Tagezyklus und bis zu 5 bzw. 7 Wiederholungen (also 6 resp. 8 Gaben). Eigene, umfangreiche klinische Erfahrungen, insbesondere bei Kombinationsschemata, weisen auf ein Dosisoptimum von 90 mg/m² an zwei aufeinander folgenden Tagen in Kombination mit Rituximab hin. Dosismodifikationen Da Bendamustin zu weniger als 10% renal eliminiert wird, ist eine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz praktisch nicht nötig. Die deutsche FI empfiehlt daher auch keine Dosisanpassung, wenn die Kreatinin-Clearance >10 ml/Min. beträgt. Die US amerikanische Fachinformation empfiehlt auf Grund mangelnder klinischer Daten, Bendamustin nicht bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance <40 ml/Min. zu verwenden [8, 9]. Kommentar und Ausblick Die StiL- Studie NHL 1-2003 ist der Frage nachgegangen, ob in der Primärtherapie niedrigmaligner und Mantelzell-Lymphome die Therapie mit Bendamustin der etablierten, jedoch recht toxischen Polychemotherapie mit CHOP, jeweils in Kombination mit dem anti-CD20 Antikörper Rituximab, in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) gleichwertig ist. Es handelt sich um einen direkten Vergleich zweier Lymphomschemata in prospektiv, randomisierter Form. Die auf Nicht-Unterlegenheit angelegte Studie zeigt bezüglich der primären Fragestellung sogar eine Überlegenheit der Zweierkombination B-R gegenüber der Fünferkombination CHOP-R. Auch in Bezug auf die Akuttoxizität - eine der sekundären Fragestellungen - zeigten sich Vorteile für B-R. So war, wie bei der Kombination aus Alkylans (C), Anthrazyklin (H) und Vinkaalkaloid (O) zu erwarten, die Hämatotoxizität unter CHOP-R deutlich stärker ausgeprägt. Die von Patienten subjektiv als belastend empfundenen Nebenwirkungen wie Alopezie (C, H), periphere Neuropathie (O) und Stomatitis (H, C) waren unter CHOP-R wesentlich häufiger ausgeprägt. Die B-RPatienten erlitten keinen Haarausfall, während im CHOP-R-Arm fast alle Patienten von einer Alopezie betroffen waren. Vom Grundsatz her kann man B-R, im Unterschied zu CHOP-R, als nicht-kardiotoxisches Schema bezeichnen. Die akute und kumulative Kardiotoxizität des Anthrazyklins ist bekannt. Im Gegensatz dazu zeigt Bendamustin bei dem üblichen therapeutischen Dosierungsbereich (90-120 mg/m²) keine Kardiotoxizität, wie an Hand eines Bendamustine ECG Assessment Report festgestellt werden konnte [10]. Eine (nicht limitierende) kardiale Toxizität vom Grad 2 zeigte sich im Rahmen einer Phase I Studie nach einmaliger Gabe von Bendamustin bei einer Dosierung von 280 mg/m² (sic!) alle 3 Wochen [11] – also etwas mehr als das Dreifache der Basisdosierung wie in der NHL 1 verwendet. Dieses kardiale Sicherheitsprofil eröffnet -neben dem überlegenen PFS - zusätzliche Chancen für Lymphompatienten mit kardialer Risiko- Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 7 Bendamustin plus Rituximab konstellation, so auch - aber eben nicht nur - für ältere Patienten. Des Weiteren verfügt die NHL 1- 2003 über ein Alleinstellungsmerkmal. 1. Sie hat den Stellenwert von B-R im direkten Vergleich zu einem anderen Therapieschema ermittelt, ohne dass sich 2. eine Erhaltungstherapie oder anderweitige konsolidierende Therapie an B-R oder CHOP-R angeschlossen hat. In heutiger Zeit wäre eine derartige Studie nur noch mit anschließender RituximabErhaltungstherapie möglich. Das macht eine Ergebnisfindung ungleich schwerer, da eine solche Erhaltungstherapie nach derzeitiger Zulassung über 2 Jahre geht. Die NHL 1 ist die einzige Studie weltweit, die den Stellenwert von Bendamustin in randomisiertem Design verglichen hat. Da die Nachbeobachtungszeit noch zu kurz ist, um sich statistisch „bemerkbar“ zu machen und es im Fall eines Rezidivs weitere Alternativen der Lymphombehandlung gibt, setzen sich zum jetzigen Zeitpunkt die Studienergebnisse nicht in das sekundäre Studienziel Gesamtüberleben um. Denn die Rezidivtherapien nehmen Einfluss auf das Endresultat Gesamtüberleben und „verwässern“ diesen Parameter. Zukünftig wird die StiL versuchen, Antworten auf weitere interessante Fragen basierend auf der NHL 1 – 2003 zu geben. So beispielsweise ob die Güte der Erstremission (CR oder PR) ebenfalls Unterschiede im PFS oder im Gesamtüberleben zeigt. Im Rahmen der Nachfolgestudie NHL 7-2008 soll die Wertigkeit der Dauer der Erhaltungstherapie mit Rituximab in der Erstlinientherapie der follikulären Lymphome untersucht und folgende Frage beantwortet werden: Kann mit einer längeren zielgerichteten antilymphoproliferativen Erhaltungstherapie mit Rituximab (4 Jahre im Vergleich zu 2 Jahre) eine Eradikation der malignen Lymphomzellen, also eine Heilung der Erkrankung bzw. eine längere progressionsfreie Zeit erreicht werden? Bei den anderen Lymphomentitäten Immunozytom, Marginalzonen und Mantelzell-Lymphom soll die Frage beantwortet werden, ob die Prognose dieser Erkrankungen durch eine verlängerte Rituximab Therapie im Vergleich zur der sonst üblichen therapiefreien Nachbeobachtung verbessert werden kann (2 Jahre Erhaltungstherapie im Vergleich zu Nachbeobachtung). Hierfür sind insgesamt 874 Patienten notwendig. Es ist den derzeit 112 bundesweit verteilten, aktiven Zentren gelungen, seit April 2009 bis Ende September 2010 über 500 Patienten in diese Studie einzubringen. Weitere Informationen hierzu unter: http://www.stil-info.de/ index.php?id=263 Literatur 1 Rummel MJ, Al-Batran SE, Kim SZ, et al. Bendamustine plus rituximab is effective and has a favorable toxicity profile in the treatment of mantle cell and low-grade non-Hodgkin‘s lymphoma. J Clin Oncol 2005;23:3383-9 2 Robinson KS, Williams ME, van der Jagt RH, et al. Phase II multicenter study of bendamustine plus rituximab in patients with relapsed indolent B-cell and mantle cell non-Hodgkin‘s lymphoma. J Clin Oncol 2008;26:4473-9 3 Burchardt CA, B-Rugger, W., Maschmeyer, G., Kofahl-Krause, D., Fischer, L., Roller, F., Barth, J., Rummel, M.J. Peripheral blood stem cell mobilization after Bendamustine containing therapy in indolent lymphomas is possible. Results from the phase III study of B-R vs. CHOP-R(NHL 1-2003 trial) of the StiL (Study group indolent Lymphomas, Germany) (Poster at ASH Annual Meeting). Blood 2009;114:Abstract 2679 4 Mass et. al. Pharmazie 1994; 49: 775-77 5 Fachinformation Ribomustin®.Mundipharma GmbH Mundipharma Straße 2 65549 Limburg (Lahn); 2007 6 Full Prescribing Information Treanda®. Cephalon Inc. Frazer, PA 19355; 2009 7 Barth Zytostatikaherstellung in der Apotheke, ISBN 978-3-7692-4432-8 8 Barth J, Rummel M. Bendamustin - antitumorales N-Lost-Derivat mit klinischen Besonderheiten Arzneimitteltherapie 2010; 28: 114-122 9 Barth J, Rummel M. Antitumorale Therapie mit Bendamustin Krankenhauspharmazie 2010; 393405 10Data on file, Clinilabs Inc New York: 2007 11Rasschaert et. al. Anticancer Drugs 2007; 18: 587-95 . 12 Rummel M.J. et al. Bendamustine Plus Rituximab Is Superior in Respect of Progression Free Survival and CR Rate When Compared to CHOP Plus Rituximab as First-Line Treatment of Patients with Advanced Follicular, Indolent, and Mantle Cell Lymphomas: Final Results of a Randomized Phase III Study of the StiL (Study Group Indolent Lymphomas, Germany, Oral Presentation at ASH Annual Meeting 2009. Blood 114 (22): 168 (Abstract 405) Autoren Jürgen Barth, Gießen Dr. Petra Ortner, München 28. - 30. Januar 2011 Hamburg-Harburg 8 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Allogene Blutstammzelltransplantation Allogene Blutstammzelltransplantation Von Petra Jungmayr, Esslingen B ei der allogenen Stammzelltransplantation wird das kranke lymphohämatopoetische System durch hämatopoetische Stammzellen eines gesunden Spenders ersetzt. Diesem Vorgang gehen eine Anreicherung der zu transplantierenden Stammzellen und eine klassische oder dosismodifizierte Konditionierung des Patienten voraus. Die wichtigsten Indikationen für die Blutstammzelltransplantation sind hämatologische Tumore. Seit etwa 30 Jahren werden in Deutschland Stammzellen von einem Spender auf einen Empfänger übertragen (allogene Transplantation). Die Anzahl der Transplantationen wächst kontinuierlich und hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre verdoppelt. Wurden früher vor allem Knochenmarkzellen übertragen, so spielt heute die Transplantation von Blutstammzellen die wichtigste Rolle (Abb. 1). Die Übertragung von Stammzellen aus Nabel­schnur­blut ist von untergeordneter Bedeutung. So wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 2034 periphere Blutstammzelltransplantation, 314 Knochenmarktransplantationen und 28 Übertragungen von Nabelschnurblut (jeweils allogene Ersttransfusionen) durchgeführt. 1500 peripheres Blut 1000 Knochenmark 500 0 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 Vor der Blutstammzelltransplantation wird die Blutbildung mit Hilfe von Wachstumsfaktoren stimuliert, da die im peripheren Blut zirkulierenden peripheren Progenitorzellen (PBPC) nicht für eine Transplantation ausreichen. Dazu erhält ein geeig- 2000 2000 Gewinnung und Mobilisierung der Blutstammzellen Mobilisierte Blutstammzellen enthalten wesentlich mehr T-Zellen als das Knochenmark, was ein häufigeres Auftreten einer akuten Graft-versus-Host-Reaktion 2500 1999 Im Folgenden wird auf die Gewinnung der Blutstammzellen beim Spender und auf die Konditionierung des Empfängers eingegangen. Graft-versus-host- und Graft-versusLeukämie-Reaktionen Allogene Ersttransplantationen 1998 Die Blutstammzelltransplantation verläuft in mehreren Abschnitten: Suche eines geeigneten Stammzellspenders mit möglichst gleichen Gewebemerkmalen Gewinnung der Blutstammzellen Konditionierung (immun- und myeloablative Chemotherapie und/oder Ganzkörperbestrahlung) des Patienten Transplantation der Blutstammzellen Nachbehandlung neter, gesunder Spender eine mehrtägige Stimulation der Hämatopoese mit Hilfe von Wachstumsfaktoren (PBPC-Mobilisation). Eingesetzt werden dabei Granulozytenkolonie-stimulierende Faktoren G-CSF wie etwa Filgrastim, Lenograstim oder Pegfilgrastim. In der Regel mobilisiert eine Behandlung über fünf Tage bei rund 80% der Spender genügend Stammzellen für die Transplantation eines erwachsenen Patienten; ein weiterer Tag unter G-CSF-Gabe führt bei Stunden. In dieser Zeit werden schrittweise rund zehn Liter Blut aus einer Armvene oder über einen Venenkatheter in den Blutzellseparator gepumpt und dort prozessiert. Die Stammzellen werden abgetrennt und das bearbeitete Blut dem Spender wieder zugeführt. Die Transplantation der Stammzellen erfolgt wie eine Bluttransfusion über einen zentralen Venenkatheter. Abb. 1: Allogene Erstransplantation - Nutzung von Knochenmark und peripherem Blut als Stammzellquelle [Quelle: deutsches Register für Stammzelltransplantation] annährend 99% der Spender zu einer genügenden Stammzellbildung. Die Stammzellzahl mobilisierter Blutstammzellen lässt sich anhand des Gehaltes an CD34-positiven Zellen abschätzen. Das Oberflächenantigen CD34 findet sich ausschließlich auf frühen Vorläuferzellen der Hämatopoese und geht im Laufe der Reifung verloren. Die mobilisierten Blutstammzellen werden mit Hilfe eines Blutzellseparators aus dem Blut abgetrennt und konzentriert (Leukapherese). Der Vorgang dauert zwei bis vier 10 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 (GVHR) befürchten lässt. Darunter versteht man Abwehrreaktionen der transplantierten immunologisch aktiven Spenderzellen gegen den Empfängerorganismus, die sich in entzündlichen Reaktionen an immunogenen Stellen wie Haut (Dermatitis), intrahepatischen Gallenwegen (Cholestase) und Darmepithel (Enteritis) äußern können. Es hat sich aber gezeigt, dass Häufigkeit und Schwere akuter GVHR nach einer G-CSF-Behandlung nicht häufiger oder ausgeprägter sind als nach einer Knochenmarktransplantation. Das Risiko einer Allogene Blutstammzelltransplantation Tab. 1: Charakteristika der Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation Gewinnung Transplantat Knochenmarkzellen Blutstammzellen operativer Eingriff unter Vollnarkose mögliche Nebenwirkungen: Schmerzen an der Entnahmestelle, Wundgefühl und weitere Nebenwirkungen nach Mobilisierung mit G-CSF; wiederholte Mobilisierung möglich potentielle Nebenwirkungen: Knochen- und Muskelschmerzen, Fieber, Kopfschmerzen sowie erhöhte Leberwerte; schwere Nebenwirkungen sind sehr selten. Langzeitbeobachtungen ergaben keinen Hinweis auf ein vermehrtes Auftreten maligner Erkrankungen bei den Spendern durch die wiederholte Gabe von Wachstumsfaktoren. wahrscheinlich höherer Anteil hämatopoetischer Stammzellen mit langfristigem Repopulationspotential drei- bis vierfache Menge an CD34+-Zellen, mehr als zehnfache Menge an T-Zellen, Monozyten und NK-Zellen Erholung akute Graftversus-hostReaktion schnellere Erholung der Hämatopoese (Engraftment von Neutrophilen und Thrombozyten im median 5-6 Tage kürzer); raschere Immunrekonstitution kein Unterschied kein Unterschied chronische Graft-versushost-Reaktion ev. höheres Risiko Graft-versusLeukämieReaktion vermutlich bessere Graft-versus-LeukämieReaktion Therapieerfolg bei fortgeschrittenen Leukämien ist die behandlungsassoziierte Letalität tenden­ ziell geringer Alter des Patienten für ältere Patienten weniger gut geeignet erhöhten Inzidenz chronischer GVHR nach einer Blutstammzelltransplantation wird kontrovers diskutiert. Die transplantierten T-Zellen sind auch für die gewünschte immunologische Reaktion gegen die maligne Erkrankung verantwortlich (Graft-versus-Leukämie-Effekt bzw. Graftversus-Tumor-Effekt). Darunter versteht man die immunologische Reaktion von Spenderlymphozyten im Transplantat gegen die maligne Erkrankung, die zu geringeren Rezidivraten führt als eine autologe Stammzelltransplantation. Die Pathophysiologie dieser Effekte ist komplex und noch nicht vollständig bekannt. Neben den Spender-T-Lymphozyten sind dabei weitere Zellen beteiligt (natürliche Killerzellen, Antigen-präsentierende Zellen). auch für ältere Patienten geeignet Konditionierung Bevor eine Konditionierung durchgeführt wird, muss eine stabile Remission der Grunderkrankung durch eine vorausgegangene Chemotherapie vorliegen. Dann kann die myeloablative Konditionierung eingeleitet werden, die entweder aus einer Kombination der Ganzkörperbestrahlung (1000-1440 cGy) plus Chemotherapie oder aus einer alleinigen zytotoxischen Behandlung besteht. Eingesetzt werden dabei unter anderem hoch dosiertes Cyclophosphamid (120-200 mg/ kg) und Busulfan (16 mg/kg). Das Ziel der Konditionierung ist die Zerstörung der patienteneigenen Hämatopoese und eventuell verbliebener maligner Zellen. Ein bis zwei Tage nach Abschluss der Konditionierungs- therapie werden dem Patienten dann entweder Knochenmark- oder Blutstammzellen über einen zentralvenösen Katheter zugeführt. Nach zwei bis drei Wochen hat sich das blutbildende System des Empfängers erholt. Dosisreduzierte Konditionierung Im Gegensatz zur myeloablativen Konditionierung werden bei der dosisreduzierten Konditionierung (korrekte Bezeichnung: „allogene Stammzelltransplantation mit reduzierter Konditionierungsintensität“; irreführende Bezeichnung „Minitransplantation“) die immunologischen Effekte der Graft-versus-Leukämie-Reaktionen therapeutisch genutzt und die toxischen Effekte der Chemo-/Radiotherapie vermindert. Dadurch verliert die Konditionierung erheblich an Toxizität und Aggressivität und ist auch bei älteren Patienten oder bei herabgesetztem Allgemeinzustand durchführbar. Die Vorraussetzung für den Erfolg einer dosisreduzierten Konditionierung sind eine geringe Resttumoraktivität und die Tumorsensitivität gegenüber Graft-versus-Leukämie-Effekten. Als sensitiv gelten CML, CLL sowie indolente und Mantelzell-Lymphome. Als nicht sensitiv werden das Non-Hodgkin-Lymphom und die ALL eingestuft. Derzeit werden etwa 30% aller allogenen Stammzelltransplantationen als dosisreduzierte Transplantationen durchgeführt. Ihr schließt sich eine immunsuppressive Behandlung an. Bedeutung und Indikationsspektrum der allogenen Stammzelltransplantation mit reduzierter Konditionierungsintensität sind noch nicht genau einschätzbar. Sie wird meist im Rahmen prospektiver kontrollierter Studien durchgeführt. Internet www.dkms.de (Deutsche Knochenmark- spenderdatei); sucht und registriert mögliche Stammzellspender und bietet weiterführende Informationen an. www.zkrd.de (Zentrales Knochenmark- spender-Register Deutschland); hier werden anonymisiert die Daten der registrierten Personen und der suchenden Patienten zusammengeführt. http://www.drst.de (Deutsches Register für Stammzelltransplantation) Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 11 Allogene Blutstammzelltransplantation Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP IV/2010 Allogene Blutstammzelltransplantation 1. Zur Mobilisierung der Blutstammzellen werden folgende Wachstumsfaktoren eingesetzt: 4. Zur Konditionierung werden u.a. folgende Zytostatika eingesetzt: A Erythropoetin A Taxane B Filgrastim B Busulfan C Lenograstim C Cyclophosphamid D EGF D Methotrexat 2. Nach einer Mobilisierung mit G-CSF muss beim Spender mit folgenden Nebenwirkungen gerechnet werden: 5. Folgende Aussage zur Knochenmarktransplantation trifft zu: A erhöhte Malignominzidenz B Erhöhung der Leberwerte A Sie führt bei fortgeschrittenen Leukämien zu besseren Therapieergebnissen. B Sie führt zu vermehrten akuten Graft-versus-host-Reaktionen. C Grippe-ähnliche Symptome D Hypertonie C Sie erfordert beim Spender einen operativen Eingriff unter Vollnarkose. 3. Allogene Blutstammzelltransplantationen werden vor allem durchgeführt bei D Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland mehr als 1.000 Knochenmarktransplantationen durchgeführt. A Lymphomen Richtige Antworten zum Beitrag: „Aktuelle medikamentöse Therapie kolorektaler Karzinome“, Heft II/2010 B soliden Tumoren C Leukämien D Hirntumoren Frage 1: C Frage 2: C Frage 3: D Frage 4: B Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2010 Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforder­lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende Fax-Nummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg! Per Fax: +49-40-79 14 03 02 Name: Vorname: Einrichtung: Straße: PLZ/Ort: Allogene Blutstammzelltransplantation (Onkologische Pharmazie Nr. 4/2010) Meine Antwort (X) lautet bei: Frage 1: A B C D Frage 2: A B C D Frage 3: A B C D Frage 4: A B C D Frage 5: A B C D 12 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die Fragen persönlich beantwortet habe. Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der erreichten Punktzahl. Datum: Unterschrift: Allogene Blutstammzelltransplantation Indikationen zur allogenen Transplantation bei maligenen Erkrankungen Allogene Stammzelltransplantationen werden vor allem bei Lymphomen und Leukämien durchgeführt. Bei soliden Tumoren spielen sie außerhalb von Studien derzeit keine Rolle. Für folgende Tumor­entitäten kommt eine allogene Stammzelltransplantation in Frage: Akute myeloische Leukämie Myelodysplastisches Syndrom Akute lymphatische Leukämie Chronisch lymphatische Leukämie Chronisch myeloische Leukämie Lymphome (Plasmozytom, follikuläres Lymphom, Mantelzell-Lymphom, hochmalignes Non-HodgkinLymphom, Morbus Hodgkin) Patientenratgeber Nach allogener Knochenmark- und Stammzelltransplantation. Hrsg.: Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe e.V. (DLH). Stand 2008. Literatur 1. Bensinger, W.: Stem-cell transplantation for multiple myeloma in the era of novel drugs. JCO 20, 480-492 (2008). 2. Berger, D.P., Engelhardt R. und Mertelsmann R. (Hrsg.): Das rote Buch. Hämatologische und internistische Onkologie. 3. Aufl. Verlag ecomed Landsberg 2006. 3. Grathwohl A., et al.: Change in stem cell source for hematopoietic stem cell transplantation (HSCT) in Europe: A report of the EBMT activity survey 2003. 6. Mueller-Eckhardt, C.: Transfusionsmedizin: Grundlagen, Therapie, Methodik. 3. Aufl. Springer Verlag 2003. 7. Ottinger, H., et al.: Entwicklungen in der hämatopoetischen Stammzelltransplantation. Dtsch Ärztebl 103, A 2381-2386 (2006). 8. Schmoll, H.-J., Höffken K. und Possinger, K. (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie. 3 Bde., 4.Aufl., Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 2005. 9. Schrezenmeier H., et al.: Autologe und allogene Stammzelltransplantation bei malignen Erkrankungen. Trends und Perspektiven in Deutschland. MedReview 11(2), 16-17 (2010). 10.Siena, S. et al.: Therapeutic relevance of CD34 cell dose in blood cell transplantation for cancer therapy. JCO 13,1360-1377 (2000). 11.Storb R.: Allogeneic hematopoietic stem cell transplantation. Yesterday, today, and tomorrow. Exp. Hematol 31, 1-10 (2003). Bone Marrow Transplant 36, 574-590 (2003). 4. Hiddemann, W.; Bartram, C. (Hrsg.): Die Onkologie. Springer Verlag 2010. 5. Martin P., et al.: Life expectancy in patients surviving more than 5 years after hematopoietic cell transplantation. JCO 20, 1011-1016 (2010). Autorin Dr. Petra Jungmayr Fachapotheker für Offizinpharmazie; Onkologische Pharmazie Esslingen Die besten Dinge entwickeln sich weiter… Vorstellung unserer neuen Sprühflasche für den Reinraum Wir hörten auf Ihre Bedürfnisse und haben für Sie die perfekte Lösung entwickelt – ein ergonomisch designter Sprühkopf für unser marktführendes geschlossenes Sprühflaschensystem. Durch sein Design ist der Sprühkopf angenehm im Gebrauch und einfach zu reinigen. Er ermöglicht eine optimale Oberflächenbenetzung und überzeugt durch eine schnelle Abzugsrückstellung. Das SteriShield Delivery System ist das am umfangreichsten validierte geschützte Sprühflaschensystem auf dem Markt. Es gewährleistet, dass während der Verwendung keine Kontamination in die Flasche gelangen kann. Neben den Standard Media Tests haben wir das System einem einzigartigen Vakuum-und Partikeltest unterzogen, um aufzuzeigen, dass die Kombination aus neuem Sprühkopf und Flasche ein geschlossen System bildet und dieses Aufrecht erhalten wird. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie für sich selbst prüfen wollen, dass unser System das Beste auf dem Markt ist, oder um weitere Informationen zu unseren Validierungsarbeiten zu erhalten. T +49 (0)211 9893-157 F +49 (0)211 9893-887 E [email protected] www.shieldmedicare.com Onkologische Desinfektionsmittel sicher verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformation lesen. Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 13 Arzneimittelinnovationen Arzneimittelinnovationen in der Hämato-Onkologie: Catumaxomab und Plerixafor Von Brigitte Hübner, Quedlinburg Als neuartige Therapieoption wurde im April 2009 der bispezifische Antikörper Catumaxomab (Removab®) zur Behandlung eines malignen Aszites infolge einer epithelialen Tumorerkrankung zugelassen. Catumaxomab bindet mit seiner AntigenBindungsstelle einerseits an T-Zellen und andererseits an EpCam-positive Tumorzellen. Über die intakte Fc-Region werden zusätzlich akzessorische Zellen gebunden, wodurch eine komplexe und zielgerichtete Immunreaktion induziert wird. In der Zulassungsstudie IP-REM-AC01 wurde die Wirksamkeit und Sicherheit einer Catumaxomab-Therapie an 258 Patienten mit malignem Aszites infolge verschiedener Krebserkrankungen im Vergleich zu einer Parazentese als Standardbehandlung untersucht. Dabei erhielten 170 Patienten (davon 85 mit Ovarialkarzinom) eine Parazentese gefolgt von vier CatumaxomabInfusionen aufsteigender Dosierung (10, 20, 50 und 150µg). Jeweils 44 Kontrollpatienten pro Gruppe erhielten nur eine Parazentese. Primärer Studienendpunkt war die punktionsfreie Überlebenszeit, also die Zeitspanne bis zur Notwendigkeit einer erneuten Aszitespunktion. In beiden Gruppen war das punktionsfreie Überleben unter einer Catumaxomab-Therapie signifikant verlängert (p<0,0001). Bei Patienten mit Ovarialkarzinom konnte durch den Antikörper eine mediane punktionsfreie Überlebenszeit von 52 Tagen erzielt werden (diese beträgt bei alleiniger Parazentese nur 11 Tage). Eine Behandlung mit Catumaxomab führte somit zu einer reduzierten Aszitesbildung und ver- besserten klinischen Situation. Bereits nach 8 Tagen konnte eine signifikante Verringerung der Aszites-Symptome (abdominale Schwellung, Schmerzen) beobachtet werden. Bei 85% der Patienten traten unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf, meist gastrointestinale Störungen oder infusionsbedingte Reaktionen infolge einer verstärkten Zytokinausschüttung. Daher sollten nach der Therapie die Vitalfunktionen und klinischen Parameter adäquat überwacht werden. Aufgrund seiner Maus- bzw. Rattenstrukturanteile besitzt der Antikörper ferner immunogenes Potential und kann die Bildung von Anti-Antikörpern induzieren. Catumaxomab wird intraperitoneal in vier Einzeldosen (10/20/50/150 µg) während eines Zeitraumes von 11 Tagen verabreicht. Die Behandlungskosten pro Patient mit einer Gesamtdosis von 230µg liegen bei 11.500 Euro. Insgesamt stellt diese Therapie jedoch einen neuartigen Ansatz in der Krebstherapie dar, wobei die Patienten eindeutig von einem verlängerten punktionsfreien Überleben profitieren. Plerixafor (Mozobil®) ist bei Mobilisierungsversagern in Kombination mit G-CSF indiziert, um die Mobilisierung von hämatopoetischen Stammzellen ins periphere Blut zur Entnahme und anschließender autologen Transplantation bei Patienten mit Lymphom und multiplem Myelom zu verbessern. Das niedermolekulare Bicyclamderivat ist ein selektiver Antagonist des CXCR-4-Chemokin-Rezeptors und blockiert die Bindung des CXCR-4-Liganden CXCL12 (Stromal cell-derived factor- 1α) an seinen Rezeptor. Die empfohlene Dosis beträgt 240µg/kg KG täglich. Plerixafor sollte subkutan 6 bis 14 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 11 Stunden vor Einleitung der Apherese im Anschluss an eine 4-tägige G-CSF-Vorbehandlung gegeben werden. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Durchfall, Übelkeit, Müdigkeit sowie Gelenkschmerzen und Reaktionen an der Injektionsstelle. Die klinische Wirksamkeit von Plerixafor wurde in zwei randomisierten kontrollierten Phase-III-Studien an Patienten mit NonHodgkin-Lymphom (n=298) und multiplem Myelom (n=302) untersucht. Die Patienten erhielten dabei viermal morgendliche Dosen von 10µg/kg G-CSF pro Tag (Tag 1-4) vor der ersten Plerixafor (Tag 4) bzw. PlaceboDosis und an jedem Morgen vor der Apherese. Plerixafor wurde am Abend vor der Apherese in einer Dosierung von 240µg/ kg appliziert. Primärer Studienendpunkt war die Sammlung von 5x106 CD34+-Zellen an vier oder weniger Apherese-Tagen. In den Studien betrug der Anteil an Patienten, der die optimale Menge von > 5x10 6 CD34+Zellen erreichte, 58% bzw. 78% in der Mozobil-Gruppe nach dreimalige Gabe. In der Kontrollgruppe ohne Mozobil erreichten nur 22% bzw. 49% der Patienten die erforderliche Zellmenge. Aus pharmakodynamischen Studien ist bekannt, dass es 6-9 Stunden nach der Applikation von Plerixafor zur Spitzenmobilisierung kommt. Der CXCR4-Antagonist ermöglicht auf diese Weise einem großen Anteil an Mobilisierungsversagern unter G-CSF, doch noch erfolgreich Stammzellen zu sammeln. Damit steht diesen Patienten weiterhin die Option zur Hochdosistherapie und potentiellen Heilung offen. Ohne den Einsatz von Plerixafor könnten diese Patienten häufig nicht transplantiert werden. Herausgeber: Klaus Meier, Soltau Verlag: onkopress, Ziegelhofstraße 43, 26121 Oldenburg, www.onkopress.de ISSN-Nr.: 1437-8825 NeoCorp Mit Sicherheit Ihr Partner Chefredakteurin: Dr. Karla Domagk, Cottbus Redaktion: Dr. Susan Bischoff, Berlin; Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen; Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Dr. Doris Haider, Wien; Gerald Hensel, Leipzig; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg; Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling; Thomas Schubert, Mönchengladbach; Wioletta Sekular, Tönisvorst; Gisela Sprossmann-Günther, Berlin; Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine Thor-Wiedemann, Ravensburg. ennzeich dK n un g Mehr Schutz durch den innovativen und prämierten NeoSafe®. Eindeutige Produktidentifikation mit Farbcode-System. s sc hus s -Au f un Verpackungspreis 2009 ür pac k un g Ver Ein Markenzeichen kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, auch wenn ein Hinweis auf etwa bestehende Schutzrechte fehlt. Sicherheit AD KA Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt. Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien; Sigrid Rosen-Marks, Hamburg. Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird nicht gehaftet. Der Leser darf darauf vertrauen, dass Autoren und Redak­t ion größte Mühe und Sorgfalt bei der Erstellung der Zeitung verwandt haben. Für etwaige inhaltliche Unrichtigkeit von Artikeln übernehmen Herausgeber, Verlag und Chefredakteur keinerlei Verantwortung und Haftung. Qualität Herstellung vollständig nach cGMP und mit US-FDA-Zertifizierung. Implementiertes Qualitätssicherungsprogramm ISO 9001. Service Individuelle, flexible Kundenbetreuung. Zuverlässige und kulante Abwicklung sowie konstante Lieferfähigkeit. Punkten Sie mit unserer umfassenden Produktpalette für die Tumortherapie. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Wirtschaftlichkeit Unsere Arzneimittel zählen immer zu den preisgünstigsten ihrer Gruppe. Am Weidenbach 6 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 15 82362 Weilheim | +49 881 909596-0 | www.neocorp.de Lebender Kolumnentitel Medizin mit Herz Von Sigrid Rosen-Marks, Hamburg M Foto: privat eine Medizin sitzt gerade auf meinem Schoss. Während ich sie streichle, sinkt mein Blutdruck. Sie regt mich zu viel Bewegung an: Vier Spaziergänge pro Tag (einer davon länger), gemeinsame Radtouren, bei denen immer wieder für die Medizin Fußgängerstrecken eingelegt werden (sie sitzt ansonsten gemütlich in ihrem Korb, während ich fleißig für uns beide treten muss!) und viel Staubsaugen. Die Staubsaugerei habe ich allerdings vor kurzem mit Hilfe eines Staubsaugerroboters abgeschafft! Die Medizin zwingt mich zu sozialen Kontakten - auch ungewollten. Es werden leider von der Medizin auch Menschen und vor allem Hunde angesteuert, die ich nicht unbedingt treffen wollte. Soziales Training sozusagen oder wissenschaftlich ausgedrückt: soziale Katalysatoren. Nun ist es also raus: Meine Medizin ist ein schwarzer Pudel mit TerrierHaarschnitt (darauf legen mein Mann und ich viel Wert!), wiegt 5,5 Kilogramm und heißt Felix. 16 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Medizin mit Herz Was jeder Haustierhalter im alltäglichen Umgang mit seinem Vierbeiner intuitiv spürt, weisen internationale Forschungsresultate nach: Haustiere haben einen positiven Effekt auf die Psyche und die körperliche Gesundheit des Menschen (1). Eine Vielzahl von Presseveröffentlichungen belegt dies eindrucksvoll. Die amerikanische Forscherin Dr. Erika Friedmann (2) hat in einer Untersuchung mit 400 Postinfarkt-Patienten nachgewiesen, dass Haustierhaltung eine deutlich höhere Überlebenschance bewirkt. Ein Jahr nach einem Herzinfarkt lebten noch 94 Prozent der Tierhalter, aber nur 72 Prozent der NichtTierhalter. Nicht nur Hunde, sondern auch Haustiere, die nicht spazieren geführt werden, wirken sich günstig auf die psychische und physische Gesundheit aus. Das Streicheln eines Haustiers, ja bereits die bloße Anwesenheit eines Tieres lässt den Blutdruck und die Pulsrate entscheidend sinken. Diese Stress reduzierende Wirkung bestätigt auch eine australische Studie von Garry L. Jennings (3), die 6000 Haushalte einbezog. Hundehalter suchten acht Prozent und Katzenhalter gar zwölf Prozent seltener den Arzt auf als Nicht-Haustierhalter (1). “Je besser die Beziehung zum Tier, desto stärker sind die positiven Auswirkungen. Der Profit muss für Mensch und Tier gleich sein“, weiß Dr. Silke Wechsung (4). Gute und verantwortungsvolle Tierhaltung ist also Grundlage für die positiven Wirkungen! Ranga Yogeshwar berichtet in der Sendung Quarks & Co., über das Thema „Glück“. Auch hier dürfen Informationen über Haustiere nicht fehlen. Im Schnitt leben Haustierbesitzer 10 Jahre länger, sind seltener krank und schneller wieder gesund (5). Eindrucksvolle Aussagen, die auch das Thema „Krebs“ berühren. Zum Beispiel beschreibt Dr. Marty Becker in seinem Buch ausführlich die überzeugenden Erfolge von Hunden bei der Erkennung von bösartigen Melanomen, die zu klein sind, um sie mit dem menschlichen Auge zu entdecken (6). Die Anwesenheit von Haustieren steigert auch das Wohlbef inden von chronisch kranken Menschen: Krebskranke sind häufig in ihrer Aktivität eingeschränkt und von Einsamkeit bedroht. Hier leisten die Tiere in erster Linie psychische Hilfe, indem sie stets ansprechbar sind und ausgleichend wirken (7). Ein Gespräch mit der Initiatorin und dem Vorstand der Tiertafel, Claudia Hollm (8), bestätigt das. Eine große Klientel der Tiertafel sind auch krebskranke Menschen. Die Sorge für ihr Tier lässt sie durchhalten und immer wieder Mut fassen. Die Tiertafel versorgt Tiere von Menschen, die in Not geraten sind, mit Futter und Tierbedarf - alles aus Spenden! Voraussetzungen sind, dass das Tier vor der Bedürftigkeit vorhanden war und der schriftliche Nachweis der Tierhalter, bedürftig zu sein. Sich um die Tiere zu kümmern, gibt dem belasteten Leben der Krebspatienten Sinn und Struktur. Die 26 Tiertafeln in unserem Land leisten einen wertvollen Beitrag für Mensch und Tier. Geht es dem Tier gut, wird gleichzeitig der Mensch in seiner Lebenskraft gestärkt. Wir sind eine Einheit, der Mensch und das Tier. Wir brauchen einander und haben unsere Welt schon immer in gemeinsamer Entwicklung besiedelt. Ganz einfach ausgedrückt, tun uns Tiere gut; ganz gleich, ob als Haus- oder Therapietier. Das Tier gibt uns viel und zahlt dafür leider auch einen Preis: Therapie-Hunde haben im Durchschnitt eine niedrigere Lebenserwartung als ihre Artgenossen ohne Job. Man kann es wirklich nicht oft genug betonen, und besser als Steffi von Wolff im Magazin des Hamburger Abendblatts kann ich es abschließend auch nicht ausdrücken: Die Liste der Heilerfolge von Tiertherapien ist lang: Senkung des Blutdrucks, Reduzierung von Stress, Minderung von Depressionen, Verbesserung sozialer Kontakte und des Selbstwertgefühls. Klingt wie der Werbespot eines Wundermedikaments, bloß dass ein Nachsatz wegfällt: Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker (9). Mein Blutdruck ist übrigens sehr niedrig. Und überhaupt ... es ist Zeit für ein Dankeschön-Leckerli für meine Pudel-Medizin. Danke Felix (inoffizielles Mitglied unserer Redaktion) und seinem Vorgänger Tommi! Literatur 1 Konrad Lorenz Kuratorium, Institut für interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung, Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft: Zufrieden und gesund mit Katz und Hund, S. 3, 5 und 9, Vorwort: Prof. Dr. med. Felix Gutzwiller, Direktor, Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich 2 Friedmann E: University of Maryland School of Nursing, Baltimore 3 Jennings G L R, Reid C M u.a.: Animals and cardiovasular health, in: Wilson C C & Turner D C (Hg.), Companion Animals in Human Health, S. 162 4 Wechsung S: Forschungsleiterin des Projekts „Mensch und Hund“ am Psychologischen Institut der Universität Bonn, Zitat aus einem Interview in „Gassi-T V -tierisch angeleintes Internet-T V“, 15. Mai 2009 5 WDR: Quarks & Co., Ranga Yogeshwar, Sendung vom 4. Mai 2010 6 Becker M: Heilende Haustiere, riva Verlag, München 2006, S. 34 7 Rieger G, Turner D C: How moods of cat owners, especially depressive moods, affect interspecific interactions and vice versa, in: Abstract Book, Prag 1998, S. 76 8 Hollm C: Initiatorin und Vorstand Tiertafel Deutschland e.V. 9 von Wolff S: Hamburger Abendblatt, magazin, 32/2010, 7./8. August 2010, S. 1 ➔ Die Autorin mit Felix – malend in der Sächsischen Schweiz. Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 17 Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2 Persönliche Schutzausrüstung – eine elementare Barriere zum Schutz der Gesundheit beim Umgang mit CMR-Arzneimitteln Teil 2: Schutzbekleidung, Atemschutz und Augenschutz Von Guido Maik, Thomas Hinrichs, Elmshorn N achdem im Teil 1 des Artikels die rechtlichen Grundlagen und das Thema Schutzhandschuhe behandelt wurden (1), befasst sich Teil 2 mit der Schutzbekleidung, dem Atem- und Augenschutz als Bestandteil einer Persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Die gesetzliche Grundlage bildet in Europa die EU-Richtlinie 89/686/EWG (2). Wie schon im ersten Teil beschrieben, wird eine PSA in die Kategorien I, II und III differenziert, wobei für die Schutzkleidung beim Umgang mit CMR-Arzneimitteln (z. B. Zytostatika) und gefährlichen biologischen Arbeitsstoffen ausschließlich komplexe PSA der Kategorie III in Betracht kommt. Vorab noch ein Kommentar zu den Normen. Normen sind neben Richtlinien, Verordnungen etc. ein elementarer Teil der Definition „Stand der Technik“. Normen werden in regelmäßigen Abständen durch fachspezifische Gremien überarbeitet. Diesbezüglich steigen die Anforderungen auch im Bereich der PSA stetig. Für den Anwender ist es daher wichtig, nur PSA einzusetzen, die dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Eine Überprüfung auf die Aktualität einer Norm ist z. B. über den Beuth-Verlag leicht möglich (3). beschrieben. Standardanforderungen wie die verschiedenen Größenbezeichnungen, Unschädlichkeit des Schutzkleidungsmaterials (z.B. der pH-Wert der Kleidung, der Verzicht auf Azofarbstoffe) werden in der DIN EN 340 ebenso beschrieben wie die Auswirkungen durch Alterung, Reinigung von Mehrfachkleidung und natürlich die Kennzeichnung. Auch bei der Schutzkleidung gilt, wie schon bei den Schutzhandschuhen, eine Kennzeichnungspflicht, die neben Informationen des Herstellers auch Produkt- und Größenbezeichnungen, Piktogramme und Leistungsstufen sowie die entsprechenden Normen beinhaltet. Kennzeichnung von Schutzkleidung: Generell muss die Kennzeichnung auf einer Schutzkleidung dem Anwender eine eindeutige Identifikation der Schutzfunktionen, der Passgenauigkeit und des Herstellers ermöglichen (Abb. 1). Folgende Punkte müssen mindestens auf einem Etikett vorhanden sein: 1. Name oder Handelsname des Herstellers 2. Bezeichnung des Produkttyps, Handelsname oder Code 3. Größenbezeichnung 4. Nummer der entsprechenden europäischen Normen 5. Piktogramme und Leistungsstufen Schutzkleidung muss neben der elementarsten Eigenschaft der „Barrierefunktion“ auch tragbar sein. D. h., es gilt die ergonomische Anforderungen wie etwa thermischen Belastungen, Atmungsaktivität, Gerüchen etc. gem. DIN EN 13921 (5) zu erfüllen. Jedoch ist der Schutzfunktion immer eine höhere Priorität als den ergonomischen Grundsätzen einzuräumen. Einweg- oder Mehrweg-Schutzkleidung? Der überwiegende Teil der Schutzkleidung, der heute im Bereich der Zytostatika-Herstellung Verwendung findet, ist Einwegkleidung. Diese bietet gegenüber Mehrwegkleidung den Vorteil, dass dem Anwender immer eine neue Schutzkleidung ohne unbekannte Kontaminationen zur Verfügung steht. Die Schutzwirkung ist hier jederzeit gegeben Schutzkleidung Ähnlich wie bei den Schutzhandschuhen gibt es auch für Schutzkleidung eine zentrale Europäische Norm, die DIN EN 340 (4). Da auch in dieser Norm eine große Bandbreite an Schutzkleidungsarten abdeckt werden muss, von Schutzkleidung für Waldarbeiter über Warnwesten bis zur Chemikalienschutzkleidung, werden alle spezielleren Anforderungen an eine Schutzkleidung in weitergehenden, entsprechenden Normen Abb. 1: Beispiel für die Kennzeichnung eines Schutzkittels. 18 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2 Abb. 2: Prüfstand „Jet-Test“ in der Seitenansicht Schutzkleidung vom Typ 4 Ist der Anwender eher der Gefahr von kleineren Flüssigkeitsmengen (z. B. Aerosolen) ausgesetzt, sollte Schutzkleidung vom Typ 4 eingesetzt werden. Die entsprechende Schutzkleidung ist gem. DIN EN ISO 17491-4 einem Flüssigkeitsspray-Test zu unterziehen. Wie beim Test zum Typ 3 zieht auch hier einer Testperson einen saugfähigen Overall an und die zu prüfende Chemikalienschutzkleidung darüber. Die markierende Flüssigkeit wird über eine Pumpe und einem speziellen Düsensystem fein vernebelt (Abb. 3) (9). Am Ende wird der Unteroverall mittels Sichtprüfung auf Flecken hin untersucht. Tab. 1: Einteilung von Chemikalienschutzkleidung. Tab. 2: Leistungsanforderungen an Chemikalienschutzkleidung und dokumentiert. Mehrwegkleidung hingegen verliert mit zunehmender Anzahl der Reinigungszyklen immer mehr seiner Schutzwirkung. Darüber hinaus besteht die Gefahr von Kontaminationsverschleppungen durch Transport, Sammeln, Reinigen und Sterilisieren der Schutzkleidung. Des Weiteren stellen Abwässer aus Wäschereien ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar. Untersuchungen des Instituts für Energie- und Umwelttechnik e.V. belegen die Problematik eindrucksvoll (6). Chemikalienschutzkleidung Für Schutzkleidung beim Umgang mit Zytostatika ist DIN EN 14605 „Schutzkleidung gegen flüssige Chemikalien“ anzuwenden. Die Schutzkleidung wird je nach Anwendungsfall in vier verschiedene Kategorien (Tab. 1) eingeteilt (Tab. 2) (7). Die generelle Unterscheidung in Chemikalienschutzkleidung vom Typ 3 und 4 trägt dabei den unterschiedlichen Anwendungsbereichen Rechnung. Schutzkleidung vom Typ 3 Sofern bei der Arbeit mit Chemikalienschutzkleidung die Gefahr besteht, dass größere Mengen flüssiger Chemikalien (z. B. CMR-Arzneimittel) oder ein entsprechender Chemikalienstrahl die Schutzkleidung trifft, ist die Schutzkleidung vom Typ 3 empfehlenswert. Bei der Prüfung gemäß DIN EN ISO 17491-3 wird die Schutzkleidung dem sogenannten „Jet-Test“ unterzogen (8). Hierzu zieht eine Test-Person die Schutzkleidung über einen saugfähigen Overall. Anschließend führt der Proband eine festgelegte Anzahl und Form von Bewegungen (wie etwa Ausfallschritte) aus, um das Material und die Nähte zu belasten. Über eine spezielle Prüfapparatur wird nun ein genau festgelegtes Volumen markierender Flüssigkeit (z. B. Methylblau) über einen starken Luftstrom mittels speziellen Düsen gegen die Versuchsperson „geblasen“ (Abb. 2). Sofern zum Ende des Tests nach einer Sichtprüfung auf dem Unter-Overall keine Flecken zu sehen sind, hat der Overall die entsprechende Prüfung bestanden. Abb. 3: Prüfstand „SprayTest“ in der Seitenansicht Schutzkleidung vom Typ PB [3] und PB [4] Prüfungen von Teil-Schutzkleidung, wie etwa Schutzkittel oder Schutzarmstulpen, sind prinzipiell gem. den oben beschriebenen Anforderungen durchzuführen. Jedoch gilt es, die Barriereeigenschaften natürlich nur für den jeweiligen Schutzbereich wie etwa Arme oder Oberkörper zu testen. Da in der Zytostatika-Herstellung die Gefahr für den Anwender eher von Aerosolen und Kleinmengen ausgeht, ist Schutzkleidung vom Typ 4 bzw. PB [4] hier völlig ausreichend. Eine wichtige Verbindung: Nähte Schutzkleidung besteht normalerweise nicht aus einem Stück. Daher stellen die Nähte, Verbindungen und Verbünde bei jeder Schutzkleidung immer eine Schwachstelle dar. Die Verbindung der einzelnen Teile der Schutzkleidung kann über verschiedene Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 19 Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2 Tab. 3: Prüfanforderungen an Schutzkleidung für Chemikalien und Infektionserreger. Methoden wie etwa verschweißen, vernähen und überkleben erfolgen. Jedes Verfahren hat dabei verschiedene Vor- und Nachteile, die Schutzfunktion der Kleidung darf jedoch durch die Nahttechnik nicht beeinträchtigt werden. Um dies sicherzustellen, sind entsprechende Nahtprüfungen in DIN EN 14605 gefordert (Tab. 3) und in DIN EN 14325 im Detail beschrieben (10). Die Beständigkeit gegen die Permeation von Flüssigkeiten ist eine elementare Barriereeigenschaft. Zu diesen Permeationstests gehören neben Prüfungen mit Standard-Chemikalien auch die mit Zytostatika. Die Ergebnisse und resultierenden Leistungsklassen sind neben vielen anderen Daten in der Herstellerinformation verbindlich zu dokumentieren und dem Produkt beizufügen. Da bei Nähten die Gefahr von Penetrationen deutlich erhöht ist, wird hier ein besonderer Prüfungsschwerpunkt gelegt. „Penetration (lat. penetrare) ist der Durchtritt von festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffen durch makroskopische Löcher (Fehler, Nähte etc)“ Die verschiedenen Prüfungen sind in der DIN EN 14325 im Detail beschrieben. Tab. 4: Klasseneinteilung für die Permeation „Permeation (lat. permeare) ist der Durchtritt von festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffen im molekularen Bereich“. Ähnlich wie bei Schutzhandschuhen wird die Durchbruchszeit in Europa in sechs verschiedene Klassen eingeteilt (Tab. 4). Schutzkleidung gegen Infektionserreger Sofern die Schutzkleidung auch für den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen eingesetzt werden soll, muss diese zusätzlich noch den Anforderungen der DIN EN 14126 entsprechen (11). Ziel der zahlreichen Prüfungen ist es, insbesondere die Widerstandsfähigkeit des Materials gegen die Durchdringung von in einer Flüssigkeit vorhandenen Bakterien nachzuweisen. Sofern das Schutzmaterial die Prüfungen besteht, muss die Schutzkleidung mit dem Piktogramm „Biologische Gefährdung“ (Abb. 4) in Verbindung mit der Nummer der Norm und dem Schutzkleidungstyp gekennzeichnet werden. 20 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Abb. 5: Einsatz eines Schutzkittels an einer Sicherheitswerkbank Abb. 4: Piktogramm „Biologische Gefährdung“ zur Kennzeichnung von Schutzkleidung gegen Infektionserreger Schutzkittel vs. Schutzoverall Eine in der Praxis häufig gestellte Frage betrifft den Einsatzbereich der einzelnen Teile der PSA, gerade im Bereich Schutzkittel und Schutzoverall. I. d. R. bietet ein Schutzkittel nur einen partiellen Schutz im Bereich der Arme und der Vorderseite des Oberkörpers, welcher in vielen Fällen aber ausreichend ist (Abb. 5). Im Rahmen der GMP-gerechten Herstellung(12) von Zytostatika in einem Reinraum der Klasse „B“ ist der Einsatz eines Schutzkittels nicht die optimale Lösung. Der Mensch ist eine permanente Quelle für Partikel und Mikroorganismen. Deren Freisetzung gilt es durch die Verwendung von Overalls zu minimieren, um dauerhaft die Reinraumklasse aufrechtzuhalten. Vielfach werden hier sog. Reinraumanzüge eingesetzt. Diese halten Partikel und Mikroorganismen, resultierend aus der „Quelle Mensch“, bestens zurück. Sie bieten jedoch keinen oder nur geringen Schutz gegen Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2 Tab. 5: Abscheidegrad und Klassifizierung von partikelfiltrierenden Halbmasken flüssigkeits- und partikeldicht. D. h. der Mensch ist optimal vor Kontaminationen von außen geschützt – jedoch auf Kosten des Tragekomforts. Abb. 6: Einsatz eines Schutzoverall bei der Beseitigung von Verschüttungen. Zytostatika und/oder Infektionserreger. Hier hilft ein Blick in die der PSA beiliegende Herstellerinformation. Chemikalienschutzanzüge sind fast immer zu 100 % Eine optimale Lösung gibt es in diesem Bereich zurzeit nicht. Ein Schutzkittel, getragen über einem Reinraumanzug, ist sicherlich ein guter Kompromiss. Begibt sich der Anwender mit dem Oberkörper ganz oder nur teilweise für eine Grundreinigung in den Arbeitsraum einer SWB, ist ein mit Zytostatika permeationsgeprüfter Chemikalien-Schutzanzug die richtige Wahl. Aerosole und Partikel können bei der Reinigung leicht auf Arme, Beine und den Oberkörper gelangen. Auch für die Besei- tigung von Verschüttungen ist ein mit Zytostatika geprüfter Schutzoverall sinnvoll (Abb. 6). Gerade bei größeren Verschüttungen auf dem Boden kann ein Kittel leicht unbeabsichtigt zum „Bodenreinigungsutensil“ werden. Sog. „SpillKits“ sollten generell über eine entsprechend komplett geeignete, d. h. geprüfte und zertifizierte, PSA der Kategorie III verfügen, um auch bei einer Beseitigung von Verschüttungen einen optimalen Schutz des Menschen zu gewährleisten. Erfahrungsgemäß sind auf onkologischen Stationen der Krankenhäuser oder in Arztpraxen geeignete PSA bisher eher selten vorhanden. Abb. 7: Der Einsatz von Atem- und Augenschutz bei der Reinigung einer Sicherheitswerkbank Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 21 Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2 Atemschutz Im Rahmen der Reinigung des Arbeitsraumes einer SWB (Abb. 7), Servicetätigkeiten (z. B. spezielle Filterwechsel) und der Beseitigung von Verschüttungen sind Atem- und Augenschutz Pflicht. Die beim Umgang mit Zytostatika verwendeten Atemschutzmasken gehören zur Kategorie der partikelfiltrierenden Halbmasken und werden je nach Abscheidegrad in 3 Klassen unterteilt (13). Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist ein Mund- und Nasenschutz (sog. „OP-Masken“) nicht geeignet. Für die Arbeiten mit CMR-Arzneimitteln empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für onkologische Pharmazie (DGOP e.V.) Atemschutzmasken mindestens der Stufe FFP-2, besser der Stufe FFP-3 einzusetzen (14-16). Für viele Anwender ist der Atemwiderstand beim Tragen der Atemschutzmaske ungewohnt. Diesbezüglich ist der Einsatz von Masken mit Ausatemventil empfehlenswert; sie erleichtern das Atmen erheblich und erhöhen so die Akzeptanz beim Anwender. Auf dem Markt sind sowohl formstabile Masken als auch Faltmasken erhältlich. Der Vorteil der formstabilen Masken liegt im automatisch dichten Sitz – vorausgesetzt die Maskengröße passt zum Gesicht des Anwenders. Hier sind also immer verschiedene Größen vorrätig zu halten. Faltmasken hingegen müssen zunächst an das Gesicht angepasst werden. Sie sind dadurch flexibler einsetzbar, erreichen jedoch bei falscher Handhabung nicht die Dichtheit von formstabilen Masken. Ein generelles Problem für die Dichtheit von Masken stellen Bärte dar. Hier sind formstabile Masken mit einem starken Dichtrand empfehlenswert. Gegebenenfalls sollte der Dichtrand auch noch mit Vaseline o. ä. zusätzlich abgedichtet werden. Augenschutz Der Augenschutz sollte beim Umgang mit Zytostatika mittels beschlagfreien Korbbrillen (Abb. 8) realisiert werden (17). Gegen- über „normalen“ Laborbrillen schließen diese Brillen am Gesicht ab und schützen so auch vor Aerosolen und Partikeln (z.B. bei der Innenreinigung von SWB). Des Weiteren ist diese Schutzbrillenart auch für Brillenträger geeignet. Sichtscheiben ohne Filterwirkung sind hier die richtige Wahl. 5 DIN EN 13921: Persönliche Schutzausrüstung Ergonomische Grundsätze; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 08.2007 6 Kiffmeyer, Thekla: „Wie effektiv sind Reinigungsverfahren“, IUTA e.V. WRP; Duisburg; 11.2002. 7 DIN EN 14605: Schutzkleidung gegen flüssige Chemikalien - Leistungsanforderungen an Chemikalienschutzanzüge mit flüssigkeitsdichten (Typ 3) oder spraydichten (Typ 4) Verbindungen zwischen den Teilen der Kleidung, einschließlich der Kleidungsstücke, die nur einen Schutz für Teile des Körpers gewähren (Typen PB [3] und PB [4]); Beuth Verlag GmbH; Berlin; 08.2009 8 DIN EN ISO 17491 Teil 3: Schutzkleidung - Prüfverfahren für Chemikalienschutzkleidung – Teil 3: Bestimmung der Beständigkeit gegen das Durchdringen eines Flüssigkeitsstrahls ( Jet-Test); Beuth Verlag GmbH; Berlin; 12.2008 Abb. 8: Schutzbrillen bei der Arbeit mit Zytostatika Fazit Die persönliche Schutzausrüstung (PSA) stellt in der Rangfolge die letzte Schutzmaßnahme dar, um den Menschen vor Gefahrstoffen und/oder gefährlichen biologischen Arbeitsstoffen zu schützen. Nur durch die Auswahl der richtigen PSA-Bestandteile kann der Schutz des Anwenders gewährleistet werden. Literatur: 1 Maik, G., Hinrichs, T.; Persönliche Schutzausrüstung – eine elementare Barriere zum Schutz der Gesundheit beim Umgang mit CMR-Arzneimitteln; Onkologische Pharmazie; Onkopress; Oldenburg; 03.2010 2 Richtlinie 89/686/EWG: Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen; Brüssel; 12.1989 9 EN ISO 17491 Teil 4: Schutzkleidung - Prüfverfahren für Chemikalienschutzkleidung – Teil 4: Bestimmung der Beständigkeit gegen das Durchdringen von Flüssigkeitsspray (Spray-Test); Beuth Verlag GmbH; Berlin; 12.2008 10 DIN EN 14325: Schutzkleidung gegen Chemikalien - Prüfverfahren und Leistungseinstufung für Materialien, Nähte, Verbindungen und Verbünde; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 05.2004 11 DIN EN 14126: Schutzkleidung - Leistungsanforderungen und Prüfverfahren für Schutzkleidung gegen Infektionserreger; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 02.2005 12 EU GMP Leitfaden Anhang 1: Herstellung sterile Arzneimitteln; Brüssel; 03.2009 13 DIN EN 149: Atemschutzgeräte - Filtrierende Halbmasken zum Schutz gegen Partikeln - Anforderungen, Prüfung, Kennzeichnung; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 08.2009 14 QuapoS 4: Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Ser vice; 5. Auflage ; Oldenburg; 2009 15 TRGS Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 525: Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen zur humanmedizinischen Versorgung; Berlin; 05.1998 3 www.beuth.de 16 Zytostatika im Gesundheitsdienst – Informationen zur sicheren Handhabung von Zytostatika; Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege; Hamburg; 07.2009 4 DIN EN 340: Schutzkleidung - Allgemeine Anforderungen; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 03.2004 17 DIN EN 166: Persönlicher Augenschutz - Anforderungen; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 04.2002 22 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Onkologische Teams sind spitze Verlag Springer Medizin würdigt Teamarbeit von Ärzten und Apothekern: Onkologische Teams sind spitze Von Petra Ortner, München I Apothekerin und DGOP-Mitglied Gisela Sproßmann-Günther und Dr. Jochem Potenberg vom Evangelischen Waldkrankenhaus in Berlin-Spandau wurden für ihr Projekt der beispielhaften interdisziplinären Zusammenarbeit zum Wohle von Krebspatienten ausgezeichnet. Sie erarbeiteten gemeinsam Therapieprotokolle und substanzspezifische Auf klärungsbögen für onkologische Therapien. Aus diesen gehen Informationen hinsichtlich des Wirkstoffs, Dosierung, Laufzeit, Begleitmedikation und unerwünschter Ereignisse hervor. Diese Informationen in den über Risiken und Nebenwirkungen einer Therapie, alternative Medikation und Nahrungsergänzung informieren können. Quelle: Springer Medizin, Fotograf: Mathias Ernert m Juni 2010 suchte der Verlag Springer Medizin in einem Wettbewerb anlässlich des zweijährigen Geburtstags seiner Zeitschrift „ApothekerPlus“ Projekte und Aktionen, bei sich denen mindestens ein Apotheker und ein Arzt gemeinsam engagiert haben. Im Rahmen des Deutschen Apothekertags in München wurden am 9. 10. 2010 auf der Expopharm die drei besten Arzt-Apotheker-Teams ausgezeichnet. Wie gut die Kooperation von Apothekern und Ärzten insbesondere im Bereich der Onkologie bereits heute funktioniert, wurde auch hier wieder ersichtlich: zwei der drei Preise wurden an onkologische Projekte vergeben. Gisela Sproßmann-Günther bei der Preisverleihung im Oktober 2010 Patientenunterlagen erleichtern z.B. den niedergelassenen Kollegen die Weiterbetreuung der Krebspatienten. In regelmäßigen interdisziplinären Tumorkonferenzen mit Ärzten verschiedener Fachrichtungen, Pharmazeuten, Physiotherapeuten und Pflegekräften werden individuelle Therapiemaßnahmen besprochen. Für Patienten gibt es zudem noch eine Sprechstunde der Apothekerin, in der sich Patienten Weitere Preisträger sind Gastroenterologe Dr. Sebastian Haag und Apotheker Dr. Rolf-Günther Westhaus. Sie haben im Jahr 2008 in Essen eine groß angelegte Aktion zur Darmkrebsprävention koordiniert, die von Ärzten und Apothekern gemeinsam durchgeführt wurde. Dabei gaben öffentliche Apotheken kostenlos Hämoccult-Tests ab, die Ärzte werteten sie kostenlos aus. Darüber hinaus gab es eine interdisziplinäre Fortbildungsveranstaltung für Apotheker, Ärzte, PTA und MTA zum Thema Darmkrebs und Präventionsmöglichkeiten. Die Kampagne wurde mit Plakaten und Flyern unterstützt, um die Bevölkerung für das Thema Darmkrebsvorsorge zu sensibilisieren. Weitere gemeinsame Aktionen sind geplant. Die dritten Preisträger kommen aus dem Bereich der Diabetikerbetreuung. Aus der Teamarbeit des Arztes Dr. Miachel Böhner und dem Apotheker Edmund Küpper entstanden strukturierte Behandlungsabläufe, eine Fortbildungsakademie, Selbsthilfegruppen und Patientenschulungen. Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 23 9. NZW-Süd in Ravensburg 9. NZW-Süd in Ravensburg am 17. und 18. 9. 2010 Blick über den Tellerrand L eitliniengerechte Therapien und Kongressneuigkeiten sind das Rückgrat des jährlichen NZW Süd in Ravensburg. Diese Standards wurden beim 9. Ravensburger NZW von führenden Onkologen auf gewohnt hohem Niveau vermittelt. Prof. Dr. Dirk Jäger, Leiter des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen in Heidelberg, gab eine Übersicht über die medikamentöse Therapie Kolorektaler Karzinome, die Session „Urologische Tumoren“ ermöglichte einen umfassenden Überblick aus urologischer und strahlentherapeuti- scher Sicht. Im Symposium für Ärzte und Apotheker kamen internistische Aspekte wie eingeschränkte Nieren- und Leberfunktion, kardiale Nebenwirkungen und Paraneoplastische Syndrome zur Sprache, die die medikamentöse Therapie erschweren. Jedoch ist es das Anliegen des Kongresspräsidenten Prof. Günther Wiedemann, immer auch Randaspekte der Onkologie zur Diskussion zu stellen, also einen Blick über den Tellerrand zu ermöglichen. Großes Interesse fanden zum Beispiel Vorträge über Krebs 24 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 und Sexualität, Sport bei Krebs und über künstlerische Therapien unter dem Titel „...und plötzlich sehe ich die Welt anders.“ Vielleicht war es gerade diese Mischung, die zur auffälligen Diskussionsfreude und angeregten Stimmung in den Pausen beitrug. Und die war mit dem Programmschluss am Freitag nicht beendet. Nach dem sangesfreudigen Gesellschaftsabend im Schwörsaal klang der Abend für viele in den umliegenden Ravensburger Kneipen aus. 9. NZW-Süd in Ravensburg 9 . Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 25 9. NZW-Süd in Ravensburg Chemotherapie bei eingeschränkter Leberfunktion Beispiel Prognosebestimmende Leberkrankheit als Tumorursache Dr. Wolfram Bohle, Stuttgart Wenn Patienten gleichzeitig an einer Lebererkrankung und einem malignen Tumor leiden, wird das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen von einigen Grundüberlegungen bestimmt: Hängen beide Erkrankungen kausal zusammen, oder handelt es sich um voneinander unabhängige Krankheiten? Ist die Leberfunktionsstörung eine Tumorfolge oder umgekehrt eine Leberkrankheit die Tumorursache? Auch die Unterscheidung in akute, chronische und reversible Leberfunktionsstörungen ist von Bedeutung. Die klinische Wertung der Gesamtsituation, letztendlich also die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Behandlung, hängt von folgenden Fragestellungen ab: 1. Was ist prognosebestimmend, der Tumor oder die Lebererkrankung? 2. Ist die Verbesserung der Leberfunktion Voraussetzung für eine Tumortherapie? 3. Ist die Tumortherapie Voraussetzung für die Verbesserung der Leberfunktion? Ein Beispiel einer prognosebestimmenden Lebererkrankung als Tumorursache ist die fortgeschrittene Leberzirrhose (Abb. 1, 2 und 3). Die Prognose ist hier ganz überwiegend von der Grunderkrankung Leberzirrhose abhängig. Im fortgeschrittenen Stadium ist die statistische Lebenserwartung so gering, dass der Sinn einer Therapie des Leberzellkarzinoms fraglich ist. Anders verhält es sich bei einem biliären Aufstau bei Raumforderung im Bereich der Gallenwege (Bilirubin/γ-GT-Anstieg), also einer behandelbaren Leberfunktionsstörung als Tumorfolge. Eine Ableitung der Galle ist hier zum Erhalt der Leberfunktion notwendig. Auch eine diffuse Metastasierung in der Leber (Abb. 4) erfordert eine schnelle Therapie, die die Lebensqualität des Patienten verbessert. Beispiel: Prognosebestimmende Hepatozelluläres Karzinom Leberkrankheit als Tumorursache entsteht zumeist auf dem Boden einer Leberzirrhose Hepatozelluläres Karzinom Inzidenz 3-4/100.000 entsteht zumeist auf dem Boden einer Leberzirrhose Todesursache bei Leberzirrhose in 3-7% Inzidenz 3-4/100.000 Todesursache bei Leberzirrhose in 3-7% Beispiel Prognosebestimmende Leberkrankheit als Tumorursache 20.10.2010 Dr. Vorname Name 1 1 Abb. Beispiel: Prognosebestimmende Leberkrankheit als Tumorursache CHILD-Klassifikation der Leberzirrhose 1 2 3 Aszites kein Gering viel Enzephalopathie keine Grad I-II Grad III-IV Albumin (g/dl) >3,5 2,8-3,5 <2,8 Quick (%) >70 40-70 <70 Bilirubin (mg/dl) <2 2-3 >3 Child A Child B Child C 5-6 7-9 10-15 1-Jahres-Überleben bei Child-C-Zirrhose: 45% Beispiel Prognosebestimmende Leberkrankheit als Tumorursache 20.10.2010 Dr. Vorname Name Beispiel: Prognosebestimmende Leberkrankheit als Tumorursache Abb. 2 2 CLIP-Prognosescore für das HCC Child-Stadium Tumorherde 0 1 2 A B C uninodulär <50% multinodulär <50% massiv >50% Portalvenenthrombose nein ja AFP (ng/dl) <400 >400 Tumortherapie bei Child C-Zirrhose?! Hepatology20.10.2010 2000 Dr. Vorname Name 26 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Abb. 3 3 9. NZW-Süd in Ravensburg Beispiel Leberfunktionsstörung als Tumorfolge Chemotherapie bei Leberinsuffizienz Die Leberfunktionsreserve lässt sich (im Gegensatz zur Nierenfunktion) nur grob anhand der Syntheseparameter Quickwert/ INR, Albumin und ChE, des Exkretionsparameters Bilirubin und der Enzyme GPT, GOT und GLDH als Marker der zellulären Integrität abschätzen. Die Dosismodifikationen bei Leberinsuffizienz (Abb. 5) sind daher mit einer gewissen Skepsis zu betrachten. Die Hepatotoxizität von Zytostatika ist nicht unbedingt dosisabhängig und kann auch verzögert auftreten (Abb. 6). Sind Patienten an einer chronischen Hepatitis B oder einer okkulten HBV-Infektion erkrankt, besteht bei zytostatischer oder immunsuppressiver Therapie, insbesondere bei Kombinationstherapie unter Einschluss von Rituximab, die Gefahr einer Reaktivierung der Hepatitis mit fulminantem Leberversagen. Ein Screening auf Hepatitis B ist vor Einleitung zytotoxischer und immunsuppressiver Therapien zu überlegen. Fazit Leber- und Tumorerkrankungen können in unterschiedlichen (auch kausalen) Zusammenhängen auftreten. Die Analyse dieser Zusammenhänge ist Voraussetzung für eine situationsgerechte Therapie. Die innere Dynamik dieses Zusammenspieles erfordert im Verlauf der Behandlung eine ständige Überprüfung des therapeutischen Konzeptes. Beispiel: Leberfunktionsstörung als Tumorfolge Diffuse Lebermetastasierung (GOT/γ-GT-Anstieg) ...rasche Therapieeinleitung, bevor sich die Leberfunktion weiter verschlechtert! Dosismodifikation bei Leberinsuffizienz 20.10.2010 Dr. Vorname Name 4Abb. 4 Dosismodifikation bei Leberinsuffizienz Bilirubin 11,5x 1,52,5x 2,5-5x >5x GOT <3x 3-6x >6x >10x Daunorubicin, Doxorubicin, Epirubicin, Idarubicin 100% 50% 25% 0 Cyclophosphamid, Ifosfamid, Methotrexat 100% 100% 75% 0 5-FU 100% 100% 100% 0 Irinotecan 100% 50% 0 0 Docetaxel, Paclitaxel 75% 0 0 Vincaalkaloide 100% 50% 50% 50% 0 20.10.2010 Dr. Vorname Name Hepatotoxizität von Zytostatika 5 Abb. 5 Hepatotoxizität von Zytostatika Generikum Dosisabhängigkeit Häufigkeit Zeitpunkt Veränderung Asparaginase keine 10-40% akut Syntheseleistung vermindert Ara-C keine 10-20% akut Cholestase HD-Busulfan bei Hochdosis 10-20% subakut VOD Capecitabin wahrscheinlich >30% subakut Bilirubin, Transaminasen Carmustin (BCNU) wahrscheinlich 10-25-% Variabel, verzögert möglich Bilirubin, Transaminasen Methotrexat v.a. bei kumulativer Dosis > 1500 mg 20-40% spät GOT, Leberfibrose Streptozotocin unbekannt 15-50% akut Transaminasen Abb. 6 20.10.2010 Dr. Vorname Name 6 Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 27 9. NZW-Süd in Ravensburg Diagnose: Prostatakarzinom – abwarten oder behandeln? Prof. Dr. Jürgen Breul, Freiburg Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes (58.000 Neuerkrankungen und ca. 12.000 Todesfälle pro Jahr in Deutschland). Obwohl der Wert eines PSA-Screenings nach wie vor umstritten ist, fällt doch auf, dass in Ländern mit verbreitetem PSA-Screening (Deutschland, Österreich, USA) die Überlebensraten besser sind (Abb.1). 5-Jahres Überlebensraten % Der Verlauf der Erkrankung ist extrem unterschiedlich. Es gibt Karzinome, die über viele Jahre, eventuell sogar Jahrzehnte, unbehandelt keinerlei Probleme bereiten. Prostatakrebs kann aber auch trotz aller Behandlungsversuche in wenigen Jahren zum Tode führen. Aufgrund dieser Unterschiede reicht das Behandlungsspektrum vom Abwarten und Beobachten bis hin zu aggressiven Therapien wie Radikaloperation oder Bestrahlung. Coleman M et al. Lancet Oncology 8: 730-756, 2008 Abb. 1 Welche Kriterien erlauben die Einschätzung des Tumors? PC Die entscheidende Frage ist: gibt es Beurteilungskriterien, die es erlauben einen Tumor als wenig gefährlich und somit zur Beobachtung geeignet oder als gefährlich und behandlungsbedürftig zu klassifizieren? Entscheidungshilfen sind Alter (bzw. statistische Lebenserwartung) und Allgemeinzustand des Patienten, die Höhe des PSA Wertes, die Geschwindigkeit des Anstiegs des PSA-Wertes (PSA Doubling Time, PSADT) und die Ergebnisse der Stanzbiopsien aus der Prostata. Diese haben eine besondere Bedeutung, sie erlauben eine Abschätzung der Tumorgröße (Anzahl der befallenen Stanzzylinder) und eine histologische Beurteilung bezüglich des Aggressivitätsgrades (Gleason Score, siehe Kasten). Eine Einschätzung der Aggressivität des Tumors ist generell nur nach Biopsie mög- aggressive Tumore Therapie 28 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 weniger aggressive Tumore progrediente Tumore nicht-progrediente Tumore psychische Belastung Kontrolle Abb. 2 9. NZW-Süd in Ravensburg Wahrscheinlichkeit in watchful waiting Programme innerhalb von 15 Jahren am Tumor zu versterben Wahrscheinlichkeit in watchful waiting Programmen innerhalb von 15 Jahren am Tumor zu versterben Aktive Überwachung watchful waiting Ziel individualisierte Therapie Therapie vermeiden Patienten geeignet für RP/RT Lebenserwartung 10 J Tumor T1-2, GS<7, PSA < 10 ng/ml alle T, GS<7, PSA < 50 ng/ml Monitoring PSA-Tests,Re-Biopsie PSA unbedeutend, keine Re Biopsie Behandlung PSADT, Re-Biopsie symptomatischer Progress Timing früh spät Intention kurativ palliativ modifiziert nach Parker, 2004 Gleason score Gleason score Abb. 3 Abb. 4 modifiziert nach Albertsen PC et al. JAMA • Man sollte behandeln: Männer mit einer Lebenserwartung > 10 Jahren und mit aggressiven Tumoren • Man kann behandeln oder beobachten: Männer mit einer Lebenserwartung von > 10 Jahren und wenig aggressiven Tumoren • Man sollte beobachten: Männer mit einer Lebenserwartung von < 10 Jahren und/oder wenig aggressiven Tumoren Abb. 5 lich, es gibt bisher keine anderen verlässlichen Tumormarker. Therapie, aktive Überwachung oder „Watchful waiting“? Als Tumore, die keiner sofortigen Therapie bedürfen gelten heute Karzinome mit einem PSA Wert < 10 ng/ml, maximal 2 tumorbefallenen Zylindern und einem Gleason Score <7. Diese Patienten können eine aktiven Überwachung zugeführt werden. Bei dieser Strategie sind in dreimonatigen Abständen PSA Kontrollen und einmal jährlich eine erneute Biopsie notwendig. Nicht zu unterschätzen ist bei diesem Vorgehen jedoch vor allem die psychische Belastung der Patienten durch die häufigen Kontrolluntersuchungen. Nur ungefähr jeder 10. geeignete Patient entscheidet sich daher für eine aktive Überwachung (Baroca DA et al., 2008). Grundvoraussetzung für diese Strategie ist ein zuverlässiges Erkennen einer Tumorprogression. Sollte die berechnete PSA Verdopplungszeit <2-3 Jahre liegen oder sollte sich in der Rebiopsie ein aggressiveres oder ausgedehnteres Karzinom finden, so sollte eine Therapie erfolgen. Die Möglichkeit einer kurativen Therapie wird hier nicht aufgegeben (Abb.2). In rund 25-50 % wird innerhalb von 5 Jahren eine Therapie aufgrund der Tumorprogression notwendig. In einigen Fällen muss hier mit ungünstigeren Therapievoraussetzungen aufgrund der Verzögerung gerechnet werden. Von der aktiven Überwachung muss das bekanntere „watchful waiting“ unterschieden werde. Hier ist das Ziel die Therapievermeidung. Kontrolluntersuchungen sind gar nicht oder nur bei Beschwerden vorgeFazit Das Problem der Überdiagnostik und Übertherapie des Prostatakarzinoms ist noch nicht völlig zufrieden stellend gelöst. Es gibt Kriterien, die eine aktive Überwachung mit der Option einer späteren Therapie erlauben. „Watchful waiting“ ohne Therapieoption ist normalerweise nur bei einer Lebenserwartung des Patienten unter 10 Jahren gerechtfertigt (Abb.5). sehen. In Betracht kommen für ein solches Vorgehen in der Regel Patienten mit einer Lebenserwartung von unter 10 Jahren, sofern der Gleason Score <7 ist, der PSA Wert nicht über 50 ng/ml liegt und kein T3 Tumor vorliegt. Worin sich aktive Überwachung und watchful waiting unterscheiden, zeigt die Tabelle (Abb.3). Watchful waiting ist bei einem Gleason Score ab 7 zumindest in der Gruppe der 50-60-jährigen Männer nicht gerechtfertigt (Abb.4). Der Gleason Score ergibt sich aus dem Grad der Abweichung des Tumorgewebes vom Normalgewebe. Grad 1 bedeutet geringe Abweichung (gut differenziert), Grad 5 starke Abweichung (schlecht differenziert). Der Score ergibt sich aus der Summierung des Grades, der im Gewebe vorherrscht, mit dem Grad, der im übrigen Gewebe zu finden ist. Beispiel: Grad 2 plus Grad 3=Gleason-Score 5. Der niedrigste Malignitätsgrad hat demnach theoretisch einen Gleason-Score von 2(1+1), der höchste einen von 10 (5+5). In der Praxis aber werden Gleason Grade von 1 und 2 in der Biopsie nicht oder sehr selten beschrieben. Sie werden allenfalls im Gewebe einer transurethralen Prostataresektion als Zufallsbefund diagnostiziert. Der niedrigste Gleason Score in der Biopsie ist in der Regel also 6. Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 29 9. NZW-Süd in Ravensburg Krebs und Sexualität Prof. Dr. Joachim Hartlapp, Osnabrück Wenngleich die meisten Tumorpatienten älter als 65 Jahre sind, darf der Stellenwert der Sexualität in dieser Altersgruppe nicht unterschätzt werden, dies gilt vor allem für Männer (Abb.1). Die meisten Tumorpatienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose sexuell aktiv (80 % der Männer und 73 % der Frauen). Die Malignome der Mamma, des Urogenitalsystems und des ColonRectums, die zusammen zwei Drittel aller Tumordiagnosen ausmachen, beeinträchtigen die Sexualität in besonderem Maße. Nach Abschluss der Primärtherapie bleiben 60 % der Patienten sexuell aktiv. Es gibt jedoch häufig sexuelle Probleme: Frauen klagen, allerdings oft erst auf entsprechende gezielte Fragen, über eine Trockenheit der Scheide und herabgesetzte Libido. Bei den Männern leidet etwa die Hälfte unter einer Erektionsstörung, ein Drittel unter Orgasmusstörungen. Nur etwa 20 % der Patienten glauben, für ihren Partner/ Partnerin durch die Krankheit weniger attraktiv zu sein. Frauen mit Mamakarzinom leiden häufig unter Wechseljahrssymptomen nach Hormonentzug infolge der Chemo- und/oder Hormontherapie (Abb.2). Etwa die Hälfte der Frauen klagt über Scheidentrockenheit und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie, Abb.3). Eine Hormonersatztherapie zur Linderung der Beschwerden verbietet sich bei hormonrezeptorpositiven Tumoren, darf bei rezeptornegativen Tumoren jedoch eingesetzt werden. Alternativen sind vaginale Gleitgele, vaginal anwendbare Östrogensalben, in manchen Fällen auch Testosterongel (wird kontrovers diskutiert). Sexuelle Interessen von Männern in Abhängigkeit vom Alter Merbach M, Beutel M, Brähler E (2003): Sexualität des alternden Mannes, Forum BzgA 1/2 Abb. 1 Breast Cancer Survivors/Symptoms in Past 4 Wks 80 70 60 50 No RX Tam Chem Chem + Tam 40 30 20 10 0 Hot Flashes* Ganz, 1998 Night Sweats* Vag Discharge* *p <.05 Abb. 2 Breast Cancer Survivors/Symptoms in Past 4 Wks 80 No RX 70 Tam 60 Chem 50 Chem + Tam 40 30 20 10 0 Ganz, 1998 Vag Dryness* Dyspareunia* Wt. Gain *p <.05 30 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Abb. 3 9. NZW-Süd in Ravensburg Erektionsstörungen sind besonders nach Prostatektomien eine häufige Therapiefolge bei Männern. Aber auch die Durchtrennung autonomer Nerven durch chirurgische Eingriffe beim Rektumkarzinom führt zu sexuellen Störungen bei Frauen und Männern (Abb.4 und 5). Problematisch für die Sexualität ist auch die Anlage eines künstlichen Darmausganges (Stoma). Ältere Therapiemöglichkeiten der Erektilen Dysfunktion wie Penisprothesen, Vakuumpumpen, Injektionen von Prostaglandinen in den Schwellkörper oder das Einspritzen von Prostaglandinen in die Harnröhre sind mittlerweile überwiegend durch die Therapie mit den Phosphodiesterasehemmern (PDE5-Inhibitoren) Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil ersetzt worden, Sie unterscheiden sich bei ähnlicher Wirksamkeit durch ihre Halbwertszeiten, die Geschwindigkeit des Wirkeintritts und die Interaktion mit der Nahrungsaufnahme (Abb.6). Eine Erektion tritt nur bei entsprechender Libido und sexueller Stimulation ein. Sexuelle Funktionsstörungen bei Männern nach nervenschonender Rektumchirurgie Abb. 4 Sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen nach konventioneller Rektumchirurgie Fazit Sexuelle Funktionsstörungen treten nach der Therapie eines Malignoms häufig auf. Die häufigsten Probleme wie Scheidentrockenheit und schmerzhafter Geschlechtsverkehr bei Frauen und Erektile Dysfunktion bei Männern lassen sich oft erfolgreich behandeln. Abb. 5 Comparing PDE5 Inhibitors Parameter Sildenafil (Viagra) Vardenafil (Levitra) Tadalafil (Cialis) Duration of action 12h 12h 36h Speed of onset 30-60 min 30-60 min 2-4h Food impact + + - Side effects ++ + + Abb. 6 Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 31 9. NZW-Süd in Ravensburg Maligne Tumoren bei terminaler Niereninsuffizienz und Nierentransplantation PD Dr. Rainer Nowack, Lindau Dialysepatienten und Nierentransplantierte haben ein erhöhtes Malignomrisiko. Prinzipiell ist ein kurativ behandeltes Malignom kein Ausschlusskriterium für eine Nierentransplantation, unter den zur Nierentransplantation angemeldeten Patienten waren ca. 10 % an einem Malignom erkrankt. Die Exzess-Karzinome bei Nierenpatienten lassen sich in zwei Gruppen einteilen: 1. Tumoren, die mit der Grunderkrankung (Niereninsuffizienz) assoziiert sind, das sind vor allem Tumoren der Nieren und Harnwege (Abb.1). Hier besteht eine vierfach erhöhte Inzidenz. Bei den urologischen Tumoren ist häufig eine gemeinsame Genese sowohl der Niereninsuffizienz als auch des Karzinoms anzunehmen, z.B. ein langjähriger Analgetika-Gebrauch oder eine Cyclophosphamid basierte Therapie der Systemischen Vaskulitis, die gleichermaßen toxisch und kanzerogen ist. Auch eine Immunsuppression durch Urämie spielt eine Rolle. Der kausale Zusammenhang mit Schilddrüsenkarzinomen liegt nicht auf der Hand, diskutiert wird ein möglicher Selenmangel als Folge der Dialyse. 2. Nach einer Transplantation treten gehäuft Tumoren viraler Genese (Hepatitis B- und C-Viren, Epstein-Barr-Virus, Human Papilloma) auf; dies weist auf einen Zusammenhang mit der verminderten Immunkompetenz dieser Patienten aufgrund der immunsuppressiven Therapie mit Antikörpern, Calcineurininhibitoren wie Cyclosporin und Tacrolimus sowie Azathioprin hin (Abb.2). Die Inzidenz von Colon-, Mamma- und Prostata-Karzinomen steigt nur wenig an, während die Inzidenz von Malignomen der Haut, Nieren, Gebärmutter sowie von Non-Hodgkin Lymphomen bereits im ersten post-Transplantationsjahr massiv gesteigert ist (Hautkrebs (nichtmelanozytär) 84-fach; Nierenzellkrebs 42-fach; Uteruskarzinom 74-fach; NonHodgkin Lymphome 40-fach). Auch ohne bekannte virale Genese spielt die Immunsuppression eine Rolle, z.B. bei der Entstehung von Melanomen. Hier ist das Risiko besonders in den ersten zwei Jahren nach Transplantation deutlich erhöht, solange eine hoch dosierte immunsuppressive Therapie erfolgt (Abb.3). Eine geringer dosierte immunsuppressive Therapie und eine Modifikation (Konversion von Azathioprin zu MMF/Cellcept®) kann das Tumorrisko reduzieren. Die Entwicklung nebenwirkungsärmerer, zielgenauerer Immunsuppressiva könnte langfristig die Inzidenz maligner Tumoren senken helfen. Mit Sirolimus steht bereits ein Immunsuppressivum zur Verfügung, das über eine intrinsische tumorprotektive Wirkung verfügt und die Progression maligner Tumoren Krebs-Inzidenz vor und nach Transplantation (Vajdic CM, et al. JAMA 2006; 296(23): 2823-2831) Before RRT During Dialysis After Transplantation Cancer Site Kidney Renal Pelvis Ureter Bladder Other Urinary Organ Multiple Myeloma 0.01 0.1 1 10 100 1000 Standardized Incidence Ratio (95% Confidence Interval) 0.01 0.1 1 10 100 1000 Standardized Incidence Ratio (95% Confidence Interval) 0.01 0.1 1 10 100 1000 Standardized Incidence Ratio (95% Confidence Interval) Abb. 1 32 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 9. NZW-Süd in Ravensburg Schematic illustration of potential mechanisms by which immunosuppressants contribute to tumour growth after transplantation (adapted from ref. 19). verhindern kann, wie eine aktuelle Studie eindrücklich belegt (Abb.4). Die Übertragung eines Malignoms über eine Spenderniere ist eine Rarität. Dennoch sind fatal verlaufende Einzelfälle von Tumor-Transmissionen, z.B. von malignen Melanomen, immer wieder aufgetreten und nicht ganz vermeidbar. Fazit Die terminale Niereninsuffizienz erhöht das Risiko insbesondere für Nieren- und Urogenitalkarzinome und Schilddrüsenkarzinome. Die immunsuppressive Therapie nach Transplantation fördert Tumorentstehung und –progression. Eine geringer dosierte medikamentöse Immunsuppression ist diesbezüglich weniger riskant. Der Einsatz von mTOR-Inhibitoren, die neben der immunsuppressiven eine tumorwachstumshemmende Wirkung haben, könnte langfristig zur Malignom-Prophylaxe beitragen. Fischereder M Nephrol. Dial. Transplant. 2008;23:2457-2460 Abb. 2 Standardized incidence ratio for cutaneous melanoma by time since transplantation during the first functioning transplant. Vajdic C M et al. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2009;18:2297-2303 Abb. 3 Immunsuppression mit m-Tor Inhibitor Sirolimus (Salgo R, et al. Am J Transplant. 2010;10:1385-1395) •44 Nierentransplantierte (singlecenter, prospektiv, assessor-blinded, randomized trial) •Einfluss des Switchens zu Sirolimus auf die Progression von Präkanzerosen und Auftreten von nichtmelanozytärem Hautkrebs im Vergleich zur Fortsetzung der ursprünglichen immunosuppressiven Therapie. •Verblindete dermatologische Untersuchung nach 6 und 12 Monaten durch den gleichen Dermatologen zur Beurteilung der klinischen Änderung vom Ausgangsbefund, evtl. ergänzt um eine Biopsie. • Bereits nach 6 Monaten wurde Überlegenheit der Sirliums-Therapie festgestellt durch: Sistieren der Progression und sogar Regression von präexistenten Präkanzerosen. (p < 0.0005), nach 12 Monaten war dieser Effekt noch deutlicher (p < 0.0001). •Von insgesamt 9 neu entstandenen Karzinomen (histologisch gesichert) trat nur eines in der Sirolimus-Gruppe auf. Abb. 4 Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 33 9. NZW-Süd in Ravensburg Die individualisierte Therapie des Harnblasenkarzinoms unter Aspekten des Arzneimittelrechts Prof. Dr. Thomas Otto, Neuss Harnblasenkarzinome werden überwiegend durch chemische Noxen (Raucher, beruflich Exponierte) induziert. Eine Reduzierung der Einwirkzeit solcher Noxen durch häufigere Entleerung der Harnblase scheint, im Gegensatz zur Zufuhr von Supplementen, ein vernünftiger Ansatz in der Primärprävention zu sein (Empfehlung aufgrund der aktuellen Studienlage: Trinkmenge >1,4 l/ die, 2maliges Wasserlassen in der Nacht). Kontinenzerhalt nach Zystektomie Harnblasenkarzinom Ileumpouch 70 cm distales Ileum Der Erhalt der Harnkontinenz nach radikaler Entfernung der Blase ist eine chirurgische Herausforderung. Hier gibt es viel Spielraum für den jeweiligen Operateur, eine „Zulassung“ einer bestimmten Operationsmethode, vergleichbar den strengen Zulassungsbestimmungen für Arzneimittel, existiert nicht. Gebräuchlich sind unterschiedliche Verfahren zur Herstellung eines Harnreservoirs (Neoblase) aus Darmsegmenten, alternativ der so genannte Ileocoecal-Pouch (Abb.1). Eine häufige Komplikation ist die Demineralisierung des Knochens durch Wegnahme eines relativ großen Darmsegmentes, die Patienten haben ein hohes Frakturrisiko und sollten möglicherweise eine anti-osteoporotische Therapie mit Bisphosphonaten oder Denusomab erhalten, entsprechende Studien stehen aber noch aus. Radiochemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren, die nicht operiert wurden, zeigte sich eine Radiochemotherapie mit 5-FU und Cisplatin der alleinigen Radiotherapie deutlich überlegen hinsichtlich des eventfreien 2-Jahresüberlebens ohne signifikante Zu- 3-7 cm, invaginiert und plikiert zum Nabel ausgeleitet 3 Monate pop Otto,Neuss Abb. 1 Harnblasenkarzinom cT2-4,N0,M0 Radiochemotherapie vs Radiotherapie Phase III n RT RT-CTX 2J-NED 178 182 58% p=0.01 71% Grad ¾ NW 7.5% p=0.2 10.7% med. Nachsorge 40 Monate RT 55-64 Gy James et al.2010, (4517) Abb. 2 nahme schwerer Nebenwirkungen (Abb.2; NED=no evident disease). Stellenwert adjuvanter Chemotherapien Bei positivem Lymphknotenstatus verdoppelte eine adjuvante Chemotherapie nach 34 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Zystektomie das 5-Jahresüberleben (Overall Survival, OS, Abb.3). Allerdings gibt es hier bis jetzt kein Standardschema. In der Studie wurde off-label die Dreierkombination Gemcitabin/Cisplatin/Paclitaxel verwendet, die stark toxisch ist. Bisher gebräuchlich sind Zweierkombinationen (Gemcitabin/ Cisplatin oder Methotrexat/Cisplatin). 9. NZW-Süd in Ravensburg Harnblasenkarzinom pT3-4/N+,M0 adj. CTX vs Kontrolle Phase III Second line Behandlung in der metastasierten Situation Hier gibt es bislang keinen Standard; alle Therapien erfolgen off label. Nach Cisplatin-Versagen erwies sich in einer aktuellen Studie (Culine et al, 2010) Vinflunine als effektiv im Vergleich zu best supportive care (medianes Überleben 6,9 vs. 4,3 Monate), was zur Zulassung der Substanz geführt hat. Kontrolle Gem, DDP, Pac n 5J-OS DOD 74 31% 45 68 p<0.0009 60% 4 Kurse, 100% Grad ¾ NW 24 med. Nachsorge 30 Monate Seltene Blasentumoren Paz-Ares et al.2010, (4518) Eine Standardtherapie seltener Tumoren wie Cystosarcoma phyloides (Abb.4), Urachuskarzinomen oder kleinzelligen Blasenklarzinomen existiert außerhalb operativer Maßnahmen nicht. Jegliche medikamentöse Therapie erfolgt also off label. Eine solche Therapie darf aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts (Abb.5) den betroffenen lebensbedrohlich erkrankten Patienten nicht verweigert werden. Abb. 3 Cystosarcoma Phyloides Zukünftige Therapieoptionen Abb. 4 In Zukunft wird auch beim Harnblasenkarzinom die individuelle Therapie anhand der Tumoreigenschaften an Bedeutung gewinnen. Mögliche „Targets“ mit den entsprechenden Therapeutika zeigt die Abb.6. „Krankenkassen dürfen ihren Mitgliedern alternative Behandlungsmethoden nicht vorenthalten. Fazit Die Prognose von Patienten mit fortgeschrittenen, symptomatischen und therapierefraktären Karzinomen der Harnblase ist extrem ungünstig. Gleiches gilt für seltene Tumore der Harnblase. Hier fehlen Studienergebnisse für jedwede Therapieform. Ein Großteil der Therapie erfolgt daher off label. Die Pflicht zur Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ist vom Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt worden. Fortschritte auf dem Gebiet der Molekularbiologie, Pharmakologie und molekularen Pathologie lassen neue Therapieansätze über den Nachweis von Rezeptoren und eine daran geknüpfte Therapie erwarten. Voraussetzung für die Kostenübernahme ist, dass es keine anerkannten schulmedizinischen Behandlungsmethoden mehr gebe und dass es sich um eine lebensbedrohliche oder tödlich verlaufende Erkrankung handle.“ Az.: 1BvR 347/98 Abb. 5 Antikörper Zellaußenseite: Ligandeneinheit Zellmembran „Kleine“ Moleküle Zellinneres: Enzymeinheit Zukunft Individualisierte Tumortherapie • HER-2/neu • Trastuzumab • VEGF • Bevacizumab • EGF-R • Cetuximab • c-Kit • Imatinib • Somatostatinrezeptor • Octreotid • COX-2 • Celecoxib • MMP • Prinomastat Abb. 6 Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 35 9. NZW-Süd in Ravensburg Kinderwunsch nach Chemotherapie Dr. Wolfgang Paulus, Ravensburg In Deutschland erkranken jährlich etwa 30.000 Männer und Frauen in der fertilen Lebensphase bis zum Alter von 45 Jahren an Krebs. Die Inzidenz von Tumorerkrankungen in der Schwangerschaft zeigt Abb.1. Aufgrund der steigenden Überlebensraten werden immer mehr Patienten mit Langzeitfolgen einer Chemo- oder Radiotherapie konfrontiert. Da die Gonaden (Eierstöcke und Hoden) für derartige Expositionen besonders empfindlich sind, stellt sich immer häufiger auch die Frage nach dem Erhalt der Fertilität. Zytostatika sind unterschiedlich schädlich für die Gonaden. Bei nicht abgeschlossener Familienplanung sollten stark gonadotoxische Zytostatika (Abb.2) gemieden werden. Zytostatika mit einem niedrigen Risiko für eine Ovarialschädigung sind beispielsweise Methotrexat, 5-Fluorouracil, Vincristin, Vinblastin, Bleomycin und Actinomycin. Das Risiko einer dauerhaften Amenorrhoe ist bei verschiedenen Regimen zur Therapie des Mammakarzinoms sehr unterschiedlich (Abb.3). Konservierung von Ei- und Samenzellen Nach erfolgter Chemotherapie belasten die werdenden Eltern häufig auch Fragen zu einer möglichen Schädigung der Nachkommen. Im Rahmen des Therapiekonzeptes sind daher reproduktionsmedizinische Maßnahmen mit Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen zu diskutieren. Während dies bei Sperma unproblematisch ist, gibt es bei der Kryokonservierung befruchDer Nutzen eines Schutzes des Ovars durch teter Embryonen nach in vitro-Fertilisie„Ruhigstellung“ der Hypophysen-Ovarrung einige kritische Punkte: die hormoAchse während der Chemotherapie mittels nelle Stimulation des Ovars zur Gewinnung LHRH-Agonisten wird kontrovers diskuvon Eizellen verzögert nicht nur die Chetiert. Bisher ist ungeklärt, ob man mit einer motherapie, sondern kann bei hormonresolchen Therapie einer möglichen Sterilität zeptorpositiven Tumoren möglicherweise hohem Risiko für eine effektiv vorbeugen kann. Zytostatika mit auch das Tumorwachstum anregen. Zur vorzeitige Ovarialinsuffizienz Tab.1 • • • • • • • • • Häufigkeit maligner Erkrankungen während der Schwangerschaft [4] Tumor Inzidenz pro Schwangerschaft Mammakarzinom 1:3000-10000 Zervixkarzinom 1,2:10000 M. Hodgkin 1:1000-6000 malignes Melanom 2,6:1000 Leukämie(n) 1:75000-100000 Ovarialkarzinom 1:10000-100000 kolorektales Karzinom 1:13000 Cyclophosphamid Zytostatika mit hohem Risiko für eine Chlorambucil vorzeitige Ovarialinsuffizienz Melphalan • Cyclophosphamid Busulfan • Chlorambucil Procarbazine • Melphalan • Busulfan Nitrourea • Procarbazine Stickstoff-Lost • Nitrourea Mustin • Stickstoff-Lost Cytosinarabinosid • Mustin • Cytosinarabinosid Schwangerschaft nach Mammakarzinom Empfehlung Abb. 1 Amenorrhoe nach Chemotherapie Schwangerschaft nach Mammakarzinom • Intervall von 2 Jahren nach Abschluss Empfehlung der Tumortherapie ratsam Risk of chemotherapy-related amenorrhea in follow-up with common standard chemotherapy regimens8-11, 14, 56 Treatment Age <30 Age 30-40 Age >40 None AC x 4 CMF x 6 CAF/CEF x 6 TAC x 6 AC x 4, T x 4 ~0 19 <5 13 31-38 23-47 62 38 (15% age <40) 20-25 57-63 76-96 80-89 • bei aggressiven • Intervall von 2Tumoren Jahren nach Abschluss der Tumortherapie Rezidivgefahr in ersten Jahren ratsam • Bei agressiven Tumoren Rezidivgefahr in ersten Jahren Partridge & Ruddy, Breast 2007 Abb. 3 Partridge & Ruddy, Breast 2007 36 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Abb. 2 Abb. 4 Fehlbildungsrisiko nach Chemotherapi 9. NZW-Süd in Ravensburg Schwangerschaft nach Tumortherapie Unklarheit besteht oft über das nötige Zeitintervall zwischen Abschluss der Chemotherapie und Eintritt einer Schwangerschaft (Abb.4). In Abhängigkeit vom Tumortyp sind die Betroffenen mitunter auch in Sorge, inwieweit eine Schwangerschaft die Prognose der mütterlichen Grunderkrankung verschlechtern könnte. Offensichtlich hat eine spätere Schwangerschaft aber keinen negativen Einfluss auf die Prognose. Auch das Fehlbildungsrisiko der Kinder ist nach mütterlicher Chemotherapie nach bisherigem Kenntnisstand nicht erhöht (Abb.5). Fruchtbarkeit bei Langzeitüberlebenden kindlicher Tumoren Hochdosisbestrahlung (> 10 Gy) Alkylierende Zytostatika Procarbazin Höheres Lebensalter gefährden besonders die spätere Fruchtbarkeit bei Behandlung in der Kindheit. Langzeitüberlebende Frauen, die in der Kindheit ein Malignom hatten, kommen deutlich früher in die Menopause als ihre Schwestern (Abb.6) und sollten deshalb einen bestehenden Kinderwunsch nicht zu spät erfüllen. Die Frühgeburtenrate ist bei diesen Frauen erhöht, eine erhöhte Fehlbildungsrate bei ihren Nachkommen jedoch nicht festzustellen (Abb.7). Dies trifft auch für die Kinder männlicher Patienten zu. Fazit Bei bestehendem Kinderwunsch sollten nach Möglichkeit Therapieregime gewählt werden, die wenig toxisch für die Gonaden sind. Die Kryokonservierung von Spermien und befruchteten Embryonen ist eine Option, den Patienten nach Abschluss der Therapie den Kinderwunsch zu erfüllen. Die Fehlbildungsrate der Nachkommen von Tumorpatienten ist nicht erhöht. • Followup von > 4000 Schwangerschaften nach mütterlicher Zytostatikatherapie ohne Anhalt für Zunahme kindlicher Anomalien oder Malignome • peripartale Komplikationen (z. B. Kardiomyopathie nach A • peripartale Komplikationen bei Müttern? (z.B. Kardiomyopathie nach Anthrazyklinen) Abb. 5 Vorzeitige Menopause 8,0% vs8,0% 0,8% vs 0,8% Vorzeitige Menopause (rate 95% CICI 3,26 – 53,51; pp==0.001) (rateratio ratio==13.21; 13.21; 95% 3,26-53,51; 0.001) 1.00 Not Menopausal (proportion) Kryokonservierung von Ovarialgewebe und Reimplantation nach erfolgreicher Therapie liegen bisher nur sehr begrenzte Erfahrungen vor. • Followup von > 4000 Schw nach mütterlicher Zytostatik Anhalt für Zunahme kindlic Fehlbildungsrisiko nach mütterlicher Chemotherapie? oder Malignome 0.98 0.96 0.94 0.92 0.92 Survivors Siblings 15 20 25 30 35 40 Age at Last Menstrual Period (years) Fig 2. Cumulative incidence curves of nonsurgical premature menopause in survivors compared with siblings. J Clin Oncol. 2009 May 10;27(14):2374-81 Abb. 6 Anomalien bei den Nachkommen Table 7. Genetic Disease in Offspring of Cancer Survivors and Sibling Controls Survivor Offspring (n = 6,129) Sibling Offspring (n = 3,101 Genetic Disease No. % No. % Cytogenetic abnormality 7 0.1 6 0.2 Single-gene (Mendelian) disorder 14 0.2 8 0.3 Simple malformation 136 2.2 97 Total 157 2.6 111 Abb. 7 3.1 3.6 Abb. 7 Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 37 9. NZW-Süd in Ravensburg Mammakarzinom: Update 2010 Prof. Dr. Kurt Possinger, Berlin Obwohl die Zahl der Neuerkrankungen beim Mammakarzinom steigt (aktuell knapp 60 000 Neuerkrankungen pro Jahr), nimmt die Mortalität ab (ca. 17 000 Todesfälle pro Jahr). Dieser Erfolg ist zu einem Teil auf verbesserte Therapien zurückzuführen, ganz wesentlich aber auch auf das mittlerweile gut etablierte MammographieScreening. Mamma Ca: Mamma Ca: ATAC-Studie: Übergewicht prognostisch bedeutsam ATAC-Studie: Übergewicht prognostisch bedeutsam Adjuvante endokrine Therapie Eine entsprechende Analyse prämenopausaler Patientinnen, die im Rahmen der ABCSG12 Studie Goserelin + Tamoxifen oder Goserelin + Anastrozol erhalten hatten, zeigte entsprechende Ergebnisse: Während bei Patientinnen, die Tamoxifen erhalten hatten, keine Unterschiede bezüglich des Körpergewichts zu finden waren, schnitten übergewichtige Patientinnen sowohl hinsichtlich des krankheitsfreien, als auch des Gesamtüberlebens unter Anastrozol signifikant schlechter ab (Abb.2). Bisher gibt es keine Daten, die zeigen würden, dass dieses Problem durch höhere Dosierungen gelöst werden könnte. Adjuvante Chemotherapie bei kleinen Tumoren? Sestak J Clin Oncol 28 (2010) MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM 017Abb. 1 UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN Mamma Ca: Mamma Ca Übergewicht: Anastrozol vs Tamoxifen: OAS Übergewicht: Anastrozol vs Tamoxifen: OAS 100 80 Overall Survival (%) Der Erfolg adjuvanter endokriner Therapien scheint neben Faktoren wie Tumorgröße, Ausmaß des Lymphknotenbefalls, Grading, Steroid- und Wachstumsfaktorexpression, Gefäß-invasion und Proliferationszustand auch von der körperlichen Konstitution abzuhängen. Bei postmenopausalen Patientinnen wurde an Hand der Daten der ATAC-Studie (Tamoxifen vs Anastrozol) eine Erfolgsevaluation entsprechend dem BMI (Body Mass Index) vorgenommen. Patientinnen mit einem BMI>35kg/m² erlitten signifikant häufiger Rezidive als Patientinnen mit einem BMI<23kg/m² (Abb.1). Möglicherweise ist also die Östrogensuppression bei adipösen Frauen nicht vollständig. 60 No. of Hazard ratio (95% CI) Pvalue events vs Tarn 40 Ana Tam 20 22/279 8/294 3.03 (1.35 to 6.82) 0.004 0 0 12 24 36 48 60 72 84 96 108 Months since Randomization Übergewicht bedingt unter Anastrozol gegenüber Tamoxifen ein 50% höheres Progressions- und 3-fach höheres Mortalitäts-Risiko Pfeiler ASCO 2010 abstr. 512 MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM Mögliche adjuvante Therapieregime zeigt Abb.3 (dd=dosisdicht; Schemata in Klammern sind besonders toxisch).Generell ist das Problem der Übertherapie in der adjuvanten Situation noch nicht befriedigend gelöst. Zunehmend werden Mammakarzinome heute im Stadium T1N0 diagnostiziert; in diesem Stadium treten auch ohne 38 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Abb. 2 UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN adjuvante Therapie nur 10-20% Rezidive auf. Nach wie vor werden jedoch in dieser Situation Frauen mit toxischen Schemata wie FEC behandelt. Denn es ist derzeit nicht möglich, solche Patientinnen exakt zu charakterisieren, die nach Primäroperation und Bestrahlung keiner adjuvanten systemischen Therapie bedürfen. 9. NZW-Süd in Ravensburg Mamma Ca Adjuvante Chemotherapie Mamma Ca: Adjuvante Chemotherapie FEC Persönliche Einstufung 5-FU 500mg/m² iv d1 + Epirubicin 100mg/m² iv d1 + Cyclophosphamid 500mg/m² iv d1 qd21, 6x CEF Cyclophosphamid 75mg/m² po d1-14 + Epirubicin 60mg/m² iv d1+8 + 5-FU 500mg/m² iv d1+8 qd28, 6x; alle Zyklen + Cotrimoxazol FEC→Docetaxel (PACS 01) 5-FU 500mg/m² iv d1 + Epirubicin 100mg/m² iv d1 + Cyclophosphamid 500mg/m² iv d1 qd21, 3x → Docetaxel 100mg/m² iv, d1, qd21, 3x TAC >50 Jahre <50 Jahre Docetaxel 75mg/m² iv, d1 + Doxorubicin 50mg/m² iv d1 + Cyclophosphamid 500mg/m² iv, d1 qd21, 6x; alle Zyklen + Filgastrim ddAC→ddT >3cm / N>3Lk Doxorubicin 60mg/m² iv d1 + Cyclophosphamid 600mg/m² iv d1 qd14, 4x → Paclitaxel 175mg/m² iv, d1, qd14, 4x; alle Zyklen + Filgastrim ddETC Epirubicin 150mg/m² iv d1, qd14, 3x → Paclitaxel 225mg/m² iv, d1, qd14, 3x → Cyclophosphamid 2500mg/m² iv d1 qd14, 3x; alle Zyklen + Filgastrim TC >65 Jahre Docetaxel 75mg/m² iv, d1 + Cyclophosphamid 600mg/m² iv, d1 qd21, 4x MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM Mamma Ca: HR+: Genanalysen zur Therapie-Entscheidung Abb. 3 UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN Table 1. Commercially Available Genomic Assays for the Prediction of Clinical Outcome in Patients with Breast Cancer.* Variable MammaPrint Oncotype DX Theros MapQuant Dx Provider Agendia Genomic Health Biotheranostics Ipsogen Type of assay 70-Gene assay 21-Gene recurrence score 2-Gene ratio of HOXB13 to IL17R (H/I) and molecular-grade index Genomic grade Type of tissue sample Fresh or frozen Formalin-fixed, paraffinembedded Formalin-fixed, paraffinembedded Fresh or frozen Technique DNA microarrays Q-RT-PCR Q-RT-PCR DNA microarrays Centrally certified laboratory+ Yes Yes Yes Yes Indication To aid in prognostic prediction in patients <61 yr of age with stage I or II, node-negative disease with a tumor size of ≤ 5 cm To predict the risk of recurrence in patients with ER-positive, node-negative disease treated with tamoxifen; to identify patients with a low risk of recurrence who may not need adjuvant chemotherapy To stratify ER-positive patients into groups with a predicted low risk or high risk of recurrence and a predicted good or poor response to endocrine therapy To restratify grade 2 tumors into low-risk grade 1 or high-risk grade 3 tumors, specifically for invasive, primary, ERpositive grade 2 tumors Level of evidence (I-V)++ III II III III FDA clearance Yes No No No Availability Europe and United States Europe and United States United States Europe Abb. 4 Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 39 9. NZW-Süd in Ravensburg Abb.5 zeigt, dass mit zunehmendem Risikoscore (nach Oncotype DX) der Nutzen einer zusätzlichen Chemotherapie im Vergleich zur alleinigen Hormontherapie deutlich zunimmt. Albain und Mitarbeiter zeigten kürzlich, dass dies auch beim N1Status (befallene Lymphknoten) zutrifft (Abb.6). Hier ist umgekehrt auch erkennbar, Mamma Ca: Ca Mamma Risikogruppierung derder NSABP B14-B14 und und B20-Studien durch durch Oncotype DX Risikogruppierung NSABP B20-Studien Oncotype DX Average Rate of Distant Recurrence at 10 Years Hier könnte die Analyse genetischer Expressionsprofile hilfreich sein: sie erlaubt einerseits die Unterscheidung spezifischer Brustkrebsarten (luminal A, luminal B, HER2, basal like, normal breast, claudin low) und gibt andererseits Auskunft über die individuelle Prognose. Vier genomische Assays sind gegenwärtig zur Prognoseeinstufung kommerziell erhältlich (MammaPrint, Oncotype DX, Theros, MapQuantDx, Abb.4), von denen zwei auch an fixiertem Tumorgewebe durchgeführt werden können. Damit kann das individuelle Rezidivrisiko der Patientin nach einem Score in „hoch“, „mittel“ oder „niedrig“ eingeordnet und daraus eine Therapieentscheidung abgeleitet werden. Die Güte prognostischer Gensignaturen wurde in einer Vielzahl von retrospektiven Studien belegt. Rate: Tam 95% CI: Tam Rate: Tam + CMF/MF 95% CI: Tam + CMF/MF Sparano & Paik J Clin Oncol 26:721-728 (2008) Abb. 5 MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM dass bei geringem und mittlerem Risiko die adjuvante Chemotherapie keinen Nutzen für die Patientinnen hat. Ergebnisse von zwei prospektiven Studien (TAILORx und MINDACT) stehen aber noch aus. Nicht Mamma Ca Mamma Ca: SWOG 8813: low undrisk: intermediate risk:Chemo? was SWOG 8813: low und intermediate was bringt zusätzlich zuletzt die Kosten solcher Tests (1500-3000 Euro) lassen einen routinemäßigen Einsatz bisher nicht zu. Metastasierte Situation bringt zusätzlich Chemo ? D Breast-cancer-specific survival, intermediate risk (recurrence score 18-30) Stratified log-rank test p=0.56 at 10 years Randomised treatment group Tamoxifen (4 breast-cancer deaths) CAF-T (10 breast-cancer deaths) Breast-cancer-specific survival (%) Breast-cancer-specific survival (%) B Breast-cancer-specific survival, low risk (recurrence score < 18) UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN Stratified log-rank test p=0.89 at 10 years Randomised treatment group Tamoxifen (11 breast-cancer deaths) CAF-T (10 breast-cancer deaths) Breast-cancer-specific survival (%) F Breast-cancer-specific survival, high risk (recurrence score ≥ 31) Stratified log-rank test p=0.033 at 10 years Randomised treatment group Tamoxifen (20 breast-cancer deaths) CAF-T (18 breast-cancer deaths) 0 2 4 6 Years since registration 8 10 Albain Lancet Oncol 2010; 11: 55–65 Abb. 6 MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM 40 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN 9. NZW-Süd in Ravensburg Mamma Ca: Antiangiogenese Mamma Ca: Antiangiogenese Metaanalyse: Bevacizumab und Überleben Metaanalyse: Bevacizumab und Überleben O´Shaughnessy ASCO 2010 abstr 1005 Abb. 7 MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM In der metastasierten Erkrankungssituation sind Befindensbesserung und langfristige Stabilisierung des körperlichen und psychischen Befindens Hauptbehandlungsziele. Zu jedem Erkrankungszeitpunkt muss überprüft werden, ob durch lokale Behandlungsmaßnahmen (wie Bestrahlung, chirurgische Interventionen) der Krankheitsverlauf rascher und günstiger beeinflusst werden kann als durch systemische toxische Therapien. Die Intensität der Behandlung richtet sich nach den tumorbedingten Beschwerden und dem Ausmaß der akuten Lebensbedrohung. Beim Auftreten neuer Metastasen sollten erneut Tumorgewebsbiopsien durchgeführt werden, um die Behandlung den tatsächlichen Eigenschaften des Tumors anzupassen. In mehreren Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass in bis zu 36% der Fälle im metastasierten Stadium ein primär positiver Hormonrezeptorstatus nach negativ wechseln kann. Umgekehrt sind in bis zu 26% der Fälle Positivierungen nachgewiesen worden. Primär HER2-positive Tumoren können in 10 bis 30% ihre Positivität verlieren. Etwa 5% primär HER2negativer Tumoren können positiv werden. UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN Ein „Weiterbehandeln“ der Patientinnen nach primären HER2- oder Steroidstatuskriterien ist dementsprechend wirkungslos und darüber hinaus unnötig kostenintensiv. Neuigkeiten in der Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms betreffen: 1. Zytostatika: das neue Zytostatikum Eribulin verbessert in der Viert-und Fünftlinientherapie das 1-Jahres-Überleben Phase II-Studie). 2. BRCA-Positivität (Triple-Negativität): Es ist anzunehmen, dass noch in diesem Jahr eine Vielzahl von Studien bei Patientinnen mit triple-negativen Tumoren begonnen wird. BRCA spielt eine wichtige Rolle bei der homologen DNAReparatur und der Apoptoseinduktion. Liegt eine BRCA-Funktionsstörung vor, so wird in der Regel ein anderer Reparaturweg (PARP) beschritten. Um die verbleibenden zellulären Reparaturmechanismen zu überlasten, werden bei diesen Patientinnen insbesondere Platinderivate und Alkylantien als Zytostatika eingesetzt. Zusätzlich werden PARP-Inhibitoren (Olaparib (oral) und Iniparib (iv.)) eingesetzt. 3. Neue Therapien bei HER2-Positivität: Um HER2-positive Tumorzellen noch konsequenter zu zerstören, koppelt man an Trastuzumab Strahlenquellen oder Zytostatika an. Trastuzumab-DM1 (TDM1) ist ein Antikörperkonjugat, das aus Trastuzumab und einem Zytostatikum der Vinkaalkaloidgruppe (Maytansine) besteht. In einer multi-institutionellen Studie, in die über 100 Patientinnen mit progredienten Tumoren unter vorangegangener Gabe von Trastuzumab und einer zytostatischen Behandlung aufgenommen wurden, ließ sich bei etwa einem Drittel aller Patientinnen eine objektive Tumorremission erzielen. 4. Antiangiogenese Bevacizumab konnte in mehreren klinischen Studien belegen, dass der frühzeitige Einsatz (first oder 2nd line Therapie) signifikante Verbesserungen der Zeit bis zur Tumorprogression bewirkt. Ein späterer Einsatz scheint hingegen keine klinisch relevante Wirkung mehr zu erbringen. In keiner Studie konnte allerdings bisher eine Verlängerung der Überlebenszeit evaluiert werden (Abb.7). Dasselbe gilt auch für Sunitinib, sodass die Angiogenesehemmung beim Mammakarzinom bisher nicht als effektiv angesehen werden kann. 5. Knochenmetastasen: Die kürzlich gezeigte Antitumorwirkung der Bisphosphonate beruht möglicherweise darauf, dass durch die Hemmung der Osteoklastenaktivität vermindert Wachstumsfaktoren aus dem Knochen freigesetzt werden. Den gleichen Effekt hat Denosumab, ein neuer Antikörper gegen RANKL (Receptor Activator of Nuclear Factor kB Ligand). Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 41 9. NZW-Süd in Ravensburg Strahlentherapie des Prostatakarzinoms Prof. Dr. Wolfgang Wagner, Osnabrück Die Strahlentherapie ist in allen Stadien des Prostatakarzinoms eine Option, auch bei Metastasierung. Sie erbringt im Vergleich zur radikalen Prostatektomie in etwa die gleichen Ergebnisse bei unterschiedlichem Nebenwirkungsmuster. Es gibt verschiedene Methoden der Strahlentherapie: Standard ist heute die 3-D-konformale Bestrahlung mit einem digitalen Linearbeschleuniger über 8 Wochen mit Gesamtdosen von 70 Gy und darüber hinaus. Dabei wird von vorne und von beiden Seiten bestrahlt (Abb.1), die Strahlendosen addieren sich so im Zielgebiet der Prostata. Die 5-Jahres rezidivfreien Überlebensraten liegen bei ca. 80 % im Frühstadium sowie bei 60 % und weniger in fortgeschrittenen Stadien. Verbessern lassen sich die Ergebnisse durch den Einsatz der Intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT), die bisher noch kein Standardverfahren ist. Mithilfe eines beweglichen Strahlenkopfes, der um den Patienten herumfährt, kann bei besserer Schonung des umgebenden Gewebes die Dosis im Zielgebiet gesteigert werden (Dosiseskalation). Ein Problem ist hierbei allerdings eine mögliche Bewegung des Patienten bzw. der Prostata, da dann die hohe Strahlendosis benachbarte Organe schädigen kann. Zur Schonung des umliegenden Gewebes (Risikoorgane) werden aktuell besondere Maßnahmen ergriffen, um die zielgenaue Bestrahlung zu gewährleisten (Image-Guided-Radiotherapy IGRT+ Markerapplikation im Zielorgan). Durch derartige Behandlungen ist es möglich geworden, die Überlebensrate bei Patienten mit schlechter Prognose von 39 % auf 81 % anzuheben. Bei Patienten mit intermediärer Prognose liegen die entsprechenden 3-Jahres-Überlebensraten (rezidivfrei) bei 86 % im Vergleich zu 59 % bei der 3-Dkonformalen Radiatio. In fortgeschrittenen Stadien erfolgt zusätzlich zur Radiotherapie obligat eine Hormontherapie, da durch die Kombination das 5-Jahresüberleben deutlich gebessert werden kann (von 62 auf 79 %). Eine weitere Verbesserung ergibt sich möglicherweise durch den Einsatz von Partikelstrahlung, z. B. Protonen. Die Protonentherapie hat den Vorteil, dass aufgrund der spezifischen Verteilung der Strahlendosis an der Haut und hinter der Prostata sehr geringe oder gar keine Strahlenbelastungen auftreten (Abb.2). Bisher liegen allerdings noch wenige Studien zur Protonentherapie vor. Alternativ zur perkutanen Bestrahlung hat sich in den letzten Jahren die Seed-Therapie (Brachytherapie) im Frühstadium des Pro- Abb. 1 Strahlendosis eines Protonen-Bleistiftstrahls entlang der Eindringtiefe in den Körper.Die Reichweite dieser Protonen ist 25 cm. Oben als Höhenlinien dargestellte Dosisverteilung, unten die Dosiswerte längs der Tiefe im Vergleich mit einem Photonen-Dosisverlauf. 42 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 2 Abb. 2 9. NZW-Süd in Ravensburg statakarzinoms in Deutschland etablieren können. Die Seed-Behandlung erfolgt mit 40 bis 50 Jod125 Titan-Kapselseeds (Abb.3), die permanent in die Prostata eingebracht werden (Abb.4) und gemäß ihrer spezifischen Halbwertzeit von ca. 2 Monaten abstrahlen. Damit wird eine hohe Dosis von ungefähr 140 Gy in der Prostata erzielt. Die 10-Jahre PSA-rezidivfreien Überlebensraten werden zwischen 84 % und 92 % angegeben. Die Nebenwirkungsraten (Inkontinenz, Impotenz) der Brachytherapie sind geringer als nach einer radikalen Prostatektomie und der Patient kann nach dem operativen Eingriff bereits am nächsten Tag wieder arbeiten. Auch die Prostata-Spickung als high-doserate-Brachytherapie in der alleinigen Form oder als Boost nach Perkutanbestrahlung bei Risikopatienten, ergibt eine hohe Rate an Tumorfreiheit, insbesondere bei Patienten mit höherem Risiko. Aufbau eines Seed Aufbau eines Seed Titankapsel J-125 als Silber- Jodid in Keramik Gold-Röntgenmarker Ø 0,8mm 4,5 mm 3 Abb. 3 In der Palliativtherapie sind Infusionen mit dem Beta-Strahler Samarium153 in etwa 80 % effektiv zur Schmerzlinderung bei Knochenmetastasen. Bei epiduraler Metastasierung mit Lähmungen/Paraparesen wird primär notfallmäßig neurochirurgisch therapiert; ist dies nicht möglich, kann die sofortige Bestrahlung bei jedem dritten Patienten einen Rückgang der Lähmung bewirken. Fazit Die Radiotherapie hat sowohl mit kurativer als auch mit palliativer Zielsetzung einen hohen Stellenwert in allen Stadien des Prostatakarzinoms. Durch moderne Strahlentherapie-Methoden lässt sich das Bestrahlungsvolumen verkleinern und somit die Toxizität verringern. Die dadurch mögliche Dosiseskalation verbessert die lokale Tumorkontrolle, aber nicht notwendigerweise das Überleben. Abb. 4 Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 43 4 Pressemitteilung ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTE Krebsbehandlung ohne Bestrahlung Spätfolgen der Therapie gegen Non-Hodgkin-Lymphom verringern Das Non-Hodgkin-Lymphom, eine bösartige Erkrankung des Lymphsystems, wird oftmals mit einer Kombination von Chemo- und Strahlentherapie behandelt. Die Bestrahlung des Gehirns kann allerdings zu schwerwiegenden Spätfolgen führen, wie Konzentrationsoder Gedächtnisstörungen. Die Deutsche Studiengruppe für primäre Lymphome des Gehirns unter Leitung von Professor Dr. Eckhard Thiel und Professor Dr. Michael Weller hat in einer groß angelegten Studie den Stellenwert der Gehirnbestrahlung untersucht. Mit überraschendem Ergebnis: Die Überlebenszeit von Patienten, die mit Chemo- und Strahlentherapie behandelt wurden, und denen, die sich nur einer Chemotherapie unterzogen, unterschied sich nicht. Daher raten die Wissenschaftler dazu, die Bestrahlung bei der Therapie des Non-Hodgkin-Lymphoms des zentralen Nervensystems neu zu bewerten. Die Deutsche Krebshilfe hat das weltweit einzigartige Projekt mit insgesamt 383.000 Euro gefördert. Die Bestrahlung des Gehirns ist derzeit Teil der Standardbehandlung des NonHodgkin-Lymphoms, wenn dieser schnell wachsende und aggressive Tumor das Zentralnervensystem befallen hat. Zusätzlich hat sich die Gabe hoher Dosen des Krebsmedikaments Methotrexat im Rahmen einer Chemotherapie als erfolgreiche Maßnahme erwiesen: Die durchschnittliche Überlebenszeit der Betrof fenen konnte dadurch von 12 bis 18 Monaten auf 33 bis 43 Monate gesteigert werden. Die Bestrahlung des Gehirns kann jedoch zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen, wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie bei hohen Dosierungen bis hin zur Demenz, führen. Neurologische Klinik der Universitätsklinik Tübingen, jetzt Klinik für Neurobiologie am Universitätsspital Zürich, untersuchten in ihrer so genannten G-PCNSL-SG-1-Studie, an der sich insgesamt 75 Krebszentren beteiligten, ob es möglich ist, bei der Therapie des Non-Hodgkin-Lymphoms des Gehirns auf die Bestrahlung zu verzichten. In dieser multizentrischen, randomisierten Studie mit 551 Betroffenen erhielt eine Gruppe von Patienten eine alleinige Chemotherapie mit hochdosiertem Methotrexat. Eine zweite Gruppe unterzog sich zusätzlich zur Chemotherapie einer Ganzhirnbestrahlung. Anschließend wurden die Patienten in regelmäßigen Abständen untersucht. Die Wissenschaftler um Eckhard Thiel von der Medizinischen Klinik der Charité in Berlin und Michael Weller, bis 2005 Nach den Ergebnissen der Studie hat die Bestrahlung zusätzlich zur Chemotherapie keinen Einfluss auf die Überlebenszeit der Betroffenen. Die Zeit bis zum Rückfall war zwar länger, aber um den Preis des erhöhten Risikos unerwünschter Therapiefolgen. Deshalb sprechen sich die Forscher dafür aus, die Schädelbestrahlung im Rahmen der Therapie des Non-Hodgkin-Lymphons neu zu bewerten: „Aufgrund der Ergebnisse unserer Studie raten wir von der Ganzhirnbestrahlung als Standardtherapie beim Non-Hodgkin-Lymphom des Gehirns ab“, erläutert Weller. Gerd Nettekoven, Hauptgeschäf tsführer der Deutschen Krebshilfe, betont: „Ziel der von uns geförder ten Forschungsprojekte ist es auch, zukünftig die möglichen Spätfolgen einer Krebs-Therapie zu vermeiden, um die Lebensqualität der Betroffenen nach der Behandlung zu erhöhen.“ Die von der Deutschen Krebshilfe geförderte Studie, deren Ergebnisse die Wissenschaftler in dem renommierten Fachmagazin „Lancet Oncology“ veröffentlichten, ist die weltweit erste ihrer Art. Publikation: „High-Dose methotrexate with or without whole brain radiotherapy for primar y CNS-lymphoma (G-PCNSLSG-1): a phase 3, randomized, non-inferiority trial“, erschienen am 18. Oktober 2010 in „Lancet Oncology“. Pressemitteilung der Deutschen Krebshilfe 28. - 30. Januar 2011 Hamburg-Harburg 44 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Pressemitteilung ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTE Strahlentherapie bei Kindern: Risiken geringer als befürchtet Patientenregister dokumentiert systematisch Spätfolgen Die Strahlentherapie ist auch bei Kindern und Jugendlichen eine wirksame Methode gegen Krebs. Doch die langfristigen Folgen für die Gesundheit der jungen Patienten waren bisher wenig erforscht. Erste Auswertungen der Daten eines 2004 eingerichteten Patientenregisters zeigen nun, dass die Risiken einer Strahlentherapie im Kindes- und Jugendalter geringer sind als befürchtet. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) anlässlich einer aktuellen Studie hin. „Kinder und Jugendliche haben nach einer erfolgreichen Krebstherapie den größten Teil ihres Lebens noch vor sich. Es ist deshalb besonders wichtig, Spätfolgen der Behandlung zu vermeiden”, sagt DEGRO-Präsidentin Professor Dr. med. Rita Engenhart-Cabillic. Spätfolgen sind Nebenwirkungen, die erst Monate oder Jahre nach Ende der Strahlentherapie auftreten. Deshalb werden sie in den Therapiestudien oftmals nicht komplett erfasst. „Unsere bisherigen Erkenntnisse hierzu beruhten im Wesentlichen auf kleineren rückblickenden Untersuchungen”, erläutert die Expertin. Eine sinnvolle Beurteilung sei auch deshalb nicht möglich gewesen, da sich die einzelnen Behandlungs­verfahren im Laufe der Jahre stark verändert hätten. So basier ten frühere Untersuchungen zum Teil auf Strahlentherapietechniken, die heute nicht mehr angewendet werden. Um die Spätfolgen aktueller Verfahren besser beur teilen zu können, hat die DEGRO gemeinsam mit der Gesellschaf t für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie vor sechs Jahren das „Register zur Erfassung von Spätfolgen nach Strahlentherapie maligner Erkran­kungen im Kindes- und Jugendalter” (RiSK) eingerichtet. Die finanzielle Förderung erfolgte durch die Deutsche Kinderkrebsstiftung. „Bislang wurden 1.300 Patienten aus 62 Zentren dokumentiert”, berichtet der Chairman des Registers, Professor Dr. med. Normann Willich, Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Münster. „Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Belastung der Organe geringer ausfällt, als befürchtet”, berichtet der Experte. Als Beispiel führt er eine kürzlich veröffentlichte Studie zu den Auswirkungen der Strahlentherapie auf die Nieren an, einem besonders strahlen­e mpfindlichen Organ. Auch zwei bis drei Jahre nach Ende der Therapie sei es bei den meisten Patienten nicht zu Funktionsstörungen gekommen, so Willich. Die wenigen Patienten, bei denen die Nieren in Mitleidenschaft gezogen wurden, hatten eine höhere Strahlendosis erhalten. „Diese Erkenntnis werden wir bei der Behandlung zukünf tiger Patienten 46 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 berücksichtigen”, erklär t Willich. Ähnliche Auswertungen wurden zu Auswir­k ungen einer Strahlentherapie auf Speicheldrüsen und Lunge durchgeführt. Weitere Analysen sind in Vorbereitung. „Da sich einige Spätschäden erst nach vielen Jahren zeigen, ist es wichtig, das Register fortzuführen“, sagt Willich. „Je mehr Kinder erfasst werden und je länger die Nachbeo­ bachtungszeiten sind, desto besser können wir bei zukünftigen Patienten Nutzen und Risiken der T herapie gegeneinander abwägen.“ Die DEGRO setzt sich deshalb dafür ein, die Beobachtung von Spätfolgen weiter voranzutreiben. Die deutschen Strahlentherapeuten tauschen ihre Erfahrungen mit Exper ten anderer Länder aus. Eine enge Kooperation besteht mit Schweden. Dort wurde auf der Basis der RiSK-Struktur und der RiSK-Dokumentation ein gleichartiges schwedisches Register aufgebaut. Quelle: Bölling T, Ernst I, Pape H, Martini C, Rübe C, Timmermann B, Fischedick K, Kortmann RD, Willich N. Dose-Volume Analysis of Radiation Nephropathy in Children: Preliminary Report of the RiSK Consortium. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2010; doi:10.1016/j.ijrobp.2010.03.021 Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) Kommentar des Herausgebers Kommentar des Herausgebers Von Beleuchtern und Gaffern und der Notwendigkeit komplexe Themen richtig zu beleuchten Klaus Meier B ei Film- und Fernsehproduk­ tionen arbeiten Beleuchter eng mit Kameraleuten zusammen, die für die Lichtgestaltung die künstlerische Verantwortung tragen. Der ihnen vorgesetzte Oberbeleuchter (engl.: Gaffer) ist sowohl eine technische als auch eine kreative Instanz am Set. Der Begriff Gaffer gilt auch für solche Personen, die sich zur Beobachtung eines spektakulären Ereignisses einfinden und für die das Anschauen einer Katastrophe ohne eine aktive helfende Beteiligung eine erfüllende Lebensweise darstellt. Wie wollen wir nun das Verhalten der Apothekerverbände gegenüber der gesetzgebenden Instanz bezeichnen? Sind die Apothekerverbände, die die Änderung der Apothekenbetriebsordnung mit all ihren Facetten betrachten, als passive oder aktive Gaffer zu bezeichnen? Die von interessier ter Seite ge wünschte Verschiebung von pharmazeutischer Dienstleistung in industrialisierte ausserapothekerliche Produk tionsbereiche stellt eine Gefährdung der patienten- und ortsnahen pharmazeutischen Versorgung onkologischer Patienten dar. Wenn nun Menschen, wie gewählte Politiker, die sich mit diesen kom- plexen Fragestellungen in der Praxis noch nicht befasst haben und daher auf fremden Rat angewiesen sind, wenn diese Menschen zu Gaffern würden, dann würde man ihnen zumindest auch im passiven Fall ein Wahrnehmungsinteresse zubilligen können. Bei vielen Menschen ist noch nicht mal dies der Fall! Wir onkologischen Pharmazeuten in der DGOP verstehen uns als kreative Instanz mit ganzheitlicher Sicht auf den Behandlungsprozess und den onkologischen Patienten im Mittelpunkt. Die Behandlung unserer Patienten ist nicht mit intervallhafter Infusionstherapie beendet. Denn das Leben mit einer chronischen Krebserkrankung findet erfreulicherweise in zunehmendem Maße statt. Wer kümmert sich um die pharmazeutische Versorgung der Überlebenden, ihre Fragen und die begleitenden Therapien? Wer wird sie bei der Einnahme von Tabletten insbesondere der oralen Zytostatika begleiten, damit die Adherence unterstützt werden kann? Das können alle Apothekerinnen und Apotheker sein, die sich nicht die Verantwortung abnehmen und zu Ausgabeautomaten von Fer tigarzneimitteln degradieren lassen. Wozu sonst so viel Ausbildung, die Qualifikation, die Zertifizierungen? Die DGOP warnt eindringlich vor einer drohenden Liquidierung der apothekerlichen Kunst nicht nur durch unwissende Externe, sondern vor allem auch durch wissende Interne. Allen Versuchen, die Herstellungskunst von patientenindividuellen arzneilichen Lösungen in Apotheken einzuschränken, muss widerstanden werden, das ist nur allzu richtig und wichtig. Es muss, wie es die DGOP mit ihrer Zertifizierung nach QuapoS vorlebt, diese Herstellungskunst dokumentiert und auf hohem Niveau weiter entwickelt werden. In der Folge wird dann die Abgabe oraler Zytostatika in der Öffentlichkeit auch nicht mehr als eine Versandbearbeitung erscheinen. Sondern eine Wissen voraussetzende Handlung und eine pharmazeutische Betreuung durch den ausgebildeten Apotheker vor Ort unterstützen die Krebspatienten wirksam. Auch dies ist eine schützenswerte Maßnahme, die der Erkenntnisverbreitung und vor allem des Engagements all jener bedarf, die dazu in der Lage sind und die sowohl technische als auch kreative Instanz in der Apotheke vor Ort sind. Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 47 Pressemitteilung ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTE Grenzen überwinden, Palliativ-Versorgung verbessern Palliativexperten kritisieren Strukturdefizite in Deutschland Menschen mit einer unheilbaren Erkrankung haben einen gesetzlichen Anspruch auf umfassende Palliativ-Versorgung. Dabei sollen weder ihr Alter, noch die Art ihrer Grunderkrankung oder der Ort, an dem sie betreut werden wollen oder müssen, eine Rolle spielen. Fakt ist jedoch, dass dieser Anspruch nicht bundesweit flächendeckend umgesetzt werden kann, weil entsprechende Angebote noch fehlen. Bei der AuftaktPressekonferenz des 8. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DPG) in Dresden am 9. September 2010, appellierte Professor Dr. Christof Müller-Busch, Präsident der DGP, die Strukturdefizite rasch zu beheben und die Bemühungen für eine flächendeckende Versorgung zu intensivieren. „Wir benötigen einen flächendeckenden Auf- und Ausbau von Versorgungs- und Betreuungsstrukturen“, so Müller-Busch. „Hinzu kommt die Implementierung des Versorgungsanspruchs in bestehende Einrichtungen und eine bessere Qualifikation der im Gesundheits- und Sozialwesen Tätigen. Denn noch immer sind viele Betroffene und ihre Angehörigen sowie die professionellen Helfer nicht ausreichend über die Möglichkeiten und Angebote im Rahmen der Palliativ- und Hospizversorgung informiert.“ „Der Bedarf an Palliativmedizin wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Die Menschen werden immer älter und die Krebskrankheiten nehmen zu“, so Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. „Unsere Organisation versteht sich als Sprachrohr der Krebs-Patienten und appelliert daher auch an Bund, Länder und alle Gesundheitsorganisationen, sich künftig noch stärker als bisher für die Palliativmedizin einzusetzen.“ Die Deutsche Krebshilfe ist Wegbereiterin der Palliativmedizin in Deutschland und hat bislang über 60 Millionen Euro in den Auf- und Ausbau der Palliativmedizin investiert. Ein konzertiertes Zusammenwirken aller im Gesundheitssystem verant wor tli- chen Kräfte ist auch notwendig, um die so genannte Spezialisier te Ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV ) voran zu bringen, für die es bereits seit 2007 eine gesetzliche Grundlage gibt. „Der Aufbau von SAPV-Teams kommt jedoch aus einer Vielzahl von Gründen nur sehr zögerlich in Gang“, so Kongresspräsidentin Dr. Barbara Schubert. „Einerseits steht eine völlig neue Aufgabe vor allen Beteiligten, andererseits fehlen insbesondere in ländlichen Regionen sowohl Konzepte als auch die notwendigen personellen Kapazitäten zu ihrer Umsetzung – und letztlich treten Kostenträger zögerlich bei den notwendigen Vertragsabschlüssen auf.“ „ Auch die geplante Novellierung der Betäubungsmittel-Verordnungsvorschrift stellt durchaus einen wichtigen Schritt in der Verbesserung der Versorgung von Palliativpatienten mit Opioiden dar. Allerdings bedarf es struktureller und organisatorischer Änderungen beispielsweise in Hospizen, damit diese Verbesserungen auch umsetzbar sind“, so Kongresspräsident Professor Dr. Rainer Sabatowski. Im Rahmen des 8. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, der vom 9. bis 11. September 2010 im Internationalen Congress Center Dresden stattfand, diskutierten rund 2.000 48 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter dem Motto „Grenzen überwinden“: „Der Zeitpunkt des Kongresses ist gesundheitspolitisch günstig und wichtig“, so Kongresspräsident PD Dr. Ulrich Schuler. „Denn die Diskussion um die Begleitung Schwerstkranker und Sterbender nimmt derzeit im öffentlichen Diskurs breiten Raum ein.“ In zahlreichen Plenar veranstaltungen, Diskussionsrunden und Workshops werden die Teilnehmer auf Basis des bereits Erreichten Konzepte erarbeiten, um die Zukunft der Palliativmedizin in Deutschland aktiv zu gestalten. „Problematisch bleibt aber, dass an den meisten medizinischen Fakultäten bisher noch kein Lehrstuhl für Palliativmedizin etabliert wurde. Insbesondere in den so genannten neuen Bundesländern gibt es derzeit noch keinen einzigen Lehrstuhl“, so Sabatowski. Im Rahmen des Kongresses werden daher auch ein Studentenseminar angeboten und verschiedene Lehrmodelle in einem eigenen Symposium vorgestellt. Vor dem Hintergrund der Einführung von Palliativmedizin als verpf lichtendem Querschnittsbereich im Medizinstudium erscheint dies unverzichtbar. Darüber hinaus sind neben der Etablierung der Palliativmedizin als eigenständigem Fach auch der weitere Ausbau der interdisziplinären Zusammenarbeit mit den angrenzenden Fachgebieten und die Verankerung palliativmedizinischen Denkens in der Ausbildungs- und Alltagspraxis wichtige Themen. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DPG) Lebender Kolumnentitel Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 49 Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung Von Anita Waldmann, Rüsselsheim D ie internationale Selbsthilfegruppe von Myelom-Patienten wollte es wissen: welchen Weg nehmen Patienten, bis die Diagnose Multiples Myelom gestellt werden konnte und wie lange dauert dieser Weg? Dafür befragte Myeloma Euronet, ein europaweites, gemeinnütziges Netzwerk, das sich ausgehend von lokalen Selbsthilfegruppen für Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom (vgl. Tab. 1) entwickelt hat, sowohl Ärzte als auch Patienten und deren Angehörige. Aufgaben des europäischen Netzwerkes Myeloma Euronet: das Bewusstsein für das Multiple Myelom zu fördern, Informationen über die Diagnose, Behandlung und Versorgung von Menschen mit Multiplem Myelom bereitzustellen sowie die Mitgliedsorganisationen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Zur Entstehung von Myeloma Euronet Myeloma Euronet (ME) wurde im Jahr 2005 im Rahmen des 10. Kongresses der European Hematology Association (EHA, Europäischer Hämatologenkongress) in Stockholm gegründet und ist Mitglied der European Cancer Patient Coalition (ECPC), der European CanCer Organisation (ECCO), der European Organisation for Rare Diseases (EURORDIS) und der Internationalen Lymphoma Coalition. Myeloma Euronet arbeitet bei der European Medicines Agency (EMA) in der EHASWG “Quality of Life & Symptoms” und mit den Europäischen Stammzell-Transplanteuren (EBMT) zusammen. Myeloma Euronet ist als Interessenvertreter bei der Europäischen Kommission registriert. ME vertritt, auch gemeinsam mit Organisationen mit ähnlichen Zielsetzungen, die Interessen der Myelom Betroffenen. ME ist in Belgien als internationale Non-ProfitOrganisation (A.I.S.B.L.) eingetragen. Ausgangslage Mit jährlich etwa drei bis vier Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner sind Multiple Myelome selten, gehören aber zu den häufigsten bösartigen Tumorerkrankungen aus der Gruppe der Non-HodgkinLymphome (Tumoren von Knochen und Knochenmark). Drei Viertel aller Patienten mit Multiplem Myelom sind älter als 60 Jahre. Zu den stadiengerecht eingesetzten Behandlungsoptionen gehören neben symptomatischer Therapie vor allem Chemo- und Strahlentherapie sowie Blutstammzelltransplantationen. Die häufigsten Symptome beim Multiplen Myelom Knochenschmerzen Rückenschmerzen Knochenbrüche Müdigkeit/Schwächegefühl Aufgrund der Symptomatik (vgl. Kasten) werden von den Patienten vor allem Hausund Allgemeinärzte aber auch Orthopäden und Traumatologen aufgesucht. Dies verur- sacht oft eine Verzögerung der Behandlung durch den zuständigen Hämatologen/Onkologen. Deshalb versucht die vorliegende erste internationale Umfrage zur MyelomErkennung bei Ärzten und Patienten u.a. folgende Fragen zu beantworten: Von wem erhalten die Patienten ihre Myelom-Diagnose? Was tun Ärztinnen und Ärzte aus verschiedenen nicht-hämatologischen und nicht-onkologischen Fach­bereichen, um das Myelom zu erkennen? Wieviel Zeit vergeht zwischen dem ersten Arztbesuch und dem Entdecken des Myeloms? Was sollte getan werden, um Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose zu vermeiden? Fragebogenaktion An der zwischen Juni und Dezember 2009 durchgeführten Umfrage nahmen insgesamt 303 Ärzte aus 56 Ländern (91% aus europäischen Ländern) und 349 Myelom-Patienten und Angehörige aus 37 Behandlungsländern (90% aus europäischen Ländern) teil (Abb. 1). Die Ergebnisse der durch eine nicht zweckgebundene Zuwendung von Celgene International ermöglichten Umfrage zur Myelom-Erkennung wurden beim 15. Kongress der Europäischen Vereinigung für Hämatologie in Barcelona, Spanien im Juni 2010 vorgestellt. Tab. 1: Ausgewählte Patientenselbsthilfeinitiativen in Deutschland Patientenselbsthilfe Organisation Homepage DLH Deutschen Leukämie- & Lymphom-Hilfe www. Leukaemie-hilfe.de APMM Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Plasmozytom/ Multiples Myelom-Selbsthilfegruppen www.myelom.org/ Leukämiehilfe RHEIN-MAIN http://www.lhrm.de Leukämie- & Lymphom-Hilfe Metropolregion RHEIN-NECKAR www.leukaemie-hilfe.de Myeloma Euronet A.I.S.B.L. (Association International Sans But Lucrative) www.myeloma-euronet.org ME 50 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Myelom-Erkennung ptome wie Müdigkeit/Schwächegefühl, wiederkehrende Infektionen oder Kurzatmigkeit gehören jedoch nicht zu den von ihnen behandelten Symptomen. 3. Routinetests bei Myelom-Symptomen 93 % der A/H gaben an, dass sie bei Myelom-Symptomen normalerweise einen Bluttest machen würden, und mehr als zwei Drittel würden eine Röntgenuntersuchung oder einen Urintest durchführen. 90 % der Orthopäden/Traumatologen (O/T) gaben an, dass sie die Knochen röntgen würden, drei von vier würden einen Bluttest durchführen, einer von zweien würde entweder eine Magnetresonanz-Tomographie (MRT) oder eine Computer-Tomographie (CT) machen. Abb. 1: Teilnehmer der internationalen Umfrage zur Myelom-Erkennung Umfrage-Ergebnisse bei den Ärzten 1. Praxiserfahrung Die Mehrzahl der befragten Allgemein- und Hausärzte (A/H) und Orthopäden/Traumatologen (O/T) waren bereits seit mehr als 5 Jahren in ihrem jeweiligen Fachbereich tätig. 2. Üblicherweise von ihrer medizinischen Fachdisziplin behandelte Myelom-Symptome 89 % der Allgemein- und Hausärzte behandeln üblicherweise Rückenschmerzen. Rund 60 % gaben an, dass Symptome wie Müdigkeit/Schwächegefühl, Knochenschmerzen, wiederkehrende Infektionen und Kurzatmigkeit zu ihrem Fachgebiet gehören. Mehr als ein Viertel der Allgemein- und Hausärzte in dieser internationalen Umfrage behandeln üblicherweise auch Knochenbrüche. Mehr als zwei Drittel der Orthopäden und Traumatologen gaben an, dass sie üblicherweise Rückenschmerzen, Knochenschmerzen und Knochenbrüche behandeln. Sym- 4. Vertrautheit mit dem Multiplen Myelom Auf die Frage nach ihrer Vertrautheit mit dem Multiplen Myelom gab etwas mehr als die Hälfte der antwortenden Allgemeinärzte an, dass sie „nicht sehr vertraut” mit dieser Erkrankung seien, von den Orthopäden/Traumatologen sagten das 41 % von sich. Dagegen waren nur 12 % der Allgemeinärzte und 6 % der Orthopäden oder „überhaupt nicht vertraut” mit dem Multiplen Myelom. Die Umfrage zeigte auch, dass O/T besser mit dem Multiple Myelom vertraut sind als A/F: Etwa die Hälfte der O/T, aber nur etwa ein Drittel der Allgemein- und Hausärzte gaben an, dass sie „ziemlich vertraut” Tab. 2: Themen der Fragen an Ärzte und Myelom-Patienten und deren Angehörige Frage An Ärzte An Patienten und Angehörige 1 Praxisjahre Erste Symptome 2 Üblicherweise von ihrer jeweiligen medizinischen Fachdisziplin behandelte Myelom-Symptome Erster aufgesuchter Gesundheitsexperte 3 Routinetests bei Myelom-Symptomen Erste Überweisung 4 Vertrautheit mit dem Multiplen Myelom Behandlungen vor der Myelom-Erkennung 5 Mit dem Multiplen Myelom assoziierte Symptome Fachbereich des Arztes, der das Myelom entdeckte 6 Erfahrungen im Entdecken des Myeloms Zur Myelom-Erkennung genutzte Methoden 7 Schwierigkeiten beim Erkennen des Myeloms wegen ‘unklarer Symptome’ Zahl der aufgesuchten Ärzte bis zur Erkennung des Myeloms 8 Erfahrungen mit der Überweisung zum Myelom-Spezialisten Zeit zwischen dem ersten Arztbesuch und der Myelom-Diagnose 9 Bereitschaft, vor Behandlung der Symptome auf Myelom zu untersuchen Notwendige Schritte zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose 10 Notwendige Schritte zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 51 Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung oder „sehr vertraut” mit dem Multiplen Myelom seien. 5. Mit dem Multiplen Myelom assoziierte Symptome Allgemein assoziieren A/H mehr Symptome mit dem Multiplen Myelom als O/T. Für beide befragten Arztgruppen sind die am meisten mit dem Multiplen Myelom assoziierten Symptome (Rangfolge): 1. Knochenschmerzen 2. Rückenschmerzen 3. Knochenbrüche 4. Müdigkeit/Schwächegefühl 6. Erfahrungen im Entdecken des Myeloms Die Mehrzahl der A/H und O/T gaben an, dass sie selten oder nie ein Multiples Myelom bei einem ihrer Patienten entdeckt haben. Allerdings gaben etwa 20% der A/H und 33,3% der O/T an, dass sie ab und zu ein Multiples Myelom erkannt haben. 7. Schwierigkeiten beim Erkennen des Myeloms wegen „unklarer Symptome“ Die Mehrzahl der A/H und O/T gab an, dass es aufgrund von „unklaren Symptomen“ schwierig ist, angemessene Tests zur Erkennung des Multiplen Myeloms durchzuführen. Mehr als ein Drittel von beiden Gruppen stimmten dieser Beobachtung „voll” zu und etwa die Hälfte „neigte zur Zustimmung“. 8. Erfahrungen mit der Überweisung zum Myelom-Spezialisten Fast zwei Drittel der A/H und etwa die Hälfte der O/T gaben an, dass sie „selten” oder „nie” einen ihrer Patienten zu einem Myelom-Spezialisten überwiesen haben. Allerdings antworteten 40 % der A/H und 53 % der O/T, sie hätten „häufig” oder „ab und zu” einen oder mehrere ihrer Patienten zu einem Myelom-Spezialisten übergeschickt. 9. Bereitschaft, vor Behandlung der Symptome auf Multiples Myelom zu untersuchen Auf die Frage, ob sie bereit wären, einen Patienten mit einem oder mehr der oben beschriebenen Symptome vor einer Symptom-Behandlung auf ein Multiples Myelom hin zu untersuchen (z. B. einen Bluttest durchzuführen), gab die Mehrzahl der A/H und O/T an, dass sie „voll damit einverstanden” oder „im Prinzip damit einverstanden” wären. Von den A/H und O/T, die damit „eher nicht einverstanden“ oder „absolut nicht einverstanden“ wären, gaben nur sehr wenige Gründe für Ihre Ablehnung an. Die Ablehnung wurde unter anderem mit Aussagen begründet wie: „Nur in einer bestimmten Altersgruppe und wenn die Schmerzen nicht verschwinden”; „Diese Klagen kommen zu häufig”; „Weil das alles sehr häufige Symptome sind”; „Erst Behandlungsversuch, wenn kein Ergebnis, dann [sollten wir an] die andere Krankheit denken”; „Weil es nicht so häufig ist”; „Diese Symptome treten bei so vielen anderen Krankheiten auf.” 10. Notwendige Schritte zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose Die Mehrzahl der A/H und O/T stimmte darin überein, dass die bessere Information der Ärzte der wichtigste Schritt zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose ist, gefolgt von einer besseren Ausbildung von Ärzten. Laut den A/H ist ein weiterer Schritt zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose die Verbesserung der Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Wohingegen O/T der Meinung waren, dass eine bessere Zusammenarbeit zwischen medizinischen Fachrichtungen der nächstwichtige Schritt ist, um die Myelom-Diagnose zu beschleunigen. Der wichtigste Schritt zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose ist die bessere Information von medizinischen Fachleuten. Umfrage-Ergebnisse bei den Myelom-Patienten und ihren Angehörigen 1. Erste Symptome Die vor dem ersten Aufsuchen des Arztes am häufigsten aufgetretene Symptome (Rangfolge) waren: 52 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 1. Rückenschmerzen 2. Müdigkeit/Schwächegefühl 3. Knochenschmerzen 4. wiederkehrenden Infektionen 5. Kurzatmigkeit 6. Knochenbrüche 2. Erster aufgesuchter Gesundheitsexperte 64 % der Myelompatienten und 60 % Angehörigen gaben an, dass der Allgemeinbzw. Hausarzt (A/H) der erste Arzt war, der aufgrund der aufgetretenen Symptome aufgesucht wurde. In nur etwa einem von 20 Fällen war der erste konsultierte Arzt ein Orthopäde/ Traumatologe (O/T). Auch Hämatologen gehören nicht zu den ersten Gesundheitsexperten, die aufgesucht werden, wenn Patienten mit Myelom-Symptomen konfrontiert sind. 3. Erste Überweisung Auf die Frage, zu welchem Gesundheitsexperten die Patienten nach dem ersten Arztbesuch überwiesen wurde/n, antworteten weniger als die Hälfte der der Patienten und weniger als ein Viertel der Angehörigen, dass die Patienten zu einem Hämatologen überwiesen wurde/n. Der in diesem Zusammenhang am zweithäufigsten genannte Gesundheitsexperte war der Onkologe, gefolgt vom Orthopäden, dem Allgemein-/Familienarzt und dem Rheumatologen. 5% der befragten Patienten und 14,3 % der Angehörigen gaben an, dass der fragende Patient nach dem ersten Arztbesuch überhaupt keine Überweisung erhalten hatte. 4. Behandlungen vor der Myelom-Erkennung Etwa die Hälfte der Patienten und ein Viertel der Angehörigen erklärten, dass die Patienten nach dem ersten Arztbesuch und vor dem Entdecken des Myeloms keine medizinische oder anderweitige Behandlung erhalten haben. Andererseits gaben nahezu die Hälfte der Patienten und fast zwei Drittel der Angehörigen an, dass eines oder mehrere Symptome behandelt wurden. Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung Abb. 2: Fachbereich des Arztes, der das Multiple Myelom entdeckte (Patienten und Angehörige lt. Internationaler Umfrage) Abb. 3: Die Dauer vom ersten Arztbesuch bis zur Erkennung des Myeloms in der internationalen Umfrage. Laut den Patienten und Angehörigen, die auch die nach dem ersten Arztbesuch erhaltenen Behandlungen angegeben haben, war die am häufigsten erhaltene Behandlung die Schmerztherapie, gefolgt von physiotherapeutischer/ chiropraktischer/osteopathischer Behandlung, orthopädischen Eingriffen sowie Infektionsund Entzündungsbehandlungen. 5. Fachbereich des Arztes, der das Myelom entdeckte Übereinstimmend gaben je 47 % der Patienten und 47 % der Angehörigen an, dass der Hämatologie die richtige Diagnose stellte und das Multiple Myelom entdeckte. 6. Zur Myelom-Erkennung genutzte Methoden Die am häufigsten zur Myelom-Erkennung eingesetzten Methoden (Rangfolge) sind laut Aussagen von Patienten und Angehörigen in der internationalen Umfrage: 1. Untersuchung des Knochenmarks (Biopsie) 2. Bluttest 3. Röntgenaufnahmen von Knochen, 4. Urintest, 5. Magnetresonanz-Tomographie (MRT) 6. Computer-Tomographie (CT) 7. Zahl der aufgesuchten Ärzte bis zur Erkennung des Myeloms Von den Patienten sagten etwa drei Viertel, dass sie bis zur Erkennung des Myeloms 1-3 Ärzte aufgesucht haben, aber fast ein Viertel der Patienten musste vier Ärzte oder mehr aufsuchen, bevor die Ursache für die Symptome identifiziert war. Laut den Angehörigen haben nur etwa zwei Drittel der Patienten bis zur Erkennung des Myeloms 1-3 Ärzte aufgesucht, und mehr als ein Drittel gab an, dass vier Ärzte oder mehr nötig waren, um die Ursache der Symptome zu erkennen. Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 53 Lebender Kolumnentitel Poster DLLH_MM_FV_QXP7.3 Allerdings sagten 30 % der Patienten und 20 % der Angehörigen, dass nur ein Arzt aufgesucht wurde, der auch die Diagnose stellte. Seite 1 Sie haben ... ☞ »unspezifische« Knochenschmerzen? ☞ »rheumatische« Schmerzen? ☞ »empfindliche« Skelett-Druckschmerzen? ☞ »unerklärliche« Spontan-Knochenbrüche? Sie leiden ... ☞ außerdem häufig an einem allgemeinen Schwächegefühl? Oder doch eher ein Fall für den Hämato-Onkologen? Durchschnittliche Dauer bis zur Erkennung des Multiplen Myeloms über ein halbes Jahr! (Spezialist für Bluterkrankungen und Tumore) Wenn alle Behandlungen (Medikamente, Massagen, etc.) bisher keine Besserung gebracht haben: 9. Notwendige Schritte zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diag­nose Die Patienten und Angehörigen stimmten darin überein, dass der wichtigste Schritt zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose die bessere Information von Ärzten ist, gefolgt von einer besseren Ausbildung der Ärzte und einer besseren Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen medizinischen Fachrichtungen. Bitten Sie Ihren behandelnden Arzt ☞ um eine Blutuntersuchung, so dass er prüfen kann, ob es sich eventuell um ein sogenanntes multiples Myelom (Plasmozytom) oder eine andere hämatologische Erkrankung handeln kann, oder ☞ dass er Sie zu einem Spezialisten (»Hämato-Onkologen«) überweist. Neben Röntgenuntersuchungen, die Veränderungen im Skelettsystem sichtbar machen können, geben Laborbefunde des Blutes und des Urins Aufschluss über »typische« Veränderungen (hohe Eiweißwerte, Verklumpungen der roten Blutkörperchen, erhöhte Blutsenkung und Kalziumwerte). Ausblick Die Umfrage ergab, dass nach Auskunft der Patienten es durchschnittlich bis zur Erkennung des Multiplen Myeloms über ein halbes Jahr dauert. Die Ergebnisse der internationalen Umfrage werden von der Patientenselbsthilfegruppe Myeloma Euronet künftig genutzt werden, um europa- und weltweit Mediziner und Patienten sowie politische Entscheidungsträger dazu zu bewegen, der Frage der Myelom-Erkennung eine größere Bedeutung beizumessen. Denn die Ergebnisse der internationalen Umfrage zur Myelom-Erkennung zeigen 17:10 Uhr Ein Fall für den Orthopäden? 8. Zeit zwischen dem ersten Arztbesuch und der Myelom-Diagnose Nach Aussage der Myelom-Patienten lag die durchschnittliche Dauer vom ersten Arztbesuch bis zur Erkennung des Myeloms bei mehr als 164 Tagen oder etwa 5,5 Monaten. Laut den Angehörigen betrug die durchschnittliche Zeit zur Erkennung des Myeloms mehr als 236 Tage oder knapp acht Monate (Abb. 3). Als wichtigste Schritte zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose wird die bessere Information und Ausbildung von Ärzten sowie eine Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit angesehen. 01.10.2008 Weitere Informationen finden Sie unter www.myeloma-euronet.org oder bei der APMM (einer Interessengemeinschaft von Patienten mit Multiplem Myelom/Plasmozytom in der Deutschen Leukämie- & Lymphom-Hilfe e.V.) www.leukaemie-hilfe.de Telefon 0228/33 88 9 200 Abb.4: Ein Informationsplakat der Myeloma-Euronet und Deutschen Leukämie-Hilfe zur Information von Patienten mit unklaren Symptomen. Wege zur Verkürzung einer schmerzhaften und langwierigen Patienten-Odyssee deutlich auf. Darüber sollen auch Patienten verstärkt informiert werden. Sicher wird auch dieser Beitrag dazu beitragen, dass im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung Patienten mit entsprechender Symptomatik informiert und motiviert werden. 54 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Autorin: Anita Waldmann Präsidentin Myeloma Euronet A.I.S.B.L. c/o Leukämiehilfe RHEIN-MAIN e.V. Falltorweg 6 65428 Rüsselsheim E-Mail: [email protected] Pressemitteilung ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTE Die Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS) plant ihren zweiten Jahreskongress im März 2011 Nachdem der erste ASORS Jahreskongress im Oktober 2009 in München ein voller Erfolg war, plant die ASORS nun ihren zweiten Jahreskongress am 25. und 26. März 2011 in Berlin. Informationen zum Programm und zur Anmeldung findet man unter www. kongresseonline.de/asors_2011. Da die Tumortherapie einem ständigen Wandel unterliegt, müssen supportive und rehabilitative Strategien an diese Veränderungen angepasst werden. Wie wichtig diese Maßnahmen international angesehen sind, wurde auf den diesjährigen Jahreskongressen der amerikanischen Krebsgesellschaft ASCO und der Multinational Association of Supportive Care in Cancer (MASCC) deutlich. ASCO würdigte die Supportivtherapie durch eine noch nie dagewesene Vielzahl an Beiträgen zu den Themen Supportivtherapie, Rehabilitation, Lebensqualität, Sur vivorship, Langzeitfolgen und mehr. Die Kongressveranstalter greifen diese Daten auf und möchten interessierten Kollegen aller Fachdisziplinen ein praxisnahes Update über die neuen Erkenntnisse aus dem Arbeitsgebiet vermitteln. Der Kongress bietet einen breiten Überblick über supportive Maßnahmen und Rehabilitationsstrategien bei Tumorerkrankungen. In den Plenarsitzungen werden einzelne Themenkomplexe dargestellt und die aktuellen Therapieempfehlungen analysiert. Themen der Pharmazie, Psychoonkologie, Pflege und Sozialmedizin finden ebenso Berücksichtigung wie medizinische Fragestellungen. In Workshops werden Schwerpunktthemen zwischen Teilnehmern und Experten diskutiert. Außerdem ist eine Posterausstellung geplant, zu der noch Beiträge angenommen werden. Die ASORS hat zum Ziel, die Tumortherapie durch supportive und rehabilitative Maßnahmen zu unterstützen, aggressive kurative Therapien zu ermöglichen, palliative zu erleichtern und die Wiedereingliederung in ein normales Alltagsleben zu ermöglichen. Die ASORS vereint unterschiedliche Berufsgruppen, die mit der Betreuung onkologischer Patienten beschäftigt sind. Mitglieder der ASORS sind Ärzte, Pflegende Pharmazeuten, Psychologen, Sozialpädagogen und Zahnärzte. Neue Mitglieder sind herzlich willkommen, Voraussetzung ist die Mitgliedschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft. Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft für Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS) Die Qualitätsstandards für den onkologisch-pharmazeutischen Service (QuapoS 4) liegen seit 2009 in der 5. Auflage vor. Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 55 Pressemitteilung ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITT ueber-lebensbuch.de informiert Hier erfahren Brustkrebspatientinnen relevante Neuigkeiten aus der Krebsforschung Die Website www.ueber-lebensbuch.de informiert Brustkrebspatientinnen über relevante Neuigkeiten aus der Krebsforschung. Die Meldungen sind allgemeinverständlich von unseren Autorinnen Ursula Goldmann-Posch und Rita Rosa Martin aufbereitet, die – beide Medizinjournalistinnen und selbst an Brustkrebs erkrankt – aus eigener Erfahrung wissen, welche Informationen für Betroffene wesentlich sind, um ihrer Erkrankung aktiv und eigenverantwortlich entgegenzutreten. „Antidepressiva behindern die Wirkung von Tamoxifen“ lautet die aktuellste Meldung auf www.ueber-lebensbuch.de von Ursula Goldmann-Posch, die mit der Veröffentlichung der Studienergebnisse zeitlich sogar einschlägigen Fachmedien voraus war. www.ueber-lebensbuch.de entstand mit dem Erscheinen der 4. Auflage des ÜberLebensbuch Brustkrebs 2009. Auf dieser Plattform haben Patientinnen die Möglichkeit, sich nützliche Gesprächnotizen im Vorfeld des Arztbesuches kostenlos herunterzuladen und auszudrucken – unabhängig davon, ob sie das Buch gekauft haben. Zudem können Leserinnen Rückmeldungen zum Buch geben und Kontakt mit den Autorinnen aufnehmen. Reinklicken lohnt sich: w w w. ueberlebensbuch.de! Zu den Autorinnen: Ursula Goldmann-Posch, Jahrgang 1949, ist Redakteurin und Autorin mehrerer Sachbücher. Sie rief die Patientinnen-Initiative „mamazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs e.V.“ sowie die beiden Stiftungen „PATH – Patienten Tumorbank der Hoffnung“ und „PONS-S für eine Patienten Orientierte Nachsorge von Brustkrebs“ ins Leben. Ursula Goldmann-Posch arbeitet ehrenamtlich in allen drei Organisationen. Rita Rosa Martin, Jahrgang 1956, ist Ärztin mit Berufserfahrung in Gynäkologie, Naturheilverfahren sowie Psychosomatik und seit Januar 2000 Medizinjournalistin. Sie engagiert sich seit ihrer Brustkrebsdiagnose beruflich und ehrenamtlich im Kampf gegen Brustkrebs. 2001 gründete sie die Patientinnen-Initiative „BREAST HEALTH - bewusst handeln gegen brustkrebs e.V.“ sowie die Aktion „Lucia“, eine bundesweite Auftaktveranstaltung zum Brustkrebsmonat Oktober. Rita Rosa Martin hat mehrere Patientenratgeber geschrieben. Dieses Buch war der Ausgangspunkt für die Erstellung von www.ueber-lebensbuch.de: Goldmann-Posch / Martin Über-Lebensbuch Brustkrebs Die Anleitung zur aktiven Patientin 56 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 In Abstimmung mit international anerkannten Brustkrebs-Experten 4., aktualisierte Auflage 2009. 384 Seiten, 15 Abb., 26 Tab., kart. mit herausnehmbarem Therapietagebuch (80 Seiten) €(D) 39,95 €(A) 41,10 ISBN: 978-3-7945-2487-7 Pressekontakt Stefanie Albert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Schattauer GmbH Verlag für Medizin und Naturwissenschaften Hölderlinstrasse 3 70174 Stuttgart Tel: 0711-22987-20 Fax: 0711-22987-85 E-Mail: stefanie.albert(at)schattauer.de Transarterielle Chemoembolisation (TACE) Transarterielle Chemoembolisation (TACE ) – Wirkungsoptimierung von Zytostatika Von Henrik Justus, Uslar Einleitung Nachdem mit dem Antimetaboliten Methotrexat erfolgreich ein Chorionkarzinom behandelt werden konnte, wurde ab 1956 die Suche nach weiteren Stoffen intensiviert, mit denen man Tumorzellen systemisch bekämpfen kann. Mit der Bestrahlung von Tumorzellen kam ein weiteres Therapiefeld hinzu. Darauf auf bauend wurden weitere Verfahren zur Erhöhung der lokalen Konzentration der antineoplastischen Arzneistoffe in der Tumorzelle entwickelt, um die Effektivität der Therapie zu erhöhen. In diesem Zusammenhang ist die wohl bekannteste Möglichkeit, um z.B. die Blut-Hirnschranke zu umgehen, die intrathekale Gabe von Zytostatika bei Hirntumoren. Eine weniger bekannte Möglichkeit, die Wirkstoff konzentration im Tumorgewebe zu erhöhen, ist die Transarterielle perkutane Chemoembolisation (TACE). Diese basiert auf der selektiv regionalen Applikation eines Zytostatikums mit gleichzeitiger Okklusion von Leberarterien. Diese Kombination der lokalen Chemotherapie, welche die Kontaktzeit zwischen Zytostatikum und Tumorzelle verlängert und die Minderdurchblutung innerhalb des Tumorgewebes mit nachfolgender Nekrose ermöglicht eine symbiotische, maximierte Behandlung. Durch die Leistenarterie (Arteria femoralis) wird ein Sondierungs-Katheter über die Aorta in den Trunctus coeliacus plaziert. Mittels Röntgenkontrastmittel wird die Tumors, der Gefäßtopografie und des zu embolisierenden Bereiches ab. Eine nähere Positionierung des Katheters zum Tumor ist dabei von Vorteil, weil so eine höhere Wirkung des Zytostatikums im Tumor erreicht werden kann. Mittels Mikrokatheter (1,8 – 2,7 French (Charrière) Durchmesser) können auch tiefere Bereiche der Leber verschlossen werden. Die TACE-Behandlung sollte je nach Therapieerfolg mehrfach wiederholt werden, Aus pharmazeutischer Sicht gibt es einige Besonderheiten, die in der Praxis Beachtung finden sollten. Durchführung der TACE Zur Durchführung der TACE sind ein guter Allgemeinzustand des Patienten, eine offene Pfortader, kein Aszites, eine ausreichende Leberfunktion sowie normale Gefäßarchitektur, die eine Perfusion beider Leberlappen erlaubt, Voraussetzungen. Vor dem Eingriff wird durch den Interventionellen (Therapeutischen) Radiologen mit Hilfe digitaler bildgebender Verfahren ein Plan erstellt, um mittels Angiographiekatheter das Embolisat so genau wie möglich in das Tumorgewebe zu positionieren. Abb. 1: Schematische Darstellung der Katheterlokalisation bei erfasster Tumorlage (blauer Stern ) [10] Lage des Katheters laufend überprüft. Von dort aus wird mit einem weiteren Katheter in die Arteria hepatica communis, Arteria hepatica sinistra oder Arteria hepatica dextra vorgeschoben (Abb. 1). Die Positionierung der Spitze des Katheters hängt von der Lage und Größe des Indikationen der TACE: Dieses minimal-invasive Verfahren wird vor allem beim inoperablen Hepatozellulären Karzinom (HCC) und bei der Behandlung von inoperablen Lebermetastasen angewandt. Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 57 Transarterielle Chemoembolisation (TACE) Comparison of active ingredient concentrations with and without DSM 10 mg 5-FU i.a. 10 mg 5-FU + DSM i.a. 70 800 60 Tumor 700 Tumor Serum 600 Serum µg /g 5-FU 50 µg /g 5-FU [3] 40 30 20 500 Abb. 2: Vergleich der Serumkonzentrationen von 5-Fluorouracil i.a. mit und ohne Embolisation durch DSM (Degradable Starch Microspheres) [10] 400 300 200 10 100 0 0 15 30 45 60 15 90 min 30 45 60 90 120 240 480 min DSM-TACE vs. conventional TACE [7] 60 60 50 Lipiodol ( n = 263 ) ( Dolantin i.v.) (22.8%) DSM ( n = 98 ) ( Dolantin i.a.) Patients 40 40 (15.2 % ) 30 33 26 20 ( 9.9 % ) 3 10 ( 1.6 % ) 0 (12.6 % ) Pain 6 4 ( 3.1% ) Nausea ( 4.1% ) Vomiting 2 ( 2.0 % ) 11 (4.2 %) Fever wobei zwei bis vier Behandlungen, die nach vier bis acht Wochen wiederholt werden, üblich sind. ren mit definiertem Durchmesser. So haben z.B. die die Mikrosphären bei Amilomer 50 einen mittleren Durchmesser von ca. 50µm. Zum Verschließen der Leberarterien werden hauptsächlich ein öliges Röntgenkontrastmittel (z.B. Lipiodol®) , Gelatine (Gelfoam®) oder abbaubare Stärke (EmboCept® S) verwendet. Das einst von der Firma Pharmacia/Pfizer vertriebene Präparat Spherex® ist nicht mehr auf dem deutschen Markt erhältlich. Stattdessen hat PharmaCept mit dem Präparat EmboCept®S die Lücke geschlossen. EmboCept®S mit Amilomer 50 ist ein in Deutschland zugelassenes verschreibungspflichtiges Medizinprodukt. Dessen Stärkepartikel werden von den körpereigenen Serum-α-Amylasen abgebaut und haben eine Halbwertszeit von 50 Minuten (Abb. 2 Vergleich Wirkstoff konzentration mit und ohne Embolisation). Der Blutfluss ist nach Injektion innerhalb von ca. 1,5 Std. wiederhergestellt. Lipiodol® und Gelfoam® bewirken einen längeren Verschluss (z.T. mehrere Wochen) und sind auch nicht für eine Embolisation zugelassen (Lipiodol® ist als Röntgenkontrastmittel, Gelfoam® als Haemostyptikum zugelassen). Der Inhaltsstoff von EmboCept®S ist Amilomer oder auch DSM (Degradable Starch Microspheres). Hierbei handelt es sich um mit Amylasen abbaubare Stärkemikrosphä- Abb. 3: Vergleich Verträglichkeit EmboCept® S Lipiodol® [10] 1 (1.0 % ) Chills Ein weiteres modernes Chemoembolisationsverfahren wird über die Technik der beladbaren Partikel (DCBead) der Firma Terumo angeboten. Bei den Basispartikeln handelt es sich um mit Sulfonat modifizierte Hydrogel-Polymer-Kapseln mit einem mittleren Durchmesser von 300-700 µm, welche aufgrund ihrer Oberflächenladung mittels einer Suspensionspolymerisationsreaktion Doxorubicin binden können. Der Bindungsvorgang benötigt allerdings einen Zeitraum von ca. einer halben Stunde. In einem ionischen Milieu, wie z.B. Plasma, wird das Doxorubicin wieder freigegeben und kann somit aus den Kapseln in das unmittelbar benachbarte Gewebe infiltrieren. Seit kurzem stehen neben diesen Partikeln mit Doxorubicin auch solche für Irinotecan 5 58 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Transarterielle Chemoembolisation (TACE) Option 1: Y-piece EmboCept® S Administered alternately Contrast medium for flow monitoring Chemotherapeutic Option 2: 3-way valve EmboCept® S Chemotherapeutic Mechanical mixing Contrast medium Abb. 4 und 5: Zumischungsmöglichkeiten [10] Therapieziele der TACE (Transarterielle Chemoembolisation) durch gezielte, zeitlich begrenzte Embolisation von Leberarterien einen vorschnellen Abtransport eines gleichzeitig verabreichten Zytostatikums zu verhindern. durch eine längere Embolisation eine Ischämie und damit durch eine Nekrotisierung hervorgerufene Tumorzerstörung zu erreichen. Vorteile der TACE (Transarterielle Chemoembolisation) deutlich geringere systemische Wirkstoff-Konzentration mit einer geringerer Nebenwirkungsrate für den Patienten komplikationsarme Anwendung bei guter Lebensqualität deutlich verkürzter Klinikaufenthalt Reduktion der Tumorwachstumsgeschwindigkeit/Regress des Tumors zur Verfügung. Weitere Kombinationen mit anderen Wirkstoffen sind aufgrund der entsprechend notwendigen Oberflächenladungen nicht absehbar. Nebenwirkungen der TACE Bei der Durchführung der TACE kann es vor allem zu einem so genannten PostEmbolisations-Sydrom (PES) mit den begleitenden Symptomen Schmerzen, Fieber, Übelkeit und Erbrechen kommen. Die Ätiologie des PES, das einige Stunden bis Tage andauern kann, ist noch nicht bekannt. Vermutet wird eine Kombination Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 59 Transarterielle Chemoembolisation (TACE) aus Ischämie und einem inflammatorischen Effekt. Deshalb sollte dem Patienten vor der Embolisation 50 mg Dolantin, 30 mg Metoclopramid sowie 1 g Paracetamol p.o. oder rektal gegeben werden [1]. Empfehlenswert auch der Hinweis, dass die Patienten vor der Chemoembolisationsbehandlung eine Nahrungskarenz von 6 h einhalten sollten, wobei klare Flüssigkeiten oder notwendige Medikamente bis 2 h vor dem Eingriff eingenommen werden können [2]. Da ein Verschluss beim EmboCept®S kürzer als bei Permanentembolisaten (z.B. Lipiodol®) anhält, ist somit die Nebenwirkungsrate auch geringer (Abb. 3). Kombination EmboCept®S mit Zytostatika Die Dosis des EmboCepts®S (DSM) richtet sich nach der Größe und Vaskularisierung des Tumors. Es wird empfohlen, eine Woche vor Zytostatikagabe die notwendige Menge mit einer Probeapplikation durchzuführen. Hierbei wird die Mischung von 5 ml Embolysat plus 5 ml isotonische Kochsalzlösung (ohne Zytostatikum) innerhalb von 20 Sekunden in 2minütigem Abstand appliziert. Sobald der Patient Schmerzen im Bereich des Zielorgans oder Übelkeit empfindet, wird ein Kontroll­ angiogramm angefertigt, um die Blutflussreduktion zu beurteilen und einen Reflux des Partikel-Chemotherapie-Gemisches in benachbarte Organregionen zu vermeiden. Zur Chemoembolisation wird nun das Embolisationsmittel mit dem Zytostatikum gemischt (Abb. 4 und 5) und so über den Katheter in das Zielgebiet gegeben. Als chemotherapeutische Wirkstoffe werden vorwiegend Doxorubicin und Cisplatin bei der Behandlung des HCC und Mitomycin, Oxaliplatin oder Irinotecan bei der Therapie von Lebermetastasen des kolorektalen Karzinoms gegeben. Auch mit Gemcitabin und den Taxanen wird nach zu sätzlichen DSM kann aus heutiger Sicht mit jedem Wirkstoff kombiniert werden. [9] Tab. 2: Ansprechraten unter TACE-Therapieregimen bei Lebermetastasen des CRC [7] Autor Jahr N TACE - Schema Ansprechraten (%) / medianes Überleben (Mo.) Civalleri 1994 23 10mg/m2 MMC + DSM 5 CR, 5 PR, 6 SD / 16 Zangos et al. 2001 109 10mg MMC + DSM k. A. Voigt et al. 2002 11 MMC, IFN, 5-FU/FA, oxaliDDP + DSM 3 PR, 2 MR, 4 SD, 1 PD / k.A. Pohlen et al. 2004 600mg/m2 5-FU/500mg/m2 FA, 5Mio IE IFN + DSM 70 / 24 Vogl et al. 2009 8mg/m2 MMC + DSM vs. 8mg/m2 MMC+1000mg/m2 Gemcitabin + DSM vs. 8mg/m2 MMC + 150mg/m2 Irinotecan + DSM 15 / 14 (38)* 463 *) nach Diagnosestellung Abk.: CR = Komplette Remission; DSM = Degradable Starch Microspheres; MMC = Mitomycin; oxaliDDP = Oxaliplatin IFN = Interferon; PD = Progressive disease (fortschreitende Erkrankung ); PR = Partielle Remission; SD = stable disease (stabile, no change-Erkrankung) Tab. 1: Ergebnisse des Einsatzes der Transarteriellen perkutanen Chemoembolisation (TACE) [6] Autor Jahr N TACE-Schema Zusammenfassung Carr et al. 1997 35 Einsatz von DSM: sicher und gut 30mg/m2 ADM + 100mg/m2 cDDP verträglich + DSM Katyal et al. 2000 57 125-150 mg/m2 cDDP + DSM Vaskularität des Tumors beeinflusst das Therapieergebnis der TACE Vogl et al. 2000 85 50mg/m2 ADM + 50mg/m2 cDDP + DSM signifkanter Therapievorteil für Patienten mit Therapiewiederholungen, gute Verträglichkeit Furuse et al. 2003 17 50mg/m2 ADM + DSM hohes Tumoransprechen, geringe Toxizität Dettmer et al. 2006 101 50mg/m2 ADM + 50mg/m2 cDDP + DSM TACE+PEI erzielt bessere Ergebnisse als PEI; gutes Tumoransprechen der Kombination bei Patienten mit großer Tumorlast (> 5 Metastasen, > 50% Lebervolumen) Kirchhoff et al. 2007 47 50mg/m2 ADM + 50mg/m2 cDDP + DSM Erfolgreiches Konzept für HCCPatienten mit inoperablen Tumoren; gute Verträglichkeit Abk.: ADM = Adriamycin (Doxorubicin ); c = DDP (Cisplatin); DSM = Degradable Starch Microspheres (EmboCept ® S); PEI = perkutane Ethanolinjektion; HCC = Hepatozelluläres Karzinom Alternativen geforscht. Was die Kompa60 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 Transarterielle Chemoembolisation (TACE) tibilität anbelangt, so ist DSM mit jedem Wirkstoff kombinierbar [9]. Für die beteiligte Apotheke ist es wichtig zu wissen, dass bei einer Chemoembolisation das eingesetzte Flüssigkeitsvolumen begrenzt ist. Ein Volumen von 30ml ist optimal, jedoch sollten 50ml nicht überschritten werden. Bei der üblichen Konzentration von Cisplatin (0,5 mg/ml) hat man diese Grenze sehr schnell erreicht. So muss man auf die im Handel konzentrierteren Lösungen (1mg/ ml) oder auf Trockensubstanz zurückgreifen. Anwendungsbereiche Das Hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist in Europa die Haupttodesursache bei Patienten mit einer Leberzirrhose. Die einzige kurative Therapie bei fortgeschrittener Leberzirrhose ist die Lebertransplantation [3]. Auch bei diffusem, inoperablem Leberkarzinom ist die Transplantation die einzig kurative Möglichkeit. Mit einer TACE können in einer palliativen Anwendung 1-, 2-, und 3 Jahresüberlebensraten von 85%, 38,6, bzw. 18,1 erreicht werden [4]. Auch bei einer neoadjuvanten Anwendung können nach einer Tumorreduktion von 25 % 1-, 2-, und 3 Jahresüberlebensraten von 42%, 11% und 3% erzielt werden [5]. Weitere Ergebnisse sind in den Tabellen dargestellt: Leitlinienkonforme Therapie des Hepatozellulären Karzinoms Prognoseverbesserung bei Patienten mit Lebermetastasen des kolorektalen Karzinoms Experimentelle Ansätze bei inoperablen Lebermetastasen anderer Primärtumore Zusammenfassung Die Transarterielle Chemoembolisation (TACE) zur Behandlung des Hepatozellulären Karzinoms sowie von Lebermetastasen ist eine Therapieoption mit guten Ergebnissen in der Ansprechrate und hat sich zunehmend durchgesetzt. Da das Volumen des Zytostatikums begrenzt ist, erfordert die Herstellung in der Apotheke eine enge Zusammenarbeit mit dem applizierenden interventionell tätigen Radiologen. Dieser Artikel soll und kann nur eine kurze Übersicht über diese nicht alltägliche Applikationsart geben. Aus diesem Grund wurden die von der Firma PharmaCept GmbH freundlicherweise zur Verfügung gestellten Daten und Abbildungen nicht weiterführend diskutiert. Als kleines Taschenbuch zur Vertiefung der Thematik sei vom Autor noch „Lokoregionäre Tumortherapie“ [8] empfohlen. 3 Poon RTP, Fan St, WongJ. Risk, factors, preventation, and management of postoperative recurrence after resction of hepatocellular carcinoma. Ann. Surg 2000; 232: 10 – 24 4 El Khaddari S, Gaudin JL, Abidi H et al. Chemoembolization in hepatocellular carcinoma: multivariate analysis of survival prognostic factors after the first session. Gastroenterol Clin Biol 2002; 26:728 - 734 5 Uraki J, Yamakado K, Nakatsuka A et al. Transkatheter hepatic arterial chemaembolization for hepatocellular carcinoma invading the portal veins: therapeutic effects and prognostic factors. Eur J Radiol 2004; 51: 12 - 18 6 Bruix J et al: Clinical management of hepatocellular carcinoma. Conclusions of the Barcelona 2000 EASL conference. European Association for the Study of the Liver 7 Pohlen U et al. Hepatic arterial infusion (HAI). Comparsion of 5 – fluorouracil, folinic acid, interferon alpha-2b and dagradable starch microspheres versus 5- fuorouracil and folinic acid in patients with non – resectable colorectal liver metastases. Anticancer Re. 2006; 26:3957-64 8 Emmrich J (Hrsg: J. Boese-Landgraf, K. Hauenstein, H.-J. Schmoll): Lokoregionäre Tumortherapie. Verlag Agileum Gesundheitsakademie. 2010, ISBN 978-3939415-07-7 9 Firmeninformation PharmaCept GmbH, Stand 09/2010, liegt beim Autor vor. 10 Produktinformation EmboCept ® S Autor: Apotheker Henrik Justus Ratsapotheke Uslar Literatur: 1 Fachinformation EmboCept ® S 2 http://radiologie-uni-frankfurt.de/content/e4864/ e27/e35/e1701/e4671/index_ger.html Der Autor dankt der Firma PharmaCept GmbH, Berlin, für die freundliche Überlassung der Abbildungen und Tabellen. Tab. 3: Ansprechraten unter TACE-Therapieregimen bei Lebermetastasen anderer Primärtumore [10] Primärtumor Autor Jahr N TACE - Schema Ansprechraten (%) / medianes Überleben (Mo.) Mamma-Ca Li et al. 2005 48 1000 mg 5-FU oder FUDR + 40–60 mg cDDP; danach ADM + Lipiodol oder Gelfoam 36 / k.A. Neuroendokrine Tm. Falconi et al. 1999 28 500 mg Dacarbazin in 10 ml Lipiodol + Spongostan oder Mikrosphären k.A. / 33 Fiorentini et al. 2004 10 10 mg/m2 MMC + 50 mg/m2 cisDDP + 30 mg/m2 Epirubicin, danach Gelfoam k.A. / 22 Bedikian et al. 1995 64 cDDP + Ivalon k.A. / 6 Patel et al. 2005 30 100 mg BCNU + Lipiodol + Gelfoam k.A. / 5 Fobbe et al. 2005 25 1000 mg/m Gemcitabin + DSM + 7,5 mg/m2 MMC Aderhautmelanom Pankreas-Ca 2 Abk.: cDDP = cisDDP = Cisplatin; DSM = Degradable Starch Microspheres; FUDR = Floxuridin; MMC = Mitomycin; Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 61 Lebender Kolumnentitel Die PTA-Weiterqualifizierung „Zytostatika“ TEIL II Von Wioletta Sekular, Tönisvorst S eit 2002 bieten die DGOP und das Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften (IFAHS e.V.) die PTA-Weiterqualifzierung „Zytostatika“ an, die mit der Prüfung zur „PTA Onkologie DGOP“ abgeschlossen werden kann. Das Seminar gliedert sich in zwei Teile. In der Ausgabe 1/2010 wurde bereits der Block A mit seinen vornehmlich praxisorientierten Seiten beschrieben. Der folgende Artikel stellt den Block B vor, der an einem Wochenende von Freitag – Sonntag (insg. 20 Stunden) organisiert wird. Der erste Tag Dieser steht im Zeichen der Themen „Ernährung“ und „Chemotherapie-Schemata“. Am Vormittag beschäftigen sich die TeilnehmerInnen mit der Frage „Was ist gesunde Ernähung“? Von dieser Form der KrebsPrävention wird übergeleitet zum Thema „Ernährung bei Krebserkrankung“, wobei eine Einführung in die Grundlagen der enteralen und parenteralen Ernährung im Mittelpunkt dieser Lerneinheit steht. Diese umfasst u a. die Indikationen zur Verabreichung, die Errechnung des individuellen Energiebedarfes eines Patienten, die Zusammensetzung der Ernährungstherapie und die Applikationsmethoden in diesem Bereich. Nach dem die TeilnehmerInnen für den konkreten Einsatz in der Apotheke praxisnahe Tipps und Ratschläge für die Beratung des onkologischen Patienten bekommen haben, erarbeiten sie anhand konkreter Fallbeispiele abschließend Ernährungsregime. Am Nachmittag liegt nach einer Einführung in die Anforderungen an Zytostatikaverordnungen das zentrale Augenmerk auf deren Plausibillitätsprüfung. Anschließend beschäftigen sich die TeilnehmerInnen mit verschiedenen Therapieschemata bei ausgewählten Indikationen. Hierbei werden u.a. Originalschemata aus den Apotheken der TeilnehmerInnen unter die Lupe genom- 62 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 men, die in Gruppenarbeit analysiert und anschließend im Plenum vorgestellt werden. Der zweite Tag Zu Beginn des zweiten Tages wird den TeilnehmerInnen ein Überblick über das Qualitätsmanagementsystem der Zytostatika herstellenden Apotheken nach QuapoS (Qualitätsstandards für den pharmazeutischonkologischen Service) gegeben. Die Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) unter Berücksichtigung der Satzung der DGOP beinhaltet einerseits die Abarbeitung einer Checkliste mit 151 Fragen zur Umsetzung der QuapoS in der Zytostatika herstellenden Apotheke sowie andererseits die Erstellung eines QM-Handbuches mit der Beschreibung aller qualitätsrelevanten Arbeitsprozesse der Zytostatikaherstellung. Es folgt eine viereinhalbstündige Lerneinheit zu den Grundlagen der Onkologie, die an den ersten Teil im Block A anknüpft. Nach einer kurzen Wiederholungsphase steht das Die PTA-Weiterqualifizierung „Zytostatika“ Thema Supportivtherapie mit relevanten Nebenwirkungen einer Chemo- und/oder Radiotherapie, erforderlicher Begleittherapie und konkreten Beratungshinweisen im Mittelpunkt der PTA-Weiterqualifizierung. Am Ende des Tage beschäftigen sich die TeilnehmerInnen mit der Frage „Was erwartet der onkologische Patient in der Apotheke?“. Hierbei werden praxisrelevante Hinweise, Ratschläge und Regeln für die Kommunikation mit den onkologischen Patienten und deren Angehörigen vermittelt. Der dritte Tag Der letzte Tag steht im Zeichen der Rechtsgrundlagen und der Arbeitssicherheit. Die TeilnehmerInnen bekommen so einen Einblick in die gesetzlichen Grundlagen der Zytostatikaherstellung. Zusätzlich erfahren die TeilnehmerInnen in diesem Zusammenhang Wissenswertes über die Themen Raumausstattung, Hygiene, Medizinprodukte, Taxierung, Entsorgung und Risikomanagement. Den Abschluss bildet die Lerneinheit „Arbeitssicherheit“ mit den Problemstellungen: Gewissenhaftes Benutzen der persönlichen Schutzausrüstung (PSA), Einsatz verfügbarer technischer Schutzmaßnahmen nach neuesten Erkenntnissen und korrekte aseptische Arbeitstechnik. Prüfungen zur „PTA Onkologie (DGOP)“ Direkt im Anschluss an Block B oder zu einem separaten Termin (z.B. am Rande eines NZW) finden nach Voranmeldung die mündlichen Prüfungen zur „PTA Onkologie (DGOP)“ statt. Zur Voranmeldung sollte eine Bestätigung durch die Apothekenleitung vorliegen, dass der Prüfling 12 Monate Vollzeit in einer öffentlichen Apotheke, Krankenhausapotheke oder anderen Einrichtung mit eigener Zytostatika-Herstellung gearbeitet hat. schwerpunktmäßig 1 Jahr Vollzeit in der Zytostatika-Herstellung tätig war (bei Teilzeittätigkeit verlängert sich die Beschäftigungsdauer entsprechend). Diese Inhalte werden in insgesamt 40 Stunden an zwei Wochenenden behandelt: Curriculum für die Weiterqualifizierung „PTA Onkologie (DGOP)“ Die „PTA Onkologie“ muss Kenntnisse der onkologischen Grundlagen haben. soll anhand konkreter Patientendaten Therapieschemata auf Plausibilität prüfen können. muss die Rechtsgrundlagen für den onkologischen Bereich kennen. muss Schutzmaßnahmen organisatorischer und technischer Art sowie des Personenschutzes kennen. hat Kenntnisse im Bereich Arbeitssicherheit und Notfallmanagement nachzuweisen. kennt Richtlinien für den inner- und außerbetrieblichen Transport. muss Grundkenntnisse im Bereich all­ge­ meiner und künstlicher Ernährung haben. soll in der Lage sein, selbstständig Informationen zu ermitteln und diese in geeigneter Form weitergeben zu können. muss Kenntnisse im Qualitätsmanagement und im Bereich der Zertifizierung nachweisen. muss sich mit Studienmedikation und der Be­sonderheit der Dokumentation auskennen. muss Kenntnisse der aseptischen, validierten Herstellung nachweisen, sie muss in diesem Bereich mindestens 1 Jahr praktisch tätig gewesen sein. kennt die Hilfsmittel für die Herstellung und Applikation onkologischer Zubereitungen. muss den Umgang mit CMR Substanzen auch aus dem Rezepturbereich und die entsprechenden Schutzmaßnehmen kennen. muss im Umgang mit Patienten, Angehörigen, Pflegepersonal und Ärzten geschult sein. soll motiviert sein, sich theoretische und praktische Kompetenz anzueignen und diese sowohl selbstständig als auch über entsprechende Schulungsmaßnahmen zu zeigen. muss selbstkritisch erkennen, wo ihre Grenzen in den Bereichen des Umgangs mit CMR-Substanzen wie auch mit Patienten, deren Angehörigen und Personen des Gesundheitswesens liegen. Tab. 1: Curriculum für die Weiterqualifizierung „PTA Onkologie (DGOP)“ selbstständig mind. 100 Zytostatika-Lösungen hergestellt hat. Im Vorfeld der Prüfung erarbeitet der Prüfling eine Präsentation (Tab. 2) zu einem relevanten pharmazeutisch-onkologischen Thema, die er im Rahmen der Prüfung als deren Bestandteil vorstellt. Zusätzlich stellen ihm die Mitglieder der Prüfungskommission Fragen zu den vermittelten fachlichen Inhalten der PTA-Weiterqualifizierung „Zytostatika“ Block A sowie Block B. Interessenten können weitere Informationen auf der DGOP-Internetseite unter www.dgop.org abrufen. Tab. 2: Mögliche Präsentationsthemen für die Prüfung „PTA Onkologie (DGOP)“ Präsentationsthemen-Beispiele Mögliche Präsentationsthemen für die Prüfung „PTA Onkologie (DGOP)“: 1)PSA und Reinraumkleidung in der Zytostatika-Herstellung 2)Inner- und außerbetrieblicher T ransport von Zytostatika 3)Entnahmesysteme/Spike in der Zytostatika-Herstellung 4)Infusionssysteme in der Onkologie 5)Was ist ein Tumor und welche Arten unterscheidet man? 6)Wichtige Daten zu Anthracyclinen (z.B. Vorkommen, Dosis, Paravasat) 7)Antiemetische Therapie in der Onkologie 8)Prophylaxe und Therapie von Mukositis/Stomatitis Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 63 Lebender Kolumnentitel Kostbares Nabelschnurblut Von Annette Junker, Wermelskirchen D ie erste Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut wurde 1988 bei einem Patienten mit Fanconi-Anämie durchgeführt. Von seiner karyotypisch gesunden Schwester war bei deren Geburt das Nabelschnurblut gesammelt, kryokonserviert und ihm nach Reinigung und Qualitätskontrolle dann transplantiert worden. Dem Patienten geht es heute mit kompletter Regeneration seines blutbildendenden Systems und der kompletten hämatologischen Spender-Erbinformation blendend. Hämatopoetische Stammzellen halten durch kontinuierliche Zellteilung ihre eigene Zahl konstant und liefern Vorläuferzellen, die in verschiedenen Blutzellen einschließlich der B- und T-Zellen des Immunsystems differenzieren. Sie besitzen die Fähigkeit, ein z.B. durch Strahlung oder Hochdosischemotherapie zerstörtes Knochenmark und Immunsystem neu zu besiedeln. Hämatopoetische Stammzellen können derzeit aus drei Quellen gewonnen werden: 1.aus dem Knochenmark (durch multiple Punktion) 2.aus dem peripheren Blut nach Mobilisation durch geeignete Zytokine (durch Leukapherese) 3.aus dem Plazentarestblut (durch Punktion der Nabelschnurblutvene nach vollendeter Geburt) Die Rationale zum Sammeln von Stammzellen aus Nabelschnurblut Ergebnisse ungerichteter allogener Nabelschnurbluttransplantationen (NSB-Transplantationen) bei malignen und nicht-malignen Erkrankungen von Erwachsenen und Kindern weisen auf deutliche Vorteile im Vergleich zur allogenen Knochenmarktransplantationen hin: die schnellere Verfügbarkeit des Transplantats, keine Risiken für den Spender, verringerte Graft-versus-host-Reaktionen und eine verbesserte Langzeiterholung des gesamten Immunsystems. Allerdings dauert das hämatopoetische Anwachsen des Transplantats etwas länger, dafür ist es aber hinterher dauerhafter. In Studien konnte gezeigt werden, dass für ein gutes Anwachsen die Anzahl der trans- 64 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 plantierten Zellen bei der NSB-Transplantation der wichtigste Faktor ist. Eine leichte HLA-Diskrepanz, wie z.B. vier von sechs Übereinstimmungen ist dagegen durchaus tolerabel (s. Infobox). Auch in den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut wird deshalb für das Endprodukt eine Zellzahl kernhaltiger Zellen von mindestens 5 x 108 gefordert (http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Transnabel_pdf. pdf). Nach der oben dargestellten ersten sehr positiv verlaufenen NSB-Transplantation wurde das Nabelschnurblut-Banking weltweit etabliert. Mehr als 400.000 Nabelschnurbluteinheiten stehen inzwischen zur Verfügung, und es ist bereits zu ca. 20.000 Transplantationen von Stammzellen aus NSB gekommen. Für den Patienten bzw. seinen Arzt stellt die FACT-Akkreditierung (Foundation for the Accreditation of cellular therapy) einer Nabelschnurblutbank sicher, dass die Organisation, von der man das Nabelschnurblut bezieht, höchsten Standards im Hinblick auf die Qualität des Produktes unterliegt. Akkreditierte Zentren findet man unter http:// Kostbares Nabelschnurblut A. 6 of 6 Match / 10 of 10 Match B. PATIENT DONOR A A B B DRB1 DRB1 C C DQ DQ 5 of 6 Match / 9 of 10 Match PATIENT DONOR Abb. 1: Die sechs wichtigen HLA-Marker für eine erfolgreiche Nabelschnurblut-Transplantation www.factwebsite.org/. In Deutschland sind bisher die José Carreras Cord Blood Bank Düsseldorf und die Germany Cord Blood Bank in Mannheim für allogene Spenden akkreditiert. Autologe Vorsorge Eltern würden fast alles tun, um ihre Kinder zu schützen. Gegen eine schwere Erkrankung wie z.B. Leukämie sind sie leider meist machtlos und verzweifeln darüber. Deshalb erwägen mehr und mehr Eltern bei der Geburt ihres Kindes hier vorzusorgen und autologe Stammzellen aus dem eigenen Nabelschnurblut einlagern zu lassen und sind dazu bereit, einiges zu zahlen. Bei verschiedenen Anbietern kann man diesen besonderen Saft für durchschnittlich 2.000 € einfrieren und einlagern lassen. Allerdings unterscheiden sich bei den einzelnen Anbietern die Schritte der Aufarbeitung deutlich. Nur einige trennen die Stammzellen vor dem Einfrieren von den übrigen Blutbestandteilen. Angeblich weil sie keine Stammzellen verlieren wollen, aber natürlich sparen sie dadurch auch Kosten. Die Trennung ist deshalb aber durchaus sinnvoll, weil die roten Blutkörperchen den Einfrier- und Auftauprozess nicht überstehen und platzen können. Durch bestimmte weiße Blutkörperchen und die geplatzten Erythrozyten kann es auch zu Verklumpungen der Stammzellen kommen. Stefan Thoma von der öffentlichen Freiburger Nabelschnurblutbank warnt vor einigen HLA Matching: Den besten Spender oder die beste Nabelschnurblut-Einheit finden Die Typisierung von Human Leukocyte Antigen (HLA) wird genutzt um bestmögliche Spender und Empfänger zusammen zu führen. HLA Proteine bzw. Marker sind auf den meisten Zellen zu finden. Das Immunsystem nutzt diese Marker, um eigene von fremden Zellen zu unterscheiden. Falls es innerhalb der Familie keinen geeigneten Spender gibt, wird der Arzt den Kontakt zum National Marrow Donor Program (NMDP) herstellen, um einen passenden Spender zu finden. Hier sind über 8 Millionen potentielle Spender und 160.000 NSB-Einheiten registriert. Eine enge Übereinstimmung zwischen den HLA Markern von Spender und Empfänger verbessert den Erfolg einer Transplantation privaten Anbietern, die mit scheinbar günstigen Angeboten locken. „Bei Preisen unter 2.000 € sollte man sehr genau überprüfen, ob der billige Preis nicht zulasten der Qualität geht.“ Da die eigenen Stammzellen durchaus auch schon mit dem genetischen Defekt belastet sein können, der zu einer Erkrankung ge- reduziert das Risiko einer Abstoßungsreaktion (Graft-versus-hostdisease) verbessert das Anwachsen der Spenderzellen im Wirtsorganismus Es gibt viele HLA Marker, aber es hat sich gezeig t, dass nur wenige besonders wichtig für eine erfolgreiche Transplantation sind. Das sind 6 HLAMarker, nämlich zwei A, zwei B und zwei DRB1 Marker (Abb. 1A). Für erwachsene Spender fordert das NMDP eine Übereinstimmung von mindestens 5 dieser 6 HLA Marker (Abb. 1B). Für NSB-Einheiten, für die weniger strikte Auflagen reichen, fordert die NMDP nur eine Übereinstimmung von 4 von 6 HLA Markern. Diese minimalen Übereinstimmungen sind durch Studien validiert, die den Erfolg von Transplantationen untersucht haben. führt hat, wird die autologe Vorsorge in der Fachwelt durchaus kontrovers diskutiert. Autorin: Dr. Annette Junker Apothekerin für klinische und onkologische Pharmazie Wermelskirchen Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 65 Buchbesprechung Buchbesprechung Von Karla Domagk, Cottbus Lehrbuch Pharmakologie und Toxikologie Arzneimittelwirkungen verstehen – Medikamente gezielt einsetzen Heinz Lüllmann, Klaus Mohr und Lutz Hein Georg Thieme Verlag Stuttgart New York 17. Auflage 2010 666 Seiten, 500 Abbildungen, 130 Tabellen ISBN: 978-3-13-368517-7 69.- Euro Das 1964 von Gustav Kuschinsky und Heinz Lüllmann begründete Lehrbuch Pharmakologie und Toxikologie für Studierende der Medizin, der Pharmazie und der Biowissenschaften liegt nun in der 17. Auflage vor. Dass es mit der Zeit gegangen ist und sich beständig weiterentwickelt hat, wird bereits „Auf einen Blick“ mit der Gliederung in die einzelnen farblich differenziert gestalteten Abschnitte offensichtlich. Diese umfassen generelle Prinzipien (Teil 1), Organ- und Funktionssystembezogene Pharmakologie (Teil 2) Wirkstoffgruppen ohne Organbezug (Teil 3) sowie Gifte und Antidota (Teil 4). Neben diesen auf der ersten Seite eingeführ ten Farben am Seitenrand zur Erhöhung der Nachschlagefreundlichkeit trägt auch sonst einiges zur hervorragenden Übersichtlichkeit bei, wie z.B. der „Überblick“ am Beginn des Kapitels, die Farbdreiecke zur schnellen Orientierung bzgl. Wirkungswiese, Pharmakokinetik, Anwendung und Nebenwirkungen der besprochenen Substanzen im Haupttext, die Boxen mit interessanten Details, Besonderheiten und Hintergrundinformationen oder die Hervorhebung relevanter klinischer Aspekte mit starkem Praxisbezug und hoher Aktualität durch den linksseitig grünen Strich. Die Konzentration auf das Wesentliche und auf Leitsubstanzen in den einzelnen Abschnitten tragen ebenso wie die exzellenten Illustrationen und die hochaktuelle Arzneimittel-Konvertierungsliste (die alle auf dem Markt befindlichen Generika-Präparate von einem Wirkstoff durch das Zeichen G zusammenfasst) sehr zur ausgezeichneten Lesbarkeit des Lehrbuches bei. Mit 19 Seiten ist das Kapitel 24 über maligne Neoplasien und Zytostatika in Teil 3 (Wirkstoffgruppen ohne Organbezug) sehr knapp gehalten. Aber auch hier ist die hohe Aktualität und Praxisrelevanz (z.B. Hand-Fuß-Syndrom) ohne eine schwer überschaubare Flut von wissenschaftlichen Publikationen herauszustellen. Auf der Seite zur Beurteilung der Pharmakotherapie neoplastischer Erkrankungen steht in Box 24.4 zur Fortentwicklung antineoplastischer Therapien: „ .... Hierbei werden komplexen Algorithmen folgend in unterschiedlichen „Zyklen“ Zytostatika-Cocktails verabreicht.“ Aber sicher hat der interessierte und didaktisch hervorragend geführte Leser bereits vorher aus den grün markierten Abschnitten gelernt, dass es sich bei diesem „pharmazeutischen Unwort“ um eine Kombination mehrerer Zytostatika nach einem fixierten Therapieschema handelt und nicht um die zeitgleiche Applikation mehrerer Zytostatika-Lösungen in einem „Cocktail-Beutel“. Um sich einen Überblick über die Pharmakologie zu verschaffen und gezielt bzw. punktuell das Wissen aufzufrischen, ist diese Lehrbuch gut geeignet. Wollen wir dem Lehrbuch mit der Titelunterschrift „ Ar zneimit telwirkungen verstehen – Medikamente gezielt einsetzen“ auch wünschen, dass es zugleich als Informationsquelle für Ärzte, Apotheker und Gesundheitspolitiker dient.