ED IT OR IA L

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Moderne immunzytologische
und molekularbiologische Untersuchungsmethoden bilden
12. Jahrgang · Nr. 4/2010
gemeinsam mit der klassischen
Zytomorphologie die Basis für die
Diagnostik der Erkrankungen des Blutes und des Knochenmarks. Insbesondere die molekularbiologische Diagnostik
hilft bei der Therapieentscheidung, zum Beispiel für den
Inhalt
Einsatz der Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender
autologer oder allogener Blutstammzelltransplantation,
Bendamustin plus Rituximab (B-R) ist CHOP-R
als First-line-Therapie bei indolenten und MantelzellLymphomen signifikant überlegen
die in Deutschland seit den 80er Jahren verfügbar ist. Gegenwärtig liegt der Schwerpunkt in der Verbesserung der
4
Transplantationsverfahren und der Vermeidung schwerer
Allogene Blutstammzelltransplantation
10
Nebenwirkungen. So können Blutstammzelltransplantati-
Arzneimittelinnovationen in der Hämato-Onkologie
14
mit Begleiterkrankungen erfolgreich durchgeführt werden.
Medizin mit Herz
16
Persönliche Schutzausrüstung, Teil 2
18
onen heute auch bei älteren Patienten und bei Patienten
Blutstammzelltransplantationen gehören neben Chemound Strahlentherapie zu den Behandlungsoptionen des
Multiplen Myeloms. Der europäische Zusammenschluss
Preisverleihung für Teamarbeit von Ärzten
und Apothekern: Onkologische Teams sind spitze
23
9. NZW-Süd in Ravensburg
24
Kommentar des Herausgebers
47
Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung
50
von Selbsthilfegruppen für Patienten mit Multiplem Myelom (Myeloma Euronet) hat eine erste internationale
Umfrage durchgeführt, die sich mit der Frage beschäftigt,
EDITORIAL
Inhalt/Editorial
von wem und vor allem wann die Patienten ihre MyelomDiagnose erhalten. Die vorgestellten Ergebnisse zeigen
Wege zur Verkürzung einer häufig langwierigen PatientenOdyssee auf und werden sicher nicht nur eine Ergänzung
Transarterielle Chemoembolisation (TACE ) –
Wirkungsoptimierung von Zytostatika
57
Die PTA-Weiterqualifizierung „Zytostatika“
62
Kostbares Nabelschnurblut
64
für Ihre Beratungsroutine sein.
In der heutigen Ausgabe der „Onkologischen Pharmazie“
nimmt neben der allogenen Blutstammzelltransplantation
und der Nabelschnurbluttransplantation die StiL-Studie
NHL 1-2003 zur First-Line-Therapie bei indolenten und
Mantelzell-Lymphomen einen besonderen Platz ein.
Ständige Rubriken
Zusätzlich finden Sie, liebe Leser, den Bericht über die
Testiertes interaktives Selbststudium
12
Impressum
15
Buchbesprechung 55
Die besten Websites
66
Highlights des 9. NZW-Süd in Ravensburg sowie Beiträge
zur persönlichen Schutzausrüstung in der ZytostatikaHerstellung, zu neuen Arzneimitteln in der Onkologie,
zur transarteriellen Chemoembolisation, zur psychischen
Unterstützung von Krebskranken durch Haustiere sowie
zur PTA-Weiterqualifizierung.
Ihre Karla Domagk
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 3
Bendamustin plus Rituximab
Bendamustin plus Rituximab (B-R) ist CHOP-R
als First-line-Therapie bei indolenten und
Mantelzell-Lymphomen signifikant überlegen
Von Jürgen Barth, Gießen und Petra Ortner, München
D
ies war die Schlussfolgerung aus den finalen Daten einer multizentrischen randomisierten Studie der Studiengruppe indolente Lymphome (StiL), die Studienleiter Prof Dr. Mathias J. Rummel, Giessen, auf der Jahrestagung der amerikanischen
Gesellschaft für Hämatologie (ASH) 2009 präsentierte (12). Die StiL hatte die Kombination Bendamustin plus Rituximab (B-R) mit dem als Standardtherapie für indolente Lymphome geltenden Kombinationsschema CHOP-R randomisiert verglichen.
Indolente Lymphome stellen nach wie vor eine Herausforderung für Hämatologen dar,
denn eine wirkliche Standard-Therapieoption, die zur Heilung führt, konnte bis heute
nicht definiert werden.
Bis zur Publikation dieser Daten galt
CHOP-R (Kombination aus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison
(CHOP) plus dem monoklonalen Antikörper Rituximab (R) als Therapiestandard für
Patienten mit diesen Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL). Die Therapie mit CHOPR ist jedoch bekannterweise mit einer hohen Toxizität inklusive der Anthrazyklin
bedingten Kardiotoxizität behaftet. Daher
wird in modernen Studien nach Optionen
gesucht, die bei mindestens Äquieffektivität
besser tolerabel für die Patienten sind. Die
Kombination bestehend aus Bendamustin,
90 mg/m² an Tag 1 und 2, + Rituximab, 375
mg/m² am Tag 1 wurde erstmalig im Jahr
2000 von der Studiengruppe indolente Lymphome (StiL) an 63 Patienten mit rezidivierten oder refraktären Lymphomen geprüft.
Ein Drittel der Patienten waren Chemotherapie-refraktär, hauptsächlich gegenüber
CHOP. Eine Rituximab-haltige Vortherapie
war damals nicht zulässig. Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug 90% mit einer CRRate (komplette Remission) von 60% und
umfasste auch Mantelzell-Lymphome. Das
mediane PFS (progressionsfreies Überleben)
lag bei 24 Monaten (5 bis 44 Monate) und einer 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit
von 55%. Eine Grad 3/4 Hämatotoxizität trat
in 16% der Zyklen als Leukopenie, in 3% der
Zyklen als Thrombozytopenie und in 1% der
CHOP-R
Rituximab
Cyclophosphamid
Doxorubicin
Vincristin
Prednison
Wiederholung Tag 22
375 mg/m²
750 mg/m2
50 mg/m2
1,4 mg/m2
100 mg
B-R
Rituximab
375 mg/m² Tag 1
Bendamustin 90 mg/m² Tag 1 und 2
Wiederholung Tag 28
Zyklen als Anämie auf. Es keine wurden
weiteren Organtoxizitäten beobachtet [1].
Diese Daten wurden durch eine US-amerikanische multizentrische Studie an Patienten mit follikulären, niedrig malignen
und Mantelzell-Lymphomen bestätigt. Die
Patienten dieser Studie waren nach einer
Chemotherapie mit (56%) oder ohne Rituximab rezidiviert, jedoch nicht Rituximabrefraktär. Die ORR aller Patienten betrug
92% mit 55% CR. Bei den Patienten mit
Rituximab in der Historie betrug die ORR
86% mit einer CR-Rate von 35% [2]. Diese
Studienergebnisse waren auch die Rationale
für die Durchführung einer direkten Ver-
4 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
gleichsstudie zwischen B-R und CHOP-R,
die übrigens von keiner Pharmafirma unterstützt wurde.
StiL-Studie B-R vs. CHOP-R
Um die Rolle von B-R weiter zu evaluieren,
verglich die randomisierte multizentrische
Phase-III-Studie (NHL 1-2003) der StiL
Tag 1
Tag 1
Tag 1 Tag 1
Tag 1-5
i.v. 500 ml NaCl 0,9%
i.v. 250 ml NaCl 0,9%
i.v. Bolus
i.v. Bolus
p.o.
B-R direkt mit CHOP-R bei Patienten mit
unvorbehandelten follikulären, indolenten
und Mantelzell-Lymphomen. Im Rahmen
dieser Studie sollte primär die Frage beantwortet werden, ob in der Primärtherapie
niedrigmaligner und Mantelzell-Lymphome
die Monotherapie mit Bendamustin der etablierten, jedoch recht toxischen Polychemotherapie mit CHOP, jeweils in Kombination mit Rituximab, in Bezug auf die
progressionsfreie Überlebenszeit (PFS)
gleichwertig ist. Bei dieser auf Nicht-Unterlegenheit angelegten Studie sollte das PFS
nach 3 Jahren nicht mehr als 10% abweichen
dürfen. Sekundäre Studienziele waren die
Ansprechraten, die Zeit bis zur nächsten
Therapie, das ereignisfreie und das Gesamt­
überleben, die Akut- und Spättoxizität und
die infektiösen Komplikationen sowie die
Fähigkeit zur Stammzellmobilisation bei
jungen Patienten.
Bendamustin plus Rituximab
In weniger als 5 Jahren wurden insgesamt
549 Patienten mit follikulären Lymphomen
Grad 1 und 2, Waldenström-Lymphomen,
mit CLL ohne leukämische Phase, nodulären und generalisierten MarginalzonenLymphomen sowie Mantelzell-Lymphomen, die weder chemotherapeutisch noch
mit Interferonen oder mit Rituximab vorbehandelt sein durften, in die Studie aufgenommen. Diese erhielten für maximal 6
Zyklen randomisiert entweder Rituximab
(375 mg/m²) an Tag 1 plus Bendamustin
(90 mg/m²) an Tag 1 und 2 (B-R) alle 28
Tage oder Standard-CHOP plus 375 mg/
m² Rituximab alle 21 Tage (Kasten). Über
die Hälfte der Patienten (54%) hatte ein
follikuläres Lymphom, 18% ein Mantelzell-Lymphom, eine besonders schwer zu
behandelnde Gruppe der NHL. Die NHLEntitäten waren in beiden Studienarmen
gleich verteilt. Das mediane Alter der Patienten betrug 64 Jahre. 513 Patienten waren
für das Ansprechen und die Verträglichkeit
auswertbar, 260 von ihnen waren mit B-R,
253 mit CHOP-R behandelt worden. Die
mediane Nachbeobachtungszeit betrug 34
Monate.
Signikikant längeres medianes PFS
durch B-R
Die finalen Studienergebnisse demonstrieren, dass B-R nicht nur deutlich besser
verträglich ist, sondern sowohl das mediane progressionsfreie Überleben als auch die
Rate an kompletten Remissionen signifikant verbessert. Zwar waren die Gesamtansprechraten mit 92,7% unter B-R und 91,3%
unter CHOP-R vergleichbar, jedoch war
die Rate an kompletten Remissionen (CR)
von 39,6% unter B-R signifikant höher als
unter CHOP-R mit 30,0% (p=0,0262). Die
Patienten im B-R-Arm lebten im Median
rund 20 Monate länger progressionsfrei als
die Patienten, die CHOP-R erhalten hatten: Das mediane PFS im B-R-Arm betrug
54,9 Monate, dagegen nur 34,8 Monate im
CHOP-R-Arm (p=0,00012) (Abb. 1).
Auch die Zeit bis zur nächsten Behandlung (Time to next treatment, TTNT) ist
unter B-R signifikant länger. Sie lag unter
CHOP-R median bei 37,5 Monaten, unter
Abb. 1: B-R versus CHOP-R: Progressionsfreies Überleben [NHL 1-2003]
B-R ist dieser Zeitpunkt noch nicht für alle
Patienten erreicht (p=0,000022).
Laut Prof. Rummel (12) ist gerade die
TTNT ein aussagekräftiger Marker für
die Progression, da sie nicht vom Untersucher abhängig ist, sondern vom tatsächlich
vorliegenden und behandlungsbedürftigen
Rezidiv. Er wies auch auf die Qualität der
Remissionen unter B-R hin: Während unter
CHOP-R erwartungsgemäß die Patienten
mit einer kompletten Remission (CR) das
längste PFS aufwiesen, war es unter B-R
egal, ob die Patienten eine CR oder eine
partielle Remission (PR) erreicht hatten.
Das mediane PFS war auch bei Patienten,
die B-R erhalten und eine PR erzielt hatten,
signifikant besser als bei den Patienten mit
einer PR unter CHOP-R (p<0,0001).
Wirksamkeit in Subentitäten
Der PFS-Vorteil von B-R versus CHOP-R
erstreckte sich auf alle Subentitäten. Auch
bei Patienten mit den schwierig zu behandelnden Mantelzell-Lymphomen war nach
34 Monaten Nachbeobachtungszeit das
mediane PFS mit 32,5 Monaten unter B-R
signifikant höher als unter CHOP-R mit
22,3 Monaten (p=0,0146) (Tab. 1).
Interessanterweise bestand der Effektivitätsvorteil von B-R auch bei Patienten, die
erhöhte LDH-Werte > 240 U/l aufwiesen.
Von diesen Patienten hatte man erwartet,
dass sie auf das „aggressivere“ CHOP-R besser ansprechen würden, was jedoch nicht
der Fall war.
Tab. 1: B-R versus CHOP-R: Medianes progressionsfreies Überleben in Subentitäten [NHL 1-2003]
n
Medianes PFS (Monate)
B-R
CHOP-R
p- Wert
Follikuläre Lymphome
279
n.y.r.*
46,7
0,0281
Mantelzell- Lymphome
93
32,5
22,3
0,0146
Marginalzonen- Lymphome
67
n.y.r.
47,2
0,6210
M. Waldenström
41
n.y.r.
34,8
0,0024
*noch nicht erreicht
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 5
Bendamustin plus Rituximab
Signifikant geringere
Hämatotoxizität und kein
kompletter Haarverlust unter B-R
Wie erwartet erwies sich B-R als deutlich
besser verträglich als CHOP-R. Die Hämatotoxizität war unter CHOP-R deutlich
stärker ausgeprägt. Eine Leukopenie vom
Grad 3 und 4 trat in 38,2% der Zyklen signifikant häufiger auf als unter B-R (12,1%
der Zyklen) (p<0,0001). Mit der gleichen Signifikanz waren auch die Neutropenien vom
Grad 3 und 4 bei den mit CHOP-R behandelten Patienten erhöht (46,5% der Zyklen
unter CHOP-R vs. 10,7% der Zyklen unter
B-R). So musste auch nur in 4% der Zyklen
mit B-R G-CSF gegeben werden, aber in
20% der Zyklen mit CHOP-R (p<0,0001).
Während 96 Patienten unter B-R eine Infektion hatten, waren es unter CHOP-R 127
Patienten (p=0,0025). Nur ein Patient aus
dem B-R-Arm erlitt eine lebensbedrohliche
Sepsis, aber acht mit CHOP-R behandelte
Patienten (p=0,0190). Auch die die Patienten
subjektiv belastenden Nebenwirkungen wie
Alopezie, periphere Neuropathie und Stomatitis waren unter B-R wesentlich geringer
ausgeprägt. Unter B-R kam es bei 15% der
Patienten zu einer Alopezie vom Grad 1, ein
völliger Haarverlust trat bei keinem Patienten auf, während 62% der Patienten unter
CHOP-R von Alopezie betroffen waren.
Nur 18 Patienten, die mit B-R behandelt
wurden, litten unter peripherer Neuropathie
gegenüber 73 Patienten im CHOP-R-Arm.
Laut M. Rummel ist dies eine sehr bedeutsame Studie (12), die in ihrer Art wohl heute
die einzige bleiben wird, da sie den direkten
Effekt eines Bendamustin-haltigen Schemas mit dem Standard-First-line-Schema
CHOP-R ohne Erhaltungstherapie verglich
und den direkten Vorteil von B-R als Firstline-Therapie demonstrieren konnte. B-R
hat seiner Meinung nach gezeigt, dass es
CHOP-R als First-line-Therapie bei diesen
NHL-Entitäten ablösen kann. In heutigen
Studien wird an die First-line-Therapie immer eine Erhaltungstherapie angeschlossen,
so dass sich nur der Effekt des Gesamtkonzeptes messen lässt. Der Effekt einer Erhaltungstherapie nach der B-R First-line-Therapie wird nun auch in der derzeit laufenden
StiL-Studie NHL 7-2008 geprüft, die B-R
StiL – Studiengruppe indolente
Lymphome
Die STiL ist ein deutschlandweiter
Zusammenschluss hämatologischonkologischer Kliniken und Schwerpunktpraxen. Wissenschaftlicher
Schwerpunkt der Studiengruppe ist
die Durchführung nichtkommerzieller, prospektiver, randomisierter
Studien und Phase-II-Studien zu modernen Therapieverfahren, mit dem
Ziel der Therapieoptimierung. Die
Studienzentrale befindet sich am Klinikum der Justus-Liebig-Universität
Gießen (Studienleiter: Prof. Dr. med.
Mathias Rummel; Studienkoordinator: Jürgen Barth).
http://www.stil-info.de
mit einer nachfolgenden entweder zweioder vierjährigen Erhaltungstherapie mit
Rituximab bei den follikulären NHLs und
einer zweijährigen Erhaltung vs. einer Nachbeobachtung (=Standard) bei den anderen
Entitäten untersucht (Details: [http://www.
stil-info.de/index.php?id=263]).
Mobilisation peripherer Blutstammund Vorläuferzellen als sekundärer
Untersuchungsendpunkt
Nach der Gabe von Alkylanzien (+ G-CSF)
können autologe, periphere Blutstammzellen
(CD34+ Zellen) mobilisiert werden. Allerdings gelten einige Alkylanzien (so v. a. NLost-Derivate), wie auch einige Antimetabolite, als besonders stammzelltoxisch. Das
Mobilisationspotenzial von Bendamustin ist
derzeit noch nicht systematisch untersucht
worden, zumal Bendamustin bisher vornehmlich nach Versagen anderer myelotoxischer Therapien eingesetzt wurde.
Im Rahmen der StiL-Studie NHL 1-2003
war ein sekundärer, explorativer Untersuchungsendpunkt die Möglichkeit der suffizienten Mobilisation peripherer Blutstammund Vorläuferzellen (Ziel: 2.0 x106 CD34+
Zellen/kg Körpergewicht) bei jüngeren
Patienten, nach Abschluss von CHOP-R
6 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
oder B-R. Weiterhin sollten die jeweiligen
Ausbeuten verglichen werden.
Von den 549 randomisierten Patienten waren 513 auswertbar (B-R = 260, CHOP-R
= 253). In jedem Arm konnten 23 Mobilisationen durchgeführt werden. Sowohl
im B-R-Arm als auch im CHOP-R-Arm
konnten 18 Mobilisationen nach Abschluss
der Chemotherapie durchgeführt werden.
Bei je 5 weiteren Patienten wurden periphere
Blutstammzellen (PBSZ) im ersten Rezidiv
separiert. Das mediane Alter betrug 51 Jahre
im B-R-Arm und 53 Jahre im CHOP-RArm. Mobilisiert wurde überwiegend mit
Cyclophosphamid + G-CSF (je 9 Patienten
pro Arm) oder mit G-CSF allein (7 Patienten nach B-R, 2 Patienten nach CHOP-R).
Alternative Mobilisierungsregime bei den
restlichen Patienten waren Dexa-BEAM,
DHAP, ICE und andere.
Die mediane CD34+ Ausbeute unterschied
sich nicht signifikant zwischen den beiden
Armen. Sie betrug in der B-R-Gruppe 4.55
x 106 CD34+ Zellen/kg und einem Schwankungsbereich von 1.68 – 12.35 x 106 CD34+
Zellen/kg. Im CHOP-R-Arm waren es 6.17
x 106 CD 34+ Zellen/kg (Schwankungsbereich: 1.68 – 20.39 x 106 CD34+ Zellen/kg).
Auch die Anzahl der notwendigen Apharesen war im Median nicht unterschiedlich
(B-R: 1.85 vs. CHOP-R: 1.66). Lediglich 3
Patienten waren nicht in der Lage mehr als
2.0 x 106 CD34+ Zellen/kg zu mobilisieren. 1 Patient nach B-R (1.68 x 106 CD34+
Zellen /kg), und 2 Patienten nach CHOP-R
(1.68 x 106 CD34+ Zellen/kg). Bei einem
Patienten war keine Mobilisierung möglich.
Bei denjenigen Patienten mit erfolgreicher
Mobilisation nach Beendigung der Erstlinientherapie (je 18 Patienten pro Arm), war
ebenfalls kein signifikanter Unterschied in
den Ausbeuten festzustellen (B-R: median
5.52 x 106 CD34+ Zellen/kg vs. CHOP-R:
median 7.35 x 106 CD34+ Zellen/kg). Die
Stammzellausbeute der jeweils 5 Patienten im
Rezidiv war annähernd gleich (B-R: median
8.79 x 106 CD34+ Zellen/kg vs. CHOP-R:
median 7.3 x 106 CD34+ Zellen/kg).
Es zeigt sich also, dass eine suffiziente Menge an PBSZ nach B-R mobilisierbar ist und
dass die Ausbeute in der Größenordnung wie
Bendamustin plus Rituximab
nach vorausgegangener CHOP-R-Chemotherapie liegt [3].
Pharmazeutische Aspekte
Rekonstitution und Stabilität
Bendamustin ist in der Bundesrepublik ein
„alter Bekannter“ im Gegensatz zu den USA,
wo die Substanz erst seit 2008 zugelassen ist.
Aus pharmazeutischer Sicht gibt es einige
Hinweise: Bendamustin muss in Aqua gelöst
werden und kann nicht per Mischadapter
oder Überleitungskanüle in Infusionsbeutel überführt werden. Allerdings sind die
Chloridionen für die chemische Stabilität
maßgebend. Daher muss Bendamustin nach
dem Vorlösen schnellstmöglich in Kochsalz
0,9% überführt werden. Bei umgehender
Lagerung im Kühlschrank ergibt sich eine
chemisch-physikalische Haltbarkeit von
120 Stunden, wie Mass et. al. nachweisen
konnten [4] und in der deutschen Fachinformation [5] berücksichtigt ist.
Bei Raumtemperatur ist die Stabilität auf
9 Stunden begrenzt. Die amerikanische Produktinformation [6] lässt als Trägerlösung
auch eine halbisotone NaCl-Glukoselösung
(0,45% / 2,5%) zu. Die Stabilität von Treanda® wird mit nur 3 Stunden bei Raumtemperatur für beide Trägerlösungen angegeben.
Der verminderte Chloridgehalt der NaClGlukoselösung begrenzt die Haltbarkeit aus
unserer Sicht.
Wegen der Hydrolyse aber auch wegen der
rasch einsetzenden Metabolisierung und
Elimination (Verteilungshalbwertszeit:
7 Minuten) wird eine kurze Infusionsdauer
von 30 bis 60 Minuten empfohlen, um zu
suffizienten Gewebespiegeln zu kommen.
Die 30minütige Kurzinfusion, wie sie in
Deutschland praktiziert wird, lässt sich mit
Infusionsvolumina von 100 bis 250 ml NaCl
0,9% gut realisieren.
Warum die amerikanische Verschreibungsinformation 500 ml NaCl 0,9% bzw. eine
Endkonzentration von 0,2-0,6 mg/ml vorsieht, ist unklar. Eine Kurzinfusion mit einem solchen Volumen ist schwer umsetzbar.
Während nach der deutschen Rekostitutionsvorschrift [5] eine Endkonzentration von 2,5 mg/ml entsteht, beschreibt die
die amerikanische FPI eine Rekonstituti-
on, nach der eine Endkonzentration von
5 mg/ml resultiert, was aber auch in deutscher Literatur seit langem beschrieben ist
[7].
So lässt sich das Injektionsvolumen für das
Zuspritzen in 100 – 250 ml Beutel reduzieren. Für einen Patienten mit 2 m² KOF und
einer Basisdosierung von 90 mg/m² ergibt
sich ein Volumen von 36 ml im Unterschied
zur Konzentration mit 2,5 mg/ml, bei der 72
ml resultieren. 72 ml sind nicht in die o. g.
Beutelgrößen zuspritzbar.
Dosierung
Bendamustin ist als Ribomustin® in der Bundesrepublik, als Treanda® in den USA und
inzwischen auch in Europa als Levact® und
in Japan als Treakisym® zugelassen worden,
mit unterschiedlichen Indikationen und daher auch mit unterschiedlichen Dosierungen.
Die „flexibelste“ Dosierungsspanne resultiert
aus der deutschen Zulassung, die weder eine
Standarddosierung noch ein Standardregime definiert. Die Dosierungen rangieren
zwischen 60 mg/m² über 5 Tage bis zu 150
mg/m² an 2 aufeinander folgenden Tagen.
Dagegen definiert die US-amerikanische
Zulassung eine Dosierung von 100 mg/m²
bis 120 mg/m² an 2 aufeinander folgenden
Tagen eines 28 bzw. 21 Tagezyklus und bis
zu 5 bzw. 7 Wiederholungen (also 6 resp.
8 Gaben).
Eigene, umfangreiche klinische Erfahrungen, insbesondere bei Kombinationsschemata, weisen auf ein Dosisoptimum von
90 mg/m² an zwei aufeinander folgenden
Tagen in Kombination mit Rituximab hin.
Dosismodifikationen
Da Bendamustin zu weniger als 10% renal
eliminiert wird, ist eine Dosisanpassung bei
Niereninsuffizienz praktisch nicht nötig. Die
deutsche FI empfiehlt daher auch keine Dosisanpassung, wenn die Kreatinin-Clearance
>10 ml/Min. beträgt.
Die US amerikanische Fachinformation
empfiehlt auf Grund mangelnder klinischer
Daten, Bendamustin nicht bei Patienten mit
einer Kreatinin-Clearance <40 ml/Min. zu
verwenden [8, 9].
Kommentar und Ausblick
Die StiL- Studie NHL 1-2003 ist der Frage
nachgegangen, ob in der Primärtherapie
niedrigmaligner und Mantelzell-Lymphome
die Therapie mit Bendamustin der etablierten, jedoch recht toxischen Polychemotherapie mit CHOP, jeweils in Kombination mit
dem anti-CD20 Antikörper Rituximab, in
Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) gleichwertig ist.
Es handelt sich um einen direkten Vergleich
zweier Lymphomschemata in prospektiv,
randomisierter Form. Die auf Nicht-Unterlegenheit angelegte Studie zeigt bezüglich
der primären Fragestellung sogar eine Überlegenheit der Zweierkombination B-R gegenüber der Fünferkombination CHOP-R.
Auch in Bezug auf die Akuttoxizität - eine
der sekundären Fragestellungen - zeigten
sich Vorteile für B-R. So war, wie bei der
Kombination aus Alkylans (C), Anthrazyklin (H) und Vinkaalkaloid (O) zu erwarten,
die Hämatotoxizität unter CHOP-R deutlich stärker ausgeprägt.
Die von Patienten subjektiv als belastend
empfundenen Nebenwirkungen wie Alopezie (C, H), periphere Neuropathie (O) und
Stomatitis (H, C) waren unter CHOP-R
wesentlich häufiger ausgeprägt. Die B-RPatienten erlitten keinen Haarausfall, während im CHOP-R-Arm fast alle Patienten
von einer Alopezie betroffen waren.
Vom Grundsatz her kann man B-R, im
Unterschied zu CHOP-R, als nicht-kardiotoxisches Schema bezeichnen. Die
akute und kumulative Kardiotoxizität des
Anthrazyklins ist bekannt. Im Gegensatz
dazu zeigt Bendamustin bei dem üblichen therapeutischen Dosierungsbereich
(90-120 mg/m²) keine Kardiotoxizität, wie
an Hand eines Bendamustine ECG Assessment Report festgestellt werden konnte [10].
Eine (nicht limitierende) kardiale Toxizität
vom Grad 2 zeigte sich im Rahmen einer
Phase I Studie nach einmaliger Gabe von
Bendamustin bei einer Dosierung von 280
mg/m² (sic!) alle 3 Wochen [11] – also etwas
mehr als das Dreifache der Basisdosierung
wie in der NHL 1 verwendet. Dieses kardiale Sicherheitsprofil eröffnet -neben dem
überlegenen PFS - zusätzliche Chancen für
Lymphompatienten mit kardialer Risiko-
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 7
Bendamustin plus Rituximab
konstellation, so auch - aber eben nicht nur
- für ältere Patienten.
Des Weiteren verfügt die NHL 1- 2003 über
ein Alleinstellungsmerkmal.
1. Sie hat den Stellenwert von B-R im direkten Vergleich zu einem anderen Therapieschema ermittelt, ohne dass sich
2. eine Erhaltungstherapie oder anderweitige konsolidierende Therapie an B-R oder
CHOP-R angeschlossen hat.
In heutiger Zeit wäre eine derartige Studie
nur noch mit anschließender RituximabErhaltungstherapie möglich. Das macht
eine Ergebnisfindung ungleich schwerer,
da eine solche Erhaltungstherapie nach
derzeitiger Zulassung über 2 Jahre geht.
Die NHL 1 ist die einzige Studie weltweit,
die den Stellenwert von Bendamustin in
randomisiertem Design verglichen hat.
Da die Nachbeobachtungszeit noch zu kurz
ist, um sich statistisch „bemerkbar“ zu machen und es im Fall eines Rezidivs weitere Alternativen der Lymphombehandlung
gibt, setzen sich zum jetzigen Zeitpunkt die
Studienergebnisse nicht in das sekundäre
Studienziel Gesamtüberleben um. Denn
die Rezidivtherapien nehmen Einfluss auf
das Endresultat Gesamtüberleben und „verwässern“ diesen Parameter.
Zukünftig wird die StiL versuchen, Antworten auf weitere interessante Fragen basierend auf der NHL 1 – 2003 zu geben. So
beispielsweise ob die Güte der Erstremission (CR oder PR) ebenfalls Unterschiede
im PFS oder im Gesamtüberleben zeigt.
Im Rahmen der Nachfolgestudie NHL
7-2008 soll die Wertigkeit der Dauer der
Erhaltungstherapie mit Rituximab in der
Erstlinientherapie der follikulären Lymphome untersucht und folgende Frage beantwortet werden:
Kann mit einer längeren zielgerichteten
antilymphoproliferativen Erhaltungstherapie mit Rituximab (4 Jahre im Vergleich
zu 2 Jahre) eine Eradikation der malignen
Lymphomzellen, also eine Heilung der
Erkrankung bzw. eine längere progressionsfreie Zeit erreicht werden? Bei den anderen Lymphomentitäten Immunozytom,
Marginalzonen und Mantelzell-Lymphom
soll die Frage beantwortet werden, ob die
Prognose dieser Erkrankungen durch eine
verlängerte Rituximab Therapie im Vergleich zur der sonst üblichen therapiefreien
Nachbeobachtung verbessert werden kann
(2 Jahre Erhaltungstherapie im Vergleich
zu Nachbeobachtung). Hierfür sind insgesamt 874 Patienten notwendig. Es ist den
derzeit 112 bundesweit verteilten, aktiven
Zentren gelungen, seit April 2009 bis Ende
September 2010 über 500 Patienten in diese
Studie einzubringen. Weitere Informationen hierzu unter: http://www.stil-info.de/
index.php?id=263
Literatur
1 Rummel MJ, Al-Batran SE, Kim SZ, et al. Bendamustine plus rituximab is effective and has a favorable toxicity profile in the treatment of mantle
cell and low-grade non-Hodgkin‘s lymphoma. J
Clin Oncol 2005;23:3383-9
2 Robinson KS, Williams ME, van der Jagt RH, et
al. Phase II multicenter study of bendamustine
plus rituximab in patients with relapsed indolent
B-cell and mantle cell non-Hodgkin‘s lymphoma.
J Clin Oncol 2008;26:4473-9
3 Burchardt CA, B-Rugger, W., Maschmeyer, G.,
Kofahl-Krause, D., Fischer, L., Roller, F., Barth,
J., Rummel, M.J. Peripheral blood stem cell mobilization after Bendamustine containing therapy
in indolent lymphomas is possible. Results from
the phase III study of B-R vs. CHOP-R(NHL 1-2003
trial) of the StiL (Study group indolent Lymphomas, Germany) (Poster at ASH Annual Meeting).
Blood 2009;114:Abstract 2679
4 Mass et. al. Pharmazie 1994; 49: 775-77
5 Fachinformation Ribomustin®.Mundipharma
GmbH Mundipharma Straße 2 65549 Limburg
(Lahn); 2007
6 Full Prescribing Information Treanda®. Cephalon
Inc. Frazer, PA 19355; 2009
7 Barth Zytostatikaherstellung in der Apotheke,
ISBN 978-3-7692-4432-8
8 Barth J, Rummel M. Bendamustin - antitumorales
N-Lost-Derivat mit klinischen Besonderheiten
Arzneimitteltherapie 2010; 28: 114-122
9 Barth J, Rummel M. Antitumorale Therapie mit
Bendamustin Krankenhauspharmazie 2010; 393405
10Data on file, Clinilabs Inc New York: 2007
11Rasschaert et. al. Anticancer Drugs 2007; 18:
587-95 .
12 Rummel M.J. et al. Bendamustine Plus Rituximab
Is Superior in Respect of Progression Free Survival and CR Rate When Compared to CHOP Plus
Rituximab as First-Line Treatment of Patients
with Advanced Follicular, Indolent, and Mantle
Cell Lymphomas: Final Results of a Randomized
Phase III Study of the StiL (Study Group Indolent
Lymphomas, Germany, Oral Presentation at ASH
Annual Meeting 2009. Blood 114 (22): 168 (Abstract 405)
Autoren
Jürgen Barth, Gießen
Dr. Petra Ortner, München
28. - 30. Januar 2011
Hamburg-Harburg
8 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Allogene Blutstammzelltransplantation
Allogene Blutstammzelltransplantation
Von Petra Jungmayr, Esslingen
B
ei der allogenen Stammzelltransplantation wird das kranke lymphohämatopoetische System durch hämatopoetische Stammzellen eines gesunden Spenders ersetzt.
Diesem Vorgang gehen eine Anreicherung der zu transplantierenden Stammzellen und
eine klassische oder dosismodifizierte Konditionierung des Patienten voraus. Die wichtigsten Indikationen für die Blutstammzelltransplantation sind hämatologische Tumore.
Seit etwa 30 Jahren werden in Deutschland
Stammzellen von einem Spender auf einen
Empfänger übertragen (allogene Transplantation). Die Anzahl der Transplantationen
wächst kontinuierlich und hat sich innerhalb
der letzten zehn Jahre verdoppelt. Wurden
früher vor allem Knochenmarkzellen übertragen, so spielt heute die Transplantation
von Blutstammzellen die wichtigste Rolle
(Abb. 1). Die Übertragung von Stammzellen
aus Nabel­schnur­blut ist von untergeordneter Bedeutung. So wurden im vergangenen
Jahr in Deutschland 2034 periphere Blutstammzelltransplantation, 314 Knochenmarktransplantationen und 28 Übertragungen von Nabelschnurblut (jeweils allogene
Ersttransfusionen) durchgeführt.
1500
peripheres Blut
1000
Knochenmark
500
0
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
Vor der Blutstammzelltransplantation wird
die Blutbildung mit Hilfe von Wachstumsfaktoren stimuliert, da die im peripheren
Blut zirkulierenden peripheren Progenitorzellen (PBPC) nicht für eine Transplantation ausreichen. Dazu erhält ein geeig-
2000
2000
Gewinnung und Mobilisierung der
Blutstammzellen
Mobilisierte Blutstammzellen enthalten
wesentlich mehr T-Zellen als das Knochenmark, was ein häufigeres Auftreten
einer akuten Graft-versus-Host-Reaktion
2500
1999
Im Folgenden wird auf die Gewinnung der
Blutstammzellen beim Spender und auf die
Konditionierung des Empfängers eingegangen.
Graft-versus-host- und Graft-versusLeukämie-Reaktionen
Allogene Ersttransplantationen
1998
Die Blutstammzelltransplantation verläuft
in mehreren Abschnitten:
Suche eines geeigneten Stammzellspenders mit möglichst gleichen Gewebemerkmalen
Gewinnung der Blutstammzellen
Konditionierung (immun- und myeloablative Chemotherapie und/oder Ganzkörperbestrahlung) des Patienten
Transplantation der Blutstammzellen
Nachbehandlung
neter, gesunder Spender eine mehrtägige
Stimulation der Hämatopoese mit Hilfe von
Wachstumsfaktoren (PBPC-Mobilisation).
Eingesetzt werden dabei Granulozytenkolonie-stimulierende Faktoren G-CSF wie etwa
Filgrastim, Lenograstim oder Pegfilgrastim.
In der Regel mobilisiert eine Behandlung
über fünf Tage bei rund 80% der Spender
genügend Stammzellen für die Transplantation eines erwachsenen Patienten; ein
weiterer Tag unter G-CSF-Gabe führt bei
Stunden. In dieser Zeit werden schrittweise
rund zehn Liter Blut aus einer Armvene oder
über einen Venenkatheter in den Blutzellseparator gepumpt und dort prozessiert. Die
Stammzellen werden abgetrennt und das
bearbeitete Blut dem Spender wieder zugeführt. Die Transplantation der Stammzellen
erfolgt wie eine Bluttransfusion über einen
zentralen Venenkatheter.
Abb. 1: Allogene Erstransplantation - Nutzung von Knochenmark und peripherem Blut als
Stammzellquelle [Quelle: deutsches Register für Stammzelltransplantation]
annährend 99% der Spender zu einer genügenden Stammzellbildung. Die Stammzellzahl mobilisierter Blutstammzellen lässt sich
anhand des Gehaltes an CD34-positiven
Zellen abschätzen. Das Oberflächenantigen
CD34 findet sich ausschließlich auf frühen
Vorläuferzellen der Hämatopoese und geht
im Laufe der Reifung verloren.
Die mobilisierten Blutstammzellen werden
mit Hilfe eines Blutzellseparators aus dem
Blut abgetrennt und konzentriert (Leukapherese). Der Vorgang dauert zwei bis vier
10 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
(GVHR) befürchten lässt. Darunter versteht
man Abwehrreaktionen der transplantierten immunologisch aktiven Spenderzellen
gegen den Empfängerorganismus, die sich
in entzündlichen Reaktionen an immunogenen Stellen wie Haut (Dermatitis), intrahepatischen Gallenwegen (Cholestase)
und Darmepithel (Enteritis) äußern können. Es hat sich aber gezeigt, dass Häufigkeit und Schwere akuter GVHR nach
einer G-CSF-Behandlung nicht häufiger
oder ausgeprägter sind als nach einer Knochenmarktransplantation. Das Risiko einer
Allogene Blutstammzelltransplantation
Tab. 1: Charakteristika der Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation
Gewinnung
Transplantat
Knochenmarkzellen
Blutstammzellen
operativer Eingriff
unter Vollnarkose
mögliche Nebenwirkungen: Schmerzen
an der Entnahmestelle, Wundgefühl und
weitere Nebenwirkungen
nach Mobilisierung mit G-CSF; wiederholte
Mobilisierung möglich
potentielle Nebenwirkungen: Knochen- und
Muskelschmerzen, Fieber, Kopfschmerzen
sowie erhöhte Leberwerte; schwere Nebenwirkungen sind sehr selten. Langzeitbeobachtungen ergaben keinen Hinweis auf ein
vermehrtes Auftreten maligner Erkrankungen bei den Spendern durch die wiederholte Gabe von Wachstumsfaktoren.
wahrscheinlich höherer Anteil hämatopoetischer Stammzellen mit
langfristigem Repopulationspotential
drei- bis vierfache Menge an CD34+-Zellen,
mehr als zehnfache Menge an T-Zellen, Monozyten und NK-Zellen
Erholung
akute Graftversus-hostReaktion
schnellere Erholung der Hämatopoese (Engraftment von Neutrophilen und Thrombozyten im median 5-6 Tage kürzer); raschere
Immunrekonstitution
kein Unterschied
kein Unterschied
chronische
Graft-versushost-Reaktion
ev. höheres Risiko
Graft-versusLeukämieReaktion
vermutlich bessere Graft-versus-LeukämieReaktion
Therapieerfolg
bei fortgeschrittenen Leukämien ist die
behandlungsassoziierte Letalität tenden­
ziell geringer
Alter des Patienten
für ältere Patienten
weniger gut geeignet
erhöhten Inzidenz chronischer GVHR nach
einer Blutstammzelltransplantation wird
kontrovers diskutiert.
Die transplantierten T-Zellen sind auch für
die gewünschte immunologische Reaktion
gegen die maligne Erkrankung verantwortlich
(Graft-versus-Leukämie-Effekt bzw. Graftversus-Tumor-Effekt). Darunter versteht man
die immunologische Reaktion von Spenderlymphozyten im Transplantat gegen die maligne Erkrankung, die zu geringeren Rezidivraten
führt als eine autologe Stammzelltransplantation. Die Pathophysiologie dieser Effekte
ist komplex und noch nicht vollständig bekannt. Neben den Spender-T-Lymphozyten
sind dabei weitere Zellen beteiligt (natürliche
Killerzellen, Antigen-präsentierende Zellen).
auch für ältere Patienten geeignet
Konditionierung
Bevor eine Konditionierung durchgeführt
wird, muss eine stabile Remission der Grunderkrankung durch eine vorausgegangene
Chemotherapie vorliegen. Dann kann die
myeloablative Konditionierung eingeleitet
werden, die entweder aus einer Kombination der Ganzkörperbestrahlung (1000-1440
cGy) plus Chemotherapie oder aus einer alleinigen zytotoxischen Behandlung besteht.
Eingesetzt werden dabei unter anderem hoch
dosiertes Cyclophosphamid (120-200 mg/
kg) und Busulfan (16 mg/kg). Das Ziel der
Konditionierung ist die Zerstörung der patienteneigenen Hämatopoese und eventuell
verbliebener maligner Zellen. Ein bis zwei
Tage nach Abschluss der Konditionierungs-
therapie werden dem Patienten dann entweder Knochenmark- oder Blutstammzellen
über einen zentralvenösen Katheter zugeführt. Nach zwei bis drei Wochen hat sich das
blutbildende System des Empfängers erholt.
Dosisreduzierte Konditionierung
Im Gegensatz zur myeloablativen Konditionierung werden bei der dosisreduzierten Konditionierung (korrekte Bezeichnung: „allogene Stammzelltransplantation mit reduzierter
Konditionierungsintensität“; irreführende Bezeichnung „Minitransplantation“) die immunologischen Effekte der Graft-versus-Leukämie-Reaktionen therapeutisch genutzt und die
toxischen Effekte der Chemo-/Radiotherapie
vermindert. Dadurch verliert die Konditionierung erheblich an Toxizität und Aggressivität
und ist auch bei älteren Patienten oder bei herabgesetztem Allgemeinzustand durchführbar.
Die Vorraussetzung für den Erfolg einer dosisreduzierten Konditionierung sind eine geringe
Resttumoraktivität und die Tumorsensitivität
gegenüber Graft-versus-Leukämie-Effekten.
Als sensitiv gelten CML, CLL sowie indolente
und Mantelzell-Lymphome. Als nicht sensitiv
werden das Non-Hodgkin-Lymphom und die
ALL eingestuft.
Derzeit werden etwa 30% aller allogenen
Stammzelltransplantationen als dosisreduzierte Transplantationen durchgeführt. Ihr
schließt sich eine immunsuppressive Behandlung an. Bedeutung und Indikationsspektrum
der allogenen Stammzelltransplantation mit
reduzierter Konditionierungsintensität sind
noch nicht genau einschätzbar. Sie wird meist
im Rahmen prospektiver kontrollierter Studien durchgeführt.
Internet
www.dkms.de (Deutsche Knochenmark-
spenderdatei); sucht und registriert mögliche
Stammzellspender und bietet weiterführende Informationen an.
www.zkrd.de (Zentrales Knochenmark-
spender-Register Deutschland); hier werden anonymisiert die Daten der registrierten Personen und der suchenden Patienten
zusammengeführt.
http://www.drst.de (Deutsches Register für
Stammzelltransplantation)
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 11
Allogene Blutstammzelltransplantation
Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP IV/2010
Allogene Blutstammzelltransplantation
1. Zur Mobilisierung der Blutstammzellen werden folgende
Wachstumsfaktoren eingesetzt:
4. Zur Konditionierung werden u.a. folgende Zytostatika
eingesetzt:
A Erythropoetin
A Taxane
B Filgrastim
B Busulfan
C Lenograstim
C Cyclophosphamid
D EGF
D Methotrexat
2. Nach einer Mobilisierung mit G-CSF muss beim Spender
mit folgenden Nebenwirkungen gerechnet werden:
5. Folgende Aussage zur Knochenmarktransplantation trifft zu:
A erhöhte Malignominzidenz
B Erhöhung der Leberwerte
A Sie führt bei fortgeschrittenen Leukämien zu besseren
Therapieergebnissen.
B Sie führt zu vermehrten akuten Graft-versus-host-Reaktionen.
C Grippe-ähnliche Symptome
D Hypertonie
C Sie erfordert beim Spender einen operativen Eingriff unter Vollnarkose.
3. Allogene Blutstammzelltransplantationen werden vor
allem durchgeführt bei
D Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland mehr als
1.000 Knochenmarktransplantationen durchgeführt.
A Lymphomen
Richtige Antworten zum Beitrag:
„Aktuelle medikamentöse Therapie kolorektaler
Karzinome“, Heft II/2010
B soliden Tumoren
C Leukämien
D Hirntumoren
Frage 1:
C
Frage 2:
C
Frage 3:
D
Frage 4:
B
Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2010
Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel
in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der
erforder­lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten
Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an
nachfolgende Fax-Nummer der DGOP faxen. Auch mehrere
Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen
wir viel Erfolg!
Per Fax: +49-40-79 14 03 02
Name:
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PLZ/Ort:
Allogene Blutstammzelltransplantation
(Onkologische Pharmazie Nr. 4/2010)
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D
12 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die
Fragen persönlich beantwortet habe.
Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes
interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung
meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der
erreichten Punktzahl.
Datum:
Unterschrift:
Allogene Blutstammzelltransplantation
Indikationen zur allogenen
Transplantation bei maligenen
Erkrankungen
Allogene Stammzelltransplantationen werden vor allem bei Lymphomen und Leukämien durchgeführt.
Bei soliden Tumoren spielen sie außerhalb von Studien derzeit keine
Rolle. Für folgende Tumor­entitäten
kommt eine allogene Stammzelltransplantation in Frage:
Akute myeloische Leukämie
Myelodysplastisches Syndrom
Akute lymphatische Leukämie
Chronisch lymphatische
Leukämie
Chronisch myeloische Leukämie
Lymphome (Plasmozytom,
follikuläres Lymphom,
Mantelzell-Lymphom,
hochmalignes Non-HodgkinLymphom, Morbus Hodgkin)
Patientenratgeber
Nach allogener Knochenmark- und Stammzelltransplantation. Hrsg.: Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe e.V. (DLH).
Stand 2008.
Literatur
1. Bensinger, W.: Stem-cell transplantation for multiple
myeloma in the era of novel drugs. JCO 20, 480-492
(2008).
2. Berger, D.P., Engelhardt R. und Mertelsmann R. (Hrsg.):
Das rote Buch. Hämatologische und internistische
Onkologie. 3. Aufl. Verlag ecomed Landsberg 2006.
3. Grathwohl A., et al.: Change in stem cell source for
hematopoietic stem cell transplantation (HSCT) in
Europe: A report of the EBMT activity survey 2003.
6. Mueller-Eckhardt, C.: Transfusionsmedizin: Grundlagen, Therapie, Methodik. 3. Aufl. Springer Verlag 2003.
7. Ottinger, H., et al.: Entwicklungen in der hämatopoetischen Stammzelltransplantation. Dtsch Ärztebl 103,
A 2381-2386 (2006).
8. Schmoll, H.-J., Höffken K. und Possinger, K. (Hrsg.):
Kompendium Internistische Onkologie. 3 Bde., 4.Aufl.,
Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 2005.
9. Schrezenmeier H., et al.: Autologe und allogene
Stammzelltransplantation bei malignen Erkrankungen.
Trends und Perspektiven in Deutschland. MedReview
11(2), 16-17 (2010).
10.Siena, S. et al.: Therapeutic relevance of CD34 cell
dose in blood cell transplantation for cancer therapy.
JCO 13,1360-1377 (2000).
11.Storb R.: Allogeneic hematopoietic stem cell transplantation. Yesterday, today, and tomorrow. Exp. Hematol
31, 1-10 (2003).
Bone Marrow Transplant 36, 574-590 (2003).
4. Hiddemann, W.; Bartram, C. (Hrsg.): Die Onkologie.
Springer Verlag 2010.
5. Martin P., et al.: Life expectancy in patients surviving
more than 5 years after hematopoietic cell transplantation. JCO 20, 1011-1016 (2010).
Autorin
Dr. Petra Jungmayr
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Onkologische Pharmazie
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Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 13
Arzneimittelinnovationen
Arzneimittelinnovationen in der Hämato-Onkologie:
Catumaxomab und Plerixafor
Von Brigitte Hübner, Quedlinburg
Als neuartige Therapieoption wurde im
April 2009 der bispezifische Antikörper
Catumaxomab (Removab®) zur Behandlung eines malignen Aszites infolge einer
epithelialen Tumorerkrankung zugelassen.
Catumaxomab bindet mit seiner AntigenBindungsstelle einerseits an T-Zellen und
andererseits an EpCam-positive Tumorzellen. Über die intakte Fc-Region werden
zusätzlich akzessorische Zellen gebunden,
wodurch eine komplexe und zielgerichtete Immunreaktion induziert wird. In der
Zulassungsstudie IP-REM-AC01 wurde die Wirksamkeit und Sicherheit einer
Catumaxomab-Therapie an 258 Patienten
mit malignem Aszites infolge verschiedener Krebserkrankungen im Vergleich zu
einer Parazentese als Standardbehandlung
untersucht. Dabei erhielten 170 Patienten
(davon 85 mit Ovarialkarzinom) eine Parazentese gefolgt von vier CatumaxomabInfusionen aufsteigender Dosierung (10, 20,
50 und 150µg). Jeweils 44 Kontrollpatienten
pro Gruppe erhielten nur eine Parazentese.
Primärer Studienendpunkt war die punktionsfreie Überlebenszeit, also die Zeitspanne bis zur Notwendigkeit einer erneuten
Aszitespunktion. In beiden Gruppen war
das punktionsfreie Überleben unter einer
Catumaxomab-Therapie signifikant verlängert (p<0,0001). Bei Patienten mit Ovarialkarzinom konnte durch den Antikörper eine
mediane punktionsfreie Überlebenszeit von
52 Tagen erzielt werden (diese beträgt bei
alleiniger Parazentese nur 11 Tage). Eine
Behandlung mit Catumaxomab führte somit
zu einer reduzierten Aszitesbildung und ver-
besserten klinischen Situation. Bereits nach
8 Tagen konnte eine signifikante Verringerung der Aszites-Symptome (abdominale
Schwellung, Schmerzen) beobachtet werden.
Bei 85% der Patienten traten unerwünschte
Arzneimittelwirkungen auf, meist gastrointestinale Störungen oder infusionsbedingte
Reaktionen infolge einer verstärkten Zytokinausschüttung. Daher sollten nach der
Therapie die Vitalfunktionen und klinischen
Parameter adäquat überwacht werden. Aufgrund seiner Maus- bzw. Rattenstrukturanteile besitzt der Antikörper ferner immunogenes Potential und kann die Bildung von
Anti-Antikörpern induzieren.
Catumaxomab wird intraperitoneal in vier
Einzeldosen (10/20/50/150 µg) während eines Zeitraumes von 11 Tagen verabreicht.
Die Behandlungskosten pro Patient mit
einer Gesamtdosis von 230µg liegen bei
11.500 Euro.
Insgesamt stellt diese Therapie jedoch einen
neuartigen Ansatz in der Krebstherapie dar,
wobei die Patienten eindeutig von einem
verlängerten punktionsfreien Überleben
profitieren.
Plerixafor (Mozobil®) ist bei Mobilisierungsversagern in Kombination mit G-CSF
indiziert, um die Mobilisierung von hämatopoetischen Stammzellen ins periphere Blut
zur Entnahme und anschließender autologen
Transplantation bei Patienten mit Lymphom
und multiplem Myelom zu verbessern.
Das niedermolekulare Bicyclamderivat ist
ein selektiver Antagonist des CXCR-4-Chemokin-Rezeptors und blockiert die Bindung
des CXCR-4-Liganden CXCL12 (Stromal
cell-derived factor- 1α) an seinen Rezeptor.
Die empfohlene Dosis beträgt 240µg/kg
KG täglich. Plerixafor sollte subkutan 6 bis
14 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
11 Stunden vor Einleitung der Apherese im
Anschluss an eine 4-tägige G-CSF-Vorbehandlung gegeben werden. Die häufigsten
Nebenwirkungen waren Durchfall, Übelkeit, Müdigkeit sowie Gelenkschmerzen und
Reaktionen an der Injektionsstelle.
Die klinische Wirksamkeit von Plerixafor
wurde in zwei randomisierten kontrollierten
Phase-III-Studien an Patienten mit NonHodgkin-Lymphom (n=298) und multiplem
Myelom (n=302) untersucht. Die Patienten
erhielten dabei viermal morgendliche Dosen
von 10µg/kg G-CSF pro Tag (Tag 1-4) vor
der ersten Plerixafor (Tag 4) bzw. PlaceboDosis und an jedem Morgen vor der Apherese. Plerixafor wurde am Abend vor der
Apherese in einer Dosierung von 240µg/
kg appliziert. Primärer Studienendpunkt
war die Sammlung von 5x106 CD34+-Zellen
an vier oder weniger Apherese-Tagen. In
den Studien betrug der Anteil an Patienten, der die optimale Menge von > 5x10 6
CD34+Zellen erreichte, 58% bzw. 78% in
der Mozobil-Gruppe nach dreimalige Gabe.
In der Kontrollgruppe ohne Mozobil erreichten nur 22% bzw. 49% der Patienten
die erforderliche Zellmenge. Aus pharmakodynamischen Studien ist bekannt, dass
es 6-9 Stunden nach der Applikation von
Plerixafor zur Spitzenmobilisierung kommt.
Der CXCR4-Antagonist ermöglicht auf
diese Weise einem großen Anteil an Mobilisierungsversagern unter G-CSF, doch
noch erfolgreich Stammzellen zu sammeln.
Damit steht diesen Patienten weiterhin die
Option zur Hochdosistherapie und potentiellen Heilung offen. Ohne den Einsatz von
Plerixafor könnten diese Patienten häufig
nicht transplantiert werden.
Herausgeber:
Klaus Meier, Soltau
Verlag:
onkopress,
Ziegelhofstraße 43,
26121 Oldenburg,
www.onkopress.de
ISSN-Nr.: 1437-8825
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Chefredakteurin:
Dr. Karla Domagk, Cottbus
Redaktion:
Dr. Susan Bischoff, Berlin;
Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen;
Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.;
Dr. Doris Haider, Wien; Gerald Hensel,
Leipzig; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg;
Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik
Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling;
Thomas Schubert, Mönchengladbach;
Wioletta Sekular, Tönisvorst;
Gisela Sprossmann-Günther, Berlin;
Dr. Robert Terkola, Wien;
Dr. Sabine Thor-Wiedemann, Ravensburg.
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etwa bestehende Schutzrechte fehlt.
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Institut, Abt. Klinische Pharmazie,
Universität Bonn; Prof. Dr. Günter
Wiedemann, Klinik für Innere
Medizin, Hämatologie, Onkologie und
Gastroenterologie, Oberschwabenklinik
Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert
Mader, Universitätsklinik für Innere
Medizin I, Medizinische Universität Wien;
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Lebender Kolumnentitel
Medizin mit Herz
Von Sigrid Rosen-Marks, Hamburg
M
Foto: privat
eine Medizin sitzt gerade auf meinem Schoss. Während ich sie streichle, sinkt
mein Blutdruck. Sie regt mich zu viel Bewegung an: Vier Spaziergänge pro Tag
(einer davon länger), gemeinsame Radtouren, bei denen immer wieder für die Medizin
Fußgängerstrecken eingelegt werden (sie sitzt ansonsten gemütlich in ihrem Korb,
während ich fleißig für uns beide treten muss!) und viel Staubsaugen. Die Staubsaugerei
habe ich allerdings vor kurzem mit Hilfe eines Staubsaugerroboters abgeschafft! Die
Medizin zwingt mich zu sozialen Kontakten - auch ungewollten. Es werden leider von
der Medizin auch Menschen und vor allem Hunde angesteuert, die ich nicht unbedingt
treffen wollte. Soziales Training sozusagen oder wissenschaftlich ausgedrückt: soziale
Katalysatoren. Nun ist es also raus: Meine Medizin ist ein schwarzer Pudel mit TerrierHaarschnitt (darauf legen mein Mann und ich viel Wert!), wiegt 5,5 Kilogramm und
heißt Felix.
16 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Medizin mit Herz
Was jeder Haustierhalter im alltäglichen
Umgang mit seinem Vierbeiner intuitiv
spürt, weisen internationale Forschungsresultate nach: Haustiere haben einen positiven Effekt auf die Psyche und die körperliche Gesundheit des Menschen (1). Eine
Vielzahl von Presseveröffentlichungen
belegt dies eindrucksvoll. Die amerikanische Forscherin Dr. Erika Friedmann
(2) hat in einer Untersuchung mit 400
Postinfarkt-Patienten nachgewiesen, dass
Haustierhaltung eine deutlich höhere Überlebenschance bewirkt. Ein Jahr nach einem
Herzinfarkt lebten noch 94 Prozent der
Tierhalter, aber nur 72 Prozent der NichtTierhalter. Nicht nur Hunde, sondern auch
Haustiere, die nicht spazieren geführt werden, wirken sich günstig auf die psychische und physische Gesundheit aus. Das
Streicheln eines Haustiers, ja bereits die
bloße Anwesenheit eines Tieres lässt den
Blutdruck und die Pulsrate entscheidend
sinken. Diese Stress reduzierende Wirkung
bestätigt auch eine australische Studie von
Garry L. Jennings (3), die 6000 Haushalte
einbezog. Hundehalter suchten acht Prozent und Katzenhalter gar zwölf Prozent
seltener den Arzt auf als Nicht-Haustierhalter (1). “Je besser die Beziehung zum Tier,
desto stärker sind die positiven Auswirkungen. Der Profit muss für Mensch und Tier
gleich sein“, weiß Dr. Silke Wechsung (4).
Gute und verantwortungsvolle Tierhaltung ist also Grundlage für die positiven
Wirkungen!
Ranga Yogeshwar berichtet in der Sendung
Quarks & Co., über das Thema „Glück“.
Auch hier dürfen Informationen über
Haustiere nicht fehlen. Im Schnitt leben
Haustierbesitzer 10 Jahre länger, sind seltener krank und schneller wieder gesund
(5). Eindrucksvolle Aussagen, die auch das
Thema „Krebs“ berühren. Zum Beispiel beschreibt Dr. Marty Becker in seinem Buch
ausführlich die überzeugenden Erfolge von
Hunden bei der Erkennung von bösartigen
Melanomen, die zu klein sind, um sie mit
dem menschlichen Auge zu entdecken (6).
Die Anwesenheit von Haustieren steigert
auch das Wohlbef inden von chronisch
kranken Menschen: Krebskranke sind häufig in ihrer Aktivität eingeschränkt und von
Einsamkeit bedroht. Hier leisten die Tiere
in erster Linie psychische Hilfe, indem sie
stets ansprechbar sind und ausgleichend
wirken (7). Ein Gespräch mit der Initiatorin
und dem Vorstand der Tiertafel, Claudia
Hollm (8), bestätigt das. Eine große Klientel der Tiertafel sind auch krebskranke
Menschen. Die Sorge für ihr Tier lässt sie
durchhalten und immer wieder Mut fassen.
Die Tiertafel versorgt Tiere von Menschen,
die in Not geraten sind, mit Futter und
Tierbedarf - alles aus Spenden! Voraussetzungen sind, dass das Tier vor der Bedürftigkeit vorhanden war und der schriftliche
Nachweis der Tierhalter, bedürftig zu sein.
Sich um die Tiere zu kümmern, gibt dem
belasteten Leben der Krebspatienten Sinn
und Struktur. Die 26 Tiertafeln in unserem
Land leisten einen wertvollen Beitrag für
Mensch und Tier. Geht es dem Tier gut,
wird gleichzeitig der Mensch in seiner Lebenskraft gestärkt.
Wir sind eine Einheit, der Mensch und das
Tier. Wir brauchen einander und haben
unsere Welt schon immer in gemeinsamer
Entwicklung besiedelt. Ganz einfach ausgedrückt, tun uns Tiere gut; ganz gleich, ob
als Haus- oder Therapietier. Das Tier gibt
uns viel und zahlt dafür leider auch einen
Preis: Therapie-Hunde haben im Durchschnitt eine niedrigere Lebenserwartung
als ihre Artgenossen ohne Job. Man kann
es wirklich nicht oft genug betonen, und
besser als Steffi von Wolff im Magazin
des Hamburger Abendblatts kann ich es
abschließend auch nicht ausdrücken: Die
Liste der Heilerfolge von Tiertherapien ist
lang: Senkung des Blutdrucks, Reduzierung
von Stress, Minderung von Depressionen,
Verbesserung sozialer Kontakte und des
Selbstwertgefühls. Klingt wie der Werbespot eines Wundermedikaments, bloß
dass ein Nachsatz wegfällt: Bei Risiken
und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt
oder Apotheker (9).
Mein Blutdruck ist übrigens sehr niedrig.
Und überhaupt ... es ist Zeit für ein Dankeschön-Leckerli für meine Pudel-Medizin.
Danke Felix (inoffizielles Mitglied unserer
Redaktion) und seinem Vorgänger Tommi!
Literatur
1 Konrad Lorenz Kuratorium, Institut für interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung,
Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft: Zufrieden und gesund mit Katz und Hund, S. 3, 5 und
9, Vorwort: Prof. Dr. med. Felix Gutzwiller, Direktor,
Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich
2 Friedmann E: University of Maryland School of
Nursing, Baltimore
3 Jennings G L R, Reid C M u.a.: Animals and cardiovasular health, in: Wilson C C & Turner D C (Hg.),
Companion Animals in Human Health, S. 162
4 Wechsung S: Forschungsleiterin des Projekts
„Mensch und Hund“ am Psychologischen Institut
der Universität Bonn, Zitat aus einem Interview in
„Gassi-T V -tierisch angeleintes Internet-T V“, 15.
Mai 2009
5 WDR: Quarks & Co., Ranga Yogeshwar, Sendung
vom 4. Mai 2010
6 Becker M: Heilende Haustiere, riva Verlag, München 2006, S. 34
7 Rieger G, Turner D C: How moods of cat owners,
especially depressive moods, affect interspecific
interactions and vice versa, in: Abstract Book, Prag
1998, S. 76
8 Hollm C: Initiatorin und Vorstand Tiertafel Deutschland e.V.
9 von Wolff S: Hamburger Abendblatt, magazin,
32/2010, 7./8. August 2010, S. 1
➔ Die Autorin mit Felix – malend in der Sächsischen Schweiz.
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 17
Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2
Persönliche Schutzausrüstung –
eine elementare Barriere zum Schutz der
Gesundheit beim Umgang mit CMR-Arzneimitteln
Teil 2: Schutzbekleidung, Atemschutz und Augenschutz
Von Guido Maik, Thomas Hinrichs, Elmshorn
N
achdem im Teil 1 des Artikels die rechtlichen Grundlagen und das Thema Schutzhandschuhe behandelt wurden (1), befasst sich Teil 2 mit der Schutzbekleidung, dem
Atem- und Augenschutz als Bestandteil einer Persönlichen Schutzausrüstung (PSA).
Die gesetzliche Grundlage bildet in Europa
die EU-Richtlinie 89/686/EWG (2). Wie
schon im ersten Teil beschrieben, wird eine
PSA in die Kategorien I, II und III differenziert, wobei für die Schutzkleidung beim
Umgang mit CMR-Arzneimitteln (z. B.
Zytostatika) und gefährlichen biologischen
Arbeitsstoffen ausschließlich komplexe PSA
der Kategorie III in Betracht kommt.
Vorab noch ein Kommentar zu den Normen.
Normen sind neben Richtlinien, Verordnungen etc. ein elementarer Teil der Definition
„Stand der Technik“. Normen werden in regelmäßigen Abständen durch fachspezifische
Gremien überarbeitet. Diesbezüglich steigen
die Anforderungen auch im Bereich der PSA
stetig. Für den Anwender ist es daher wichtig,
nur PSA einzusetzen, die dem aktuellen Stand
der Technik entspricht. Eine Überprüfung auf
die Aktualität einer Norm ist z. B. über den
Beuth-Verlag leicht möglich (3).
beschrieben. Standardanforderungen wie
die verschiedenen Größenbezeichnungen,
Unschädlichkeit des Schutzkleidungsmaterials (z.B. der pH-Wert der Kleidung, der
Verzicht auf Azofarbstoffe) werden in der
DIN EN 340 ebenso beschrieben wie die
Auswirkungen durch Alterung, Reinigung
von Mehrfachkleidung und natürlich die
Kennzeichnung. Auch bei der Schutzkleidung gilt, wie schon bei den Schutzhandschuhen, eine Kennzeichnungspflicht, die
neben Informationen des Herstellers auch
Produkt- und Größenbezeichnungen, Piktogramme und Leistungsstufen sowie die
entsprechenden Normen beinhaltet.
Kennzeichnung von Schutzkleidung:
Generell muss die Kennzeichnung auf einer
Schutzkleidung dem Anwender eine eindeutige Identifikation der Schutzfunktionen, der
Passgenauigkeit und des Herstellers ermöglichen (Abb. 1). Folgende Punkte müssen
mindestens auf einem Etikett vorhanden sein:
1. Name oder Handelsname des Herstellers
2. Bezeichnung des Produkttyps, Handelsname oder Code
3. Größenbezeichnung
4. Nummer der entsprechenden europäischen Normen
5. Piktogramme und Leistungsstufen
Schutzkleidung muss neben der elementarsten Eigenschaft der „Barrierefunktion“ auch
tragbar sein. D. h., es gilt die ergonomische
Anforderungen wie etwa thermischen Belastungen, Atmungsaktivität, Gerüchen etc.
gem. DIN EN 13921 (5) zu erfüllen. Jedoch
ist der Schutzfunktion immer eine höhere
Priorität als den ergonomischen Grundsätzen einzuräumen.
Einweg- oder Mehrweg-Schutzkleidung?
Der überwiegende Teil der Schutzkleidung,
der heute im Bereich der Zytostatika-Herstellung Verwendung findet, ist Einwegkleidung. Diese bietet gegenüber Mehrwegkleidung den Vorteil, dass dem Anwender immer
eine neue Schutzkleidung ohne unbekannte
Kontaminationen zur Verfügung steht. Die
Schutzwirkung ist hier jederzeit gegeben
Schutzkleidung
Ähnlich wie bei den Schutzhandschuhen
gibt es auch für Schutzkleidung eine zentrale
Europäische Norm, die DIN EN 340 (4). Da
auch in dieser Norm eine große Bandbreite
an Schutzkleidungsarten abdeckt werden
muss, von Schutzkleidung für Waldarbeiter über Warnwesten bis zur Chemikalienschutzkleidung, werden alle spezielleren
Anforderungen an eine Schutzkleidung in
weitergehenden, entsprechenden Normen
Abb. 1: Beispiel für die Kennzeichnung eines Schutzkittels.
18 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2
Abb. 2:
Prüfstand „Jet-Test“
in der Seitenansicht
Schutzkleidung vom Typ 4
Ist der Anwender eher der Gefahr von kleineren Flüssigkeitsmengen (z. B. Aerosolen) ausgesetzt, sollte Schutzkleidung vom
Typ 4 eingesetzt werden. Die entsprechende Schutzkleidung ist gem. DIN EN ISO
17491-4 einem Flüssigkeitsspray-Test zu unterziehen. Wie beim Test zum Typ 3 zieht
auch hier einer Testperson einen saugfähigen
Overall an und die zu prüfende Chemikalienschutzkleidung darüber. Die markierende
Flüssigkeit wird über eine Pumpe und einem speziellen Düsensystem fein vernebelt
(Abb. 3) (9). Am Ende wird der Unteroverall mittels Sichtprüfung auf Flecken hin
untersucht.
Tab. 1: Einteilung von Chemikalienschutzkleidung.
Tab. 2: Leistungsanforderungen an Chemikalienschutzkleidung
und dokumentiert. Mehrwegkleidung hingegen verliert mit zunehmender Anzahl
der Reinigungszyklen immer mehr seiner
Schutzwirkung. Darüber hinaus besteht die
Gefahr von Kontaminationsverschleppungen
durch Transport, Sammeln, Reinigen und
Sterilisieren der Schutzkleidung. Des Weiteren stellen Abwässer aus Wäschereien ein
nicht zu unterschätzendes Risiko dar. Untersuchungen des Instituts für Energie- und
Umwelttechnik e.V. belegen die Problematik
eindrucksvoll (6).
Chemikalienschutzkleidung
Für Schutzkleidung beim Umgang mit Zytostatika ist DIN EN 14605 „Schutzkleidung
gegen flüssige Chemikalien“ anzuwenden.
Die Schutzkleidung wird je nach Anwendungsfall in vier verschiedene Kategorien
(Tab. 1) eingeteilt (Tab. 2) (7).
Die generelle Unterscheidung in Chemikalienschutzkleidung vom Typ 3 und 4 trägt
dabei den unterschiedlichen Anwendungsbereichen Rechnung.
Schutzkleidung vom Typ 3
Sofern bei der Arbeit mit Chemikalienschutzkleidung die Gefahr besteht, dass
größere Mengen flüssiger Chemikalien (z.
B. CMR-Arzneimittel) oder ein entsprechender Chemikalienstrahl die Schutzkleidung trifft, ist die Schutzkleidung vom Typ
3 empfehlenswert. Bei der Prüfung gemäß
DIN EN ISO 17491-3 wird die Schutzkleidung dem sogenannten „Jet-Test“ unterzogen (8). Hierzu zieht eine Test-Person
die Schutzkleidung über einen saugfähigen
Overall. Anschließend führt der Proband
eine festgelegte Anzahl und Form von Bewegungen (wie etwa Ausfallschritte) aus,
um das Material und die Nähte zu belasten.
Über eine spezielle Prüfapparatur wird nun
ein genau festgelegtes Volumen markierender Flüssigkeit (z. B. Methylblau) über einen
starken Luftstrom mittels speziellen Düsen
gegen die Versuchsperson „geblasen“ (Abb.
2). Sofern zum Ende des Tests nach einer
Sichtprüfung auf dem Unter-Overall keine
Flecken zu sehen sind, hat der Overall die
entsprechende Prüfung bestanden.
Abb. 3:
Prüfstand „SprayTest“ in der
Seitenansicht
Schutzkleidung vom Typ PB [3] und PB [4]
Prüfungen von Teil-Schutzkleidung, wie
etwa Schutzkittel oder Schutzarmstulpen,
sind prinzipiell gem. den oben beschriebenen
Anforderungen durchzuführen. Jedoch gilt
es, die Barriereeigenschaften natürlich nur
für den jeweiligen Schutzbereich wie etwa
Arme oder Oberkörper zu testen.
Da in der Zytostatika-Herstellung die Gefahr für den Anwender eher von Aerosolen
und Kleinmengen ausgeht, ist Schutzkleidung vom Typ 4 bzw. PB [4] hier völlig ausreichend.
Eine wichtige Verbindung: Nähte
Schutzkleidung besteht normalerweise nicht
aus einem Stück. Daher stellen die Nähte, Verbindungen und Verbünde bei jeder
Schutzkleidung immer eine Schwachstelle
dar. Die Verbindung der einzelnen Teile
der Schutzkleidung kann über verschiedene
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 19
Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2
Tab. 3: Prüfanforderungen an Schutzkleidung für Chemikalien und Infektionserreger.
Methoden wie etwa verschweißen, vernähen
und überkleben erfolgen. Jedes Verfahren hat
dabei verschiedene Vor- und Nachteile, die
Schutzfunktion der Kleidung darf jedoch
durch die Nahttechnik nicht beeinträchtigt
werden.
Um dies sicherzustellen, sind entsprechende
Nahtprüfungen in DIN EN 14605 gefordert
(Tab. 3) und in DIN EN 14325 im Detail
beschrieben (10).
Die Beständigkeit gegen die Permeation
von Flüssigkeiten ist eine elementare Barriereeigenschaft.
Zu diesen Permeationstests gehören neben
Prüfungen mit Standard-Chemikalien auch
die mit Zytostatika. Die Ergebnisse und
resultierenden Leistungsklassen sind neben
vielen anderen Daten in der Herstellerinformation verbindlich zu dokumentieren und
dem Produkt beizufügen.
Da bei Nähten die Gefahr von Penetrationen
deutlich erhöht ist, wird hier ein besonderer
Prüfungsschwerpunkt gelegt.
„Penetration (lat. penetrare) ist der Durchtritt von festen, flüssigen oder gasförmigen
Stoffen durch makroskopische Löcher (Fehler,
Nähte etc)“
Die verschiedenen Prüfungen sind
in der DIN EN 14325 im Detail
beschrieben.
Tab. 4: Klasseneinteilung für die Permeation
„Permeation (lat. permeare) ist der Durchtritt
von festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffen
im molekularen Bereich“.
Ähnlich wie bei Schutzhandschuhen wird
die Durchbruchszeit in Europa in sechs verschiedene Klassen eingeteilt (Tab. 4).
Schutzkleidung gegen Infektionserreger
Sofern die Schutzkleidung auch
für den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen eingesetzt
werden soll, muss diese zusätzlich noch den Anforderungen
der DIN EN 14126 entsprechen
(11). Ziel der zahlreichen Prüfungen ist es, insbesondere die
Widerstandsfähigkeit des Materials gegen die Durchdringung von in einer Flüssigkeit
vorhandenen Bakterien nachzuweisen.
Sofern das Schutzmaterial die Prüfungen
besteht, muss die Schutzkleidung mit dem
Piktogramm „Biologische Gefährdung“
(Abb. 4) in Verbindung mit der Nummer
der Norm und dem Schutzkleidungstyp gekennzeichnet werden.
20 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Abb. 5: Einsatz eines Schutzkittels an einer
Sicherheitswerkbank
Abb. 4: Piktogramm
„Biologische Gefährdung“
zur Kennzeichnung von
Schutzkleidung gegen
Infektionserreger
Schutzkittel vs. Schutzoverall
Eine in der Praxis häufig gestellte Frage
betrifft den Einsatzbereich der einzelnen
Teile der PSA, gerade im Bereich Schutzkittel und Schutzoverall. I. d. R. bietet ein
Schutzkittel nur einen partiellen Schutz im
Bereich der Arme und der Vorderseite des
Oberkörpers, welcher in vielen Fällen aber
ausreichend ist (Abb. 5).
Im Rahmen der GMP-gerechten Herstellung(12) von Zytostatika in einem Reinraum der Klasse „B“ ist der Einsatz eines
Schutzkittels nicht die optimale Lösung.
Der Mensch ist eine permanente Quelle
für Partikel und Mikroorganismen. Deren
Freisetzung gilt es durch die Verwendung
von Overalls zu minimieren, um dauerhaft die Reinraumklasse aufrechtzuhalten.
Vielfach werden hier sog. Reinraumanzüge
eingesetzt. Diese halten Partikel und Mikroorganismen, resultierend aus der „Quelle
Mensch“, bestens zurück. Sie bieten jedoch
keinen oder nur geringen Schutz gegen
Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2
Tab. 5:
Abscheidegrad und
Klassifizierung von
partikelfiltrierenden
Halbmasken
flüssigkeits- und partikeldicht. D. h. der
Mensch ist optimal vor Kontaminationen
von außen geschützt – jedoch auf Kosten
des Tragekomforts.
Abb. 6: Einsatz eines Schutzoverall bei der
Beseitigung von Verschüttungen.
Zytostatika und/oder Infektionserreger.
Hier hilft ein Blick in die der PSA beiliegende Herstellerinformation. Chemikalienschutzanzüge sind fast immer zu 100 %
Eine optimale Lösung gibt es in diesem
Bereich zurzeit nicht. Ein Schutzkittel,
getragen über einem Reinraumanzug, ist
sicherlich ein guter Kompromiss. Begibt
sich der Anwender mit dem Oberkörper
ganz oder nur teilweise für eine Grundreinigung in den Arbeitsraum einer SWB, ist
ein mit Zytostatika permeationsgeprüfter
Chemikalien-Schutzanzug die richtige
Wahl. Aerosole und Partikel können bei der
Reinigung leicht auf Arme, Beine und den
Oberkörper gelangen. Auch für die Besei-
tigung von Verschüttungen ist ein mit Zytostatika geprüfter Schutzoverall sinnvoll
(Abb. 6). Gerade bei größeren Verschüttungen auf dem Boden kann ein Kittel leicht
unbeabsichtigt zum „Bodenreinigungsutensil“ werden. Sog. „SpillKits“ sollten
generell über eine entsprechend komplett
geeignete, d. h. geprüfte und zertifizierte,
PSA der Kategorie III verfügen, um auch
bei einer Beseitigung von Verschüttungen
einen optimalen Schutz des Menschen zu
gewährleisten. Erfahrungsgemäß sind auf
onkologischen Stationen der Krankenhäuser oder in Arztpraxen geeignete PSA bisher eher selten vorhanden.
Abb. 7: Der Einsatz von Atem- und Augenschutz bei der Reinigung einer Sicherheitswerkbank
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 21
Persönliche Schutzausrüstung – Teil 2
Atemschutz
Im Rahmen der Reinigung des Arbeitsraumes einer SWB (Abb. 7), Servicetätigkeiten
(z. B. spezielle Filterwechsel) und der Beseitigung von Verschüttungen sind Atem- und
Augenschutz Pflicht.
Die beim Umgang mit Zytostatika verwendeten Atemschutzmasken gehören zur
Kategorie der partikelfiltrierenden Halbmasken und werden je nach Abscheidegrad
in 3 Klassen unterteilt (13). Aus Sicht des
Arbeitsschutzes ist ein Mund- und Nasenschutz (sog. „OP-Masken“) nicht geeignet.
Für die Arbeiten mit CMR-Arzneimitteln
empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für onkologische Pharmazie (DGOP e.V.) Atemschutzmasken mindestens der Stufe FFP-2,
besser der Stufe FFP-3 einzusetzen (14-16).
Für viele Anwender ist der Atemwiderstand
beim Tragen der Atemschutzmaske ungewohnt. Diesbezüglich ist der Einsatz von
Masken mit Ausatemventil empfehlenswert;
sie erleichtern das Atmen erheblich und erhöhen so die Akzeptanz beim Anwender.
Auf dem Markt sind sowohl formstabile
Masken als auch Faltmasken erhältlich. Der
Vorteil der formstabilen Masken liegt im
automatisch dichten Sitz – vorausgesetzt
die Maskengröße passt zum Gesicht des
Anwenders. Hier sind also immer verschiedene Größen vorrätig zu halten. Faltmasken
hingegen müssen zunächst an das Gesicht
angepasst werden. Sie sind dadurch flexibler einsetzbar, erreichen jedoch bei falscher
Handhabung nicht die Dichtheit von formstabilen Masken.
Ein generelles Problem für die Dichtheit von
Masken stellen Bärte dar. Hier sind formstabile Masken mit einem starken Dichtrand
empfehlenswert. Gegebenenfalls sollte der
Dichtrand auch noch mit Vaseline o. ä. zusätzlich abgedichtet werden.
Augenschutz
Der Augenschutz sollte beim Umgang mit
Zytostatika mittels beschlagfreien Korbbrillen (Abb. 8) realisiert werden (17). Gegen-
über „normalen“ Laborbrillen schließen diese Brillen am Gesicht ab und schützen so
auch vor Aerosolen und Partikeln (z.B. bei
der Innenreinigung von SWB). Des Weiteren ist diese Schutzbrillenart auch für
Brillenträger geeignet. Sichtscheiben ohne
Filterwirkung sind hier die richtige Wahl.
5 DIN EN 13921: Persönliche Schutzausrüstung Ergonomische Grundsätze; Beuth Verlag GmbH;
Berlin; 08.2007
6 Kiffmeyer, Thekla: „Wie effektiv sind Reinigungsverfahren“, IUTA e.V. WRP; Duisburg; 11.2002.
7 DIN EN 14605: Schutzkleidung gegen flüssige
Chemikalien - Leistungsanforderungen an Chemikalienschutzanzüge mit flüssigkeitsdichten (Typ 3) oder spraydichten (Typ 4)
Verbindungen zwischen den Teilen
der Kleidung, einschließlich der Kleidungsstücke, die nur einen Schutz für
Teile des Körpers gewähren (Typen PB
[3] und PB [4]); Beuth Verlag GmbH;
Berlin; 08.2009
8 DIN EN ISO 17491 Teil 3: Schutzkleidung - Prüfverfahren für Chemikalienschutzkleidung – Teil 3: Bestimmung
der Beständigkeit gegen das Durchdringen eines Flüssigkeitsstrahls
( Jet-Test); Beuth Verlag GmbH; Berlin; 12.2008
Abb. 8: Schutzbrillen bei der Arbeit mit
Zytostatika
Fazit
Die persönliche Schutzausrüstung (PSA)
stellt in der Rangfolge die letzte Schutzmaßnahme dar, um den Menschen vor Gefahrstoffen und/oder gefährlichen biologischen
Arbeitsstoffen zu schützen. Nur durch die
Auswahl der richtigen PSA-Bestandteile
kann der Schutz des Anwenders gewährleistet werden.
Literatur:
1 Maik, G., Hinrichs, T.; Persönliche Schutzausrüstung – eine elementare Barriere zum Schutz der
Gesundheit beim Umgang mit CMR-Arzneimitteln;
Onkologische Pharmazie; Onkopress; Oldenburg;
03.2010
2 Richtlinie 89/686/EWG: Richtlinie des Rates vom
21. Dezember 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche
Schutzausrüstungen; Brüssel; 12.1989
9 EN ISO 17491 Teil 4: Schutzkleidung - Prüfverfahren für Chemikalienschutzkleidung – Teil 4: Bestimmung der Beständigkeit gegen das
Durchdringen von Flüssigkeitsspray
(Spray-Test); Beuth Verlag GmbH; Berlin; 12.2008
10 DIN EN 14325: Schutzkleidung gegen Chemikalien - Prüfverfahren und Leistungseinstufung für
Materialien, Nähte, Verbindungen und Verbünde;
Beuth Verlag GmbH; Berlin; 05.2004
11 DIN EN 14126: Schutzkleidung - Leistungsanforderungen und Prüfverfahren für Schutzkleidung
gegen Infektionserreger; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 02.2005
12 EU GMP Leitfaden Anhang 1: Herstellung sterile
Arzneimitteln; Brüssel; 03.2009
13 DIN EN 149: Atemschutzgeräte - Filtrierende
Halbmasken zum Schutz gegen Partikeln - Anforderungen, Prüfung, Kennzeichnung; Beuth Verlag
GmbH; Berlin; 08.2009
14 QuapoS 4: Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Ser vice; 5. Auflage ; Oldenburg; 2009
15 TRGS Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS)
525: Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen zur
humanmedizinischen Versorgung; Berlin; 05.1998
3 www.beuth.de
16 Zytostatika im Gesundheitsdienst – Informationen zur sicheren Handhabung von Zytostatika;
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und
Wohlfahrtspflege; Hamburg; 07.2009
4 DIN EN 340: Schutzkleidung - Allgemeine Anforderungen; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 03.2004
17 DIN EN 166: Persönlicher Augenschutz - Anforderungen; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 04.2002
22 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Onkologische Teams sind spitze
Verlag Springer Medizin würdigt Teamarbeit
von Ärzten und Apothekern:
Onkologische Teams sind spitze
Von Petra Ortner, München
I
Apothekerin und DGOP-Mitglied
Gisela Sproßmann-Günther und
Dr. Jochem Potenberg vom Evangelischen Waldkrankenhaus in Berlin-Spandau wurden für ihr Projekt
der beispielhaften interdisziplinären
Zusammenarbeit zum Wohle von
Krebspatienten ausgezeichnet. Sie
erarbeiteten gemeinsam Therapieprotokolle und substanzspezifische
Auf klärungsbögen für onkologische
Therapien. Aus diesen gehen Informationen hinsichtlich des Wirkstoffs,
Dosierung, Laufzeit, Begleitmedikation und unerwünschter Ereignisse
hervor. Diese Informationen in den
über Risiken und Nebenwirkungen
einer Therapie, alternative Medikation
und Nahrungsergänzung informieren
können.
Quelle: Springer Medizin, Fotograf: Mathias Ernert
m Juni 2010 suchte der Verlag
Springer Medizin in einem Wettbewerb anlässlich des zweijährigen
Geburtstags seiner Zeitschrift „ApothekerPlus“ Projekte und Aktionen, bei
sich denen mindestens ein Apotheker
und ein Arzt gemeinsam engagiert haben. Im Rahmen des Deutschen Apothekertags in München wurden am
9. 10. 2010 auf der Expopharm die drei
besten Arzt-Apotheker-Teams ausgezeichnet. Wie gut die Kooperation von
Apothekern und Ärzten insbesondere
im Bereich der Onkologie bereits heute
funktioniert, wurde auch hier wieder
ersichtlich: zwei der drei Preise wurden an onkologische Projekte vergeben.
Gisela Sproßmann-Günther bei der
Preisverleihung im Oktober 2010
Patientenunterlagen erleichtern z.B.
den niedergelassenen Kollegen die
Weiterbetreuung der Krebspatienten.
In regelmäßigen interdisziplinären Tumorkonferenzen mit Ärzten verschiedener Fachrichtungen, Pharmazeuten,
Physiotherapeuten und Pflegekräften
werden individuelle Therapiemaßnahmen besprochen. Für Patienten gibt
es zudem noch eine Sprechstunde der
Apothekerin, in der sich Patienten
Weitere Preisträger sind Gastroenterologe Dr. Sebastian Haag und Apotheker Dr. Rolf-Günther Westhaus. Sie
haben im Jahr 2008 in Essen eine groß
angelegte Aktion zur Darmkrebsprävention koordiniert, die von Ärzten
und Apothekern gemeinsam durchgeführt wurde. Dabei gaben öffentliche
Apotheken kostenlos Hämoccult-Tests
ab, die Ärzte werteten sie kostenlos
aus. Darüber hinaus gab es eine interdisziplinäre Fortbildungsveranstaltung
für Apotheker, Ärzte, PTA und MTA
zum Thema Darmkrebs und Präventionsmöglichkeiten. Die Kampagne
wurde mit Plakaten und Flyern unterstützt, um die Bevölkerung für das
Thema Darmkrebsvorsorge zu sensibilisieren. Weitere gemeinsame Aktionen
sind geplant.
Die dritten Preisträger kommen aus
dem Bereich der Diabetikerbetreuung. Aus der Teamarbeit des Arztes
Dr. Miachel Böhner und dem Apotheker Edmund Küpper entstanden
strukturierte Behandlungsabläufe,
eine Fortbildungsakademie, Selbsthilfegruppen und Patientenschulungen.
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 23
9. NZW-Süd in Ravensburg
9. NZW-Süd in Ravensburg am 17. und 18. 9. 2010
Blick über den Tellerrand
L
eitliniengerechte Therapien und
Kongressneuigkeiten sind das Rückgrat des jährlichen NZW Süd in
Ravensburg. Diese Standards wurden beim
9. Ravensburger NZW von führenden Onkologen auf gewohnt hohem Niveau vermittelt. Prof. Dr. Dirk Jäger, Leiter des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen
in Heidelberg, gab eine Übersicht über die
medikamentöse Therapie Kolorektaler Karzinome, die Session „Urologische Tumoren“
ermöglichte einen umfassenden Überblick
aus urologischer und strahlentherapeuti-
scher Sicht. Im Symposium für Ärzte und
Apotheker kamen internistische Aspekte
wie eingeschränkte Nieren- und Leberfunktion, kardiale Nebenwirkungen und Paraneoplastische Syndrome zur Sprache, die
die medikamentöse Therapie erschweren.
Jedoch ist es das Anliegen des Kongresspräsidenten Prof. Günther Wiedemann, immer
auch Randaspekte der Onkologie zur Diskussion zu stellen, also einen Blick über den
Tellerrand zu ermöglichen. Großes Interesse
fanden zum Beispiel Vorträge über Krebs
24 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
und Sexualität, Sport bei Krebs und über
künstlerische Therapien unter dem Titel
„...und plötzlich sehe ich die Welt anders.“
Vielleicht war es gerade diese Mischung, die
zur auffälligen Diskussionsfreude und angeregten Stimmung in den Pausen beitrug.
Und die war mit dem Programmschluss am
Freitag nicht beendet. Nach dem sangesfreudigen Gesellschaftsabend im Schwörsaal klang der Abend für viele in den umliegenden Ravensburger Kneipen aus.
9. NZW-Süd in Ravensburg
9 .
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 25
9. NZW-Süd in Ravensburg
Chemotherapie bei eingeschränkter
Leberfunktion
Beispiel
Prognosebestimmende Leberkrankheit als
Tumorursache
Dr. Wolfram Bohle, Stuttgart
Wenn Patienten gleichzeitig an einer Lebererkrankung und einem malignen Tumor leiden, wird das weitere diagnostische
und therapeutische Vorgehen von einigen
Grundüberlegungen bestimmt: Hängen
beide Erkrankungen kausal zusammen, oder
handelt es sich um voneinander unabhängige Krankheiten? Ist die Leberfunktionsstörung eine Tumorfolge oder umgekehrt eine
Leberkrankheit die Tumorursache? Auch
die Unterscheidung in akute, chronische
und reversible Leberfunktionsstörungen
ist von Bedeutung.
Die klinische Wertung der Gesamtsituation, letztendlich also die Entscheidung für
oder gegen eine bestimmte Behandlung,
hängt von folgenden Fragestellungen ab:
1. Was ist prognosebestimmend, der Tumor
oder die Lebererkrankung?
2. Ist die Verbesserung der Leberfunktion
Voraussetzung für eine Tumortherapie?
3. Ist die Tumortherapie Voraussetzung für
die Verbesserung der Leberfunktion?
Ein Beispiel einer prognosebestimmenden
Lebererkrankung als Tumorursache ist die
fortgeschrittene Leberzirrhose (Abb. 1, 2
und 3). Die Prognose ist hier ganz überwiegend von der Grunderkrankung Leberzirrhose abhängig. Im fortgeschrittenen Stadium ist die statistische Lebenserwartung
so gering, dass der Sinn einer Therapie des
Leberzellkarzinoms fraglich ist.
Anders verhält es sich bei einem biliären
Aufstau bei Raumforderung im Bereich der
Gallenwege (Bilirubin/γ-GT-Anstieg), also
einer behandelbaren Leberfunktionsstörung
als Tumorfolge. Eine Ableitung der Galle
ist hier zum Erhalt der Leberfunktion notwendig. Auch eine diffuse Metastasierung
in der Leber (Abb. 4) erfordert eine schnelle
Therapie, die die Lebensqualität des Patienten verbessert.
Beispiel:
Prognosebestimmende
Hepatozelluläres
Karzinom Leberkrankheit als Tumorursache
entsteht zumeist auf dem Boden einer Leberzirrhose
Hepatozelluläres Karzinom
Inzidenz 3-4/100.000
entsteht zumeist auf dem Boden einer Leberzirrhose
Todesursache bei Leberzirrhose in 3-7%
Inzidenz 3-4/100.000
Todesursache bei Leberzirrhose in 3-7%
Beispiel
Prognosebestimmende Leberkrankheit als
Tumorursache
20.10.2010
Dr. Vorname Name
1 1
Abb.
Beispiel: Prognosebestimmende Leberkrankheit als Tumorursache
CHILD-Klassifikation der Leberzirrhose
1
2
3
Aszites
kein
Gering
viel
Enzephalopathie
keine
Grad I-II
Grad III-IV
Albumin (g/dl)
>3,5
2,8-3,5
<2,8
Quick (%)
>70
40-70
<70
Bilirubin (mg/dl)
<2
2-3
>3
Child A
Child B
Child C
5-6
7-9
10-15
1-Jahres-Überleben bei Child-C-Zirrhose: 45%
Beispiel
Prognosebestimmende Leberkrankheit als
Tumorursache
20.10.2010
Dr. Vorname Name
Beispiel: Prognosebestimmende Leberkrankheit als Tumorursache
Abb. 2
2
CLIP-Prognosescore für das HCC
Child-Stadium
Tumorherde
0
1
2
A
B
C
uninodulär
<50%
multinodulär
<50%
massiv
>50%
Portalvenenthrombose
nein
ja
AFP (ng/dl)
<400
>400
Tumortherapie bei Child C-Zirrhose?!
Hepatology20.10.2010
2000
Dr. Vorname Name
26 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Abb. 3
3
9. NZW-Süd in Ravensburg
Beispiel
Leberfunktionsstörung als Tumorfolge
Chemotherapie bei
Leberinsuffizienz
Die Leberfunktionsreserve lässt sich (im
Gegensatz zur Nierenfunktion) nur grob
anhand der Syntheseparameter Quickwert/
INR, Albumin und ChE, des Exkretionsparameters Bilirubin und der Enzyme GPT,
GOT und GLDH als Marker der zellulären
Integrität abschätzen. Die Dosismodifikationen bei Leberinsuffizienz (Abb. 5) sind
daher mit einer gewissen Skepsis zu betrachten. Die Hepatotoxizität von Zytostatika ist
nicht unbedingt dosisabhängig und kann
auch verzögert auftreten (Abb. 6).
Sind Patienten an einer chronischen Hepatitis B oder einer okkulten HBV-Infektion
erkrankt, besteht bei zytostatischer oder immunsuppressiver Therapie, insbesondere bei
Kombinationstherapie unter Einschluss von
Rituximab, die Gefahr einer Reaktivierung
der Hepatitis mit fulminantem Leberversagen. Ein Screening auf Hepatitis B ist vor
Einleitung zytotoxischer und immunsuppressiver Therapien zu überlegen.
Fazit
Leber- und Tumorerkrankungen
können in unterschiedlichen (auch
kausalen) Zusammenhängen auftreten. Die Analyse dieser Zusammenhänge ist Voraussetzung für
eine situationsgerechte Therapie.
Die innere Dynamik dieses Zusammenspieles erfordert im Verlauf
der Behandlung eine ständige
Überprüfung des therapeutischen
Konzeptes.
Beispiel: Leberfunktionsstörung als Tumorfolge
Diffuse Lebermetastasierung (GOT/γ-GT-Anstieg)
...rasche Therapieeinleitung, bevor sich die Leberfunktion weiter verschlechtert!
Dosismodifikation bei Leberinsuffizienz
20.10.2010
Dr. Vorname Name
4Abb. 4
Dosismodifikation bei Leberinsuffizienz
Bilirubin
11,5x
1,52,5x
2,5-5x >5x
GOT
<3x
3-6x
>6x
>10x
Daunorubicin, Doxorubicin,
Epirubicin, Idarubicin
100% 50%
25%
0
Cyclophosphamid,
Ifosfamid, Methotrexat
100% 100%
75%
0
5-FU
100% 100%
100%
0
Irinotecan
100% 50%
0
0
Docetaxel, Paclitaxel
75%
0
0
Vincaalkaloide
100% 50%
50%
50%
0
20.10.2010
Dr. Vorname Name
Hepatotoxizität von Zytostatika
5
Abb. 5
Hepatotoxizität von Zytostatika
Generikum
Dosisabhängigkeit
Häufigkeit
Zeitpunkt
Veränderung
Asparaginase
keine
10-40%
akut
Syntheseleistung
vermindert
Ara-C
keine
10-20%
akut
Cholestase
HD-Busulfan
bei Hochdosis
10-20%
subakut
VOD
Capecitabin
wahrscheinlich
>30%
subakut
Bilirubin,
Transaminasen
Carmustin (BCNU)
wahrscheinlich
10-25-%
Variabel, verzögert
möglich
Bilirubin,
Transaminasen
Methotrexat
v.a. bei kumulativer Dosis
> 1500 mg
20-40%
spät
GOT, Leberfibrose
Streptozotocin
unbekannt
15-50%
akut
Transaminasen
Abb. 6
20.10.2010
Dr. Vorname Name
6
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 27
9. NZW-Süd in Ravensburg
Diagnose: Prostatakarzinom –
abwarten oder behandeln?
Prof. Dr. Jürgen Breul, Freiburg
Das Prostatakarzinom ist der häufigste
Tumor des Mannes (58.000 Neuerkrankungen und ca. 12.000 Todesfälle pro Jahr
in Deutschland). Obwohl der Wert eines
PSA-Screenings nach wie vor umstritten
ist, fällt doch auf, dass in Ländern mit verbreitetem PSA-Screening (Deutschland,
Österreich, USA) die Überlebensraten besser sind (Abb.1).
5-Jahres Überlebensraten
%
Der Verlauf der Erkrankung ist extrem
unterschiedlich. Es gibt Karzinome, die
über viele Jahre, eventuell sogar Jahrzehnte,
unbehandelt keinerlei Probleme bereiten.
Prostatakrebs kann aber auch trotz aller
Behandlungsversuche in wenigen Jahren
zum Tode führen.
Aufgrund dieser Unterschiede reicht das
Behandlungsspektrum vom Abwarten und
Beobachten bis hin zu aggressiven Therapien
wie Radikaloperation oder Bestrahlung.
Coleman M et al. Lancet Oncology 8: 730-756, 2008
Abb. 1
Welche Kriterien erlauben die
Einschätzung des Tumors?
PC
Die entscheidende Frage ist: gibt es Beurteilungskriterien, die es erlauben einen
Tumor als wenig gefährlich und somit zur
Beobachtung geeignet oder als gefährlich
und behandlungsbedürftig zu klassifizieren?
Entscheidungshilfen sind Alter (bzw. statistische Lebenserwartung) und Allgemeinzustand des Patienten, die Höhe des PSA
Wertes, die Geschwindigkeit des Anstiegs
des PSA-Wertes (PSA Doubling Time,
PSADT) und die Ergebnisse der Stanzbiopsien aus der Prostata. Diese haben eine
besondere Bedeutung, sie erlauben eine Abschätzung der Tumorgröße (Anzahl der
befallenen Stanzzylinder) und eine histologische Beurteilung bezüglich des Aggressivitätsgrades (Gleason Score, siehe Kasten).
Eine Einschätzung der Aggressivität des
Tumors ist generell nur nach Biopsie mög-
aggressive Tumore
Therapie
28 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
weniger aggressive Tumore
progrediente
Tumore
nicht-progrediente
Tumore
psychische
Belastung
Kontrolle
Abb. 2
9. NZW-Süd in Ravensburg
Wahrscheinlichkeit in watchful waiting Programme
innerhalb von 15 Jahren am Tumor zu versterben
Wahrscheinlichkeit in watchful waiting Programmen
innerhalb von 15 Jahren am Tumor zu versterben
Aktive Überwachung
watchful waiting
Ziel
individualisierte Therapie
Therapie vermeiden
Patienten
geeignet für RP/RT
Lebenserwartung 10 J
Tumor
T1-2, GS<7, PSA < 10 ng/ml
alle T, GS<7, PSA < 50 ng/ml
Monitoring
PSA-Tests,Re-Biopsie
PSA unbedeutend, keine Re Biopsie
Behandlung
PSADT, Re-Biopsie
symptomatischer Progress
Timing
früh
spät
Intention
kurativ
palliativ
modifiziert nach Parker, 2004
Gleason score
Gleason score
Abb. 3
Abb. 4
modifiziert nach Albertsen PC et al. JAMA
• Man sollte behandeln:
Männer mit einer Lebenserwartung
> 10 Jahren und mit aggressiven
Tumoren
• Man kann behandeln oder beobachten:
Männer mit einer Lebenserwartung von
> 10 Jahren und wenig aggressiven
Tumoren
• Man sollte beobachten:
Männer mit einer Lebenserwartung von
< 10 Jahren und/oder wenig
aggressiven Tumoren
Abb. 5
lich, es gibt bisher keine anderen verlässlichen Tumormarker.
Therapie, aktive Überwachung oder
„Watchful waiting“?
Als Tumore, die keiner sofortigen Therapie bedürfen gelten heute Karzinome mit
einem PSA Wert < 10 ng/ml, maximal
2 tumorbefallenen Zylindern und einem
Gleason Score <7. Diese Patienten können
eine aktiven Überwachung zugeführt werden. Bei dieser Strategie sind in dreimonatigen Abständen PSA Kontrollen und einmal
jährlich eine erneute Biopsie notwendig.
Nicht zu unterschätzen ist bei diesem Vorgehen jedoch vor allem die psychische Belastung der Patienten durch die häufigen
Kontrolluntersuchungen. Nur ungefähr
jeder 10. geeignete Patient entscheidet sich
daher für eine aktive Überwachung (Baroca
DA et al., 2008).
Grundvoraussetzung für diese Strategie ist
ein zuverlässiges Erkennen einer Tumorprogression. Sollte die berechnete PSA Verdopplungszeit <2-3 Jahre liegen oder sollte
sich in der Rebiopsie ein aggressiveres oder
ausgedehnteres Karzinom finden, so sollte
eine Therapie erfolgen. Die Möglichkeit
einer kurativen Therapie wird hier nicht
aufgegeben (Abb.2). In rund 25-50 % wird
innerhalb von 5 Jahren eine Therapie aufgrund der Tumorprogression notwendig. In
einigen Fällen muss hier mit ungünstigeren
Therapievoraussetzungen aufgrund der Verzögerung gerechnet werden.
Von der aktiven Überwachung muss das
bekanntere „watchful waiting“ unterschieden werde. Hier ist das Ziel die Therapievermeidung. Kontrolluntersuchungen sind
gar nicht oder nur bei Beschwerden vorgeFazit
Das Problem der Überdiagnostik
und Übertherapie des Prostatakarzinoms ist noch nicht völlig
zufrieden stellend gelöst. Es gibt
Kriterien, die eine aktive Überwachung mit der Option einer späteren Therapie erlauben. „Watchful
waiting“ ohne Therapieoption ist
normalerweise nur bei einer Lebenserwartung des Patienten unter
10 Jahren gerechtfertigt (Abb.5).
sehen. In Betracht kommen für ein solches
Vorgehen in der Regel Patienten mit einer Lebenserwartung von unter 10 Jahren,
sofern der Gleason Score <7 ist, der PSA
Wert nicht über 50 ng/ml liegt und kein T3
Tumor vorliegt. Worin sich aktive Überwachung und watchful waiting unterscheiden,
zeigt die Tabelle (Abb.3). Watchful waiting
ist bei einem Gleason Score ab 7 zumindest
in der Gruppe der 50-60-jährigen Männer
nicht gerechtfertigt (Abb.4).
Der Gleason Score ergibt sich aus
dem Grad der Abweichung des Tumorgewebes vom Normalgewebe.
Grad 1 bedeutet geringe Abweichung (gut differenziert), Grad 5
starke Abweichung (schlecht differenziert). Der Score ergibt sich aus
der Summierung des Grades, der im
Gewebe vorherrscht, mit dem Grad,
der im übrigen Gewebe zu finden
ist. Beispiel: Grad 2 plus Grad
3=Gleason-Score 5. Der niedrigste Malignitätsgrad hat demnach
theoretisch einen Gleason-Score
von 2(1+1), der höchste einen von
10 (5+5). In der Praxis aber werden
Gleason Grade von 1 und 2 in der
Biopsie nicht oder sehr selten
beschrieben. Sie werden allenfalls
im Gewebe einer transurethralen
Prostataresektion als Zufallsbefund diagnostiziert. Der niedrigste
Gleason Score in der Biopsie ist in
der Regel also 6.
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 29
9. NZW-Süd in Ravensburg
Krebs und Sexualität
Prof. Dr. Joachim Hartlapp, Osnabrück
Wenngleich die meisten Tumorpatienten
älter als 65 Jahre sind, darf der Stellenwert
der Sexualität in dieser Altersgruppe nicht
unterschätzt werden, dies gilt vor allem für
Männer (Abb.1). Die meisten Tumorpatienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose
sexuell aktiv (80 % der Männer und 73 %
der Frauen). Die Malignome der Mamma, des Urogenitalsystems und des ColonRectums, die zusammen zwei Drittel aller
Tumordiagnosen ausmachen, beeinträchtigen die Sexualität in besonderem Maße.
Nach Abschluss der Primärtherapie bleiben
60 % der Patienten sexuell aktiv. Es gibt
jedoch häufig sexuelle Probleme: Frauen
klagen, allerdings oft erst auf entsprechende gezielte Fragen, über eine Trockenheit
der Scheide und herabgesetzte Libido. Bei
den Männern leidet etwa die Hälfte unter
einer Erektionsstörung, ein Drittel unter Orgasmusstörungen. Nur etwa 20 %
der Patienten glauben, für ihren Partner/
Partnerin durch die Krankheit weniger
attraktiv zu sein.
Frauen mit Mamakarzinom leiden häufig
unter Wechseljahrssymptomen nach Hormonentzug infolge der Chemo- und/oder
Hormontherapie (Abb.2). Etwa die Hälfte
der Frauen klagt über Scheidentrockenheit
und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
(Dyspareunie, Abb.3). Eine Hormonersatztherapie zur Linderung der Beschwerden verbietet sich bei hormonrezeptorpositiven Tumoren, darf bei rezeptornegativen
Tumoren jedoch eingesetzt werden. Alternativen sind vaginale Gleitgele, vaginal
anwendbare Östrogensalben, in manchen
Fällen auch Testosterongel (wird kontrovers diskutiert).
Sexuelle Interessen von Männern in Abhängigkeit vom Alter
Merbach M, Beutel M, Brähler E (2003): Sexualität des alternden Mannes, Forum BzgA 1/2
Abb. 1
Breast Cancer Survivors/Symptoms in Past 4 Wks
80
70
60
50
No RX
Tam
Chem
Chem + Tam
40
30
20
10
0
Hot Flashes*
Ganz, 1998
Night Sweats*
Vag Discharge*
*p <.05
Abb. 2
Breast Cancer Survivors/Symptoms in Past 4 Wks
80
No RX
70
Tam
60
Chem
50
Chem + Tam
40
30
20
10
0
Ganz, 1998
Vag Dryness*
Dyspareunia*
Wt. Gain
*p <.05
30 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Abb. 3
9. NZW-Süd in Ravensburg
Erektionsstörungen sind besonders nach
Prostatektomien eine häufige Therapiefolge
bei Männern. Aber auch die Durchtrennung autonomer Nerven durch chirurgische Eingriffe beim Rektumkarzinom
führt zu sexuellen Störungen bei Frauen
und Männern (Abb.4 und 5). Problematisch für die Sexualität ist auch die Anlage
eines künstlichen Darmausganges (Stoma).
Ältere Therapiemöglichkeiten der Erektilen
Dysfunktion wie Penisprothesen, Vakuumpumpen, Injektionen von Prostaglandinen
in den Schwellkörper oder das Einspritzen
von Prostaglandinen in die Harnröhre sind
mittlerweile überwiegend durch die Therapie mit den Phosphodiesterasehemmern
(PDE5-Inhibitoren) Sildenafil, Vardenafil
und Tadalafil ersetzt worden, Sie unterscheiden sich bei ähnlicher Wirksamkeit
durch ihre Halbwertszeiten, die Geschwindigkeit des Wirkeintritts und die Interaktion mit der Nahrungsaufnahme (Abb.6).
Eine Erektion tritt nur bei entsprechender
Libido und sexueller Stimulation ein.
Sexuelle Funktionsstörungen bei Männern nach
nervenschonender Rektumchirurgie
Abb. 4
Sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen nach
konventioneller Rektumchirurgie
Fazit
Sexuelle Funktionsstörungen treten
nach der Therapie eines Malignoms
häufig auf. Die häufigsten Probleme wie Scheidentrockenheit und
schmerzhafter Geschlechtsverkehr
bei Frauen und Erektile Dysfunktion
bei Männern lassen sich oft erfolgreich behandeln.
Abb. 5
Comparing PDE5 Inhibitors
Parameter
Sildenafil
(Viagra)
Vardenafil
(Levitra)
Tadalafil
(Cialis)
Duration of
action
12h
12h
36h
Speed of onset
30-60 min
30-60 min
2-4h
Food impact
+
+
-
Side effects
++
+
+
Abb. 6
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 31
9. NZW-Süd in Ravensburg
Maligne Tumoren bei terminaler
Niereninsuffizienz und Nierentransplantation
PD Dr. Rainer Nowack, Lindau
Dialysepatienten und Nierentransplantierte
haben ein erhöhtes Malignomrisiko. Prinzipiell ist ein kurativ behandeltes Malignom
kein Ausschlusskriterium für eine Nierentransplantation, unter den zur Nierentransplantation angemeldeten Patienten waren
ca. 10 % an einem Malignom erkrankt.
Die Exzess-Karzinome bei Nierenpatienten
lassen sich in zwei Gruppen einteilen:
1. Tumoren, die mit der Grunderkrankung (Niereninsuffizienz) assoziiert
sind, das sind vor allem Tumoren der
Nieren und Harnwege (Abb.1). Hier
besteht eine vierfach erhöhte Inzidenz.
Bei den urologischen Tumoren ist häufig eine gemeinsame Genese sowohl der
Niereninsuffizienz als auch des Karzinoms anzunehmen, z.B. ein langjähriger
Analgetika-Gebrauch oder eine Cyclophosphamid basierte Therapie der Systemischen Vaskulitis, die gleichermaßen
toxisch und kanzerogen ist. Auch eine
Immunsuppression durch Urämie spielt
eine Rolle. Der kausale Zusammenhang
mit Schilddrüsenkarzinomen liegt nicht
auf der Hand, diskutiert wird ein möglicher Selenmangel als Folge der Dialyse.
2. Nach einer Transplantation treten gehäuft Tumoren viraler Genese (Hepatitis
B- und C-Viren, Epstein-Barr-Virus,
Human Papilloma) auf; dies weist auf
einen Zusammenhang mit der verminderten Immunkompetenz dieser Patienten aufgrund der immunsuppressiven
Therapie mit Antikörpern, Calcineurininhibitoren wie Cyclosporin und Tacrolimus sowie Azathioprin hin (Abb.2).
Die Inzidenz von Colon-, Mamma- und
Prostata-Karzinomen steigt nur wenig
an, während die Inzidenz von Malignomen der Haut, Nieren, Gebärmutter sowie von Non-Hodgkin Lymphomen bereits im ersten post-Transplantationsjahr
massiv gesteigert ist (Hautkrebs (nichtmelanozytär) 84-fach; Nierenzellkrebs
42-fach; Uteruskarzinom 74-fach; NonHodgkin Lymphome 40-fach). Auch
ohne bekannte virale Genese spielt die
Immunsuppression eine Rolle, z.B. bei
der Entstehung von Melanomen. Hier ist
das Risiko besonders in den ersten zwei
Jahren nach Transplantation deutlich
erhöht, solange eine hoch dosierte immunsuppressive Therapie erfolgt (Abb.3).
Eine geringer dosierte immunsuppressive
Therapie und eine Modifikation (Konversion
von Azathioprin zu MMF/Cellcept®) kann
das Tumorrisko reduzieren. Die Entwicklung nebenwirkungsärmerer, zielgenauerer
Immunsuppressiva könnte langfristig die
Inzidenz maligner Tumoren senken helfen. Mit Sirolimus steht bereits ein Immunsuppressivum zur Verfügung, das über eine
intrinsische tumorprotektive Wirkung verfügt und die Progression maligner Tumoren
Krebs-Inzidenz vor und nach Transplantation
(Vajdic CM, et al. JAMA 2006; 296(23): 2823-2831)
Before RRT
During Dialysis
After Transplantation
Cancer Site
Kidney
Renal Pelvis
Ureter
Bladder
Other Urinary Organ
Multiple Myeloma
0.01
0.1
1
10
100 1000
Standardized Incidence Ratio
(95% Confidence Interval)
0.01
0.1
1
10
100 1000
Standardized Incidence Ratio
(95% Confidence Interval)
0.01
0.1
1
10
100 1000
Standardized Incidence Ratio
(95% Confidence Interval)
Abb. 1
32 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
9. NZW-Süd in Ravensburg
Schematic illustration of potential mechanisms by which immunosuppressants
contribute to tumour growth after transplantation (adapted from ref. 19).
verhindern kann, wie eine aktuelle Studie
eindrücklich belegt (Abb.4).
Die Übertragung eines Malignoms über
eine Spenderniere ist eine Rarität. Dennoch sind fatal verlaufende Einzelfälle von
Tumor-Transmissionen, z.B. von malignen
Melanomen, immer wieder aufgetreten und
nicht ganz vermeidbar.
Fazit
Die terminale Niereninsuffizienz
erhöht das Risiko insbesondere für
Nieren- und Urogenitalkarzinome
und Schilddrüsenkarzinome. Die
immunsuppressive Therapie nach
Transplantation fördert Tumorentstehung und –progression. Eine
geringer dosierte medikamentöse
Immunsuppression ist diesbezüglich weniger riskant. Der Einsatz
von mTOR-Inhibitoren, die neben
der immunsuppressiven eine
tumorwachstumshemmende Wirkung haben, könnte langfristig zur
Malignom-Prophylaxe beitragen.
Fischereder M Nephrol. Dial. Transplant.
2008;23:2457-2460
Abb. 2
Standardized incidence ratio for cutaneous melanoma by time since transplantation
during the first functioning transplant.
Vajdic C M et al. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev
2009;18:2297-2303
Abb. 3
Immunsuppression mit m-Tor Inhibitor Sirolimus
(Salgo R, et al. Am J Transplant. 2010;10:1385-1395)
•44 Nierentransplantierte (singlecenter, prospektiv, assessor-blinded,
randomized trial)
•Einfluss des Switchens zu Sirolimus
auf die Progression von Präkanzerosen und Auftreten von nichtmelanozytärem Hautkrebs im Vergleich zur
Fortsetzung der ursprünglichen immunosuppressiven Therapie.
•Verblindete dermatologische Untersuchung nach 6 und 12 Monaten durch
den gleichen Dermatologen zur Beurteilung der klinischen Änderung vom
Ausgangsbefund, evtl. ergänzt um
eine Biopsie.
• Bereits nach 6 Monaten wurde Überlegenheit der Sirliums-Therapie festgestellt durch: Sistieren der Progression
und sogar Regression von präexistenten
Präkanzerosen. (p < 0.0005), nach
12 Monaten war dieser Effekt noch deutlicher (p < 0.0001).
•Von insgesamt 9 neu entstandenen
Karzinomen (histologisch gesichert)
trat nur eines in der Sirolimus-Gruppe
auf.
Abb. 4
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 33
9. NZW-Süd in Ravensburg
Die individualisierte Therapie des
Harnblasenkarzinoms unter Aspekten
des Arzneimittelrechts
Prof. Dr. Thomas Otto, Neuss
Harnblasenkarzinome werden überwiegend
durch chemische Noxen (Raucher, beruflich
Exponierte) induziert. Eine Reduzierung
der Einwirkzeit solcher Noxen durch häufigere Entleerung der Harnblase scheint, im
Gegensatz zur Zufuhr von Supplementen,
ein vernünftiger Ansatz in der Primärprävention zu sein (Empfehlung aufgrund der
aktuellen Studienlage: Trinkmenge >1,4 l/
die, 2maliges Wasserlassen in der Nacht).
Kontinenzerhalt nach Zystektomie
Harnblasenkarzinom
Ileumpouch
70 cm distales Ileum
Der Erhalt der Harnkontinenz nach radikaler Entfernung der Blase ist eine chirurgische Herausforderung. Hier gibt es viel
Spielraum für den jeweiligen Operateur,
eine „Zulassung“ einer bestimmten Operationsmethode, vergleichbar den strengen Zulassungsbestimmungen für Arzneimittel, existiert nicht. Gebräuchlich sind
unterschiedliche Verfahren zur Herstellung eines Harnreservoirs (Neoblase) aus
Darmsegmenten, alternativ der so genannte Ileocoecal-Pouch (Abb.1). Eine häufige
Komplikation ist die Demineralisierung
des Knochens durch Wegnahme eines relativ großen Darmsegmentes, die Patienten
haben ein hohes Frakturrisiko und sollten
möglicherweise eine anti-osteoporotische
Therapie mit Bisphosphonaten oder Denusomab erhalten, entsprechende Studien
stehen aber noch aus.
Radiochemotherapie bei lokal
fortgeschrittenen Tumoren
Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren, die
nicht operiert wurden, zeigte sich eine Radiochemotherapie mit 5-FU und Cisplatin der alleinigen Radiotherapie deutlich
überlegen hinsichtlich des eventfreien
2-Jahresüberlebens ohne signifikante Zu-
3-7 cm, invaginiert und plikiert
zum Nabel ausgeleitet
3 Monate pop
Otto,Neuss
Abb. 1
Harnblasenkarzinom
cT2-4,N0,M0
Radiochemotherapie vs Radiotherapie
Phase III
n
RT
RT-CTX
2J-NED
178
182
58%
p=0.01
71%
Grad ¾ NW
7.5%
p=0.2
10.7%
med. Nachsorge 40 Monate
RT 55-64 Gy
James et al.2010, (4517)
Abb. 2
nahme schwerer Nebenwirkungen (Abb.2;
NED=no evident disease).
Stellenwert adjuvanter
Chemotherapien
Bei positivem Lymphknotenstatus verdoppelte eine adjuvante Chemotherapie nach
34 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Zystektomie das 5-Jahresüberleben (Overall
Survival, OS, Abb.3). Allerdings gibt es hier
bis jetzt kein Standardschema. In der Studie wurde off-label die Dreierkombination
Gemcitabin/Cisplatin/Paclitaxel verwendet,
die stark toxisch ist. Bisher gebräuchlich
sind Zweierkombinationen (Gemcitabin/
Cisplatin oder Methotrexat/Cisplatin).
9. NZW-Süd in Ravensburg
Harnblasenkarzinom
pT3-4/N+,M0
adj. CTX vs Kontrolle
Phase III
Second line Behandlung in der
metastasierten Situation
Hier gibt es bislang keinen Standard; alle
Therapien erfolgen off label. Nach Cisplatin-Versagen erwies sich in einer aktuellen
Studie (Culine et al, 2010) Vinflunine als
effektiv im Vergleich zu best supportive care
(medianes Überleben 6,9 vs. 4,3 Monate),
was zur Zulassung der Substanz geführt hat.
Kontrolle
Gem, DDP, Pac
n
5J-OS
DOD
74
31%
45
68
p<0.0009
60%
4 Kurse, 100% Grad ¾ NW
24
med. Nachsorge 30 Monate
Seltene Blasentumoren
Paz-Ares et al.2010, (4518)
Eine Standardtherapie seltener Tumoren wie Cystosarcoma phyloides (Abb.4),
Urachuskarzinomen oder kleinzelligen Blasenklarzinomen existiert außerhalb operativer Maßnahmen nicht. Jegliche medikamentöse Therapie erfolgt also off label. Eine
solche Therapie darf aufgrund eines Urteils
des Bundesverfassungsgerichts (Abb.5) den
betroffenen lebensbedrohlich erkrankten
Patienten nicht verweigert werden.
Abb. 3
Cystosarcoma Phyloides
Zukünftige Therapieoptionen
Abb. 4
In Zukunft wird auch beim Harnblasenkarzinom die individuelle Therapie anhand
der Tumoreigenschaften an Bedeutung gewinnen. Mögliche „Targets“ mit den entsprechenden Therapeutika zeigt die Abb.6.
„Krankenkassen dürfen ihren Mitgliedern alternative Behandlungsmethoden
nicht vorenthalten.
Fazit
Die Prognose von Patienten mit
fortgeschrittenen, symptomatischen und therapierefraktären
Karzinomen der Harnblase ist
extrem ungünstig. Gleiches gilt
für seltene Tumore der Harnblase.
Hier fehlen Studienergebnisse für
jedwede Therapieform. Ein Großteil
der Therapie erfolgt daher off label.
Die Pflicht zur Kostenübernahme
durch die gesetzlichen Krankenkassen ist vom Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt worden.
Fortschritte auf dem Gebiet der
Molekularbiologie, Pharmakologie
und molekularen Pathologie lassen
neue Therapieansätze über den
Nachweis von Rezeptoren und eine
daran geknüpfte Therapie erwarten.
Voraussetzung für die Kostenübernahme ist,
dass es keine anerkannten schulmedizinischen Behandlungsmethoden mehr gebe
und dass es sich um eine lebensbedrohliche oder tödlich verlaufende Erkrankung handle.“
Az.: 1BvR 347/98
Abb. 5
Antikörper
Zellaußenseite:
Ligandeneinheit
Zellmembran
„Kleine“ Moleküle
Zellinneres:
Enzymeinheit
Zukunft
Individualisierte Tumortherapie
• HER-2/neu
• Trastuzumab
• VEGF
• Bevacizumab
• EGF-R
• Cetuximab
• c-Kit
• Imatinib
• Somatostatinrezeptor
• Octreotid
• COX-2
• Celecoxib
• MMP
• Prinomastat
Abb. 6
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 35
9. NZW-Süd in Ravensburg
Kinderwunsch nach Chemotherapie
Dr. Wolfgang Paulus, Ravensburg
In Deutschland erkranken jährlich etwa
30.000 Männer und Frauen in der fertilen
Lebensphase bis zum Alter von 45 Jahren
an Krebs. Die Inzidenz von Tumorerkrankungen in der Schwangerschaft zeigt Abb.1.
Aufgrund der steigenden Überlebensraten
werden immer mehr Patienten mit Langzeitfolgen einer Chemo- oder Radiotherapie
konfrontiert.
Da die Gonaden (Eierstöcke und Hoden)
für derartige Expositionen besonders empfindlich sind, stellt sich immer häufiger auch
die Frage nach dem Erhalt der Fertilität.
Zytostatika sind unterschiedlich schädlich
für die Gonaden.
Bei nicht abgeschlossener Familienplanung
sollten stark gonadotoxische Zytostatika
(Abb.2) gemieden werden. Zytostatika mit
einem niedrigen Risiko für eine Ovarialschädigung sind beispielsweise Methotrexat, 5-Fluorouracil, Vincristin, Vinblastin,
Bleomycin und Actinomycin. Das Risiko einer dauerhaften Amenorrhoe ist bei
verschiedenen Regimen zur Therapie des
Mammakarzinoms sehr unterschiedlich
(Abb.3).
Konservierung von Ei- und
Samenzellen
Nach erfolgter Chemotherapie belasten
die werdenden Eltern häufig auch Fragen
zu einer möglichen Schädigung der Nachkommen. Im Rahmen des Therapiekonzeptes sind daher reproduktionsmedizinische
Maßnahmen mit Kryokonservierung von
Ei- und Samenzellen zu diskutieren. Während dies bei Sperma unproblematisch ist,
gibt es bei der Kryokonservierung befruchDer Nutzen eines Schutzes des Ovars durch
teter Embryonen nach in vitro-Fertilisie„Ruhigstellung“ der Hypophysen-Ovarrung einige kritische Punkte: die hormoAchse während der Chemotherapie mittels
nelle Stimulation des Ovars zur Gewinnung
LHRH-Agonisten wird kontrovers diskuvon Eizellen verzögert nicht nur die Chetiert. Bisher ist ungeklärt, ob man mit einer
motherapie, sondern kann bei hormonresolchen Therapie einer möglichen Sterilität
zeptorpositiven Tumoren möglicherweise
hohem
Risiko für eine
effektiv vorbeugen kann. Zytostatika mit auch
das Tumorwachstum
anregen. Zur
vorzeitige Ovarialinsuffizienz
Tab.1
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Häufigkeit maligner Erkrankungen
während der Schwangerschaft [4]
Tumor
Inzidenz pro Schwangerschaft
Mammakarzinom
1:3000-10000
Zervixkarzinom
1,2:10000
M. Hodgkin
1:1000-6000
malignes Melanom
2,6:1000
Leukämie(n)
1:75000-100000
Ovarialkarzinom
1:10000-100000
kolorektales Karzinom
1:13000
Cyclophosphamid
Zytostatika mit hohem Risiko für eine
Chlorambucil
vorzeitige Ovarialinsuffizienz
Melphalan
• Cyclophosphamid
Busulfan
• Chlorambucil
Procarbazine
• Melphalan
• Busulfan
Nitrourea
• Procarbazine
Stickstoff-Lost
• Nitrourea
Mustin
• Stickstoff-Lost
Cytosinarabinosid
• Mustin
• Cytosinarabinosid
Schwangerschaft nach Mammakarzinom
Empfehlung
Abb. 1
Amenorrhoe nach Chemotherapie
Schwangerschaft
nach
Mammakarzinom
• Intervall
von 2 Jahren
nach
Abschluss
Empfehlung
der Tumortherapie ratsam
Risk of chemotherapy-related amenorrhea in follow-up with common
standard chemotherapy regimens8-11, 14, 56
Treatment
Age <30
Age 30-40
Age >40
None
AC x 4
CMF x 6
CAF/CEF x 6
TAC x 6
AC x 4, T x 4
~0
19
<5
13
31-38
23-47
62
38 (15% age <40)
20-25
57-63
76-96
80-89
• bei aggressiven
• Intervall von 2Tumoren
Jahren nach
Abschluss der
Tumortherapie
Rezidivgefahr
in ersten
Jahren
ratsam
• Bei agressiven Tumoren
Rezidivgefahr in ersten Jahren
Partridge & Ruddy, Breast 2007
Abb. 3
Partridge & Ruddy, Breast 2007
36 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Abb. 2
Abb. 4
Fehlbildungsrisiko nach
Chemotherapi
9. NZW-Süd in Ravensburg
Schwangerschaft nach
Tumortherapie
Unklarheit besteht oft über das nötige Zeitintervall zwischen Abschluss der Chemotherapie und Eintritt einer Schwangerschaft
(Abb.4). In Abhängigkeit vom Tumortyp
sind die Betroffenen mitunter auch in Sorge,
inwieweit eine Schwangerschaft die Prognose der mütterlichen Grunderkrankung
verschlechtern könnte. Offensichtlich hat
eine spätere Schwangerschaft aber keinen
negativen Einfluss auf die Prognose. Auch
das Fehlbildungsrisiko der Kinder ist nach
mütterlicher Chemotherapie nach bisherigem Kenntnisstand nicht erhöht (Abb.5).
Fruchtbarkeit bei Langzeitüberlebenden
kindlicher Tumoren
Hochdosisbestrahlung (> 10 Gy)
Alkylierende Zytostatika
Procarbazin
Höheres Lebensalter
gefährden besonders die spätere Fruchtbarkeit bei Behandlung in der Kindheit. Langzeitüberlebende Frauen, die in der Kindheit
ein Malignom hatten, kommen deutlich
früher in die Menopause als ihre Schwestern
(Abb.6) und sollten deshalb einen bestehenden Kinderwunsch nicht zu spät erfüllen.
Die Frühgeburtenrate ist bei diesen Frauen
erhöht, eine erhöhte Fehlbildungsrate bei
ihren Nachkommen jedoch nicht festzustellen (Abb.7). Dies trifft auch für die Kinder
männlicher Patienten zu.
Fazit
Bei bestehendem Kinderwunsch
sollten nach Möglichkeit Therapieregime gewählt werden, die wenig
toxisch für die Gonaden sind. Die
Kryokonservierung von Spermien
und befruchteten Embryonen ist
eine Option, den Patienten nach
Abschluss der Therapie den Kinderwunsch zu erfüllen. Die Fehlbildungsrate der Nachkommen von
Tumorpatienten ist nicht erhöht.
• Followup von > 4000 Schwangerschaften
nach mütterlicher Zytostatikatherapie ohne
Anhalt für Zunahme kindlicher Anomalien
oder Malignome
• peripartale Komplikationen
(z. B. Kardiomyopathie nach A
• peripartale Komplikationen bei Müttern?
(z.B. Kardiomyopathie nach Anthrazyklinen)
Abb. 5
Vorzeitige Menopause
8,0% vs8,0%
0,8% vs 0,8%
Vorzeitige
Menopause
(rate
95%
CICI
3,26
– 53,51; pp==0.001)
(rateratio
ratio==13.21;
13.21;
95%
3,26-53,51;
0.001)
1.00
Not Menopausal (proportion)
Kryokonservierung von Ovarialgewebe und
Reimplantation nach erfolgreicher Therapie
liegen bisher nur sehr begrenzte Erfahrungen vor.
• Followup von > 4000 Schw
nach mütterlicher Zytostatik
Anhalt für Zunahme kindlic
Fehlbildungsrisiko nach mütterlicher Chemotherapie?
oder Malignome
0.98
0.96
0.94
0.92
0.92
Survivors
Siblings
15
20
25
30
35
40
Age at Last Menstrual Period (years)
Fig 2. Cumulative incidence curves of nonsurgical premature menopause in
survivors compared with siblings.
J Clin Oncol. 2009 May 10;27(14):2374-81
Abb. 6
Anomalien bei den Nachkommen
Table 7. Genetic Disease in Offspring of Cancer
Survivors and Sibling Controls
Survivor
Offspring
(n = 6,129)
Sibling
Offspring
(n = 3,101
Genetic Disease
No.
%
No.
%
Cytogenetic abnormality
7
0.1
6
0.2
Single-gene (Mendelian) disorder
14
0.2
8
0.3
Simple malformation
136
2.2
97
Total
157
2.6
111
Abb.
7
3.1
3.6
Abb. 7
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 37
9. NZW-Süd in Ravensburg
Mammakarzinom: Update 2010
Prof. Dr. Kurt Possinger, Berlin
Obwohl die Zahl der Neuerkrankungen
beim Mammakarzinom steigt (aktuell
knapp 60 000 Neuerkrankungen pro Jahr),
nimmt die Mortalität ab (ca. 17 000 Todesfälle pro Jahr). Dieser Erfolg ist zu einem
Teil auf verbesserte Therapien zurückzuführen, ganz wesentlich aber auch auf das
mittlerweile gut etablierte MammographieScreening.
Mamma Ca:
Mamma
Ca:
ATAC-Studie:
Übergewicht prognostisch bedeutsam
ATAC-Studie: Übergewicht prognostisch bedeutsam
Adjuvante endokrine Therapie
Eine entsprechende Analyse prämenopausaler Patientinnen, die im Rahmen der
ABCSG12 Studie Goserelin + Tamoxifen oder Goserelin + Anastrozol erhalten
hatten, zeigte entsprechende Ergebnisse:
Während bei Patientinnen, die Tamoxifen
erhalten hatten, keine Unterschiede bezüglich des Körpergewichts zu finden waren,
schnitten übergewichtige Patientinnen sowohl hinsichtlich des krankheitsfreien, als
auch des Gesamtüberlebens unter Anastrozol signifikant schlechter ab (Abb.2). Bisher
gibt es keine Daten, die zeigen würden, dass
dieses Problem durch höhere Dosierungen
gelöst werden könnte.
Adjuvante Chemotherapie bei
kleinen Tumoren?
Sestak J Clin Oncol 28 (2010)
MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM
017Abb. 1
UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
Mamma Ca:
Mamma Ca
Übergewicht: Anastrozol vs Tamoxifen: OAS
Übergewicht: Anastrozol vs Tamoxifen: OAS
100
80
Overall Survival (%)
Der Erfolg adjuvanter endokriner Therapien
scheint neben Faktoren wie Tumorgröße,
Ausmaß des Lymphknotenbefalls, Grading,
Steroid- und Wachstumsfaktorexpression,
Gefäß-invasion und Proliferationszustand
auch von der körperlichen Konstitution
abzuhängen. Bei postmenopausalen Patientinnen wurde an Hand der Daten der
ATAC-Studie (Tamoxifen vs Anastrozol)
eine Erfolgsevaluation entsprechend dem
BMI (Body Mass Index) vorgenommen. Patientinnen mit einem BMI>35kg/m² erlitten
signifikant häufiger Rezidive als Patientinnen mit einem BMI<23kg/m² (Abb.1). Möglicherweise ist also die Östrogensuppression
bei adipösen Frauen nicht vollständig.
60
No. of Hazard ratio (95% CI)
Pvalue
events
vs Tarn
40
Ana
Tam
20
22/279
8/294
3.03 (1.35 to 6.82)
0.004
0
0
12
24
36
48
60
72
84
96 108
Months since Randomization
Übergewicht bedingt unter Anastrozol gegenüber Tamoxifen ein 50% höheres
Progressions- und 3-fach höheres Mortalitäts-Risiko
Pfeiler ASCO 2010 abstr. 512
MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM
Mögliche adjuvante Therapieregime zeigt
Abb.3 (dd=dosisdicht; Schemata in Klammern sind besonders toxisch).Generell ist
das Problem der Übertherapie in der adjuvanten Situation noch nicht befriedigend
gelöst. Zunehmend werden Mammakarzinome heute im Stadium T1N0 diagnostiziert; in diesem Stadium treten auch ohne
38 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Abb. 2
UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
adjuvante Therapie nur 10-20% Rezidive auf.
Nach wie vor werden jedoch in dieser Situation Frauen mit toxischen Schemata wie
FEC behandelt. Denn es ist derzeit nicht
möglich, solche Patientinnen exakt zu charakterisieren, die nach Primäroperation und
Bestrahlung keiner adjuvanten systemischen
Therapie bedürfen.
9. NZW-Süd in Ravensburg
Mamma Ca
Adjuvante Chemotherapie
Mamma Ca:
Adjuvante Chemotherapie
FEC
Persönliche Einstufung
5-FU 500mg/m² iv d1 + Epirubicin 100mg/m² iv d1 + Cyclophosphamid
500mg/m² iv d1 qd21, 6x
CEF
Cyclophosphamid 75mg/m² po d1-14 + Epirubicin 60mg/m² iv d1+8 + 5-FU 500mg/m²
iv d1+8 qd28, 6x; alle Zyklen + Cotrimoxazol
FEC→Docetaxel (PACS 01)
5-FU 500mg/m² iv d1 + Epirubicin 100mg/m² iv d1 + Cyclophosphamid 500mg/m² iv
d1 qd21, 3x → Docetaxel 100mg/m² iv, d1, qd21, 3x
TAC
>50 Jahre
<50 Jahre
Docetaxel 75mg/m² iv, d1 + Doxorubicin 50mg/m² iv d1 + Cyclophosphamid
500mg/m² iv, d1 qd21, 6x; alle Zyklen + Filgastrim
ddAC→ddT
>3cm / N>3Lk
Doxorubicin 60mg/m² iv d1 + Cyclophosphamid 600mg/m² iv d1 qd14, 4x →
Paclitaxel 175mg/m² iv, d1, qd14, 4x; alle Zyklen + Filgastrim
ddETC
Epirubicin 150mg/m² iv d1, qd14, 3x → Paclitaxel 225mg/m² iv, d1, qd14, 3x →
Cyclophosphamid 2500mg/m² iv d1 qd14, 3x; alle Zyklen + Filgastrim
TC
>65 Jahre
Docetaxel 75mg/m² iv, d1 + Cyclophosphamid 600mg/m² iv, d1 qd21, 4x
MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM
Mamma Ca:
HR+: Genanalysen zur Therapie-Entscheidung
Abb. 3
UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
Table 1. Commercially Available Genomic Assays for the Prediction of Clinical Outcome in Patients with Breast Cancer.*
Variable
MammaPrint
Oncotype DX
Theros
MapQuant Dx
Provider
Agendia
Genomic Health
Biotheranostics
Ipsogen
Type of assay
70-Gene assay
21-Gene recurrence score
2-Gene ratio of HOXB13
to IL17R (H/I) and molecular-grade index
Genomic grade
Type of tissue sample
Fresh or frozen
Formalin-fixed, paraffinembedded
Formalin-fixed, paraffinembedded
Fresh or frozen
Technique
DNA microarrays
Q-RT-PCR
Q-RT-PCR
DNA microarrays
Centrally certified laboratory+
Yes
Yes
Yes
Yes
Indication
To aid in prognostic prediction in patients <61 yr
of age with stage I or II,
node-negative disease
with a tumor size of ≤
5 cm
To predict the risk of recurrence in patients with
ER-positive, node-negative
disease treated with tamoxifen; to identify patients
with a low risk of recurrence
who may not need adjuvant
chemotherapy
To stratify ER-positive
patients into groups with
a predicted low risk or
high risk of recurrence
and a predicted good or
poor response to endocrine therapy
To restratify grade 2 tumors into low-risk grade
1 or high-risk grade 3
tumors, specifically for
invasive, primary, ERpositive grade 2 tumors
Level of evidence
(I-V)++
III
II
III
III
FDA clearance
Yes
No
No
No
Availability
Europe and United
States
Europe and United States
United States
Europe
Abb. 4
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 39
9. NZW-Süd in Ravensburg
Abb.5 zeigt, dass mit zunehmendem Risikoscore (nach Oncotype DX) der Nutzen einer zusätzlichen Chemotherapie im
Vergleich zur alleinigen Hormontherapie
deutlich zunimmt. Albain und Mitarbeiter
zeigten kürzlich, dass dies auch beim N1Status (befallene Lymphknoten) zutrifft
(Abb.6). Hier ist umgekehrt auch erkennbar,
Mamma
Ca: Ca
Mamma
Risikogruppierung
derder
NSABP
B14-B14
und und
B20-Studien
durch durch
Oncotype
DX
Risikogruppierung
NSABP
B20-Studien
Oncotype
DX
Average Rate of Distant Recurrence at 10 Years
Hier könnte die Analyse genetischer Expressionsprofile hilfreich sein: sie erlaubt
einerseits die Unterscheidung spezifischer
Brustkrebsarten (luminal A, luminal B,
HER2, basal like, normal breast, claudin
low) und gibt andererseits Auskunft über die
individuelle Prognose. Vier genomische Assays sind gegenwärtig zur Prognoseeinstufung kommerziell erhältlich (MammaPrint,
Oncotype DX, Theros, MapQuantDx,
Abb.4), von denen zwei auch an fixiertem
Tumorgewebe durchgeführt werden können. Damit kann das individuelle Rezidivrisiko der Patientin nach einem Score in
„hoch“, „mittel“ oder „niedrig“ eingeordnet
und daraus eine Therapieentscheidung abgeleitet werden. Die Güte prognostischer
Gensignaturen wurde in einer Vielzahl von
retrospektiven Studien belegt.
Rate: Tam
95% CI: Tam
Rate: Tam + CMF/MF
95% CI: Tam + CMF/MF
Sparano & Paik J Clin Oncol 26:721-728 (2008)
Abb. 5
MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM
dass bei geringem und mittlerem Risiko die
adjuvante Chemotherapie keinen Nutzen
für die Patientinnen hat. Ergebnisse von
zwei prospektiven Studien (TAILORx und
MINDACT) stehen aber noch aus. Nicht
Mamma Ca
Mamma Ca:
SWOG
8813:
low undrisk:
intermediate
risk:Chemo?
was
SWOG
8813: low
und intermediate
was bringt zusätzlich
zuletzt die Kosten solcher Tests (1500-3000
Euro) lassen einen routinemäßigen Einsatz
bisher nicht zu.
Metastasierte Situation
bringt zusätzlich Chemo ?
D Breast-cancer-specific survival, intermediate risk (recurrence score 18-30)
Stratified log-rank test p=0.56 at 10 years
Randomised treatment group
Tamoxifen (4 breast-cancer deaths)
CAF-T (10 breast-cancer deaths)
Breast-cancer-specific survival (%)
Breast-cancer-specific survival (%)
B Breast-cancer-specific survival, low risk (recurrence score < 18)
UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
Stratified log-rank test p=0.89 at 10 years
Randomised treatment group
Tamoxifen (11 breast-cancer deaths)
CAF-T (10 breast-cancer deaths)
Breast-cancer-specific survival (%)
F Breast-cancer-specific survival, high risk (recurrence score ≥ 31)
Stratified log-rank test p=0.033 at 10 years
Randomised treatment group
Tamoxifen (20 breast-cancer deaths)
CAF-T (18 breast-cancer deaths)
0
2
4
6
Years since registration
8
10
Albain Lancet Oncol 2010; 11: 55–65 Abb. 6
MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM
40 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
9. NZW-Süd in Ravensburg
Mamma
Ca: Antiangiogenese
Mamma
Ca: Antiangiogenese
Metaanalyse: Bevacizumab und Überleben
Metaanalyse: Bevacizumab und Überleben
O´Shaughnessy ASCO 2010 abstr 1005
Abb. 7
MEDIZINISCHE KLINIK FÜR ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE CHARITÉ CCM
In der metastasierten Erkrankungssituation
sind Befindensbesserung und langfristige
Stabilisierung des körperlichen und psychischen Befindens Hauptbehandlungsziele. Zu jedem Erkrankungszeitpunkt muss
überprüft werden, ob durch lokale Behandlungsmaßnahmen (wie Bestrahlung, chirurgische Interventionen) der Krankheitsverlauf rascher und günstiger beeinflusst
werden kann als durch systemische toxische
Therapien. Die Intensität der Behandlung
richtet sich nach den tumorbedingten Beschwerden und dem Ausmaß der akuten
Lebensbedrohung.
Beim Auftreten neuer Metastasen sollten
erneut Tumorgewebsbiopsien durchgeführt
werden, um die Behandlung den tatsächlichen Eigenschaften des Tumors anzupassen. In mehreren Untersuchungen konnte
festgestellt werden, dass in bis zu 36% der
Fälle im metastasierten Stadium ein primär positiver Hormonrezeptorstatus nach
negativ wechseln kann. Umgekehrt sind in
bis zu 26% der Fälle Positivierungen nachgewiesen worden. Primär HER2-positive
Tumoren können in 10 bis 30% ihre Positivität verlieren. Etwa 5% primär HER2negativer Tumoren können positiv werden.
UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
Ein „Weiterbehandeln“ der Patientinnen
nach primären HER2- oder Steroidstatuskriterien ist dementsprechend wirkungslos
und darüber hinaus unnötig kostenintensiv.
Neuigkeiten in der Therapie des
fortgeschrittenen
Mammakarzinoms betreffen:
1. Zytostatika: das neue Zytostatikum Eribulin verbessert in der Viert-und Fünftlinientherapie das 1-Jahres-Überleben
Phase II-Studie).
2. BRCA-Positivität (Triple-Negativität):
Es ist anzunehmen, dass noch in diesem
Jahr eine Vielzahl von Studien bei Patientinnen mit triple-negativen Tumoren begonnen wird. BRCA spielt eine
wichtige Rolle bei der homologen DNAReparatur und der Apoptoseinduktion.
Liegt eine BRCA-Funktionsstörung vor,
so wird in der Regel ein anderer Reparaturweg (PARP) beschritten. Um die
verbleibenden zellulären Reparaturmechanismen zu überlasten, werden bei
diesen Patientinnen insbesondere Platinderivate und Alkylantien als Zytostatika eingesetzt. Zusätzlich werden
PARP-Inhibitoren (Olaparib (oral) und
Iniparib (iv.)) eingesetzt.
3. Neue Therapien bei HER2-Positivität:
Um HER2-positive Tumorzellen noch
konsequenter zu zerstören, koppelt man
an Trastuzumab Strahlenquellen oder
Zytostatika an. Trastuzumab-DM1 (TDM1) ist ein Antikörperkonjugat, das aus
Trastuzumab und einem Zytostatikum
der Vinkaalkaloidgruppe (Maytansine)
besteht. In einer multi-institutionellen
Studie, in die über 100 Patientinnen mit
progredienten Tumoren unter vorangegangener Gabe von Trastuzumab und
einer zytostatischen Behandlung aufgenommen wurden, ließ sich bei etwa
einem Drittel aller Patientinnen eine
objektive Tumorremission erzielen.
4. Antiangiogenese Bevacizumab konnte
in mehreren klinischen Studien belegen,
dass der frühzeitige Einsatz (first oder
2nd line Therapie) signifikante Verbesserungen der Zeit bis zur Tumorprogression bewirkt. Ein späterer Einsatz scheint
hingegen keine klinisch relevante Wirkung mehr zu erbringen. In keiner Studie
konnte allerdings bisher eine Verlängerung der Überlebenszeit evaluiert werden
(Abb.7). Dasselbe gilt auch für Sunitinib,
sodass die Angiogenesehemmung beim
Mammakarzinom bisher nicht als effektiv angesehen werden kann.
5. Knochenmetastasen: Die kürzlich gezeigte Antitumorwirkung der Bisphosphonate beruht möglicherweise darauf,
dass durch die Hemmung der Osteoklastenaktivität vermindert Wachstumsfaktoren aus dem Knochen freigesetzt
werden. Den gleichen Effekt hat Denosumab, ein neuer Antikörper gegen
RANKL (Receptor Activator of Nuclear
Factor kB Ligand).
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 41
9. NZW-Süd in Ravensburg
Strahlentherapie des Prostatakarzinoms
Prof. Dr. Wolfgang Wagner, Osnabrück
Die Strahlentherapie ist in allen Stadien des
Prostatakarzinoms eine Option, auch bei
Metastasierung. Sie erbringt im Vergleich
zur radikalen Prostatektomie in etwa die
gleichen Ergebnisse bei unterschiedlichem
Nebenwirkungsmuster. Es gibt verschiedene
Methoden der Strahlentherapie:
Standard ist heute die 3-D-konformale
Bestrahlung mit einem digitalen Linearbeschleuniger über 8 Wochen mit Gesamtdosen von 70 Gy und darüber hinaus.
Dabei wird von vorne und von beiden Seiten
bestrahlt (Abb.1), die Strahlendosen addieren sich so im Zielgebiet der Prostata.
Die 5-Jahres rezidivfreien Überlebensraten
liegen bei ca. 80 % im Frühstadium sowie
bei 60 % und weniger in fortgeschrittenen
Stadien.
Verbessern lassen sich die Ergebnisse durch
den Einsatz der Intensitätsmodulierten
Radiotherapie (IMRT), die bisher noch
kein Standardverfahren ist. Mithilfe eines beweglichen Strahlenkopfes, der um
den Patienten herumfährt, kann bei besserer Schonung des umgebenden Gewebes
die Dosis im Zielgebiet gesteigert werden
(Dosiseskalation). Ein Problem ist hierbei
allerdings eine mögliche Bewegung des Patienten bzw. der Prostata, da dann die hohe
Strahlendosis benachbarte Organe schädigen kann. Zur Schonung des umliegenden
Gewebes (Risikoorgane) werden aktuell
besondere Maßnahmen ergriffen, um die
zielgenaue Bestrahlung zu gewährleisten
(Image-Guided-Radiotherapy IGRT+
Markerapplikation im Zielorgan). Durch
derartige Behandlungen ist es möglich geworden, die Überlebensrate bei Patienten
mit schlechter Prognose von 39 % auf 81
% anzuheben. Bei Patienten mit intermediärer Prognose liegen die entsprechenden
3-Jahres-Überlebensraten (rezidivfrei) bei
86 % im Vergleich zu 59 % bei der 3-Dkonformalen Radiatio. In fortgeschrittenen
Stadien erfolgt zusätzlich zur Radiotherapie
obligat eine Hormontherapie, da durch die
Kombination das 5-Jahresüberleben deutlich
gebessert werden kann (von 62 auf 79 %).
Eine weitere Verbesserung ergibt sich möglicherweise durch den Einsatz von Partikelstrahlung, z. B. Protonen. Die Protonentherapie hat den Vorteil, dass aufgrund der
spezifischen Verteilung der Strahlendosis an
der Haut und hinter der Prostata sehr geringe oder gar keine Strahlenbelastungen auftreten (Abb.2). Bisher liegen allerdings noch
wenige Studien zur Protonentherapie vor.
Alternativ zur perkutanen Bestrahlung hat
sich in den letzten Jahren die Seed-Therapie
(Brachytherapie) im Frühstadium des Pro-
Abb. 1
Strahlendosis eines Protonen-Bleistiftstrahls entlang der Eindringtiefe in
den Körper.Die Reichweite dieser Protonen ist 25 cm. Oben als Höhenlinien dargestellte Dosisverteilung, unten die Dosiswerte längs der Tiefe
im Vergleich mit einem Photonen-Dosisverlauf.
42 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
2
Abb. 2
9. NZW-Süd in Ravensburg
statakarzinoms in Deutschland etablieren
können. Die Seed-Behandlung erfolgt mit
40 bis 50 Jod125 Titan-Kapselseeds (Abb.3),
die permanent in die Prostata eingebracht
werden (Abb.4) und gemäß ihrer spezifischen Halbwertzeit von ca. 2 Monaten abstrahlen. Damit wird eine hohe Dosis von
ungefähr 140 Gy in der Prostata erzielt. Die
10-Jahre PSA-rezidivfreien Überlebensraten
werden zwischen 84 % und 92 % angegeben.
Die Nebenwirkungsraten (Inkontinenz, Impotenz) der Brachytherapie sind geringer als
nach einer radikalen Prostatektomie und der
Patient kann nach dem operativen Eingriff
bereits am nächsten Tag wieder arbeiten.
Auch die Prostata-Spickung als high-doserate-Brachytherapie in der alleinigen Form
oder als Boost nach Perkutanbestrahlung bei
Risikopatienten, ergibt eine hohe Rate an
Tumorfreiheit, insbesondere bei Patienten
mit höherem Risiko.
Aufbau eines Seed
Aufbau
eines Seed
Titankapsel
J-125 als Silber- Jodid in Keramik
Gold-Röntgenmarker
Ø
0,8mm
4,5 mm
3
Abb. 3
In der Palliativtherapie sind Infusionen
mit dem Beta-Strahler Samarium153 in etwa
80 % effektiv zur Schmerzlinderung bei
Knochenmetastasen. Bei epiduraler Metastasierung mit Lähmungen/Paraparesen
wird primär notfallmäßig neurochirurgisch
therapiert; ist dies nicht möglich, kann die
sofortige Bestrahlung bei jedem dritten Patienten einen Rückgang der Lähmung bewirken.
Fazit
Die Radiotherapie hat sowohl mit
kurativer als auch mit palliativer
Zielsetzung einen hohen Stellenwert in allen Stadien des Prostatakarzinoms. Durch moderne
Strahlentherapie-Methoden lässt
sich das Bestrahlungsvolumen
verkleinern und somit die Toxizität
verringern. Die dadurch mögliche
Dosiseskalation verbessert die
lokale Tumorkontrolle, aber nicht
notwendigerweise das Überleben.
Abb. 4
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 43
4
Pressemitteilung
++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTE
Krebsbehandlung ohne Bestrahlung
Spätfolgen der Therapie gegen Non-Hodgkin-Lymphom verringern
Das Non-Hodgkin-Lymphom, eine bösartige Erkrankung des Lymphsystems, wird oftmals
mit einer Kombination von Chemo- und Strahlentherapie behandelt. Die Bestrahlung des
Gehirns kann allerdings zu schwerwiegenden Spätfolgen führen, wie Konzentrationsoder Gedächtnisstörungen. Die Deutsche Studiengruppe für primäre Lymphome des
Gehirns unter Leitung von Professor Dr. Eckhard Thiel und Professor Dr. Michael Weller
hat in einer groß angelegten Studie den Stellenwert der Gehirnbestrahlung untersucht.
Mit überraschendem Ergebnis: Die Überlebenszeit von Patienten, die mit Chemo- und
Strahlentherapie behandelt wurden, und denen, die sich nur einer Chemotherapie unterzogen, unterschied sich nicht. Daher raten die Wissenschaftler dazu, die Bestrahlung
bei der Therapie des Non-Hodgkin-Lymphoms des zentralen Nervensystems neu zu
bewerten. Die Deutsche Krebshilfe hat das weltweit einzigartige Projekt mit insgesamt
383.000 Euro gefördert.
Die Bestrahlung des Gehirns ist derzeit
Teil der Standardbehandlung des NonHodgkin-Lymphoms, wenn dieser schnell
wachsende und aggressive Tumor das
Zentralnervensystem befallen hat. Zusätzlich hat sich die Gabe hoher Dosen des
Krebsmedikaments Methotrexat im Rahmen einer Chemotherapie als erfolgreiche
Maßnahme erwiesen: Die durchschnittliche Überlebenszeit der Betrof fenen
konnte dadurch von 12 bis 18 Monaten
auf 33 bis 43 Monate gesteigert werden.
Die Bestrahlung des Gehirns kann jedoch
zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen,
wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie bei hohen Dosierungen bis
hin zur Demenz, führen.
Neurologische Klinik der Universitätsklinik
Tübingen, jetzt Klinik für Neurobiologie am
Universitätsspital Zürich, untersuchten in
ihrer so genannten G-PCNSL-SG-1-Studie,
an der sich insgesamt 75 Krebszentren
beteiligten, ob es möglich ist, bei der
Therapie des Non-Hodgkin-Lymphoms des
Gehirns auf die Bestrahlung zu verzichten.
In dieser multizentrischen, randomisierten
Studie mit 551 Betroffenen erhielt eine
Gruppe von Patienten eine alleinige Chemotherapie mit hochdosiertem Methotrexat. Eine zweite Gruppe unterzog sich
zusätzlich zur Chemotherapie einer Ganzhirnbestrahlung. Anschließend wurden
die Patienten in regelmäßigen Abständen
untersucht.
Die Wissenschaftler um Eckhard Thiel
von der Medizinischen Klinik der Charité
in Berlin und Michael Weller, bis 2005
Nach den Ergebnissen der Studie hat die
Bestrahlung zusätzlich zur Chemotherapie
keinen Einfluss auf die Überlebenszeit der
Betroffenen. Die Zeit bis zum Rückfall war
zwar länger, aber um den Preis des erhöhten Risikos unerwünschter Therapiefolgen.
Deshalb sprechen sich die Forscher dafür
aus, die Schädelbestrahlung im Rahmen
der Therapie des Non-Hodgkin-Lymphons
neu zu bewerten: „Aufgrund der Ergebnisse unserer Studie raten wir von der
Ganzhirnbestrahlung als Standardtherapie
beim Non-Hodgkin-Lymphom des Gehirns
ab“, erläutert Weller. Gerd Nettekoven,
Hauptgeschäf tsführer der Deutschen
Krebshilfe, betont: „Ziel der von uns
geförder ten Forschungsprojekte ist es
auch, zukünftig die möglichen Spätfolgen
einer Krebs-Therapie zu vermeiden, um
die Lebensqualität der Betroffenen nach
der Behandlung zu erhöhen.“ Die von der
Deutschen Krebshilfe geförderte Studie,
deren Ergebnisse die Wissenschaftler in
dem renommierten Fachmagazin „Lancet
Oncology“ veröffentlichten, ist die weltweit erste ihrer Art.
Publikation: „High-Dose methotrexate
with or without whole brain radiotherapy
for primar y CNS-lymphoma (G-PCNSLSG-1): a phase 3, randomized, non-inferiority trial“, erschienen am 18. Oktober
2010 in „Lancet Oncology“.
Pressemitteilung der Deutschen Krebshilfe
28. - 30. Januar 2011
Hamburg-Harburg
44 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Pressemitteilung
++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTE
Strahlentherapie bei Kindern:
Risiken geringer als befürchtet
Patientenregister dokumentiert systematisch Spätfolgen
Die Strahlentherapie ist auch bei Kindern und Jugendlichen eine wirksame
Methode gegen Krebs. Doch die langfristigen Folgen für die Gesundheit der
jungen Patienten waren bisher wenig erforscht. Erste Auswertungen der Daten
eines 2004 eingerichteten Patientenregisters zeigen nun, dass die Risiken einer Strahlentherapie im Kindes- und Jugendalter geringer sind als befürchtet.
Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) anlässlich
einer aktuellen Studie hin.
„Kinder und Jugendliche haben nach
einer erfolgreichen Krebstherapie den
größten Teil ihres Lebens noch vor
sich. Es ist deshalb besonders wichtig,
Spätfolgen der Behandlung zu vermeiden”, sagt DEGRO-Präsidentin Professor Dr. med. Rita Engenhart-Cabillic.
Spätfolgen sind Nebenwirkungen, die
erst Monate oder Jahre nach Ende der
Strahlentherapie auftreten. Deshalb
werden sie in den Therapiestudien
oftmals nicht komplett erfasst. „Unsere bisherigen Erkenntnisse hierzu
beruhten im Wesentlichen auf kleineren rückblickenden Untersuchungen”,
erläutert die Expertin. Eine sinnvolle
Beurteilung sei auch deshalb nicht
möglich gewesen, da sich die einzelnen Behandlungs­verfahren im Laufe
der Jahre stark verändert hätten. So
basier ten frühere Untersuchungen
zum Teil auf Strahlentherapietechniken, die heute nicht mehr angewendet
werden.
Um die Spätfolgen aktueller Verfahren besser beur teilen zu können,
hat die DEGRO gemeinsam mit der
Gesellschaf t für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie vor sechs
Jahren das „Register zur Erfassung
von Spätfolgen nach Strahlentherapie
maligner Erkran­kungen im Kindes- und
Jugendalter” (RiSK) eingerichtet. Die
finanzielle Förderung erfolgte durch
die Deutsche Kinderkrebsstiftung.
„Bislang wurden 1.300 Patienten aus
62 Zentren dokumentiert”, berichtet
der Chairman des Registers, Professor
Dr. med. Normann Willich, Direktor der
Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Münster.
„Die ersten Ergebnisse zeigen, dass
die Belastung der Organe geringer
ausfällt, als befürchtet”, berichtet
der Experte. Als Beispiel führt er eine
kürzlich veröffentlichte Studie zu den
Auswirkungen der Strahlentherapie
auf die Nieren an, einem besonders
strahlen­e mpfindlichen Organ. Auch
zwei bis drei Jahre nach Ende der
Therapie sei es bei den meisten Patienten nicht zu Funktionsstörungen
gekommen, so Willich. Die wenigen
Patienten, bei denen die Nieren in Mitleidenschaft gezogen wurden, hatten
eine höhere Strahlendosis erhalten.
„Diese Erkenntnis werden wir bei der
Behandlung zukünf tiger Patienten
46 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
berücksichtigen”, erklär t Willich.
Ähnliche Auswertungen wurden zu
Auswir­k ungen einer Strahlentherapie auf Speicheldrüsen und Lunge
durchgeführt. Weitere Analysen sind
in Vorbereitung.
„Da sich einige Spätschäden erst
nach vielen Jahren zeigen, ist es
wichtig, das Register fortzuführen“,
sagt Willich. „Je mehr Kinder erfasst
werden und je länger die Nachbeo­
bachtungszeiten sind, desto besser
können wir bei zukünftigen Patienten
Nutzen und Risiken der T herapie
gegeneinander abwägen.“ Die DEGRO setzt sich deshalb dafür ein,
die Beobachtung von Spätfolgen
weiter voranzutreiben. Die deutschen
Strahlentherapeuten tauschen ihre
Erfahrungen mit Exper ten anderer
Länder aus. Eine enge Kooperation
besteht mit Schweden. Dort wurde auf
der Basis der RiSK-Struktur und der
RiSK-Dokumentation ein gleichartiges
schwedisches Register aufgebaut.
Quelle:
Bölling T, Ernst I, Pape H, Martini C, Rübe C,
Timmermann B, Fischedick K, Kortmann RD,
Willich N. Dose-Volume Analysis of Radiation
Nephropathy in Children: Preliminary Report
of the RiSK Consortium. Int J Radiat Oncol Biol
Phys. 2010; doi:10.1016/j.ijrobp.2010.03.021
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO)
Kommentar des Herausgebers
Kommentar des Herausgebers
Von Beleuchtern und Gaffern und der
Notwendigkeit komplexe Themen
richtig zu beleuchten
Klaus Meier
B
ei Film- und Fernsehproduk­
tionen arbeiten Beleuchter
eng mit Kameraleuten zusammen, die für die Lichtgestaltung die
künstlerische Verantwortung tragen.
Der ihnen vorgesetzte Oberbeleuchter (engl.: Gaffer) ist sowohl eine
technische als auch eine kreative
Instanz am Set.
Der Begriff Gaffer gilt auch für solche
Personen, die sich zur Beobachtung
eines spektakulären Ereignisses
einfinden und für die das Anschauen
einer Katastrophe ohne eine aktive
helfende Beteiligung eine erfüllende
Lebensweise darstellt.
Wie wollen wir nun das Verhalten
der Apothekerverbände gegenüber
der gesetzgebenden Instanz bezeichnen?
Sind die Apothekerverbände, die die
Änderung der Apothekenbetriebsordnung mit all ihren Facetten betrachten, als passive oder aktive Gaffer zu
bezeichnen?
Die von interessier ter Seite ge wünschte Verschiebung von pharmazeutischer Dienstleistung in industrialisierte ausserapothekerliche
Produk tionsbereiche stellt eine
Gefährdung der patienten- und ortsnahen pharmazeutischen Versorgung
onkologischer Patienten dar.
Wenn nun Menschen, wie gewählte
Politiker, die sich mit diesen kom-
plexen Fragestellungen in der Praxis
noch nicht befasst haben und daher
auf fremden Rat angewiesen sind,
wenn diese Menschen zu Gaffern
würden, dann würde man ihnen
zumindest auch im passiven Fall ein
Wahrnehmungsinteresse zubilligen
können.
Bei vielen Menschen ist noch nicht
mal dies der Fall!
Wir onkologischen Pharmazeuten in
der DGOP verstehen uns als kreative
Instanz mit ganzheitlicher Sicht auf
den Behandlungsprozess und den
onkologischen Patienten im Mittelpunkt. Die Behandlung unserer
Patienten ist nicht mit intervallhafter
Infusionstherapie beendet. Denn das
Leben mit einer chronischen Krebserkrankung findet erfreulicherweise in
zunehmendem Maße statt. Wer kümmert sich um die pharmazeutische
Versorgung der Überlebenden, ihre
Fragen und die begleitenden Therapien? Wer wird sie bei der Einnahme
von Tabletten insbesondere der oralen Zytostatika begleiten, damit die
Adherence unterstützt werden kann?
Das können alle Apothekerinnen
und Apotheker sein, die sich nicht
die Verantwortung abnehmen und
zu Ausgabeautomaten von Fer tigarzneimitteln degradieren lassen.
Wozu sonst so viel Ausbildung, die
Qualifikation, die Zertifizierungen?
Die DGOP warnt eindringlich vor einer
drohenden Liquidierung der apothekerlichen Kunst nicht nur durch
unwissende Externe, sondern vor
allem auch durch wissende Interne.
Allen Versuchen, die Herstellungskunst von patientenindividuellen
arzneilichen Lösungen in Apotheken
einzuschränken, muss widerstanden
werden, das ist nur allzu richtig und
wichtig. Es muss, wie es die DGOP
mit ihrer Zertifizierung nach QuapoS
vorlebt, diese Herstellungskunst
dokumentiert und auf hohem Niveau
weiter entwickelt werden.
In der Folge wird dann die Abgabe
oraler Zytostatika in der Öffentlichkeit auch nicht mehr als eine Versandbearbeitung erscheinen. Sondern eine Wissen voraussetzende
Handlung und eine pharmazeutische
Betreuung durch den ausgebildeten
Apotheker vor Ort unterstützen die
Krebspatienten wirksam.
Auch dies ist eine schützenswerte
Maßnahme, die der Erkenntnisverbreitung und vor allem des Engagements all jener bedarf, die dazu in der
Lage sind und die sowohl technische
als auch kreative Instanz in der Apotheke vor Ort sind.
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 47
Pressemitteilung
++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTE
Grenzen überwinden, Palliativ-Versorgung verbessern
Palliativexperten kritisieren Strukturdefizite in Deutschland
Menschen mit einer unheilbaren Erkrankung haben einen gesetzlichen Anspruch
auf umfassende Palliativ-Versorgung. Dabei sollen weder ihr Alter, noch die Art ihrer
Grunderkrankung oder der Ort, an dem sie betreut werden wollen oder müssen, eine
Rolle spielen. Fakt ist jedoch, dass dieser Anspruch nicht bundesweit flächendeckend
umgesetzt werden kann, weil entsprechende Angebote noch fehlen. Bei der AuftaktPressekonferenz des 8. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
(DPG) in Dresden am 9. September 2010, appellierte Professor Dr. Christof Müller-Busch,
Präsident der DGP, die Strukturdefizite rasch zu beheben und die Bemühungen für eine
flächendeckende Versorgung zu intensivieren.
„Wir benötigen einen flächendeckenden
Auf- und Ausbau von Versorgungs- und
Betreuungsstrukturen“, so Müller-Busch.
„Hinzu kommt die Implementierung des
Versorgungsanspruchs in bestehende
Einrichtungen und eine bessere Qualifikation der im Gesundheits- und Sozialwesen
Tätigen. Denn noch immer sind viele Betroffene und ihre Angehörigen sowie die
professionellen Helfer nicht ausreichend
über die Möglichkeiten und Angebote im
Rahmen der Palliativ- und Hospizversorgung informiert.“
„Der Bedarf an Palliativmedizin wird in
den kommenden Jahren weiter steigen.
Die Menschen werden immer älter und
die Krebskrankheiten nehmen zu“, so
Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer
der Deutschen Krebshilfe. „Unsere Organisation versteht sich als Sprachrohr
der Krebs-Patienten und appelliert daher
auch an Bund, Länder und alle Gesundheitsorganisationen, sich künftig noch
stärker als bisher für die Palliativmedizin
einzusetzen.“ Die Deutsche Krebshilfe
ist Wegbereiterin der Palliativmedizin
in Deutschland und hat bislang über
60 Millionen Euro in den Auf- und Ausbau
der Palliativmedizin investiert.
Ein konzertiertes Zusammenwirken aller
im Gesundheitssystem verant wor tli-
chen Kräfte ist auch notwendig, um die
so genannte Spezialisier te Ambulante
Palliativ-Versorgung (SAPV ) voran zu
bringen, für die es bereits seit 2007 eine
gesetzliche Grundlage gibt. „Der Aufbau
von SAPV-Teams kommt jedoch aus einer
Vielzahl von Gründen nur sehr zögerlich
in Gang“, so Kongresspräsidentin Dr.
Barbara Schubert. „Einerseits steht eine
völlig neue Aufgabe vor allen Beteiligten,
andererseits fehlen insbesondere in ländlichen Regionen sowohl Konzepte als auch
die notwendigen personellen Kapazitäten
zu ihrer Umsetzung – und letztlich treten
Kostenträger zögerlich bei den notwendigen Vertragsabschlüssen auf.“
„ Auch die geplante Novellierung der
Betäubungsmittel-Verordnungsvorschrift
stellt durchaus einen wichtigen Schritt in
der Verbesserung der Versorgung von Palliativpatienten mit Opioiden dar. Allerdings
bedarf es struktureller und organisatorischer Änderungen beispielsweise in Hospizen, damit diese Verbesserungen auch
umsetzbar sind“, so Kongresspräsident
Professor Dr. Rainer Sabatowski.
Im Rahmen des 8. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin,
der vom 9. bis 11. September 2010 im
Internationalen Congress Center Dresden stattfand, diskutierten rund 2.000
48 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter
dem Motto „Grenzen überwinden“: „Der
Zeitpunkt des Kongresses ist gesundheitspolitisch günstig und wichtig“, so
Kongresspräsident PD Dr. Ulrich Schuler.
„Denn die Diskussion um die Begleitung
Schwerstkranker und Sterbender nimmt
derzeit im öffentlichen Diskurs breiten
Raum ein.“ In zahlreichen Plenar veranstaltungen, Diskussionsrunden und
Workshops werden die Teilnehmer auf
Basis des bereits Erreichten Konzepte
erarbeiten, um die Zukunft der Palliativmedizin in Deutschland aktiv zu gestalten.
„Problematisch bleibt aber, dass an den
meisten medizinischen Fakultäten bisher
noch kein Lehrstuhl für Palliativmedizin
etabliert wurde. Insbesondere in den so
genannten neuen Bundesländern gibt es
derzeit noch keinen einzigen Lehrstuhl“,
so Sabatowski. Im Rahmen des Kongresses
werden daher auch ein Studentenseminar
angeboten und verschiedene Lehrmodelle
in einem eigenen Symposium vorgestellt.
Vor dem Hintergrund der Einführung von
Palliativmedizin als verpf lichtendem
Querschnittsbereich im Medizinstudium
erscheint dies unverzichtbar. Darüber
hinaus sind neben der Etablierung der
Palliativmedizin als eigenständigem Fach
auch der weitere Ausbau der interdisziplinären Zusammenarbeit mit den angrenzenden Fachgebieten und die Verankerung
palliativmedizinischen Denkens in der
Ausbildungs- und Alltagspraxis wichtige
Themen.
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DPG)
Lebender Kolumnentitel
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 49
Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung
Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung
Von Anita Waldmann, Rüsselsheim
D
ie internationale Selbsthilfegruppe von Myelom-Patienten wollte es wissen: welchen Weg nehmen Patienten, bis die Diagnose Multiples Myelom gestellt werden
konnte und wie lange dauert dieser Weg?
Dafür befragte Myeloma Euronet, ein europaweites, gemeinnütziges Netzwerk, das
sich ausgehend von lokalen Selbsthilfegruppen für Patientinnen und Patienten mit
Multiplem Myelom (vgl. Tab. 1) entwickelt hat, sowohl Ärzte als auch Patienten und
deren Angehörige.
Aufgaben des europäischen Netzwerkes Myeloma Euronet:
das Bewusstsein für das Multiple
Myelom zu fördern,
Informationen über die Diagnose,
Behandlung und Versorgung von
Menschen mit Multiplem Myelom
bereitzustellen sowie
die Mitgliedsorganisationen bei
der Erfüllung ihrer Aufgaben zu
unterstützen.
Zur Entstehung von Myeloma
Euronet
Myeloma Euronet (ME) wurde im Jahr 2005
im Rahmen des 10. Kongresses der European
Hematology Association (EHA, Europäischer Hämatologenkongress) in Stockholm
gegründet und ist Mitglied der European
Cancer Patient Coalition (ECPC), der European CanCer Organisation (ECCO), der
European Organisation for Rare Diseases
(EURORDIS) und der Internationalen
Lymphoma Coalition.
Myeloma Euronet arbeitet bei der European
Medicines Agency (EMA) in der EHASWG “Quality of Life & Symptoms” und
mit den Europäischen Stammzell-Transplanteuren (EBMT) zusammen. Myeloma Euronet ist als Interessenvertreter bei
der Europäischen Kommission registriert.
ME vertritt, auch gemeinsam mit Organisationen mit ähnlichen Zielsetzungen, die
Interessen der Myelom Betroffenen. ME
ist in Belgien als internationale Non-ProfitOrganisation (A.I.S.B.L.) eingetragen.
Ausgangslage
Mit jährlich etwa drei bis vier Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner sind Multiple Myelome selten, gehören aber zu den
häufigsten bösartigen Tumorerkrankungen aus der Gruppe der Non-HodgkinLymphome (Tumoren von Knochen und
Knochenmark). Drei Viertel aller Patienten
mit Multiplem Myelom sind älter als 60
Jahre. Zu den stadiengerecht eingesetzten
Behandlungsoptionen gehören neben symptomatischer Therapie vor allem Chemo- und
Strahlentherapie sowie Blutstammzelltransplantationen.
Die häufigsten Symptome beim
Multiplen Myelom
Knochenschmerzen
Rückenschmerzen
Knochenbrüche
Müdigkeit/Schwächegefühl
Aufgrund der Symptomatik (vgl. Kasten)
werden von den Patienten vor allem Hausund Allgemeinärzte aber auch Orthopäden
und Traumatologen aufgesucht. Dies verur-
sacht oft eine Verzögerung der Behandlung
durch den zuständigen Hämatologen/Onkologen. Deshalb versucht die vorliegende
erste internationale Umfrage zur MyelomErkennung bei Ärzten und Patienten u.a.
folgende Fragen zu beantworten:
Von wem erhalten die Patienten ihre
Myelom-Diagnose?
Was tun Ärztinnen und Ärzte aus verschiedenen nicht-hämatologischen und
nicht-onkologischen Fach­bereichen, um
das Myelom zu erkennen?
Wieviel Zeit vergeht zwischen dem ersten Arztbesuch und dem Entdecken des
Myeloms?
Was sollte getan werden, um Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose zu vermeiden?
Fragebogenaktion
An der zwischen Juni und Dezember 2009
durchgeführten Umfrage nahmen insgesamt
303 Ärzte aus 56 Ländern (91% aus europäischen Ländern) und 349 Myelom-Patienten
und Angehörige aus 37 Behandlungsländern
(90% aus europäischen Ländern) teil (Abb. 1).
Die Ergebnisse der durch eine nicht zweckgebundene Zuwendung von Celgene International ermöglichten Umfrage zur Myelom-Erkennung wurden beim 15. Kongress
der Europäischen Vereinigung für Hämatologie in Barcelona, Spanien im Juni 2010
vorgestellt.
Tab. 1: Ausgewählte Patientenselbsthilfeinitiativen in Deutschland
Patientenselbsthilfe Organisation
Homepage
DLH
Deutschen Leukämie- & Lymphom-Hilfe
www. Leukaemie-hilfe.de
APMM
Arbeitsgemeinschaft der
deutschsprachigen Plasmozytom/
Multiples Myelom-Selbsthilfegruppen
www.myelom.org/
Leukämiehilfe RHEIN-MAIN
http://www.lhrm.de
Leukämie- & Lymphom-Hilfe
Metropolregion RHEIN-NECKAR
www.leukaemie-hilfe.de
Myeloma Euronet A.I.S.B.L. (Association
International Sans But Lucrative)
www.myeloma-euronet.org
ME
50 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Myelom-Erkennung
ptome wie Müdigkeit/Schwächegefühl,
wiederkehrende Infektionen oder Kurzatmigkeit gehören jedoch nicht zu den von
ihnen behandelten Symptomen.
3. Routinetests bei Myelom-Symptomen
93 % der A/H gaben an, dass sie bei Myelom-Symptomen normalerweise einen
Bluttest machen würden, und mehr als zwei
Drittel würden eine Röntgenuntersuchung
oder einen Urintest durchführen.
90 % der Orthopäden/Traumatologen (O/T)
gaben an, dass sie die Knochen röntgen würden, drei von vier würden einen Bluttest
durchführen, einer von zweien würde entweder eine Magnetresonanz-Tomographie
(MRT) oder eine Computer-Tomographie
(CT) machen.
Abb. 1: Teilnehmer der internationalen Umfrage zur Myelom-Erkennung
Umfrage-Ergebnisse bei den Ärzten
1. Praxiserfahrung
Die Mehrzahl der befragten Allgemein- und
Hausärzte (A/H) und Orthopäden/Traumatologen (O/T) waren bereits seit mehr als
5 Jahren in ihrem jeweiligen Fachbereich tätig.
2. Üblicherweise von ihrer medizinischen
Fachdisziplin behandelte Myelom-Symptome
89 % der Allgemein- und Hausärzte behandeln üblicherweise Rückenschmerzen. Rund
60 % gaben an, dass Symptome wie Müdigkeit/Schwächegefühl, Knochenschmerzen,
wiederkehrende Infektionen und Kurzatmigkeit zu ihrem Fachgebiet gehören. Mehr
als ein Viertel der Allgemein- und Hausärzte
in dieser internationalen Umfrage behandeln
üblicherweise auch Knochenbrüche.
Mehr als zwei Drittel der Orthopäden und
Traumatologen gaben an, dass sie üblicherweise Rückenschmerzen, Knochenschmerzen und Knochenbrüche behandeln. Sym-
4. Vertrautheit mit dem Multiplen Myelom
Auf die Frage nach ihrer Vertrautheit mit
dem Multiplen Myelom gab etwas mehr
als die Hälfte der antwortenden Allgemeinärzte an, dass sie „nicht sehr vertraut”
mit dieser Erkrankung seien, von den Orthopäden/Traumatologen sagten das 41
% von sich. Dagegen waren nur 12 % der
Allgemeinärzte und 6 % der Orthopäden
oder „überhaupt nicht vertraut” mit dem
Multiplen Myelom.
Die Umfrage zeigte auch, dass O/T besser
mit dem Multiple Myelom vertraut sind als
A/F: Etwa die Hälfte der O/T, aber nur
etwa ein Drittel der Allgemein- und Hausärzte gaben an, dass sie „ziemlich vertraut”
Tab. 2: Themen der Fragen an Ärzte und Myelom-Patienten und deren Angehörige
Frage
An Ärzte
An Patienten und Angehörige
1
Praxisjahre
Erste Symptome
2
Üblicherweise von ihrer jeweiligen medizinischen Fachdisziplin behandelte Myelom-Symptome
Erster aufgesuchter Gesundheitsexperte
3
Routinetests bei Myelom-Symptomen
Erste Überweisung
4
Vertrautheit mit dem Multiplen Myelom
Behandlungen vor der Myelom-Erkennung
5
Mit dem Multiplen Myelom assoziierte Symptome
Fachbereich des Arztes, der das Myelom entdeckte
6
Erfahrungen im Entdecken des Myeloms
Zur Myelom-Erkennung genutzte Methoden
7
Schwierigkeiten beim Erkennen des Myeloms wegen ‘unklarer Symptome’
Zahl der aufgesuchten Ärzte bis zur Erkennung des Myeloms
8
Erfahrungen mit der Überweisung zum Myelom-Spezialisten
Zeit zwischen dem ersten Arztbesuch und der Myelom-Diagnose
9
Bereitschaft, vor Behandlung der Symptome auf Myelom zu
untersuchen
Notwendige Schritte zur Vermeidung von Verzögerungen bei
der Myelom-Diagnose
10
Notwendige Schritte zur Vermeidung von Verzögerungen bei
der Myelom-Diagnose
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 51
Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung
oder „sehr vertraut” mit dem Multiplen Myelom seien.
5. Mit dem Multiplen Myelom assoziierte
Symptome
Allgemein assoziieren A/H mehr Symptome
mit dem Multiplen Myelom als O/T.
Für beide befragten Arztgruppen sind die
am meisten mit dem Multiplen Myelom
assoziierten Symptome (Rangfolge):
1. Knochenschmerzen
2. Rückenschmerzen
3. Knochenbrüche
4. Müdigkeit/Schwächegefühl
6. Erfahrungen im Entdecken des Myeloms
Die Mehrzahl der A/H und O/T gaben
an, dass sie selten oder nie ein Multiples
Myelom bei einem ihrer Patienten entdeckt
haben. Allerdings gaben etwa 20% der A/H
und 33,3% der O/T an, dass sie ab und zu ein
Multiples Myelom erkannt haben.
7. Schwierigkeiten beim Erkennen des Myeloms wegen „unklarer Symptome“
Die Mehrzahl der A/H und O/T gab an,
dass es aufgrund von „unklaren Symptomen“ schwierig ist, angemessene Tests zur
Erkennung des Multiplen Myeloms durchzuführen. Mehr als ein Drittel von beiden
Gruppen stimmten dieser Beobachtung
„voll” zu und etwa die Hälfte „neigte zur
Zustimmung“.
8. Erfahrungen mit der Überweisung zum
Myelom-Spezialisten
Fast zwei Drittel der A/H und etwa die
Hälfte der O/T gaben an, dass sie „selten”
oder „nie” einen ihrer Patienten zu einem
Myelom-Spezialisten überwiesen haben.
Allerdings antworteten 40 % der A/H und
53 % der O/T, sie hätten „häufig” oder „ab
und zu” einen oder mehrere ihrer Patienten zu einem Myelom-Spezialisten übergeschickt.
9. Bereitschaft, vor Behandlung der Symptome auf Multiples Myelom zu untersuchen
Auf die Frage, ob sie bereit wären, einen
Patienten mit einem oder mehr der oben
beschriebenen Symptome vor einer Symptom-Behandlung auf ein Multiples Myelom hin zu untersuchen (z. B. einen Bluttest
durchzuführen), gab die Mehrzahl der A/H
und O/T an, dass sie „voll damit einverstanden” oder „im Prinzip damit einverstanden”
wären.
Von den A/H und O/T, die damit „eher
nicht einverstanden“ oder „absolut nicht einverstanden“ wären, gaben nur sehr wenige
Gründe für Ihre Ablehnung an. Die Ablehnung wurde unter anderem mit Aussagen
begründet wie: „Nur in einer bestimmten
Altersgruppe und wenn die Schmerzen nicht
verschwinden”; „Diese Klagen kommen zu
häufig”; „Weil das alles sehr häufige Symptome sind”; „Erst Behandlungsversuch,
wenn kein Ergebnis, dann [sollten wir an]
die andere Krankheit denken”; „Weil es nicht
so häufig ist”; „Diese Symptome treten bei
so vielen anderen Krankheiten auf.”
10. Notwendige Schritte zur Vermeidung
von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose
Die Mehrzahl der A/H und O/T stimmte
darin überein, dass die bessere Information
der Ärzte der wichtigste Schritt zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose ist, gefolgt von einer besseren
Ausbildung von Ärzten.
Laut den A/H ist ein weiterer Schritt zur
Vermeidung von Verzögerungen bei der
Myelom-Diagnose die Verbesserung der
Kommunikation zwischen Arzt und Patient.
Wohingegen O/T der Meinung waren, dass
eine bessere Zusammenarbeit zwischen medizinischen Fachrichtungen der nächstwichtige Schritt ist, um die Myelom-Diagnose
zu beschleunigen.
Der wichtigste Schritt zur Vermeidung von Verzögerungen bei der
Myelom-Diagnose ist die bessere
Information von medizinischen
Fachleuten.
Umfrage-Ergebnisse bei den
Myelom-Patienten und ihren
Angehörigen
1. Erste Symptome
Die vor dem ersten Aufsuchen des Arztes am
häufigsten aufgetretene Symptome (Rangfolge) waren:
52 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
1. Rückenschmerzen
2. Müdigkeit/Schwächegefühl
3. Knochenschmerzen
4. wiederkehrenden Infektionen
5. Kurzatmigkeit
6. Knochenbrüche
2. Erster aufgesuchter Gesundheitsexperte
64 % der Myelompatienten und 60 % Angehörigen gaben an, dass der Allgemeinbzw. Hausarzt (A/H) der erste Arzt war,
der aufgrund der aufgetretenen Symptome
aufgesucht wurde.
In nur etwa einem von 20 Fällen war der
erste konsultierte Arzt ein Orthopäde/
Traumatologe (O/T).
Auch Hämatologen gehören nicht zu den
ersten Gesundheitsexperten, die aufgesucht
werden, wenn Patienten mit Myelom-Symptomen konfrontiert sind.
3. Erste Überweisung
Auf die Frage, zu welchem Gesundheitsexperten die Patienten nach dem ersten Arztbesuch überwiesen wurde/n, antworteten
weniger als die Hälfte der der Patienten und
weniger als ein Viertel der Angehörigen,
dass die Patienten zu einem Hämatologen
überwiesen wurde/n.
Der in diesem Zusammenhang am zweithäufigsten genannte Gesundheitsexperte
war der Onkologe, gefolgt vom Orthopäden, dem Allgemein-/Familienarzt und dem
Rheumatologen.
5% der befragten Patienten und
14,3 % der Angehörigen gaben an,
dass der fragende Patient nach dem
ersten Arztbesuch überhaupt keine
Überweisung erhalten hatte.
4. Behandlungen vor der Myelom-Erkennung
Etwa die Hälfte der Patienten und ein Viertel der Angehörigen erklärten, dass die Patienten nach dem ersten Arztbesuch und vor
dem Entdecken des Myeloms keine medizinische oder anderweitige Behandlung erhalten haben. Andererseits gaben nahezu die
Hälfte der Patienten und fast zwei Drittel
der Angehörigen an, dass eines oder mehrere
Symptome behandelt wurden.
Internationale Umfrage zur Myelom-Erkennung
Abb. 2:
Fachbereich des Arztes,
der das Multiple Myelom
entdeckte (Patienten
und Angehörige lt.
Internationaler Umfrage)
Abb. 3:
Die Dauer vom ersten
Arztbesuch bis zur
Erkennung des Myeloms
in der internationalen
Umfrage.
Laut den Patienten und Angehörigen, die auch
die nach dem ersten Arztbesuch erhaltenen
Behandlungen angegeben haben, war die am
häufigsten erhaltene Behandlung die Schmerztherapie, gefolgt von physiotherapeutischer/
chiropraktischer/osteopathischer Behandlung,
orthopädischen Eingriffen sowie Infektionsund Entzündungsbehandlungen.
5. Fachbereich des Arztes, der das Myelom
entdeckte
Übereinstimmend gaben je 47 % der Patienten und 47 % der Angehörigen an, dass der
Hämatologie die richtige Diagnose stellte
und das Multiple Myelom entdeckte.
6. Zur Myelom-Erkennung genutzte Methoden
Die am häufigsten zur Myelom-Erkennung
eingesetzten Methoden (Rangfolge) sind
laut Aussagen von Patienten und Angehörigen in der internationalen Umfrage:
1. Untersuchung des Knochenmarks (Biopsie)
2. Bluttest
3. Röntgenaufnahmen von Knochen,
4. Urintest,
5. Magnetresonanz-Tomographie (MRT)
6. Computer-Tomographie (CT)
7. Zahl der aufgesuchten Ärzte bis zur Erkennung des Myeloms
Von den Patienten sagten etwa drei Viertel,
dass sie bis zur Erkennung des Myeloms 1-3
Ärzte aufgesucht haben, aber fast ein Viertel
der Patienten musste vier Ärzte oder mehr
aufsuchen, bevor die Ursache für die Symptome identifiziert war.
Laut den Angehörigen haben nur etwa zwei
Drittel der Patienten bis zur Erkennung des
Myeloms 1-3 Ärzte aufgesucht, und mehr als
ein Drittel gab an, dass vier Ärzte oder mehr
nötig waren, um die Ursache der Symptome
zu erkennen.
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 53
Lebender Kolumnentitel
Poster DLLH_MM_FV_QXP7.3
Allerdings sagten 30 % der Patienten und
20 % der Angehörigen, dass nur ein Arzt
aufgesucht wurde, der auch die Diagnose
stellte.
Seite 1
Sie haben ...
☞ »unspezifische« Knochenschmerzen?
☞ »rheumatische« Schmerzen?
☞ »empfindliche« Skelett-Druckschmerzen?
☞ »unerklärliche« Spontan-Knochenbrüche?
Sie leiden ...
☞ außerdem häufig an einem allgemeinen
Schwächegefühl?
Oder doch eher ein Fall für den
Hämato-Onkologen?
Durchschnittliche Dauer bis zur
Erkennung des Multiplen Myeloms
über ein halbes Jahr!
(Spezialist für Bluterkrankungen und Tumore)
Wenn alle Behandlungen (Medikamente, Massagen, etc.) bisher keine
Besserung gebracht haben:
9. Notwendige Schritte zur Vermeidung von
Verzögerungen bei der Myelom-Diag­nose
Die Patienten und Angehörigen stimmten
darin überein, dass der wichtigste Schritt
zur Vermeidung von Verzögerungen bei der
Myelom-Diagnose die bessere Information
von Ärzten ist, gefolgt von einer besseren
Ausbildung der Ärzte und einer besseren
Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen medizinischen Fachrichtungen.
Bitten Sie Ihren behandelnden Arzt
☞ um eine Blutuntersuchung, so dass er prüfen kann, ob es sich eventuell
um ein sogenanntes multiples Myelom (Plasmozytom) oder eine andere
hämatologische Erkrankung handeln kann, oder
☞ dass er Sie zu einem Spezialisten (»Hämato-Onkologen«) überweist.
Neben Röntgenuntersuchungen, die Veränderungen im
Skelettsystem sichtbar machen können, geben Laborbefunde des Blutes und des Urins Aufschluss über
»typische« Veränderungen (hohe Eiweißwerte, Verklumpungen der roten Blutkörperchen, erhöhte Blutsenkung
und Kalziumwerte).
Ausblick
Die Umfrage ergab, dass nach Auskunft
der Patienten es durchschnittlich bis zur
Erkennung des Multiplen Myeloms über
ein halbes Jahr dauert.
Die Ergebnisse der internationalen Umfrage
werden von der Patientenselbsthilfegruppe
Myeloma Euronet künftig genutzt werden,
um europa- und weltweit Mediziner und Patienten sowie politische Entscheidungsträger
dazu zu bewegen, der Frage der Myelom-Erkennung eine größere Bedeutung beizumessen. Denn die Ergebnisse der internationalen
Umfrage zur Myelom-Erkennung zeigen
17:10 Uhr
Ein Fall für den Orthopäden?
8. Zeit zwischen dem ersten Arztbesuch
und der Myelom-Diagnose
Nach Aussage der Myelom-Patienten lag
die durchschnittliche Dauer vom ersten
Arztbesuch bis zur Erkennung des Myeloms bei mehr als 164 Tagen oder etwa 5,5
Monaten. Laut den Angehörigen betrug die
durchschnittliche Zeit zur Erkennung des
Myeloms mehr als 236 Tage oder knapp acht
Monate (Abb. 3).
Als wichtigste Schritte zur Vermeidung von
Verzögerungen bei der Myelom-Diagnose
wird die bessere Information und Ausbildung
von Ärzten sowie eine Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit angesehen.
01.10.2008
Weitere Informationen finden Sie unter www.myeloma-euronet.org oder bei der APMM
(einer Interessengemeinschaft von Patienten mit Multiplem Myelom/Plasmozytom in der
Deutschen Leukämie- & Lymphom-Hilfe e.V.)
www.leukaemie-hilfe.de
Telefon 0228/33 88 9 200
Abb.4:
Ein Informationsplakat der Myeloma-Euronet und Deutschen Leukämie-Hilfe zur
Information von Patienten mit unklaren Symptomen.
Wege zur Verkürzung einer schmerzhaften und langwierigen Patienten-Odyssee
deutlich auf. Darüber sollen auch Patienten
verstärkt informiert werden.
Sicher wird auch dieser Beitrag dazu beitragen, dass im Rahmen der pharmazeutischen
Betreuung Patienten mit entsprechender
Symptomatik informiert und motiviert
werden.
54 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Autorin:
Anita Waldmann
Präsidentin
Myeloma Euronet A.I.S.B.L.
c/o Leukämiehilfe RHEIN-MAIN e.V.
Falltorweg 6
65428 Rüsselsheim
E-Mail: [email protected]
Pressemitteilung
++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTE
Die Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie,
Rehabilitation und Sozialmedizin der Deutschen Krebsgesellschaft
(ASORS) plant ihren zweiten Jahreskongress im März 2011
Nachdem der erste ASORS Jahreskongress im Oktober 2009 in München ein voller Erfolg war, plant die ASORS nun ihren zweiten Jahreskongress am 25. und 26. März 2011
in Berlin. Informationen zum Programm und zur Anmeldung findet man unter www.
kongresseonline.de/asors_2011.
Da die Tumortherapie einem ständigen
Wandel unterliegt, müssen supportive
und rehabilitative Strategien an diese
Veränderungen angepasst werden. Wie
wichtig diese Maßnahmen international
angesehen sind, wurde auf den diesjährigen Jahreskongressen der amerikanischen Krebsgesellschaft ASCO und der
Multinational Association of Supportive
Care in Cancer (MASCC) deutlich. ASCO
würdigte die Supportivtherapie durch eine
noch nie dagewesene Vielzahl an Beiträgen zu den Themen Supportivtherapie,
Rehabilitation, Lebensqualität, Sur vivorship, Langzeitfolgen und mehr. Die
Kongressveranstalter greifen diese Daten
auf und möchten interessierten Kollegen
aller Fachdisziplinen ein praxisnahes
Update über die neuen Erkenntnisse aus
dem Arbeitsgebiet vermitteln. Der Kongress bietet einen breiten Überblick über
supportive Maßnahmen und Rehabilitationsstrategien bei Tumorerkrankungen.
In den Plenarsitzungen werden einzelne
Themenkomplexe dargestellt und die aktuellen Therapieempfehlungen analysiert.
Themen der Pharmazie, Psychoonkologie,
Pflege und Sozialmedizin finden ebenso
Berücksichtigung wie medizinische Fragestellungen. In Workshops werden Schwerpunktthemen zwischen Teilnehmern und
Experten diskutiert. Außerdem ist eine
Posterausstellung geplant, zu der noch
Beiträge angenommen werden.
Die ASORS hat zum Ziel, die Tumortherapie durch supportive und rehabilitative
Maßnahmen zu unterstützen, aggressive
kurative Therapien zu ermöglichen, palliative zu erleichtern und die Wiedereingliederung in ein normales Alltagsleben
zu ermöglichen. Die ASORS vereint unterschiedliche Berufsgruppen, die mit der
Betreuung onkologischer Patienten beschäftigt sind. Mitglieder der ASORS sind
Ärzte, Pflegende Pharmazeuten, Psychologen, Sozialpädagogen und Zahnärzte.
Neue Mitglieder sind herzlich willkommen,
Voraussetzung ist die Mitgliedschaft in
der Deutschen Krebsgesellschaft.
Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft
für Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin
der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS)
Die Qualitätsstandards für den onkologisch-pharmazeutischen
Service (QuapoS 4) liegen seit 2009 in der 5. Auflage vor.
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 55
Pressemitteilung
++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITT
ueber-lebensbuch.de informiert Hier erfahren Brustkrebspatientinnen relevante
Neuigkeiten aus der Krebsforschung
Die Website www.ueber-lebensbuch.de
informiert Brustkrebspatientinnen über
relevante Neuigkeiten aus der Krebsforschung. Die Meldungen sind allgemeinverständlich von unseren Autorinnen Ursula
Goldmann-Posch und Rita Rosa Martin
aufbereitet, die – beide Medizinjournalistinnen und selbst an Brustkrebs erkrankt
– aus eigener Erfahrung wissen, welche
Informationen für Betroffene wesentlich
sind, um ihrer Erkrankung aktiv und eigenverantwortlich entgegenzutreten.
„Antidepressiva behindern die Wirkung von
Tamoxifen“ lautet die aktuellste Meldung
auf www.ueber-lebensbuch.de von Ursula
Goldmann-Posch, die mit der Veröffentlichung der Studienergebnisse zeitlich sogar einschlägigen Fachmedien voraus war.
www.ueber-lebensbuch.de entstand mit
dem Erscheinen der 4. Auflage des ÜberLebensbuch Brustkrebs 2009. Auf dieser
Plattform haben Patientinnen die Möglichkeit, sich nützliche Gesprächnotizen
im Vorfeld des Arztbesuches kostenlos
herunterzuladen und auszudrucken – unabhängig davon, ob sie das Buch gekauft
haben. Zudem können Leserinnen Rückmeldungen zum Buch geben und Kontakt
mit den Autorinnen aufnehmen.
Reinklicken lohnt sich: w w w. ueberlebensbuch.de!
Zu den Autorinnen: Ursula Goldmann-Posch, Jahrgang 1949,
ist Redakteurin und Autorin mehrerer Sachbücher. Sie rief die Patientinnen-Initiative
„mamazone – Frauen und Forschung gegen
Brustkrebs e.V.“ sowie die beiden Stiftungen „PATH – Patienten Tumorbank der
Hoffnung“ und „PONS-S für eine Patienten
Orientierte Nachsorge von Brustkrebs“ ins
Leben. Ursula Goldmann-Posch arbeitet
ehrenamtlich in allen drei Organisationen. Rita Rosa Martin, Jahrgang 1956, ist Ärztin mit Berufserfahrung in Gynäkologie,
Naturheilverfahren sowie Psychosomatik
und seit Januar 2000 Medizinjournalistin.
Sie engagiert sich seit ihrer Brustkrebsdiagnose beruflich und ehrenamtlich im Kampf
gegen Brustkrebs. 2001 gründete sie die
Patientinnen-Initiative „BREAST HEALTH
- bewusst handeln gegen brustkrebs e.V.“
sowie die Aktion „Lucia“, eine bundesweite
Auftaktveranstaltung zum Brustkrebsmonat Oktober. Rita Rosa Martin hat mehrere
Patientenratgeber geschrieben.
Dieses Buch war der Ausgangspunkt für die
Erstellung von www.ueber-lebensbuch.de:
Goldmann-Posch / Martin
Über-Lebensbuch Brustkrebs
Die Anleitung zur aktiven Patientin
56 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
In Abstimmung mit international
anerkannten Brustkrebs-Experten
4., aktualisierte Auflage 2009. 384
Seiten, 15 Abb., 26 Tab., kart. mit
herausnehmbarem Therapietagebuch (80
Seiten)
€(D) 39,95 €(A) 41,10
ISBN: 978-3-7945-2487-7
Pressekontakt
Stefanie Albert
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Schattauer GmbH
Verlag für Medizin und
Naturwissenschaften
Hölderlinstrasse 3
70174 Stuttgart
Tel: 0711-22987-20
Fax: 0711-22987-85
E-Mail: stefanie.albert(at)schattauer.de
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
Transarterielle Chemoembolisation (TACE ) –
Wirkungsoptimierung von Zytostatika
Von Henrik Justus, Uslar
Einleitung
Nachdem mit dem Antimetaboliten Methotrexat erfolgreich ein Chorionkarzinom
behandelt werden konnte, wurde ab 1956 die Suche nach weiteren Stoffen intensiviert,
mit denen man Tumorzellen systemisch bekämpfen kann. Mit der Bestrahlung von
Tumorzellen kam ein weiteres Therapiefeld hinzu. Darauf auf bauend wurden weitere
Verfahren zur Erhöhung der lokalen Konzentration der antineoplastischen Arzneistoffe
in der Tumorzelle entwickelt, um die Effektivität der Therapie zu erhöhen. In diesem
Zusammenhang ist die wohl bekannteste Möglichkeit, um z.B. die Blut-Hirnschranke
zu umgehen, die intrathekale Gabe von Zytostatika bei Hirntumoren.
Eine weniger bekannte Möglichkeit, die
Wirkstoff konzentration im Tumorgewebe
zu erhöhen, ist die Transarterielle perkutane Chemoembolisation (TACE). Diese
basiert auf der selektiv regionalen Applikation eines Zytostatikums mit gleichzeitiger Okklusion von Leberarterien. Diese
Kombination der lokalen Chemotherapie,
welche die Kontaktzeit zwischen Zytostatikum und Tumorzelle verlängert und die
Minderdurchblutung innerhalb des Tumorgewebes mit nachfolgender Nekrose
ermöglicht eine symbiotische, maximierte
Behandlung.
Durch die Leistenarterie (Arteria femoralis)
wird ein Sondierungs-Katheter über die
Aorta in den Trunctus coeliacus plaziert.
Mittels Röntgenkontrastmittel wird die
Tumors, der Gefäßtopografie und des zu
embolisierenden Bereiches ab. Eine nähere
Positionierung des Katheters zum Tumor
ist dabei von Vorteil, weil so eine höhere
Wirkung des Zytostatikums im Tumor erreicht werden kann.
Mittels Mikrokatheter (1,8 – 2,7 French
(Charrière) Durchmesser) können auch
tiefere Bereiche der Leber verschlossen
werden.
Die TACE-Behandlung sollte je nach Therapieerfolg mehrfach wiederholt werden,
Aus pharmazeutischer Sicht gibt es einige
Besonderheiten, die in der Praxis Beachtung finden sollten.
Durchführung der TACE
Zur Durchführung der TACE sind ein guter Allgemeinzustand des Patienten, eine
offene Pfortader, kein Aszites, eine ausreichende Leberfunktion sowie normale Gefäßarchitektur, die eine Perfusion beider
Leberlappen erlaubt, Voraussetzungen.
Vor dem Eingriff wird durch den Interventionellen (Therapeutischen) Radiologen mit
Hilfe digitaler bildgebender Verfahren ein
Plan erstellt, um mittels Angiographiekatheter das Embolisat so genau wie möglich
in das Tumorgewebe zu positionieren.
Abb. 1: Schematische Darstellung der Katheterlokalisation bei erfasster
Tumorlage (blauer Stern ) [10]
Lage des Katheters laufend überprüft. Von
dort aus wird mit einem weiteren Katheter
in die Arteria hepatica communis, Arteria
hepatica sinistra oder Arteria hepatica dextra vorgeschoben (Abb. 1).
Die Positionierung der Spitze des Katheters hängt von der Lage und Größe des
Indikationen der TACE:
Dieses minimal-invasive Verfahren
wird vor allem beim inoperablen
Hepatozellulären Karzinom (HCC) und
bei der Behandlung von inoperablen
Lebermetastasen angewandt.
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 57
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
Comparison of active ingredient concentrations with and without DSM
10 mg 5-FU i.a.
10 mg 5-FU + DSM i.a.
70
800
60
Tumor
700
Tumor
Serum
600
Serum
µg /g 5-FU
50
µg /g 5-FU
[3]
40
30
20
500
Abb. 2:
Vergleich der
Serumkonzentrationen
von 5-Fluorouracil i.a.
mit und ohne
Embolisation durch DSM
(Degradable Starch
Microspheres) [10]
400
300
200
10
100
0
0
15
30
45
60
15
90 min
30
45
60
90
120
240
480 min
DSM-TACE vs. conventional TACE [7]
60
60
50
Lipiodol ( n = 263 )
( Dolantin i.v.)
(22.8%)
DSM ( n = 98 )
( Dolantin i.a.)
Patients
40
40
(15.2 % )
30
33
26
20
( 9.9 % )
3
10
( 1.6 % )
0
(12.6 % )
Pain
6
4
( 3.1% )
Nausea
( 4.1% )
Vomiting
2
( 2.0 % )
11
(4.2 %)
Fever
wobei zwei bis vier Behandlungen, die nach
vier bis acht Wochen wiederholt werden,
üblich sind.
ren mit definiertem Durchmesser. So haben
z.B. die die Mikrosphären bei Amilomer 50
einen mittleren Durchmesser von ca. 50µm.
Zum Verschließen der Leberarterien werden hauptsächlich ein öliges Röntgenkontrastmittel (z.B. Lipiodol®) , Gelatine (Gelfoam®) oder abbaubare Stärke (EmboCept®
S) verwendet.
Das einst von der Firma Pharmacia/Pfizer vertriebene Präparat Spherex® ist nicht
mehr auf dem deutschen Markt erhältlich.
Stattdessen hat PharmaCept mit dem Präparat EmboCept®S die Lücke geschlossen.
EmboCept®S mit Amilomer 50 ist ein in
Deutschland zugelassenes verschreibungspflichtiges Medizinprodukt. Dessen Stärkepartikel werden von den körpereigenen
Serum-α-Amylasen abgebaut und haben
eine Halbwertszeit von 50 Minuten (Abb.
2 Vergleich Wirkstoff konzentration mit
und ohne Embolisation). Der Blutfluss ist
nach Injektion innerhalb von ca. 1,5 Std.
wiederhergestellt.
Lipiodol® und Gelfoam® bewirken einen
längeren Verschluss (z.T. mehrere Wochen)
und sind auch nicht für eine Embolisation
zugelassen (Lipiodol® ist als Röntgenkontrastmittel, Gelfoam® als Haemostyptikum
zugelassen).
Der Inhaltsstoff von EmboCept®S ist Amilomer oder auch DSM (Degradable Starch
Microspheres). Hierbei handelt es sich um
mit Amylasen abbaubare Stärkemikrosphä-
Abb. 3:
Vergleich
Verträglichkeit
EmboCept® S Lipiodol® [10]
1
(1.0 % )
Chills
Ein weiteres modernes Chemoembolisationsverfahren wird über die Technik der
beladbaren Partikel (DCBead) der Firma
Terumo angeboten. Bei den Basispartikeln
handelt es sich um mit Sulfonat modifizierte
Hydrogel-Polymer-Kapseln mit einem mittleren Durchmesser von 300-700 µm, welche
aufgrund ihrer Oberflächenladung mittels
einer Suspensionspolymerisationsreaktion
Doxorubicin binden können.
Der Bindungsvorgang benötigt allerdings
einen Zeitraum von ca. einer halben Stunde. In einem ionischen Milieu, wie z.B.
Plasma, wird das Doxorubicin wieder freigegeben und kann somit aus den Kapseln
in das unmittelbar benachbarte Gewebe
infiltrieren.
Seit kurzem stehen neben diesen Partikeln
mit Doxorubicin auch solche für Irinotecan
5
58 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
Option 1: Y-piece
EmboCept® S
Administered
alternately
Contrast medium for
flow monitoring
Chemotherapeutic
Option 2: 3-way valve
EmboCept® S
Chemotherapeutic
Mechanical mixing
Contrast medium
Abb. 4 und 5: Zumischungsmöglichkeiten [10]
Therapieziele der TACE (Transarterielle
Chemoembolisation)
durch gezielte, zeitlich begrenzte
Embolisation von Leberarterien einen vorschnellen Abtransport eines
gleichzeitig verabreichten Zytostatikums zu verhindern.
durch eine längere Embolisation
eine Ischämie und damit durch eine
Nekrotisierung hervorgerufene Tumorzerstörung zu erreichen.
Vorteile der TACE (Transarterielle Chemoembolisation)
deutlich geringere systemische
Wirkstoff-Konzentration mit einer geringerer Nebenwirkungsrate für den
Patienten
komplikationsarme Anwendung bei
guter Lebensqualität
deutlich verkürzter Klinikaufenthalt
Reduktion der Tumorwachstumsgeschwindigkeit/Regress des Tumors
zur Verfügung. Weitere Kombinationen
mit anderen Wirkstoffen sind aufgrund der
entsprechend notwendigen Oberflächenladungen nicht absehbar.
Nebenwirkungen der TACE
Bei der Durchführung der TACE kann
es vor allem zu einem so genannten PostEmbolisations-Sydrom (PES) mit den begleitenden Symptomen Schmerzen, Fieber, Übelkeit und Erbrechen kommen. Die
Ätiologie des PES, das einige Stunden bis
Tage andauern kann, ist noch nicht bekannt. Vermutet wird eine Kombination
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 59
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
aus Ischämie und einem inflammatorischen
Effekt.
Deshalb sollte dem Patienten vor der Embolisation 50 mg Dolantin, 30 mg Metoclopramid sowie 1 g Paracetamol p.o. oder
rektal gegeben werden [1].
Empfehlenswert auch der Hinweis, dass die
Patienten vor der Chemoembolisationsbehandlung eine Nahrungskarenz von 6 h einhalten sollten, wobei klare Flüssigkeiten oder
notwendige Medikamente bis 2 h vor dem
Eingriff eingenommen werden können [2].
Da ein Verschluss beim EmboCept®S kürzer
als bei Permanentembolisaten (z.B. Lipiodol®) anhält, ist somit die Nebenwirkungsrate auch geringer (Abb. 3).
Kombination EmboCept®S mit
Zytostatika
Die Dosis des EmboCepts®S (DSM) richtet
sich nach der Größe und Vaskularisierung
des Tumors.
Es wird empfohlen, eine Woche vor Zytostatikagabe die notwendige Menge mit einer
Probeapplikation durchzuführen. Hierbei
wird die Mischung von 5 ml Embolysat plus
5 ml isotonische Kochsalzlösung (ohne Zytostatikum) innerhalb von 20 Sekunden in
2minütigem Abstand appliziert. Sobald der
Patient Schmerzen im Bereich des Zielorgans
oder Übelkeit empfindet, wird ein Kontroll­
angiogramm angefertigt, um die Blutflussreduktion zu beurteilen und einen Reflux
des Partikel-Chemotherapie-Gemisches in
benachbarte Organregionen zu vermeiden.
Zur Chemoembolisation wird nun das Embolisationsmittel mit dem Zytostatikum gemischt (Abb. 4 und 5) und so über den Katheter in das Zielgebiet gegeben.
Als chemotherapeutische Wirkstoffe werden
vorwiegend Doxorubicin und Cisplatin bei
der Behandlung des HCC und Mitomycin,
Oxaliplatin oder Irinotecan bei der Therapie von Lebermetastasen des kolorektalen
Karzinoms gegeben. Auch mit Gemcitabin
und den Taxanen wird nach zu sätzlichen
DSM kann aus heutiger Sicht mit jedem
Wirkstoff kombiniert werden. [9]
Tab. 2: Ansprechraten unter TACE-Therapieregimen bei Lebermetastasen des CRC [7]
Autor
Jahr
N
TACE - Schema
Ansprechraten
(%) / medianes
Überleben (Mo.)
Civalleri
1994
23
10mg/m2 MMC + DSM
5 CR, 5 PR, 6 SD
/ 16
Zangos et al.
2001
109
10mg MMC + DSM
k. A.
Voigt et al.
2002
11
MMC, IFN, 5-FU/FA, oxaliDDP +
DSM
3 PR, 2 MR, 4
SD, 1 PD / k.A.
Pohlen et al.
2004
600mg/m2 5-FU/500mg/m2 FA,
5Mio IE IFN + DSM
70 / 24
Vogl et al.
2009
8mg/m2 MMC + DSM vs.
8mg/m2 MMC+1000mg/m2 Gemcitabin + DSM vs.
8mg/m2 MMC + 150mg/m2 Irinotecan + DSM
15 / 14 (38)*
463
*) nach Diagnosestellung
Abk.: CR = Komplette Remission; DSM = Degradable Starch Microspheres; MMC = Mitomycin; oxaliDDP =
Oxaliplatin IFN = Interferon; PD = Progressive disease (fortschreitende Erkrankung ); PR = Partielle Remission; SD = stable disease (stabile, no change-Erkrankung)
Tab. 1: Ergebnisse des Einsatzes der Transarteriellen perkutanen Chemoembolisation (TACE) [6]
Autor
Jahr
N
TACE-Schema
Zusammenfassung
Carr et al.
1997
35
Einsatz von DSM: sicher und gut
30mg/m2 ADM
+ 100mg/m2 cDDP verträglich
+ DSM
Katyal et al.
2000
57
125-150 mg/m2
cDDP
+ DSM
Vaskularität des Tumors beeinflusst
das Therapieergebnis der TACE
Vogl et al.
2000
85
50mg/m2 ADM
+ 50mg/m2 cDDP
+ DSM
signifkanter Therapievorteil für Patienten mit Therapiewiederholungen,
gute Verträglichkeit
Furuse et al.
2003
17
50mg/m2 ADM
+ DSM
hohes Tumoransprechen, geringe
Toxizität
Dettmer et al.
2006
101 50mg/m2 ADM
+ 50mg/m2 cDDP
+ DSM
TACE+PEI erzielt bessere Ergebnisse als PEI; gutes Tumoransprechen
der Kombination bei Patienten mit
großer Tumorlast (> 5 Metastasen, >
50% Lebervolumen)
Kirchhoff et al.
2007
47
50mg/m2 ADM
+ 50mg/m2 cDDP
+ DSM
Erfolgreiches Konzept für HCCPatienten mit inoperablen Tumoren;
gute Verträglichkeit
Abk.: ADM = Adriamycin (Doxorubicin ); c = DDP (Cisplatin); DSM = Degradable Starch Microspheres (EmboCept ® S); PEI = perkutane Ethanolinjektion; HCC = Hepatozelluläres Karzinom
Alternativen geforscht. Was die Kompa60 | Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
tibilität anbelangt, so ist DSM mit jedem
Wirkstoff kombinierbar [9].
Für die beteiligte Apotheke ist es wichtig
zu wissen, dass bei einer Chemoembolisation das eingesetzte Flüssigkeitsvolumen
begrenzt ist. Ein Volumen von 30ml ist optimal, jedoch sollten 50ml nicht überschritten
werden. Bei der üblichen Konzentration von
Cisplatin (0,5 mg/ml) hat man diese Grenze
sehr schnell erreicht. So muss man auf die
im Handel konzentrierteren Lösungen (1mg/
ml) oder auf Trockensubstanz zurückgreifen.
Anwendungsbereiche
Das Hepatozelluläre Karzinom (HCC)
ist in Europa die Haupttodesursache bei
Patienten mit einer Leberzirrhose. Die einzige kurative Therapie bei fortgeschrittener
Leberzirrhose ist die Lebertransplantation
[3]. Auch bei diffusem, inoperablem Leberkarzinom ist die Transplantation die einzig
kurative Möglichkeit. Mit einer TACE
können in einer palliativen Anwendung 1-,
2-, und 3 Jahresüberlebensraten von 85%,
38,6, bzw. 18,1 erreicht werden [4].
Auch bei einer neoadjuvanten Anwendung
können nach einer Tumorreduktion von
25 % 1-, 2-, und 3 Jahresüberlebensraten
von 42%, 11% und 3% erzielt werden [5].
Weitere Ergebnisse sind in den Tabellen
dargestellt:
Leitlinienkonforme Therapie des Hepatozellulären Karzinoms
Prognoseverbesserung bei Patienten mit Lebermetastasen des kolorektalen Karzinoms
Experimentelle Ansätze bei inoperablen
Lebermetastasen anderer Primärtumore
Zusammenfassung
Die Transarterielle Chemoembolisation
(TACE) zur Behandlung des Hepatozellulären Karzinoms sowie von Lebermetastasen ist eine Therapieoption mit guten
Ergebnissen in der Ansprechrate und hat
sich zunehmend durchgesetzt.
Da das Volumen des Zytostatikums begrenzt
ist, erfordert die Herstellung in der Apotheke
eine enge Zusammenarbeit mit dem applizierenden interventionell tätigen Radiologen.
Dieser Artikel soll und kann nur eine kurze
Übersicht über diese nicht alltägliche Applikationsart geben. Aus diesem Grund
wurden die von der Firma PharmaCept
GmbH freundlicherweise zur Verfügung
gestellten Daten und Abbildungen nicht
weiterführend diskutiert.
Als kleines Taschenbuch zur Vertiefung
der Thematik sei vom Autor noch „Lokoregionäre Tumortherapie“ [8] empfohlen.
3 Poon RTP, Fan St, WongJ. Risk, factors, preventation, and management of postoperative recurrence
after resction of hepatocellular carcinoma. Ann. Surg
2000; 232: 10 – 24
4 El Khaddari S, Gaudin JL, Abidi H et al. Chemoembolization in hepatocellular carcinoma: multivariate
analysis of survival prognostic factors after the first
session. Gastroenterol Clin Biol 2002; 26:728 - 734
5 Uraki J, Yamakado K, Nakatsuka A et al. Transkatheter hepatic arterial chemaembolization for
hepatocellular carcinoma invading the portal veins:
therapeutic effects and prognostic factors. Eur J
Radiol 2004; 51: 12 - 18
6 Bruix J et al: Clinical management of hepatocellular carcinoma. Conclusions of the Barcelona 2000 EASL conference. European Association for the Study of the Liver
7 Pohlen U et al. Hepatic arterial infusion (HAI).
Comparsion of 5 – fluorouracil, folinic acid, interferon alpha-2b and dagradable starch microspheres
versus 5- fuorouracil and folinic acid in patients
with non – resectable colorectal liver metastases.
Anticancer Re. 2006; 26:3957-64
8 Emmrich J (Hrsg: J. Boese-Landgraf, K. Hauenstein,
H.-J. Schmoll): Lokoregionäre Tumortherapie. Verlag
Agileum Gesundheitsakademie. 2010, ISBN 978-3939415-07-7
9 Firmeninformation PharmaCept GmbH, Stand
09/2010, liegt beim Autor vor.
10 Produktinformation EmboCept ® S
Autor:
Apotheker Henrik Justus
Ratsapotheke Uslar
Literatur:
1 Fachinformation EmboCept ® S
2 http://radiologie-uni-frankfurt.de/content/e4864/
e27/e35/e1701/e4671/index_ger.html
Der Autor dankt der Firma PharmaCept GmbH,
Berlin, für die freundliche Überlassung der
Abbildungen und Tabellen.
Tab. 3: Ansprechraten unter TACE-Therapieregimen bei Lebermetastasen anderer Primärtumore [10]
Primärtumor
Autor
Jahr
N
TACE - Schema
Ansprechraten (%) / medianes Überleben (Mo.)
Mamma-Ca
Li et al.
2005
48
1000 mg 5-FU oder FUDR
+ 40–60 mg cDDP;
danach ADM + Lipiodol oder Gelfoam
36 / k.A.
Neuroendokrine Tm.
Falconi et al.
1999
28
500 mg Dacarbazin in 10 ml Lipiodol + Spongostan oder Mikrosphären
k.A. / 33
Fiorentini et al. 2004
10
10 mg/m2 MMC + 50 mg/m2 cisDDP + 30 mg/m2
Epirubicin, danach Gelfoam
k.A. / 22
Bedikian et al.
1995
64
cDDP + Ivalon
k.A. / 6
Patel et al.
2005
30
100 mg BCNU + Lipiodol + Gelfoam
k.A. / 5
Fobbe et al.
2005
25
1000 mg/m Gemcitabin + DSM
+ 7,5 mg/m2 MMC
Aderhautmelanom
Pankreas-Ca
2
Abk.: cDDP = cisDDP = Cisplatin; DSM = Degradable Starch Microspheres; FUDR = Floxuridin; MMC = Mitomycin;
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 61
Lebender Kolumnentitel
Die PTA-Weiterqualifizierung „Zytostatika“
TEIL II
Von Wioletta Sekular, Tönisvorst
S
eit 2002 bieten die DGOP und das Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften (IFAHS e.V.) die PTA-Weiterqualifzierung „Zytostatika“ an, die mit der
Prüfung zur „PTA Onkologie DGOP“ abgeschlossen werden kann.
Das Seminar gliedert sich in zwei Teile. In der Ausgabe 1/2010 wurde bereits der Block
A mit seinen vornehmlich praxisorientierten Seiten beschrieben. Der folgende Artikel
stellt den Block B vor, der an einem Wochenende von Freitag – Sonntag (insg. 20 Stunden) organisiert wird.
Der erste Tag
Dieser steht im Zeichen der Themen „Ernährung“ und „Chemotherapie-Schemata“.
Am Vormittag beschäftigen sich die TeilnehmerInnen mit der Frage „Was ist gesunde
Ernähung“? Von dieser Form der KrebsPrävention wird übergeleitet zum Thema
„Ernährung bei Krebserkrankung“, wobei
eine Einführung in die Grundlagen der
enteralen und parenteralen Ernährung im
Mittelpunkt dieser Lerneinheit steht.
Diese umfasst u a.
die Indikationen zur Verabreichung,
die Errechnung des individuellen Energiebedarfes eines Patienten,
die Zusammensetzung der Ernährungstherapie und
die Applikationsmethoden in diesem Bereich.
Nach dem die TeilnehmerInnen für den
konkreten Einsatz in der Apotheke praxisnahe Tipps und Ratschläge für die Beratung
des onkologischen Patienten bekommen haben, erarbeiten sie anhand konkreter Fallbeispiele abschließend Ernährungsregime.
Am Nachmittag liegt nach einer Einführung in die Anforderungen an Zytostatikaverordnungen das zentrale Augenmerk auf
deren Plausibillitätsprüfung. Anschließend
beschäftigen sich die TeilnehmerInnen mit
verschiedenen Therapieschemata bei ausgewählten Indikationen. Hierbei werden u.a.
Originalschemata aus den Apotheken der
TeilnehmerInnen unter die Lupe genom-
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men, die in Gruppenarbeit analysiert und
anschließend im Plenum vorgestellt werden.
Der zweite Tag
Zu Beginn des zweiten Tages wird den
TeilnehmerInnen ein Überblick über das
Qualitätsmanagementsystem der Zytostatika herstellenden Apotheken nach QuapoS
(Qualitätsstandards für den pharmazeutischonkologischen Service) gegeben.
Die Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) unter Berücksichtigung der Satzung der DGOP beinhaltet
einerseits die Abarbeitung einer Checkliste
mit 151 Fragen zur Umsetzung der QuapoS
in der Zytostatika herstellenden Apotheke sowie andererseits die Erstellung eines
QM-Handbuches mit der Beschreibung aller qualitätsrelevanten Arbeitsprozesse der
Zytostatikaherstellung.
Es folgt eine viereinhalbstündige Lerneinheit
zu den Grundlagen der Onkologie, die an
den ersten Teil im Block A anknüpft. Nach
einer kurzen Wiederholungsphase steht das
Die PTA-Weiterqualifizierung „Zytostatika“
Thema Supportivtherapie mit relevanten
Nebenwirkungen einer Chemo- und/oder
Radiotherapie, erforderlicher Begleittherapie und konkreten Beratungshinweisen im
Mittelpunkt der PTA-Weiterqualifizierung.
Am Ende des Tage beschäftigen sich die
TeilnehmerInnen mit der Frage „Was erwartet der onkologische Patient in der Apotheke?“. Hierbei werden praxisrelevante
Hinweise, Ratschläge und Regeln für die
Kommunikation mit den onkologischen Patienten und deren Angehörigen vermittelt.
Der dritte Tag
Der letzte Tag steht im Zeichen der Rechtsgrundlagen und der Arbeitssicherheit. Die
TeilnehmerInnen bekommen so einen Einblick in die gesetzlichen Grundlagen der
Zytostatikaherstellung.
Zusätzlich erfahren die TeilnehmerInnen in
diesem Zusammenhang Wissenswertes über
die Themen Raumausstattung, Hygiene,
Medizinprodukte, Taxierung, Entsorgung
und Risikomanagement.
Den Abschluss bildet die Lerneinheit „Arbeitssicherheit“ mit den Problemstellungen:
Gewissenhaftes Benutzen der persönlichen Schutzausrüstung (PSA),
Einsatz verfügbarer technischer Schutzmaßnahmen nach neuesten Erkenntnissen und
korrekte aseptische Arbeitstechnik.
Prüfungen zur „PTA Onkologie
(DGOP)“
Direkt im Anschluss an Block B oder zu
einem separaten Termin (z.B. am Rande
eines NZW) finden nach Voranmeldung
die mündlichen Prüfungen zur „PTA Onkologie (DGOP)“ statt.
Zur Voranmeldung sollte eine Bestätigung
durch die Apothekenleitung vorliegen, dass
der Prüfling
12 Monate Vollzeit in einer öffentlichen
Apotheke, Krankenhausapotheke oder
anderen Einrichtung mit eigener Zytostatika-Herstellung gearbeitet hat.
schwerpunktmäßig 1 Jahr Vollzeit in der
Zytostatika-Herstellung tätig war (bei
Teilzeittätigkeit verlängert sich die Beschäftigungsdauer entsprechend).
Diese Inhalte werden in insgesamt 40 Stunden an zwei Wochenenden behandelt:
Curriculum für die Weiterqualifizierung „PTA Onkologie (DGOP)“
Die „PTA Onkologie“
muss Kenntnisse der onkologischen
Grundlagen haben.
soll anhand konkreter Patientendaten
Therapieschemata auf Plausibilität prüfen können.
muss die Rechtsgrundlagen für den onkologischen Bereich kennen.
muss Schutzmaßnahmen organisatorischer und technischer Art sowie des
Personenschutzes kennen.
hat Kenntnisse im Bereich Arbeitssicherheit
und Notfallmanagement nachzuweisen.
kennt Richtlinien für den inner- und außerbetrieblichen Transport.
muss Grundkenntnisse im Bereich all­ge­
meiner und künstlicher Ernährung haben.
soll in der Lage sein, selbstständig
Informationen zu ermitteln und diese in
geeigneter Form weitergeben zu können.
muss Kenntnisse im Qualitätsmanagement und im Bereich der Zertifizierung
nachweisen.
muss sich mit Studienmedikation und
der Be­sonderheit der Dokumentation
auskennen.
muss Kenntnisse der aseptischen,
validierten Herstellung nachweisen, sie
muss in diesem Bereich mindestens
1 Jahr praktisch tätig gewesen sein.
kennt die Hilfsmittel für die Herstellung
und Applikation onkologischer Zubereitungen.
muss den Umgang mit CMR Substanzen
auch aus dem Rezepturbereich und die
entsprechenden Schutzmaßnehmen kennen.
muss im Umgang mit Patienten, Angehörigen, Pflegepersonal und Ärzten
geschult sein.
soll motiviert sein, sich theoretische und
praktische Kompetenz anzueignen und
diese sowohl selbstständig als auch über
entsprechende Schulungsmaßnahmen
zu zeigen.
muss selbstkritisch erkennen, wo ihre
Grenzen in den Bereichen des Umgangs
mit CMR-Substanzen wie auch mit Patienten, deren Angehörigen und Personen
des Gesundheitswesens liegen.
Tab. 1: Curriculum für die Weiterqualifizierung „PTA Onkologie (DGOP)“
selbstständig mind. 100 Zytostatika-Lösungen hergestellt hat.
Im Vorfeld der Prüfung erarbeitet der Prüfling eine Präsentation (Tab. 2) zu einem relevanten pharmazeutisch-onkologischen
Thema, die er im Rahmen der Prüfung als
deren Bestandteil vorstellt. Zusätzlich stellen
ihm die Mitglieder der Prüfungskommission
Fragen zu den vermittelten fachlichen Inhalten der PTA-Weiterqualifizierung „Zytostatika“ Block A sowie Block B.
Interessenten können weitere Informationen
auf der DGOP-Internetseite unter
www.dgop.org abrufen.
Tab. 2: Mögliche Präsentationsthemen für
die Prüfung „PTA Onkologie (DGOP)“
Präsentationsthemen-Beispiele
Mögliche Präsentationsthemen
für die Prüfung „PTA Onkologie
(DGOP)“:
1)PSA und Reinraumkleidung in der
Zytostatika-Herstellung
2)Inner- und außerbetrieblicher T
ransport von Zytostatika
3)Entnahmesysteme/Spike in der
Zytostatika-Herstellung
4)Infusionssysteme in der Onkologie
5)Was ist ein Tumor und welche Arten
unterscheidet man?
6)Wichtige Daten zu Anthracyclinen
(z.B. Vorkommen, Dosis, Paravasat)
7)Antiemetische Therapie in der
Onkologie
8)Prophylaxe und Therapie von Mukositis/Stomatitis
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 63
Lebender Kolumnentitel
Kostbares Nabelschnurblut
Von Annette Junker, Wermelskirchen
D
ie erste Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut wurde 1988 bei
einem Patienten mit Fanconi-Anämie durchgeführt. Von seiner karyotypisch
gesunden Schwester war bei deren Geburt das Nabelschnurblut gesammelt, kryokonserviert und ihm nach Reinigung und Qualitätskontrolle dann transplantiert worden. Dem
Patienten geht es heute mit kompletter Regeneration seines blutbildendenden Systems
und der kompletten hämatologischen Spender-Erbinformation blendend.
Hämatopoetische Stammzellen halten
durch kontinuierliche Zellteilung ihre eigene Zahl konstant und liefern Vorläuferzellen, die in verschiedenen Blutzellen
einschließlich der B- und T-Zellen des
Immunsystems differenzieren. Sie besitzen die Fähigkeit, ein z.B. durch Strahlung
oder Hochdosischemotherapie zerstörtes
Knochenmark und Immunsystem neu zu
besiedeln. Hämatopoetische Stammzellen
können derzeit aus drei Quellen gewonnen
werden:
1.aus dem Knochenmark (durch multiple
Punktion)
2.aus dem peripheren Blut nach Mobilisation durch geeignete Zytokine (durch
Leukapherese)
3.aus dem Plazentarestblut (durch Punktion der Nabelschnurblutvene nach vollendeter Geburt)
Die Rationale zum Sammeln von
Stammzellen aus Nabelschnurblut
Ergebnisse ungerichteter allogener Nabelschnurbluttransplantationen (NSB-Transplantationen) bei malignen und nicht-malignen Erkrankungen von Erwachsenen und
Kindern weisen auf deutliche Vorteile im
Vergleich zur allogenen Knochenmarktransplantationen hin:
die schnellere Verfügbarkeit des Transplantats,
keine Risiken für den Spender,
verringerte Graft-versus-host-Reaktionen
und
eine verbesserte Langzeiterholung des
gesamten Immunsystems.
Allerdings dauert das hämatopoetische Anwachsen des Transplantats etwas länger,
dafür ist es aber hinterher dauerhafter.
In Studien konnte gezeigt werden, dass für
ein gutes Anwachsen die Anzahl der trans-
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plantierten Zellen bei der NSB-Transplantation der wichtigste Faktor ist. Eine leichte
HLA-Diskrepanz, wie z.B. vier von sechs
Übereinstimmungen ist dagegen durchaus
tolerabel (s. Infobox). Auch in den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut wird deshalb für das Endprodukt eine
Zellzahl kernhaltiger Zellen von mindestens
5 x 108 gefordert (http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Transnabel_pdf.
pdf).
Nach der oben dargestellten ersten sehr
positiv verlaufenen NSB-Transplantation
wurde das Nabelschnurblut-Banking weltweit etabliert. Mehr als 400.000 Nabelschnurbluteinheiten stehen inzwischen zur
Verfügung, und es ist bereits zu ca. 20.000
Transplantationen von Stammzellen aus
NSB gekommen.
Für den Patienten bzw. seinen Arzt stellt
die FACT-Akkreditierung (Foundation for
the Accreditation of cellular therapy) einer
Nabelschnurblutbank sicher, dass die Organisation, von der man das Nabelschnurblut
bezieht, höchsten Standards im Hinblick auf
die Qualität des Produktes unterliegt. Akkreditierte Zentren findet man unter http://
Kostbares Nabelschnurblut
A.
6 of 6 Match / 10 of 10 Match
B.
PATIENT
DONOR
A
A
B
B
DRB1
DRB1
C
C
DQ
DQ
5 of 6 Match / 9 of 10 Match
PATIENT
DONOR
Abb. 1: Die sechs wichtigen HLA-Marker für eine erfolgreiche Nabelschnurblut-Transplantation
www.factwebsite.org/. In Deutschland sind
bisher die José Carreras Cord Blood Bank
Düsseldorf und die Germany Cord Blood
Bank in Mannheim für allogene Spenden
akkreditiert.
Autologe Vorsorge
Eltern würden fast alles tun, um ihre Kinder zu schützen. Gegen eine schwere Erkrankung wie z.B. Leukämie sind sie leider
meist machtlos und verzweifeln darüber.
Deshalb erwägen mehr und mehr Eltern bei
der Geburt ihres Kindes hier vorzusorgen
und autologe Stammzellen aus dem eigenen Nabelschnurblut einlagern zu lassen
und sind dazu bereit, einiges zu zahlen.
Bei verschiedenen Anbietern kann man
diesen besonderen Saft für durchschnittlich
2.000 € einfrieren und einlagern lassen.
Allerdings unterscheiden sich bei den einzelnen Anbietern die Schritte der Aufarbeitung deutlich. Nur einige trennen die
Stammzellen vor dem Einfrieren von den
übrigen Blutbestandteilen. Angeblich weil
sie keine Stammzellen verlieren wollen, aber
natürlich sparen sie dadurch auch Kosten.
Die Trennung ist deshalb aber durchaus
sinnvoll, weil die roten Blutkörperchen den
Einfrier- und Auftauprozess nicht überstehen und platzen können. Durch bestimmte
weiße Blutkörperchen und die geplatzten
Erythrozyten kann es auch zu Verklumpungen der Stammzellen kommen.
Stefan Thoma von der öffentlichen Freiburger Nabelschnurblutbank warnt vor einigen
HLA Matching:
Den besten Spender oder die beste Nabelschnurblut-Einheit finden
Die Typisierung von Human Leukocyte
Antigen (HLA) wird genutzt um bestmögliche Spender und Empfänger zusammen zu führen. HLA Proteine bzw.
Marker sind auf den meisten Zellen zu
finden. Das Immunsystem nutzt diese
Marker, um eigene von fremden Zellen
zu unterscheiden.
Falls es innerhalb der Familie keinen
geeigneten Spender gibt, wird der
Arzt den Kontakt zum National Marrow
Donor Program (NMDP) herstellen, um
einen passenden Spender zu finden.
Hier sind über 8 Millionen potentielle
Spender und 160.000 NSB-Einheiten
registriert.
Eine enge Übereinstimmung zwischen
den HLA Markern von Spender und
Empfänger verbessert
den Erfolg einer Transplantation
privaten Anbietern, die mit scheinbar günstigen Angeboten locken. „Bei Preisen unter
2.000 € sollte man sehr genau überprüfen, ob der billige Preis nicht zulasten der
Qualität geht.“
Da die eigenen Stammzellen durchaus auch
schon mit dem genetischen Defekt belastet
sein können, der zu einer Erkrankung ge-
reduziert das Risiko einer Abstoßungsreaktion (Graft-versus-hostdisease)
verbessert das Anwachsen der Spenderzellen im Wirtsorganismus
Es gibt viele HLA Marker, aber es hat
sich gezeig t, dass nur wenige besonders wichtig für eine erfolgreiche
Transplantation sind. Das sind 6 HLAMarker, nämlich zwei A, zwei B und
zwei DRB1 Marker (Abb. 1A).
Für erwachsene Spender fordert das
NMDP eine Übereinstimmung von mindestens 5 dieser 6 HLA Marker (Abb.
1B). Für NSB-Einheiten, für die weniger
strikte Auflagen reichen, fordert die
NMDP nur eine Übereinstimmung von
4 von 6 HLA Markern. Diese minimalen Übereinstimmungen sind durch
Studien validiert, die den Erfolg von
Transplantationen untersucht haben.
führt hat, wird die autologe Vorsorge in der
Fachwelt durchaus kontrovers diskutiert.
Autorin:
Dr. Annette Junker
Apothekerin für klinische und onkologische
Pharmazie
Wermelskirchen
Onkologische Pharmazie | 12. Jahrgang | Nr. 4/2010 | 65
Buchbesprechung
Buchbesprechung
Von Karla Domagk, Cottbus
Lehrbuch Pharmakologie und Toxikologie
Arzneimittelwirkungen verstehen – Medikamente gezielt einsetzen
Heinz Lüllmann, Klaus Mohr und Lutz Hein
Georg Thieme Verlag Stuttgart New York
17. Auflage 2010
666 Seiten, 500 Abbildungen, 130 Tabellen
ISBN: 978-3-13-368517-7
69.- Euro
Das 1964 von Gustav Kuschinsky und
Heinz Lüllmann begründete Lehrbuch
Pharmakologie und Toxikologie für Studierende der Medizin, der Pharmazie und
der Biowissenschaften liegt nun in der 17.
Auflage vor. Dass es mit der Zeit gegangen
ist und sich beständig weiterentwickelt
hat, wird bereits „Auf einen Blick“ mit der
Gliederung in die einzelnen farblich differenziert gestalteten Abschnitte offensichtlich. Diese umfassen generelle Prinzipien
(Teil 1), Organ- und Funktionssystembezogene Pharmakologie (Teil 2) Wirkstoffgruppen ohne Organbezug (Teil 3)
sowie Gifte und Antidota (Teil 4).
Neben diesen auf der ersten Seite eingeführ ten Farben am Seitenrand zur
Erhöhung der Nachschlagefreundlichkeit
trägt auch sonst einiges zur hervorragenden Übersichtlichkeit bei, wie z.B. der
„Überblick“ am Beginn des Kapitels, die
Farbdreiecke zur schnellen Orientierung
bzgl. Wirkungswiese, Pharmakokinetik,
Anwendung und Nebenwirkungen der besprochenen Substanzen im Haupttext, die
Boxen mit interessanten Details, Besonderheiten und Hintergrundinformationen
oder die Hervorhebung relevanter klinischer Aspekte mit starkem Praxisbezug
und hoher Aktualität durch den linksseitig
grünen Strich.
Die Konzentration auf das
Wesentliche und auf Leitsubstanzen in den einzelnen Abschnitten tragen ebenso wie
die exzellenten Illustrationen
und die hochaktuelle Arzneimittel-Konvertierungsliste (die
alle auf dem Markt befindlichen
Generika-Präparate von einem
Wirkstoff durch das Zeichen G
zusammenfasst) sehr zur ausgezeichneten Lesbarkeit des
Lehrbuches bei.
Mit 19 Seiten ist das Kapitel 24
über maligne Neoplasien und
Zytostatika in Teil 3 (Wirkstoffgruppen ohne Organbezug) sehr
knapp gehalten. Aber auch hier
ist die hohe Aktualität und Praxisrelevanz (z.B. Hand-Fuß-Syndrom)
ohne eine schwer überschaubare Flut von
wissenschaftlichen Publikationen herauszustellen. Auf der Seite zur Beurteilung der
Pharmakotherapie neoplastischer Erkrankungen steht in Box 24.4 zur Fortentwicklung antineoplastischer Therapien: „ ....
Hierbei werden komplexen Algorithmen
folgend in unterschiedlichen „Zyklen“
Zytostatika-Cocktails verabreicht.“ Aber
sicher hat der interessierte und didaktisch
hervorragend geführte Leser bereits vorher aus den grün markierten Abschnitten
gelernt, dass es sich bei diesem „pharmazeutischen Unwort“ um eine Kombination
mehrerer Zytostatika nach einem fixierten
Therapieschema handelt und nicht um die
zeitgleiche Applikation mehrerer Zytostatika-Lösungen in einem „Cocktail-Beutel“.
Um sich einen Überblick über die Pharmakologie zu verschaffen und gezielt bzw.
punktuell das Wissen aufzufrischen, ist
diese Lehrbuch gut geeignet. Wollen wir
dem Lehrbuch mit der Titelunterschrift
„ Ar zneimit telwirkungen verstehen –
Medikamente gezielt einsetzen“ auch
wünschen, dass es zugleich als Informationsquelle für Ärzte, Apotheker und
Gesundheitspolitiker dient.
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