Ausgabe 27/2017 von Wolfgang Fickus, Mitglied des Investment-Komitees bei Comgest Anleger sollten auf Qualität achten ANLAGESTRATEGIE Ungeachtet der Rekord­höhen, auf denen sich die Märkte bewegen, sollten Anleger der Risikosteuerung mehr Aufmerksamkeit schenken und in ihren Portfolios auf Qualitätsaktien setzen D ie Börsen in den USA und Europa verzeichnen wöchentlich neue Höchststände. Einer der Treiber ist das Niedrigzins­ umfeld, das Investoren nach Alternativen suchen lässt. Al­ lerdings sind die weiteren Entwicklungen auf der Zinsseite unge­ wiss. Die US-Notenbank Fed dürfte noch in diesem Jahr einen wei­ teren Zinsschritt unternehmen, und auch in Europa werden die Forderungen nach einem Ende der Niedrigzinspolitik angesichts der wirtschaftlichen Erholung lauter. Wie die Aktienmärkte auf Zinserhöhungen reagieren, ist ungewiss, denn es gibt auch aus makroökonomischer Sicht weiterhin gute Argumente für Aktien. Doch steigt mit der Möglichkeit von Zinsänderungen auch das Ri­ siko einer Korrektur an den Märkten. Vor diesem Hintergrund rückt die Risikosteuerung wieder stär­ ker in den Fokus. Allerdings sollten Anleger darauf achten, was die Manager ihrer Fonds unter Risiko verstehen und wie sie damit umgehen. Für viele institutionelle Investoren ist das Ab­ weichen von der Benchmark eine relevante Risikogröße. Ent­ sprechend steht für viele Fondsmanager das Managen des soge­ nannten Tracking Error, der Abweichung der Portfoliorenditen von der Rendite eines Vergleichsindex, im Mittelpunkt. Das ist nachvollziehbar, trotzdem wäre es falsch, einen hohen Tracking Error mit einem hohen Risiko gleichzusetzen und umgekehrt. Was bedeutet Risiko? Für einen Anleger entsteht Risiko aus dem Fehlen eines langfristigen Wachstumspotenzials, dem Verfall von Kapitalrenditen oder aber einer verfehlten ­Kapitalallokation von Unternehmen. Umgekehrt sind die richtigen Investitionen zur richtigen Zeit Quelle langfristiger unternehmerischer Wert­ schöpfung und des Gewinnwachstums. Fondsmanager, die Risiko demnach nicht als relative, sondern als absolute Größe verstehen, konzentrieren sich vor allem auf die Qualität von Firmen. Qualität wird definiert als Wertsteigerungspotenzial durch langfristiges Gewinnwachstum aus den Fähigkeiten des jeweiligen Unternehmens heraus. Merkmale sind hier zum Bei­ spiel hohe Markteintrittsbarrieren, Preissetzungsmacht oder die Fähigkeit, Marktanteile zu gewinnen. Dabei spielt es in der Regel keine Rolle, ob das Unternehmen in der Benchmark des Fonds zu finden ist oder nicht, denn ihr Ansatz wird nicht von der Zusammensetzung eines Index bestimmt (die häufig auf der Marktkapitalisierung der Unternehmen beruht), sondern einzig und allein von der Qualität der Unternehmen. Dementsprechend gibt es in den Fonds jener Manager, die sich auf die Qualität der Einzelunternehmen konzentrieren, eine hohe Abweichung von der Benchmark. Verschiedene Studien belegen, dass Portfoliomanager mit einem hohen Active Sha­ re die Benchmark outperformen. Cremers und Petajisto etwa untersuchten 2650 Fonds im Zeitraum 1980 bis 2003. Jene mit einem hohen Active Share von mehr als 80 Prozent schlugen die Vergleichsindizes um 2,0 bis 2,7 Prozent vor Kosten. Stark vereinfacht ausgedrückt, wissen diese Manager sehr genau, in welche Unternehmen sie investieren. Das hilft, Fehler zu vermei­ den, womit ein Gutteil der Performance erwirtschaftet ist. Dieser Investmentansatz erlaubt die Konzentration auf nur we­ nige Titel. Was auf den ersten Blick nach einem erhöhten Risiko­ potenzial durch zu wenig Diversifizierung klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung als folgerichtige Entscheidung. Unter­ nehmen mit den oben genannten Qualitätsmerkmalen zeichnen sich durch eine hohe Vorhersehbarkeit des langfristigen Wachs­ tumspfads aus. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass eine Portfoliokonzentration auf 15 Aktien eine ausreichende Diversi­ fizierung gewährleistet. Die Fähigkeiten einzelner Unternehmen lassen sich am Ende vermutlich besser beurteilen als konjunkturelle und zyklische Faktoren. Damit kann die Fokussierung auf Qualitätsaktien hel­ fen, Anleger vor bösen Überraschungen im Depot zu schützen. Wolfgang Fickus Fickus ist seit 2012 für Comgest tätig und Mitglied des Investment-Komitees. Er begann seine Karriere 1995 bei Paribas AM im Fondsmanagement für europäische Aktien und wechselte im Jahr 2000 zur WestLB. Dort analysierte er deutsche und europäische Aktien im Technologiesektor, bevor er ab 2005 das Mid und Small Cap Research leitete. Fickus studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität in Köln. Exklusiv in BÖRSE ONLINE schreiben renommierte Finanzexperten und Investmentprofis über Börse und Geldanlage. Weitere Gastkommentare lesen Sie unter: www.boerse-online.de/meinungen-und-perspektiven Bild: Comgest PERSPEKTIVEN