Sektorale Roadmap Raumplanung Handlungspfade und Handlungsempfehlungen auf dem Weg zu einer klimaangepassten und resilienten Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten Jan Spiekermann Impressum Herausgeber: Sustainability Center Bremen Jakobiestraße 20 28195 Bremen Autor: Jan Spiekermann Carl von Ossietzky Universität Oldenburg [email protected] Telefon: +49 (0)441 - 798-4720 Die vorliegende Publikation wurde im Rahmen des Forschungsverbundes „nordwest2050 – Perspektiven für klimaangepasste Innovationsprozesse in der Metropolregion BremenOldenburg im Nordwesten“ erstellt. Für den Inhalt sind der genannte Autor und die Herausgeber verantwortlich. Diese Publikation ist im Internet als pdf-Datei abrufbar unter: www.nordwest2050.de. Oldenburg, September 2013 2 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1.1 Inhalt der Roadmap Raumplanung 1 2 1.2 2 Überblick über das System der Raumplanung 2. Klimawandelbedingte Anforderungen an die Raumplanung 3. 4 Ausgangsbedingungen – Potenziale und Defizite für erfolgreiche Klimafolgenanpassung in der Raumplanung 3.1 Bereitschaft bzw. Fähigkeit der Raumplanung zu proaktivem 7 Anpassungshandeln 7 3.2 Ansatzpunkte und Eignung des bestehenden raumplanerischen Instrumentariums 8 3.3 9 Zuschnitt und Ressourcenausstattung der Regionalplanungseinheiten 4. Vision 2050 für das Handlungsfeld Raumplanung 11 5. Handlungsempfehlungen und Handlungspfade 5.1 Schaffung von klimawandelbezogenen Informations- und 12 Wissensgrundlagen für Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit 14 5.2 Klimawandelangepasste Optimierung von Planungsprozessen und – instrumenten 16 5.3 18 Stärkung der überörtlichen Planungsebene 6. Literaturverzeichnis 20 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Übersicht der Handlungspfade und Handlungsempfehlungen 13 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Raumplanerischer Handlungsbedarf zur Anpassung an die möglichen Auswirkungen des Klimawandels 5 3 Raumplanung I Einleitung 1. Einleitung Die vorliegende sektorale Roadmap für das Handlungsfeld Raumplanung gibt Empfehlungen und zeigt Handlungsoptionen auf, die zu einer klimaangepassten und resilienten Entwicklung der Region in der Raumplanung beitragen. Eine resiliente Region ist gekennzeichnet durch ihre Widerstands-, Anpassungs- und Gestaltungsfähigkeit. Diese Roadmap beinhaltet also nicht nur eine Bewältigung des Klimawandels im Sinne einer Anpassungsleistung, sondern bezieht sich darüber hinaus auf eine Verbesserung der Resilienz der regionalen politisch-administrativen, ökonomischen, sozialen, technischen und ökologischen Systeme angesichts von erwartbar zunehmend dynamischen und turbulenten Rahmenbedingungen. Insofern dient diese Roadmap sowohl der Verringerung der Risiken durch den Klimawandel, als auch der Wahrnehmung von Chancen, die sich in der Form neuer Gestaltungsoptionen ergeben können. Das transdisziplinäre Forschungsprojekt ‚nordwest2050‘ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung damit beauftragt, die regionale Anpassungskompetenz an die Folgen des Klimawandels in der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten zu steigern. Ziel ist es, die zu erwartenden Klimaveränderungen adäquat in regionale Planungs- und Entscheidungsprozesse modellhaft einzubinden und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu stärken. Hierfür wurden seit 2009 mehrere Prozessphasen durchlaufen: 1. ‚nordwest2050‘-Klimaszenarien: Erstellung regionaler erwartete Spannbreiten des Klimawandels für den Raum der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten für die Zeithorizonte 2050 und 2085 2. Vulnerabilitätsanalysen (Verwundbarkeitsanalysen): Untersuchung der Bedeutung des Klimawandels für die Region und ihre Wirtschaft (bis Anfang 2012) 3. Innovationspotenzialanalysen: Identifizierung vorhandener Kompetenzen und Potenziale in den drei Wirtschaftsclustern Ernährungswirtschaft, Hafen/Logistik -und Energie sowie in der Region, um auf die neuen Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren (bis Mitte 2012) 4. Vision 2050: Orientierungsrahmen für Klimaanpassungsstrategien in der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten (bis Anfang 2013) 5. zehn sektorale Roadmaps: Erarbeitung von Empfehlungen, wie den Herausforderungen des Klimawandels begegnet werden sollte 6. integrierte Roadmap of Change: Erstellung eines konsistenten Fahrplans für Klimaanpassungsstrategien in der Region bis zum Jahr 2050 Die ersten vier Phasen sind bereits abgeschlossen und dienen als Grundlage der vorliegenden sektoralen Roadmap für das Handlungsfeld Raumplanung. Die ersten Kapitel in diesem Dokument fassen diese Ergebnisse zusammen. Das darauffolgende Kapitel ‚Handlungspfade und Handlungsempfehlungen‘ wurde in einem mehrstufigen Prozess erarbeitet. Zunächst wurden die Kernziele der Vision 2050 zum Handlungsfeld Raumplanung vom Autor Jan Spiekermann herausgearbeitet. Daraufhin hat am 9. April 2013 ein Workshop stattgefunden, zu dem Akteure aus dem Raum der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten eingeladen wurden. In dem Workshop ging es darum, Maßnahmen und Handlungspfade zu beschreiben, die die Erreichung einer gewünschten Zukunftsvision unterstützen. Die Ergebnisse des Workshops wurden vom 1 Raumplanung I Einleitung Autor zu einem ersten Entwurf einer Roadmap aufbereitet und den Teilnehmern des Workshops1 sowie weiteren Interessierten2 zur Kommentierung zur Verfügung gestellt. Die eingegangenen Anregungen und Hinweise wurden vom Autor gesichtet, untereinander bewertet und eingearbeitet. Dementsprechend ist die vorliegende Arbeit unter Mitwirkung und Einbezug des Wissens regionaler Akteure der Raumplanung entstanden, jedoch liegt die letztendlich inhaltliche Verantwortung bei ‚nordwest2050‘ und dem Autor. Die Ergebnisse aus den zehn sektoralen Roadmaps bilden die Grundlage für die sechste und letzte Prozessphase: die Erstellung der integrierten Roadmap of Change. Diese wird handlungsfeldübergreifende und konsistente Strategien und Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer klimaangepassten und resilienten Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten beschreiben. Aufgrund der stetigen Veränderung und Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Entwicklungen werden einerseits konkrete Handlungsempfehlungen aufgezeigt, die kurzfristig umgesetzt werden können. Andererseits werden mögliche Handlungspfade beschrieben, deren Konkretisierungsgrad geringer ist und die auf die Entwicklungen in den kommenden Jahrzehnten abgestimmt werden müssen. Entsprechend bilden die sektoralen Roadmaps und die integrierte Roadmap sogenannte „living documents“, in denen erste Ideen und mögliche Schritte zu einer klimaangepassten und resilienten Region beschrieben sind, die aber kontinuierlich erweitert und angepasst werden müssen. 1.1 Inhalt der Roadmap Raumplanung In der vorliegenden sektoralen Roadmap für das Handlungsfeld Raumplanung werden – nach einer kurzen Einführung in das System der Raumplanung (Abschnitt 1.2) – in Kapitel 2 zunächst die klimawandelbedingten Anforderungen an die Raumplanung aufgezeigt. Anschließend werden in Kapitel 3 die Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche Anpassung an die Folgen des Klimawandels dargestellt, indem entsprechende Potenziale und Defizite des bestehenden Planungssystems beschrieben werden. Kapitel 4 enthält eine Zusammenfassung der im Vorfeld der Roadmap-Erstellung entwickelten „Vision 2050“ für das Handlungsfeld Raumplanung. Als Kernelemente der sektoralen Roadmap Raumplanung werden schließlich in Kapitel 5 kurzfristige Handlungsempfehlungen für den Zeithorizont 2020 und mittel- bis langfristige Handlungspfade für den Zeitraum 2020 bis 2050 benannt und erläutert. 1.2 Überblick über das System der Raumplanung Das System der Raumplanung unterteilt sich in die räumliche Gesamtplanung (bestehend aus der überörtlichen Raumordnung und örtlichen Bauleitplanung) und die raumbezogenen Fachplanungen (z. B. Landschaftsplanung, Wasserwirtschaft, Verkehrsplanung). Die räumliche Gesamtplanung hat gegenüber den raumbezogenen Fachplanungen einen Koordinierungsauftrag. Als überörtliche Planung ist die Raumordnung der gemeindlichen Bauleitplanung übergeordnet. Bei der Planabstimmung ist das Gegenstromprinzip nach § 1 Abs. 3 ROG zu befolgen, wonach sich einerseits die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume (Bauleitplanung) in die Gegebenheiten und Erfordernisse des Gesamtraums einfügen und andererseits die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums (Raumordnung) die Gegebenheiten und Erfordernis- 1 Regionale Akteure aus folgenden Institutionen haben am Prozess mitgewirkt, in dem sie am Workshop teilgenommen haben und den Entwurf der Roadmap kommentieren konnten: Landkreis Diepholz, Stadt Bremerhaven, Landkreis Osterholz, Landkreis Oldenburg 2 Regionale Akteure aus folgenden Institutionen am Prozess mitgewirkt in dem sie den Entwurf der Roadmap kommentiert haben: Landkreis Verden, Regierungsvertretung Oldenburg, Landkreis Ammerland, Senator für Umwelt, Bau und Verkehr 2 Raumplanung I Einleitung se seiner Teilräume berücksichtigen soll. Der Bereich der Raumordnung lässt sich grundsätzlich in die drei Umsetzungsebenen Bundesraumordnung, Raumordnung in den Ländern (Landesplanung) und Raumordnung in den Regionen (Regionalplanung) untergliedern. Da es auf Bundesebene – abgesehen von den Raumordnungsplänen für die Ausschließliche Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee – keinen Raumordnungsplan gibt, ist die Raumordnung im Wesentlichen Aufgabe der Länder und Regionen. Als Planungsdokumente fungieren in Niedersachsen zum einen das Landes-Raumordnungsprogramm (LROP), das Aussagen von landesweiter Bedeutung enthält, und zum anderen die auf Ebene der Landkreise aufzustellenden Regionalen Raumordnungsprogramme (RROP), die auf den Festlegungen des LROP aufbauen, sie inhaltlich und räumlich konkretisieren und um regionale Aussagen ergänzen. Das Land Bremen stellt derzeit einen Landesraumordnungsplan auf. In den Raumordnungsprogrammen/-plänen können Ziele und Grundsätze der Raumordnung sowohl in textlicher als auch in zeichnerischer Form (Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete) definiert werden. Die Bauleitplanung trifft konkrete Regelungen zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung des Bodens auf gemeindlicher Ebene. Wesentliche Instrumente der Bauleitplanung sind der vorbereitende, für das gesamte Gemeindegebiet aufzustellende Flächennutzungsplan (FNP), der die kommunale Flächennutzung darstellt, sowie der rechtsverbindliche Bebauungsplan (B-Plan) zur Schaffung von Baurecht für Teilbereiche des Gemeindegebietes. Da sich viele der zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels auch in räumlicher Hinsicht bemerkbar machen werden, besteht für die Raumplanung eine hohe Relevanz, sich dem Thema „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ anzunehmen. Die Palette der betroffenen Handlungsfelder erstreckt sich dabei vom Küsten- und Binnenhochwasserschutz über den Schutz von Wasserressourcen, Biodiversität und Natur bis hin zur Siedlungsentwicklung (s. Kapitel 2). Aufgabe der räumlichen Gesamtplanung wird es sein, die sektoralen Anpassungserfordernisse der raumbezogenen Fachplanungen zu integrieren, Konflikte zu minimieren und Synergien zu befördern. Die Berücksichtigung der Auswirkungen des Klimawandels und der daraus resultierenden Anpassungserfordernisse ist dabei sowohl auf der überörtlichen als auch der örtlichen Planungsebene erforderlich. Während im Aufgabenbereich der Raumordnung großflächige naturräumliche Zusammenhänge erfasst und in ihrer regionalen Gesamtstruktur abgebildet werden können (z. B. Anforderungen des vorbeugenden Hochwasserschutzes oder des Freiraumschutzes), sind lokale Anpassungserfordernisse (z. B. Vermeidung städtischer Wärmeinseleffekte, Anpassung der Siedlungswasserwirtschaft) eher im Rahmen der Bauleitplanung bzw. Stadtentwicklungsplanung zu behandeln. 3 Raumplanung I Klimawandelbedingte Anforderungen 2. Klimawandelbedingte Anforderungen an die Raumplanung Im Folgenden werden die wichtigsten klimawandelbedingten Anforderungen an die Raumplanung in der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten skizziert. Die Ausführungen basieren auf der im Rahmen von ‚nordwest2050‘ durchgeführten Vulnerabilitätsanalyse für das Handlungsfeld Raumplanung3. Der Klimawandel wird sich aufgrund seiner vielfältigen Wirkpfade auf verschiedene Handlungsbereiche der räumlichen Planung auswirken und entsprechende Anpassungsmaßnahmen der Raumstrukturen, -nutzungen und -funktionen erforderlich machen. In der Metropolregion BremenOldenburg im Nordwesten sind davon im Wesentlichen die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Bereiche betroffen. Aufgrund unterschiedlicher naturräumlicher und raumstruktureller Gegebenheiten weist die Region in ihren Teilräumen (z. B. Küstenraum, städtische Räume, ländlich geprägte Räume) voneinander abweichende raumrelevante Auswirkungen des Klimawandels und daraus resultierende raumplanerische Handlungsbedarfe auf. Die in der Tabelle dargestellten Handlungsbereiche verdeutlichen, dass zur Bewältigung der räumlichen Auswirkungen des Klimawandels in starkem Maße die raumbezogenen Fachplanungen (z. B. Landschaftsplanung, Wasserwirtschaft, Küstenschutz, Städtebau) gefordert sind, geeignete Anpassungsoptionen zu entwickeln und vorzubereiten. Darüber hinaus wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass die jeweiligen spezifischen Maßnahmen der sektoralen, fachplanerischen Anpassungsstrategien und -maßnahmen in eine übergeordnete, integrative Raumentwicklungsstrategie eingebettet werden, bei deren Entwicklung und Umsetzung der räumlichen Gesamtplanung aufgrund ihrer überfachlichen Koordinationsfunktion, der ihr immanenten Abwägung verschiedener Interessen und Belange sowie der ihr zur Verfügung stehenden Flächensicherungsinstrumente eine wichtige Rolle zukommt. Dabei hat sie u. a. die Aufgabe, Flächennutzungskonkurrenzen und Zielkonflikte zu vermeiden bzw. zu verringern. So wird beispielsweise die erforderliche und bereits begonnene Anpassung im Küstenschutz zu verstärkten Konflikten mit der Siedlungs-, Gewerbe- und Industrieflächenentwicklung, dem Infrastrukturausbau (Verkehrswege, Hafenanlagen etc.), dem Naturschutz, der Landwirtschaft und dem Tourismus führen. In den ländlichen Bereichen kann die zunehmende Erzeugung energetisch nutzbarer Biomasse in Konflikt mit den Zielen einer umweltverträglichen Nahrungsmittelproduktion und (weltweiten) Ernährungssicherheit sowie dem klimawandelangepassten Schutz von Biodiversität, Natur, Landschaft, Boden und Gewässern stehen. In städtischen Räumen können Zielkonflikte zwischen einer kompakten und damit emissionsmindernden Siedlungsentwicklung und der Gewährleistung einer ausreichenden Freiflächenentwicklung zur Verringerung städtischer Wärmeinseleffekte auftreten. Zugleich ist die Raumplanung aber auch gefordert, mögliche Synergien bzw. multifunktionale Nutzungspotenziale zu identifizieren und zu befördern, die sich zum einen zwischen den verschiedenen sektoralen Anpassungserfordernissen, zum anderen aber auch in Verbindung mit anderen, klimawandelunabhängigen Raumansprüchen oder raumwirksamen Veränderungstrends (z. B. demographischer Wandel, Strukturwandel, Ausbau der Erneuerbaren Energien) ergeben können. 3 Schuchardt et al. 2011: S. 419-480; Spiekermann & Wittig 2012: S. 127-138 4 Raumplanung I Klimawandelbedingte Anforderungen Tabelle 1: Raumplanerischer Handlungsbedarf zur Anpassung an die möglichen Auswirkungen des Klimawandels Verstärkung städtischer Wärmein Sicherung siedlungsklimatisch bedeutsamer Freiräume seleffekte infolge extremerer Hitze(regionale Kalt- und Frischluftentstehungsgebiete, Luftperioden austauschbahnen, klimawirksame Ausgleichsräume in Zunahme lokaler Überschwemmunnerhalb bebauter Bereiche) gen aufgrund von Überschreitungen Freihaltung von Flächen für die Abführung, Rückhaltung der Kanalisations- und Entwässeund Versickerung von Niederschlagswasser in Siedrungskapazitäten infolge zunehlungsgebieten (dezentrale Regenwasserbewirtschaftung) mender Starkregenereignisse Ausbau eines regionsübergreifenden Netzes ökologisch Veränderungen der Standortfaktobedeutsamer Freiräume (Biotopverbundsystem) ren von Lebensräumen (z. B. auf Anpassungen im Zuschnitt und Management von grund der Änderungen von TempeSchutzgebieten ratur, klimatischer Wasserbilanz, Ti Sicherung von Flächen zum Schutz besonders gefährdedewasserständen) ter Lebensräume (z. B. Wiedervernässung von Mooren, Auswirkungen auf Artenvielfalt, Deichrückverlegungen/-öffnungen zum Erhalt von tideverbreitung und -zusammensetzung beeinflussten Ökosystemen) zunehmende Schwankungen des Wasserdargebots aufgrund sich än- Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts (z. B. dernder klimatischer Wasserbilandurch angepasste, den Wasserrückhalt und die Grundzen (Rückgang im Sommer, Anstieg wasserneubildung unterstützende Landnutzungsformen) im Winter) vorausschauende Steuerung stark wasserverbrauchen zunehmende Versalzung des küsder Nutzungen (z. B. Gewerbe-/Industriebetriebe mit hotennahen Grundwassers aufgrund hem Brauchwasserbedarf) steigender Tidewasserstände Küstenschutz Binnenhochwasserschutz Siedlungsentwicklung raumplanerischer Handlungsbedarf (Beispiele) Biodiversitätsund Naturschutz mögliche Auswirkungen des Klimawandels Schutz von Wasserressourcen Bereich Zunahme von Hochwasserrisiken aufgrund veränderter Niederschlagsverhältnisse Sicherung vorhandener und rückgewinnbarer Überschwemmungsbereiche Ausweisung von Flächen für die Hochwasservorsorge (z. B. Bauvorsorge) hinter Schutzeinrichtungen Verbesserung des Wasserrückhalts im Einzugsgebiet Freihaltung von Flächen für Anpassungen des technischen Hochwasserschutzes (Rückhaltebecken etc.) Sicherung des für die Anpassung von Küstenschutzbauwerken erforderlichen Raumbedarfs (Deichverstärkung) Zunahme des Sturmflutrisikos auf Sicherung von Flächen für die Klei- und Sandgewinnung grund von Meeresspiegelanstieg vorausschauende Ausweisung von Flächen für mögliche und zunehmenden Windstauhöhen zukünftige Maßnahmen eines raumbezogenen Küsten häufigere Engpässe bei der Entschutzsystems (2. Deichlinien, Polderflächen, anund Zuwässerung in den Küstengepasste Flächennutzungen etc.) niederungen aufgrund veränderter Freihaltung von Flächen für raumbezogene AnpasNiederschlagsverhältnisse und steisungsmaßnahmen des Wassermanagementsystems (z. gender Tidewasserstände B. Speicherpolder zur temporären Rückhaltung von Niederschlagswasser) Neben den aus den Auswirkungen des Klimawandels resultierenden inhaltlichen Anforderungen (raumplanerischer Handlungsbedarf; s. rechte Spalte der Tabelle) werden sich aufgrund der im Folgenden beschriebenen Gründe durch den Klimawandel auch neue bzw. sich verschärfende Anforderungen an den Planungsprozess bzw. die Planungsinstrumente ergeben: Unsicherheit der Klimawandelfolgen: Planerische Entscheidungen über Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels können nicht auf exakten Erfahrungswerten aus der Vergangenheit sondern lediglich auf Modellannahmen der Zukunft basieren, die jedoch aufgrund der bestehenden Unsicherheiten eine mehr oder weniger große Spannweite zukünftiger Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Die räumliche Planung steht deshalb vor der Herausforderung, die gesamte Bandbreite möglicher Entwicklungspfade in ihre Betrachtungen einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, Planungsprozesse und -instrumente flexibler zu gestalten, um so noch mög- 5 Raumplanung I Klimawandelbedingte Anforderungen lichst lange auf sich verändernde Gegebenheiten bzw. zusätzlichen Erkenntnisgewinn reagieren zu können. Eine weitere Herausforderung im Umgang mit den Unsicherheiten der Klimawandelfolgen besteht darin, in Pläne oder Programme aufgenommene Anpassungsmaßnahmen gerichtsfest zu begründen. Langfristwirkung der Klimawandelfolgen: Vor dem Hintergrund bereits absehbarer Klimaveränderungen, deren Auswirkungen aber z. T. erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts deutlich zu spüren sein werden, muss die Raumplanung zudem ihre üblichen Planungshorizonte ausweiten und im Hinblick auf Klimaanpassungsmaßnahmen schon heute vorsorgend tätig werden. Aufgrund der Persistenz bestehender Strukturen (Bebauung, Infrastrukturen, Raumnutzungen) und der langfristig zu erwartenden Klimawirkungen ist eine nachhaltige Anpassung der Raumstrukturen als Generationenaufgabe zu betrachten, die über den Betrachtungszeitraum aktueller Pläne und Programme deutlich hinausgeht. Auswirkungen des Klimawandels auf den Bestand: Die Folgen des Klimawandels werden nicht nur bei Neuplanungen zu berücksichtigen sein, sondern sich in erster Linie auch auf bestehende Raumnutzungen, -strukturen und -funktionen auswirken (z. B. zunehmende Hochwasserrisiken für Bebauung in hochwassergefährdeten Bereichen) und entsprechenden Handlungsbedarf hervorrufen (z. B. Nutzungsänderungen oder Rückbau). Während im Rahmen der Neuausweisung oder Änderung von Flächennutzungen bzw. der Genehmigung und Umsetzung neuer Vorhaben grundsätzlich eine starke raumplanerische Einflussnahme auf die Verringerung der Vulnerabilität bzw. die Steigerung der Resilienz von Raumstrukturen gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels möglich ist, gestaltet sich die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen im Bestand als weitaus problematischer. In diesem Zusammenhang besteht das Defizit, dass es bislang kaum wirksame Instrumente für die Lösung von Konflikten zwischen bestehenden (baulichen) Flächennutzungen und möglichen klimawandelbedingten Anpassungserfordernissen gibt. Legitimation raumbezogener Klimaanpassungsmaßnahmen: Aufgrund der Unsicherheiten und Langfristwirkungen des Klimawandels ist eine gesellschaftliche Debatte über das notwendige Maß an Anpassung erforderlich, durch die der normative Rahmen für raumplanerisches Handeln mitgestaltet werden muss („Klimawandel-Governance“). Dies ist u. a. deshalb geboten, weil das Planungsrecht aufgrund der bestehenden Unsicherheiten keine umfassenden Entscheidungskriterien liefern kann (z. B. fehlende Grenz- oder Sollwerte) und das klassische „Government“ aufgrund der in ihrer Ausprägung noch nicht genau bekannten und zudem langfristig wirkenden Klimawandelfolgen vor Entscheidungsund Legitimationsprobleme gestellt wird. Die Raumplanung wird bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels daher (noch) stärker als bisher auf eine partizipative und diskursive Ausrichtung setzen müssen. Dies ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn klimawandelbedingte Anpassungserfordernisse mit Flächennutzungskonflikten bzw. -konkurrenzen und/oder Einschränkungen für bestehende (private) Raumnutzungen einhergehen. 6 Raumplanung I Ausgangsbedingungen 3. Ausgangsbedingungen – Potenziale und Defizite für erfolgreiche Klimafolgenanpassung in der Raumplanung Im Folgenden werden die Ausgangsbedingungen (Potenziale und Defizite) für die Entwicklung und Umsetzung von Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in der Raumplanung beschrieben. Auch diese Ausführungen basieren im Wesentlichen auf der im Rahmen von ‚nordwest2050‘ durchgeführten Vulnerabilitätsanalyse für das Handlungsfeld Raumplanung in der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten4. Die zentralen Ergebnisse der Vulnerabilitätsanalyse hinsichtlich der bestehenden Potenziale und Defizite für eine erfolgreiche Klimafolgenanpassung in der Raumplanung lassen sich in folgende drei Bereiche untergliedern: Bereitschaft bzw. Fähigkeit der Raumplanung zu proaktivem Anpassungshandeln, Ansatzpunkte und Eignung des bestehenden raumplanerischen Instrumentariums, Zuschnitt und Ressourcenausstattung der Regionalplanungseinheiten 3.1 Bereitschaft bzw. Fähigkeit der Raumplanung zu proaktivem Anpassungshandeln Obwohl die Berücksichtigung klimatischer Aspekte (z. B. stadtklimatische Fragestellungen) und wetterbeeinflusster Extremereignisse (z. B. Hochwasser) zu den „klassischen“ Themen der Raumplanung zählen, spielt das Thema „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ in der raumplanerischen Praxis – im Gegensatz zum Thema Klimaschutz (insb. Ausbau der Erneuerbaren Energien) – bisher eine untergeordnete Rolle. Dies liegt darin begründet, dass dieses Thema bei den zuständigen Stellen noch nicht auf breiter Basis in das Bewusstsein gedrungen ist und z. T. noch erhebliche Wissenslücken hinsichtlich der aus dem Klimawandel resultierenden raumplanerischen Handlungsbedarfe bestehen. Die Bereitschaft bzw. Fähigkeit zu proaktivem Anpassungshandeln in der Raumplanung wird zudem dadurch begrenzt, dass die zur Verfügung stehenden Informationen hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels aufgrund der bestehenden Unsicherheiten und Langfristwirkungen vielfach als nicht ausreichend belastbare Grundlage für konkrete Planungsentscheidungen angesehen werden. Ein weiterer, die Handlungsfähigkeit der Raumplanung einschränkender Faktor besteht in der z. T. mangelnden Sensibilisierung und Risikowahrnehmung von Politik und Öffentlichkeit hinsichtlich der Folgen des Klimawandels, aus der Legitimationsdefizite für planerische Anpassungsmaßnahmen resultieren können. Da planerische Entscheidungen legislativ abgesegnet werden müssen, ist ein proaktives Anpassungshandeln der Raumplanung nur bei entsprechender öffentlicher Akzeptanz und politischer Willensbildung möglich. Sofern dies nicht gegeben ist, können zentrale Erfordernisse der Klimaanpassung (wie z. B. die Freihaltung hochwassergefährdeter Bereiche von Bebauung) nur unzureichend umgesetzt werden, da ihnen oftmals andere Zielsetzungen (z. B. wirtschaftliche Belange) gegenüberstehen, die im politischen Prozess höher gewichtet werden. Erst wenn das Thema „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ auch von 4 Schuchardt et al. 2011: S. 419-480; Spiekermann & Wittig 2012: S. 127-138 7 Raumplanung I Ausgangsbedingungen der Öffentlichkeit und Politik entsprechend wahrgenommen und als wichtig erachtet wird, kann verbindliches planerisches Handeln einsetzen. Ein Dilemma besteht hierbei darin, dass die eher langfristig auftretenden Folgen des Klimawandels den eher kurzfristigen Wahrnehmungshorizonten der öffentlichen Meinung sowie den kurzen Legislaturperioden der Politik entgegenstehen. Des Weiteren stellen raumbezogene Anpassungsmaßnahmen an die Auswirkungen des Klimawandels in vielen Fällen einen massiven Eingriff in die Bodenpreisentwicklung dar. Der Eingriff wirkt sofort, während die Folgen des Klimawandels erst langfristig – möglicherweise erst nach einem Besitzerwechsel – auftreten werden. Entsprechende Eingriffe in die Bodenpreisentwicklung sind daher umso schwerer darstellbar, je länger die Auswirkungen des Klimawandels auf sich warten lassen bzw. je diffuser die Auswirkungen prognostizierbar sind. Um Flächennutzungs- und Zielkonflikte minimieren bzw. Synergieeffekte (z. B. in Form multifunktionaler Raumnutzungen) bestmöglich ausschöpfen zu können, ist bei der Entwicklung und Umsetzung von raumbezogenen Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels eine integrierte Betrachtung und Abwägung der jeweiligen sektoralen Ansprüche geboten. Derzeit mangelt es jedoch z. T. an der dafür erforderlichen Verzahnung und Zusammenarbeit der raumbezogenen Fachplanungen a) untereinander und b) mit der räumlichen Gesamtplanung. 3.2 Ansatzpunkte und Eignung des bestehenden raumplanerischen Instrumentariums Der Raumplanung steht für die Entwicklung und Umsetzung von Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels bereits heute ein breites Spektrum formeller und informeller Instrumente zur Verfügung. Während die gesetzlich normierten formellen Instrumente in erster Linie der Rahmensetzung der Raumentwicklung und der Umsetzung von Planungen dienen, können mit Hilfe informeller Instrumente relevante Akteure eingebunden und Planungsentscheidungen vorbereitet und abgestimmt werden. Hinsichtlich der formellen Instrumente (z. B. textliche und zeichnerische Festlegung von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung, Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten der Bauleitplanung, Gebietsausweisungen der Fachplanungen) ist zu konstatieren, dass diese in der bestehenden Form und Ausprägung grundsätzlich geeignet sind, um die aus dem Klimawandel resultierenden Anpassungserfordernisse zu bewältigen. Allerdings werden die bestehenden Möglichkeiten z. T. unzureichend ausgeschöpft, so dass insgesamt eine konsequentere Ausgestaltung und Anwendung der vorhandenen formellen Instrumente anzustreben ist. Als hilfreich könnte sich in diesem Zusammenhang erweisen, dass sowohl im Raumordnungsgesetz und im LandesRaumordnungsprogramm Niedersachsen als auch im Baugesetzbuch und in einigen Fachplanungsgesetzen (z. B. Wasserhaushaltsgesetz) mittlerweile eine Reihe von Aspekten zur Klimafolgenanpassung verankert wurden, die die Notwendigkeit zur Berücksichtigung des Klimawandels in der Planung zusätzlich verdeutlichen. Ein generelles Defizit des formellen Instrumentariums bei der Umsetzung der aus dem Klimawandel resultierenden raumplanerischen Handlungsbedarfe besteht allerdings darin, dass das Planungsrecht in seinen Anwendungsmöglichkeiten z. T. zu starr ist, um mit den unsicheren und langfristigen Entwicklungspfaden des Klimawandels flexibel umgehen zu können. Zudem stößt es dort an seine Grenzen, wo es darum geht, klimawandelbedingte Anpassungserfordernisse innerhalb bestehender baulicher Flächennutzungen umzusetzen (Bestandsschutz gemäß Art. 14 GG). Angesichts der Defizite des planungsrechtlichen Instrumentariums stellen informelle Instrumente, die der Vorbereitung und Aushandlung von Planungsentscheidungen dienen können, eine wichti- 8 Raumplanung I Ausgangsbedingungen ge Ergänzung zu formellen Planungsverfahren dar. Im Hinblick auf die Entwicklung und Umsetzung von Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist daher ein Instrumenten-Mix erforderlich, der „harte“ (formelle) und „weiche“ (informelle) Instrumente mit ihren jeweiligen Stärken kombiniert. Um dem Querschnittscharakter und der Komplexität des Themas Klimafolgenanpassung gerecht zu werden, bedarf es bei der Entwicklung und Umsetzung von Anpassungsstrategien und maßnahmen eines interdisziplinären und integrativen Planungsprozesses. Für die Raumplanung bedeutet dies, dass sowohl die Zusammenarbeit und Abstimmung der räumlichen Gesamtplanung mit den betroffenen Fachplanungen als auch die Einbindung der Öffentlichkeit in Planungsprozesse an Bedeutung gewinnt. Neben den umfangreichen gesetzlichen Regelungen zur formellen Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung (z. B. bei der Aufstellung von Raumordnungsund Bauleitplänen, im Rahmen von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren und im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen bzw. Strategischen Umweltprüfungen) können dafür informelle Partizipations- und Kooperationsinstrumente genutzt werden. So wird in § 13 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes darauf verwiesen, dass die Träger der Landes- und Regionalplanung „zur Vorbereitung oder Verwirklichung von Raumordnungsplänen oder von sonstigen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen [...] mit den hierfür maßgeblichen öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts einschließlich Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaft zusammenarbeiten oder auf die Zusammenarbeit dieser Stellen und Personen hinwirken“ sollen. Als mögliche informelle Planungsansätze sind z. B. regionale und kommunale Entwicklungskonzepte, regionale und (inter)kommunale Netzwerke, Foren und Kooperationsstrukturen (z. B. Arbeitskreis Raumstruktur der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten, Regionalforum Bremerhaven, Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen) sowie vertragliche Vereinbarungen zur Verwirklichung von Raumentwicklungskonzepten zu nennen. Auch die Berücksichtigung der Anforderungen an ein Integriertes Küstenzonenmanagement, wie sie im LandesRaumordnungsprogramm Niedersachsen beschrieben sind, bietet entsprechende Potenziale. 3.3 Zuschnitt und Ressourcenausstattung der Regionalplanungseinheiten Die niedersächsische Besonderheit, dass die Regionalplanung auf Ebene der Landkreise bzw. kreisfreien Städte angesiedelt ist, hat zur Folge, dass es eine Vielzahl relativ kleiner Regionalplanungseinheiten gibt (im niedersächsischen Teil der Metropolregion z. B. insgesamt elf Landkreise und drei kreisfreie Städte). Dies hat einerseits den Vorteil, dass regionale Spezifika – wie z. B. kleinräumige Auswirkungen des Klimawandels bzw. besondere regionale Anfälligkeiten – (zumindest theoretisch) unmittelbar vor Ort von der Regionalplanung berücksichtigt werden können, erschwert andererseits jedoch die planerische Anpassung an großräumige, über die bestehenden administrativen Grenzen der Regionalplanungseinheiten hinausgehende Auswirkungen des Klimawandels (z. B. in den Bereichen Freiraumschutz, Biotopverbund, Hochwasser- und Küstenschutz). Dieses Defizit wird aktuell auch von Seiten der Landesplanung nicht behoben, da das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen die Verantwortung für Freiraumschutz und Biotopverbund (abgesehen von den Natura 2000-Schutzgebieten) sowie die Flächenvorsorge in den Bereichen Hochwasser-, Küstenschutz und Kleigewinnung an die Regionalen Raumordnungsprogramme delegiert und hierzu keine eigenen Gebietsausweisungen vornimmt, sondern hierzu lediglich allgemeine Ziele und Grundsätze formuliert. Daraus folgt, dass zur Bewältigung großräumiger, die administrativen Grenzen der Landkreise bzw. kreisfreien Städte überschreitender Auswirkungen des Klimawandels nach aktueller Lage aufwändige Formen informeller regionaler Kooperation zur Abstimmung eines gemeinsamen Vorgehens zwischen betroffenen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten erforderlich sind. Der 9 Raumplanung I Ausgangsbedingungen oben beschriebene kleinräumige Zuschnitt der Planungseinheiten in Niedersachsen setzt den Regionalplanungsstellen in der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten jedoch zugleich enge Grenzen hinsichtlich ihrer personellen Ressourcenausstattung (z. T. „Ein-PersonenÄmter“), so dass für umfangreiche informelle Planverfahren zu neuartigen komplexen Themenstellungen (wie z. B. Anpassung an die Folgen des Klimawandels) oftmals die erforderlichen Kapazitäten fehlen. Generelle Hemmnisse für eine integrative Betrachtung des Themenfeldes „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ seitens der Regionalplanung können zudem aus der Dominanz der sektoralen Fachplanungen innerhalb des Planungssystems und der starken Stellung der landkreisangehörigen Städte und Gemeinden, die naturgemäß einen großen Einfluss auf die Regionalplanung auf Landkreisebene haben, resultieren. Das Spannungsverhältnis zwischen Fachplanungen, kommunaler Bauleitplanung und Regionalplanung ergibt sich aus der unterschiedlichen Aufgabenverteilung. Während die Fachplanungen auf sektorale Planungsgegenstände und die Bauleitplanung i. d. R. auf die Umsetzung lokaler Interessen abzielen, verfolgt die Regionalplanung einen integrativen, fach- und raumübergreifenden Ansatz. Allerdings bestehen bei den personell und finanziell überwiegend besser aufgestellten Fachplanungen bzw. in der Kommunalpolitik nicht zuletzt aufgrund der mangelnden Ressourcenausstattung der Regionalplanung z. T. erhebliche Akzeptanzprobleme bezüglich des regionalplanerischen Wirkungsgrads. Insgesamt erschweren diese Umstände, dass die Regionalplanung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels eine federführende Rolle übernehmen kann. 10 Raumplanung I Vision 2050 4. Vision 2050 für das Handlungsfeld Raumplanung Nachfolgend werden die Inhalte des Kapitels „02 Raum- und Regionalplanung“ der „Vision 2050 für einen klimaangepassten und resilienten Raum der Metropolregion BremenOldenburg im Nordwesten“5 zusammengefasst dargestellt. Die „Vision 2050“ ist im Dialog und unter Einbezug regionaler Experten entstanden und bietet einen Orientierungsrahmen für die Erstellung von Handlungsempfehlungen und –pfaden, um eine gewünschte klimaangepasste Region zu erreichen. Die Raumplanung hat im politisch-administrativen Umfeld eine Aufwertung erfahren und eine stärkere Stellung inne. In der Politik verfügt sie über ein höheres Gewicht und wird dort „besser“ gehört. Zwischen den raumbezogenen Fachplanungen und der räumlichen Gesamtplanung hat sich die materielle, formale und prozedurale Verzahnung verbessert. Bei den Fachplanungen besteht eine größere Bringbereitschaft gegenüber der räumlichen Gesamtplanung. Wo es der Klimawandel gebietet, erfolgt die Planung von Anpassungsstrategien und maßnahmen in größeren, kreisgrenzenübergreifenden Planungsräumen. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit und Planungsverbünde können Ressourcen gebündelt und besser eingesetzt werden. Climate Proofing ist in der Raumplanung verbindlich. Damit ist gesichert, dass Pläne, Programme und Vorhaben sowie die damit verbundenen Investitionen gegenüber den aktuellen und zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels resilient gemacht werden. Die Raumplanung agiert nicht mehr „nur“ im Sinne von Neuplanung unterschiedlichster Raumnutzungen, sondern hat auch Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Bestand. Das klassische Ordnungsrecht wird vermehrt durch den Einsatz informeller Instrumente zur Information, Beteiligung und Kooperation ergänzt. Die Zivilgesellschaft wird stärker und vor allem früher, etwa zum Agendasetting, eingebunden. Die Raumplanung übernimmt in diesem Zusammenhang die Rolle eines Moderators. Die Raumplanung zeigt Chancen und Risiken des Klimawandels auf, indem sie Szenarien erstellt, die einerseits mögliche Entwicklungstendenzen aufzeigen, andererseits aber auch Folgen verschiedener Anpassungsentscheidungen veranschaulichen. Formelle Pläne und Programmen werden um Zukunftsbilder ergänzt, die langfristige Entwicklungsziele (z. B. für eine resiliente Raumstruktur) veranschaulichen. Insgesamt wird Raumplanung stärker als flexibler und kooperativer Prozess verstanden und praktiziert. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass hinsichtlich der raumbezogenen Auswirkungen des Klimawandels vielfältige Unsicherheiten bestehen. 5 Projektkonsortium ‚nordwest2050‘ 2013: S. 13-16 11 Raumplanung I Handlungsempfehlungen und -pfade 5. Handlungsempfehlungen und Handlungspfade Aus der in Kapitel 3 dargestellten Analyse der Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche Klimafolgenanpassung in der Raumplanung (Potenziale und Defizite) und den in Kapitel 4 zusammengefassten Aussagen der „Vision 2050“ lassen sich folgende Kernanforderungen an eine „Roadmap of Change“ für das Handlungsfeld Raumplanung ableiten: Schaffung von klimawandelbezogenen Informations- und Wissensgrundlagen für Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit, klimawandelangepasste Optimierung von Planungsprozessen und -instrumenten, Stärkung der überörtlichen Planungsebene Im Folgenden werden den Kernanforderungen entsprechende Handlungsempfehlungen und Handlungspfade zugeordnet, die auf im Rahmen der Vulnerabilitätsanalyse6 durchgeführten Literaturrecherchen, Erkenntnissen aus KlimaMORO7 und KLIFF-IMPLAN8 sowie den Ergebnissen des Roadmap of Change-Workshops zum Handlungsfeld Raumplanung vom 09. April 2013 basieren. Während mit der Umsetzung der Handlungsempfehlungen innerhalb des kurzfristigen Zeithorizonts bis 2020 begonnen werden soll, zielt die Realisierung der Handlungspfade auf den mittel- bis langfristigen Zeithorizont von 2020 bis 2050 ab. 6 Schuchardt et al. 2011: S. 419-480; Spiekermann & Wittig 2012: S. 127-138 KlimaMORO – Modellvorhaben der Raumordnung „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“; BMVBS 2013 8 KLIFF-IMPLAN – Forschungsverbund „KLIFF – Klimafolgenforschung in Niedersachsen“, Querschnittsthema „IMPLAN – IMplementierung von Ergebnissen aus KLIFF in der räumlichen PLANung in Niedersachsen“; Franck & Peithmann 2010 7 12 Raumplanung I Handlungsempfehlungen und -pfade Erhebung und Bündelung von raumbezogenen Daten und Informationen Durchführung von Betroffenheits- /Vulnerabilitätsanalysen Sensibilisierung von Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit für das Thema Klimaanpassung Bereitstellung von Informationen für Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit Entwicklung von Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels Verbesserung der Zusammenarbeit von raumbezogenen Fachplanungen und räumlicher Gesamtplanung Schaffung von klimawandelbezogenen Informations- und Wissensgrundlagen für Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit Abbildung 1: Übersicht der Handlungspfade und Handlungsempfehlungen (Quelle Hintergrundbild: ico_daniel/ photocase.com) Einführung einer Klimawandelverträglichkeitsprüfung (Climate Proofing) Bereitstellung personeller und finanzieller Ressourcen wie auch geeignete Fortbildungsmöglichkeiten für Raumplanende Verstärkter Einsatz von informellen Instrumenten zur Information, Beteiligung und Kooperation von und mit betroffenen Akteuren Einrichtung eines Klimafolgeanpassungsfonds und Ersatz-/Tauschflächen-Pools Klimawandelangepasste Optimierung von Planungsprozessen und instrumenten Verbesserung der Handlungsmöglichkeiten zur Bewältigung überregionaler Anpassungserfordernisse Stärkung der überörtlichen Planungsebene Entwicklung und Berücksichtigung von Szenarien und Zukunftsbildern Zeitliche Befristung von Raumnutzungen Schaffung finanzieller Anreize z.B. Städtebauförderung Aufwertung der Regionalplanung Institutionalisierung eines Regionalmanagements Heute 2020 H a n d l u n g s e m p f e h l u n g e n 2030 2040 2050 H a n d l u n g s p f a d e 13 Raumplanung I Handlungsempfehlungen und -pfade 5.1 Schaffung von klimawandelbezogenen Informations- und Wissensgrundlagen für Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit Handlungsempfehlungen Erhebung und Bündelung von raumbezogenen Daten und Informationen Die Erstellung von Klimawandel-Betroffenheits- bzw. Vulnerabilitätsanalysen (s. u.) und die Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen erfordern entsprechende Daten- und Informationsgrundlagen aus zahlreichen Quellen (z. B. von Landkreisen, Gemeinden, Fachplanungsträgern und anderen Akteuren). Viele der erforderlichen raum- und umweltbezogenen Daten und Informationen sind vorhanden. Sie wurden zwar meist in anderen Zusammenhängen erhoben, können aber bei entsprechender Auswertung, Kombination oder Interpretation für den sachlichen Kontext der Klimawandel-Betroffenheit/Vulnerabilität bzw. Klimafolgenanpassung genutzt werden. Da der Informationsgehalt der vorhandenen Daten z. T. nicht ausreichen wird, um abwägungsfeste Kriterien zu erhalten, müssen die jeweiligen Datengrundlagen weiter verbessert werden. Noch fehlende Daten und Informationen müssen in entsprechender Qualität zusätzlich ermittelt werden. Des Weiteren ist die Fortschreibung der relevanten Daten im Rahmen eines Monitorings erforderlich. Eine weitere Aufgabe besteht darin, die einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen entstammenden Daten- und Informationsgrundlagen zu bündeln und für die Erstellung von KlimawandelBetroffenheits- bzw. Vulnerabilitätsanalysen (s. u.) bzw. Anpassungsplanungen verfügbar zu machen. Dies könnte durch eine zentrale, fachübergreifende Informations- und Dialogplattform gewährleistet werden, für deren Pflege und Betrieb in erster Linie die querschnittsorientierte räumliche Gesamtplanung in Frage kommt. Durchführung von Betroffenheits-/Vulnerabilitätsanalysen Die Untersuchung und Bewertung der räumlichen Betroffenheit gegenüber dem Klimawandel, durch die sowohl mögliche Risiken als auch sich bietende Chancen aufgezeigt werden können, stellt eine wichtige Grundlage für die Sensibilisierung von Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit und einen unverzichtbaren Baustein für die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels dar. Nur wenn bekannt ist, welche Raumnutzungen, strukturen und -funktionen in welcher Form durch den Klimawandel beeinflusst werden, kann die Raumplanung mit ihren Instrumenten reagieren. Daneben bieten entsprechende Analysen nützliche Gefahren- bzw. Risikoinformationen für betroffene Akteure und die Bevölkerung, die diese zur Eigenvorsorge animieren können. Raumbezogene Klimawandel-Betroffenheits- bzw. Vulnerabilitätsanalysen können – je nach erforderlichem Betrachtungsraum – für unterschiedliche Ebenen (z. B. regional oder lokal) erstellt werden. Damit die Ergebnisse der Analysen in möglichst verbindlicher Form als Planungsgrundlage Eingang in formelle Pläne oder Programme finden können, müssen sie unter Anwendung anerkannter wissenschaftlicher Methoden und Standards durchgeführt werden und dabei geeignete und belastbare Daten und Indikatoren verwenden. Da der Klimawandel ein fortschreitender Prozess ist, kann die Erstellung von Betroffenheits- bzw. Vulnerabilitätsanalysen keine einmalige Angelegenheit sein, sondern bedarf der Fortschreibung. Durch ein systematisches Monitoring können sowohl neue Erkenntnisse zu den raumrelevanten Folgen des Klimawandels berücksichtigt als auch bereits umgesetzte Anpassungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer intendierten Wirkung, nämlich der Reduktion der Klimawandel-Betroffenheit bzw. Vulnerabilität, evaluiert werden. 14 Raumplanung I Handlungsempfehlungen und -pfade Bereitstellung von Informationen für Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit Um dem oftmals noch mangelnden Bewusstsein und Wissen hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels und der Notwendigkeit von Anpassung in Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit (s. Abschnitt 3.1) entgegenzuwirken und damit eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung und Umsetzung von Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sowohl im Bereich der öffentlichen Planung als auch im Bereich der privaten Vorsorge zu schaffen, ist die Bereitstellung von Informationen in unterschiedlicher Form für verschiedene Zielgruppen erforderlich. Mögliche Maßnahmen sind z. B.: praxisorientierte Aufbereitungen der Möglichkeiten des planerischen Umgangs mit den Folgen des Klimawandels für die regionale und lokale Planungsebene (z. B. in Form von Arbeitshilfen und Leitfäden), Angebot von Fortbildungsmöglichkeiten zur Aneignung von Kompetenzen im Aufgabenbereich „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ für PlanerInnen, Bereitstellung von internetgestützten Informationsangeboten (z. B. Geoinformationssysteme zur Darstellung von Klimawandel-Betroffenheiten/Vulnerabilitäten bzw. von Gefahren- und Risikokarten, Entscheidungsunterstützungssysteme zur Darstellung von Anpassungsoptionen), Bereitstellung von entscheidungsvorbereitenden Unterlagen zum Thema „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ für die Politik, Erstellung von zielgruppenspezifischen Informationsmaterialien (z. B. Broschüren, Wurfsendungen) zum Thema „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“, Durchführung von Informationsveranstaltungen (z. B. Bürgerversammlungen, Vortragsund Diskussionsforen) zum Thema „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“, Erarbeitung und Bereitstellung von Informations- und Lehrmaterialien zum Thema „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ für den Einsatz in Schulen, ggf. auch internetbasierte Plattformen mit digital zu lösenden Aufgabenstellungen Verbesserung der Zusammenarbeit von raumbezogenen Fachplanungen und räumlicher Gesamtplanung Bei der Entwicklung und Umsetzung von raumrelevanten Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist eine integrierte Betrachtung und Abwägung der verschiedenen sektoralen Ansprüche erforderlich. Um dies zu gewährleisten, bedarf es einer besseren Vernetzung und effektiveren Zusammenarbeit der raumbezogenen Fachplanungen und der räumlichen Gesamtplanung. Grundsätzliche Ansatzpunkte zur Verbesserung des Zusammenwirkens bestehen in der Erstellung und Nutzung einer gemeinsamen Datenbasis (s. dazu auch den Punkt „Erhebung und Bündelung von raumbezogenen Daten und Informationen“ weiter oben), der frühzeitigen und fortwährenden Koordination von fachplanerischen Belangen mit den Erfordernissen der gesamträumlichen Planung durch Abstimmungsprozesse (Hierfür wäre die Verankerung einer entsprechenden Forderung in denjenigen Fachgesetzen hilfreich, die dies bisher nicht ausdrücklich vorsehen.) sowie der Harmonisierung der Fortschreibungszyklen von fach- und gesamtplanerischen Plänen und Programmen zum Zweck einer verbesserten Integrationsfähigkeit von Plan/Programminhalten. Um den Fachplanungen den Mehrwert einer engen Zusammenarbeit mit der räumlichen Gesamtplanung aufzuzeigen, bedarf es einer Art „Werbekampagne“, durch die den Fachplanungen verdeutlicht wird, warum sich eine intensive Kooperation lohnen kann. Dies ist z. B. dann der Fall, 15 Raumplanung I Handlungsempfehlungen und -pfade wenn die räumliche Gesamtplanung mit ihren Gebietsausweisungen über die fachplanerischen Festsetzungsmöglichkeiten hinausgehen kann oder wenn bei unterschiedlichen sektoralen Ansprüchen durch fachübergreifende Koordination seitens der räumlichen Gesamtplanung Nutzungs- bzw. Zielkonflikte vermieden oder Synergien genutzt werden können. 5.2 Klimawandelangepasste Optimierung von Planungsprozessen und – instrumenten Handlungsempfehlungen Einführung einer Klimawandelverträglichkeitsprüfung (Climate Proofing) Um eine nachhaltige Raumentwicklung bzw. eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten, sollten bei der Ausarbeitung und Annahme bzw. Genehmigung von Plänen, Programmen und Vorhaben die möglichen Auswirkungen des Klimawandels vorausschauend berücksichtigt werden. Ein entsprechendes Konzept in der aktuellen Diskussion stellt das „Climate Proofing“ dar, dessen Ziel es ist, ein hohes Niveau an Resilienz und Anpassungsfähigkeit der Raumnutzungen und -funktionen gegenüber den aktuellen und zukünftigen Folgen des Klimawandels sicherzustellen. Für die Implementierung eines Climate Proofings bieten sich grundsätzlich folgende drei Möglichkeiten an: 1) Einführung eines neuen Prüfinstruments, 2) Integration des Climate Proofings in die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bzw. Strategische Umweltprüfung (SUP) und 3) Berücksichtigung des Climate Proofings im Rahmen der planerischen Abwägung. Während die erste Option aufgrund des erheblichen Zusatzaufwandes von der Planungspraxis als nicht realistisch angesehen wird, könnte die methodische Weiterentwicklung der UVP bzw. SUP einen Prüfansatz darstellen, der mit vertretbarem Aufwand zu realisieren wäre. Um im Rahmen der UVP bzw. SUP die zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels auf heutige Vorhaben bzw. Pläne und Programme abschätzen zu können, wäre jedoch eine Perspektivenerweiterung erforderlich. In Ergänzung zum heutigen Fokus der UVP bzw. SUP, bei dem die Auswirkungen eines Vorhabens oder Plans/Programms auf die Umwelt betrachtet werden, wären dann auch die möglichen zukünftigen Auswirkungen klimawandelbedingt veränderter Umweltbedingungen auf ein Vorhaben bzw. einen Plan/ein Programm zu untersuchen. Für die dritte Option spricht, dass die Berücksichtigung von Umweltbelangen – und damit auch von Klimawandelaspekten – ohnehin obligatorisch bei der Abwägung zu berücksichtigen ist. In jedem Falle sind für das Climate Proofing entsprechende Prüfkriterien zu entwickeln. Verstärkter Einsatz von informellen Instrumenten zur Information, Beteiligung und Kooperation von und mit betroffenen Akteuren Das Potenzial informeller Instrumente besteht darin, Bewusstsein und Akzeptanz für das Thema „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ zu schaffen, betroffene Akteurs- und Interessengruppen einzubinden und gemeinsame Strategien und Maßnahmen zu entwickeln. Aus diesem Grund sollte das ordnungsrechtliche Instrumentarium stärker durch den Einsatz informeller Instrumente zur Information (s. dazu den Punkt „Bereitstellung von Informationen für Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit“ in Abschnitt 5.1) sowie zur Beteiligung und Kooperation (z. B. Durchführung von Leitbildprozessen, Erstellung von Entwicklungskonzepten, Konfliktbewältigung in kooperativen Verfahren) ergänzt werden. Dazu wären bestehende informelle Planungsansätze und prozesse (z. B. Regionalmanagement (s. dazu auch den Punkt „Institutionalisierung eines Regionalmanagements“ in Abschnitt 5.3), Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM), integrierte ländliche Entwicklung (ILE)) auszubauen. Um die erforderliche Verbindlichkeit von Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels herzustellen, sollten die Ergebnis- 16 Raumplanung I Handlungsempfehlungen und -pfade se informeller Beteiligungs- und Kooperationsinstrumente als verbindliche Aussagen in formelle Pläne und Programme überführt werden. Da eine verstärkte Anwendung informeller Instrumente zum einen mit z. T. erheblichem Mehraufwand verbunden ist und zum anderen die Aneignung bzw. Erweiterung von Methodenkompetenzen erfordert, wären sowohl entsprechende personelle und finanzielle Ressourcen als auch geeignete Fortbildungsmöglichkeiten für Raumplaner und Raumplanerinnen bereitzustellen. Entwicklung und Berücksichtigung von Szenarien und Zukunftsbildern in der Raumplanung Um die Bandbreite möglicher Auswirkungen des Klimawandels bei der Entwicklung von Anpassungsstrategien und -maßnahmen berücksichtigen zu können, kommt dem Einsatz von Szenarien und Simulationen in der Planung eine hohe Bedeutung zu. Das Denken in Szenarien bzw. die Veranschaulichung durch Simulationen bieten die Möglichkeit, unterschiedliche Entwicklungspfade und daraus resultierende Handlungsbedarfe aufzuzeigen und diese bei Planungsentscheidungen mitzudenken. Ebenso können Zukunftsbilder bzw. Visionen, die unter Einbindung der betroffenen Akteure erarbeitet werden, ein geeignetes Instrument darstellen, um langfristige räumliche Entwicklungsvorstellungen der Klimafolgenanpassung zu skizzieren, die dann – je nach Konkretisierungsgrad – nach und nach in die formellen Pläne und Programme überführt werden können. Zeitliche Befristung von Raumnutzungen In Anbetracht der unsicheren und langfristigen Entwicklungspfade des Klimawandels und seiner Folgewirkungen kommt der Nachjustierbarkeit von Planungen, durch die eine fortlaufende Anpassung an sich ändernde Randbedingungen und die Berücksichtigung zusätzlichen Erkenntnisgewinns ermöglicht wird, ein besonderes Gewicht zu. In von Klimawandelfolgen (z. B. Überschwemmungen) bedrohten Räumen kann daher die zeitliche Befristung bestimmter Raumnutzungen an Bedeutung gewinnen. Dazu wäre die aus der Bauleitplanung bereits bekannte Kategorie der „Zwischennutzungen“ (§ 9 Abs. 2 BauGB) ggfs. auch im regionalen Maßstab, d. h. im Bereich der Raumordnung, anzuwenden. Als Zwischennutzungen werden solche Raumnutzungen bezeichnet, die nur für einen begrenzten Zeitraum bzw. bis zum Eintritt bestimmter Umstände (in diesem Fall: Eintritt bestimmter, der Nutzung entgegenstehender Auswirkungen des Klimawandels) zulässig sind. Die zeitliche Befristung von Nutzungen wird allerdings auch kritisch gesehen, da oftmals Akzeptanzprobleme entstehen, wenn die entsprechenden Nutzungen nach Ablauf der Frist bzw. bei Eintritt entsprechender Umstände aufgegeben werden müssen. Schaffung finanzieller Anreize Ein wichtiger strategischer Ansatz, insbesondere um Einfluss auf bestehende Raum- und Flächennutzungen auszuüben, besteht in der Nutzung geeigneter fiskalischer Instrumente zur Unterstützung raumrelevanter Ziele der Klimafolgenanpassung. Dies ist z. B. durch die Integration des Themas „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ in raumwirksame Förderprogramme und -politiken (z. B. EU-Strukturfonds, Städtebauförderung, Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“) oder die Implementierung ökonomischer Anreizsysteme (z. B. gesplittete Abwassergebühr bei dezentraler Regenwasserbewirtschaftung) möglich. 17 Raumplanung I Handlungsempfehlungen und -pfade Handlungspfad Einrichtung eines Klimafolgenanpassungsfonds und Ersatz-/Tauschflächen-Pools Da viele der erforderlichen Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels mit zusätzlicher Flächeninanspruchnahme bzw. Einschränkungen bestehender Flächennutzungen einhergehen, ist deren Umsetzung oftmals nur durch Bereitstellung von Ersatz-/Tauschflächen bzw. durch finanzielle Kompensation für die Betroffenen möglich. Um die erforderlichen finanziellen Mittel für den frühzeitigen Erwerb von Ersatz-/Tauschflächen – und damit für den Aufbau eines Flächenpools – bereitstellen bzw. etwaige Kompensationszahlungen leisten zu können, wäre die Einrichtung eines Klimafolgenanpassungsfonds in Erwägung zu ziehen. Auch wenn die Realisierung bestimmter Anpassungsmaßnahmen erst in fernerer Zukunft erforderlich ist, müsste mit der Einrichtung eines Klimafolgenanpassungsfonds bzw. Flächenpools rechtzeitig begonnen werden, um das notwendige Kapital aufbauen und vorausschauend die entsprechenden Flächen erwerben zu können. 5.3 Stärkung der überörtlichen Planungsebene Handlungsempfehlungen Aufwertung der Regionalplanung Die Regionalplanung hat die Aufgabe, die sich bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels ergebenden überörtlichen Raumansprüche und die aus Sicht der sektoralen Fachplanungen notwendigen Anpassungsmaßnahmen integrativ zu koordinieren. Damit sie diese Aufgabe nicht nur – wie nach aktuellem Stand z. T. der Fall – überwiegend reagierend ausfüllt, sondern agierend und gestaltend tätig werden kann, bedarf es einer entsprechenden Akzeptanz und Stellung innerhalb des politisch-administrativen Systems (d. h. bei Politik und Fachplanungen) sowie einer ausreichenden Ressourcenausstattung der Regionalplanungsstellen. Neben der Verbesserung der personellen und finanziellen Ressourcen, kann zur Aufwertung der Regionalplanung insbesondere auch deren Institutionalisierung als Stabsstelle beitragen. Dadurch kann die fachplanungsübergeordnete Rolle der Regionalplanung gestärkt und dem bestehenden Manko entgegengewirkt werden, dass die Verwaltungsstrukturen zu stark fachplanungsorientiert und zu wenig integrativ ausgerichtet sind. Darüber hinaus kann die daraus resultierende größere Nähe zu den politischen Entscheidungsträgern die Funktion der Regionalplanung als Politikberater fördern, was im Hinblick auf die Klimafolgenanpassung insofern von Vorteil ist, dass die Politik stärker für das Erfordernis einer räumlich integrierten Vorgehensweise bei der Entwicklung und Umsetzung von Anpassungsstrategien und -maßnahmen sensibilisiert werden kann. Institutionalisierung eines Regionalmanagements Einen vielversprechenden Ansatz zur Entwicklung und Umsetzung raumbezogener Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels stellt das informelle Instrument des Regionalmanagements dar, das als Dialog-, Kooperations- und Koordinationsplattform fungieren und im Vergleich zur formellen Regionalplanung stärker handlungs- und umsetzungsorientiert agieren kann. Eine Stärke des Regionalmanagements liegt in der ausgeprägten Adressatenorientierung, die besonders dann von Vorteil ist, wenn es – wie im Kontext der Klimafolgenanpassung – darum geht, Abstimmungs- und Aushandlungsprozesse zwischen betroffenen Akteuren zu initiieren. Im Rahmen von Regionalmanagementprozessen bieten Regionale Entwicklungskonzepte (REK) die Chance, Leitbilder und Lösungsansätze für besondere Problemlagen oder neue räumliche Aufgabenstellungen, wie z. B. die Anpassung an die Folgen des Klimawandels, zu entwickeln und auf diese Weise entsprechende Festlegungen in den formellen Raum- 18 Raumplanung I Handlungsempfehlungen und -pfade ordnungsprogrammen vorzubereiten. Der Bezugsraum eines REK muss dabei nicht auf bestehende Planungsregionen beschränkt sein, sondern kann aus einem freiwilligen Zusammenschluss von Gebietskörperschaften auf der Basis funktionaler Beziehungen resultieren, was im Hinblick auf die Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels, die nicht an administrativen Grenzen Halt machen, von Vorteil ist. Aufgrund ihrer überfachlichen Sichtweise und ihres regionalen Bezugs ist die Regionalplanung prädestiniert dafür, Regionalmanagementprozesse zu initiieren und zu moderieren. Voraussetzung hierfür sind allerdings ausreichende Finanz- und Personalressourcen, an denen es den Regionalplanungsstellen in der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten – wie in Abschnitt 3.3 beschrieben – jedoch mangelt. Regionalmanagement wird derzeit allenfalls auf freiwilliger Basis und im Rahmen von Förderprogrammen (z. B. Integrierte ländliche Entwicklung, LEADER) durchgeführt. Um die Potenziale des Regionalmanagements konsequenter nutzen zu können, sollte daher dessen flächendeckende Institutionalisierung als ein die formelle Regionalplanung begleitender entwicklungsorientierter Prozess, der sich mit den jeweils drängenden Fragen der Regionalentwicklung (z. B. Anpassung an die Folgen des Klimawandels) auseinandersetzt, erwogen werden. Dazu wären die Regionalplanungsstellen mit entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen auszustatten. Handlungspfad Verbesserung der Handlungsmöglichkeiten zur Bewältigung überregionaler Anpassungserfordernisse Wie in Abschnitt 3.3 bereits erläutert, kann es für verschiedene klimawandelbedingte Anpassungserfordernisse (z. B. in den Bereichen Freiraumschutz, Biotopverbund, Hochwasser- und Küstenschutz) zielführend sein, größere, über die Regionalplanungseinheiten (Landkreise und kreisfreie Städte) hinausgehende Planungszusammenhänge zu betrachten. Hierzu kommen grundsätzlich folgende Möglichkeiten in Frage: verstärkte Orientierung an funktional abgegrenzten Planungsräumen (wie im Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (Einrichtung von Gebietskooperationen) und Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie bereits gefordert) mit entsprechender Abstimmung zwischen den betroffenen Regionalplanungseinheiten, Verbesserung der kreisgrenzenübergreifenden Zusammenarbeit durch Ausbau bestehender bzw. Schaffung neuer Kooperationsmodelle und Netzwerke (bereits vorhandene Beispiele: Arbeitskreis Raumstruktur der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten, Regionalforum Bremerhaven, Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen), Zusammenführung bestehender Regionalplanungseinheiten zu größeren Zweckverbänden Darüber hinaus sollten bei sehr großräumigen und/oder stark konfliktbehafteten Anpassungserfordernissen (z. B. Realisierung von flächenhaften Küstenschutzmaßnahmen) stärkere Vorgaben von Seiten der Landes- oder sogar der Bundesraumordnung erfolgen, da die Tragweite der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen die regionale Handlungsfähigkeit übersteigen kann. 19 Raumplanung I Handlungsempfehlungen und -pfade 6. Literaturverzeichnis BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2013): Wie kann Regionalplanung zur Anpassung an den Klimawandel beitragen? Ergebnisbericht des Modellvorhabens der Raumordnung „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“ (KlimaMORO). Berlin Franck, E. & O. Peithmann (2010): Regionalplanung und Klimaanpassung in Niedersachsen. E-Paper der ARL Nr. 9. Hannover Fichter, Klaus / Hintemann, Ralph, 2010, Leitfaden Innovationspotenzialanalyse, nordwest2050-Werkstattbericht, Nr. 5, Oldenburg Projektkonsortium ‚nordwest2050‘ (Hrsg.) (2013): Vision 2050 für einen klimaangepassten und resilienten Raum der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten. Bremen/Delmenhorst/Oldenburg Schuchardt, B., S. Wittig & J. Spiekermann (2011): Klimawandel in der Metropolregion Bremen-Oldenburg – Regionale Analyse der Vulnerabilität ausgewählter Sektoren und Handlungsbereiche. 11. Werkstattbericht im Rahmen des Forschungsverbundes ‚nordwest2050 – Perspektiven für klimaangepasste Innovationsprozesse in der Metropolregion BremenOldenburg im Nordwesten‘ Spiekermann, J. & S. Wittig (2012): Raumplanung. In: B. Schuchardt & S. Wittig (Hrsg.): Vulnerabilität der Metropolregion Bremen-Oldenburg gegenüber dem Klimawandel (Synthesebericht). Nordwest2050-Berichte Heft 2. Bremen/Oldenburg, Projektkonsortium ‚nordwest2050‘: S. 127-138 20