1 Die Probleme der Finanzierung sind vor allem im - Wiley-VCH

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Die Probleme der Finanzierung
sind vor allem im Mittelstand bekannt
1.1 Mittelstand als Wachstums- und Innovationsmotor
Durch die Heterogenität der mittelständischen Betriebe gibt es in Literatur
und Praxis unterschiedliche Definitionen des Mittelstandsbegriffs. Am häufigsten werden die quantitativen Kriterien Anzahl der Mitarbeiter, Unternehmensumsatz und Bilanzsumme zur Klassifizierung herangezogen.
Seit dem 1. Januar 2005 gilt eine neue Empfehlung der EU zur Definition
der Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen (KMU), die im Zuge der Harmonisierung von der Europäischen Kommission verabschiedet wurde. Aufgrund dieser Empfehlung sind europäische KMU-Förderprogramme nur
noch für diejenigen Unternehmen zugänglich, die tatsächlich die Merkmale
für KMU gemäß der EU-Definition aufweisen. Ein KMU muss demnach
weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen und entweder einen Umsatz von
weniger als 50 Millionen c oder eine Bilanzsumme von weniger als 43 Millionen c ausweisen. Außerdem muss das Unternehmen unabhängig sein,
das heißt, es darf in der Regel nicht zu mehr als 25 % im Besitz eines anderen Unternehmens sein.
Auch in Deutschland findet die EU-Definition immer mehr Beachtung,
zumindest in Bezug auf die Beschäftigtenzahl, und wird zunehmend auch
von nationalen Einrichtungen wie der KfW-Mittelstandsbank angewendet.
Das Zusatzkriterium der Unabhängigkeit ist strittig, da in vielen KMU
große Firmenanteile häufig in der Hand weniger oder einzelner Familiengesellschafter liegen. Insbesondere in Deutschland wird daher dieses Kriterium für öffentliche Regelungen nicht angewandt.
Die folgende Abbildung zeigt die von der EU festgelegten definitorischen
Schwellenwerte.
Neben diesen quantitativen Merkmalen gibt es auch qualitative Charakteristika von kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Oft handelt es sich bei KMU um Familienunternehmen, in denen die Geschäftsführung durch ein Mitglied der Familie übernommen wird, das
Handbuch Alternative Finanzierungsformen. Ottmar Schneck
Copyright © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
ISBN 3-527-50219-X
Quelle: http://europa.eu.int/rapid/pressReleasesAction.do
Abb. 1: Kriterien der Europäischen Kommission für KMU
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Finanzierung sind vor
allem im Mittelstand
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gleichzeitig zum Gesellschafterkreis des Unternehmens gehört. Auf diese
Weise werden Management, Risiko und Kapitalbesitz in einer Person vereint
und es entsteht eine Struktur, bei der die Unternehmerpersönlichkeit die
Rolle eines Patriarchen einnimmt, der über einen großen Einflussbereich
verfügt und nur schwer zu ersetzen ist. Ein weiteres qualitatives Merkmal ist
die weitgehende Konzernunabhängigkeit der KMU und die somit hohe
Selbstständigkeit der Unternehmen. Diese Unabhängigkeit schränkt aber in
vielen Fällen die Möglichkeiten der externen Kapitalbeschaffung ein.
Aufgrund der relativ kurzen Informationswege können kleine und mittelständische Unternehmen flexibler handeln, als es großen, breit aufgestellten Konzernen möglich ist. KMU besitzen meistens nur einen geringen
Marktanteil und verfügen über in Menge und Sortimentbreite begrenzte
Technologien, Produkte und Dienstleistungen. Dafür spezialisieren sie sich
meist auf einen bestimmten Kundenkreis und bieten auch individualisierte
Leistungen an. Bedingt durch den großen Anteil bedarfsorientierter Produktion, die Spezialisierung auf kleine Marktsegmente und die Nähe zum
Kunden verfügen die Verantwortlichen im Mittelstand meist über große
Markt- und Produktkenntnis. Häufig handelt es sich bei den Geschäftsführern um die Gründer des Unternehmens oder um Personen, die beispielsweise durch Erfindungen einen direkten Bezug zu Produkt und Markt haben.
KMU sind überwiegend Einzelunternehmen oder kleine Kapitalgesellschaften, da die hohen Anforderungen an eine Publikumsgesellschaft beziehungsweise für einen Börsengang nur ab einem bestimmten Umsatzvolumen erfüllt werden können. Die häufig fehlende Trennung von Unternehmens- und Privatvermögen lässt nur die Rechtsform einer Einzelunternehmung oder einer Personengesellschaft wie zum Beispiel der offenen
Handelsgesellschaft (OHG) zu, da hier die Eigentümer auch mit ihrem Privatvermögen haften und somit bessere Kreditaussichten bei Banken haben.
Für umsatzstärkere Unternehmen mit einem größeren Kreis an Eigentümern ist dagegen die Rechtsform der GmbH üblich. Der Vorteil hierbei ist
die beschränkte Haftung der Gesellschafter, die abhängig von der Höhe des
durch sie eingebrachten Stammkapitals an den Unternehmensgewinnen beteiligt sind.
Da also die meisten KMU nicht börsennotiert sind, stehen sie weniger in
der Öffentlichkeit und unterliegen seltener permanentem Wachstumsdruck. Deswegen verfolgen KMU oftmals langfristig angesetzte Strategien
in Bezug auf ihre Unternehmensentwicklung. Auch hinsichtlich ihrer Personalpolitik lassen sich die kleinen und mittelständischen Unternehmen
von Konzernen unterscheiden. So ist dort die Mitarbeiterfluktuation gering
und einer persönlichen Beziehung zu den Mitarbeitern wird große Bedeutung beigemessen. Dies zeigt sich vor allem beim vorsichtigen Abbau des
Personalstamms in Krisensituationen und den damit einhergehenden Sorgen um den Verlust der Reputation des KMU in seiner Region. Im Gegensatz zu international agierenden Großunternehmen sind die KMU oftmals
stark in ihrer Region verwurzelt. Häufig haben sie große regionale Bedeutung erlangt, indem sie mehreren Generationen als Arbeitgeber gedient und
somit wesentlich zum wirtschaftlichen Wohlstand eines Ortes beigetragen
haben. Für die Unternehmen hat diese Bindung an eine Region den Vorteil
eines hohen Bekanntheitsgrades auf der einen und den eines angestammten
und treuen Kundenkreises auf der anderen Seite. Auch wenn der Großteil
der KMU aufgrund ihrer begrenzten Kapazität schwerpunktmäßig auf ihrem Heimatmarkt tätig ist, gibt es kleine und mittelständische Unternehmen, die mit ihren hoch spezialisierten Produkten weltweit marktführend
sind und auch im Ausland agieren. Die regional aufgestellten, mittelständischen Betriebe haben aber vor allem eine große Bedeutung für den Binnenmarkt. Im Jahr 2005 hat lediglich jedes zehnte KMU Teile seines Umsatzes
im Ausland erwirtschaftet. Auch wenn die geringe Exportquote mit der vollzogenen EU-Osterweiterung weiter steigen wird, konzentriert sich der deutsche Mittelstand auch weiterhin auf den Binnenmarkt. Bei den Betrieben
mit mehr als 50 Millionen c Umsatz hingegen sind bereits knapp 75 % im
Ausland aktiv. In Zeiten zunehmender Globalisierung stützt der Mittelstand
daher den wichtigen Binnenmarkt und sichert hier Stabilität und Wachstum.
Oftmals als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet, erzeugen die
über 3 Millionen KMU in Deutschland knapp 50 % der Wertschöpfung dieses Landes, sorgen für mehr als 70 % der Beschäftigung und tragen darüber
hinaus mit durchschnittlich acht von zehn Ausbildungsplätzen wesentlich
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zur Förderung und Stabilisierung des Arbeitsmarktes bei. Bei diesen Daten
handelt es sich um Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in
Bonn, das jährlich einen Mittelstandsreport publiziert. Gesamtwirtschaftlich
gesehen gilt der Mittelstand besonders durch die von ihm ausgehende Innovationskraft als Wachstumsmotor. Ein beständiger Zwang zu Innovationen führt auch bei KMU zu Forschungs- und Entwicklungsausgaben und
oftmals zu einer Vorreiterrolle bei der Produktion neuer, innovativer Produkte. Bestehen diese Innovationen später im Markt, werden die produzierenden KMU zu lukrativen Zulieferern für Großbetriebe. Auf diese Weise
bietet sich den Konzernen die Möglichkeit einer höheren Produktdiversifizierung und gleichzeitig einer kostengünstigeren Produktion. Letzteres
trifft in Deutschland besonders auf die Automobilbranche zu. Hier wird eine Vielzahl der Autobauteile nicht mehr von den Herstellern selbst gefertigt,
sondern von regionalen, oftmals mittelständischen Unternehmen bezogen,
die sich im Laufe der Jahre in einer Marktnische einen Namen gemacht haben. Die KMU profitieren bei dieser Geschäftsbeziehung von einem Kunden, der ihnen regelmäßig große Mengen abnimmt, während die Großbetriebe durch Outsourcing ihre Transaktionskosten und Risiken senken können.
Sowohl in Deutschland als auch im gesamten EU-Raum machen die kleinen und mittelständischen Unternehmen anzahlmäßig über 99 % aller
Unternehmen aus. Hiervon wiederum beschäftigen neun von zehn Betriebe weniger als zehn Mitarbeiter, sind also nach den neuen Kriterien der EUKommission Kleinstbetriebe. Die Bedeutung des Mittelstandes zeigt sich
auch anhand seiner Beschäftigungsquoten, auch wenn diese innerhalb der
EU unterschiedlich ausfallen. So weisen England und Deutschland aufgrund der verhältnismäßig vielen Großbetriebe eine Beschäftigungsquote
bei KMU von rund 60 % auf, im Gegensatz beispielsweise zu Italien und
Spanien, bei denen mehr als 80 % der Arbeitsstellen auf den Mittelstand entfallen.
Natürlich spielen auch die politisch geschaffenen Rahmenbedingungen
der jeweiligen Länder eine große Rolle. Die Regierungen der Länder haben
die Möglichkeit, zum Beispiel durch eine Senkung der Unternehmenssteuern oder durch Bürokratieabbau bessere Bedingungen für mittelständische
Unternehmen und so wichtige Voraussetzungen für Wachstum und Innovation zu schaffen. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine gezielte
Mittelstandspolitik, welche die Wettbewerbsfähigkeit, die Effizienzsteigerung und den Risikoausgleich der KMU unterstützt. Der Großteil der Maßnahmen geht vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aus, wobei
sich auch halböffentliche Einrichtungen wie die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen oder die Bundesstelle für Außenhandelsinformationen an verschiedenen Projekten beteiligen. Mit wichtigen Finanzierungsfragen des Mittelstandes befasst sich zudem die Kreditanstalt
für Wiederaufbau (KfW), die langfristig festgesetzte Unternehmerkredite zu
günstigen Zinssätzen vergibt und so die Investitionstätigkeiten des Mittelstands fördert.
1.2 Die Eigenkapitalproblematik im deutschen Mittelstand
Bevor auf die Eigenkapitalproblematik der deutschen KMU eingegangen
wird, sollen die Funktionen des Eigenkapitals kurz erläutert werden.
Zunächst dient Eigenkapital zur Vor- und Anlauffinanzierung bei der
Gründung einer Unternehmung. In Abhängigkeit von der gewählten
Rechtsform muss das Gründungskapital bei einer GmbH laut § 5 GmbHG
mindestens 25 000 c, bei einer Aktiengesellschaft laut § 7 AktG mindestens
50 000 c betragen. Gegenüber Investoren, Gläubigern und Kapitalgebern
bildet Eigenkapital die Haftungsbasis. Das Eigenkapital haftet für mögliche
Verluste und garantiert damit die Rückzahlung des Fremdkapitals. Erst im
Fall einer Insolvenz ist die Rückzahlungsfähigkeit in Gefahr. Eigenkapital
kann zudem ein Risikopolster für im laufenden Geschäftsbetrieb auftretende Verluste des Unternehmens darstellen und helfen, Liquiditätsengpässe
oder die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens abzuwenden. Besonders in konjunkturell schwierigen Zeiten und in Zeiten beschleunigten
Strukturwandels ist diese Eigenkapitalfunktion von Bedeutung. Neben dem
Vermeiden von Liquiditätsengpässen gewährleistet eine hohe Eigenkapitalquote dem Unternehmen auch ein hohes Maß an Dispositionsfreiheit. Durch
die Unabhängigkeit von Fremdkapitalgebern können bei entsprechendem Eigenkapitalengagement risikoreichere Investitionen getätigt werden, ohne in
zähe Verhandlungen mit dem Fremdkapitalgeber über jedes Detail der Investition treten zu müssen. Zudem bildet das Eigenkapital die Basis für die Gewinnbeteiligung der Eigenkapitalgeber. Idealtypisch bemisst sich der Gewinnanteil der einzelnen Eigenkapitalgeber am eingebrachten Kapital im Verhältnis zum gesamten Eigenkapital des Unternehmens. Die Gewinnbeteiligung soll das Risiko von Haftung und Verlust ausgleichen und belohnen.
Abbildung 2 verdeutlicht den Eigenkapitalschwund in deutschen Unternehmen im Lauf der letzten 40 Jahre. Mitte der 1960er-Jahre betrug die Eigenkapitalquote noch rund 30 %, aktuell nur noch rund 9 %. Mit wenigen
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Eigenkapitalproblematik
im deutschen
Mittelstand
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte
Abb. 2: Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen in % der
Bilanzsumme
Ausnahmen, so zum Beispiel der Energiewirtschaft, besteht die Eigenkapitalschwäche in allen Branchen.
Im Vergleich zu Großkonzernen sind mittelständische Unternehmen
durch eine sehr geringe Eigenkapitalausstattung gekennzeichnet. Unter
Verwendung der Rohdaten aus den Monatsberichten der Deutschen
Bundesbank, die jährlich am Ende eines Jahres die Bilanzdaten der deutschen Unternehmen publiziert, können Bilanzrelationen errechnet werden
(siehe Abbildung 3).
Aus Angaben der Deutschen Bundesbank geht hervor, dass sich mit zunehmender Betriebsgröße der mittelständischen Unternehmen die Eigenkapitalausstattung erheblich verbessert und der Verschuldungsgrad abnimmt. Bei kleinen Unternehmen beträgt der Anteil der Verbindlichkeiten
an der Bilanzsumme über 70 %, bei den Großen sind es nur rund 40 %. Die
Aussagekraft der Eigenkapitalquote ist jedoch vor allem bei Einzelunternehmen stark eingeschränkt, da bei dieser Rechtsform oftmals die Unterscheidung zwischen Firmen- und Privatvermögen schwierig ist. So kann es für
den Einzelunternehmer steuerlich von Vorteil sein, Unternehmensaktiva im
Privatvermögen zu halten. Zwar gibt es seit einiger Zeit eine positive Entwicklung der Eigenkapitelquoten, diese betrifft aber vor allem die größeren
mittelständischen Betriebe.
Quelle: Eigene Berechnung auf Basis der Monatsberichte Dt. Bundesbank 12/2005
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Abb. 3: Kapitalstruktur und Bilanzkennzahlen im Vergleich
Quelle: IfM, Mittelstandsstatistik, http://www.ifm.uni-mannheim.de/
Abb. 4: Durchschnittliche Eigenkapitalquoten der KMU im internationalen Vergleich (2005)
Betrachtet man zudem die durchschnittliche Eigenkapitalquote der deutschen KMU und die Quoten anderer Industrieländer, so schneidet Deutschland eindeutig schlecht ab. Im Zuge zusammenwachsender Märkte und erstarkender Konkurrenz im Ausland ist ein solcher internationaler Vergleich
durchaus angebracht. Die Eigenkapitalquoten mittelständischer Unternehmen unterschiedlicher Länder sind in Abbildung 4 dargestellt. Die Rohdaten für diese Berechnung stammen aus der stets aktualisierten Datenbank
des Instituts für Mittelstandsforschung an der Universität Mannheim.
Die Eigenkapitalschwäche im deutschen Mittelstand hat viele Ursachen.
Sie wird bestimmt durch externe und interne Faktoren. Erstere lassen sich
von den Unternehmen nicht direkt oder gar nicht beeinflussen, wohingegen
die internen Faktoren direkt mit der Entscheidungsfindung in dem jeweiligen Unternehmen im Zusammenhang stehen.
Eine erste wesentliche externe Ursache für die geringe Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen ist die deutsche Steuergesetzgebung. Bis vor wenigen Jahren war die Thesaurierung von Gewinnen bei Kapitalgesellschaften in Deutschland gegenüber der Gewinnausschüttung benachteiligt. Kapitalgesellschaften mussten einen Körperschaftsteuersatz von
40 % auf thesaurierte Gewinne bezahlen, während ausgeschüttete Gewinne
lediglich mit 30 % besteuert wurden. Mit dieser Regelung sollte für Unternehmen ein Anreiz dafür geschaffen werden, Aktionären die erzielten Gewinne auszuschütten. Vor allem aber sollte damit die übermäßige Bildung
von Rückstellungen verhindert werden. Diese Spreizung der Körperschaftsteuersätze führte zu Finanzierungsmodellen wie zum Beispiel »Schütt-aushol-zurück« und ging letztlich an den Bedürfnissen der KMU vorbei. Um
die Ausschüttung nicht weiter steuerlich zu belohnen und damit den Eigenkapitalschwund zu begünstigen, wurde der gespreizte Körperschaftsteuer-
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Eigenkapitalproblematik
im deutschen
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satz 1999 abgeschafft. Als aktuell weiterhin bestehende steuerrelevante
Hemmung der Eigenkapitalbildung gilt die Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital. Eine Einlagenfinanzierung, also die Erhöhung
des Eigenkapitalstocks, ist im Vergleich zur Fremdkapitalerhöhung steuerlich insofern von Nachteil, als die Zinsen als Kosten für das Fremdkapital als
Betriebsausgaben und somit als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung absetzbar sind. Die Dividende, der Preis für das Eigenkapital, muss
hingegen aus dem versteuerten Gewinn finanziert werden. Die im Allgemeinen hohe Besteuerung der Unternehmen in Deutschland ist ein weiterer
Grund für die schlechte Eigenkapitalausstattung. Den Unternehmen steht
nach Steuern wesentlich weniger Geld für Reinvestitionen zur Verfügung.
Die in den letzten Jahren eingeleiteten Steuerreformen haben zwar zu einer
niedrigeren Steuerlast auch für KMU geführt, trotzdem aber, zumindest bisher, keine drastische Eigenkapitalerhöhung bewirkt. Es ist daher umstritten,
ob die intensive Besteuerung der Unternehmen in Deutschland die Innenfinanzierungskraft mindert; gefördert wird die Innenfinanzierungskraft
durch eine hohe Besteuerung jedenfalls definitiv nicht.
Ein weiterer externer Faktor ist die Existenz hoher Pensionsrückstellungen. Diese sind als langfristige Verbindlichkeiten dem Fremdkapital zuzurechnen. Genau wie kurzfristige Rückstellungen, beispielsweise Reparaturrückstellungen, mindern Pensionsrückstellungen den Gewinn, da sie als
Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung ergebniswirksam sind. Somit ergibt sich in Gewinnjahren ein positiver steuerlicher Effekt und die
Unternehmen müssen entsprechend weniger Steuern zahlen. Bedingt
durch die Langfristigkeit der Pensionsrückstellungen steht den Unternehmen in Höhe der Steuerersparnis Liquidität zur Verfügung, die zur Finanzierung von Anlage- und Umlaufvermögen eingesetzt werden kann. Die
Pensionsrückstellungen können demzufolge – vergleichbar dem Eigenkapital – als langfristiges und vor allem zinsloses Finanzierungsmittel betrachtet werden. Auch wenn diese langfristigen Rückstellungen durch bilanziell
vorgelagerte Gewinnschmälerungen dem Unternehmen als Kapital zur Verfügung stehen, so sind sie stets befristet und später auszahlbar.
Die Eigenkapitalschwäche deutscher KMU ist zum Teil auch historisch
bedingt. Im Gegensatz zum amerikanischen Bankensystem, bei dem die
Geschäftsbanken mit den Investmentbanken als Emissionsinstitute für
Wertpapiere im Wettbewerb stehen, handelt es sich in Deutschland um ein
Universalbanksystem. Bei diesem können alle wesentlichen Bankgeschäfte
unter einem Dach abgewickelt werden. Bedingt durch diese Monopolbankstruktur besteht in Deutschland kein Beschaffungswettbewerb zwischen
Fremd- und Eigenkapital. Dies hat zur Folge, dass die Banken eher an Darlehen mit dauerhaften Zinseinkünften als an Eigenkapitalemissionen mit
nur einmaliger Emissionsprovision interessiert sind. In Deutschland hat
sich daher ein so genanntes Hausbankensystem entwickelt, das eine entscheidende Rolle bei der Erklärung der Finanzstrukturen mittelständischer
Unternehmen einnimmt. Diese langfristige und enge Bindung an ein oder
mehrere Kreditinstitute ist gerade in der mittelständischen Wirtschaft verbreitet. Durch günstige Konditionen und niedrige Zinsen versuchen zudem
vor allem die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken und die
genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken ihre langfristigen Bindungen an die KMU aufrechtzuerhalten. Da Gewinnerzielung nur eines von
mehreren Geschäftszielen der öffentlich-rechtlichen Banken ist, können
diese auch weiterhin günstige Konditionen anbieten. Die guten Fremdkapitalkonditionen der Hausbanken machen Fremdkapital für mittelständische
Unternehmen besonders attraktiv, welche folglich die Fremd- der Eigenfinanzierung vorziehen. Liegen die Zinssätze der Kredite außerdem noch unter der internen Verzinsung des Gesamtkapitals, ist es für die Unternehmen
nach dem so genannten Leverage-Effekt günstiger, zusätzliches Fremdkapital aufzunehmen, anstatt die Eigenkapitaldecke zu stärken. Dieser Effekt ist
vor allem in Niedrigzinsphasen »gefährlich«, da Fremdkapital eben nicht
nur aus steuerlicher Sicht aufgrund der Abzugsfähigkeit der Zinsen, sondern auch wegen des Leverage-Effektes dem Eigenkapitalaufbau vorgezogen
wird. Grundsätzlich nimmt mit zunehmender Unternehmensgröße auch
die Anzahl von Bankverbindungen zu. Größere Unternehmen begeben sich
somit seltener in Abhängigkeit von nur einem oder wenigen Kreditinstituten und vermeiden einen möglichen Lock-in-Effekt. Bei diesem kann ein
Unternehmen nur schwer seine Hausbank wechseln und seine Abhängigkeit vom Fremdkapital reduzieren.
Die weit verbreitete Abschöpfungsmentalität von Gewinnen im Mittelstand
ist eine weitere Ursache für dessen Eigenkapitalschwäche. KMU weisen oft
geringere Renditen auf als die sehr kostenorientierten Großkonzerne. Bei
kleinen Personengesellschaften und GmbHs stellt die Gewinnausschüttung
oft die einzige Einnahmequelle der Gesellschafter dar, da häufig große Anteile des Gewinns ausgeschüttet und in renditestärkere Anlagen investiert
werden. Oft wird auch eine bestimmte Abschöpfungsstrategie verfolgt. Dabei wird zum Beispiel ein Teil der Gewinne in Fonds oder anderen Wertpapieren angelegt, um später bei Bedarf eine Reinvestition auf dem Wege der
Kapitalerhöhung aus Privatvermögen in das Unternehmen zu ermöglichen.
Die Abschöpfungsstrategie kann insofern gestaltet werden, als die Aus-
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1.2 Die
Eigenkapitalproblematik
im deutschen
Mittelstand
schüttung nicht vom versteuerten Gewinn erfolgt, sondern zum Beispiel in
Form von Geschäftsführungsbezügen vor Steuer dargestellt wird. Sofern die
Geschäftsführung zugleich auch Gesellschafter ist, wird sich diese aus steuerlicher Sicht häufig attraktive Entnahmepolitik vielfach in KMU wiederfinden lassen.
Die Eigenkapitalschwäche im deutschen Mittelstand entstammt zum Teil
auch der kritischen Sicht gegenüber der Öffnung des Unternehmens gegenüber neuen oder zusätzlichen Gesellschaftern. Viele KMU stehen zudem
auch neuen oder ihnen unbekannten Finanzierungsformen kritisch gegenüber. Wie die Untersuchung zeigt, kommt für die meisten mittelständischen
Unternehmen eine Eigenkapitalerhöhung zum Beispiel mit Hilfe eines Börsengangs aufgrund des damit einhergehenden Souveränitätsverlustes nicht in
Frage.
Die Ursachenanalyse für die schlechte Eigenkapitalquote im Mittelstand
führt nicht zuletzt zum Unternehmer selbst. Zahlreiche Untersuchungen
haben ergeben, dass es in vielen KMU an einem planvollen Umgang mit der
Ressource Eigenkapital mangelt. Mehr als drei Viertel der Unternehmer definieren keine Ziele und Strategien für ihre Eigenkapitalausstattung. Dies
lässt auf eine vernachlässigte Finanzplanung schließen. Die Wichtigkeit des
Eigenkapitals für die Entwicklung ihres Unternehmens ist vielen Mittelständlern nicht bewusst. Auch fehlt meistens eine Vorstellung davon, welche
Eigenkapitalstrukturen zum Unternehmen passen würden. Diese mangelnde Orientierung resultiert häufig aus den knappen zeitlichen Reserven der
Unternehmer vor allem in kleinen Unternehmen, die stark vom operativen
Tagesgeschäft beansprucht werden und deswegen die Eigenkapitalplanung
vernachlässigen müssen.
Allgemein kann festgestellt werden, dass sich das Bewusstsein für das
Thema Eigenkapital mit zunehmender Größe des Betriebes schärft. Häufig
ist dies ist auf die strukturierte Aufgabenplanung in größeren Unternehmen und die größere Trennung einzelner Aufgabenbereiche zurückzuführen. Auch ist in größeren Betrieben mehr betriebswirtschaftliches Knowhow angesiedelt und betriebswirtschaftliche Entscheidungen werden in
Rücksprache mit ausgebildeten Betriebswirten gefällt.
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allem im Mittelstand
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1.3 Der Wunsch nach Mezzanine-Kapital
vor allem im Mittelstand
Die alarmierend niedrige Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand
veranlasst viele Unternehmer, sich Finanzierungsquellen zu öffnen, die eine Alternative zum klassischen Kredit beziehungsweise der klassischen Eigenmittelzulage darstellen. Dies geschieht nicht zuletzt aufgrund des im
Zuge von Basel II veränderten Kreditvergabeverhaltens der Banken, für die
die Eigenkapitalquote ausschlaggebend ist. In diesem Zusammenhang
taucht immer öfter der Begriff Mezzanine-Kapital auf.
Die Mezzanine-Finanzierung ist vom italienischen Wort Mezzanino abgeleitet, das »Zwischengeschoss« heißt. Dieser eigentlich aus der Architektur stammende Begriff verweist auf die Positionierung von Mezzanine-Kapital in der Bilanz eines Unternehmens, die zwischen dem Eigen- und dem
Fremdkapital liegt. Mezzanine ist eine hybride Finanzierungsart, die je nach
Ausgestaltung der Mezzanine-Beteiligung mehr zum Eigenkapital oder
mehr zum Fremdkapital gezählt werden kann und aus beiden Kapitalelementen Rechte verbriefen kann. Aus rechtlicher Sicht stellt Mezzanine-Kapital von der Steuer abzugsfähiges Fremdkapital dar und ist im Gegensatz
zu Eigenkapital vorrangig. Es besitzt zudem meist reguläre Zinszahlungen.
Aus bilanzieller Sicht sollte Mezzanine-Kapital als Eigenkapital angesehen
werden, da das Hauptziel einer Mezzanine-Finanzierung die Stärkung der
Eigenmittelquote ist. Dies ist steuerlich häufig umstritten. Die Sichtweise
hängt dabei natürlich meist auch vom Betrachter ab, das heißt, wenn eine Finanzbehörde die Abzugsfähigkeit von Zahlungen zu prüfen hat, so ist nicht
unerheblich, ob das zur Verfügung gestellte Kapital kündbar ist oder nicht.
Auch nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS ist die
Eingruppierung von Mezzanine-Kapital strittig, da dort in aller Regel jede
Rückzahlungsmöglichkeit zur Eingruppierung als Fremdkapital führt. Handelsrechtlich und für die bei Eigentümerversammlungen maßgeblichen Bilanzen ist Mezzanine meist Eigenkapital. So kann eine eindeutige Klassifizierung nicht vorgenommen werden und ist im Einzelfall auf Basis der Vertragsdaten zu prüfen.
Finanzierungsanlässe für Mezzanine-Kapital entstehen beispielsweise,
wenn ein sehr hoher Kapitalbedarf durch herkömmliche Eigen- oder Fremdmittelfinanzierung nicht oder nur teilweise gedeckt werden kann. Auch
wenn gezielt Eigenkapital beschafft werden soll, ohne jedoch Anteile an
Dritte abzugeben, ist eine Finanzierung durch Mezzanine sinnvoll. Mezzanine-Finanzierungen finden in der Regel auch dann Anwendung, wenn Ka-
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1.3 Der Wunsch nach
Mezzanine-Kapital vor
allem im Mittelstand
pital auf Zeit angeschafft werden soll oder ein Unternehmenserwerb ansteht. Auch Erweiterungs- und Rationalisierungsinvestitionen, Konsolidierungen, Umfinanzierungen oder Unternehmensübernahmen durch das
Management sowie eine eventuelle Abspaltung von Konzernteilen können
Anlässe für die Mezzanine-Finanzierung sein.
Insbesondere KMU wünschen sich ein Finanzierungsmittel, das steuerlich dem Fremdkapital zugerechnet werden kann und damit die Finanzierungskosten steuerlich abzugsfähig macht, das aber gleichzeitig in der Bilanz als Eigenkapital gilt. Damit wird unter Haftungs- und Ratingaspekten
die formale Eigenkapitalquote erhöht und somit wiederum die Aufnahme
von Fremdkapital erleichtert. Mezzanine-Kapital ist ein flexibles Finanzierungsinstrument, das die Möglichkeit bietet, einerseits die Haftung zu beschränken und andererseits die unternehmerische Unabhängigkeit zu erhalten und die Schwächung der bisherigen Eigenkapitalstruktur durch Aufnahme von Fremdkapital zu verhindern. Auf diese Weise können mittelständische Unternehmen strategische Vorhaben durchführen, ohne in
ihrem unternehmerischen Entscheidungsspielraum eingeschränkt zu werden. Die Flexibilität bei der Ausgestaltung der Mezzanine-Finanzierung ermöglicht individuelle, auf die spezifische Unternehmenssituation ausgerichtete Finanzierungskonzepte. Die Finanzierung mit Mezzanine ist auf
die jeweilige Unternehmenssituation anpassbar und bildet somit eine maßgeschneiderte Finanzierungslösung.
Die positiven Auswirkungen einer Mezzanine-Finanzierung sind vor allem die Stärkung der Eigenmittelquote und die Begünstigung des strategischen Liquiditätsmanagements, was zu einer verbesserten Bilanzstruktur
des Unternehmens führt. Dies beeinflusst die zukünftige Unternehmensentwicklung auf eine positive Weise, da beispielsweise von Zulieferern vermehrt Zahlungsziele gewährt und die finanzielle Leistungsfähigkeit hinsichtlich langfristiger Abnehmer dokumentiert werden können. Weitere
Vorteile sind die rechtsformunabhängige Vergabe von Mezzanine-Kapital
und die Planungssicherheit aufgrund der terminierten Laufzeit der Mezzanine-Finanzierung und die dadurch sichere Kalkulationsbasis.
Bevor ab dem 8. Kapitel auf die verschiedenen alternativen Finanzierungsformen eingegangen wird, sollen im Folgenden die Ausgangsposition
eines Unternehmens bezüglich der Notwendigkeit, der Ziele und Risiken sowie der Anlässe einer Finanzierung vorgestellt werden.
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