LANDESAMT FÜR BERGBAU, ENERGIE UND GEOLOGIE Auswirkungen des Klimawandels auf Böden in Niedersachsen Niedersachsen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Auswirkungen des Klimawandels auf Böden in Niedersachsen NICOLE ENGEL & UDO MÜLLER Hannover 2009 Impressum Herausgeber: © Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Stilleweg 2 30655 Hannover Tel. (0511) 643-0 Fax (0511) 643-2304 Version: 31.05.2010 Titelbild: Foto aus der Bilddatenbank des LBEG Bericht Klimawandel S. 3 – 27 15 Abb. Hannover 2009 Inhalt 1 2 3 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.2 4.3 5 5.1 5.2 5.3 6 6.1 6.2 7 8 Klimawandel in Niedersachsen ..................................................................................................4 Datenauswertung .........................................................................................................................7 Auswirkungen des Klimawandels auf den Bodenwasserhaushalt.........................................7 Änderungen im Bodenwasserhaushalt, Konsequenzen für die Grundwasserneubildung, Zunahme der Hochwassergefahr ....................................................7 Auswirkungen auf Nährstoffverfügbarkeit und Stoffausträge .................................................12 Handlungsfeld Bodenwasserhaushalt.....................................................................................14 Auswirkungen des Klimawandels auf den Kohlenstoffhaushalt und die Biodiversität ..........................................................................................................................15 Abnahme humusbildender Prozesse, Rückgang der organischen Bodensubstanz und verstärkte Freisetzung klimarelevanter Gase ........................................15 Veränderungen der Biodiversität ............................................................................................16 Handlungsfeld Kohlenstoffhaushalt und Biodiversität.............................................................17 Auswirkungen des Klimawandels auf Erosion und Verdichtung .........................................18 Erosion ....................................................................................................................................18 Verdichtung .............................................................................................................................21 Handlungsfelder Erosion und Verdichtung .............................................................................22 Auswirkungen des Klimawandels auf die natürlichen Bodenfunktionen und auf schutzwürdige Böden ....................................................................................................22 Änderungen der natürlichen Bodenfunktionen und Auswirkungen auf die Schutzwürdigkeit von Böden.............................................................................................22 Handlungsfeld Bodenfunktionen und schutzwürdige Böden ..................................................24 Ausblick ......................................................................................................................................24 Quellen ........................................................................................................................................26 Bericht Klimawandel 3 1 Klimawandel in Niedersachsen Das Klima ändert sich und mit ihm die Lebensbedingungen für Mensch und Natur. Die Hauptursache für die globale Erwärmung wird heute überwiegend in der Verstärkung des Treibhauseffektes durch menschliche Aktivitäten gesehen. Grundlage für die Klimaprognosen sind Berechnungen mit Klimamodellen (z. B. ECHAM5) für unterschiedliche Szenarien (A1, B1, A2, B2, A1B usw.). In den Szenarien werden unterschiedliche Entwicklungen der Bevölkerung, der Wirtschaft, der Technologie sowie des Umweltbewusstseins angenommen (vgl. IPCC 2007). Die Ergebnisse der globalen Klimamodelle können mittels verschiedener Regionalisierungsmodelle (WETTREG, REMO, CLM) auf kleinräumige Betrachtungsebenen, z. B. auf Länderebene, herunterskaliert werden. In dieser Studie werden Klimasimulationen für das A1B1-Szenario des Regionalisierungsmodells WETTREG2 herangezogen. Im A1B-Szenario der WETTREG-Daten wird für Niedersachsen bis 2100 eine Zunahme der Jahresdurchschnittstemperatur von bis zu 2,3 °C prognostiziert. Damit einhergehend wird mit einer Zunahme von Sommertagen (Tmax ≥ 25 °C) und „heißen Tagen“ (Tmax ≥ 30 °C) gerechnet, wohingegen die Eis- und Frosttage abnehmen werden. Die Veränderungen werden dabei voraussichtlich in Abhängigkeit von Höhe, Entfernung zum Meer und Exposition regional unterschiedlich stark ausfallen. Auch Niedersachsen ist demnach vom globalen Klimawandel betroffen. In einer UBA-Studie (UMWELTBUNDESAMT 2008) wird das nordostdeutsche Tiefland – zu dem der Nordosten Niedersachsens gehört – als besonders vom prognostizierten Klimawandel (auf Basis der IPCC3-Szenarien) betroffene Region herausgestellt. 1 A1B-Szenario: IPCC-Klimaszenario, das von mittleren Treibhausgasemissionen und einer ausgewogenen Nutzung fossiler und nicht fossiler Energieträger bis 2100 ausgeht (IPCC 2007). 2 Statistisch-dynamisches Modell, das auf der Grundlage des globalen Zirkulationsmodells ECHEM5 und deutscher Wetterstationen Klimasimulationen für Deutschland liefert. Die räumliche Auflösung ist abhängig von der Klimastationsdichte. Für Niedersachsen stehen 24 Klimastationen und 168 Niederschlagsstationen zur Verfügung (SPEKAT, ENKE & KREIENKAMP 2007, KRAUSE 2008). 3 IPCC: Intergovermental Panel on Climate Change, in Deutschland auch als „Weltklimarat“ bezeichnet. 4 Bericht Klimawandel Abb. 1: Differenz der Sommerniederschlagsmengen (hier für die Monate Juni, Juli und August) zwischen der Periode 2070–2100 und der Referenzperiode 1961–1990 (WETTREG-Klimaszenario A1B). In ganz Niedersachsen nehmen die Sommerniederschläge gegenüber der Referenzperiode um bis zu 30 % ab (Quelle: KREIENKAMP 2006). Bei den Niederschlägen werden verschiedene Entwicklungen erwartet, die wiederum in Niedersachsen regional unterschiedlich (zum Teil gegenläufig) ausgeprägt sein können. Bis 2100 werden die jährlichen Niederschlagsmengen in einigen Landesteilen leicht zu- und in anderen Landesteilen leicht abnehmen. Überwiegend werden aber gleichbleibende durchschnittliche Jahresniederschlagssummen erwartet. Änderungen werden vor allem für die Niederschlagsverteilung prognostiziert. Als wahrscheinlich gilt eine Weiterführung des bereits zu beobachtenden Trends der Verschiebung der Niederschläge in die Wintermonate (s. Abb. 1 und Abb. 2), einhergehend mit einer Zunahme von Starkniederschlagsereignissen Bericht Klimawandel und anhaltenden Niederschlagsereignissen mit großen Wassermengen (letzteres vor allem im Winter). In den Sommermonaten (Juni, Juli, August) nehmen nach den Prognosen die Niederschläge bis 2100 in ganz Niedersachsen um bis zu 30 % ab (im Mittel ca. 20 %), im Winter (Dezember, Januar Februar) in allen Landesteilen um bis zu 40 % (im äußersten Süden und an der Küste sogar bis 50 %) zu (im Mittel um ca. 30 %). Gleichzeitig verändert sich auch die Art der Niederschläge – Schnee als Niederschlagsform wird immer seltener. 5 Abb. 2: Differenz der Winterniederschlagsmengen (hier für Dezember, Januar und Februar) zwischen der Periode 2070– 2100 und der Referenzperiode 1961–1990 (WETTREG-Klimaszenario A1B). In ganz Niedersachsen nehmen die Winterniederschläge gegenüber der Referenzperiode um bis zu 50 % zu (Quelle: KREIENKAMP 2006). Bedingt durch die Zunahme der Temperatur und die Abnahme der Niederschläge im Sommer, mit damit einhergehender erhöhter Einstrahlung, würde auch die Verdunstung, vor allem im Sommer, zunehmen. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass sich der zu beobachtende Trend bei der Veränderung der Phänologie in Folge des Klimawandels fortsetzt oder verstärkt. Bereits im 20. Jahrhundert setzte die Vegetationsperiode durch die Zunahme der Wintertemperaturen und die Abnahme von Eis und Frosttagen immer früher ein. Gleichzeitig (aber nicht so ausgeprägt) endet sie später (KRAUSE 2008). Eine in Folge des Klimawandels weitere Verlängerung der Vegetationspe- 6 riode würde zu verstärkter Evapotranspiration führen und damit neben den klimatischen Faktoren ebenfalls zu einer Erhöhung der Verdunstung beitragen. Der Boden als Hauptbestandteil landschaftlicher Ökosysteme erfüllt wichtige und zum Teil äußerst komplexe Funktionen für Mensch und Umwelt. Das Klima beeinflusst die im Boden ablaufenden Stoffumsetzungs- und Verlagerungsprozesse und vor allem die natürlichen Bodenfunktionen. Die prognostizierten Klimaänderungen wirken sich auf den Wasserhaushalt, den Stofftransport und den Stoffumsatz in Böden aus, wodurch wesentliche natürliche Bericht Klimawandel Bodenfunktionen betroffen sind und beeinträchtigt werden können. Es muss mit regional unterschiedlichen Ausprägungen der Folgen des Klimawandels gerechnet werden. Vor diesem Hintergrund ist eine regionale Betrachtung und standortdifferenzierte Bewertung der Folgen von Klimawirkungen für die Böden erforderlich. Aufgrund der Vielzahl der Faktoren, die die Bodenfunktionen bestimmen, können die Auswirkungen des Klimawandels auf die Böden und ihre Funktionen derzeit bislang meist nur qualitativ, nicht aber quantitativ beschrieben werden. 2 Datenauswertung Die nachfolgenden Auswertungen wurden auf Grundlage der im Niedersächsischen Bodeninformationssystem NIBIS® vorliegenden Daten durchgeführt (www.lbeg.niedersachsen.de). Im NIBIS® sind Informationen zur räumlichen Verbreitung von Böden in verschiedenen Maßstabsebenen, Labordaten und Daten zur Bodendauerbeobachtung (BDF) abgelegt (HEINEKE et al. 2001). Für die Bewertung von Bodeneigenschaften und Bodenfunktionen wurde eine umfangreiche Methodenbank aufgebaut (MÜLLER 2004), auf deren Grundlage die nachfolgenden Auswertungen durchgeführt wurden. Neben den bodenkundlichen Daten werden Informationen zur Landnutzung, zum Relief und zum Klima (Wetter) vorgehalten. Für die Klimafolgenprognose wurden die Daten des Regionalmodells WETTREG (SPEKAT, ENKE & KREI® ENKAMP 2007) in das NIBIS integriert. Bericht Klimawandel 3 Auswirkungen des Klimawandels auf den Bodenwasserhaushalt 3.1 Änderungen im Bodenwasserhaushalt, Konsequenzen für die Grundwasserneubildung, Zunahme der Hochwassergefahr Die saisonalen Verlagerungen der Niederschläge (Zunahme der Niederschläge im Winter, Rückgang der Niederschläge im Sommer) bei gleichzeitigem Temperaturanstieg hätten durch die resultierende höhere Verdunstung eine abnehmende klimatische Wasserbilanz in der Hauptvegetationsperiode zur Folge, einhergehend mit einer stärkeren Ausnutzung der Bodenwasservorräte im Sommer. Es wird mit einer Zunahme von länger werdenden Trockenperioden gerechnet. Als Folge steigen die Gefahr von Trockenstress für die Vegetation (auch für die Wälder) und die Gefahr von Ertragseinbußen für die Landwirtschaft; insgesamt ist mit einer Zunahme des Ertragsrisikos zu rechnen. 7 Abb. 3: Beregnung von Kartoffeln in Niedersachsen (Foto: Bilddatenbank des LBEG). Eine Verlängerung der Vegetationszeit, höhere Temperatursummen und gleichzeitig eine höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre ermöglichen aber auch höhere Biomasseerträge und andere Fruchtfolgen. Ein Zweitanbau kann auch in bisher ungünstigen Lagen möglich werden, allerdings nur, wenn eine gute Wasserversorgung gewährleistet ist, was im Zuge des Klimawandels zunehmend zur Herausforderung werden kann. Abbildung 4 zeigt die Veränderung der klimatischen Wasserbilanz in der Vegetationsperiode 8 (KWBv) für den Zeitraum 2070–2100 im Vergleich zur Referenzperiode 1961–1990. In ganz Niedersachsen wird eine Abnahme der KWBv prognostiziert. Im äußersten Osten wird die geringste Abnahme (zwischen -50 mm und -100 mm) erwartet. In den überwiegenden Landesteilen ist mit einer Abnahme von bis zu -150 mm zu rechnen, in einigen Bereichen auch bis zu maximal -200 mm. Daraus ergibt sich im Zeitraum 2070–2100 für ganz Niedersachsen eine negative KWBv mit einem prognostizierten Wasserdefizit von bis zu -270 mm in Ostniedersachsen. Bericht Klimawandel Abb. 4: Abnahme der klimatischen Wasserbilanz in der Vegetationsperiode im Zeitraum 2070–2100 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1961–1990 (WETTREG-Klimaszenario A1B). In ganz Niedersachsen verringert sich die klimati®1 sche Wasserbilanz deutlich. Die Berechnung erfolgte mit der Methodenbank des NIBIS . Sowohl die beregnungsbedürftige Fläche als auch die notwendige Beregnungswassermenge pro Beregnungsfläche werden unter den prognostizierten Klimaveränderungen also zunehmen. Abbildung 5 gibt einen Überblick, für welche Flächen eine Zunahme der mittleren Beregnungswassermenge in der Vegetationsperiode im Zeitraum 2070–2100 (im Vergleich zur Referenzperiode 1961–1990) zu erwarten ist. Der Berechnung zugrunde liegen die aus den Klimadaten ermittelte durchschnittliche klimatische Wasserbilanz in der Vegetations1 periode (KWBv, s. Abb. 4) und die aus Bodenkennwerten abgeleitete Speicherfähigkeit für pflanzenverfügbares Bodenwasser. Die beregnungsbedürftige Ackerfläche steigt unter den im A1B-Szenario prognostizierten Klimaveränderungen bis 2100 um bis zu 10 % (bezogen auf die heutige Ackerfläche). Die notwendige durchschnittliche Beregnungswassermenge steigt insgesamt für Niedersachsen um bis zu mehr als 20 % (bezogen auf die durchschnittliche Beregnungswassermenge im Referenzzeitraum 1961–1990). ® NIBIS : Niedersächsisches Bodeninformationssystem des LBEG. Bericht Klimawandel 9 Abb. 5: Zunahme der Beregnungsbedürftigkeit im Zeitraum 2070–2100 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1961–1990 (WETTREG-Klimaszenario A1B). Sichtbar wird für weite Teile Niedersachsens eine Zunahme der notwendigen mittleren Beregnungswassermenge, um die negative klimatische Wasserbilanz in der Vegetationsperiode aus® zugleichen. Die Berechnung erfolgte mit der Methodenbank des NIBIS . Es ist mit einer verstärkten Ausnutzung der Grundwasservorräte und mit zunehmenden Nutzungskonflikten (höhere Verdunstungsleistung der Vegetation auf Flächen mit Grundwasseranschluss, längere Vegetationsperiode mit möglichem Zweitanbau, verstärkter Beregnungswasserbedarf in der Landwirtschaft, erhöhter Wasserbedarf der Bevölkerung) zu rechnen. In Niedersachsen wären insbesondere die Bereiche der Norddeutschen Tiefebene betroffen. 10 Jedoch werden für die Winterhalbjahre gegenläufige Verhältnisse prognostiziert. Durch den zu erwartenden Anstieg der klimatischen Wasserbilanz im Winter käme es in weiten Teilen (ca. 60 % der Landesfläche) Niedersachsens zu einer Erhöhung der durchschnittlichen jährlichen Sickerwasserrate um bis zu 100 mm/a. Dies würde das steigende Wasserdefizit im Sommer jedoch nicht ausgleichen, zumal in den übrigen Landesteilen (v. a. den Marschen, um Bremen und in Südostniedersachsen) die Sickerwasserrate bis maximal 145 mm/a abnehmen kann (s. Abb. 6). Bericht Klimawandel Abb. 6: Änderung der durchschnittlichen jährlichen Sickerwasserrate (Grundwasserneubildung) im Zeitraum 2070–2100 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1961–1990 (WETTREG-Klimaszenario A1B). In weiten Teilen Niedersachsens ist eine Zunahme der Sickerwasserrate zu beobachten, was auf die Verlagerung der Niederschläge in den ® Winter zurückzuführen ist. Die Berechnung erfolgte mit der Methodenbank des NIBIS . Durch die prognostizierte Veränderung der Niederschlagsverhältnisse (Zunahme der Winterniederschläge, Zunahme von lang andauernden Niederschlagsereignissen mit großen Regenmengen im Winter, Zunahme der Starkregenereignisse im Sommer) ist mit einem verstärkten Oberflächenabfluss zu rechnen. Eine zunehmende Bodenerosionsgefährdung mit den bekannten On- und Offsiteschäden (s. dazu auch Kapitel 4) und eine Zunahme von Hochwasserereignissen wären die Folge. Eine länger anhaltende starke Durchfeuchtung der Böden hätte darüber hinaus ungünstige Auswirkungen auf die Verankerungsstabilität der Waldbestände, insbesondere bei den flach Bericht Klimawandel wurzelnden Bäumen, so dass deren Anfälligkeit gegenüber Windwurf steigt. Außerdem würde die mechanisierte Holzernte im Winter durch die geringere Befahrbarkeit der nassen Böden erschwert. Weniger Frost- und Eistage führen außerdem zu einer Verschlechterung der Bodenstruktur mit erhöhter Verschlämmungsneigung. Gleichzeitig führen die prognostizierten höheren Wintertemperaturen zu einer Reduzierung der Schneeniederschläge. Die Abpufferung von Abflussspitzen durch den Schneedeckenspeicher nimmt folglich ab. Beides verstärkt die Gefahr von Erosion und Hochwasser zusätzlich. Besonders betroffen wären in Niedersach- 11 sen der Harz und das Berg- und Hügelland. Die zunehmende Hochwassergefährdung gilt für ganz Niedersachsen. 3.2 Auswirkungen auf Nährstoffverfügbarkeit und Stoffausträge Die prognostizierte Zunahme der Sommertrockenheit mit einer stärker werdenden Austrocknung der Böden, insbesondere der Oberböden in der Hauptvegetationsperiode, wird zu einer Änderung der Nährstoffdynamik führen. Da der Transport von Düngenährstoffen zur Pflanzenwurzel und die Aufnahme zahlreicher Pflanzennährstoffe an das Vorhandensein von Wasser gekoppelt sind, werden die Nährstoffverfügbarkeit und die Düngewirkung (ohne zusätzliche Beregnung) eingeschränkt. Dadurch und durch den erwarteten zunehmenden Trockenstress steigt das Risiko von Mindererträgen mit schlechter Nährstoffausnutzung. Abbildung 7 zeigt die Veränderung der Nitratauswaschungsgefährdung unter den prognostizierten klimatischen Bedingungen (WETTREG A1B-Szenario) für den Zeitraum 2070– 2100 gegenüber dem Referenzzeitraum 1961– 1990. Es treten sowohl Bereiche mit höherer als auch Bereiche mit verringerter Nitratauswaschungsgefährdung auf, die regional unterschiedlich verteilt sind. Die Auswaschungsgefährdung vermindert sich vor allem im Bereich der Marschen und um Bremen sowie in Südostniedersachen. Eine verstärkte Auswaschungsgefahr ist im Westen, Osten und Süden des Landes zu finden. In den überwiegenden Landesteilen (ca. 75 % der Landesfläche) ist keine Veränderung der Nitratauswaschungsgefährdung zu erwarten. Als Folge können höhere Nährstoffüberhänge im Herbst auftreten. Durch die gleichzeitig zu erwartenden höheren Sickerwasserraten im Winter (also im Zeitraum ohne Nährstoffaufnahme), steigt das Auswaschungsrisiko für nicht sorbierbare Stoffe, insbesondere Nitrat, ins Grundwasser. 12 Bericht Klimawandel Abb. 7: Änderung der Nitratauswaschungsgefährdung im Zeitraum 2070–2100 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1961– 1990 (WETTREG-Klimaszenario A1B). Es sind sowohl Bereiche mit erhöhter als auch Bereiche mit verringerter Nitratauswaschungsgefährdung zu beobachten. Überwiegend bleibt die Nitratauswaschungsgefährdung unter den prognostizierten Klimabedingungen in der Periode 2070–2100 gleich. Die Berechnung erfolgte mit der Methoden® bank des NIBIS . Zusätzlich kann durch die höheren Wintertemperaturen die Mineralisation im Boden zunehmen, was zu einer Verstärkung der Auswaschungsproblematik führen würde. Bericht Klimawandel 13 Folgen für den Bodenwasserhaushalt 3.3 zunehmende Sommertrockenheit: zunehmende Ertragsunsicherheit, Zunahme der beregnungsbedürftigen Flächen und der Beregnungswassermenge, Verschlechterung der Nährstoffverfügbarkeit, Verringerung der Düngewirkung. zunehmender Oberflächenabfluss: zunehmende Verschlämmungsneigung der Bodenoberfläche, steigende Hochwassergefahr, steigende Erosionsgefahr. steigende Sickerwasserrate im Winter: zunehmende Auswaschungsgefahr nicht sorbierbarer Stoffe, insbesondere Nitrat. zunehmendes Wasserdefizit im Sommer wird durch Wasserüberschuss im Winter nicht ausgeglichen: stärkere Ausnutzung der Grundwasservorräte im Sommer (Nutzungskonflikte). Zunahme der Mineralisation durch höhere Temperaturen im Herbst/Winter oder Abnahme durch Wasserüberschuss im Winter. Handlungsfeld Bodenwasserhaushalt Um Maßnahmen gezielt einsetzen zu können, müssen die durch den Klimawandel potenziell besonders betroffenen Gebiete zunächst identifiziert und hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit bewertet werden. Anpassung des Wassermanagements mit ressourcenschonender Nutzung erforderlich. Anpassungen werden auch in der Waldwirtschaft hinsichtlich Vegetation und Bewirtschaftung erfolgen müssen. Einer möglichen Zunahme des Oberflächenabflusses mit zunehmender Hochwasser- und Erosionsgefährdung kann von der Bodenbewirtschaftungsseite her mit verstärkten Erosionsschutzmaßnahmen zur Verringerung von Bodenabtrag bei Starkregen- und „Dauerregen“-Ereignissen, wie z. B. Mulchsaat und ganzjähriger Bodenbedeckung sowie konservierender Bodenbearbeitung, begegnet werden. In der Landwirtschaft sind außerdem verschiedene Maßnahmen zur Verringerung der Ertragsunsicherheit und Verminderung von Nährstoffüberhängen erforderlich, wie beispielsweise gezielte und standortabhängige Beregnung in Trockenzeiten, Anpassung der Düngestrategie (in Kombination mit Beregnung) und Anpassung der Fruchtfolgen mit wärmeliebenderen und trockenheitsresistenteren Arten und Sorten, die sich durch einen geringeren Wasserbedarf auszeichnen. Gleichzeitig ist aufgrund der zu erwartenden Nutzungskonflikte, besonders bei der Grundwassernutzung, eine 14 Bericht Klimawandel 4 Auswirkungen des Klimawandels auf den Kohlenstoffhaushalt und die Biodiversität 4.1 Abnahme humusbildender Prozesse, Rückgang der organischen Bodensubstanz und verstärkte Freisetzung klimarelevanter Gase Auch die Humusspeicherung im Boden wird maßgeblich vom Klima beeinflusst. Gleichzeitig spielen Böden selbst eine essenzielle Rolle im Klimageschehen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil im globalen Kohlenstoffzyklus. Böden speichern achtmal mehr Kohlenstoff als die Atmosphäre (Abb. 8). Abb. 8: Böden stellen den drittgrößten Kohlenstoffvorrat der Erde dar (berechnet aus DENMAN et al./IPCC 2007), wovon etwa 15–30 % auf die Moore entfallen. Sie sind deshalb von großer Bedeutung bei der Regulierung des globalen Kohlenstoffkreislaufs. Niedersächsische Moore enthalten auf weniger als 10 % der Landesfläche mehr als 50 % der Bodenkohlenstoffvorräte des Landes. Die organische Substanz im Boden ist außerdem von grundlegender Bedeutung für die Fruchtbarkeit der Böden, für ihr Wasserspeichervermögen und für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Durch die zu erwartenden höheren Temperaturen und die erwartete verstärkte Sommertrockenheit können vor allem hydromorphe Böden (Moore, Marschen, Gleye) in den Sommermonaten stärker entwässert werden, so dass die durch Wasserüberschuss konservierte organische Substanz dem oxidativen Abbau ausgesetzt wird (Abb. 9). Langfristig wären Humusabbau und CO2-Freisetzung die Folge. Gleiche Effekte werden dadurch bewirkt, dass sich aufgrund der prognostizierten Sommertrockenheit mehr Grünlandstandorte für eine Ackernutzung eignen und umgebrochen werden können. In Niedersachsen wären insbesondere die Moore und Marschen im Nordwesten des Landes betroffen. C-Pools in Böden der Schweiz (HAGEDORN 2003). Bericht Klimawandel 15 Abb. 9: Zusammenhang zwischen mittlerem Grundwasserstand und jährlicher CO2-Freisetzung aus Niedermoor- (grüne Kreise) und Hochmoorstandorten (braune Kreise) unter Grünlandnutzung. Daten aus MUNDEL (1976, dunkelgrün), DRÖSLER (2005, dunkelbraun) und HÖPER (unveröffentlicht, hellgrün bzw. hellbraun). Die erwartete Zunahme der Temperaturen im Winterhalbjahr und eine ausreichende Bodenfeuchte beschleunigen die Mineralisierungsprozesse der organischen Substanz im Winter. Dem steht allerdings möglicherweise durch die verstärkten Niederschläge im Winter eine konservierende Wirkung durch Wasserübersättigung und in nicht hydromorphen Böden eine verringerte Mineralisation in trockenen Sommermonaten gegenüber. Ein wesentliches klimarelevantes Gas ist Lachgas (N2O). Eine Tonne Lachgas entspricht der klimaschädlichen Wirkung von über 300 Tonnen Kohlendioxid. Lachgas entsteht vor allem bei Prozessen in Böden (Denitrifikation) unter bestimmten Standortbedingungen (Staunässe, hohe Gehalte an organischer Substanz, hohe NO3-Gehalte). Diese Lachgasemissionen aus dem Boden machen ca. 50 % aller landwirtschaftlichen Treibhausgase aus (UBA 2009). Da Lachgas unter bestimmten Standortbedingungen entsteht, ist die Kenntnis über diese Standorte, insbesondere Niederungsböden, für Nutzungsempfehlungen von Bedeutung. 16 4.2 Veränderungen der Biodiversität Der Boden ist Lebensraum für diverse pflanzliche und tierische Lebewesen. Bodentiere und Mikroorganismen, beispielsweise Bakterien und Pilze, spielen eine maßgebliche Rolle für den Abbau und die Mineralisierung der organischen Substanz, die Durchmischung und Stabilisierung organischer und mineralischer Partikel und damit für den Humusaufbau und die Bodenaggregation, die Bindung atmosphärischen Stickstoffs sowie Verwitterungsprozesse und für die Bodenbildung (Pedogenese). Sie beeinflussen zahlreiche Stoffflüsse im Boden und spielen eine maßgebliche Rolle bei der Nährstoffbereitstellung für die Pflanzen. Auch der Abbau organischer Schadstoffe erfolgt durch Bodenorganismen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Bodenaufbau und zur Standortqualität. Veränderungen der Biodiversität im Boden können daher weitreichende Konsequenzen haben. Bericht Klimawandel Klimaveränderungen, die die Bodentemperatur und -feuchte beeinflussen, können zu einer Veränderung der Bodenbiodiversität führen, mit Folgen für die ökosystemaren Funktionen im Boden. Es besteht jedoch noch erheblicher Forschungsbedarf zur den Auswirkungen der Klimaveränderungen auf die Biodiversität im Boden und zu den ökologischen Folgen einer Veränderung der Bodenfauna. Der Rückgang der organischen Bodensubstanz hätte nicht nur Folgen für die Regulierung des globalen Kohlenstoffkreislaufs, sondern auch für das Nährstoff- und Wasserspeichervermögen der Böden, insbesondere bei tonarmen Böden, sowie für die Bodenbiodiversität. Folgen für den Kohlenstoffhaushalt und die Biodiversität 4.3 Verstärkte Entwässerung v. a. hydromorpher Böden (Moore, Marschen und Gleye): Humusabbau durch verstärke Humusmineralisation, Humusverlust durch Grünlandumbruch CO2-Freisetzung und Verstärkung des Treibhauseffektes. Veränderung der biologischen Aktivität im Boden: Folgen für Stoffflüsse, Stoffumsätze und die Nährstoffverfügbarkeit des Bodens und damit für die Standortqualität. Handlungsfeld Kohlenstoffhaushalt und Biodiversität Die durch den Klimawandel potenziell betroffenen Standorte müssen zunächst identifiziert und hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit bewertet werden, um Maßnahmen gezielt einsetzen zu können. In erster Linie führen Meliorationsmaßnahmen (Entwässerung), vor allem von Hochmooren und von Niedermoorböden, zu Humusabbau und CO2-Freisetzung. Ziel sollte es sein, die Kohlenstoffvorräte in den Böden zu erhalten. Hierzu wären vor allem Moorböden wieder zu vernässen. Dagegen sollten eine weitere Entwässerung hydromorpher Böden und Grünlandumbruch vermieden werden. Bei Ackerböden ist verstärkt eine humusschonende Bodenbearbeitung und eine ausgeglichene Humusbilanz anzustreben (z. B. durch organische Düngung und den Verbleib von Ernterückständen auf der Fläche). Für den Erhalt und die Förderung einer möglichst großen Bodenbiodiversität sind eine große Pflanzendiversität auch in Agrarökosystemen sowie humusschonende und Verdichtung vermeidende Bodenbearbeitungsformen förderlich. Bericht Klimawandel 17 5 Auswirkungen des Klimawandels auf Erosion und Verdichtung Abb. 10 und 11: Erosion durch Wasser und Wind (Fotos: Bilddatenbank des LBEG). 5.1 Erosion Durch die prognostizierte Zunahme der Winterniederschläge insgesamt sowie der Zunahme von lang andauernden Niederschlagsereignissen mit großen Regenmengen (v. a. im Winter) und der Zunahme von Starkregenereignissen ist mit einem verstärkten Oberflächenabfluss im Winter zu rechnen, der, bedingt durch eine früher einsetzende Wassersättigung der Böden, auch früher im Jahr einsetzen könnte. Vor allem für die Sommermonate wird damit gerechnet, dass die insgesamt abnehmenden Niederschläge verstärkt als Starkregenereig- 18 nisse eintreten. Dies hätte, vor allem vor dem Hintergrund zunehmender Bodentrockenheit, einen verstärkten Oberflächenabfluss zur Folge, da das Wasser nicht in die dann luftgefüllten Poren infiltrieren kann. Ebenfalls negativ auf die Erosionsanfälligkeit der Böden wirken sich weitere mögliche, durch den Klimawandel ausgelöste Bodenveränderungen aus. Durch möglichen Humusabbau und weniger Frost- und Eistage verschlechtert sich die Bodenstruktur und die Gefügestabilität verringert sich – die Verschlämmungsneigung und damit die Erodierbarkeit der Bodenoberfläche nehmen zu. Bericht Klimawandel Abbildung 12 zeigt die potenzielle Erosionsgefährdung der Böden in Niedersachsen durch Wasser. Gefährdet sind in Niedersachsen vor allem die Gebiete mit Löss- oder Sandlössde- cken in geneigten Lagen und die schluffiglehmigen Verwitterungsböden des Berg- und Hügellandes (vgl. auch NIEDERSÄCHSISCHES UMWELTMINISTERIUM 2006) Abb. 12: Bodenerosionsgefährdung durch Wasser. Dargestellt sind die heutigen Ackerflächen in Niedersachsen, die bereits unter den aktuellen Klimabedingungen eine hohe Bodenerosionsgefährdung durch Wasser aufweisen, und Flächen mit aktuell mittlerer Gefährdung, die als besonders anfällig für verstärkte Erosionsgefährdung unter sich än® dernden klimatischen Bedingungen gelten. Die Berechnung erfolgte mit der Methodenbank des NIBIS . Eine in Folge des Klimawandels zunehmende Verdunstung bei gleichzeitig prognostizierter Abnahme der Niederschläge im Sommerhalbjahr würde zu einem schnelleren Austrocknen der Oberböden führen. Dies hätte eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Winderosion zur Folge. Gefährdet wären in Niedersachsen vor allem Bericht Klimawandel die Gebiete in der norddeutschen Tiefebene. Abbildung 13 zeigt die potenzielle Erosionsgefährdung der Böden in Niedersachsen durch Wind. Betroffen sind weite Teile der norddeutschen Tiefebene Niedersachsens mit Ausnahme der Marschen und Auen. 19 Abb. 13: Bodenerosionsgefährdung durch Wind. Dargestellt sind die heutigen Ackerflächen in Niedersachsen, die bereits unter aktuellen Klimabedingungen eine hohe Bodenerosionsgefährdung durch Wind aufweisen, und Flächen mit aktuell mittlerer Gefährdung, die als besonders anfällig für verstärkte Erosionsgefährdung unter sich ändernden ® klimatischen Bedingungen gelten. Die Berechnung erfolgte mit der Methodenbank des NIBIS . Zu rechnen ist zum einen mit einem verstärkten Bodenabtrag auf bereits unter heutigen Klimabedingungen erosionsanfälligen Standorten – durch Wassererosion gefährdet sind unter den aktuellen Klimabedingungen ca. 10 % der derzeitigen Ackerfläche, durch Winderosion ca. 46 % der derzeitigen Ackerfläche – sowie mit einer Zunahme der durch Bodenerosion gefährdeten Flächen. Betroffen sind hier insbesondere die Standorte, die unter heutigen Klimabedingungen als mittel erosionsgefährdet eingestuft werden. Es ist damit zu rechnen, dass diese Flächen unter den prognostizierten Klimabedingungen zukünftig stärker durch Erosion gefährdet sein werden. Das betrifft bei der Wassererosion ca. 4 % der derzeitigen 20 Ackerfläche und bei der Winderosion ca. 16 % der derzeitigen Ackerfläche. Folgen für die Ökosysteme ergeben sich sowohl im „On-Site“-Bereich – die betroffenen Flächen verlieren vor allem humoses und nährstoffreiches Oberbodenmaterial mit Folgen für die Bodenfruchtbarkeit, Wasserspeicherfähigkeit und Gefügestabilität; außerdem verringert sich die Gründigkeit der Standorte – als auch im „Off-Site“-Bereich, durch Nährstoffeinträge/Eutrophierung in benachbarte Ökosysteme und/oder Oberflächengewässer. Bericht Klimawandel 5.2 Verdichtung Zu Schadverdichtungen kann es kommen, wenn die Tragfähigkeit landwirtschaftlich genutzter Böden bei der Bearbeitung bzw. Befahrung überschritten wird. Die Tragfähigkeit eines Bodens hängt von der Stabilität des Bodengefüges ab, die wiederum durch verschiedene Faktoren beeinflusst ist, welche ihrerseits einer Veränderung im Zuge des Klimawandels unterworfen sein können. Durch erhöhte Niederschlagsmengen im Winter können zu Beginn der Frühjahrsbodenbearbeitung höhere Bodenwassergehalte auftreten, die die Stabilität des Bodengefüges herabsetzten. Gleichzeitig würde sich eine Abnahme der Frosttage negativ auf die Gefügestabilität auswirken, da ein wiederholtes Auftauen und Wiedergefrieren zur Aggregatbildung beiträgt. Auch durch einen möglichen Humusabbau kann die Gefügestabilität vermindert und die Verdichtungsgefahr erhöht werden. Folgen einer Schadverdichtung sind eine Verringerung des Wasserspeichervermögens und der Durchwurzelbarkeit. Das Infiltrationsvermögen wird vermindert und die Verschlämmungsneigung erhöht, was auf der einen Seite zu Staunässe und auf der anderen Seite zu einer Erhöhung des Erosionsrisikos beiträgt. Gefährdet sind vor allem bindige und schluffreiche Böden bei einer hohen Bodenfeuchtigkeit. Besonders verdichtungsgefährdet sind in Niedersachsen beispielsweise die Auenböden, die Marschen und die Lössböden des südniedersächsischen Berg- und Hügellandes. Abb. 14: Potenzielle Verdichtungsempfindlichkeit niedersächsischer Böden unter derzeitigen Klimabedingungen. ® Die Berechnung erfolgte mit der Methodenbank des NIBIS . Bericht Klimawandel 21 Folgen für die Erosions- und Verdichtungsgefährdung 5.3 Erosions- und Verdichtungsgefährdung steigen: Zunahme des Oberflächenabflusses, Abnahme der natürlichen Ertragsfähigkeit der Böden durch Verringerung der Wasserund Nährstoffspeicherfähigkeit, Eutrophierung benachbarter Ökosysteme und/oder Fließgewässer, Reduzierung der Durchwurzelungstiefe, Verringerung der Infiltrationskapazität und Verstärkung von Staunässe bei Verdichtung, Abnahme der natürlichen Bodenfruchtbarkeit. Handlungsfelder Erosion und Verdichtung Für die als potenziell besonders vom Klimawandel betroffen identifizierten Flächen mit bislang mittlerer Erosionsgefährdung sollte eine regionalspezifische Bewertung ihrer Empfindlichkeit erfolgen. Standorte mit einer infolge des Klimawandels erhöhten Verdichtungsgefährdung müssen identifiziert und ebenfalls hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit bewertet werden. In der Bewirtschaftung können dann bei den indentifizierten Standorten erosionsmindernde Bewirtschaftungsverfahren (z. B. konservierende Bodenbearbeitung, Mulchsaat, Pflugrichtung quer zum Hang, ganzjährige Bodenbedeckung) verstärkt berücksichtigt werden, um einen Bodenabtrag zu vermeiden. Als Zielgrößen können z. B. Stufen der pflanzennutzbaren Gründigkeit formuliert worden, die nicht unterschritten werden sollten (vgl. NIEDERSÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR ÖKOLOGIE 2003). Außerdem sind verdichtungsmindernde Bewirtschaftungsverfahren zu berücksichtigen, um Bodenverdichtung zu vermeiden. Hier kommt vor allem der Wahl des richtigen Bearbeitungszeitpunktes in Abhängigkeit von der Bodenfeuchte Bedeutung zu. Zur Erhöhung der Aggregatstabilität gewinnen humuserhaltende Bewirtschaftungsverfahren und konservierende Bodenbearbeitung an Bedeutung. Bei bereits vorhandener Verdichtung sind Bodenlockerung und Tiefpflügen bei einer Unterbodenverdichtung mögliche Gegenmaßnahmen. 22 6 Auswirkungen des Klimawandels auf die natürlichen Bodenfunktionen und auf schutzwürdige Böden 6.1 Änderungen der natürlichen Bodenfunktionen und Auswirkungen auf die Schutzwürdigkeit von Böden Bei Fortsetzung der bereits zu beobachtenden Klimatrends sind, wie in den vorherigen Kapiteln aufgezeigt wurde, in Zukunft mittel- bis langfristig negative Auswirkungen auf die Funktionen der niedersächsischen Böden in verschiedener Weise zu erwarten, die wiederum Auswirkungen auf andere Schutzgüter haben werden. Insbesondere werden davon die natürlichen Bodenfunktionen betroffen sein, die von besonderer Bedeutung für den Naturhaushalt sind. Dies sind die Lebensraum-, Regulations- sowie Filter- und Pufferfunktion des Bodens. Böden, deren natürliche Bodenfunktionen im Wesentlichen erhalten geblieben sind, zählen zu den schutzwürdigen Böden (s. Abb. 15). Diese sind z. B. im Rahmen von Planungs- und Genehmigungsverfahren besonders vor einer Überbauung zu bewahren. Durch die sich ändernden Klimabedingungen müssen auch Auswirkungen auf die räumliche Verteilung der schutzwürdigen Böden in Niedersachsen erwartet werden. Bericht Klimawandel Abb. 15: Schutzwürdige Böden in Niedersachsen (GUNREBEN & BOESS 2008). Durch die sich ändernden klimatischen Bedingungen besteht die Gefahr, dass neben einer Einschränkung der Bodenfunktionen im Allgemeinen auch die Eigenschaften von schutzwürdigen Böden soweit verändert werden, dass sie ihre besonderen Standorteigenschaften verlieren. Durch Veränderungen des Niederschlagsregimes können Feuchtstandorte durch zunehmende Sommertrockenheit stärker austrocknen. Böden mit einer hohen natürlichen Bodenfruchtbarkeit können dadurch betroffen sein. Auf der anderen Seite werden auch Trockenstandorte durch zunehmende Winterniederschläge feuchter und damit in ihren besonderen Standorteigenschaften beeinträchtigt. Es ist aber auch eine gegenläufige Entwicklung möglich: Die Auswirkungen des Klimawandels könnten bei einigen Standorten auch zu einer „Verbesserung“ der Standorteigenschaften, wie z. B zu einer Erhöhung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit führen. Bericht Klimawandel Auch Böden mit einer hohen Filter- und Pufferkapazität für nicht sorbierbare Stoffe (entspricht einer geringen oder sehr geringen Nitratauswaschungsgefährdung) können vom Klimawandel in ihren Funktionen beeinflusst werden. In Niedersachsen sind dies unter heutigen Klimabedingungen ca. 40 % der Landesfläche. Wie in Kapitel 2.2 beschrieben, ist mit Änderungen der Auswaschungsgefährdung zu rechnen. Bei einem Teil der aufgrund ihrer hohen Filter- und Pufferkapazität schutzwürdigen Böden würde dies dazu führen, dass ihre Filter- und Pufferfunktion und damit die besondere Standorteigenschaften dieser Böden so stark eingeschränkt werden, dass der Status der Schutzwürdigkeit verloren geht. Auf der anderen Seite kann es aber auch Standorte geben, die in Folge des Klimawandels eine Verringerung der Auswaschungsgefährdung erfahren. 23 Ähnliche Auswirkungen lassen sich für weitere Bodenfunktionen und schutzwürdige Böden erwarten. Folgen für Bodenfunktionen und schutzwürdige Böden 6.2 Mögliche Beeinträchtigung oder Schädigung aller Bodenfunktionen, Veränderung der Funktionen von schutzwürdigen Böden, die ihre besonderen Standorteigenschaften infolge dessen irreversibel verlieren, Beeinträchtigung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit. Handlungsfeld Bodenfunktionen und schutzwürdige Böden Die durch den Klimawandel potenziell besonders betroffenen Standorte mit schutzwürdigen Böden müssen zunächst identifiziert und hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit bewertet werden. Um die natürlichen Bodenfunktionen zu erhalten und für nachfolgende Generation zu sichern, werden v. a. vorsorgende Bodenschutzmaßnahmen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dabei sind alle aktuellen präventiven Maßnahmen zur Verringerung bzw. Vermeidung von Bodenerosion, schadhafter Bodenverdichtung oder Bodenkontaminationen (s. dazu die vorhergehenden Kapitel) geeignete Maßnahmen im Hinblick auf eine Anpassung an sich verändernde Klimaverhältnisse. 7 Ausblick Die in diesem Bericht dargestellten Zusammenhänge zwischen Böden und Klima zeigen, dass der prognostizierte Klimawandel mittelbis langfristig Auswirkungen auf sämtliche natürlichen Funktionen der niedersächsischen Böden haben wird. Als besonders wichtig und vordringlich zu bearbeiten sind dabei die Handlungsfelder Humusgehalt/organische Substanz, Erosion, Bodenwasserhaushalt und Verdichtung. Um auf die potenziellen Folgen des Klimawandels reagieren zu können, müssen die regional unterschiedlichen Auswirkungen auf die Böden abgeschätzt werden. Durch Kenntnis der regionalen Betroffenheit können regionale oder standortbezogene Anpassungsstrategien ent- 24 wickelt werden, um mittel- und langfristige Folgeschäden auf Böden und Bodenfunktionen abzuwenden. Hierzu gehört als Planungsgrundlage eine Ausweisung der betroffenen Gebiete, in denen dann angepasste Bewirtschaftungsmaßnahmen gefördert werden können. Hier kommt es zunächst darauf an, für die jeweiligen regionalen Betroffenheiten auch belastbare quantitative Aussagen abzuleiten. Dazu sollten Bodendaten mit den aktuellen Ergebnissen der regionalen Klimaforschung verknüpft werden. Dazu können die Daten und Methoden des niedersächsischen Bodeninformationssystems (NIBIS®) genutzt und z. T. auch auf schon vorhandene Vorarbeiten zurückgegriffen werden. Die Komplexität des Systems Boden mit seinen vielen internen Regelkreisen und Rückkopplungsmechanismen erschwert quantitative Voraussagen zu den Auswirkungen der Klimaänderungen auf die Böden. Auch wenn fachlich Konsens über die grundsätzlichen Klimawirkungen auf Böden vorliegt, stehen wir am Anfang der Diskussion. Zu vielen speziellen Fragestellungen besteht noch Diskussions- und Forschungsbedarf. Die Bodeninformationssysteme und die Bodenzustandserhebungen der Länder stellen unerlässliche Datengrundlagen für die Klimawirkungs- und Klimaanpassungsforschung dar. Für die verbesserte Vorhersage klimabedingter Effekte auf die Böden und die Konzeption regional differenzierter Anpassungsstrategien ist die Weiterentwicklung bodenkundlicher Auswertungsmethoden erforderlich, die die Wechselwirkungen zwischen Klimaparametern, Landnutzung und Boden berücksichtigen. Voraussetzung ist, dass die Auswertungsmethoden mit wenigen und flächendeckend verfüg- Bericht Klimawandel baren Eingangsdaten auskommen. Auf ihrer Basis sind Aussagen zu langfristigen Veränderungen und Prozessen im Boden möglich. Regionale Klimaszenarien zeigen, dass Wetterextreme wie Starkregenereignisse im Allgemeinen künftig deutlich zunehmen werden. Dabei ergeben die Modellrechnungen aber kein einheitliches Bild. Grundsätzlich besteht die größte Unsicherheit bei der Prognose der Niederschläge bzw. der Niederschlagsverteilung und der Extremereignisse (z. B. Starkniederschlag, Hitze, Wind). Für die Entwicklung regional differenzierter Anpassungsstrategien sind verbesserte regionale Vorhersagen von Klimabedingungen und –extremen von entscheidender Bedeutung. Dazu müssen die jeweiligen Prognosemodelle (WETTREG, REMO, CLM) zunächst weiter herunterskaliert werden, um sie für eine regional aussagekräftige Prognose nutzen zu können. Für rasterbasierte Prognosemodelle (CLM, REMO) ist ein Raster von 1 x 1 km anzustreben, für stationsbezogene Modelle (WETTREG) eine Regionalisierung unter Einbeziehung des Reliefs und der Exposition. Um möglichst genaue Aussagen machen zu können, sollte für bestimmte Auswertungen eine möglichst hohe zeitliche Auflösung (Dekaden, Tage, Stunden) vorliegen. Darüber hinaus müssen Daten über die zeitliche und räumliche Verteilung von Strahlung, Windgeschwindigkeiten und Starkregenereignisse modelliert werden. Zu Abschätzung des Fehlers der Vorhersage sollte eine Berechnung zur Berücksichtigung des Modellfehlers erfolgen. Dazu sind Vergleichsberechnungen mit gemessenen Daten und einer Referenzperiode (z. B. 1961–1990) notwendig. Bericht Klimawandel 25 8 Quellen BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (2009): Dem Klimawandel begegnen - Die deutsche Anpassungsstrategie. – Berlin. DENMAN, K. L., BRASSEUR, G., CHIDTHAISONG, A., CIAIS, P., COX, P. M., DICKINSON, R. E., HAUGLUSTAINE, D., HEINZE, C., HOLLAND, E., JACOB, D., LOHMANN, U., RAMACHANDRAN, S., DA SILVA DIAS, P. L., WOFSY, S. 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Dr. Udo Müller Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, Referat L 3.3 „Landwirtschaft und Bodenschutz, Landesplanung“, Stilleweg 2, 30655 Hannover. Bericht Klimawandel 27