die Rolle des Delta1-Gens bei der Entwicklung der linken und

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Delta macht den Unterschied –
die Rolle des Delta1-Gens bei der
Entwicklung der linken und
rechten Körperhälfte
Delta makes the difference – the role of the
delta1 gene in left-right development
Institut für Experimentelle Genetik1
Institut für Pathologie2
Gerhard K. H. Przemeck1, Ulrich Heinzmann2, Johannes Beckers1, Martin Hrabé de Angelis1
wei Augen, zwei Ohren, zwei Arme,
zwei Beine – von außen betrachtet ist
der Mensch mehr oder weniger spiegelbildsymmetrisch aufgebaut. Dagegen
nehmen Herz, Milz und Magen eine links-,
die Leber eine rechtsgerichtete Lage ein.
Auch einige doppelt angelegten Organe
sind rechts und links nicht ganz gleich. So
hat zum Beispiel die Lunge auf der rechten
Seite drei Lappen, auf der linken aber nur
zwei. Diese asymmetrische Anordnung der
inneren Organe ist bei allen Wirbeltieren
gleich (situs solitus) und wird früh in der
Embryonalentwicklung angelegt. Beim Menschen treten bei 1 von etwa 5.000 Geburten
Störungen in der Anordnung der Organe
auf. Die seltenste Form ist eine komplette
Inversion der Organe (situs inversus), die
keinerlei Gesundheitsschäden nach sich
zieht. Weitaus häufiger treten Störungen in
der Lagebeziehung der einzelnen Organe
zueinander auf (situs ambiguus oder Heterotaxie), was zu schwerwiegenden Folgen und
häufig zum Tod führen kann, insbesondere
dann, wenn Herz-, Darm- oder Lungen-Situs
in einer gegensätzlichen Lateralität angelegt
werden.
In den letzten Jahren sind eine Reihe von
Strukturen und Molekülen identifiziert wor-
Z
wo eyes, two ears, two arms, two
legs – viewed from the outside,
humans show more or less bilateral
symmetry. But there is only one heart, one
spleen and one stomach placed to the left
of the body, and one liver on the right. Even
those organs that come in pairs show some
asymmetry: for example, the right lung has
three, the left lung only two lobes. This
asymmetric organ placement and structure
is conserved among all vertebrates and is
genetically determined early in embryonic
development. In the last ten years, several
structures and molecules have been discovered that control left-right development.
Here, we report that Delta-Notch signalling,
which previously had not been implicated
in this morphogenetic process, is required
for normal left-right determination in mice.
We show that the loss-of-function of the
Delta1 gene causes a situs ambiguous
phenotype, including randomisation of the
direction of heart looping and embryonic
turning. The most probable cause for this
left-right defect in Delta1 mutant embryos
is a failure in the development of proper
midline structures. These originate from the
node, which is disrupted and deformed in
Delta1 mutant embryos.
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Herzdrehung
Embryonalrotation
Abb. 1: Herzdrehung und Embryonalrotation am Tag 8.5 der Embryonalentwicklung (E8.5) der Maus.
den, die Lage, Gestalt und Orientierung der
inneren Organe bestimmen. Neu ist, dass
auch der Delta-Notch-Signalweg, der bislang vor allem mit der Skelett- und Nervenentwicklung in Verbindung gebracht wird,
die Entwicklung der linken und rechten
Körperhälfte maßgeblich mitbestimmt. Fehlt
nämlich im Mausmodell das Delta1-Molekül
vollständig, wird die Entscheidung, wo nun
rechts oder links ist, zufällig getroffen. Die
wahrscheinlichste Ursache für diesen LinksRechts(LR-)-Defekt ist eine Entwicklungsstörung der Mittellinienstrukturen, die aus dem
Primitivknoten hervorgehen, der ebenfalls
Differenzierungsstörungen aufweist.
Erste Anzeichen einer LR-Asymmetrie lassen sich bei der Differenzierung des Herzens
beobachten, das sich bei allen Wirbeltieren
aus einem zunächst symmetrischen Herzschlauch entwickelt. Im gesunden Organismus krümmt sich der Schlauch erst nach
rechts und bildet dann eine Schleife nach
links (Abb. 1). Diese Drehung gehört zu den
Schlüsselereignissen in der Herzentwicklung, denn mit ihr fällt auch die Entscheidung über den inneren Aufbau des komplexen Pumpensystems. Ein weiteres Merkmal
für die LR-Differenzierung ist eine Rotation
des Embryos gegen den Uhrzeigersinn
(Abb. 1). In der Maus finden beide Vorgänge
am Tag 8.5 der Embryonalentwicklung statt,
was etwa dem 25. Tag der Schwangerschaft
beim Menschen entspricht.
In Mausmutanten, bei denen das Delta1-
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Gen ausgeschaltet ist (knockout), erfolgen
dagegen die Richtung der Herzdrehung und
die Richtung der Embryonalrotation zufällig.
Als Ergebnis der fehlerhaften Rotation liegt
etwa bei der Hälfte der Delta1-Mutanten
der Schwanz auf der linken anstatt auf der
rechten Körperseite (Abb. 2A), und neben
normal entwickelten Herzanlagen können
Abb. 2: Links-Rechts-Orientierung von Schwanz
und Herz bei Wildtyp (+/+) und Delta1-Mutanten
(-/-). A: Bei 50% aller Delta1-Mutanten liegt der
Schwanz auf der linken (L) anstatt der rechten (R)
Körperseite. B-D: Herzdrehung am Tag E10.5. Nur
bei etwa 40% der Delta1-Mutanten entspricht die
Orientierung des Herzens dem Wildtyp (B),
während bei 20% die Herzdrehung unvollständig
(C) und bei weiteren 40% das Herz seitenverkehrt
angelegt ist (D), so dass der zukünftige linke
Ventrikel (lv) auf der rechten und der zukünftige
rechte Ventrikel (rv) auf der linken Seite liegt.
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Expression of Nodal
Leftsided
Wt (n = 10)
DII1-/- (n = 21)
Bilateral
Rightsided
No
expression
100%
0%
0%
0%
19%
14%
19%
48%
Bilateral
Rightsided
No
expression
Expression of Leftb
Leftsided
Wt (n = 8)
DII1-/- (n = 16)
100%
0%
0%
0%
31%
25%
19%
25%
Bilateral
Rightsided
No
expression
Expression of Pitx2
Leftsided
Wt (n = 12)
DII1-/- (n = 25)
100%
0%
0%
0%
20%
60%
4%
16%
Abb. 3: Zufällige Verteilung der Expression von
Nodal, Leftb und Pitx2 in Delta1-Mutanten.
Delta1-Mutanten auch unvollständig gedrehte oder vollkommen seitenverkehrte Herzen
haben (Abb. 2B-D). Die Delta1-Funktion
scheint also während der Embryonalentwicklung auch für die korrekte Drehung und
die richtige Lage des Herzens erforderlich
zu sein.
Den sichtbaren Anzeichen der LR-Asymmetrie voraus geht bei allen Wirbeltieren
eine genaue Abfolge von Genexpressionen.
Bestimmte Gene, wie Nodal, Leftb und Pitx2
beeinflussen sich gegenseitig und sind im
gesunden Organismus immer nur in bestimmten Geweben der linken Körperhälfte
angeschaltet (Abb. 3). Die Expression dieser
Gene in Delta1-Mutanten spiegelt dagegen
ein mehr oder weniger zufälliges Muster
wider, da sowohl eine nur linksseitige oder
rechtsseitige oder beidseitige als auch gar
keine Expression für alle drei Gene beobachtet werden kann (Abb. 3). Dieses Ergebnis zeigt, dass die Delta1-Funktion somit
auch für die korrekte, ausschließlich linksseitige Expression der Gene Nodal, Leftb
und Pitx2 gebraucht wird.
Ein weiteres Gen, das nur auf einer Seite
einer bestimmten Struktur im Embryo angeschaltet ist, ist Ebaf. Dieses Gen ist normalerweise nur in der linken Seite der Bodenplatte des Neuralrohrs – dem späteren
Rückenmark – exprimiert und soll verhindern, dass die Information „hier ist links“
auch an die rechte Seite weitergegeben
wird. In Delta1-Mutanten können wir jedoch
keine Expression von Ebaf beobachten
(Abb. 4).
Die Bodenplatte des Neuralrohrs (auch
floorplate genannt) bildet mit dem darunter
liegenden Notochord (Chorda dorsalis) die
Mittellinie des Embryos, die auch als eine
physikalische Barriere zwischen linker und
rechter Körperhälfte verstanden werden
kann. In Delta1-Mutanten sind die Strukturen
der Mittellinie gestört, was sich in einer
veränderten Expression von Markergenen
für die Bodenplatte und das Notochord ausdrückt (Abb. 4). Aber auch morphologische
Veränderungen lassen sich bei Delta1-Mutanten beobachten. Die Anzahl an Zellen in der
Bodenplatte ist signifikant erhöht, während
die Zahl der Zellen im Notochord deutlich
verringert ist (Abb. 4). Neben den molekularen zeigen Delta1-Mutanten also auch
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Abb. 4: Störungen der Morphologie der Mittellinie bei Delta1-Mutanten. A, B, E, F: Expression von
Ebaf in der linken (L) Seite der Bodenplatte beim Wildtyp (A, E) und fehlende Expression bei Delta1
(B, F). C, D, G, H: Expression des T-Gens im Notochord von Wildtyp (C, G) und stark reduzierte
Expression bei Delta1 (D, H). I, J: Die Expressionsdomäne von Foxa2 in der Bodenplatte von Delta1Mutanten (J) ist gegenüber dem Wildtyp (I) deutlich vergrößert. K, L: Signifikante Veränderungen in
Bodenplatte und Notochord bei Delta1-Mutanten.
physikalische Störungen in der Mittellinie.
Die entwicklungsbiologische Quelle der
Mittellinienstrukturen ist der Primitivknoten,
der sehr früh im Embryo angelegt wird und
auch als zentraler Organisator der Entwicklung verstanden werden kann. Im Rasterelektronenmikroskop ist zu erkennen, dass
der Primitivknoten eine sehr gleichmäßige,
keulenförmige Form besitzt (Abb. 5A) und
aus vielen kleinen Zellen besteht, die alle ein
bewegliches Flimmerhärchen (Cilie) tragen,
das zur späteren Bauchseite des Embryos
zeigt (Abb. 5C, F). Japanische Wissenschaftler konnten vor einiger Zeit eindrucksvoll
zeigen, dass durch den Schlag dieser Cilien
das Fruchtwasser normalerweise von rechts
nach links bewegt wird und dass diese
gleichmäßige Bewegung unter anderem für
die korrekte Ausbildung der LR-Achse verantwortlich ist.
Betrachtet man dagegen den Primitivkno-
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ten von Delta1-Mutanten zu verschiedenen
Entwicklungsstadien, erkennt man bereits
deutliche Veränderungen der Feinstrukturen
bevor „links“ von „rechts“ überhaupt unterschieden werden kann. Der Primitivknoten
ist hier ungleichmäßig geformt (Abb. 5B, D)
und enthält zusätzliche, große Zellen ohne
Flimmerhärchen (Abb. 5F), was insgesamt
gesehen eine gleichmäßige Fruchtwasserbewegung eher unwahrscheinlich erscheinen lässt.
Diese frühen Störungen lassen vermuten,
dass Delta1 somit auch an der Differenzierung des Primitivknotens entscheidend
beteiligt ist. Tatsächlich sind alle untersuchten Gene des Delta-Notch-Signalwegs zum
Zeitpunkt der Entstehung des Primitivknotens in ihm oder um ihn herum angeschaltet
(Abb. 6), was für die Beteiligung an der
Entstehung des Primitivknotens spricht. In
Mutanten, die kein funktionsfähiges Delta1-
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Abb. 5: Analyse der Morphologie des Primitivknotens.
A, C, E: Der keulenförmige Primitivknoten des Wildtyps enthält kleine Zellen mit beweglicher Cilie.
B, D, F: Der Primitivknoten von Delta1-Mutanten ist ungleichmäßig geformt und enthält zusätzlich große
Zellen ohne Cilie (Pfeil in F).
Molekül besitzen, sind dagegen die Gene
Notch1, Notch2 und Lunatic fringe (Lfng)
entweder diffus oder sogar über den ganzen
Embryo verteilt exprimiert.
Der evolutionär hoch konservierte DeltaNotch-Signalweg ist an vielen verschiedenen Entwicklungsprozessen beteiligt und
tritt oft dann in Aktion, wenn Strukturen
voneinander abgegrenzt werden müssen
oder wenn Entscheidungen über das weitere Entwicklungsschicksal von Zellen getroffen werden. Wir konnten nun erstmals
zeigen, dass der Delta-Notch-Signalweg
auch an der unterschiedlichen Entwicklung
der linken und rechten Körperhälften entscheidend beteiligt ist.
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Abb. 6: Expression von Genen des Delta-Notch-Signalwegs im frühen Embryo während der Bildung
des Primitivknotens. In Delta1-Mutanten (-/-) ist die Expression der Gene Notch1 (F), Notch2 (H) und
Lfng (J) gestört.
Ausgewählte Veröffentlichungen
Przemeck, G. K. H., Heinzmann, U., Beckers, J., Hrabé de
Angelis, M. (2003): Node and midline defects are
associated with left-right development in Delta1 mutant
embryos. Development 130, 3-13
Pfister, S., Przemeck, G. K. H., Gerber, J.-K., Beckers, J.,
Adamski, J., Hrabé de Angelis, M. (2003): Interaction of
the MAGUK family member Acvrinp1 and the cytoplasmic domain of the Notch ligand Delta1. J Mol Biol 333,
229-235
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Grandbarbe, L., Bouissac, J., Rand, M., Hrabé de Angelis,
M., Artavanis-Tsakonas, S., Mohier, E. (2003): Delta-Notch
signaling controls the generation of neurons/glia from
neural stem cells in a stepwise process. Development
130, 1391-1402
Hrabé de Angelis, M., McIntyre, J. 2nd, Gossler, A. (1997):
Maintenance of somite borders in mice requires the
Delta homologue Dll1. Nature 386, 717-721
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