Vorlesung Algebra I Christian Lehn Inhaltsverzeichnis 1. 2. Einleitung Gruppen 1 5 1. Einleitung 1.1. Vorkenntnisse Gruppen Definition. Es sei G eine Menge. Eine Verknüpfung auf G ist eine Abbildung ·:G×G− → G, (a, b) 7→ a · b Hierbei ist · das Verknüpfungssymbol. Wir betrachten die folgenden Eigenschaften für eine Verknüpfung: (1) (Assoziativität): ∀a, b, c ∈ G : a · (b · c) = (a · b) · c. (2) (neutrales Element): ∃e ∈ G : ∀a ∈ G : a · e = e · a = a. (3) (inverses Element): ∀a ∈ G : ∃a0 ∈ G : a · a0 = a0 · a = e. Eine Paar (G, ·) bestehend aus einer Menge G und einer Verknüpfung · auf G heißt • Halbgruppe, falls G nicht leer und (1) erfüllt ist. • Monoid, falls (1) und (2) erfüllt sind. • Gruppe, falls (1), (2) und (3) erfüllt sind. Falls zusätzlich für alle a, b, ∈ G gilt, dass a · b = b · a ist, so nennt man (G, ·) kommutativ oder abelsch. Definition. Es sei (G, ·) eine Gruppe, und ∅ = 6 U ⊂ G eine Teilmenge. Dann heißt U Untergruppe von G, falls gilt: (1) ∀a, b ∈ U ⇒ a · b ∈ U , (2) ∀a ∈ U ⇒ a−1 ∈ U Man schreibt auch U < G, wenn U eine Untergruppe in G ist. 2 Christian Lehn Definition. Es seien G und H Gruppen. Eine Abbildung f : G −→ H heißt Gruppenhomomorphismus, falls gilt ∀a, b ∈ G : f (a · b) = f (a) · f (b) Es sei f : G − → H ein Gruppenhomomorphismus. Dann heißt f ein (1) Gruppenmonomorphismus, falls f injektiv ist, (2) Gruppenepi morphismus, falls f surjektiv ist, und (3) Gruppenisomorphismus, falls f bijektiv ist. Ein Gruppenhomomorphismus f : G − → G heißt auch Gruppenendomorphismus und Gruppenautomorphismus falls f bijektiv ist. Definition. Es sei f : G → H ein Gruppenhomomorphismus. Dann definieren wir Kern und Bild von f als ker(f ) := {a ∈ G | f (a) = eH } bild(f ) := f (G) = {b ∈ H | ∃a ∈ G, f (a) = b} , wobei eH das neutrale Element von H ist. Es ist ker(f ) < G, bild(f ) < G. Definition. Es sei G eine Gruppe und U ⊂ G eine Untergruppe. Dann heißt für jedes a ∈ G die Menge aU := {a · u | u ∈ U } die Linksnebenklasse von U in G zu a. Analog nennt man U a := {u · a | u ∈ U } die Rechtsnebenklasse von U in G zu a. Definition. Es seien G eine Gruppe und U ⊂ G eine Untergruppe. Wir bezeichnen mit G/U die Menge der Linksnebenklassen von U in G. Die Ordnung einer Gruppe G, die wir auch mit ord(G) notieren, ist definiert als die Mächtigkeit von G (also Anzahl der Elemente, falls G endlich ist). Der Index von U in G, geschrieben (G : U ), ist die Mächtigkeit von G/U (also Anzahl der Linksnebenklassen von U in G, falls G endlich ist). Definition. Es sei U < G eine Untergruppe, dann heißt U Normalteiler von G, falls für alle a ∈ G gilt: aU = U a, d.h., falls Rechts- und Linksnebenklassen zu a von U in G übereinstimmen. Man schreibt dann auch U C G. Definition. Es sei G eine Gruppe und N ⊂ G ein Normalteiler. Die Gruppe G/N mit der Verknüpfung G/N × G/N − → G/N , aN · bN := abN heißt Faktor -, Restklassen- oder Quotientengruppe von G nach N . Algebra I 3 Definition. Es sei G eine Gruppe und E ⊂ G eine Teilmenge. Die kleinste Untergruppe H ⊂ G, die E enthält, heißt die von E erzeugte Gruppe und wird mit hEi notiert. Eine Teilmenge E ⊂ G heißt Erzeugendensystem, falls G = hEi. Ist E = {g1 , . . . , gn }, so heißt hEi endlich erzeugt und wir schreiben auch hg1 , . . . , gn i anstelle von h{g1 , . . . , gn }i. Definition. Es sei M eine endliche Menge. Die symmetrische Gruppe oder Permutationsgruppe S(M ) ist die Gruppe der bijektiven Selbstabbildungen σ : M − → M zusammen mit der Komposition von Abbildungen als Gruppengesetz. Es gilt #S(M ) = (#M )! für die Anzahl der Elemente von S(M ). Ist M = [n] := {1, 2, . . . , n}, so schreiben wir Sn für S(M ). Ein σ ∈ Sn wird durch das Symbol 1 2 ... n σ(1) σ(2) . . . σ(n) ! dargestellt. Eine Permutation σ ∈ Sn heißt Zyklus oder genauer r-Zyklus für r ∈ [n] wenn es Zahlen x1 , . . . , xr ∈ [n] mit σ(xi ) = xi+1 für i ≤ r − 1, σ(xr ) = x1 , σ(y) = y ∀y ∈ / {x1 , . . . , xr } gibt. Wir schreiben in diesem Falle auch σ = (x1 x2 . . . xr ). 1.2. Vorkenntnisse Ringe und Körper Definition. Ein Ring ist eine Menge R zusammen mit zwei Verknüpfungen + : R × R − →R (Addition) und · : R × R − → R (Multiplikation), die die folgenden Bedingungen erfüllen: (1) (R, +) ist eine abelsche Gruppe. (2) (R, ·) ist ein Monoid. (3) Es gilt das Distributivgesetz: ∀a, b, c ∈ R : a · (b + c) = a · b + a · c. Das neutrale Element der Addition wird mit 0 bezeichnet, das inverse zu a ∈ R mit −a. Das neutrale Element der Multiplikation wird mit 1 bezeichnet. Falls es zu a ∈ R ein multiplikatives Inverses gibt, so bezeichnen wir es mit a1 oder a−1 . Ein Ring heißt kommutativ, falls die Multiplikation kommutativ ist. Ein Ring R heißt Schiefkörper oder Divisionsbereich, wenn jedes Element a ∈ R \{0} ein multiplikatives Inverses besitzt. Ein kommutativer Schiefkörper heißt Körper. Definition. Es sei R ein Ring. Die Menge R ⊃ R× := {a ∈ R | ∃b ∈ R : ab = ba = 1} heißt Gruppe der Einheiten. Sie ist eine im Allgemeinen nicht-kommutative Gruppe. 4 Christian Lehn Definition. Es seien R und S Ringe. Eine Abbildung ϕ : R − → S heißt Ringhomomorphismus, falls gilt • ϕ ist additiv: ϕ(r1 + r2 ) = ϕ(r1 ) + ϕ(r2 ). • ϕ ist multiplikativ: ϕ(r1 · r2 ) = ϕ(r1 ) · ϕ(r2 ). • ϕ(1) = 1. Ein Ringhomomorphismus ϕ : R − → S heißt Ringisomorphismus oder auch nur Isomorphismus, wenn es einen Ringhomomorphismus ψ : S − → R mit ψ ◦ ϕ = idR und ϕ ◦ ψ = idS gibt. Für R = S spricht man auch von einem Ringendomorphismus beziehungsweise Ringautomorphismus. Die Menge aller Ringhomomorphismen von R nach S werde mit Hom(R, S) bezeichnet. Definition. Es sei R ein Ring. Die Menge R ⊃ R× := {a ∈ R | ∃b ∈ R : ab = ba = 1} heißt Gruppe der Einheiten. Sie ist eine im Allgemeinen nicht-kommutative Gruppe. Definition. Es sei A ein Ring. Wir definieren das Zentrum von A als Z(A) := {a ∈ A | ab = ba für alle b ∈ A}. Das Zentrum eines Ringes ist offensichtlich ein kommutativer Ring. Es sei R ein Ring. Eine R-Algebra ist ein Ring A zusammen mit einem Ringhomomorphismus ϕ : R − → Z(A). Wir bezeichnen ϕ als Strukturmorphismus. Wenn wir über eine fixierte R-Algebra A sprechen, unterdrücken wir den Strukturmorphismus ϕ häufig in der Notation. Wir schreiben zum Beispiel r · a anstelle von ϕ(r) · a für r ∈ R, a ∈ A. Definition. Ein R-Algebrenhomomorphismus zwischen zwei R-Algebren A1 und A2 ist ein Ringhomomorphismus ψ : A1 − → A2 , der R-linear ist, d.h., der ψ(r · a1 ) = r · ψ(a1 ) für r ∈ R und a1 ∈ A1 erfüllt. Die Menge aller R-Algebrenhomomorphismen von A1 nach A2 werde mit HomR (A1 , A2 ) bezeichnet. Definition. Es sei R ein Ring. Eine Untergruppe I von (R, +) heißt Linksideal (bzw. Rechtsideal ), wenn für alle a ∈ R und x ∈ I gilt: ax ∈ I (bzw. xa ∈ I). Die Menge I heißt beidseitiges Ideal, wenn sie sowohl Links- als auch Rechtsideal ist. Ist R kommutativ, so fallen alle drei Begriffe zusammen und wir sprechen einfach von einem Ideal. Definition. Es sei I ein Linksideal (bzw. Rechtsideal). Eine Familie (sλ )λ∈Λ ⊂ I, indiziert durch eine Menge Λ, heißt Erzeugendensystem von I, falls für jedes a ∈ I eine endliche Teilmenge Λ0 ⊂ Λ und Elemente (aλ )λ∈Λ0 ⊂ R existieren so, dass X X bzw. a = a= aλ sλ sλ aλ . λ∈Λ0 λ∈Λ0 Algebra I 5 Die sλ heißen Erzeuger von I. Ein Linksideal (bzw. Rechtsideal) I heißt endlich erzeugt, falls es ein Erzeugendensystem endlicher Mächtigkeit gibt. Definition. Es sei R ein Ring und I ⊂ R ein zweiseitiges Ideal. Dann bezeichnet man den Ring (R/I, +, ·) mit der von R induzierten Addition und Multiplikation auch als Restklassenoder Faktorring. Die Abbildung π : R − → R/I, x 7→ x̄ ist ein Ringhomomorphismus, der sogenannte Restklassenhomomorphismus. Der Ring R/I is kommutativ, wenn R es war. Definition. Es sei R ein Ring und (M, +) eine abelsche Gruppe, auf der eine Skalarmultiplikation µ : R × M − → M definiert ist. Wir schreiben für r ∈ R und m ∈ M auch r · m anstelle von µ(r, m). Ist µ assoziativ (r1 ·(r2 ·m) = (r1 ·r2 )·m), distributiv (r ·(m1 +m2 ) = rm1 +rm2 ) und gilt 1·m = m für alle m ∈ M , so heißt M ein R-Linksmodul. Ist R kommutativ, so spricht man einfach nur von einem R-Modul. Analog definiert man R-Rechtsmoduln. Wie für Ideale definiert man Erzeugendensysteme und Erzeuger und schreibt auch M = R hmλ | λ ∈ Λi falls M von den (mλ )λ∈Λ erzeugt wird. 2. Gruppen 2.1. Zyklische Gruppen und symmetrische Gruppe Definition. Eine Gruppe G heißt zyklisch, wenn es einen surjektiven Gruppenhomomorphismus ϕ : Z −→ G gibt. Definition. Für eine Gruppe G und ein Element g ∈ G bezeichnen wir mit ord(g) die Ordnung der von g erzeugten Untergruppe, also ord(g) := min k ∈ N>0 | g k = 1 . Definition. Es seien [n] = {1, . . . , n} und σ = (x1 x2 . . . xk ), τ = (y1 y2 . . . ym ) ∈ Sn zwei Zykel. Wir nennen σ und τ elementfremd, falls {x1 , . . . , xk } ∩ {y1 , . . . , ym } = ∅ in [n]. Eine Transposition ist ein Zykel der Länge 2.