Angestellte Hebammen: Überstunden sind an der Tagesordnung 23.06.2014 Von 8.548 festangestellten Hebammen und Entbindungspflegern in Krankenhäusern waren 71,7 Prozent im Jahr 2012 teilzeit- oder geringfügig beschäftigt. Ihr Anteil hat sich zwischen 1991 und 2012 laut Statistischem Bundesamt mehr als verdoppelt. Was sich dahinter verbirgt, warum die Hebammen in Teilzeit arbeiten und wie es um die Arbeitszufriedenheit und -belastung der angestellten Hebammen bestellt ist, geht aus dieser allgemeinen Statistik jedoch nicht hervor. Aus diesem Grund hat der Deutsche Hebammenverband e.V. im Februar diesen Jahres erstmalig eine OnlineBefragung zu den Arbeitsbedingungen und zur Arbeitszufriedenheit unter den angestellten Hebammen in Kliniken durchgeführt, an der sich über 2.000 Hebammen beteiligt haben. Teilnehmerinnen und Umfragedesign Insgesamt haben sich 2.028 Hebammen an der Befragung beteiligt. Das sind etwa ein Viertel aller angestellten Hebammen in Deutschland. Regionale Unterschiede werden nicht dargestellt. Die Online-Befragung erfolgte anonym mit der Möglichkeit, Fragen zu überspringen. Es gab Multiple-Choice-Abfragen, Bewertungen durch Eintragungen in Skalen sowie offene Fragen. Die meisten teilnehmenden Hebammen (57,1 Prozent) haben Berufserfahrung von über 10 Jahren, davon 34,1 Prozent sogar mehr als 20 Jahre, als Berufsanfängerinnen (0–2 Jahre) gelten 11,2 Prozent, 6,2 Prozent haben studiert, 2,4 Prozent der Teilnehmerinnen studieren derzeit. Teilgenommen haben Hebammen aus allen Altersgruppen, nur die über 50-Jährigen sind unterrepräsentiert. Mögliche Gründe hierfür könnten sein, dass in früheren Jahrgängen weniger Hebammen ausgebildet wurden, aber auch, dass sie sich frühzeitig aus dem Beruf zurückziehen oder seltener an Befragungen beteiligen. Arbeitszeitmodelle: überwiegend unbefristet und teilzeitbeschäftigt Die meisten der befragten Hebammen (86,2 Prozent) haben ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Genau ein Viertel (25 Prozent) ist in Vollzeit angestellt, während 75 Prozent der Hebammen in Teilzeit beschäftigt sind (davon 2 Prozent als geringfügig Beschäftigte). Bei 80,3 Prozent der Hebammen wird das Angestellteneinkommen durch andere Einkommensquellen ergänzt. Die Mehrheit der Hebammen gibt persönliche und familiäre Wünsche als Gründe für ihre Teilzeittätigkeit an. Nur bei zirka 11 Prozent der Hebammen spielen gesundheitliche Gründe eine Rolle, oder eine Vollzeitstelle ist nicht vorhanden. Tabelle1: Zusätzliches Einkommen (Mehrfachnennungen möglich) zusätzliche Nebenbeschäftigung (z. B. 450-€-Job) selbstständige Tätigkeit/freie Mitarbeit staatliche Hilfen (z. B. Wohngeld / Hartz IV) Unterstützung durch Familie/LebenspartnerIn eigenes Vermögen Frührente, Hinterbliebenenrente Prozentsatz 7,2 % 69,4 % 0,8 % 21,3 % 2,4 % 0,5 % Anzahl der Antworten 126 1.214 14 372 42 9 trifft für mich nicht zu 19,7 % 345 Leitungsstruktur: höhere Zufriedenheit mit einer Hebamme als Leitung 12,8 Prozent der Befragten arbeiten in einer Leitungsfunktion, davon 7,3 Prozent als Kreißsaalleitung. Überwiegend (64,5 Prozent) haben die leitenden Hebammen dabei Verantwortung für mehr als 10 Mitarbeiterinnen. Gibt es leitende Hebammen in der Abteilung, ist die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen höher als mit anderen Vorgesetzten. 21,9 Prozent der Hebammen sind in einer Abteilung angestellt, die nicht von einer Hebamme geleitet wird. Arbeitsbedingungen: viele Überstunden, wenig positive Entwicklungen 89,4 Prozent der angestellten Hebammen machen regelmäßig Überstunden. 41,9 Prozent leisten Rufbereitschaftsdienste, 16,2 Prozent Anwesenheitsbereitschaftsdienste. Bei 2,5 Prozent der Hebammen gibt es keine Mitarbeitervertretung an der Arbeitsstelle. Nur 11 Prozent der Hebammen sind gewerkschaftlich organisiert. Etwa 25 Prozent der Hebammen werden nicht nach einem der Tarifverträge (TVöD, AVR, TV-L) vergütet. Positive Veränderungen der Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren geben nur 5 Prozent an. Am meisten beklagt wird von den Hebammen die Zunahme der Dokumentation, Arbeitsverdichtung, Übernahme berufsfremder Tätigkeiten und der Personalabbau. Tabelle 2: Wesentliche Veränderungen der Arbeitsbedingungen (Mehrfachnennungen möglich) Personalabbau Arbeitsverdichtung (mehr Patienten in der gleichen Arbeitszeit) Ausweitung der Arbeitszeit weniger Unterstützung für Fortbildung (finanziell, dienstfrei) verändertes Patientenklientel berufsfremde Tätigkeiten (Pflegetätigkeiten, Putzarbeiten) Zunahme von Dokumentation Ausstattung verschlechtert Die Bedingungen im Arbeitsvertrag haben sich verschlechtert (Arbeitszeitverlängerung, weniger Urlaubstage keine Veränderungen trifft für mich nicht zu Prozentsatz 50,9 % 77,2 % Anzahl der Antworten 884 1.341 25,9 % 39,0 % 450 678 49,3 % 60,8 % 857 1.057 90 % 16,1 % 8,5 % 1.565 279 147 0,9 % 1,7 % 15 30 Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen: gute Zusammenarbeit untereinander trotz Personal- und Zeitmangel Das allgemeine Betriebsklima wird als mittelmäßig bewertet. Nur wenig besser wird die Zusammenarbeit mit den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen eingeschätzt. Auch hier gibt es die meisten Bewertungen im Mittelfeld,+-q jedoch werden Top-Bewertungen fast doppelt so häufig vergeben wie die untersten Bewertungen. Überwiegend zufrieden sind die angestellten Hebammen mit der Zusammenarbeit untereinander (MW 7,52) und der mit der leitenden Hebamme (MW 6,58). Die höchste Zufriedenheit bei der Beurteilung einzelner Aspekte der Arbeitsbedingungen gibt es bei der Berücksichtigung von Wünschen bei der Dienstplangestaltung. 70,5 Prozent der Hebammen wählten hier eine der drei höchsten Bewertungsmöglichkeiten (MW 7,9). Doch die vielen negativen Bewertungen der Arbeitsbedingungen belegen den Personal- und Zeitmangel und die Arbeitsverdichtung durch immer mehr zusätzliche und hebammenfremde Tätigkeiten. Im Folgenden die hauptsächlichen Aussagen zu den Arbeitsbedingungen: ! Unterbrechungen meiner Arbeit durch Patienten, Telefon, Anfragen usw. sind sehr häufig. (MW 9,05) ! Für die einzelne Frau/das Paar nicht so viel Zeit zu haben, wie ich eigentlich möchte, erlebe ich sehr häufig. (MW 8,47) ! Unter hohem Zeitdruck arbeiten zu müssen, erlebe ich sehr häufig. (MW 8,44) ! Es kommt vor, dass eine Frau nicht die zeitliche Zuwendung und Betreuung erhält, die eigentlich gut für sie wäre. Dies erlebe ich sehr häufig. (MW 8,36) ! Etwas tun zu müssen, von dem ich das Gefühl habe, dass ich es eigentlich nicht machen sollte (z. B. bei Unterbesetzung), kommt häufig vor. (MW 7,64) ! Den Anteil von Verwaltungsarbeit in meiner Tätigkeit empfinde ich als sehr gering. (MW 3,03) ! Die Möglichkeit der Mitentscheidung innerhalb der Klinik ist meiner Ansicht nach sehr groß. (MW 4,27) Insgesamt ist die Zufriedenheit mit der aktuellen Arbeitssituation (Skala von 1 = sehr unzufrieden bis 10 = sehr zufrieden) nicht sehr groß. Nur 13,9 Prozent der Hebammen beurteilen die Frage innerhalb der Top-Bewertungen zwischen 10 und 8; 57,3 Prozent in den vier mittleren Bewertungsmöglichkeiten zwischen 4 und 7 und besorgniserregende 28,7 Prozent bewerten die Zufriedenheit mit ihrer Arbeitssituation zwischen 1 und 3. Auf die Frage, was die Zufriedenheit am Arbeitsplatz erhöhen würde, haben viele Hebammen konstruktive Vorschläge gemacht. Zum Beispiel: ! höherer Personalschlüssel für Hebammen/generell mehr Personal ! höhere/(der Verantwortung) angemessenere Vergütung ! mehr Zeit für die einzelnen Patientinnen/Paare und deren Bedürfnisse/Einszu-eins-Betreuung ! bessere Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft ! mehr Unterstützung/Rückendeckung/weniger Druck durch Leitung/PDL/leitende Hebamme ! weniger invasive Eingriffe/Geburtseinleitungen etc. ! mehr Wertschätzung/Anerkennung des Berufsstandes/der Arbeit/der Kompetenz ! generell bessere Zusammenarbeit/Kommunikation ! mehr/zusätzliche Räume/Betten (auch auf anderen Stationen, etwa Wochenstation) ! bessere Qualifikation der Ärzte ! höheres Standing/mehr Mitspracherecht/Eigenverantwortung/weniger Einmischung/mehr Eigenständigkeit/Verantwortung/Mitspracherecht hinsichtlich der Vorgehensweise generell ! Erhöhung des Personals in anderen Berufsgruppen (Sekretärinnen, Putzhilfen, Pflegekräfte, Arzthelferinnen etc.) zwecks Entlastung und Qualifizierung der Vorgesetzten/PDL/kompetente Leitung/neue Leitung Zusammenfassung Die typische angestellte Hebamme, die an der Umfrage teilgenommen hat, ist zwischen 30 und 50 Jahre alt und hat mindestens zehn Jahre Berufserfahrung. Sie macht regelmäßig Überstunden, arbeitet zusätzlich freiberuflich und schätzt die Berücksichtigung ihrer Dienstplanwünsche. Sie arbeitet gern mit ihren Kolleginnen zusammen und möchte nicht auf die Geburtshilfe verzichten, leidet jedoch unter den immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen in der Klinik. Insbesondere zunehmende Verwaltungsaufgaben, berufsfremde Tätigkeiten und Personalabbau hindern sie daran, ihrer eigentlichen Berufung nachzugehen. In den letzten Jahren hat sie daher den Anteil ihrer angestellten Hebammentätigkeit immer weiter reduziert und arbeitet in Teilzeit. Sie bleibt jedoch – trotz Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation – in der Klinik, auch um sozialversichert und im Krankheitsfall finanziell abgesichert zu sein.