ZELLULÄRE PROTEOMFORSCHUNG „PROTEINE SIND DIE FUNKTIONELLEN EINHEITEN DES LEBENS. ERST WENN WIR SIE IN IHRER GESAMTHEIT VERSTEHEN, ALSO DAS PROTEOM WIRKLICH KENNEN, DANN WISSEN WIR, WIE DAS LEBEN FUNKTIONIERT!“ Dr. Lothar Jänsch, Arbeitsgruppenleiter Zelluläre Proteomforschung POSTGEHEIMNIS – EIN FREMDWORT FÜR BAKTERIEN UND VIREN Proteomforschung ist eine komplexe Angelegenheit. Grob umrissen geht es darum, alle Eiweißstoffe in einer Zelle – oder auch einem gesamten Organismus – zu erforschen: nicht nur welche vorhanden sind und wie sie aussehen, sondern vor allem, was sie wann in der Zelle tun. Der Sinn dahinter ist, dass Proteine unser Leben steuern. Sie sind sozusagen das Sprachrohr unserer Gene und an sämtlichen Lebensprozessen beteiligt. Verstehen wir das Proteom, sind wir ein großes Stück weiter im Verständnis des Lebens. Wo die Probleme bei der Proteomforschung an- von Listerien an Wirtszellen die Signalwege in der fangen, ist schwer zu sagen: Sind es Zelle verändert“, erklärt Lothar Jänsch. Diese Signale, k Proteom die über 100.000 verschie- Gesamtheit aller Prote- denen Proteine, die eine ine zu einem bestimm- Zelle bauen und benutzen alisiert sich Lothar Jänsch auf ten Zeitpunkt, bezogen kann? Oder die Tatsache, diese Eiweißbausteine. Mit etwa auf das betrachtete dass eine Zelle in einer Objekt (Zelle, Kompar- Minute ein ganz anderes timent, Lebewesen). Proteinspektrum hat als in der die die Listerien für ihre Zwecke missbrauchen, geben so genannte Kinasen weiter. Also spezi- 500 Mitgliedern sind Kinasen eine der größten Enzymfamilien in nächsten? Ist vielleicht die menschlichen k Kinase Entscheidung, welche Zelle Zellen. Enzyme Enzyme aus der Klasse der Transferasen. überhaupt die richtige ist, sind Biokatalysa- das größte Problem? Diese toren. Ihre Aufgabe ist Fragen ließen sich über Seiten fortführen, an ihrer Be- Eiweißbausteinen zu antwortung arbeitet Dr. verändern – und Lothar Jänsch mit seiner damit verändern Arbeitsgruppe „Proteom- sie die biologischen forschung“ am Helmholtz- Eigenschaften des Zentrum für Infektionsforschung. Die Analyse des Proteoms ist natürlich kein Selbstzweck. Lothar Jänsch möchte über die Bewegungen und Aktionen der Proteine in Zellen herausfinden, was bei einem Angriff durch einen Post-translationale Modifikationen verändern die Struktur und Funktion von Kinasen. es, die Struktur von gesamten Proteins. Kinasen sind darauf spezialisiert, Informationen weiterzuleiten. „Etwa 60 Kinasen sitzen allein an Krankheitserreger in der Zelle geschieht. Was bewirkt der Oberfläche menschlicher Zellen“, sagt Lothar etwa das Andocken eines Bakteriums in der ange- Jänsch. „Sie erkennen, ob bestimmte Botenstoffe an griffenen Zelle? Welche Signale werden in der Zelle der Zelloberfläche sind und werden daraufhin aktiv.“ ausgelöst? „Wir untersuchen Listerien, die schwere Aktiv heißt: Die Kinase verändert ein anderes Protein Hirnhautentzündungen und vorgeburtliche Infek- – meist auch wieder eine Kinase – auf der Innenseite tionen auslösen. Und wir wissen, dass die Bindung der Zelle, indem sie einen Molekülbaustein überträgt Quantitative Proteomforschung erfordert die Entwicklung und Anwendung bioinformatischer Verfahren. chen dann das Spektrum der Kinasen in der Zellflüs- k Rezeptor sigkeit. „Damit finden wir heraus, welche der Kinasen Protein oder Protein- bei einem Angriff aktiv sind und auf welche anderen komplex, der Partikel Proteine sie Bausteine übertragen. So verfolgen wir an der Zelloberfläche die gesamte Signalkette.“ Sie machen sozusagen eine bindet, die in das Inne- Vorher-Nachher-Aufnahme der Proteine in der Zelle. re der Zelle transpor- Vorher: Ohne dass ein Krankheitserreger auf der tiert werden oder im Oberfläche der Wirtszelle anbindet. Nachher: Kurz Inneren Signalprozesse nachdem der Angreifer angedockt hat. auslösen. und dadurch eine Bindung zu einem anderen Molekül Und wenn die Zellbiologen wissen, welche Kinasen aufbaut oder unterbricht. Dieser Partner auf der In- was tun, können sie nach Wirkstoffen suchen, die nenseite gibt die Information weiter, indem er wieder die zentralen Stellen dieser Signalkette blockieren. ein anderes Molekül verändert; und so setzt sich die „Kinasen gehören damit zu den Hoffnungsträgern der Information wie „Stille Post“ immer weiter fort. Auf modernen Pharmazie. Sie sind die Basis für eine völlig diese Art werden Informationen in die Zelle hinein neue Therapiestrategie gegen Bakterien und Viren“, und innerhalb der Zelle weitergeleitet. Und in diesen sagt Lothar Jänsch. Zellfunk klinken sich Listerien ein, indem sie an eine Rezeptor-Kinase an der Zelloberfläche andocken. Dieser erste Schritt bei einer Infektion ist entscheidend für mögliche Abwehrstrategien. Und wenn die Wissenschaftler sehen, welchen Weg Signale bei einem Angriff durch Listerien gehen, sehen sie gleichzeitig, wo sie bei einer Infektion diese Signalkette stören können, um den Angreifer zu blockieren. Nur wie beobachtet man „Stille Post“ in Zellen? Lothar Jänsch und sein Team haben dafür eine neue Technologie entwickelt. Damit gelingt es ihnen sämtliche Kinasen in einer Zelle „einzufangen“. Erst simulieren sie eine Infektion durch Listerien, warten eine bestimmte Zeit ab, lösen die Zelle auf und untersu- Neben der Analyse infizierter Wirtszellen untersucht die zelluläre Proteomforschung Signalprozesse aktivierter Immunzellen. LOTHAR JÄNSCH Lothar Jänsch hat an der Freien Universität Berlin Biologie studiert und seine Diplomarbeit am Institut für Genbiologische Forschung (IGF) in Berlin angefertigt. Von 1995 – 1998 arbeitete er an seiner Doktorarbeit am IGF und an der Universität Hannover. Nach einer zweijährigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Firma Pfizer fing Lothar Jänsch im Jahr 2000 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Zellbiologie des HZI – damals GBF – an. Von 2003 – 2006 leitete er das Projekt „Identifikation neuer Virulenzfaktoren“ und seit 2006 die Arbeitsgruppe „Zelluläre Proteomforschung“. Im Februar 2009 schloss er erfolgreich das „Tenure Track“Verfahren am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung ab. Den Forschungsschwerpunkt seiner die auf die frühesten Phasen der Pathogen-Wirts-Interaktion und Aktivierungs-Signalwege der adaptiven Immunantwort als Angriffspunkte für diagnostische und therapeutische Verfahren fokussieren. Stand: April 2009 Arbeiten bilden Translationsprojekte mit akademischen, medizinischen und industriellen Partnern,