Epigenetik – Es steht doch nicht alles in den Genen

Werbung
Epigenetik - Es steht doch nicht alles in den Genen - SimplyScience
1 von 3
https://www.simplyscience.ch/teens-liesnach-archiv/articles/epigenetik...
Zurück
Epigenetik – Es steht doch nicht alles in den
Genen
Alle Zellen eines Organismus (auch des Menschen) besitzen das gleiche Genom, das heisst die
gleiche Information, um den gesamten Organismus zu bauen. Wie ist es dann möglich, dass es so
viele verschiedene Arten von Zellen gibt, wie Hautzellen, Muskelzellen oder Leberzellen, die
unterschiedliche Funktionen im Körper ausüben? Der Trick ist, dass jede Zellart andere Abschnitte
des Genoms abliest. Wenn man sich die DNA wie ein Buch vorstellen würde, würden Leberzellen
nur das Kapitel über die Leber lesen und Hautzellen nur das Kapitel über die Haut.
Epigenetische Veränderungen finden auf Ebene der DNA und des Chromatins statt. Bild: Andrea
Danti/Shutterstock.com
Epigenetische Merkmale dienen der Genregulation
In fast allen unserer Zellen befinden sich die gleichen Gene und trotzdem bestehen wir aus vielen
unterschiedlichen Zellen, die unterschiedliche Funktionen ausüben. Das ist möglich, da in jeder
Zelle nur ein Teil unserer über 20’000 Gene jeweils abgelesen wird. Der grosse Rest ist „stumm“
(man sagt auch „inaktiv“). In einer Hautzelle sind andere Gene eingeschaltet als zum Beispiel in
einer Leberzelle.
Welche Gene ein- und welche ausgeschaltet sind (Wissenschaftler nennen dies „Genregulation“),
hängt unter anderem von epigenetischen Merkmalen ab. „Epi“ kommt aus dem Griechischen und
bedeutet so viel wie „darüber“ oder „darauf“. Epigenetische Merkmale sind also Merkmale, die
zusätzlich zu den genetischen Merkmalen (also der DNA-Sequenz) vorkommen und vererbt
werden. Die Gesamtheit der epigenetischen Merkmale einer Zelle nennt man das Epigenom der
Zelle. Es handelt sich dabei um Veränderungen an der DNA (aber keine Veränderungen der
Sequenz) und am Chromatin (s. weiter unten). Diese Veränderungen werden von Enzymen
herbeigeführt und werden an die nächste Zellgeneration vererbt, so dass aus Hautzellen immer
Hautzellen werden und nicht etwa plötzlich Leberzellen. Epigenetische Merkmale sind eine Art
Gedächtnis der Zellen und für die korrekte Entwicklung und Funktion eines Organismus
15.04.2016 22:49
Epigenetik - Es steht doch nicht alles in den Genen - SimplyScience
2 von 3
https://www.simplyscience.ch/teens-liesnach-archiv/articles/epigenetik...
unabdingbar, da sie die Spezialisierung der Körperzellen koordinieren. Wie dieses epigenetische
Gedächtnis bei der Zellteilung vererbt wird, ist noch unklar.
Verschiedene Ein-/Aus-Schalter
Es gibt verschiedene Arten, wie eine epigenetische Genregulation stattfinden kann, wir erwähnen
hier zwei davon:
DNA-Methylierung
Die DNA kann eine chemische Veränderung erfahren, indem ein Enzym (Methylase) eine
Methylgruppe an eine DNA-Base bindet. Die Basenabfolge verändert sich dabei aber nicht; es
handelt sich also um eine epigenetische Veränderung. Proteine, die notwendig sind, um Gene
abzulesen, können methylierte DNA nicht gut binden. Dadurch kann DNA-Methylierung zur
Stilllegung eines Gens führen. DNA-Methylierung ist ein umkehrbarer Prozess. Es gibt Enzyme
(Demethylasen), die die DNA-Base demethylieren und das Ablesen eines Gens wieder
ermöglichen.
Verpackung der DNA durch Histone
Die DNA liegt nicht frei in der Zelle, sondern ist um Proteinkomplexe (Histone) geschlungen und
dadurch dicht verpackt. Diese Struktur aus DNA und Proteinen nennt man Chromatin. DNA ist
negativ geladen, Histone sind positiv geladen. Wenn ein Gen abgelesen werden soll, muss die
DNA zuerst „entpackt“ werden. Dazu werden bestimmte chemische Verbindungen (Acetylgruppen)
an diejenigen Histone gebunden, um die der gewünschte DNA-Abschnitt (also das gewünschte
Gen) gewickelt ist. Das Anheften der Acetylgruppe (die eine negative Ladung trägt) hebt die
positive Ladung der Histone auf, wodurch sich die Histone von der negativ geladenen DNA lösen
können und dadurch die DNA weniger dicht verpackt ist. Das entsprechende Gen ist nun
zugänglich für regulative Proteine (Transkriptionsfaktoren), die das Ablesen des Gens ermöglichen.
15.04.2016 22:49
Epigenetik - Es steht doch nicht alles in den Genen - SimplyScience
3 von 3
https://www.simplyscience.ch/teens-liesnach-archiv/articles/epigenetik...
DNA-Methylierung führt zur Stilllegung eines Gens. Acetylierung der Histone ermöglicht den
Zugang zu einem Gen. Bild angepasst von: National Institutes of Health/Wikimedia Commons
Die Umwelt kann das Epigenom und die Genregulation
beeinflussen
Die Spezialisierung der Körperzellen geschieht nach einem zellinternen Programm, der Ablauf ist
also genetisch und epigenetisch festgelegt. Umwelteinflüsse können aber auch Spuren im Erbgut
eines Lebewesens in Form von epigenetischen Veränderungen hinterlassen. Ein gutes Beispiel
dafür sind eineiige Zwillinge. Sie haben die gleiche DNA-Sequenz, da sie aus der gleichen
befruchteten Eizelle stammen. Dennoch entwickeln sie sich zu unterschiedlichen Individuen, da sie
in ihrem Leben unterschiedlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind.
Epigenetische Merkmale können vererbt werden
Epigenetische Merkmale können sogar an die Nachkommen vererbt werden. Holländische Frauen,
die im Hungerwinter 1944/1945 schwanger waren, brachten untergewichtige Kinder auf die Welt.
Als diese Kinder später selbst Mütter wurden, waren ihre Kinder auch eher klein, obwohl sie in
Zeiten mit Nahrungsüberfluss gezeugt wurden. Die Lebensbedingungen der Grosseltern haben
also das Erbgut der Enkel beeinflusst und das obwohl die DNA-Sequenz nicht verändert wurde.
Die Erkenntnis, dass von der Umwelt induzierte Veränderungen vererbt werden können, war in der
Wissenschaft eine Sensation, da bis vor kurzem die Ansicht herrschte, dass nur in der
DNA-Sequenz „geschriebene“ Merkmale vererbt werden können. Das Forschungsgebiet der
Epigenetik ist noch ganz jung und man darf auf weitere faszinierende Entdeckungen gespannt sein.
Mit Wärme die Augenfarbe beeinflussen
Im Labor konnte man das Vererben epigenetischer Merkmale nachstellen. Professor Renato Paro
von der ETH Zürich und sein Team haben etwas Spannendes herausgefunden: Die Augenfarbe
eines bestimmten Stammes einer Fruchtfliege lässt sich durch die Umgebungstemperatur
beeinflussen! Diese speziell gezüchteten Fliegen haben nämlich normalerweise weisse Augen.
Doch wenn ihre Embryonen für kurze Zeit bei 37°C (anstatt wie normal bei 25°C) gehalten werden,
sind die Augen der später schlüpfenden Fliegen rot.
Als die Forscher diese rotäugigen Fliegen untereinander kreuzten, hatten ein Teil ihrer
Nachkommen (ohne Wärmebehandlung) wieder rote Augen. Und auch bei den Enkeln und
Urenkeln kamen rotäugige Fliegen vor. Anscheinend hat die Wärmebehandlung das Erbgut der
Fliegen verändert, und diese Veränderung wurde über mehrere Generationen vererbt. Die
DNA-Sequenz (also die Reihenfolge der Basen) des für die Augenfarbe verantwortlichen Gens
wurde jedoch nicht beeinflusst und zeigt keinen Unterschied zwischen den weissäugigen Eltern und
den rotäugigen Nachkommen.
Quelle: Redaktion SimplyScience.ch
Zurück
15.04.2016 22:49
Herunterladen