Feldebene Zehn Irrtümer rund um den Ex-Schutz Im Ex-Bereich werden immer wieder Behauptungen aufgestellt, deren Richtigkeit zumindest fraglich ist. Roger Peters von R. Stahl nennt die aus seiner Erfahrung heraus häufigsten Irrtümer und stellt diese klar. 1. „Lichtwellenleiter brauchen keinen Ex-Schutz“ R. Peters: Das ist falsch. Auch opti­ sche Strahlung stellt ein Explosionsrisiko dar. In optischen Leitern wird Licht auf einen sehr kleinen Punkt fokussiert: Die wesentliche Gefahr liegt darin, dass die­ oder sogar oberhalb der zulässigen ma­ ximalen Lichtleistung senden – ganz zu schweigen von der austretenden Licht­ leistung im Fehlerfall. Für Installa­tionen in Zone 1 ist eine Prüfbescheinigung für Switche und Endgeräte unabdingbar. Auch in Zone 2 sind Schutzmaßnahmen erforderlich. Zur Vermeidung der Zünd­ gefahr stehen drei Schutzkonzepte zur Wahl, die in der DIN EN 60079-28 (VDE 0170-28) beschrieben sind. Ein Schutz ist einerseits durch die sogenannte inhä­ rent sichere optische Strahlung möglich, die auf dem Schutzkonzept der Eigen­ sicherheit basiert. Das bedeutet, dass der Schutz über eine Leistungs-/Energie­ begrenzung der optischen Quelle sicher­ gestellt wird. Eine weitere Schutzart stellt die geschützte optische Strahlung dar. Die optische Strahlung wird dabei eingeschlossen und kann dadurch nicht in den Ex-Bereich entweichen. Alternativ kann man auf ein Konzept setzen, dass bei einem Bruch des Lichtwellenleiters die Quelle innerhalb kürzester Zeit ab­ schaltet. 2. „Funksignale kommen nicht als potenzielle Zündquelle in Betracht“ R. Peters: Auch diese Behauptung ist falsch. Funksignale bringen grundsätz­ lich Zündgefahren in explosionsgefährde­ ten Bereichen mit sich. Zu einer Zündung Roger Peters ist Leiter Training und Consulting bei R. Stahl in Waldenburg ses Lichtbündel bei einem Kabelschaden oder an einem sich öffnenden Steckver­ binder austreten und eine Oberfläche oder Partikel erwärmen kann. Es muss sichergestellt sein, dass in einem sol­ chen Fall weder eine bestimmte Bestrah­ lungsstärke, das heißt ein Energiewert pro Fläche, überschritten wird, noch eine – unabhängig von der Streuung – bereits zu hohe Lichtenergie freigesetzt wird. Dies erfordert beispielsweise speziell gebaute und zertifizierte Sender und Empfänger oder eine besondere Kabelverlegung. Kri­ tisch ist bei vielen Anwendungen, dass typische Switche mit LWL bereits nahe www.openautomation.de Auch in LWL-basierten Netzen gibt es Explosionsgefahren. Für Sicherheit sorgen hier Zündschutzarten, wie die inhärent sichere optische Strahlung (Ex op is) 1 Feldebene durch die Antenne abgestrahlte Leistung. Das bedeutet, dass der sogenannte An­ tennengewinn als erhebliche Einfluss­ größe unbedingt zu berücksichtigen ist. 3. „Passive RFID-Tags benötigen keine Ex-Zulassung“ RFID-Tags dürfen nur dann unmittelbar im Ex-Bereich ausgelesen werden, wenn es eine Ex-Zulassung für sie gibt – das gilt selbst für passive Tag-Ausführungen R. Peters: Passiv versorgte RFID-Tags, die aus einem Mikrocontroller, einer An­ tenne und einem Energiespeicher beste­ hen, dürfen zwar ohne Zertifizierung ge­ mäß Richtlinie 94/9/EG verwendet wer­ den. Dies gilt aber lediglich dann, wenn sie nur zeitweise dem Ex-Bereich ausge­ setzt sind und Datentransfers grundsätz­ lich nur außerhalb solcher Gefahrenzonen erfolgen. Andernfalls ist auch für sie eine Bescheinigung vorgeschrieben. Zu beach­ ten ist außerdem, dass RFID-Tags ganz unabhängig von der Nutzung ihrer Funk­ tion im Ex-Bereich beträchtlicher elektro­ magnetischer Strahlung ausgesetzt sein können. Deshalb muss generell gewähr­ leistet bleiben, dass es bei ihnen nicht zu einer gefährlichen elektrostatischen Aufladung, Erwärmung oder Freisetzung elektrischer Zündenergie kommen kann. Handelt es sich bei diesen Datenspei­ chern nicht um passive, sondern um ak­ tive RFID-Tags mit inte­grierter Batterie, so sind diese ohnehin als komplette elek­ trische Betriebsmittel einzustufen: Bei aktiven Tags ist somit immer eine Zertifi­ zierung für den Einsatz in Ex-Bereichen durch eine anerkannte Prüfstelle erfor­ derlich. 4. „Für Sprengstoffe gelten Ex-Schutz-Bestimmungen“ R. Peters: Tatsächlich beziehen sich die Normenwerke im Explosionsschutz – und insbesondere die europäische Atex-Richtlinie – auf Gemische aus Um­ gebungsluft und explosionsfähigen Stof­ fen. Dabei ist aber explizit sowohl die Präsenz von Sprengstoffen als auch die von chemisch labilen Substanzen ausge­ nommen. Für beide Fälle gelten eigene Regeln, die von Ex-Standards nicht abge­ deckt werden. In FF- oder Profibus-PA-basierten Feldbusnetzen können zum Anschluss einer Vielzahl eigensicherer Feldgeräte heute „Isolating Device Couplers“ eingesetzt werden kann es kommen, wenn in einer explo­ sionsfähigen Atmosphäre und bei elek­ tro­ magnetischer Strahlung ein metalli­ sches Gebilde unbeabsichtigt als Emp­ fangsantenne fungiert. Drahtlos kommu­ nizierende Geräte sind als Funksender und elektrische Betriebsmittel nach den im Explosionsschutz üblichen Gerätekate­ 2 gorien (Zonenanforderungen) zu betrach­ ten. Die DIN EN 60079-0 (VDE 0170-1) spezifiziert Schutzniveaus und Grenz­ wertanforderungen für Funksignale im Ex-Bereich. Dabei ist je nach Einsatzort zum einen der normale Betrieb, zum an­ deren auch der Fehlerfall zu betrachten. Die Grenzwerte beziehen sich auf die 5. „Bei gemischten konzentrierten Kapazitäten und ­Induktivitäten muss immer die sogenannte 50-%-Regel angewendet werden“ R. Peters: Nein, dies ist nur nötig, wenn spezielle Randbedingungen durch eine Überprüfung festgestellt wurden. Aktu­ elle Normen, wie die DIN EN 60079-11 (VDE 0170-7) oder auch die VDE 0165 verweisen auf ein spezielles Nachweis­ verfahren, wenn in einem eigensicheren Stromkreis sowohl konzentrierte Induk­ 1-2/13 Feldebene tivitäten Li als auch Kapazitäten Ci auf­ treten. Die Leitungsparameter sind von dieser Betrachtung natürlich ausgenom­ men. Untersuchungen der PTB haben er­ geben, dass bei einem gleichzeitigen Auftreten von Li und Ci der Sicherheits­ faktor von 1,5 auf sogar unter 1 sinken kann. Daher ist ein eigensicherer Strom­ kreis bei vorhandenem Li und Ci dahin gehend zu prüfen, ob die Induktivität und die Kapazität größer als 1 % des jeweils maximal zulässigen Werts gemäß Zünd­ grenzkurven sind. Falls ja, dürfen nur 50 % dieser Maximalwerte effektiv ge­ nutzt werden. Diese „50-%-Regel“ liefert dem Betreiber zwar sichere Werte, doch optimaler als solche pauschalen sind natürlich exakte Vor­gaben. Deshalb sollte ein Hersteller entsprechender Betriebs­ mittel die konkreten jeweils zulässigen Werte direkt in der EG-Baumusterprüf­ bescheinigung aufführen. R. Peters: Diese Einschätzung ist ver­ altet. Richtig ist, dass diese Feldbusse zunächst vollständig eigensicher versorgt wurden, also mit begrenzter Energie. Um überhaupt ca. sechs Geräte zu speisen, war etwas mehr Energie als bei der „klas­ sischen“ Eigensicherheit erforderlich – verfügbar wurde diese erst durch die Entwicklung von Fisco (Fieldbus Intrensi­ cally Safe Concept). Heute werden in Feldbusinstallationen üblicherweise so­ genannte „Isolating Device Couplers“ eingesetzt, die umgangssprachlich auch als „Feldbus-Barrieren“ bezeichnet wer­ den. Der Bus selbst wird nach dem „High Power Trunk“-Prinzip nicht-eigensicher, also ­ohne Energiebegrenzung betrieben. 6. „Dart/Power-i ist Eigensicherheit“ R. Peters: In der Tat sollen die neuen Schutzlösungen Dart und Power-i die Vor­ teile der elektrischen Eigensicherheit bie­ ten – die Handhabung in der Praxis wirkt entsprechend ähnlich. Die deutlichen technischen Unterschiede der Schutzlö­ sungen sollten Anwendern aber stets be­ wusst sein. Die herkömmliche elektrische Eigensicherheit basiert da­rauf, dass die Energieversorgung eines Feldgeräts strikt auf ein gefahrloses Niveau begrenzt wird. Dart und Power-i hingegen setzen auf e ­ ine dynamisch reagierende Stromversorgung, um auch für leistungsstärkere Betriebs­ mittel eine komfortable Handhabung und speziell „Hot Work“, also Eingriffe in Ins­ tallationen im laufenden Betrieb zu er­ möglichen. Beim Abziehen eines solchen Geräts, im Fall eines Leitungsbruchs oder bei anderen Defekten, muss Funkenbil­ dung sofort erkannt werden. In extrem kurzer Zeit ist dann umgehend die Ener­ giequelle abzuschalten und auf diese Weise ein sicherer Zustand ohne Zünd­ gefahr herzustellen. Neben dieser anders­ artigen Funktionsweise unterscheiden sich Dart und Power-i von der klassischen Eigensicherheit auch durch andere Nach­ weisverfahren und eine Reihe von zum Teil neu definierten Parametern sowie voraussichtlich Installationsvorschriften, die noch reguliert und über Normen ab­ gedeckt werden müssen. 7. „Bei busgespeisten Feldbussen wie FF oder PA können im Ex-Bereich je Segment nur bis zu sechs eigensichere Geräte angeschlossen werden“ www.openautomation.de Ein nach Zündschutzart Ex d druck­ fest gekapseltes Gehäuse, für das ein „U-Schein“ vorliegt, muss nach Bestückung als Komplettsystem neu CE-zertifiziert werden Die Ex-i-Trennung erfolgt vor Ort an den Ex-i-Feldgeräten durch den Anschluss über die genannten Koppler. Mit bis zu acht­ kanaligen Kopplern lassen sich theore­ tisch bis zu 32 Ex-i-Feldgeräte in ein Seg­ ment einbinden. Als begrenzender Faktor wirkt dabei ausnahmsweise nicht der Explosionsschutz, sondern die Perfor­ mance der Host-Systeme. 8. „In Zone 2 reichen Industriegeräte“ R. Peters: Dass in Zone 2 explosions­ fähige Atmosphären definitionsgemäß nicht so häufig auftreten wie in Zone 0 und Zone 1, heißt nicht, dass es keine gibt. Und selbstverständlich müssen auch gegen eine selten auftretende explo­ sionsfähige Atmosphäre Sicherheitsvor­ kehrungen getroffen werden. Herkömm­ liche Geräte für den allgemeinen indus­ triellen Einsatz bieten den notwendigen Schutz nicht oder weisen die erforder­ liche Zündschutzwirkung jedenfalls nicht nach. Zulässige normgerechte Lösungen sind ausschließlich mit für den Einsatz in der Ex-Zone 2 ausgewiesenen Betriebs­ mitteln möglich. 9. „Ein Zone-2-Gerät darf auch in Division 2 (NEC500) eingesetzt werden – und andersherum“ R. Peters: Seit Mitte der 1990er-Jahre wird in Nordamerika ergänzend zur früher ausschließlich verwendeten „Divisions“Nomenklatur (gemäß NEC in den USA sowie CEC in Kanada) das IEC-Zonen­ konzept eingesetzt. Seither ist die Verwen­ dung von Zone-2-Geräten in Division-2-­ Bereichen grundsätzlich zulässig gewor­ den. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht. Zum amerikanischen Normenwerk kon­ forme Betriebsmittel setzen zum Teil tech­ nische Lösungen ein, die anderswo nach wie vor nicht gestattet sind. Hierzu gehö­ ren beispielsweise Verbindungen, wie Drehklemmen, anstelle derer in Europa geschraubte Ausführungen oder Klem­ menblöcke vorgeschrieben sind. Für Divi­ sion 2 zugelassene elektrische Betriebs­ mittel sind deshalb nur in Zone 2 ein­ setzbar, falls sie dafür eine neue Prüfung und Zertifizierung durchlaufen haben. 10. „Ex-d-Gehäuse mit ‚U-Schein‘ kann jeder Kunde selbst bestücken und danach im Ex-Bereich verwenden“ R. Peters: „U“ steht für „unvollständig“. Gehäuse, für die eine Zulassung mit der Endung „U“ vorliegt, sind zwar für den Aufbau Ex-geschützter Steuerungs- und Schaltschränke gedacht – eine Abnahme der bestückten Lösung durch eine be­ nannte Stelle erspart einen „U-Schein“ aber nicht. In Verkehr gebracht werden darf das fertige Betriebsmittel stets erst nach ausdrücklicher Bescheinigung der CE-Konformität für das Gesamtsystem. Sinn und Zweck einer „U-Bescheinigung“ für ein integriertes Bauteil – hier das Gehäuse – ist lediglich die Dokumenta­ tion bestimmter vorab durchgeführter Prüfungen, die schutzrelevante Parame­ ter betreffen. Hieraus vorliegende Daten können in die Zulassung des Komplett­ systems übernommen werden. So tragen „U-Scheine“ zur Verkürzung und Vereinfa­ chung des Konformitätsbewertungsver­ fahrens für das vollwertige Betriebsmittel bei – nicht mehr, aber auch nicht weniger. www.stahl.de www.stahl.de/seminare 3