Biologie: Humangenetik, Stammbäume VORSSA 2008/CK 1. Methoden der Humangenetik Menschen unterscheiden sich in einer Vielzahl von Merkmalen. Einige davon lassen sich leicht beschreiben, bei anderen, etwa bei Merkmalen des Gesichts oder bei Begabungen, fällt es schon schwerer, sie exakt zu erfassen. Selbstverständlich kann man die Vererbung des Menschen nicht durch Kreuzungsversuche erfassen. Zum einen verbieten sie sich aus ethischen Gründen, zum andern besitzt der Mensch nur eine geringe Zahl an Nachkommen und die Generationenfolge dauert viel zu lange. Deshalb werden in der Humangenetik folgende Verfahren genutzt: • Bei der Familienforschung werden Stammbäume aufgestellt, an denen die Gültigkeit von Erbgesetzen für ein bestimmtes Merkmal untersucht werden kann. • Massenstatistische Verfahren erlauben es, Aussagen über die Häufigkeit, Verteilung und Veränderung eines Merkmals in der Bevölkerung zu machen. • Die Zwillingsforschung unersucht – besonders bei eineiigen Zwillingen – den Zusammenhang wischen Genen und Umwelteinflüssen. • Mikroskopische und biochemische Untersuchungen lassen Rückschlüsse auf Veränderungen von Genen zu. Häufig wird nicht nur eines dieser Verfahren eingesetzt, sondern mehrere, die sich in ihren Aussagen ergänzen. 2. Die Vererbung der Blutgruppen Man kennt beim Menschen mehr als 20 verschiedene Blutgruppensysteme. Die Unterschiede beruhen auf über 130 verschiedenen Proteinen der roten Blutzellen. Die Ausbildung der Blutgruppeneigenschaften wird auch von Genen gesteuert. 2.1. Das ABO ­ System Die Blutgruppen des ABO – Systems werden durch Antigene auf den roten Blutkörperchen bestimmt. Das Gen für das ABO‐System liegt nicht in zwei, sondern in drei verschiedenen Allelen vor, die man als A, B und O bezeichnet. Durch sie werden die vier Blutgruppen A, B, AB und O bestimmt. Diese Bezeichnung des Phänotyps darf man nicht mit den Allelbezeichnungen verwechseln! In seinen Körperzellen hat jeder Mensch natürlich nur zwei dieser Allele. Sind die beiden Allele gleich, so ist der Mensch reinerbig für diese Blutgruppe. Treffen zwei verschiedene Allele aufeinander, so sind A und B beide dominant über das rezessive Allel O. Da A und B auch gleichzeitig vorkommen können und beide dominant wirken, spricht man in diesem besonderen Fall von codominanten Allelen. 1 Biologie: Humangenetik, Stammbäume VORSSA 2008/CK 2.2. Zwei Uebungsaufgaben zum ABO­System 2.2.1. Der Vater zeigt Phänotyp AB, die Mutter Phänotyp A a. Welche Genotypen können die Kinder tragen? b. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind auch Genotyp AB trägt? Lösungsweg a.: Kombinationsquadrat für alle Möglichkeiten ausfüllen Möglichkeit 1: Mutter trägt AA Möglichkeit 2: Mutter trägt AO Lösungsweg b.: Die Wahrscheinlichkeit als Prozentsatz aller möglichen Genotypen (Keimzellenkombinationen) berechnen. 2.2.2. Wem gehört welches Kind? 2 Biologie: Humangenetik, Stammbäume 3. VORSSA 2008/CK Berechnungen und genetische Voraussagen mit Familienstammbäumen 3.1. Autosomale Merkmale Statistische Untersuchungen und Stammbaumforschung sind zwei Methoden, die es erlauben, sichere Aussagen über den Erbgang eines bestimmten Merkmals zu machen. Als Witwenspitz bezeichnet man den dreieckigen Haaransatz, wie in der Abbildung dargestellt. Aus statistischen Untersuchungen weiss man, dass das Merkmal genetisch bedingt ist. Männer werden in Stammbäumen mit einem Rechteck, Frauen mit einem Kreis bezeichnet. Die betroffenen Personen werden speziell mit Farbe oder einer Umrahmung gekennzeichnet. Der Erbgang ist dominant‐rezessiv, da keine Zwischenformen auftreten. Das Merkmal „Witwenspitz“ könnte dominant oder rezessiv sein. Am Stammbaum erkennt man, dass das Merkmal in jeder Generation auftritt. Das ist ein Hinweis darauf, dass das Merkmal dominant ist, also als Allelbezeichnung A im Genotyp einzutragen ist. Ein sicherer Anhaltspunkt für diese Art des Erbganges liegt immer dann vor, wenn zwei Merkmalsträger ein nicht betroffenes Kind bekommen, wie es in diesem Stammbaum der Fall ist. Ausserdem erkennt man, dass das Merkmal autosomal (auf den Autosomen liegend) vererbt wird, da es bei Männern und Frauen gleichermassen auftritt (siehe Abb. unten links). 3.2. Gonosomale Merkmale Etwas anders liegen die Dinge, wenn das Gen für das Merkmal auf einem Geschlechtschromosom liegt. Studiere dazu die Abbildung unten rechts. 3 Biologie: Humangenetik, Stammbäume VORSSA 2008/CK Aufgabe: Angenommen, ein Elternteil trägt auf einem Geschlechtschromosom einen Erbfehler. Wie viele Prozent der Buben und Mädchen werden (hypothetisch) das Allel tragen und bei wie vielen wird sich die Krankheit ausprägen? Theoretisch gibt es fünf Möglichkeiten: Den Erbfehler trägt ... % Kinder tragen das Allel (nach Geschlecht) % Kinder haben die Krankheit (nach Geschlecht) a. Mutter dominant auf X (krank) b. Mutter rezessiv auf X (gesund) c. Vater dominant auf X (krank) d. Vater rezessiv auf X (krank) e. Vater auf Y (krank) a. b. c. d. e. 3.3. Weitere Aufgaben zum Familienstammbaum 3.3.1. Hier siehst du einen Familienstammbaum, in dem Albinismus mehrfach auftitt. a. Stelle sinnvolle Allelbezeichnungen auf und gib zu jeder Person die möglichen Genotypen an. b. Formuliere anhand des Beispiels die Problematik von Verwandtenehen. 4 Biologie: Humangenetik, Stammbäume VORSSA 2008/CK 3.3.2. Der Stammbaum zeigt eine Familie mit erblich bedingtem Enzymdefekt (Merkmalsträger = schwarz). a. Stelle die Art der Vererbung fest: dominant oder rezessiv? geschlechts gebunden oder nicht (= autosomal)? Ergänze dazu die Genotypen im Stammbaum. b. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden mit A und B bezeichneten Personen ein krankes Kind zeugen, wenn sie einen gesunden Partner haben? 3.3.3. Im folgenden Familienstammbaum sind die eingezeichneten Phänotypen der Blutgruppen ABO bekannt: ergänze die Blutgruppen der fehlenden Personen: 3.3.4. Rot‐Grün‐Blindheit Es ist ein Familienleiden: Während Peters Mutter und seine Schwester Judith alle Farben fehlerfrei erkennen können, ist es seinem Vater, ihm und seiner Schwester Susanne nicht möglich, die Farben Rot und Grün zu unterscheiden. Susanne hat zwei Söhne, die beide von der Rot­Grün­Blindheit betroffen sind, ihre Tochter Steffi ist bezüglich des Farbensehens jedoch völlig normal. Auch Peters Kinder Mark und Andrea sehen – genau wie seine Frau ­ alle Farben ohne Ausnahme. Übrigens sind auch Peters Grosseltern nicht farbenblind. a. Stelle anhand der Schilderungen einen Stammbaum auf. b. Wird das Merkmal „Rot‐Grün‐Blindheit“ dominant oder rezessiv vererbt? c. Ist es möglich, dass Susannes Ehemann ebenfalls farbenblind ist? d. Während etwa 8% der Männer von der Rot‐Grün‐Blindheit betroffen sind, kommt dieser Defekt bei etwa 0,4% der Frauen vor. Woran könnte das liegen? 5