Q ui ot n by N ht pyr Co ig for Pu bli cat ion te ss e n c e No PARODONTOLOGIE t fo r Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts Diana Krigar, Dr. med. dent. Spezialistin der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie Sektion Parodontologie, Poliklinik für Zahnerhaltungskunde Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg E-Mail: [email protected] Peter Eickholz, Prof. Dr. med. dent. Poliklinik für Parodontologie Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten (Carolinum) Klinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main E-Mail: [email protected] Indizes Zusammenfassung Generalisierte aggressive Parodontitis, Parodontalchirurgie, Schienung, antiinfektiöse Therapie, unterstützende Parodontitistherapie (UPT) In dieser Falldokumentation werden die Diagnose, das Behandlungskonzept, die antiinfektiöse und unterstützende Parodontitistherapie (UPT) sowie die direkte adhäsive restaurative Therapie bei einer 41-jährigen Patientin mit einer generalisierten aggressiven Parodontitis vorgestellt. Zu Behandlungsbeginn wiesen insbesondere viele Zähne im Oberkiefer eine fragliche Prognose auf. Die Patientin wünschte den Erhalt möglichst aller Zähne, wollte aber keine chirurgischen Maßnahmen durchführen lassen. Die Falldarstellung zeigt, wie allein mit nichtchirurgischer parodontaler und direkter adhäsiver restaurativer Therapie ein zumindest mittelfristig ästhetisch und funktionell zufrieden stellendes und stabiles Behandlungsergebnis realisiert werden konnte. Einleitung Die Frage, wie lange und in welchem parodontalen Zustand Zähne erhaltungsfähig sind bzw. langfristig eine gute Prognose haben, wird häufig gestellt. Lohnt es sich, einen Zahn parodontal zu therapieren und zu erhalten, dessen Knochenabbau schon so weit vorangeschritten ist, dass nur das apikale Wurzeldrittel im Knochen verankert ist? Wenn es darum geht, in einer parodontal geschädigten Dentition möglichst viele natürliche Zähne zu erhalten, verursacht insbesondere der Verlust von Zähnen in der FrontzahnPrämolaren-Region Probleme. Liegt eine geschlossene Zahnreihe bis einschließlich zu den zweiten Prämolaren vor, kann das Konzept der verkürzten Zahnreihe realisiert werden. Fehlen anterior der ersten Molaren Zähne, besteht häufig schon aus ästhetischen Gründen prothetischer Handlungsbedarf. Parodontal geschädigte Zähne, die als Einzelzähne Quintessenz 2007;58(3):273–288 ihre Kaufunktion ohne Weiteres erfüllen können, sind oft als prothetische Pfeiler, die die Kaubelastung der Ersatzzähne mittragen müssen, nicht mehr gut geeignet. So zieht der Verlust einzelner Zähne in solchen Situationen häufig die Extraktion weiterer Zähne aus prothetischen Gründen nach sich. Gibt es Lösungen für diese Problematik in der Form, dass sich ein maximaler Zahnerhalt realisieren lässt und einzelne Zähne ersetzt werden können? Der folgende Fallbericht versucht eine Antwort auf diese Frage zu geben. In der Falldokumentation werden die Diagnose, das Behandlungskonzept, die antiinfektiöse und unterstützende Parodontitistherapie (UPT) sowie die direkte adhäsive restaurative Therapie bei einer 41-jährigen Patientin mit einer generalisierten aggressiven Parodontitis vorgestellt. Die Behandlung begann am 31.10.2002, und die korrektive Phase wurde am 08.05.2003 abgeschlossen. Seit dem 04.12.2003 befindet sich die Patientin in der UPT. 273 pyrig No Co tf Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts or P ub lica tio n te ss e n c e n fo r I Furkation II I 3 7 5 7 9 1 0 4 1 2 4 6 5 3 2 9 9 AL I I 2 3 5 4 6 ST 7 8 7 5 8 7 5 5 1 7 5 6 II 6 6 8 9 6 8 6 6 7 2 4 5 2 7 4 6 5 5 6 II 4 8 8 8 7 7 I 5 9 6 4 2 2 4 5 4 4 6 4 4 6 II 7 8 8 5 5 4 5 6 5 3 5 7 2 5 7 5 5 5 6 6 3 6 4 2 2 2 2 2 3 3 5 3 2 5 6 6 4 6 4 4 2 4 4 4 2 6 1 3 6 4 5 5 I I I 6 8 6 II 4 + + + + + + + + + + + 18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 48 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 + + + + + + + + + + + + + Sens. -Test Sens. -Test 5 2 3 7 8 ST 2 2 1 2 4 5 5 5 I 5 7 2 3 5 4 4 1 1 8 9 3 5 1 4 3 3 2 I 2 2 3 2 3 3 7 7 6 1 3 4 4 5 1 1 3 4 4 5 2 2 3 1 4 4 2 3 2 2 2 2 1 1 2 2 2 5 I 1 1 5 3 1 3 4 6 8 II 2 2 4 4 3 4 3 5 4 4 5 1 2 2 6 4 4 4 3 3 3 5 5 3 3 3 3 1 2 2 1 3 2 2 3 3 1 3 2 2 4 7 7 4 4 6 4 4 5 2 2 3 I 4 4 3 4 4 2 4 4 3 4 7 8 9 5 5 2 II 4 1 1 II 4 1 AL Furkation I 7 5 1 0 8 ot Q ui by N ht PARODONTOLOGIE 3 8 6 1 2 5 9 III I Abb. 1 Befundschema bei der Erstvorstellung am 08.08.2002 Anamnese Die Patientin lebt in einer Partnerschaft, ist nicht verheiratet, hat zwei Kinder und ist gelernte Krankenschwester. Zur Zeit der Erstvorstellung arbeitete sie aus familiären Gründen auf der Sozialstation in einem Altenheim. Die Familienanamnese der Patientin war unauffällig. Allgemeinerkrankungen wurden verneint, es bestand keine regelmäßige Medikation, aber eine Nickelallergie. Die Patientin nahm aufgrund einer Schilddrüsenunterfunktion Jodid 200 ein. Es gab keinen Anhaltspunkt für infektiöse Erkrankungen oder hämorrhagische bzw. allergische Diathesen. Spezielle zahnärztliche Anamnese/ weiterführende Präventionsanamnese Die Patientin suchte im August 2002 auf Überweisung ihres Hauszahnarztes die Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten des Universitätsklinikums Heidelberg auf. Es sollten eine Beratung und ggf. eine Behandlung der parodontalen Proble- 274 me stattfinden. 1 1/2 Jahre zuvor war bereits von der damaligen Hauszahnärztin eine Parodontaltherapie durchgeführt worden, die jedoch zu keiner Besserung des Befundes geführt hatte. Die Patientin gab an, dass die Zahnfleischprobleme bereits im Alter von 16 Jahren begonnen und die Zähne sich seitdem zunehmend gelockert hätten. Es sei immer massiver zu schmerzhaften Entzündungen am Zahnfleisch gekommen. Im Mai 2002 war für den fehlenden Zahn 21 vom Hauszahnarzt ein Interimsersatz eingegliedert worden. Die ästhetische Situation war für die Patientin jedoch nicht zufrieden stellend. Den Hauszahnarzt hatte die Patientin in der Vergangenheit regelmäßig in Abständen von 6 bis 12 Monaten aufgesucht. Es war bisher zu keinen Komplikationen während zahnärztlicher Behandlungen gekommen. Die Patientin gab an, seit ungefähr 22 Jahren ca. 10 bis 25 Zigaretten pro Tag zu rauchen, was etwa 19 Packungsjahren entspricht8. Sie putzte ihre Zähne ein- bis zweimal täglich, verwendete aber nur sporadisch Hilfsmittel zur Reinigung der Zahnzwischenräume. Die Patientin wirkte sehr interessiert und motiviert. Quintessenz 2007;58(3):273–288 n ot Q ui by N ht pyr Co ig for Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts Pu bli cat ion te ss e n c e No PARODONTOLOGIE t fo r Abb. 2 Klinischer Ausgangsbefund am 31.10.2002 Erwartungen der Patientin/ Ergebnisse des ärztlichen Gesprächs Die Patientin wünschte, dass es durch die Behandlung zu einer Besserung der sich wiederholenden akuten Entzündungen kommen sollte, und darüber hinaus eine umfassende Therapie, einen maximalen Zahnerhalt und gleichzeitig ein ästhetisches Behandlungsergebnis. Befunde Extraoraler Befund Der extraorale Befund war unauffällig, insbesondere fanden sich keine Asymmetrien, Schwellungen oder sonstigen Entzündungszeichen. Weder an der Haut noch an den Augen ließen sich für Allgemeinerkrankungen oder für das Gebiet der Mund-, Zahn- und Kieferheilkunde relevante Hinweise auf (aktuelle oder stattgefundene) pathologische Prozesse feststellen. Die Palpation der Kiefergelenke ergab keine Anzeichen für pathologische Veränderungen, die Nervenaus- Quintessenz 2007;58(3):273–288 trittspunkte waren unauffällig, und Schwellungen der Lymphknoten waren nicht zu tasten. Intraoraler Befund Die Lippen waren normal durchblutet. Die Schleimhäute des Rachenrings, des Mundbodens, der Zunge, des harten und weichen Gaumens sowie der Wange waren ohne pathologische Befunde. Es lagen ein tiefes Vestibulum sowie normal ausgeprägte Lippen- und Wangenbändchen vor. Der Speichelfluss erschien hinsichtlich Menge und Konsistenz unauffällig. Der Zahnstatus und die parodontalen Befunde sind den Abbildungen 1 und 2 zu entnehmen. Eine Furkationsbeteiligung bis Grad I fand sich an den Zähnen 16 und 46, bis Grad II an den Zähnen 26, 27 und 36 sowie bis Grad III an Zahn 3710. An den Zähnen 11, 22, 23, 25 und 46 wurden initialkariöse Läsionen festgestellt (Abb. 1). Die Restaurationen wiesen klinisch einen suffizienten Randschluss auf (Abb. 2). Zahn 45 reagierte auf den durchgeführten CO2Kältetest asensibel. Eine Perkussionsempfindlichkeit lag nicht vor. Vestibulär von Zahn 45 zeigte sich ein Fistelgang. 275 pyrig No Co tf Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts or P ub lica tio n te ss e n c e Q ui by N ht PARODONTOLOGIE ot n fo r Es fanden sich generalisiert harte und weiche Beläge. Die marginale Gingiva war generalisiert entzündlich verändert. Abbildung 1 zeigt die parodontologischen Anfangsbefunde. Die Kaumuskulatur wies weder Druckschmerz noch Myogelosen auf. Die Kieferöffnung war symmetrisch und regelgerecht. Die Kiefergelenke erschienen unauffällig, ein hörbares Knacken ließ sich weder initial noch terminal in Öffnungs- bzw. Schließbewegung vernehmen. Auf der rechten Seite bestand im Bereich der Eckzähne und ersten Molaren eine Neutralverzahnung. Links konnte eine Distalverzahnung um 1/2 Prämolarenbreite ermittelt werden. Eine mandibuläre Mittellinienverschiebung von ca. 3 mm war ebenfalls feststellbar. Der Overjet lag bei 4 mm und der Overbite bei 2 mm. Die Patientin war mit der Ästhetik ihrer Zähne und den vorhandenen Versorgungen nicht zufrieden. Sie fürchtete einen vollständigen Zahnverlust im Oberkiefer und wollte die Eingliederung einer herausnehmbaren prothetischen Versorgung so lange wie möglich hinauszögern. Röntgenbefund Bei einer der ersten Untersuchungen brachte die Patientin zwei Panoramaschichtaufnahmen mit: Eine stammte aus dem Jahr 1994 (Abb. 3) und die andere von 2001 (Abb. 4). Schon 1994 hatte vor allem im Oberkieferfrontzahnbereich ein horizontaler Knochenabbau bis ins mittlere Wurzeldrittel vorgelegen (Abb. 3). Im Jahr 2001 war der parodontale Knochenabbau im Oberkiefer generalisiert bis ins mittlere, im Unterkiefer bis ins apikale Wurzeldrittel vorangeschritten. Am 02.12.2002 wurde im Zuge der systematischen Parodontitistherapie ein aus zehn Einzelaufnahmen bestehender Röntgenstatus in Rechtwinkel-Paralleltechnik erstellt (Abb. 5). Der Knochenabbau lag zwischen 4 und 14 mm, gemessen als lineare Distanz zwischen Schmelz-ZementGrenze bzw. Restaurationsrand und Limbus alveolaris. Abb. 3 Panoramaschichtaufnahme vom 01.09.1994 Abb. 4 Panoramaschichtaufnahme (Fremdbild) vom 19.03.2001 276 Quintessenz 2007;58(3):273–288 n ot Q ui by N ht pyr Co ig for Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts Pu bli cat ion te ss e n c e No PARODONTOLOGIE t fo r Abb. 5 Röntgenstatus vom 02.12.2002 Tab. 1 Auswertung der mikrobiologischen Untersuchung vom 14.11.2002 Keim A. actinomycetemcomitans T. forsythensis P. gingivalis T. denticola Total Bacterial Load (TBL) 15 dp, ST = 9 mm 0,020 x 106 27 mb, ST = 6 mm – 37 ml, ST = 8 mm – 45 l, ST = 8 mm – 2,54 x 106 – 1,94 x 106 68,05 x 106 7,91 x 106 0,10 x 106 1,86 x 106 92,34 x 106 4,60 x 106 – 2,42 x 106 65,98 x 106 1,37 x 106 – 0,17 x 106 23,13 x 106 Diagnosen Prognose Es wurden folgende Diagnosen gestellt: Die Prognose aller noch vorhandenen Zähne im Oberkiefer war aufgrund des massiven Knochenabbaus und der starken Lockerungsgrade langfristig als fraglich zu bewerten. • • • • generalisierte aggressive Parodontitis2,4, apikale Parodontitis an den Zähnen 45 und 37, Karies an Zahn 23 sowie Initialkaries an den Zähnen 11, 22, 25, 26 und 27. Mikrobiologische Untersuchung Aufgrund der klinischen Diagnose einer aggressiven Parodontitis wurden an den Stellen mit den jeweils ausgeprägtesten Sondierungstiefen subgingivale Plaqueproben entnommen und zur Auswertung mit einem RNS-Sondentest (IAI PadoTest 4.5, Institut für Angewandte Immunologie, Zuchwil, Schweiz) eingeschickt (Tab. 1)3,7. Quintessenz 2007;58(3):273–288 Therapieplanung Die vorgesehene Therapie sollte folgende Einzelmaßnahmen umfassen: • antiinfektiöse Therapie mit unterstützender, systemischer Gabe von Antibiotika, • Wurzelkanalbehandlung/Wurzelkanalfüllung der Zähne 45 und 37, • Reevaluation der klinischen Situation, • ggf. weiterführende parodontalchirurgische Maßnahmen, 277 pyrig No Co tf Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts or P ub lica tio n te ss e n c e n ot Q ui by N ht PARODONTOLOGIE fo r Abb. 6 Links: Zahnfilm 45 vom 08.08.2002; Mitte: Masterpoint-Aufnahme 45 vom 21.11.2002; rechts: Kontrolle nach definitiver Wurzelkanalfüllung 45 vom 21.11.2002 • Schienung der gesamten Oberkieferfront zur Stabilisierung sowie • unterstützende Parodontitistherapie. Als Therapiealternativen kamen die Extraktion aller Zähne im Oberkiefer und die Eingliederung entweder einer Totalprothese oder eines implantatgetragenen Zahnersatzes in Frage. Aufklärung, Beratung, weiterführendes ärztliches Gespräch Die erhobenen Befunde wurden mit der Patientin eingehend in verständlicher Form besprochen. Dabei wurden die objektivierbaren Parameter und die daraus abgeleiteten Behandlungsziele den subjektiven Erwartungen der Patientin gegenübergestellt. Es erfolgte eine Erläuterung der einzelnen Therapieschritte und der damit verbundenen Belastungen zeitlicher und finanzieller Art. Die Patientin wurde über die Nutzen-Risiko-Abwägung der vorgeschlagenen Therapiemaßnahmen und mögliche Alternativen aufgeklärt. Gleichzeitig wurde sie über die aktuelle wissenschaftliche Akzeptanz der geplanten Therapie und über die Erfolgsaussichten (Prognose) in Kenntnis gesetzt. Die Beratung schloss auch die Benennung möglicher Konsequenzen bei unterlassener Behandlung ein. Die Patientin wurde darauf hingewiesen, dass Rauchen ein Kofaktor parodontaler Erkrankungen ist und das Therapieergebnis beeinflusst. Außerdem wurde sie darüber informiert, dass zur Sicherung des Therapieergebnisses eine regelmäßige UPT nach der aktiven Behandlung notwendig ist. Die Patientin willigte in die geplante Behandlung ein. Da sie den Erhalt von möglichst vielen Zähnen wünschte, wurde eine Extraktion der Zähne im Oberkiefer zunächst nicht in Erwägung gezogen. Die Patientin wurde auf die erforderliche aktive Mitarbeit zur Erzielung des gewünschten Therapieergebnisses hingewiesen. 278 Therapie Endodontische Therapie Am 07.11.2002 wurde die Trepanation des Zahnes 45 durchgeführt. Die definitive Wurzelkanalfüllung (laterale Kondensation, Guttapercha, AHplus, Fa. Dentply DeTrey, Konstanz) erfolgte am 21.11.2002. Der Zahn 45 war zum Zeitpunkt der Wurzelkanalfüllung weder perkussions- noch aufbissempfindlich. Die Trepanationsöffnung wurde mit einer Kompositrestauration (Herculite, Fa. Kerr Dental, Karlsruhe) versorgt (Abb. 6). Am 08.08.2002 wurde die Wurzelkanalbehandlung von Zahn 37 begonnen und am 19.12.2002 mit der definitiven Wurzelkanalfüllung abgeschlossen (Abb. 7). Am 13.02.2003 musste der Zahn 26 aufgrund einer diagnostizierten irreversiblen Pulpitis trepaniert werden. Die definitive Wurzelkanalfüllung (laterale Kondensation, Guttapercha, AH plus) erfolgte am 15.04.2003. Zahn 26 war zum Zeitpunkt der Wurzelkanalfüllung weder perkussionsnoch aufbissempfindlich. Die Trepanationsöffnung wurde mit Komposit (Herculite) versorgt (Abb. 8). Restaurative Therapie An Zahn 23 erfolgte am 21.11.2002 eine direkte Restauration mittels Komposit (Herculite). Antiinfektiöse Therapie Die antiinfektiöse Therapie wurde in der Zeit vom 31.10.2002 bis zum 23.01.2003 durchgeführt. Der Patientin wurde zunächst die Bedeutung bakterieller Plaque für die Ätiologie und Pathogenese der Parodontitis erläutert. Sie erlernte zur Zahnreinigung die modifizierte Bass-Technik. Zur Reinigung der Approximalräume wurde der Patientin die Anwendung von Interdentalraumbürsten (Curaprox, CPS 10 und 12, Fa. Curaden, Kriens, Schweiz) vermittelt. In der ersten Sitzung erfolgte die Erhebung von Mundhygieneindizes (Gingival Quintessenz 2007;58(3):273–288 n ot Q ui by N ht pyr Co ig for Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts Pu bli cat ion te ss e n c e No PARODONTOLOGIE t fo r Abb. 7 Links: Röntgenmessaufnahme 37 vom 08.08.2002; Mitte: Masterpoint-Aufnahme 37 vom 19.12.2002; rechts: Kontrolle nach definitiver Wurzelkanalfüllung 37 vom 30.01.2003 Abb. 8 Links: Röntgenmessaufnahme 26 vom 13.02.2003; rechts: Kontrolle nach definitiver Wurzelkanalfüllung 26 vom 15.04.2003 Tab. 2 Auflistung der Mundhygieneindizes während der antiinfektiösen Therapie Datum 31.10.2002 07.11.2002 Bleeding Index [GBI]1, Plaque Control Record [PCR]20) zur Motivation und Erfolgskontrolle (Tab. 2). Im Zuge der professionellen Zahnreinigung wurden harte und weiche supra- sowie erreichbare subgingivale Zahnbeläge entfernt. Abschließend fand eine lokale Fluoridierung statt. Es folgte eine subgingivale Kürettage aller pathologisch vertieften Taschen unter Lokalanästhesie innerhalb von 24 Stunden (29.01.2003 und 30.01.2003) nach dem Prinzip der so genannten Full-Mouth Disinfection18,21-23. Aufgrund des Ergebnisses der mikrobiologischen Untersuchung wurde die mechanische Reinigung der Wurzeloberflächen mit der unterstützenden, systemischen Einnahme von 3 x 375 mg Amoxicillin und 3 x 250 mg Metronidazol täglich über einen Zeitraum von 7 Tagen kombiniert5,26,27. Die Patientin wurde angewiesen, für die folgenden 2 Wochen morgens und abends etwa 2 Minuten lang mit einer 0,12%igen Chlorhexidindigluconat-Lösung zu spülen und zu gurgeln. Zusätzlich putzte sie über diesen Zeitraum ihre Zähne und Zunge mit einem 1%igen ChlorhexidindigluconatGel. Eine Kontrolle nach subgingivaler Kürettage mit Instillation des 1%igen Chlorhexidindigluconat-Gels erfolgte am 23.01.2003. Die Chlorhexidinbeläge wurden am 30.01.2003 entfernt. Außerdem wurde die Passung der Interdentalraum- Quintessenz 2007;58(3):273–288 PAR-Sitzung I I II GBI (%) 5 2 PCR (%) 51 14 bürsten kontrolliert und neu angepasst (Curaprox, CPS 15 und 12). Reevaluation nach antiinfektiöser Therapie Nach der antiinfektiösen Therapie zeigte sich eine deutliche Reduktion der Sondierungstiefen (Abb. 9). Die Gingiva stellte sich entzündungsfrei dar (Abb. 10). Es persistierten allerdings an den Zähnen 15, 14, 13, 12, 11, 25, 27, 37 und 45 pathologisch vertiefte Taschen sowie an den Zähnen 45 und 37 eine subgingivale Infektion mit Aggregatibacter actinomycetemcomitans (Actinobacillus actinomycetemcomitans wurde 2006 reklassifiziert und in Aggregatibacter actinomycetemcomitans umbenannt19) (Tab. 3). Da die Patientin aber weiterführende parodontalchirurgische Maßnahmen ablehnte, erfolgte zunächst eine subgingivale Reinstrumentierung der Zähne 15, 14, 13, 12, 11, 25, 27, 37 und 45 mit subgingivaler Instillation von 1%igem Chlorhexidin-Gel. Die Patientin wurde auf die infauste Prognose des Zahnes 15 hingewiesen, willigte jedoch nicht in eine Extraktion ein. Die fragliche Prognose des Zahnes 37 wurde ebenfalls angesprochen. 279 pyrig No Co tf Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts or P ub lica tio n te ss e n c e n fo r I II Furkation II I I II I II II 5 5 4 1 6 1 6 5 6 6 7 7 6 6 5 6 7 6 7 6 3 3 3 4 5 5 5 6 4 5 6 6 6 5 6 5 4 1 0 6 6 9 9 9 9 8 9 9 9 6 9 6 5 5 4 4 5 6 6 5 5 5 5 6 6 5 5 7 2 2 1 4 0 4 2 2 2 3 1 2 2 2 2 3 2 2 4 2 2 2 2 2 3 2 2 2 2 2 4 2 2 3 3 6 AL 2 ST I 4 I III 3 3 9 5 5 6 5 II 6 4 4 II 5 5 5 II 3 6 5 I 2 4 3 I 3 II 4 2 2 5 4 I 3 3 I 3 4 + + + + + + + + + - + 18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 48 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 + + - + + + + + + + + + - Sens. -Test Sens. -Test 3 2 2 5 4 I ST 2 6 1 3 3 2 2 3 2 2 2 I 2 5 4 2 2 2 9 8 4 1 2 2 2 II 2 2 5 4 4 4 5 5 5 3 3 4 3 3 5 4 1 1 3 3 1 5 2 2 2 2 I 2 2 5 4 2 4 2 2 2 II 3 3 3 3 4 5 4 5 5 1 2 2 1 2 2 1 2 2 2 2 4 I 4 4 6 II 2 2 4 4 3 3 2 2 2 3 4 4 3 2 2 3 1 1 2 2 1 3 2 2 3 2 2 2 2 3 2 5 3 ot Q ui by N ht PARODONTOLOGIE 4 6 II 3 6 7 6 9 5 9 3 3 6 8 AL 5 Furkation 5 3 5 5 4 3 3 3 4 5 3 2 3 3 3 3 4 5 5 5 I II II I II II 4 Abb. 9 Befundschema bei der Reevaluation nach antiinfektiöser Therapie vom 08.05.2003 Tab. 3 Auswertung der mikrobiologischen Untersuchung (IAI PadoTest 4.5) vom 16.05.2003 Keim A. actinomycetemcomitans T. forsythensis P. gingivalis T. denticola Total Bacterial Load (TBL) 15 db, ST = 10 mm – 27 dp, ST = 6 mm – 45 db, ST = 5 mm 0,098 x 106 37 mb, ST = 6 mm 0,054 x 106 0,18 x 106 0,17 x 106 0,48 x 106 13,89 x 106 0,01 x 106 0,54 x 106 1,25 x 106 5,55 x 106 0,41 x 106 0,49 x 106 0,93 x 106 4,63 x 106 0,15 x 106 0,34 x 106 0,68 x 106 12,55 x 106 Weiterführende restaurative Maßnahmen Nach der subgingivalen Kürettage war es vor allem im Oberkieferfrontzahnbereich zu einer deutlichen Retraktion der Gingiva gekommen. Da sich die Patientin ästhetisch und funktionell stark beeinträchtigt fühlte, wurden mögliche Therapiealternativen wie die Eingliederung einer flexiblen Gingivaepithese6,15,16 280 oder Zahnumformungen mit Komposit16 besprochen. Die Patientin favorisierte eine Zahnumformung mit Komposit. Am 14.07.2004 wurden zur Stabilisierung die Zähne 33, 32, 31, 41, 42 und 43 mittels Komposit (Herculite) miteinander verblockt. Am 17.07.2004 erfolgte die Verblockung der Zähne 14 bis 23 mit einem Stabilisierungsband (Ribbond, Fa. Ribbond, Seattle, USA; Abb. 11), das nach Präparation Quintessenz 2007;58(3):273–288 n ot Q ui by N ht pyr Co ig for Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts Pu bli cat ion te ss e n c e No PARODONTOLOGIE t fo r Abb. 10 Klinischer Befund am 08.05.2003 Abb. 11 Ribbond-AdhäsivVerstärkungsband Quintessenz 2007;58(3):273–288 281 pyrig No Co tf Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts or P ub lica tio n te ss e n c e n fo r einer palatinalen Rille in die Kavitäten eingelegt und mittels Komposit (Herculite) einpolymerisiert wurde. Der Zahn 21 wurde freihändig aus Komposit (Herculite) nachgebildet und in die Schienung der Oberkieferfrontzahnregion integriert (Abb. 12). In gleicher Weise erfolgte am 23.07.2003 die Schienung der Zähne 23 bis 26 mit dem Stabilisierungsband (Ribbond), das nach Präparation in eine okklusale Rille eingelegt und mittels Komposit (Herculite) einpolymerisiert wurde. Dabei wurde der Zahn 24 aus Komposit (Herculite) nachgebildet (Abb. 12). Unterstützende Parodontitistherapie Nach Abschluss der aktiven Parodontaltherapie wurde die Patientin in ein parodontologisches Recall eingebunden. In der Erhaltungsphase wurden im Rahmen der Kontrolltermine regelmäßig Mundhygieneindizes erhoben sowie erneut Motivation und Instruktion zur Aufrechterhaltung einer effektiven individuellen Mundhygiene durchgeführt. Die Reinigung sämtlicher Zahnflächen erfolgte durch Hand- und Schallinstrumente mit anschließender Politur. In regelmäßigen Abständen wurden orale Befunde, Zahn- und Parodontalstatus sowie Vitalitätsproben erhoben. Bei persistierenden Taschen mit 4 mm Sondierungstiefe und Bluten auf Sondieren (Bleeding on Probing [BOP]) sowie bei Taschen mit einer Sondierungstiefe ≥ 5 mm erfolgten subgingival eine Reinigung mit Hand- bzw. Schallinstrumenten und die Applikation von 1%igem Chlorhexidindigluconat-Gel. Die Praktikabilität der Interdentalraumbürsten wurde für jeden Zahnzwischenraum überprüft und ggf. angepasst. Jede Sitzung im Rahmen der UPT endete mit lokalen Fluoridierungsmaßnahmen oder Chlorhexidindigluconat-Applikationen. Es folgt eine Auflistung der Werte für GBI, PCR und BOP zu den jeweiligen Terminen (Tab. 4). Die Parodontitisrisikoabschätzung wurde nach dem von Lang und Tonetti17 vorgeschlagenen Schema durchgeführt. Aus dem individuell abgeschätzten Parodontitisrisiko ergab sich das UPT-Intervall der Patientin (Abb. 13). Für ein niedriges Parodontitisrisiko sprach, dass die Zahl der verloren gegangenen Zähne bei 4 und der BOP-Index bei 8 lag. Dass insgesamt 16 Stellen mit einer Sondierungstiefe ≥ 5 mm vorhanden waren und die Patientin nach wie vor ca. 20 Zigaretten pro Tag rauchte, entsprach einem hohen Risiko. Der auf das Lebensalter bezogene, an Zahn 26 bestimmte Knochenabbauindex von 1,7 lag ebenfalls im hohen Risikobereich. Die vorläufige Parodontitisrisikoabschätzung ergab demnach für die Patientin ein hohes Risiko. Es wurde zunächst ein vierteljährliches Recall empfohlen, und die Patientin wurde erneut auf eine notwendige Reduktion des Zigarettenkonsums hingewiesen. Sie war jedoch nicht mit 282 ot Q ui by N ht PARODONTOLOGIE einem vierteljährlichen Recall einverstanden. Am 05.12.03 ergab die endgültige Parodontitisrisikoabschätzung ein mittleres Risiko. Die Zahl der Stellen mit einer Sondierungstiefe ≥ 5 mm lag bei 6, und der Zigarettenkonsum konnte auf ≤ 10 Zigaretten pro Tag reduziert werden (Abb. 14 und 15). Im März 2004 ging der Zahn 15 spontan verloren (Abb. 16) und wurde in direkter Komposittechnik ersetzt (Abb. 17). Eine am 17.11.2005 erstellte Panoramaschichtaufnahme zeigt gegenüber dem Ausgangsbefund von 2002 stabile knöcherne Verhältnisse und distal von Zahn 45 eine knöcherne Auffüllung (Abb. 18). Die Patientin wünschte beim letzten Recall-Besuch die Herstellung einer flexiblen Gingivaepithese (Gingivamoll, Fa. Molloplast, Karlsruhe), die am 27.03.2006 eingegliedert wurde (Abb. 19). Epikrise und Prognose Für die initial gestellte Diagnose „generalisierte aggressive Parodontitis“2,4 sprach, dass die Patientin allgemein gesund war und wenig supra- sowie subgingivale harte und weiche bakterielle Beläge gefunden werden konnten, die mit dem Ausmaß der parodontalen Destruktion korrelierten. Eine rasche Progredienz der Parodontitis konnte anhand von älteren Röntgenaufnahmen festgestellt werden (vgl. Abb. 3 und 4). Eine familiäre Häufung von Parodontalerkrankungen war ebenfalls bekannt. Es handelte sich um eine generalisierte Form der aggressiven Parodontitis, da neben den Schneidezähnen und den ersten Molaren an mehr als zwei weiteren Zähnen Destruktionen eingetreten waren. Angesichts der klinischen Befunde wurde bei der Patientin eine weiterführende mikrobiologische Diagnostik durchgeführt3,7. Die mikrobiologische Untersuchung der subgingivalen Flora zeigte insgesamt eine hohe Zahl von parodontalpathogenen Keimen. Aggregatibacter actinomycetemcomitans konnte jedoch nur an einer Stelle im subgingivalen Biofilm nachgewiesen werden. Die Mikroflora war vor allem von Tannerella forsythensis und Treponema denticola dominiert, Aggregatibacter actinomycetemcomitans fand sich nur in einer Größenordnung von 0,02 x 106 Keimen. Für den hochtoxischen Klon (Serotyp b) von A. actinomycetemcomitans11 lag die kritische Zahl, die das Risiko für weitere Attachmentverluste an einer Stelle signifikant erhöht, bei etwa 104 Bakterien9. Geht man vom Vorliegen von Serotyp b aus, war die adjunktive Gabe von Antibiotika indiziert4,5. Allerdings gibt es zurzeit keine kommerziell erhältlichen Tests, die auf Sero- bzw. Genotypebene differenzieren. Die ätiopathogenetische Bedeutung der supra- und subgingivalen Plaque für die Parodontitis ist in der Literatur unumstritten. Die Infektion mit A. actinomycetemcomitans4,11,24 und zahnbezogene lokale Faktoren, z. B. Wurzel- Quintessenz 2007;58(3):273–288 Q ui ot n by N ht pyr Co ig for Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts Pu bli cat ion te ss e n c e No PARODONTOLOGIE t fo r Abb. 12 Klinischer Befund am 23.07.2003 nach Abschluss der Verblockung im Ober- und Unterkiefer Prüfe diese Risikofaktoren und markiere die entsprechenden Schwellenwerte in den Spalten 2 -7 Niedriges Risiko Mittleres Risiko Hohes Risiko Ziel Datum: 08.05.03 Datum: 4.12.03 1. Bluten auf Sondieren (BOP) in % 4 5-9 10-16 17-25 25-35 36 5 2. Zahl der Stellen mit ST 2 4 6 8 9 10 6 2 4 6 8 9 10 4 0,25 0,26-0,5 0,51-0,75 0,76-1,0 1,1-1,24 1,25 1,3 Ehemaliger Raucher 10 10-19 20 /Tag /Tag /Tag 5 mm 3. Zahl der verlorenen Zähne (ohne 8er) 4. Knochenabbau (Index) 5. Zigarettenkonsum Nicht raucher vo rläu fige Risi ko ei n sch ät zung 10 Niedriges Risiko Mittleres Risiko Hohes Risiko Faktor Faktor wurde nicht Faktor nicht vo rhanden verzeichnet vorha nden Mittleres Risiko Hohes Risiko 6. systemische/genetische Faktoren: - Diabetes mellitus, - HIV -Infektion, - gingivoparodontale Manifestation systemischer Erkrankungen - Interleukin -1 -Polymorphismus Niedriges Risiko e ndgül tige Risi ko ei n sch ät zung NIEDRIGES PARODONT ITIS RISIKO 1 UP T/Jah r MITTLERES PARODONT ITIS RISIKO 2 UP T/J a hr HOHES PARO DONTITIS RISIKO 3- 4 UP T/Jah r Abb. 13 Parodontitisrisikoabschätzung vom 08.05.2003 Tab. 4 GBI, PCR und BOP während der unterstützenden Parodontitistherapie Datum 08.05.2003 04.12.2003 06.05.2004 18.10.2004 08.03.2005 20.09.2005 15.03.2006 Quintessenz 2007;58(3):273–288 Recall I/Reevaluation II III IV V VI VII GBI (%) 0 4 0 0 0 1 0 PCR (%) 25 11 12 17 26 21 21 BOP (%) 8 5 3 4 10 10 5 283 pyrig No Co tf Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts or P ub lica tio n te ss e n c e n ot Q ui by N ht PARODONTOLOGIE fo r Abb. 14 Klinischer Befund am 05.12.2003 einziehungen und Furkationen auf der einen sowie zum Teil überhängende Restaurationsränder auf der anderen Seite, und der Zigarettenkonsum8 haben zum Fortschreiten der parodontalen Destruktion beigetragen und können die generalisiert fortgeschrittenen Attachmentverluste erklären. Therapieunterstützend wurde der Patientin im Rahmen der Full-Mouth Disinfection eine Kombination der Antibiotika Amoxicillin und Metronidazol verordnet, um A. actinomycetemcomitans zu eliminieren bzw. unter die Nachweisgrenze zu reduzieren4,5,26,27. Klinische Studien zeigen, dass bei Behandlungsmisserfolgen einer mit A. actinomycetemcomitans assoziierten Parodontitis die Elimination oder deutliche Suppression dieses Parodontalpathogens nicht erreicht wurde25. Bei der Reevaluation der klinischen Situation nach antiinfektiöser Therapie wurde erneut eine mikrobiologische Untersuchung der subgingivalen Plaque mittels eines Gensondentests durchgeführt. Es ließen sich subgingival immer noch alle untersuchten parodontalpathogenen Bakterien nachweisen, die Anzahl der Mikroorganismen hatte 284 sich jedoch deutlich verringert. A. actinomycetemcomitans konnte an den ausgewählten Stellen allerdings nach wie vor nachgewiesen werden. Die Patientin gab an, dass sie die Antibiotika regelmäßig eingenommen hatte, dass sie jedoch ab dem zweiten Tag der Einnahme an starken Durchfällen litt. Diese Durchfälle können eine reduzierte enterale Resorption der Antibiotika und damit eine verminderte Wirkung gut erklären26. Hätte zum Zeitpunkt der Reevaluation eine erneute Antibiotikagabe erfolgen sollen? A. actinomycetemcomitans ließ sich noch nachweisen. Es wurde entschieden, die persistierenden Taschen zu reinstrumentieren und das klinische Ergebnis 3 bzw. 6 Monate später erneut zu bewerten. Ab UPT 2 lagen die Sondierungstiefen überwiegend bei Werten bis 4 mm. Entscheidende pathogenetische Faktoren wie supragingivale Plaque und Zigarettenkonsum waren reduziert. Solange die klinische Situation stabil blieb, sollte auf eine wiederholte systemische adjunktive Antibiotikagabe verzichtet werden. Quintessenz 2007;58(3):273–288 n fo r II I I 6 5 5 1 9 1 5 6 6 6 8 8 6 6 7 6 3 9 6 6 7 6 5 7 7 2 2 2 9 5 4 3 2 2 3 2 2 2 8 4 4 5 4 3 3 3 4 3 AL 5 6 7 6 5 6 3 3 3 5 5 5 7 7 6 2 2 2 6 6 6 6 5 4 4 7 7 7 2 3 2 2 4 2 2 2 2 3 3 3 3 3 4 3 3 3 3 ot Q ui II Furkation by N ht pyr Co ig for Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts Pu bli cat ion te ss e n c e No PARODONTOLOGIE t I I I II 5 5 4 5 7 6 5 6 6 5 5 5 6 6 5 5 5 2 3 3 3 3 2 2 3 3 4 3 4 3 3 3 3 3 3 ST 4 Sens. -Test + + + + + + + + 3 4 + - + 18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 48 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 + + - + + + + + + + + + - Sens. -Test 4 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 6 6 4 7 7 5 3 4 3 5 5 4 3 5 3 5 3 3 3 3 5 4 3 ST 1 1 1 1 2 3 2 2 2 2 3 3 1 1 3 2 2 2 2 3 2 2 2 2 2 2 3 1 4 3 2 3 2 2 3 4 5 5 5 3 3 4 3 3 3 5 5 5 5 3 4 3 3 1 1 1 1 1 3 2 3 2 2 3 3 2 2 3 2 4 2 3 2 3 6 3 5 3 3 7 7 7 9 3 4 5 7 4 5 2 2 6 6 AL Furkation 5 5 3 5 4 3 3 4 5 3 3 4 3 4 4 5 5 I II III I I III 3 Abb. 15 Befundschema (UPT 2) vom 05.12.2003 Die antiinfektiöse Therapie führte zwar zu einer Reduktion der Sondierungstiefen, aber bei der Reevaluation waren zahlreiche Zähne stark gelockert (Grade II und III), und es bestanden persistierende Taschen an den Zähnen 15, 14, 13, 12, 11, 25, 27, 37 sowie 45. Die Patientin lehnte jedoch parodontalchirurgische Maßnahmen zur weiteren Taschenreduktion ab. Durch eine nochmalige sorgfältige subgingivale Instrumentierung der betroffenen Zähne konnten die persistierenden Sondierungstiefen deutlich reduziert werden (vgl. Abb. 14 und 15). Die bei der Reevaluation festgestellte starke ästhetische Beeinträchtigung infolge der generalisierten fazialen und approximalen Rezessionen konnte durch Zahnformveränderungen und die direkte Herstellung von Zahnzwischengliedern mit Komposit in adhäsiver Technik im Rahmen der Schienung und Verblockung der gelockerten Zähne verbessert werden. Die Patientin ist mit dem ästhetischen Ergebnis sehr zufrieden. Die Eingliederung einer flexiblen Gingivaepithese zur weiteren Verbesserung der ästheti- Quintessenz 2007;58(3):273–288 Abb. 16 Klinischer Befund 7 Tage nach spontanem Verlust des Zahnes 15 (18.03.2004) schen Situation wünschte die Patientin zunächst nicht. Beim letzten Recall-Termin wurde dann doch auf ihren Wunsch eine flexible Gingivaepithese hergestellt und am 27.03.2006 eingegliedert6. Die Patientin wurde in jedem 285 pyrig No Co tf Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts or P ub lica tio n te ss e n c e n ot Q ui by N ht PARODONTOLOGIE fo r Abb. 17 Klinischer Befund am 27.09.2005 Abb. 18 Panoramaschichtaufnahme vom 17.11.2005 286 Quintessenz 2007;58(3):273–288 n ot Q ui by N ht pyr Co ig for Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts Pu bli cat ion te ss e n c e No PARODONTOLOGIE t fo r Abb. 19 Klinischer Befund mit flexibler Gingivaepithese I Furkation II I I I I 7 6 5 7 7 7 9 9 7 9 7 7 5 9 7 6 9 8 2 2 2 2 2 2 2 2 4 2 3 4 3 4 3 3 I I 6 6 6 6 7 6 3 4 5 6 6 5 6 5 5 6 9 9 5 7 9 7 6 6 7 7 6 5 5 5 6 6 6 5 5 5 5 7 7 6 5 7 2 2 2 2 3 2 2 4 2 3 3 2 2 3 3 3 3 3 4 5 3 4 4 3 2 3 4 2 3 4 2 3 3 3 3 4 3 4 4 3 4 5 4 6 AL ST + + + + + + + - + 18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 48 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 + + - + + + + + + + + + - + Sens. -Test Sens. -Test 3 3 3 3 4 4 3 2 3 2 2 2 2 4 2 2 2 2 3 2 2 3 2 2 2 2 2 2 2 2 3 2 2 4 2 3 3 2 2 5 6 6 5 6 5 5 3 4 3 5 5 7 6 6 5 4 3 3 3 2 3 2 3 4 3 4 6 3 5 ST 2 2 3 6 6 5 6 4 2 2 2 2 6 7 7 5 5 5 5 6 6 5 5 3 5 3 4 5 5 2 2 2 2 6 2 3 5 5 2 5 2 2 2 2 5 2 3 5 5 2 5 2 2 5 7 2 5 9 9 1 0 6 6 5 9 1 9 0 2 AL 5 5 5 5 5 3 5 5 Furkation 7 5 3 5 4 4 4 4 5 5 5 II III I III 5 Abb. 20 Abschlussbefundschema (UPT 7) vom 15.03.2006 Recall auf die nach wie vor fragliche Prognose der Zähne und die Konsequenzen bei Zahnverlust hingewiesen. Die aktuellen Diagnosen in Bezug auf die parodontale Situation (Befund vom 15.03.2006) der Patientin lauten: Quintessenz 2007;58(3):273–288 • überwiegend entzündungsfreier Zustand nach systematischer Parodontaltherapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis (Abb. 20), 287 pyrig No Co tf Therapie einer generalisierten aggressiven Parodontitis – Möglichkeiten und Grenzen des Zahnerhalts or P ub lica tio n te ss e n c e n fo r • lokalisiert persistierende pathologische Taschen an den Zähnen 26, 27 und 37 sowie • langfristig infauste Prognose des Zahnes 37 (Abb. 18 und 20). Aufgrund der Risikoabschätzung wurde zunächst ein RecallIntervall in vierteljährlichen Abständen empfohlen. Die Patientin lehnte dies allerdings ab. Im nächsten Recall zeigte sich eine deutliche Verminderung der persistierenden Taschen. Außerdem konnte die Patientin ihren Zigarettenkonsum erheblich reduzieren. Damit ergab die erneute Parodontitisrisikoabschätzung ein halbjährliches Recall-Intervall. Gegenüber dem Ausgangsbefund konnte die parodontale Situation objektiv verbessert werden: effektive individuelle Plaquekontrolle, Reduktion der Sondierungstiefen auf überwiegend unauffällige Werte (Abb. 20) und Herabsetzung des Zigarettenkonsums. Auch die Erwartungen der Patientin, Literatur 1. Ainamo J, Bay I. Problems and proposals for recording gingivitis and plaque. Int Dent J 1975;25:229-235. 2. Armitage GC. Developments of a classification system for periodontal disease and conditions. Ann Periodontol 1999;4:1-6. 3. Beikler T, Karch H, Flemmig TF. Adjuvante Antibiotika in der Parodontitistherapie. Gemeinsame Stellungnahme der DGP und der DGZMK. Dtsch Zahnärztl Z 2003;58:263265. 4. Eickholz P. Was tun bei aggressiver Parodontitis? Parodontologie 2006;17:357-369. 5. Eickholz P, Dannewitz B, Kim T-S. Antibiotics in periodontal therapy. Perio 2005;2:235251. 6. Eickholz P, Lange DE. Flexible Gingivaepithesen – Akzeptanz und klinische Erfahrungen. Parodontologie 1992;3:251-257. 7. 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J Clin Microbiol 1996;34:1576-1578. 288 ot Q ui by N ht PARODONTOLOGIE nämlich maximaler Zahnerhalt und verbesserte Ästhetik, konnten erfüllt werden. Die klinische Situation aller Zähne im Oberkiefer ist allerdings als fraglich zu bewerten. Diese Zähne haben eher nur eine mittelfristige Prognose. Sollten die Oberkieferzähne nicht also besser bald entfernt werden, um weitere parodontale Destruktionen zu verhindern und die Voraussetzung für mögliche Implantationen nicht zu verschlechtern? Die Prognose dieser Zähne hängt entscheidend von der Mitarbeit der Patientin und insbesondere ihrer regelmäßigen Teilnahme an der UPT ab. Das Ausmaß des initialen Knochenabbaus und die Lokalisation im Oberkiefer stellen zwar Faktoren dar, die die Langzeitprognose von Zähnen nach systematischer Parodontaltherapie negativ beeinflussen14, aber weitere Attachment- und Zahnverluste sind bei Recall-Patienten eher seltene Ereignisse12-14. Daher erscheint es vertretbar, zu versuchen, den erreichten Zustand möglichst lange zu konservieren. 12. Joss A, Adler R, Lang NP. Bleeding on probing. A parameter for monitoring periodontal conditions in clinical practice. J Clin Periodontol 1994;21:402-408. 13. Kaldahl WB, Kalkwarf KL, Patil KD, Molvar MP, Dyer JD. Long-term evaluation of periodontal therapy: I. Response to 4 therapeutic modalities. J Periodontol 1996;67:93-102. 14. Kaltschmitt J, Pretzl B, Eickholz P. Langzeitergebnisse 10 Jahre nach parodontaler Therapie. 2. Zahnbezogene Faktoren. Dtsch Zahnärztl Z 2005;60:211-214. 15. Krigar D, Dannewitz B, Eickholz P. Glossar der Grundbegriffe für die Praxis – Die flexible Gingivaepithese: Indikationen und Herstellung. Parodontologie 2004;15:63-70. 16. Krigar D, Eickholz P. Unterschiedliche Möglichkeiten zur ästhetischen Verbesserung bei approximalen Rezessionen: 2 Falldokumentationen. Aesthet Zahnmed 2005;8(3):42-46. 17. Lang NP, Tonetti MS. 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