Aspect-Ratio von Bohrungen

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Aspect-Ratio von Bohrungen
1) Anwendung
Die Qualität des Kontaktierungskupfers in einer Bohrung ist für die zuverlässige Funktion
einer Baugruppe unerläßlich.
Für Leiterplatten mit höchstem Anspruch (international ist das „IPC Class III“) wird eine
gleichmäßige Mindestkupferdicke von 25ym in der Hülse verlangt. Die mechanische
Stabilität der Leiterplatte bei üblicher Z-Achsenausdehnung (Gefahr der Delamination) oder
das Einpressen von Bauteilen (Stifte, Bolzen, Nieten) sind auf diese Mindestkupferdicke
abgestimmt.
2) Kontaktierungstechnologie
Der Vorgang des Kontaktierens umfaßt alle erforderlichen Arbeitsabläufe, die für die topologische Abscheidung von Kupfer auf der Leiterplatte stattfinden.
Das Kontaktieren der Hülsenwände von Bohrungen und der planen Leiterplattenoberflächen wird durch einen galvanotechnisch-chemischen und elektrolytischen kathodischanodischen Prozeß erreicht.
Damit das Kontaktieren funktioniert, müssen diverse Reagenzien (Chemische Substrate)
an die Hülsenwände herangeführt werden. Damit dieses Heranführen ganzflächig problemlos möglich ist, werden die Reagenzien in den Bädern in wässriger Lösung gehalten.
Die Leiterplatten werden in diese Bäder getaucht. Durch das Bewegen der Leiterplatten
und/oder Spülen/Pumpen der Flüssigkeiten im Bad werden die Bohrhülsen durchflutet.
Durch den direkten Kontakt mit den Bohrhülsen kommt es zu einer Reinigung der Oberfläche beziehungsweise zu einer Anlagerung der Reagenzien.
In Abhängigkeit von der Verweilzeit im Bad, der Konzentration der Reagenzien, der
Temperatur und auch des Luftdruckes sowie der Stromdichte wird diese Wirkung gesteuert.
Für das Kontaktieren müssen mehrere Bäder durchlaufen werden. Vorreinigung, Entfetten,
Aktivieren, DK-Chemisch-Kupfer und galvanische Nachverstärkung usw sind einige davon.
Dazwischen ist in der Regel ein Spülen der Hülsen erforderlich. Damit die chemischen
Reaktionen definiert ablaufen, dürfen Reagenzien aus einem Bad nicht in ein anderes Bad
verschleppt werden.
Damit läßt sich die Qualität einer Kontaktierung verbindlich einem Fertigungsschritt in der
Herstellung von Leiterplatten zuordnen :
Regel (Galvanoprozeß)
Die Sicherheit des galvanischen Prozesses des Kontaktierens hängt wesentlich von
dem definierten Einbringen und Entfernen wässriger Lösungen in die Bohrungen der
Leiterplatte ab.
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3) Einfluß von HDI und MFT
Mit der Verkleinerung der geometrischen Strukturen (Leiterbahnbreiten und Leiterbahnabstände) auf Leiterplatten im Zuge der HDI- und der MFT-Technologie sind auch die
Bohrdurchmesser verkleinert worden.
Aus den früher üblichen Viadurchmessern von 600ym sind heute standardseitig 200ym
geworden. Höherwertige Schaltungen haben bereits Viadurchmesser von 150ym oder von
100ym, im unteren Grenzbereich sind 50ym technisch möglich.
Diese Miniaturisierung der Layoutstrukturen hat auf die Qualität des Kontaktierungskupfers einen massiven Einfluß.
Durch den geringeren Bohrdurchmesser ändern sich die physikalischen Strömungsverhältnisse im Bad. Der Kapillareffekt und die Oberflächenspannung des Wassers oder
der eingesetzten chemischen Lösungen führen zu einer Absenkung des Durchflutungsvolumens der Hülse pro Zeiteinheit.
Selbst der Einsatz von Ultraschall und Rüttlern in den Bädern hebt diesen Effekt der
verminderten Durchflutung nicht vollständig auf.
Zusätzlich ergeben sich mechanische Fehlerquellen durch nicht vollständig entfernten
Abraum beim Bohren. Staub und Bohrspäne reduzieren oder verhindern somit ebenfalls
beträchtlich die Durchflutung.
Das Fehlerbild sind dann dünnere Kupferschichten in der Hülse, ungleichmäßig dicke
Hülsenwände oder im Extremfall Fehlbelegungen, also das partielle Fehlen von Kupfer in
der Hülse und damit die mögliche Unterbrechung des Signalweges oder zumindest eine
Vorschädigung.
4) Begriff : Aspect-Ratio
Damit eine Leiterplatte zuverlässig hergestellt werden kann, muß eine vorausschauende
Aussage getroffen werden können, unter welchen Bedingungen Mängel in der Kupferbelegung der Hülse zu erwarten sind, oder umgekehrt, unter welchen Bedingungen die
Produktionssicherheit möglichst hoch ist.
Weil mit dem Entwurf der Produktionsdaten für die Leiterplatte, also dem CAD-Layout, die
Parameter für die Produktion bestimmt werden, muß eine entsprechende Regel im Vorfeld
der CAD-Layouterstellung die erforderlichen Bedingungen für eine sichere Produktion
formulieren. Nur dann ist die Leiterplatte nach Fertigstellung des CAD-Layoutes auch
tatsächlich technisch (und möglichst auch wirtschaftlich) herstellbar.
Die Analyse der Kupfer-Fehlbelegungen in der historischen Vergangenheit der Leiterplattentechnologie hat ergeben, daß es offensichtlich einen Zusammenhang zwischen dem
Durchmesser einer Bohrung und der Tiefe dieser Bohrung gibt. Dieser Zusammenhang
wurde vereinfacht und mathematisch als Verhältnis (= engl.: „aspect-ratio“) des Bohrwerkzeugdurchmessers zur kontaktierbaren Bohrtiefe formuliert (Bild 1).
Die Strömungsverhältnisse in den galvanischen Bädern führen zu einer qualitativ unterschiedlichen Kupferbelegung bei Durchgangsbohrungen (= DK-Bohrung, BuriedVia) im
Vergleich zu Nichtdurchgangsbohrungen (= BlindVias).
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Der Grund dafür ist, daß bei Durchgangsbohrungen eine Durchflutung der Hülse stattfindet,
was bei BlindVias naturgemäß nicht sein kann. Weil die Hülse blind in der Leiterplatte
endet, ist nur ein Einfließen und rückwärtiges Ausfließen der Chemie möglich.
Dem wird Rechnung getragen durch die Angabe unterschiedlicher Werte für das jeweilige
Aspect-Ratio.
Definition (Aspect-Ratio für Bohrungen)
Das „Aspect-Ratio“ ist das mathematische Verhältnis des Bohrwerkzeugdurchmessers
zur kontaktierbaren Bohrtiefe.
Also ist :
„Aspect-Ratio“ = Bohrwerkzeugdurchmesser : kontaktierbare Bohrtiefe
Hinweis :
Umgangssprachlich läßt man das „kontaktierbar“ häufig weg und spricht vereinfacht vom Verhältnis des „Bohrwerkzeugdurchmessers zur Bohrtiefe“.
Bild 1
Definition des „Aspect-Ratios“ für Bohrungen
5) Aspect-Ratio für Durchgangsbohrungen
Für die Leiterplattenklassen „HDI“ und „MFT“ hat die Leiterplattenbranche in den letzten
Jahren für Durchgangsbohrungen (= DK-Bohrungen, BuriedVias) ein allgemeingültiges
„Aspect-Ratio“ von 1 : 8 realisiert (Bild 2, 3).
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Daraus ergibt sich für eine Berechnung der Ansatz :
Berechnung (Durchgangsbohrungen (= DK-Bohrungen, BuriedVias))
Bohrwerkzeugdurchmesser : Bohrtiefe = 1 : 8
Mathematisch läßt sich das in die beiden Rechenregeln umformen :
1)
Bohrwerkzeugdurchmesser = Bohrtiefe : 8
Lies : „Der kleinste mögliche Bohrwerkzeugdurchmesser ergibt sich,
wenn die erforderliche Bohrtiefe durch 8 dividiert wird“
Hier wird eine Minimalbedingung beschrieben.
2)
Bohrtiefe = Bohrwerkzeugdurchmesser * 8
Lies : „Die größte mögliche Bohrtiefe ergibt sich, wenn der
Bohrwerkzeugdurchmesser mit 8 multipliziert wird“
Hier wird eine Maximalbedingung beschrieben.
Bild 2
„Aspect-Ratio“ für Durchgangsbohrungen
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Bild 3
„Aspect-Ratio“ für temporäre Durchgangsbohrungen oder BuriedVias
6) Aspect-Ratio für Nichtdurchgangsbohrungen
In den letzten Jahren hat sich für Nichtdurchgangsbohrungen (= BlindVias) ein allgemeingültiges „Aspect-Ratio“ von 1 : 1 ergeben.
Daraus ergibt sich für die Berechnung der Ansatz :
Berechnung (Nichtdurchgangsbohrungen (= BlindVias))
Bohrwerkzeugdurchmesser : Bohrtiefe = 1 : 1
Mathematisch läßt sich das in die beiden Rechenregeln umformen :
1)
Bohrwerkzeugdurchmesser = Bohrtiefe : 1
Lies : „Der kleinste mögliche Bohrwerkzeugdurchmesser ergibt sich,
wenn die erforderliche Bohrtiefe durch 1 dividiert wird“
Hier wird eine Minimalbedingung beschrieben.
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2)
Bohrtiefe = Bohrwerkzeugdurchmesser * 1
Lies : „Die größte mögliche Bohrtiefe ergibt sich, wenn der
Bohrwerkzeugdurchmesser mit 1 multipliziert wird“
Hier wird eine Maximalbedingung beschrieben.
Der Sonderfall eines Aspect-Ratios von 1 : 1 = 1 bedeutet natürlich nichts anderes, als daß
die erreichbare Bohrtiefe identisch mit dem eingesetzten Bohrwerkzeugdurchmesser ist
(und umgekehrt).
Bild 4
„Aspect-Ratio“ für BlindVias
7) Bohrwerkzeugdurchmesser versus CAD-Bohrdurchmesser
Die Definition des „Aspect-Ratios“ für Bohrungen orientiert sich offensichtlich an den praktischen Fertigungsbedingungen für die Herstellung von Leiterplatten.
Die Fertigungsbedingungen wiederum definieren die Vorgaben für die virtuelle Konstruktion
der Leiterplatte. Diese Vorgaben sind direkt manifestiert in den Bibliotheks-Inhalten und den
Routingparametern des CAD-Systems.
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Regel (CAD-Dokumentation)
Das CAD-Layout beschreibt die Eigenschaften der fertigen Leiterplatte.
Für jede CAD-Konstruktion gilt also als zentrale Bedingung, daß das Layout den Sollzustand der fertigen Leiterplatte beschreibt.
Wenn beispielsweise eine Leiterbahn auf der fertigen Leiterplatte 100ym Breite haben soll,
dann wird dieser Leiterbahn in den CAD-Gerberdaten auch ein Fotowerkzeug von 100ym
zugeordnet.
Wenn eine Bohrung auf der fertigen Leiterplatte einen Durchmesser von 200ym haben
soll, dann wird dieser Bohrung in den CAD-Bohrprogrammen auch ein CAD-Bohrdurchmesser von 200ym zugeordnet.
Der von CAD angegebene Bohrdurchmesser wird also immer als Eigenschaft der fertigen
Leiterplatte und damit als Enddurchmesser verstanden.
Regel (CAD-Bohrdurchmesser)
Der CAD-Bohrdurchmesser entspricht dem geforderten Enddurchmesser
auf der fertigen Leiterplatte.
Durch das Kontaktieren der Bohrung werden umlaufend mindestens 25ym Kupfer an der
Hülsenwand aufgetragen plus die jeweilige galvanische Endoberfläche, die bei Hot-AirLeveling nochmal umlaufend partiell 20ym betragen kann.
Der von CAD vorgegebene Bohrdurchmesser wird also durch das Kontaktieren und die
Endoberfläche bei Hot-Air-Leveling um bis zu 2 * (25 + 20) = 90ym reduziert.
Für die Leiterplattenfertigung ergibt sich daraus, daß der Bohrwerkzeugdurchmesser für die
Fertigung kontaktierter Bohrungen nicht identisch mit dem Enddurchmesser sein kann
sondern größer sein muß. Dies ist in der Leiterplattenpraxis tatsächlich der Fall, indem auf
den Enddurchmesser zusätzlich 100ym aufgeschlagen werden (Bild 1).
Regel (Bohrwerkzeugdurchmesser)
Der Bohrwerkzeugdurchmesser ist gleich der CAD-Vorgabe plus 100ym.
Beispiel :
Werden in einem Layout für einen Stecker Bohrungen mit einem Enddurchmesser von
1.00mm gefordert, dann wird das CAD-System in seiner Datenausgabe für die Fertigung
der Leiterplatte den CAD-Bohrdurchmesser für diesen Stecker auch mit 1.00mm dokumentieren. Der Leiterplattenhersteller wählt das entsprechende Bohrwerkzeug mit 1.10mm
um 100ym größer. Nach dem Kontaktieren und dem Aufbringen der Endoberfläche wird der
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Enddurchmesser dann wie gefordert bei 1.00 bis 1.04mm liegen (es spielt dabei auch noch
das hier nicht berücksichtigte Untermaß der Bohrwerkzeuge eine Rolle).
8) Vermessung der Bohrtiefe für das Aspect-Ratio
Das „Aspect-Ratio“ beschreibt die Rahmenbedingungen für die galvanische Kontaktierbarkeit einer Bohrung in Form der Abhängigkeit der Bohrtiefe vom Bohrwerkzeugdurchmesser.
Während der Bohrwerkzeugdurchmesser offensichtlich unmißverständlich vorgegeben ist,
muß die Art der Vermessung der Bohrtiefe definiert werden.
Regel (Vermessung der Bohrtiefe)
Die Bohrtiefe für das Aspect-Ratio wird inklusive des Basiskupfers gemessen.
Diese Regel gibt also vor, daß die Bohrtiefe der Summe aller zu kontaktierenden Materialdicken entspricht.
Bild 5
Definition der Bohrtiefen für die Vermessung des Aspect-Ratios
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Allgemein gilt, daß die Bohrtiefe von der Startebene bis zur Zielebene der jeweiligen
Kontaktierungsvariante gemessen wird (Bild 5).
Bei Durchkontaktierungen und bei BuriedVias umfaßt die Materialdicke die Summe aller
Dielektrika plus aller innenliegenden Kupferschichten plus dem beidseitig außenliegenden
Basiskupfer.
Bei BlindVias wird unterschieden, ob die Zielebene des BlindVias auf einer vorher bereits
kontaktierten Ebene landet oder nicht.
Ist die Zielebene des BlindVias nicht kontaktiert (Bild 5, links unten), dann ist die Bohrtiefe
die Summe des Basiskupfers der Startebene plus aller Dielektrika plus dem Basiskupfer
der Zielebene.
Ist die Zielebene des BlindVias kontaktiert (Bild5, links oben), dann ist die Bohrtiefe die
Summe des Basiskupfers der Startebene plus aller Dielektrika plus dem Basiskupfer der
Zielebene plus dem DK-Kupfer der Zielebene.
Ist die Zielebene eines BlindVias nicht eine der Startebene benachbarte Layoutebene, dann
müssen zusätzlich die dazwischenliegenden Kupferdicken addiert werden.
9) Interpretationsfehler + Mißverständnisse
Bei modernen Baugruppen ist das „Aspect-Ratio“ von Bohrungen in der Planungsphase
eines Layoutes von großer Bedeutung. Die Möglichkeiten der Miniaturisierung einer
Layoutstruktur hängen vom Via-Enddurchmesser ab. Ein reduzierter Via-Enddurchmesser
bedeutet gleichzeitig einen reduzierten Paddurchmesser für dieses Via. Damit stehen mehr
verfügbare Routingvektoren innerhalb eines vorgegebenen Raumes für das Verlegen
von Leiterbahnen zur Verfügung.
Die mit dem Bohrwerkzeug verkoppelte Bohrtiefe bestimmt gleichzeitig die mögliche Anzahl
erreichbarer Lagen in einem Multilayer.
Für die Layout-Arbeit werden damit konkurrierende Anforderungen gestellt. Die Reduzierung der Via-Enddurchmesser ermöglicht eine höhere Packungsdichte im CAD-Layout.
Die höhere Packungsdichte benötigt jedoch mehr erreichbare innere Lagen in einem Multilayer. Weil durch das Aspect-Ratio die Bohrtiefe bei reduzierten Via-Enddurchmessern aber
abnimmt, ergibt sich der genau gegenteilige Effekt : es können bei geringerer Bohrtiefe
weniger innere Lagen angesprochen werden.
Diese Problematik wird durch funktionelle Anforderungen an die Leiterplatte verstärkt.
Viele HDI- und MFT-Layouts sind High-Speed-Anwendungen und benötigen eine definierte
Leitungsimpedanz. Während das dicht gepackte Layout Microvias und damit geringe
Lagenabstände erfordert, läßt sich die Impedanz auf den Leiterbahnen erst durch (relativ)
große Lagenabstände einstellen.
Mißverständnisse in der Interpretation des „Aspect-Ratios“ für Bohrungen haben vor
diesem Hintergrund fatale Folgen.
Der Klassiker unter den Irrtümern ist, daß die 100ym-Bohrzugabe vernachlässigt wird und
daß das „Aspect-Ratio“ direkt auf den CAD-Bohrdurchmesser angewandt wird und nicht auf
den Bohrwerkzeugdurchmesser.
Das läßt sich am „Aspect-Ratio“ für BlindVias sehr deutlich erläutern. Angenommen, die
Vorgabe des CAD-Bohrdurchmessers beträgt 100ym. Bei der Anwendung des „Aspect____________________________________________________________________________________________________________
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Ratios“ von 1:1 auf diesen CAD-Bohrdurchmesser würde das bedeuten, daß die mögliche
Bohrtiefe maximal 100ym beträgt.
Tatsächlich muß das „Aspect-Ratio“ auf den Bohrwerkzeugdurchmesser angewandt
werden. Der beträgt 100ym + 100ym = 200ym und damit ist die erreichbare Bohrtiefe
200ym statt 100ym, also doppelt so tief.
Es darf ferner davon ausgegangen werden, daß das „Aspect-Ratio“ für Bohrungen kein
physikalisches Gesetz ist, sondern eine pragmatische Hilfskonstruktion. Der tiefere Sinn
dieser Konstruktion ist, daß sie für jedermann verständlich, einheitlich und übersichtlich ist.
Mathematisch formuliert ist das „Aspect-Ratio“ für beliebige Bohrwerkzeugdurchmesser
linear bei korrekter Anwendung der Definition des „Aspect-Ratios für Bohrungen“. Dies läßt
sich aus den Tabellen in Bild 3 und Bild 4 direkt ablesen.
Beispiel für das „Aspect-Ratio“ bei BlindVias mit den Werten < Bohrwerkzeug : Bohrtiefe >
0.20 : 0.20 = 1
0.30 : 0.30 = 1
0.40 : 0.40 = 1
0.50 : 0.50 =1 ,…….
Aspect-Ratio für BlindVias
Allgemein ist hier f(x) = x für beliebige x-Werte. Diese Funktion ist linear.
1.0
0.9
0.8
0.7
0.6
0.5
0.4
0.3
0.2
0.1
0.0
Bohrwerkzeugdurchmesser
CAD-Bohrung
CAD-Bohrung
Bohrwerkzeug
Bohrtiefe
100ym
200ym
200ym
Aspect-Ratio
Aspect-Ratio
CAD-Bohrung : Bohrtiefe
Bohrwerkzeug : Bohrtiefe
Bild 6
200ym
300ym
300ym
300ym
400ym
400ym
400ym
500ym
500ym
500ym
600ym
600ym
Graphen für „Aspect-Ratio“-Werte für BlindVias
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Genauso einfach läßt sich zeigen, daß das „Aspect-Ratio“ für beliebige CAD-Bohrdurchmesser nichtlinear ist.
Beispiel für das „Aspect-Ratio“ bei BlindVias mit den Werten < CAD-Bohrung : Bohrtiefe >
0.10 : 0.20 = 1 : 2
0.20 : 0.30 = 2 : 3
0.30 : 0.40 = 3 : 4
0.40 : 0.50 = 4 : 5 ,…..
Allgemein ist f(x) = (x - 1) : x für ganzzahlig durch 100ym teilbare Werkzeugdurchmesser.
Diese Funktion ist nichtlinear. Für große x-Werte ist „1“ der Grenzwert für f(x). Der zugeordnete Graph ist in der Tabelle in Bild 6 gezeigt.
Für zwei beliebige CAD-Bohrungen gilt, daß das „Aspect-Ratio“ in Relation zur Bohrtiefe
immer unterschiedlich ist. Damit ist das „Aspect-Ratio“ mit der Angabe des Verhältnisses
von „CAD-Bohrung : Bohrtiefe“ als pragmatische Hilfskonstruktion ungeeignet.
10) Geltungsbereiche
Bei der näheren Betrachtung des Aspect-Ratios ist die Vorgehensweise, das Bohrwerkzeug
durch den Zuschlag von 100ym auf die CAD-Bohrung zu ermitteln, anscheinend diskussionsfähig.
Bei Bohrungen für die Aufnahme bedrahteter Bauteile oder Befestigungsmittel steht außer
Frage, daß der angestrebte Enddurchmesser (= CAD-Bohrung) während der Produktion
der Leiterplatte erreicht werden muß. Im Grenzfall, also bei zu geringem Bohrdurchmesser,
würden die Bauteildrähte nicht in das zugehörige Loch passen. Insbesondere vielpolige
Bauteile (Stecker, IC´s, Relais,..) wären nicht oder nur mit einer Ausfallrate bestückbar.
Nun gehören Vias zu der Klasse Bohrungen, die per Definition normalerweise nicht dafür
vorgesehen sind, Drähte aufzunehmen. Es erscheint deshalb auf den ersten Blick sinnlos,
auch für Vias den Zuschlag von 100ym auf die CAD-(Via)Bohrung zu geben und das
Aspect-Ratio wie üblich mit Bezug auf das Bohrwerkzeug zu berechnen.
Vor dem Hintergrund der Miniaturisierung der Leiterbilder wäre es eher naheliegend, bei
Vias auf den Zuschlag von 100ym zu verzichten. In dem Fall könnte auch der Durchmesser
des ViaPads um 100ym reduziert werden, was ein echter Platzgewinn für die Layoutarbeit
bedeuten würde.
Es würde dann die CAD-Bohrung = Bohrwerkzeug = Bohrtiefe sein, und dann wäre das
Aspect-Ratio mit 1 : 1 : 1 wieder linear.
In der Praxis muß jedoch die klassische Sicht bestehen bleiben. Schließlich ist für das
Kontaktierungsverhalten nicht entscheidend, ob die Bohrung später einen Draht aufnehmen
wird oder nicht, sondern es geht ursächlich um die physikalischen Strömungsbedingungen
in der Hülse während der galvanischen Kontaktierung.
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11) „Hohe“ und „niedrige“ Aspect-Ratios
Für die Konstruktion eines Multilayersystems ist die Kenntnis über das „Aspect-Ratio für
Bohrungen“ eine wichtige Größe, die Auskunft über die technologische Kompetenz eines
Leiterplattenherstellers gibt.
Wenn Leiterplattenhersteller „A“ mit gleichem Bohrwerkzeugdurchmesser tiefer bohren und
vor allem fehlerfreier kontaktieren kann, als Leiterplattenhersteller „B“, dann ergeben sich
für das CAD-Layout pauschal mehr Freiräume bei Beauftragung des Hersteller „A“.
Umgangssprachlich sagt man dann, Hersteller „A“ hat ein höheres „Aspect-Ratio“ für
Bohrungen. Diese Aussage ist formell falsch. Das „Aspect-Ratio“ ist mathematisch als ein
Bruch formuliert, der den Wert „Bohrwerkzeug : Bohrtiefe“ beschreibt.
Für das hier angegebene Beispiel kann man zur Erläuterung annehmen, daß Hersteller „A“
bis zur 8-fachen Tiefe des Bohrwerkzeugdurchmessers bohren und kontaktieren könnte,
Hersteller „B“ nur bis zur 6-fachen Tiefe.
Das Aspect-Ratio für Hersteller „A“ ist dann 1:8, das für Hersteller „B“ ist 1:6. Offensichtlich
ist der mathematische Wert des Bruches 1:8-tel kleiner als 1:6-tel.
Damit ist die gegenteilige Aussage richtig und die technologische Kompetenz eines Leiterplattenherstellers nimmt dann zu, wenn seine Aspect-Ratios niedriger werden.
12) Einschränkungen
Der Begriff des „Aspect-Ratios“ wurde historisch zu einer Zeit eingeführt, als die HDI- und
MFT-Technologie im Entstehen war.
Neben der Beschreibung der technischen Machbarkeit bringt allein die Existenz des
Aspect-Ratios aber auch zum Ausdruck, daß es technologische Grenzen gibt und daß
eben nicht alles machbar ist.
Das untere Limit für durchkontaktierte CAD-(Via)Bohrungen war seinerzeit 200ym. Das
entsprach (und entspricht auch heute noch) einem effektiven Bohrwerkzeugdurchmesser
von 200ym + 100ym = 300ym. Bei einem branchenüblichen minimalen Aspect-Ratio
von 1:6 kann damit eine Durchgangsbohrung von 6 * 300 = 1.8mm Hülsenlänge kontaktiert
werden. Das reicht für Leiterplatten mit einer Standarddicke von 1.5mm bis 1.6mm aus und
bietet sogar noch eine zusätzliche Prozeßsicherheit.
Allerdings wurde bei Definition des „Aspect-Ratios“ versäumt, ein Intervall zu bestimmen,
innerhalb dessen das „Aspect-Ratio“ gilt.
Vor dem Hintergrund der nicht bewiesenen Annahme, daß das „Aspect-Ratio“ linear ist,
was ja auch bedeutet, daß die physikalischen Strömungsverhältnisse in einer Hülse linear
sind, wurden weder „kleinere“ Bohrungen abgegrenzt, noch „größere“ Bohrungen.
Bei „größeren“ Bohrungen ist die pragmatische Definition des „Aspect-Ratios“ möglicherweise vertretbar. Ein „Aspect-Ratio“ von 1:6 für Durchgangsbohrungen bedeutet, daß bei
einem Bohrwerkzeugdurchmesser von 1.0mm die Leiterplatte 6.0mm dick sein könnte.
Dieser Fall ist nicht ausgeschlossen, tritt aber im Alltag der Leiterplattenfertigung äußerst
selten auf.
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Aspect-Ratio / Seite 12
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Aspect-Ratio von Bohrungen
Bei „kleineren“ Bohrungen ist die pragmatische Definition unzureichend, weil sie irreführend und technisch nicht realisierbar ist. Es darf angezweifelt werden, ob mit einem
Bohrwerkzeug von 50ym hergestellte Durchgangsbohrungen bis zu einer Leiterplattendicke
von 300ym ( = 1:6) reproduzierbar problemlos kontaktiert werden können.
Mit Einführung der Lasertechnologie ist außerdem die Technologie für die Herstellung einer
Bohrung von Bedeutung. Der Querschnitt eines 100ym gebohrten Loches ist rechteckig,
der Querschnitt eines durch Laserablation erzeugten Loches ist leicht trapezoidal (Bild 7),
mit einer breiteren Grundfläche.
Bild 7
Querschnittsgeometrien für BlindVias (Laser + Bohren)
Weiterhin wurde stillschweigend angenommen, daß immer FR4-Material mit einem
Standard-Tg-Wert von 135 bearbeitet wird.
Die Diversifikation des Produktes „Leiterplatte“ hat jedoch in den letzten Jahren zu einer
Variantenvielfalt geführt, die eine pauschale Anwendung von trivialen Hilfsregeln deutlich
erschwert.
Beispielsweise erfordert die Umstellung auf bleifreie Elektronikprodukte die Verarbeitung
von FR4-Material mit dem höheren Tg-Wert von 150. Dieser Wert wird bei der Herstellung
von Basismaterial vor allem durch ein modifiziertes Harzsystem erreicht. Das wiederum
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Aspect-Ratio / Seite 13
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Aspect-Ratio von Bohrungen
führt zu etwas spröderen Materialeigenschaften und zu einer leicht veränderten mechanischen Struktur der Hülsenwandung nach dem Bohren.
Bei Materialien, die härter sind als FR4, wie beispielsweise Polyimid, müssen die Bohrparameter an den CNC-Maschinen angepaßt werden, damit eine für das Kontaktieren
geeignete Hülsenqualität erreicht wird.
Bei Materialien, die weicher sind als FR4, verschmieren die Hülsen sehr schnell, weil die
übliche Spanabfuhr im Vergleich mit FR4-Material über die Absaugungen an den CNCMaschinen nicht mit gleicher Qualität möglich ist. Dies trifft zum Beispiel auf viele RodgersMaterialien zu, die vorrangig für Hochfrequenz-Schaltungen genutzt werden.
Ganz allgemein muß bei gebohrten Durchkontaktierungen mit Bohrwerkzeugdurchmessern
kleiner als 300ym die Mechanik der Spanabfuhr aus der Bohrung beachtet werden. Mit
kleiner werdendem Bohrwerkzeugdurchmesser nimmt auch der Raum zwischen den
Schneiden des Bohrers ab, der für die Spanabfuhr vorgesehen ist. Andererseits bleiben die
Glasfasern der FR4-Gewebe der Basismaterialien unverändert dick.
Um dennoch zu einer hochwertig kontaktierbaren Hülsenwandung zu kommen, werden
inzwischen leistungsstarke Absaugungen eingesetzt und/oder es werden die Bohrungen in
Mehrfachniveaus gebohrt.
Ursprünglich ist die Definition des „Aspect-Ratios“ für starre Leiterplatten aus FR4 ausgelegt gewesen. Die Bedingungen für das Bohren können allerdings bei Hybridmultilayern
stark abweichen.
Für den Aufbau starrer Leiterplatten werden zunehmend unterschiedliche Basismaterialien
(Beispiel : FR4 und Keramik) kombiniert, damit die gewünschten elektrophysikalischen
Eigenschaften der späteren Baugruppe erreicht werden können.
Von Natur aus sind alle starrflexiblen Multilayer Hybridaufbauten mit einer Kombination aus
Polyimidfolie und FR4. Allein die Entscheidung, ob eine starrflexible Schaltung mit Kleber
oder Prepreg aufgebaut werden soll, beeinflußt bereits die Qualität der Bohrung und damit
das erforderliche spezielle „Aspect-Ratio“.
13) Fazit
Das „Aspect-Ratio“ für einen Bohrungstyp erleichtert die Orientierung bei der Definition der
mechanischen Bohrparameter für die Konstruktion eines Multilayersystems.
Das „Aspect-Ratio“ ist nicht dogmatisch. Es beschreibt als Hilfsregel die voraussichtliche
physikalisch-chemische Kontaktierbarkeit einer Bohrhülse. Die Werte für BlindVias und
BuriedVias oder Durchkontaktierungen sind unterschiedlich. Der Materialbezug ist auf FR4
ausgelegt.
Bei anderen Materialien als FR4 oder bei starrflexiblen Multilayern können abweichende
„Aspect-Ratios“ gelten.
Die sprachliche Anwendung ist oft irreführend und muß gegebenenfalls hinterfragt werden.
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Aspect-Ratio / Seite 14
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