Evonik-Magazin Evonik-Magazin CHANCEN FRÜHER BEGREIFEN 1|2011 1| 2011 Die besten Jahre Die Babyboomer werden erwachsen. Und schaffen einen neuen Megamarkt – mit ihrem Wunsch, gut zu altern 1_Evonik_01-11_DE 1 14.03.11 17:34 www.evonik.de Ungewöhnliche Kunststofflösungen sind für uns nichts Ungewöhnliches. 7PN "EEJUJWàCFS EBT )PDIMFJTUVOHTQPMZNFS CJT IJO [VN )BMC[FVH&WPOJL JTU EFS 4QF[JBMJTU GàS IFSBVTSBHFOEF ,VOTUTUPGGMÚTVOHFOoGàS-FJDIUCBVUFJMFGàS4PMBSUFDIOJL VOE GàS WJFMFT NFIS,VS[ HFTBHU &WPOJL FOUXJDLFMU NJU TFJOFO,VOEFOQSÊ[JTF1SPEVLUFGàSKFEFT"OXFOEVOHTHFCJFU 6NXFMUHFSFDIUVOEMFJTUVOHTTUBSL8JSGSFVFOVOT4JFNJU LSFBUJWFO -ÚTVOHFO àCFSSBTDIFO [V LÚOOFO 2_Evonik_01-11_DE 2 14.03.11 17:16 EDITORIAL 3 Ungewohnte Perspektiven Warum die Chemie wahrlich allen Grund zum Feiern hat. Mit ihrem „Internationalen Jahr 2011“ tut sie es über den ganzen Erdball FOTO: CHRISTIAN SCHLÜTER/EVONIK INDUSTRIES Liebe Leserinnen und Leser! „Chemie – unser Leben, unsere Zukunft“ lautet das Motto des Internationalen Jahres der Chemie, das die Vereinten Nationen (UN) weltweit für 2011 ausgerufen haben. Rund um den ganzen Erdball werden Hunderte Veranstaltungen organisiert, um die Menschen auf die Errungenschaften der Chemie aufmerksam zu machen. Dies sollte gut gelingen, denn die viel zitierte „grüne Chemie“ hat Dr. Klaus Engel, Vorsitzender des Vorstandes der Evonik Industries AG heute Schlagzeilen-Qualität. Es spricht sich herum: Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, kann dies ohne Entwicklungen „Erst die schöpferische Kraft der Chemie schafft die Voraussetzungen für den nachhaltigen Lebensstil der Zukunft“ der Chemie nicht gelingen. Ob Solarzellen oder Stromspeicher, Wärmedämmung oder Batterien für E-Mobilität – die neuen, klima- und ressourcenschonenden Technologien basieren allesamt auf Entwicklungen der Chemie. Dass wir aus Sonnenkraft Elektrizität gewinnen können – ohne Chemie undenkbar. Das Gleiche gilt für die Batterie als Schlüsseltechnologie für die schadstoffarme E-Mobilität. Für viele mag dies noch ungewohnte Perspektiven eröffnen. Auch engagierte Chemiekritiker nehmen nach und nach zur Kenntnis, dass die Chemie eines der wichtigsten Instrumente ist, wenn wir auf der Welt wirklich etwas bewegen wollen. Denn vor allem anderen kann Chemie einen wesentlichen Beitrag leisten, wenn die Ernährung der Weltbevölkerung gelingen soll und die Versorgung mit sauberem Wasser. In diesem Evonik-Magazin finden Sie ab Seite 26 einen großen Überblick über die Aktivitäten im „Internationalen Jahr der Chemie“. Und wie die Evonik Industries AG es mit der Nachhaltigkeit hält, zeigen wir an konkreten Beispielen im Beitrag „Gute Geister“ ab Seite 40. Viel Vergnügen beim Lesen! Herzlichst, Evonik-Magazin 1 | 2011 3_Evonik_01-11_DE 3 14.04.11 09:14 4 I N H A LT er: Ausklapp h nac die Suche n e dem ewig n e b e L Lange leben, aber nicht alt werden Wer auch im dritten Lebensabschnitt noch attraktiv und fit sein will, muss schon früh anfangen – maßvoll leben, vernünftig essen und ein inspirierendes soziales Umfeld pflegen SEITE 12 Rar, teuer – und (noch) unersetzlich: Seltenerdmetalle IMPRESSUM Herausgeber: Evonik Industries AG Christian Kullmann Rellinghauser Straße 1–11 45128 Essen Objektleitung/ Leitung Interne Kommunikation und Konzernmedien: Stefan Haver Chefredaktion: Urs Schnabel (V.i.S.d.P.) Art Direction: Wolf Dammann SEITE 32 Wie Evonik Corporate Responsibility lebt Redaktion: Michael Hopp (Leitung), Christiane Oppermann Dokumentation: Kerstin Weber, Tilman Baucken; Hamburg Chef vom Dienst: Stefan Glowa Gestaltung: Teresa Nunes (Leitung), Anja Giese, Heike Hentschel/ Redaktion 4 Fotoredaktion: Ulrich Thiessen Schlussredaktion: Wilm Steinhäuser SEITE 40 Verlag und Anschrift der Redaktion: Hoffmann und Campe Verlag GmbH, ein Unternehmen der GANSKE VERLAGSGRUPPE Harvestehuder Weg 42 20149 Hamburg Telefon +49 40 44188-457 Telefax +49 40 44188-236 E-Mail [email protected] Evonik-Magazin 1 | 2011 4_Evonik_01-11_DE 4 11.03.11 12:24 I N H A LT 5 EDITORIAL Evonik 3 Ungewohnte Perspektiven global Einmal um die Welt gereist, zu internationalen Evonik-Standorten Warum die Chemie allen Grund zum Feiern hat 54 Russland CyPlus GmbH: Innovative Technik von Evonik Industries macht die Goldsuche in Nishni Nowgorod effizienter Interview: Frank Harenburg, Geschäftsführer der CyPlus GmbH über die Produktionsanlage für Natriumcyanid und den russischen Goldmarkt INFORMIEREN 55 Südkorea HPPO: Wie aus einem Problemmarkt neue Anwendungsbereiche mit Wachstumschancen entstehen 56 China ROHACELL: Im ersten Passagierjet aus chinesischer Entwicklung fliegt ein Hartschaumstoff von Evonik mit 6 Auf den ersten Blick Die MD-11 war vor mehr als 20 Jahren der erste Passagierjet, bei dem ROHACELL eingesetzt wurde 57 Taiwan Weltkarte: alter Norden, junger Süden – die Weltbevölkerung altert in rasantem Tempo PLEXIGLAS: Die schöne Insel ist ein wichtiger Standort für Evonik Industries und die Region – wie drei Gemeinschaftsunternehmen zeigen 58 Niederlande Ubiflex: Innovation fürs Dach – wie Dachdeckern die Arbeit erleichtert werden kann Jubiläum am Himmel U S A Vor über 20 Jahren absolvierte ROHACELL in den USA den Jungfernflug im zivilen Flugzeugbau 58 Meldungen FOTO: ALEXANDRA VOSDING, ILLUSTRATION: PICFOUR Drei Minuten mit: Prof. Albert Speer jr. entwarf die Fußball-Stadien für die WM 2022 in Katar mit einer avantgardistischen Klimatisierung Brasilien: Großer Auftritt für DEGAROUTE Indonesien: Neue Aufgaben für PT Evonik Indonesia Südkorea: Vierjahresvertrag mit Hankook Tire China: Bewährte Partnerschaft mit der Jushi Group D er 10. Januar 1990 war ein besonderer Tag für den Flugzeugbauer McDonnell Douglas. Am Flughafen von Long Beach, Kalifornien (USA), hob zum ersten Mal die neu entwickelte MD-11 ab. Auch in Deutschland wurde der Start mit Spannung verfolgt. Mit an Bord war erstmals ROHACELL als Teil eines zivilen Passagierjets. Die Abdeckung an den Flügelklappen war aus ROHACELL gefertigt worden. Zuvor hatte die US-amerikanische Federal Aviation Administration (FAA) drei Jahre lang Material und Produktionsprozess akribisch geprüft. Erst danach gab es die Zulassung. Heute ist das Material aus dem zivilen Flugzeugbau nicht mehr wegzudenken. Rumpfsegmente, Druckschotts, Flügelteile – selbst bei den kritischen Teilen eines Flugzeugs hat sich Hartschaumstoff bewährt und durchgesetzt. Der Start der MD-11 vor über 20 Jahren öffnete die Tür für eine Zukunft über den Wolken. Evonik-Magazin 1 | 2011 53_Evonik_01-11_DE 53 Diskutieren: Wie sympathisch ist die Chemie? Antworten von Dr. Silvana Koch-Mehrin, Prof. Manfred Güllner, Prof. Dr.Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herrmann, Marc-Oliver Voigt und Dr. Rainer Grießhammer GESTALTEN 12 When I'm 64 Den Jungbrunnen gibt es nicht, aber viele Einsichten in den Alterungsprozess. Sport, vernünftige Ernährung und eine positive Lebenseinstellung helfen, die unverkennbaren Zeichen des Alterns hinauszuzögern. Den Wunsch nach einem langen Leben bei guter Gesundheit unterstützen Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft ENTWICKELN 26 Celebrate Chemistry! Mit Tausenden Veranstaltungen wird weltweit das Jahr der Chemie gefeiert – einen Überblick über die wichtigsten Events gibt es im Heft und im Internet WISSEN 32 Wettlauf der Schatzgräber Seltene Erden stecken in allen Hightech-Geräten – deshalb wird nach Wegen gesucht, die kostbaren Rohstoffe zu recyceln ERKENNEN 07.03.11 09:52 GLOBAL 53 Einmal um die Welt zu internationalen Standorten USA: Seit 20 Jahren fliegt ROHACELL in modernen Passagierjets mit Russland: Wie CyPlus modernen Goldgräbern hilft Russland: „Kompromisslos sicher“ – Interview mit dem CyPlus-Chef Südkorea: Erfolgreiche Produktweiterentwicklung China: Evonik ist beim ersten chinesischen Passagierjet mit an Bord Taiwan: Kleine Insel – großer Markt Niederlande: Neues fürs Dach FINDEN 40 Die guten Geister sammeln sich Wie Evonik Corporate Responsibility im Alltag lebt und in Produktentwicklung und Ausbildung integriert 59 Auf einen Blick Index der im Heft genannten Produkte ENTDECKEN 46 Wolkenschieber Cloud-Computing ist der wichtigste Informationstechnologie-Trend des Jahres. Doch viele befällt Höhenangst – sie fürchten, die Kontrolle über Daten und Prozesse zu verlieren LEBEN 52 Im Rausch der Daten Celebrate Chemistry Geschäftsführung: Dr. Kai Laakmann, Dr. Andreas Siefke, Bernd Ziesemer Objektleitung: Dr. Ingo Kohlschein Herstellung: Claude Hellweg (Leitung), Oliver Lupp SEITE 26 Litho: PX2, Hamburg Druck: Neef+Stumme premium printing, Wittingen Copyright: © 2011 by Evonik Industries AG, Essen. Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder Tom Schimmeck über ein neues Herz für das explosionsartig wachsende Internet Kontakt: Fragen oder Anregungen zum Inhalt des Magazins: Telefon +49 201 177-3340, Telefax +49 201 177-3013, E-Mail [email protected] Fragen zum Versand oder Bestellungen: Telefon +49 40 68879-139 Telefax +49 40 68879-199 E-Mail [email protected] Biolys®, DEGAROUTE®, Dynasylan®, EUDRAGIT®, PLEXIGLAS®, ROHACELL®, SEPARION®, SiVARA™, ULTRASIL® und VESTOPLAST® sind geschützte Marken der Evonik Industries AG oder ihrer Tochterunternehmen. Sie sind im Text in Großbuchstaben geschrieben Diese Ausgabe des Evonik-Magazins finden Sie auch online unter www.evonik.de und als iPad-app im App-Store FOTOS: CORINNA HOLTHUSEN/ PHOTOSELECTION (3), MARKUS BERTSCHI, INGO RAPPERS, KARSTEN BOOTMANN, PLAINPICTURE/ FOGSTOCK TITELFOTOS: CORINNA HOLTHUSEN/ PHOTOSELECTION Evonik-Magazin 1 | 2011 5_Evonik_01-11_DE 5 11.03.11 12:24 6 INFORMIEREN Drei Minuten mit ... Zitat des Monats Prof. Albert Speer jr. Der Weltbaumeister Albert Speer jr. ist Städteplaner und Architekt und baut die Fußballstadien für Katar 2022 „Zukunft und Wohlstand können wir nur mit Innovation und Technologie sichern. Doch etwas muss dazukommen: das Vertrauen der Menschen“ Ralf Blauth, Arbeitsdirektor und Vorstand Evonik Industries AG Evonik in Zahlen 24.000 Mehr als Patente und Anmeldungen hält die Evonik Industries AG. 300 Hochschulen in aller Rund Welt kooperieren mit Evonik. 100.000 € spendet Evonik für die Einrichtung der Johannes-Rau-Bibliothek im Schoeler Schlösschen in Berlin. In dem 1765 errichteten Gebäude werden 8.000 Bände aus der privaten Bibliothek des früheren Landesvaters von NordrheinWestfalen zu finden sein. FOTO: DIETER SCHWER Borussia-TV-Spot von Evonik „Geht doch!“ Werbeauftritt mit Kultfaktor FOTO: KNSK Prof. Albert Speer jr. ist Baumeister in vierter Generation. Während der Großvater noch Villen für rheinland-pfälzische Zuckerbarone entwarf, der Vater als Hitlers Baumeister den Umbau Berlins in die Welthauptstadt Germania plante, konzipiert der Junior Masterpläne für Metropolen und Megaevents in aller Welt. Die Bewerbung Münchens als Austragungsort der Winterolympiade stammt ebenso aus seiner Feder wie die Planung von Fußballstadien für die Weltmeisterschaft (WM) 2022 in Katar. Speer wehrt jeden Versuch ab, Verbindungen zu seinem Vater und dessen Großmannssucht herzustellen. „Stadtplanung zielt nicht aufs Große, sondern auf das Komplexe. Und nicht auf das Autoritäre, sondern auf das Integrale“, doziert der Architekt: „Städte sind demokratischer Natur.“ Das gelte auch, wenn die Auftraggeber Diktatoren sind. Größten Wert legt Speer, der sich aus der Geschäftsführung zurückgezogen hat und jetzt Politiker und Staatschefs berät, auf Nachhaltigkeit. Doch was bedeutet dieses Gebot in der Stadtentwicklung? Ist es Schönheit, Magie oder Funktionalität? „Wir bauen Städte, die auch formal von hoher Qualität sind“, sagt er und fügt hinzu: „Stadtplaner müssen Zeit haben, Städte müssen sich entwickeln. Ich fürchte, man hat immer weniger Geduld.“ Die Arbeiten des 76-jährigen Visionärs für Katar setzen in jedem Fall Meilensteine für die Planung künftiger internationaler Großveranstaltungen. Wind und Sonne werden zur Klimatisierung der Sportstätten genutzt, um die Arenen im heißen Wüstenstaat auf europäisches Sommerklima zu kühlen. Nach dem Ende der WM werden die Gebäude abgebaut oder passend zur Bevölkerung des Emirats verkleinert. Die Masterpläne der Megaevents nutzt Speer gern für die Arbeit am großen Ganzen. „Städte entwickeln sich am besten, wenn die bürokratischen Hemmnisse überwindbar werden. Wenn alle an einem Strang ziehen und Energien freigesetzt werden. Die Events beschleunigen Prozesse und politische Entscheidungen.“ CHRISTIANE OPPERMANN Pünktlich zum Revierderby am 4. Februar 2011 gegen Schalke 04 ging die Evonik Industries AG mit einem Werbespot on air. Der Trikotsponsor von Borussia Dortmund unterstreicht damit seine Verbundenheit mit Jetzt schon Kult: dem Bundesliga-Tabellenführer. Borussia-Spot „Was der BVB und sein zwölfter Mann von Spieltag zu Spieltag leisten, ist schlicht unglaublich“, erklärt Markus Langer, Leiter Konzernmarketing und PR bei Evonik, die Idee, den Fernsehspot dem Fußball-Engagement zu widmen. Der BVB spielt bisher eine überragende Saison und liegt fast uneinholbar an der Tabellenspitze. Markus Langer: „Das Sponsoring beim BVB ist ein unverzichtbarer Baustein in der Marketingstrategie von Evonik, um eine hohe Bekanntheit und Sympathie für die Marke aufzubauen.“ Das Unternehmen ist seit 2007 Partner des BVB und unterstützt den Verein nicht nur finanziell, sondern auch mit humorvollen Anzeigen, die unter den Fans Kultstatus genießen. Jetzt profitiert Evonik vom derzeit besonders wertvollen BorussiaFaktor: Die junge Dortmunder Mannschaft zeichnet sich aus durch starkes Teamplay, einen modern arbeitenden Trainer, ein sehr enges Verhältnis zu den Fans, Verankerung in der Region bei gleichzeitigem Streben nach Spitzenleistung und eine vorbildliche Integration internationaler Leistungsträger. Die Marktforschung liefert eindeutige Belege für diesen Zusammenhang. So geben inzwischen 60 Prozent der Finanz- und Wirtschaftsentscheider an, dass ihnen Evonik als BVB-Sponsor bekannt ist (2008: 34 Prozent). In der breiteren Öffentlichkeit liegt der Wert bei 41 Prozent (2008: 24 Prozent). Außerdem: Wer Evonik durch den BVB kennt, beurteilt Evonik als deutlich sympathischer als Menschen, denen die Verbindung nicht bekannt ist. Evonik-Magazin 1 | 2011 6_Evonik_01-11_DE 6 11.03.11 11:53 Kleines Auto mit großem Potenzial: Mit Windkraft, Solarzellen und einem Lenkdrachen steuerten die Extremsportler Dirk Gion und Stefan Simmerer den Wind Explorer quer durch den australischen Kontinent Evonik auf Rekordkurs Vom Winde geweht Exklusivbericht von der Pionierfahrt des Wind Explorer. 5.000 Kilometer durch Australien. Bei Stromkosten von 10 € Schon seit über einer Stunde reiht sich Gigant an Gigant. Die Stämme der mächtigen Eukalypten können auch mehrere Männer kaum umfassen. Bis zu 90 Meter in den sternenklaren Nachthimmel ragend sind sie stumme Zeugen aus scheinbar anderen Zeiten. Kängurus kreuzen im Minutentakt die Fahrbahn. Und mittendrin der Wind Explorer. Wie ein Marienkäfer aus der Zukunft schnurrt er zwischen den uralten Riesen und Australiens Wappentieren über den immer noch warmen Asphalt. Immer geradeaus. In Albany südlich von Perth beginnt das Leichtbau-Elektromobil seine Reise; rund 5.000 Kilometer quer durch Australien, vom Indischen Ozean bis nach Sydney am Pazifik. Was am 26. Januar als Pionierfahrt begann, endete zweieinhalb Wochen später als großer Erfolg. „Für uns ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, erklärten die beiden deutschen Extremsportler Dirk Gion und Stefan Simmerer. Die beiden Piloten stellten auf der Gesamtstrecke neue Bestmarken auf: Erstmals durchquerte ein nahezu ausschließlich mit Wind und Lithium-Ionen-Batterien angetriebenes Fahrzeug den australischen Kontinent. Dabei legten sie mit 493,5 Kilometern von Eucla bis nach Ceduna die längste nur mit Windkraft zurückgelegte Gesamtstrecke zurück. Und das alles ressourceneffizient und fast klimaneutral. Batterie wird nie leer Ihr Wind Explorer wird durch Lithium-Ionen-Batterien angetrieben, die – wann immer die Windverhältnisse es erlauben – durch eine mobile Windkraftanlage wieder aufgeladen werden. Nur in Ausnahmefällen wurde auf Strom aus herkömmlichen Quellen zurückgegriffen. So kam der 200 Kilogramm leichte Wind Explorer für die fast 5.000 Kilometer auf eine Stromrechnung von gerade einmal 10 €. Möglich wurde das Projekt dank Partnern aus der deutschen Wirtschaft. So sorgte die Evonik Industries AG unter anderem für die Leichtbau-Karosserie sowie die leistungsstarke Lithium-IonenBatterie. Das Batteriepaket mit einer Energie von acht Kilowattstunden ermöglichte dem Wind Explorer bei anspruchsvollen 60 Grad in der Sonne Reichweiten von rund 400 Kilometern. „Das Team um Dirk Gion und Stefan Simmerer hat Großartiges geleistet. Hier zeigt sich, wozu Pioniergeist und deutsche Hochtechnologie fähig sind“, gratulierte Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender von Evonik. Das Besondere am Wind Explorer: Ist die Batterie leer, können die Piloten die Akkus je nach Windsituation über eine mobile Windkraftanlage oder über das herkömmliche Stromnetz aufladen. Zusätzlich zum Windstrom kann der Wind Explorer mit Lenkdrachen angetrieben werden. Für die FOTOS: KARSTEN BOOTMANN INFORMIEREN 7 deutsche Industrie bieten solche Pionierprojekte eine gute Möglichkeit, eigene Technologien zu testen und damit ihren Know-howVorsprung auszubauen. Insbesondere der Wettbewerb in der Automobilbranche, die zunehmend auf Hybrid- und Elektrofahrzeuge setzt, ist umkämpft. Neue Leichtbau-Werkstoffe wie das im Wind Explorer verbaute ROHACELL und intelligente Reifentechnologien, die den Rollwiderstand minimieren, sind hochbegehrt. Doch das Rennen um die E-Mobilität wird vor allem über die Batteriekompetenz entschieden. „Hier wollen wir mit unserem Tochterunternehmen Li-Tec zum europäischen Marktführer für Batteriezellen aufsteigen“, sagte Evonik-Chef Dr. Engel. VOLKER SCHMITT Aufbau der mobilen Windkraftanlage, um die Batterie mit Windenergie zu laden Evonik-Magazin 1 | 2011 7_Evonik_01-11_DE 7 07.03.11 09:51 8 INFORMIEREN Alter Norden, junger Süden Die Weltbevölkerung altert in rasantem Tempo. Schon heute ist jeder zehnte Erdenbewohner über 60 Jahre alt Momentaufnahme 2009: Alter Weltbevölkerung Die Farben der einzelnen Staaten auf der Weltkarte spiegeln das mediane Alter (Mittelwert) wider, das die Einwohner jedes Landes in zwei gleich große Gruppen teilt: Die eine Hälfte ist jünger, die andere älter. So hat Niger die jüngste Population mit einem Median von 15 Jahren, Japan und Deutschland haben die älteste. Russland, China und die USA liegen eher im Mittelfeld, jung und dynamisch sind Schwellenländer wie Indien und Brasilien. Für die grafische Darstellung sind die Median-Alter in Gruppen zusammengefasst. 40,1– 45 20,1– 25 35,1– 40 15,1– 20 30,1– 35 0 – 15 25,1– 30 Ohne Angaben USA 2050: 397,1 Millionen 106,8 Millionen 60+ Jeder 6. US-Bürger ist heute über 60, bei einer Geburtenrate von 2 Kindern pro Frau wird die Bevölkerung wachsen Gesamtpopulation im Jahr 2050 Eine Figur steht für 10 Millionen Einwohner Anteil der über 60-Jährigen im Jahr 2050 Eine Figur steht für 10 Millionen über 60-Jährige Immer mehr 100-Jährige Langes Leben wird für viele Menschen künftig Realität werden – das zeigt die Zahl der 100-Jährigen. Weltweit wird es 2050 rund 3,2 Millionen Superalte geben QUELLE: WORLD POPULATION AGEING 2009; INFOGRAFIKEN: PICFOUR Land USA Indien Großbritannien Frankreich Deutschland Russland Italien Kanada Mexiko Brasilien Türkei China Indonesien Südafrika Ägypten Über 100-Jährige im Jahr 2000 Über 100-Jährige im Jahr 2050 75.400 3.200 9.800 8.500 7.200 4.700 4.500 3.500 2.800 1.700 1.200 12.200 300 200 0 473.400 141.600 95.400 119.500 114.700 50.800 70.000 44.700 29.700 56.300 11.900 470.700 13.400 8.100 3.500 MEXIKO 2050: 146,7 Millionen 35,8 Millionen 60+ Eine rasche Alterung steht Mexiko bevor: War im Jahr 2000 erst jeder 15. über 60, so wird 2050 jeder 4. zu dieser Gruppe gehören BRASILIEN 2050: 247,2 Millionen 58,3 Millionen 60+ Die Rentnergeneration wird sich bis zur Mitte des Jahrhunderts verdreifachen. Die Geburtenrate sorgt für weiteres Bevölkerungswachstum Evonik-Magazin 1 | 2011 8_Evonik_01-11_DE 8 09.03.11 14:59 INFORMIEREN 9 DEUTSCHLAND 2050: 70,8 Millionen 27 Millionen 60+ RUSSLAND 2050: 104,3 Millionen 38,8 Millionen 60+ Schrumpfende Bevölkerung und steigendes Lebensalter macht Deutschland zu einer Pensionärsgesellschaft. Der Anteil der über 60-Jährigen nimmt von 23 auf mehr als 38 Prozent zu Die russische Gesellschaft wird um ein Drittel abnehmen, waren von den 145 Millionen Russen 2000 nur 18,5 Prozent über 60, so werden es 2050 rund 37 Prozent sein JAPAN 2050 109,2 Millionen 46,2 Millionen 60+ Heute schon das Land mit den ältesten Einwohnern – und keine Verjüngung in Sicht: mit einem Anteil von 42 Prozent werden die Ü-60-Jährigen die Gesellschaft dominieren CHINA 2050: 1,46 Milliarden 436,5 Millionen 60+ Die Volksrepublik wird sicher das Land mit den meisten Einwohnern über 60 und moderatem Bevölkerungswachstum bei einer Geburtenrate von knapp 2 Kindern pro Frau SÜDAFRIKA 2050 47,3 Millionen 6,5 Millionen 60+ Der Anteil der Ü-60Jährigen wird von 7,1 Prozent 2009 auf 13,7 Prozent 2050 steigen, die Geburtenrate von 2,9 auf 2,1 sinken. INDONESIEN 2050 311,3 Millionen 69,4 Millionen 60+ Der Inselstaat gehört zu den jungen, dynamischen Ländern, deren Rentnergeneration nur langsam steigt von 7,6 Prozent 2000 auf 22,3 Prozent Mitte des Jahrhunderts INDIEN: 1,57 Milliarden 323,4 Millionen 60+ In dem heute schon bevölkerungsreichen Land werden die Einwohnerzahlen bis 2050 um 50 Prozent zunehmen, die Geburtenrate wird von 3 im Jahr 2000 auf 2,1 Kinder pro Frau fallen Evonik-Magazin 1 | 2011 9_Evonik_01-11_DE 9 09.03.11 14:59 Wie sympathisch ist die Chemie? Wohl kaum eine andere Industrie löst so widersprüchliche Gefühle und kontroverse Debatten aus wie die Chemieindustrie. Europaweit hält sich die Anzahl derer, die diese Industrie positiv sehen, in etwa die Waage mit jenen, die sie mit Argusaugen betrachten. In Deutschland sind immerhin noch circa 35 Prozent der Bürger der Chemie gegenüber eher negativ eingestellt. Das von der UNESCO einberufene „Internationale Jahr der Chemie“ bietet nun die Gelegenheit, den maßgeblichen Anteil der Chemie an der Lösung der Zukunftsfragen darzustellen und damit das Meinungsklima zu verändern. Lesen Sie die Statements von fünf Experten, wie weit dies gelingen kann „Grüner Meinungsterror“ „Das Image hat sich gewandelt“ 1 Ich finde Chemie faszinierend, weil das ganze Leben Chemie ist. Meine FOTO: ARGUM/FALK HELLER Prof. Manfred Güllner, Geschäftsführer des Forsa-Instituts Kinder haben schon an „Science-Mania“-Kursen in den Ferien teilgenommen, in denen sie Elefanten-Kaugummi und eine Rakete gebaut haben. Toll! 2 1 Die Chemieindustrie hat bei den 3 besseres Image als die Energiewirtschaft, Ganz klar in den Schulen: Die meisten Schüler hassen Chemie, weil ihnen der Stoff langweilig präsentiert die Finanzdienstleister, die Mineralölindustrie wird. Chemieunterricht ist heute oft so oder die Werbeagenturen. Ein höheres Ansehen spannend wie das Auswendiglernen haben zurzeit die Unternehmen der Tele- von Telefonbüchern. kommunikationsbranche, die Autoindustrie, die Ende der 1990er-Jahre war das Bild der 4 Chemie bei den Bürgern schlechter, Deshalb brauchen wir motiviertes Entsorgungswirtschaft und das Handwerk. der politischen Diskussion. Der Nutzen der für die Chemie auch als berufliche FOTO: PR terror“ in einem Teil der Medien und industrie für Deutschland. schulische Angebote, um die Jugend Das Image der Chemie ist stark beeinträchtigt durch einen „grünen Meinungs- Chemie ist eine Schlüssel- Lehrpersonal und auch außer- vor fünf Jahren jedoch deutlich besser als heute. 3 Flüssen verbunden. Dieses Image hat sich gewandelt – Chemie wird heute mehr als spannende und wichtige Wissenschaft wahrgenommen. Bürgern derzeit ein 2 Früher hat man mit Chemie eher Gestank und tote Fische in vergifteten Perspektive zu begeistern. Chemie für den Menschen gerät dadurch in den Hintergrund. 4 Wichtig wäre, wenn die einzelnen Unternehmen der Branche Vertrauen bei den Menschen gewinnen würden. Dazu sind „Tage der offenen Tür“ geeignet. Dr. Silvana Koch-Mehrin, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Evonik-Magazin 1 | 2011 10_Evonik_01-11_DE 10 09.03.11 12:09 D I S K U T I E R E N 11 2 „Risiken überzeichnet“ Marc-Oliver Voigt, Chefredakteur des Magazins „Pressesprecher“ aus dem Fachverlag Helios Media 1 Was soll ein 1 Mit der Popularität Herzblut-Chemiker eines „weichen“ thisch, unabdingbar FOTO: PR anderes sagen als: hochgradig sympa- 4 Wo gibt es noch Defizite? Was wäre zu tun? „Größere Offenheit“ Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herrmann, Präsident der TU München FOTO: ECKERT/HEDDERGOTT 3 Inwieweit hat sich das Image verbessert? Wirtschaftszweigs wie der Sportartikel- FOTO: DDP IMAGES/DADP 1 Wie sympathisch ist die Chemie? Dr. Rainer Grießhammer, Geschäftsführer des Freiburger Öko-Instituts e.V. für unser tägliches Leben, Innovationsmotor für industrie wird sich die Chemie wohl nie messen Wirtschaft und Gesellschaft, Problemlöser können. Als Arbeitgeber mit Zukunft besitzt für das tägliche Leben von Milliarden sie jedoch ihre ganz eigene sympathische Aus- Menschen – und schließlich wissenschaftlich strahlung. „Es gibt noch Probleme“ hochanspruchsvoll. 2 1 2 Unbestritten, das Image war gerade in den 1970er- und 1980er-Jahren negativ belas- Einst galten Chemieunternehmen als notorische Umweltsünder, heute wird das differenzierter gesehen. Ihre größere Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass die meisten Produkte mit Chemie verbunden sind. Bei Hightech-Anwendungen tet, aber keine andere Industrie konnte dies mit Offenheit hat die Glaubwürdigkeit der in der Fotovoltaik hat die Chemieindustrie so viel Innovationen, Selbstkritik, Aufwand und Chemie deutlich erhöht. sicher ein gutes Image, bei der Agro-Gentechnik unter permanenter Beobachtung ganz weit- 3 Nach wie vor ist zu wenig darüber eher ein schlechtes. bekannt, welchen Beitrag die Chemie 2 gehend revidieren. Heute ist das Image insoweit verändert, als dass den Menschen wieder klar geworden ist: Ohne chemische Industrie sind die Zukunftsfragen Energie und Ernährung nicht zu lösen. 3 Vielleicht ist in der Öffentlichkeit in einigen Kreisen noch zu wenig verbreitet, wie weit die Chemie unser tägliches Leben bestimmt und oft genug erträglich macht, verlängert, mobil macht und vieles mehr. 4 Wie alle hoch technisierten wissenschaftsintensiven Industrien hat die Chemie das zu brennenden Themen wie dem Klima- Gegenüber den 80er-Jahren hat sich das Image der Chemie natürlich zu Recht schutz leistet. Das lässt sie schnell in geändert: Damals gab es viele Störfälle, den Kreis derer aufrücken, die verdächtigt Problemchemikalien wie die Ozon zerstörenden werden, nichts zu tun. FCKW oder das Holzschutzmittel Pentachlor- 4 Kommunikation ist ein Weg zum phenol und allgemein eine hohe Umwelt- Erfolg, intensivere Aufklärungsarbeit und Gesundheitsbelastung durch Chemikalien – entscheidend. Zum platten Greenwashing selbst die Muttermilch war mit Chemikalien sollte das Anpreisen der eigenen hoch belastet! Leistungen und Beiträge dabei allerdings 3 nicht verkommen. Die großen Probleme gibt es heute vor allem noch in den Entwicklungs- und Schwellenländern – mit problematischen Problem, dass in der öffentlichen Meinung die Pestiziden, mit großen Umweltproblemen beim Risiken einseitig überzeichnet werden. Hier Rohstoffabbau oder der Aufarbeitung von helfen nur permanente, intensive und ehrliche Elektroschrott. Aber auch hierzulande gibt es Aufklärung, Transparenz, Dialogbereitschaft. noch einige Probleme, zum Beispiel bei Die Chemie muss als Wissenschaft wie als Weichmachern in Kinderspielzeug oder die Industrie durchgängig sprechfähig in die Gesell- regelmäßigen Futtermittelskandale. schaft hinein werden. Und: Wir müssen durch eine motivierende Lehrerbildung möglichst viele junge Menschen an die Naturwissenschaften heranführen, intellektuell, aber auch emotional. 4 Die Aufarbeitung bei den Altchemikalien nach dem Chemikaliengesetz REACH wird noch einige Jahre Dauereinsatz benötigen. Evonik-Magazin 1 | 2011 11_Evonik_01-11_DE 11 11.03.11 13:32 12 G E S TA LT E N When I’m 64 (and more) Lange leben, aber nicht alt sein. Die über 60-Jährigen machen mobil – gegen Vorurteile und Vergänglichkeit TEXT CHRISTIANE OPPERMANN Leichtathletin Ruth Frith: Ihre Sportlerlaufbahn begann sie mit 74 Jahren, mit 100 wurde sie Siegerin bei den Senioren-Wettspielen Evonik-Magazin 1 | 2011 12_Evonik_01-11_DE 12 07.03.11 15:04 G E S TA LT E N 13 RUTH FRITH IST WELTREKORDHALTERIN im Kugelstoßen, im Hammerwerfen und im Diskuswerfen. Doch nicht die Distanzen, die die Athletin vorweisen kann, sind bemerkenswert, sondern das Lebensalter, in dem Frith bei den World Masters Games im Oktober 2009 in Sydney (Australien) angetreten ist. 100 Jahre zählte die rüstige Australierin, als sie sich erfolgreich an der Altersgruppe der über 80-Jährigen orientierte. Auch im Oktober 2010 ging sie wieder an den Start. Begonnen hat sie mit dem Wettkampfsport erst mit 74 Jahren, in einem Alter, in dem viele Frauen schon zum Rollator greifen müssen. Frith kann den Wirbel um ihre Person nicht verstehen: „Warum geht es eigentlich immer nur um mein Alter? Ich kann doch nichts dafür, dass ich 100 Jahre alt bin. Das ist einfach passiert.“ Wichtiger ist ihr, dass sie mit ihrem Enthusiasmus ein Vorbild für andere sein will, ungeachtet ihres Alters ihre Neigungen auszuleben. FOTO: REUTERS Altern als Befreiung Noch nie zuvor in der Geschichte haben Menschen die Chance gehabt, so lange, so gut und selbstbestimmt zu leben. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland bei 46 Jahren für Männer und bei 52 Jahren für Frauen; Männer und Frauen, die 50 Jahre später zur Welt kamen, leben im Schnitt 76 beziehungsweise 80 Jahre. Jedes zweite Kind, das heute geboren wird, hat gute Chancen, den nächsten Jahrhundertwechsel und die erste Dekade zu überleben. „Als moderne Gesellschaft waren wir bemerkenswert erfolgreich dabei, den frühen Tod abzuschaffen. Aber wir zahlen den Preis dafür mit dem steigenden Bevölkerungsanteil älterer Menschen“, sagt Prof. Dr. Richard Faragher, Biologe von der University of Brighton, Großbritannien. „Mitte des Jahrhunderts wird es mehr alte als junge Menschen in der Welt geben – zum ersten Mal überhaupt.“ Die Babys von heute werden in einer Gesellschaft alternder Menschen aufwachsen. Das Durchschnittsalter wird bei 51 Jahren liegen. Ein Albtraum. Sicherlich, wenn die Vorurteile weiter gepflegt werden, die das letzte Drittel menschlicher Lebenszeit mit hohen sozialen Kosten und persönlichem Leid, mit Behinderung, Einsamkeit und Einschränkung assoziieren. So wie es in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch die damals noch jungen Beatles intonierten: „Will you still need me, will you still feed me, when I’m 64?“ Aber das wird sich bald ändern, prophezeit Claudius Seidl, Feuilletonchef der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und Autor des Buches „Schöne junge Welt“: „Der kulturelle und soziale Schrecken einer alternden Gesellschaft wird nicht so groß, wir werden es gar nicht so sehr merken. Wir sind auch jetzt schon eine sehr alte Gesellschaft, ohne dass man den Eindruck hat, dass überall der Kalk bröckeln würde.“ Alter nicht als Bürde, sondern als Befreiung zu begreifen ist der Kampf, den die Generation der über 60-Jährigen gerade führt. „Sehr viel früher als bei uns gab es da in den USA diese strahlenden Bilder von der Generation der Babyboomer, die ja älter als bei uns sind. Die Jahrgänge von Meryl Streep, Bill Clinton und Hillary Clinton – alle über 60 – wurden als jugendlich und tatkräftig dargestellt, lange bevor es bei uns üblich war, grauhaarige Models auf großen Leinwänden zu zeigen“, sagt die Wirtschafts- Evonik-Magazin 1 | 2011 13_Evonik_01-11_DE 13 07.03.11 15:04 Alte und junge Demonstranten gegen den Bahnhofsbau in Stuttgart, Moderator Dr. Heiner Geißler (81): Dem Ex-CDUGeneralsekretär und Attac-Mitglied gelang es, die Gegner an einen Tisch zu bringen und den Konflikt zu deeskalieren Aktiv, fit und äußerst kapriziös „Der Schrecken einer alternden Gesellschaft wird nicht so groß“ FOTOS: PICTURE-ALLIANCE (3) Claudius Seidl journalistin und Buchautorin Elisabeth Niejahr. „Das Alter an sich, das Geburtsjahr wird weniger relevant werden. Es wird wichtiger sein, was die Menschen daraus machen.“ Die Babyboomer sind in die Jahre gekommen, aber sie denken nicht daran, sich in die Rolle der bescheidenen Alten, wie noch ihre Eltern und Großeltern, zu fügen. Die Nachkriegskinder haben sich bisher in ihrem Leben nicht sonderlich einschränken müssen, warum sollten sie im Ruhestand damit anfangen? Die Generation 50+ ist aktiv, fit und hat genügend Geld, um sich ihr Leben jenseits der Schallgrenze komfortabel einzurichten. Sie verfügen zusammen über ein jährliches Nettoeinkommen von 643 Milliarden € – mehr als die Generation ihrer Kinder. Sie geben mehr Geld aus für modische Kleidung als ihre Nachkommen. Best Ager, wie die jungen Senioren gerne genannt werden, sind wesentliche Stützen des Kulturbetriebs – ohne das Publikum jenseits der 50 müssten viele Theater und Konzertsäle schließen. Und selbst der Boom bei Kreuzfahrten wurde durch die Reiselust der jungen Alten ausgelöst: Rund zwei Drittel der Passagen auf komfortablen Flussdampfern und schwimmenden Vergnügungspalästen auf großer Fahrt werden von gut situierten Rentnern gebucht. Die neuen Ruheständler sind vielseitig interessiert, experimentierfreudig und äußerst kapriziös. Sie wollen ihr Leben genießen, mitmachen und dabei sein, aber nicht an ihr Alter erinnert werden. Den Kampf gegen den unvermeidlichen Abbau – welke Haut, schmerzende Knochen und Impotenz – führen sie jeder für sich hochdiszipliniert und mit allen Mitteln. Anders als die Generation ihrer Eltern und Großeltern sind sie damit nicht mehr allein, sondern erfah- ren Unterstützung auf breiter Front von Wirtschaft und Wissenschaft. Den Jungbrunnen, die Immunisierung gegen die fortschreitende Alterung von Körper und Geist im Laufe eines Lebens, haben Forschung und Wissenschaft zwar noch immer nicht gefunden, wohl aber eine Reihe von Mosaiksteinen, die Einblick verschafft in den Prozess des Alterns – und damit auch Chancen zur Entschleunigung des Vorgangs eröffnet. Alle wollen lange leben, aber keiner will alt aussehen Als Erste Hilfe gegen sichtbare Alterszeichen wird zur Antifaltencreme gegriffen. Die Wirkstoffkombinationen werden immer exotischer: Retinol, Hyaluronsäure, Kaviarextrakt, Kollagen, Seiden- oder Goldpartikel, Vitamine, Hormonersatzstoffe. 65 Prozent aller Frauen ab 18 Jahren benutzen diese Produkte. Aber auch die Männer setzen auf die Wirkung aus Tube und Tiegel: 35 Prozent verwenden Antifaltenpräparate und geben beim Einkauf ihrer Beautyprodukte im Schnitt sogar noch zehn Prozent mehr aus als die Frauen. Insgesamt werden jährlich zwischen 156 und 180 € pro Kopf der Bevölkerung in Cremes und Lotionen investiert, um Falten und andere sichtbare Alterszeichen zu bekämpfen. Firmen, die rechtzeitig auf den Anti-Aging-Zug gesprungen sind, erfahren prächtige Umsatzsprünge: Die kleine Aachener Firma Babor verzeichnete sogar ein Wachstum von 47 Prozent dank ihrer Serie für die jungen Alten. Wenn sich die Furchen auf der Stirn und das Gekräusel um die Lippen nicht mehr wegcremen lassen, müssen drastischere Mittel ran. Dann kommt bei vielen Botulinumtoxin (Botox) ins Spiel. Das Evonik-Magazin 1 | 2011 14_Evonik_01-11_DE 14 11.03.11 11:49 G E S TA LT E N 15 Altern mit Stars Über 60 Dylan 69 und Sternen Bob Sir Mick Jagger 67 Sir Paul McCartney 68 Keith Richards 67 Dame Helen Mirren 65 Sigourney Weaver 61 Über 70 Vanessa Redgrave 74 Bruno Ganz 70 Götz George 72 Sir Anthony Hopkins 73 Elke Sommer 70 Robert Redford 74 Über 80 Clint Eastwood 80 Sir Sean Connery 80 Doris Day 87 Joachim „Blacky“ Fuchsberger 84 Harry Belafonte 84 Armin Mueller-Stahl 80 Neue Karriere jenseits der Altersschallgrenze: Die Tänzerin und Schauspielerin Eveline Hall ist mit 65 Jahren ein sehr gefragtes Model auf dem Catwalk – der bisher nur den Jungen gehörte Über 90 Margot Hielscher 91 Zsa Zsa Gabor 94 Johannes (Jopi) Heesters 107 Kirk Douglas 94 Artur „Atze“ Brauner 92 Prof. Dr. h.c. mult. Marcel Reich-Ranicki 90 FOTOS: FACE TO FACE, PICTURE-ALLIANCE (4), GETTY IMAGES, DAVIDS, INTERTOPICS, SCHNEIDER PRESS Evonik-Magazin 1 | 2011 15_Evonik_01-11_DE 15 11.03.11 11:49 16 G E S TA LT E N Psychoanalytikerin und Buchautorin Dr. Margarete Mitscherlich (93) in einer selbstironischen Fotomontage, die sie als Patientin auf der Couch und als Analytikerin im Sessel zeigt, über das Altern: „Ich halte es für eine Zumutung, dass Menschen nicht nur alt werden, sondern auch noch sterben müssen“ Jung bleiben um jeden Preis Nervengift wird in die Muskeln gespritzt, deren Bewegung die Falten verursacht. Kombiniert mit einem Füllmaterial aus künstlichen oder körpereigenen Substanzen sorgt die partielle Lähmung des Muskelgewebes dafür, dass die Furchen ausgebügelt sind. FOTO: BREUELBILD Spritzen, liften, straffen „Jung halten ein gesunder Lebensstil, gutes Essen, Sport – biologisches Anti-Aging“ Prof. Dr. Dr. med. habil. Werner L. Mang Der Siegeszug des hochgefährlichen Wurstgifts begann in den USA und schwappte in den vergangenen Jahren nach Europa über: 5,5 Millionen Frauen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien liebäugeln Marktforschungsberichten zufolge mit einer Behandlung des Toxins. 100.000-mal wurde bereits 2008 in Deutschland Botox gespritzt. Der größte Anbieter ist der amerikanische Pharmakonzern Allergan. Sein Vorstandsvorsitzender David Pyott erklärt, dass Botox „ein internationaler Blockbuster ist, der knapp 30 Prozent unseres Gesamtumsatzes von 4,4 Milliarden US-$ ausmacht. Wir haben auch dank Botox seit 1998 ein jährliches Umsatzwachstum von 18 Prozent erreicht.“ In den attraktiven Wachstumsmarkt ist auch die deutsche Firma Merz, die sich seit Jahrzehnten einen Namen mit Vitaminpillen für Frauen („Merz Spezial Dragees“) gemacht hat, eingestiegen: Sie vertreibt Botox unter dem Namen Xeomin. Gut für Unternehmen, Ärzte und Kosmetikerinnen, ärgerlich für die Verbraucher ist, dass die Schönheit aus der Giftspritze nur begrenzt hält, nach drei bis sechs Monaten lässt die Wirkung nach, wird die nächste Behandlung fällig. In Hamburg und Berlin werden deshalb schon Botox-Flatrates angeboten: Ein Jahr faltenfrei kostet um die 500 €. „Wir brauchen einen anderen Begriff der Ästhetik, 65-jährige Frauen können nicht an den glatten Gesichtern der 25-Jährigen gemessen werden“, forderte die ehemalige Schauspielerin, Ärztin und Buchautorin Dr. Marianne Koch in einer Talkrunde bei Sandra Maischberger und demonstrierte mit perfektem Make-up und dynamisch-roter Föhnwelle, dass man auch mit 79 Jahren glatter als eine Mittfünfzigerin aussehen kann. Doch nicht immer ist der externe Druck der Auslöser für eine Schönheits-OP. Die Babyboomer wollen nicht, „dass mit 40 oder mit 35 die Sache vorbei ist. Sie wollen die Rechte der Jugend auf Aktivität, Attraktivität auch in einem Alter in Anspruch nehmen, in dem das die vorangegangenen Generationen längst aufgegeben haben“, deutet Autorin Niejahr den Lebenshunger der No-Ager. Die französische Schriftstellerin und Feministin Benoîte Groult spricht vielen Frauen aus der Seele: „Es hieß also etwas tun, um diesem hinterlistigen Älterwerden entgegenzutreten. Ich wollte mir einen neuen Kopf leisten. Ich habe entdeckt, dass ich mir selbst mein kostbarstes Gut bin und dass ich dieses unanständig teure Geschenk verdient habe: ein Lifting.“ Deshalb suchen auch viele Best Ager den Schönheitschirurgen auf, um sich die Altersringe in Gesicht und am Hals wegschnippeln und den Speck, den das allzu gute Leben auf Bauch, Hüften und Oberschenkel gedeihen ließ, absaugen zu lassen. Die Radikalkuren haben ihren Preis: Bei Deutschlands prominentestem Schönheitschirurgen Prof. Dr. Dr. med. habil. Werner L. Mang kostet schon eine Botox-Behandlung 400 € – pro Zone; das komplette Facelifting schlägt mit bis zu 10.000 € zu Buche – Anästhesie, Assistenz und Krankenhausaufenthalt nicht inbegriffen. Evonik-Magazin 1 | 2011 16_Evonik_01-11_DE 16 11.03.11 11:49 G E S TA LT E N 17 Der Schönheitschirurg, der sich offensichtlich keine Sorgen um Patienten machen muss, kann es sich leisten, den Erneuerungswahn einer auf Jugend fixierten Gesellschaft zu bremsen: „Der chirurgische Eingriff muss das letzte Glied in der Kette sein, um zu erreichen, dass der Mensch sich in seiner Haut rundum wohlfühlt. Jung halten erst ein gesunder Lebensstil, gutes Essen, Sport – biologisches Anti-Aging.“ FOTOS OBEN: SERGE COHEN/AGENTUR FOCUS, GETTY IMAGES Essen für ein langes Leben Dass wahre Schönheit von innen kommt, ist keine neue Erkenntnis. Aber ein mühsamer Weg, der, lange bevor sich die ersten Spuren des Alters abzeichnen, begonnen werden muss. Seit Jahrzehnten verheißen immer neue Schönheitsrezepte und Diäten ewige Jugend. Der Amerikaner Prof. Dr. Linus C. Pauling empfahl bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts hohe Dosen von Vitamin C nicht nur gegen Schnupfen, sondern gegen Gebrechen und Krankheiten aller Art und damit zur Prävention von Alterserscheinungen. Zu seiner Zeit wurde der zweifache Nobelpreisträger noch von vielen als Scharlatan belächelt. Dass Vitamine eine wichtige Rolle im Kampf gegen Alterserscheinungen spielen, bestreitet heute keiner mehr. Neben Vitamin C werden auch B, E, A, Mineralien und Antioxidantien empfohlen. Kombipräparate sind noch immer der Renner unter den Nahrungsergänzungsmitteln und haben nun noch Verstärkung bekommen durch Probiotika, die vor einigen Jahren begonnen haben, die Theken der Supermärkte zu erobern. Dieses Functional Food enthält nützliche Mikroorganismen, die den menschlichen Darm besiedeln und die Immunabwehr unterstützen. Sie werden bisher vor allem bei der Herstellung von Joghurts ver- wendet. Ihre Wirkung ist zwar bei Wissenschaftlern umstritten, bei gesundheitsbewussten Konsumenten kommen sie dennoch gut an. Der Lebensmittelhandel, der nach den ständigen Preiskämpfen bei normalen Produkten mit minimalen Margen auskommen muss, hofft, dass sich mit Mikroorganismen angereicherte Nahrungsmittel schnell vermehren, weil sich an ihnen mehr verdienen lässt. Wer allerdings die Gesundheitskost-, Diät- und Bioszene eine Weile beobachtet, wird sich bald fragen, was er noch essen sollte für ein langes Leben. Mal ist es kalt gepresstes Olivenöl, dann Rotwein aus dem Bordeaux, der Arteriosklerose und damit Herzinfarkt und Schlaganfall verhindern soll, mal ist es ein mediterranes Menü mit Tomaten, Oliven, Knoblauch, Nudeln und Schafskäse, mal japanische Kost mit rohem Fisch, Klebreis und gebratenem Tofu, die ein langes Leben verheißen soll. Körnerbrot, Gemüse und Obst sowieso. Doch nicht nur, was gegessen werden soll, ist umstritten, sondern auch, wie viel. Drei oder fünf Portionen pro Tag? Wer sich Rat bei den Hochbetagten holt, ist nicht minder verwirrt. Viele der über 100-Jährigen haben nie eine Diät gemacht. Die Frau, die nachweislich das höchste jemals erreichte Alter hatte, die Französin Jeanne Calment, die im Alter von 122 Jahren, 5 Monaten und 14 Tagen 1997 gestorben ist, hat gern ein Gläschen Rotwein genossen und bis zum ihrem 119. Lebensjahr auch geraucht. Die Athletin Ruth Frith erzählt gern, dass sie nie Gemüse esse, weil sie den Geschmack nicht mag. Dafür setzt die alte Dame auf Sport. Dass körperliche Betätigung und geistige Beweglichkeit die Lebenszeit ohne schwere körperliche Gebrechen verlängern, ist unbestritten. Als Jane Fonda Ende der 70er-Jah- FOTO: SIPA PRESS Ex-US-Präsident Jimmy Carter erfuhr erst nach dem offiziellen Abschied von der Macht weltweite Anerkennung wegen seines Engagements für Menschenrechte „Ich wollte mir einen neuen Kopf leisten“ Benoîte Groult Evonik-Magazin 1 | 2011 17_Evonik_01-11_DE 17 11.03.11 11:49 18 G E S TA LT E N Senior auf großer Fahrt: Anthony Smith (84) will mit drei Gefährten im Alter von 56 bis 61 Jahren in einem Plastik-GasRöhren-Floß den Atlantik überqueren re Hausfrauen in hautengen Tops und Leggings zu Hochleistungsgymnastik animierte, begann der Boom der Aerobic-Kurse, und als Arnold Schwarzenegger seinen von Bizepstraining und Gewichtestemmen gestählten Körper und Waschbrettbauch präsentierte, folgten ihm Millionen Männer und Frauen in Fitnessstudios und Krafträume. „Wie wichtig eine Position ist, lässt sich an der Lebenserwartung ablesen“ Prof. Dr. Sir Michael Marmot Mitmachen, einmischen, moderieren Der Erhalt der eigenen Beweglichkeit ist den Best Agern wichtig. Und das gilt in jeder Beziehung. Auch wenn das offizielle Rentenalter erreicht ist, denken viele nicht an Rückzug und Abstinenz. Oft beginnt gerade im Ruhestand eine neue Karriere, entwickelt sich eine neue Lebensaufgabe, denn die Pensionäre können ohne Angst um Job und Status befreiter aufschlagen und ihre Interessen ausleben. Viele Ingenieure, Techniker und Maschinenbauer engagieren sich in der Entwicklungshilfe; als SeniorExperten helfen sie in Dritte-Welt-Staaten Brunnen, Schulen und Fabriken zu bauen und zu betreiben. Pensionierte Mediziner arbeiten bei Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen in Krisengebieten oder in Krankenstationen in unterentwickelten Regionen. Tausende Ruheständler übernehmen Ehrenämter in ihren Gemeinden. Sie betreuen Jugendliche, arbeiten in Sportvereinen, organisieren Altennachmittage oder das soziale Leben in ihren Gemeinden. Sie sind zur Stelle, wenn sie gefragt und gebraucht werden. Das gilt erst recht für Politiker, auch – oder gerade – nachdem sie ihre Mandate abgegeben haben. So wirbt der ehemalige Bremer Bürgermeister Dr. Henning Scherf für neue Formen des Zusammenlebens im Alter und für Selbstbestimmung der Senioren. Als sich in der baden-württembergischen Landeshauptstadt über das Milliarden-Projekt Stuttgart 21 die Fronten zwischen Bahnhofbefürwortern und Gegnern verhärtet hatten, wurde nicht ein aktiver Politiker, Konfliktforscher oder Sozialpsychologe zum Mediator bestellt, sondern ein Mann, der die 80 überschritten hatte: Dr. Heiner Geißler, ehemaliger CDUGeneralsekretär und als Ruheständler Mitglied bei den Globalisierungsgegnern Attac. Dem krisenerprobten Politiker gelang das Kunststück, die verfahrene Lage zwischen Bahn-Management, Anwohnern und Demonstranten zu entspannen. Der frühere US-Präsident Jimmy Carter errang die Anerkennung, einer der bedeutendsten Politiker der USA zu sein, erst nach dem Auszug aus dem Weißen Haus durch sein unermüdliches Engagement für Menschenrechte und als Mediator und Sonderbotschafter bei internationalen Konflikten und humanitären Katastrophen. Er ist der einzige Präsident in der USGeschichte, der erst nach dem Ende seiner Amtszeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Zu den Vorbildern erfolgreicher Alter zählt für viele jüngere Best Ager auch die Grande Dame der Psychoanalyse Dr. Margarete Mitscherlich. Die 93-Jährige schreibt noch immer Bücher und mischt sich gerne und klug ein. Sie hält „es für eine Zumutung, dass Menschen nicht nur alt werden, sondern auch noch sterben müssen“. Vielleicht liegt in Engagement, Teilnahme und vielfältigen Interessen auch der eigentliche Schlüssel zu einem Jungbrunnen, der Abschied und Rückzug aus dem Leben um Jahre hinauszögern kann. Der britische Epidemiologe Prof. Dr. Sir Michael Marmot behauptet gar, dass der gesellschaftliche Status darüber entscheidet, wie alt ein Mensch werden kann: „Wie wich- FOTOS: PR, ACTION PRESS Neustart für die zweite Karriere Evonik-Magazin 1 | 2011 18_Evonik_01-11_DE 18 09.03.11 11:26 Reparatur und Instandhaltung Ab in die Röhre… Bildgebende Diagnosemethoden haben gerade bei älteren Menschen Konjunktur: Selbst in der Altersgruppe der über 80-Jährigen wird fast jeder Zehnte zur Magnetresonanztomografie (MRT) und jeder Sechste zur Computertomografie (CT) geschickt. QUELLE: BARMER GEK ARZTREPORT 2011, ZAHLEN AUS 2009 20–24 Jahre MRT CT 80–84 Jahre 4,8% 8,4% 2,1% 16,9% ...und ins Ersatzteillager 67.689 209.000 Herzschrittmacherimplantationen 2008 künstliche Hüftgelenke 2009 380.000 175.000 künstliche Kniegelenke 2009 Koronarstents 2007 QUELLE: BARMER GEK STUDIE 2010 Zielgruppen für Herz-Operationen Von den 67.689 Patienten, die 2008 einen Herzschrittmacher erhielten, waren 53,4 Prozent zwischen 60 und 79 Jahre alt und 40,5 Prozent 80 Jahre und älter (siehe Grafik). Außerdem werden pro Jahr noch rund 380.000 Stents eingesetzt und 65.000 Bypässe gelegt – vorwiegend bei über 60-Jährigen. 0,6 0–20 Jahre 40–59 Jahre 0,3 5,2 über 80 Jahre 40,5 % 60–79 Jahre QUELLE: BQS INSTITUT FÜR QUALITÄT UND PATIENTENSICHERHEIT, ZAHLEN AUS 2008 53,4 Teure Gesundheit Die höchsten Kosten im Gesundheitswesen entfallen auf über 80-jährige Männer: Durchschnittlich 939 € kostete die ambulante medizinische Versorgung eines Kranken dieses Alters. Frauen sind aus Sicht der Krankenkassen mit durchschnittlich 812, 50 € pro Kopf und Jahr am teuersten in der Dekade zwischen 70 und 79 Jahren. Männer S U M M A RY • Noch nie zuvor in der Geschichte gab es so viele Menschen über 60 Jahre, die gesund und sicher alt werden können. • Wirtschaft und Wissenschaft helfen, den altersbedingten Abbauprozess hinauszuzögern. • Den jungen Alten bieten sich oft völlig neue Aufgaben und Ehrenämter. 20–39 Jahre Frauen 867,00 € 627,50 € 699,50 € 60–69 Jahre 939,00 € 812,50 € 70–79 Jahre 790,00 € >80 Jahre ILLUSTRATIONEN: SHUTTERSTOCK (2), PICFOUR (3) tig die Position in der gesellschaftlichen Hackordnung ist, lässt sich unter anderem an der Lebenserwartung ablesen. Wir wissen aus unseren Untersuchungen des britischen öffentlichen Dienstes – einer Institution, die absolut brillant darin ist, Menschen in ein hierarchisches System zu sortieren –, dass die Lebenserwartungen höher gestellter Beamter, also etwa von Bürovorstehern, im Schnitt 4,4 Jahre über jener einfacher Beamter wie Büroboten oder Sachbearbeitern liegt.“ Nach Marmots These muss also nicht der stressgeplagte Topmanager früher sterben, sondern der Sachbearbeiter, von dem fälschlicherweise gern behauptet wird, dass er eine ruhige Kugel schiebe. Selbstbestimmtes Leben als Überlebensstrategie scheint so falsch nicht. Auch viele der über100-Jährigen konnten ihr Jahrhundert in einer Gesellschaftsstruktur verbringen, die sie achtete und schätzte. Ihr Platz im Dorf, in ihrem Kreis war ihnen immer sicher. Respekt und Anerkennung fordert auch die australische Sportlerin Frith ein: „Wenn Sie alte Menschen auf dem Sportplatz sehen, machen Sie sich nicht über krumme Beine und welke Knie lustig, sondern freuen Sie sich mit ihnen, dass sie antreten. Sagen Sie ihnen: ‚Macht weiter, das tut euch gut.‘“ QUELLE: BARMER GEK ARZTREPORT 2011, ZAHLEN AUS 2009 Evonik-Magazin 1 | 2011 19_Evonik_01-11_DE 19 11.03.11 11:51 Der soziale und der medizinische Fortschritt ermöglichen, dass wir immer länger gesund und „jung“ bleiben. Ganze Industrien kümmern sich darum, immer mehr Menschen an dieser großen Verwandlung teilhaben zu lassen. Genau genommen beginnt unser Kampf um das ewige Leben schon in der frühen Kindheit Biologisch wertvoll2. 74 Prozent der Deutschen kaufen Bio-Lebensmittel – längst auch im Supermarkt: 2005 stieg der Bio-Umsatz des konventionellen Handels um 25 Prozent, der Umsatz des Naturkostfachhandels dagegen „nur“ um zehn Prozent. 1 Ernährung Das Leben verlängern und gesund bleiben – mithilfe der richtigen Ernährung: Fett- und zuckerarm soll das Anti-Age-Food sein, viel Obst und Gemüse enthalten, wenig Alkohol und Koffein, viel Wasser. Viele 100-Jährige leben auf Sardinien, ihr Geheimnis: kalorienarme Nahrung, viel Obst und Gemüse. Muttermilch . Sie legt den Grundstein für ein langes Leben und nimmt Einfluss auf zentrale Körperfunktionen. Muttermilch hilft Säuglingen, Bakterien und Viren abzuwehren, verändert die Aktivität ganzer Gengruppen und beeinflusst die Intelligenz. Mit einfachem Rezept: 90 Prozent Wasser, circa sechs Prozent Laktose, außerdem andere Zucker, Lipide und Proteine. Und: Muttermilch enthält ein komplexes Sortiment aus etwa 200 verschiedenen Zuckerketten. Power aus der Dose Energie und Konzentration auf dem Lauf ins lange Leben versprechen Red Bull und Kombucha, mit denen Dietrich Mateschitz weltweit erfolgreich ist. Mit seinem Formel-EinsTeam Red Bull Racing fuhr er letztes Jahr an die Spitze. Vegetarier nach Alter4 10 –19 20 –29 30 –39 40 – 49 50 –59 60 – 69 70 –79 0% Suchtpflaster11. 2009 rauchten in Deutschland circa 30 Prozent der Erwachsenen. Die meisten haben schon versucht, aufzuhören. Hilfsmittel wie Nikotinkaugummis, -pflaster oder -lutschtabletten geben das Nikotin langsamer und geringer ab, lindern Entzugserscheinungen. Das Polymer EUDRAGIT der Evonik Industries AG ist in vielen Nikotinpflastern enthalten. 20 % 40 % Fleischlos5. Nach Angaben des Vegetarierbundes werden jede Woche circa 4.000 Menschen zu Vegetariern. 2010 ernährten sich etwa acht Prozent der Deutschen vegetarisch. Der typische Vegetarier ist weiblich, jung, überdurchschnittlich gebildet und lebt in einer Großstadt. Nach einer Studie haben Vegetarier ein verringertes Krebsrisiko – und leben länger. Golf 12. Nach Fitness, Tourismus, Glücksspiel ist Golf in Deutschland das am viertschnellsten wachsende Freizeitsegment. Etwa 42 Prozent aller deutschen Golfer sind älter als 55 Jahre. Nahrungsergänzung 6. Der europäische Markt für Nahrungsergänzungsmittel hat ein Volumen von rund 6 Milliarden € Jahresumsatz (2007). Fast jeder dritte Deutsche nimmt Nahrungsergänzungsmittel. Typische Inhaltsstoffe: Mineralstoffe, Vitamine, Vitaminoide oder Fettsäuren. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind aber nur jodiertes Speisesalz und Folsäure sinnvoll – alle anderen Nährstoffe seien in einer vollwertigen Ernährung bereits enthalten. Für Schwangere, Heranwachsende, Leistungssportler, chronisch Kranke, Veganer oder Senioren sind Nahrungsergänzungsmittel aber hilfreich. 0 Schönheit Etwa mit 25 Jahren geht es los: Die ersten Falten bilden sich, die Anzeichen des Alterns. Unaufhaltsam scheint es, und eine ganze Industrie hat den Kampf dagegen aufgenommen: mit AntiAging-Cremes bis hin zu Schönheitsoperationen und Botoxbehandlungen. Medizin Die Anti-Aging-Medizin agiert auf verschiedenen Feldern: mit neuen Gelenken gegen den Verschleiß, mit mehr und besseren Präparaten gegen Alterserscheinungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Potenzprobleme und mit künstlichen Hormonen für die ursprüngliche Leistungsfähigkeit. 10 Fitness8. Die Fitnessszene ist die Anzahl der Mitglieder größte Freizeitkultur Deutschlands. von Fitnessstudios in Millionen9 24 Prozent der 11- bis 39-Jährigen fühlen sich zugehörig, 30 Prozent der 20bis 29-Jährigen. Fast 60 Prozent der Be4,38 3 fragten meinen, Fitness sei „in“. Mit Fit200 ness assoziierte Werte wie Belastbarkeit, Leistungsfähigkeit und körperliche Attraktivität nehmen in den westlichen Gesellschaft einen i höh St ll t ein i als l je j zuvor. Die Di ten höheren Stellenwert 20 p der Jogger g Gruppe greift am ehesten zu Produkten M Ad , gefolgt g gt von Nike i und d Puma.. der Marke Adidas, Von der Geburt bis zur Bahre sind wir damit beschäftigt, unser Leben zu verlängern. Noch nie wussten wir so gut wie heute, wie das gehen kann 65% 19 Mehr Lebenszeit . Für Deutsche, die zwischen 2004 und 2006 geboren wurden, errechnete das Statistische Bundesamt noch ein durchschnittliches Lebensalter von 76,64 für Jungen und 82,08 Jahre für Mädchen. Für 2009 Geborene beträgt die geschätzte durchschnittliche Lebenserwartung bei Jungen schon 77,33 Jahre und bei Mädchen 82,53 Jahre. 20 Wellness10. Der Markt der Wellnessreisen wuchs zwischen 2004 und 2009 durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr. Im Jahr 2009 gaben die Deutschen mehr als 1 Milliarde € für Wellness-Reisen aus, drei von vier finden im Inland statt. Der Urlaub wird aber auch für die Suche nach dem Sinn des Lebens genutzt: Religiöse Pilgerfahrten, Kunst- und Kulturreisen oder naturnahe Urlaube – im Zentrum stehen neue Erfahrungen sowie die Beschäftigung mit sich selbst. 9 200 7,07 30 Anti-Aging16. 65 Prozent der Frauen ab 18 Jahren greifen nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung zu einer Anti-Aging-Creme, 35 Prozent der Männer benutzen sie. Wer einmal eine Anti-Aging-Creme gekauft hat, bleibt dabei. Zwischen 156 und 180 € gibt jeder Deutsche jährlich für diese Produkte aus. Diäten . 82 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren haben einer Umfrage zufolge bereits eine Diät gemacht. Diätische Lebensmittel im Wert von 729,4 Millionen € wurden 2007 in Deutschland produziert. Im Jahr 2006 galten 25 Prozent der USBevölkerung als fettleibig und verursachten 147 Milliarden US-$ Krankheitskosten. Wirkstoffe17. Nur fünf Stoffe wirken laut der Gesellschaft für Dermopharmazie nachweislich in Cremes: Vitamin A, Vitamin-A-Derivate wie Retinol und Retinaldehyd, Vitamin C, Alpha-Liponsäure, einige Aminosäureketten, insbesondere Pentapeptide. 40 Naturkosmetik18. Deutschland ist der größte europäische Markt für Kosmetik – besonders „grüne“ Kosmetik ist gefragt: In Deutschland hat der Naturkosmetik-Markt einen Anteil von 5,2 Prozent am Gesamtmarkt, in Großbritannien dagegen nur 2 Prozent. Der Trend kommt lokalen Herstellern zugute: In Deutschland sind 90 Prozent der Naturkosmetik deutschen Ursprungs. 21 Hormone . Mit zunehmendem Alter erzeugt der Körper weniger Hormone. Sinkt ihre Produktion unter bestimmte Werte, kann es zu nachlassender Leistungsfähigkeit kommen. Deshalb werden Hormone vielfach als Anti-Aging-Produkte verschrieben. Doch laut der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe lässt sich nicht nachweisen, dass sie positiv wirken und natürliche Alterungsprozesse verlangsamen. 50 Reisen 60+14. Mit Zuwächsen bis zu 80 Prozent gegenüber 1972 trugen Senioren maßgeblich zum Wachstum des deutschen Reisemarktes bei. Sie stellen heute 29 Prozent aller Urlaubsreisenden. Kommende Senioren werden noch reisefreudiger sein. Ihre große Reiseerfahrung, ihre finanziellen Möglichkeiten und ihr Gesundheitszustand machen sie zu den gefragtesten Urlaubern. 60 Jung denken. Mit positiver Einstellung und Aktivität kann man die Alterung verlangsamen. Das Gehirn verliert geringfügig an Fähigkeiten, entwickelt andere Potenziale. Es muss jedoch trainiert werden. Dazu eignen sich unter anderem Gedächtnis-Trainingsprogramme, die den Markt der Computerspiele erobern. 70 19,16 Botox22. Das „Wundermittel“ ist beliebter als je zuvor: 1,1 Milliarden US-$ setzte US-Hersteller Allergan 2007 um – mit einer Steigerungsrate von mehr als 25 Prozent. 2009 ist die Zahl der Faltenbehandlungen mit Botox und Füllsubstanzen in Deutschland laut der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland e.V. um 50 Prozent auf fast 146.000 gestiegen. Botox wird aus dem Bakterium Clostridium botulinum gewonnen – einem starken Gift, 1 Million Mal giftiger als Arsen. Botox wirkt nur im Gesicht Falten glättend, wo die Muskeln direkt mit der Haut verbunden sind. 1. SÜDDEUTSCHE (SZ) 2011; 2. TNS EMNID 2005, BD. ÖKOL. LEBENSMITTELWIRTSCHAFT E.V.; 3. STATISTA 2011; 4. UNIV. JENA, DATEN V. 2007; 5. BD. D. VEGETARIER, 2010; 6. AID INFODIENST ERNÄHRG., LANDW., VERBR.-SCHUTZ E.V.; 7. AID INFODIENST ERNÄHRG., LANDW., VERBR.-SCHUTZ E.V./FORUM TRINKWASSER E.V.; 8. TRENDSTUDIE TIMESCOUT 2009, TFACTORY HAMBURG; 9. DSSV E.V. – AGV DT. FITNESS- U. GESUNDHEITS-ANLG.; 10. DT. WELLNESS VERBAND; 11. 1A KRANKENVERS./EVONIK/INST. F. QUAL. U. WIRTSCHAFTL. I. GESUNDINNOVATION+TECHNIK, ZAHLEN VON 2003; 14. FORSCH.-GEM. URLAUB U. REISEN E.V., REISEANALYSE RA 2006; 15. AAL-DT/VDI/VDE INNOVATION+TECHNIK, ZAHLEN VON 2000; 16. WDR 2010; 17. FR 2010; 18. ORGANIC MONITOR 2010; 19. STAT. BUNDESAMT, 2009; 20. STATISTA 2007/SPIEGEL 2009; 21. DT GES. F. GYN. U. GEBURTSH.; 22. SZ 2008/GES. F. ÄSTH. CHIRURGIE DT. E.V.; 23. DT. GES. F. ÄSTH.-PLAST. CHIRURGIE 2009; 24. STATISTA 2009; 25. STAT. BA – GESUNDHEITSAUSGABEN BIS 2008; 26. STAT. BA; 27. SPIEGEL 2009/GEK RP. 21-24_Innenklapper_Alter_CS4.indd 22-23 Tele-Medizin13. Automatisierte Messungen und drahtlose Dokumentation können den Arztbesuch ersparen. Der Kontakt zum Hausarzt besteht über WLAN, Bluetooth, Zigbee und RFID. Allein der Markt für „HerzrhythmusManagementsysteme“ beläuft sich in Amerika auf 5 Milliarden US-$ pro Jahr und wächst jährlich um zehn Prozent. Unterm Messer23. Der größte Teil der Schönheits-Patienten ist zwischen 20 und 29 Jahren, der zweitgrößte zwischen 40 und 49 Jahren alt. Jeder 20. Deutsche zwischen 40 und 49 hat sich bereits einer Schönheitsoperation unterzogen. 80 Prozent der Patienten sind Frauen. Die Kosten liegen im Durchschnitt bei 2.000 €. Milliarden € wurden 2008 in Deutschland von der Pflegeversicherung ausgegeben25. 1. Lidstraffung Millionen Männer 3. Fettabsaugung 4. Faltenunterspritzung 5. Botox-Behandlung 6. Brustverkleinerung 7. Nasenkorrektur 8. Bauchdeckenstraffung 9. Hals-, Stirn-, Facelifting 10. Lippenkorrektur HEITSW./BUNDESZENT. F. GESUNDHEITL. AUFKLÄRG; 12. DT. GOLF VERBAND E.V., 2009; 13. AAL-DT/VDI/VDE 2010, ZAHLEN AUS 2009; 28. ROLLATOREN.EU; 29. SPIEGEL 2010/FOCUS 1998; 30. GEO 2010/BIOSTATIS Viagra24. 35 Millionen Männer in 120 Ländern haben in den ersten zehn Jahren Viagra geschluckt, illegale Präparate kommen noch dazu. Hersteller Pfizer machte 2009 mit dem Erektionsmittel einen Jahresumsatz von 1,89 Milliarden US-$. 2013 läuft das Patent aus, Generika werden den Markt überschwemmen, die Preise fallen. Krankheitskosten26. Den Löwenanteil der Krankenkosten produziert die Altersgruppe der 65- bis 85-Jährigen mit 96,8 Milliarden € 2008, gefolgt von den 45- bis 64-Jährigen. > =85 <15 15 – 29 Krankheits30 – 44 kosten nach Altersgruppen 2008 65 – 84 gesamt: 254,28 Milliarden € 45 – 64 Betreut wohnen oder zu Hause?15 Nach einer Umfrage in den USA entschieden sich die meisten für zu Hause, nämlich: Reiseintensität der Generation 60+14 80 % 84% 75 60 40 % 0% 1972 2005 1972 2005 60 – 69 Jahre 70+ Jahre 50% der über 85-Jährigen benötigen Hilfe im täglichen Leben Hüften27. 2002 bekamen in Deutschland 108.000 Menschen eine künstliche Hüfte, 2009 waren es schon 209.000. Wann eine gebraucht wird, ist medizinisch schwer zu beantworten. Studien zeigen: Patienten sind immer weniger bereit, Einschränkungen zu ertragen. Sport treiben können oder sich fit fühlen – das sind Gründe, warum künstliche Hüften mehr und mehr gefragt sind. Unsterblichkeit29. Ende der 1990er-Jahre gelang es Zellbiologen, das Enzym Telomerase künstlich herzustellen. In den Telomeren, den Endstücken der Chromosomen, tickt die Uhr menschlicher Zellen. Mit jeder Zellteilung verkürzen sie sich, der Verlust der Telomere lässt Zellen schließlich absterben. Telomerase fügt den Chromosomen neue Telomere hinzu. 2009 wurden die Entdecker der Telomerase mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. 92% der 55- bis 64-Jährigen der 65- bis 74-Jährigen 41 33 80 Top Ten der Schönheits-OPs 200923 2. Brustvergrößerung 2,25 Beim Altern hilft heute auch der Computer mit. Der Kontakt zum Hausarzt verläuft über WLAN und Bluetooth Stütze vom Designer. Bisher waren Stützstrümpfe gegen Thrombose oder Krampfadern ein typisches Seniorenprodukt. Wolfgang Joop ernannte sie 2009 zum Modeartikel. Die Strümpfe seiner Kollektion „Hurt and Heal“ sind feiner gestrickt und machen schöne, schlanke Beine. Wellness Die Menschheit wird immer älter – und fitter. Wellness-Urlaube sind Bestseller und sorgen wie Fitnessstudios und Spas dafür, dass Körper und Seele jung bleiben. Regelmäßige Bewegung, aber auch geistige Betätigung, versprechen schließlich Anti-AgeExperten, verzögern den Alterungsprozess. Wasser 7. Der 75-jährige Mann braucht circa 20 Prozent weniger Energie als der 25-jährige. Er benötigt aber gleich viel, wenn nicht mehr, Vitamine und Mineralstoffe. Wichtigster Bestandteil der Ernährung: Wasser. Empfehlung: täglich 2,25 Liter. FOTOS HINTERGRUND: CORINNA HOLTHUSEN/PHOTOSELECTION, FOTOS: THINKSTOCK, JALAG, ISTOCKPHOTO (2), GETTY IMAGES (2), STILLSONLINE, PIXELIO (2), SHUTTERSTOCK (2), PICTURE ALLIANCE, ARCO IMAGES, F1ONLINE, ZOONAR, CORBIS, LAIF, KLAPPERGRAFIK: PICFOUR 74 % Die Suche nach dem ewigen Leben Functional Food3. Probiotische Joghurts waren die Wegbereiter von Lebensmitteln mit Gesundheitseffekt. Es folgten ACEDrinks, Omega-3-Brot und -Eier sowie angereicherte Margarine. Der deutsche Markt für Functional Food hatte 2009 ein Volumen von 4,52 Milliarden €, 1999 waren es noch 1,9 Milliarden €. 29,7 Prozent betrug das Umsatzwachstum 2005/2006 allein bei Speisesalz mit Fluorid und Folsäure. 95% der über 75-Jährigen 90 100 Rollator28. Wo heute Fahrradständer stehen, gibt es in ein paar Jahren Abstellplätze für Rollatoren, heißt es beim Deutschen Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien. 2008 wurden in Deutschland 320.000 der Gehhilfen verkauft, 2010 an die 500.000. Der erste Rollator kam Anfang der 90er-Jahre aus Schweden nach Deutschland. Mittlerweile kommt Konkurrenz aus Asien. Ewiges Leben 30. Kryonik bezeichnet die Konservierung eines Körpers in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad, Blut wird durch Frostschutzmittel ersetzt. So findet keine Verwesung statt, und Leichen können Jahrhunderte überdauern. In dieser Zeit, so hoffen Kryoniker, entwickelt sich die Wissenschaft so weit, dass die konservierten Menschen wiederbelebt werden können. Seit 1967 gibt es die Kryonik in den USA, in Deutschland ist das Verfahren nicht erlaubt, es gibt aber jedes Jahr etwa 15 Anfragen zur Vermittlung an US-Unternehmen. Kosten: 120.000 €. 14.03.11 15:41 Der soziale und der medizinische Fortschritt ermöglichen, dass wir immer länger gesund und „jung“ bleiben. Ganze Industrien kümmern sich darum, immer mehr Menschen an dieser großen Verwandlung teilhaben zu lassen. Genau genommen beginnt unser Kampf um das ewige Leben schon in der frühen Kindheit Biologisch wertvoll2. 74 Prozent der Deutschen kaufen Bio-Lebensmittel – längst auch im Supermarkt: 2005 stieg der Bio-Umsatz des konventionellen Handels um 25 Prozent, der Umsatz des Naturkostfachhandels dagegen „nur“ um zehn Prozent. 1 Ernährung Das Leben verlängern und gesund bleiben – mithilfe der richtigen Ernährung: Fett- und zuckerarm soll das Anti-Age-Food sein, viel Obst und Gemüse enthalten, wenig Alkohol und Koffein, viel Wasser. Viele 100-Jährige leben auf Sardinien, ihr Geheimnis: kalorienarme Nahrung, viel Obst und Gemüse. Muttermilch . Sie legt den Grundstein für ein langes Leben und nimmt Einfluss auf zentrale Körperfunktionen. Muttermilch hilft Säuglingen, Bakterien und Viren abzuwehren, verändert die Aktivität ganzer Gengruppen und beeinflusst die Intelligenz. Mit einfachem Rezept: 90 Prozent Wasser, circa sechs Prozent Laktose, außerdem andere Zucker, Lipide und Proteine. Und: Muttermilch enthält ein komplexes Sortiment aus etwa 200 verschiedenen Zuckerketten. Power aus der Dose Energie und Konzentration auf dem Lauf ins lange Leben versprechen Red Bull und Kombucha, mit denen Dietrich Mateschitz weltweit erfolgreich ist. Mit seinem Formel-EinsTeam Red Bull Racing fuhr er letztes Jahr an die Spitze. Vegetarier nach Alter4 10 –19 20 –29 30 –39 40 – 49 50 –59 60 – 69 70 –79 0% Suchtpflaster11. 2009 rauchten in Deutschland circa 30 Prozent der Erwachsenen. Die meisten haben schon versucht, aufzuhören. Hilfsmittel wie Nikotinkaugummis, -pflaster oder -lutschtabletten geben das Nikotin langsamer und geringer ab, lindern Entzugserscheinungen. Das Polymer EUDRAGIT der Evonik Industries AG ist in vielen Nikotinpflastern enthalten. 20 % 40 % Fleischlos5. Nach Angaben des Vegetarierbundes werden jede Woche circa 4.000 Menschen zu Vegetariern. 2010 ernährten sich etwa acht Prozent der Deutschen vegetarisch. Der typische Vegetarier ist weiblich, jung, überdurchschnittlich gebildet und lebt in einer Großstadt. Nach einer Studie haben Vegetarier ein verringertes Krebsrisiko – und leben länger. Golf 12. Nach Fitness, Tourismus, Glücksspiel ist Golf in Deutschland das am viertschnellsten wachsende Freizeitsegment. Etwa 42 Prozent aller deutschen Golfer sind älter als 55 Jahre. Nahrungsergänzung 6. Der europäische Markt für Nahrungsergänzungsmittel hat ein Volumen von rund 6 Milliarden € Jahresumsatz (2007). Fast jeder dritte Deutsche nimmt Nahrungsergänzungsmittel. Typische Inhaltsstoffe: Mineralstoffe, Vitamine, Vitaminoide oder Fettsäuren. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind aber nur jodiertes Speisesalz und Folsäure sinnvoll – alle anderen Nährstoffe seien in einer vollwertigen Ernährung bereits enthalten. Für Schwangere, Heranwachsende, Leistungssportler, chronisch Kranke, Veganer oder Senioren sind Nahrungsergänzungsmittel aber hilfreich. 0 Schönheit Etwa mit 25 Jahren geht es los: Die ersten Falten bilden sich, die Anzeichen des Alterns. Unaufhaltsam scheint es, und eine ganze Industrie hat den Kampf dagegen aufgenommen: mit AntiAging-Cremes bis hin zu Schönheitsoperationen und Botoxbehandlungen. Medizin Die Anti-Aging-Medizin agiert auf verschiedenen Feldern: mit neuen Gelenken gegen den Verschleiß, mit mehr und besseren Präparaten gegen Alterserscheinungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Potenzprobleme und mit künstlichen Hormonen für die ursprüngliche Leistungsfähigkeit. 10 Fitness8. Die Fitnessszene ist die Anzahl der Mitglieder größte Freizeitkultur Deutschlands. von Fitnessstudios in Millionen9 24 Prozent der 11- bis 39-Jährigen fühlen sich zugehörig, 30 Prozent der 20bis 29-Jährigen. Fast 60 Prozent der Be4,38 3 fragten meinen, Fitness sei „in“. Mit Fit200 ness assoziierte Werte wie Belastbarkeit, Leistungsfähigkeit und körperliche Attraktivität nehmen in den westlichen Gesellschaft einen i höh St ll t ein i als l je j zuvor. Die Di ten höheren Stellenwert 20 p der Jogger g Gruppe greift am ehesten zu Produkten M Ad , gefolgt g gt von Nike i und d Puma.. der Marke Adidas, Von der Geburt bis zur Bahre sind wir damit beschäftigt, unser Leben zu verlängern. Noch nie wussten wir so gut wie heute, wie das gehen kann 65% 19 Mehr Lebenszeit . Für Deutsche, die zwischen 2004 und 2006 geboren wurden, errechnete das Statistische Bundesamt noch ein durchschnittliches Lebensalter von 76,64 für Jungen und 82,08 Jahre für Mädchen. Für 2009 Geborene beträgt die geschätzte durchschnittliche Lebenserwartung bei Jungen schon 77,33 Jahre und bei Mädchen 82,53 Jahre. 20 Wellness10. Der Markt der Wellnessreisen wuchs zwischen 2004 und 2009 durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr. Im Jahr 2009 gaben die Deutschen mehr als 1 Milliarde € für Wellness-Reisen aus, drei von vier finden im Inland statt. Der Urlaub wird aber auch für die Suche nach dem Sinn des Lebens genutzt: Religiöse Pilgerfahrten, Kunst- und Kulturreisen oder naturnahe Urlaube – im Zentrum stehen neue Erfahrungen sowie die Beschäftigung mit sich selbst. 9 200 7,07 30 Anti-Aging16. 65 Prozent der Frauen ab 18 Jahren greifen nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung zu einer Anti-Aging-Creme, 35 Prozent der Männer benutzen sie. Wer einmal eine Anti-Aging-Creme gekauft hat, bleibt dabei. Zwischen 156 und 180 € gibt jeder Deutsche jährlich für diese Produkte aus. Diäten . 82 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren haben einer Umfrage zufolge bereits eine Diät gemacht. Diätische Lebensmittel im Wert von 729,4 Millionen € wurden 2007 in Deutschland produziert. Im Jahr 2006 galten 25 Prozent der USBevölkerung als fettleibig und verursachten 147 Milliarden US-$ Krankheitskosten. Wirkstoffe17. Nur fünf Stoffe wirken laut der Gesellschaft für Dermopharmazie nachweislich in Cremes: Vitamin A, Vitamin-A-Derivate wie Retinol und Retinaldehyd, Vitamin C, Alpha-Liponsäure, einige Aminosäureketten, insbesondere Pentapeptide. 40 Naturkosmetik18. Deutschland ist der größte europäische Markt für Kosmetik – besonders „grüne“ Kosmetik ist gefragt: In Deutschland hat der Naturkosmetik-Markt einen Anteil von 5,2 Prozent am Gesamtmarkt, in Großbritannien dagegen nur 2 Prozent. Der Trend kommt lokalen Herstellern zugute: In Deutschland sind 90 Prozent der Naturkosmetik deutschen Ursprungs. 21 Hormone . Mit zunehmendem Alter erzeugt der Körper weniger Hormone. Sinkt ihre Produktion unter bestimmte Werte, kann es zu nachlassender Leistungsfähigkeit kommen. Deshalb werden Hormone vielfach als Anti-Aging-Produkte verschrieben. Doch laut der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe lässt sich nicht nachweisen, dass sie positiv wirken und natürliche Alterungsprozesse verlangsamen. 50 Reisen 60+14. Mit Zuwächsen bis zu 80 Prozent gegenüber 1972 trugen Senioren maßgeblich zum Wachstum des deutschen Reisemarktes bei. Sie stellen heute 29 Prozent aller Urlaubsreisenden. Kommende Senioren werden noch reisefreudiger sein. Ihre große Reiseerfahrung, ihre finanziellen Möglichkeiten und ihr Gesundheitszustand machen sie zu den gefragtesten Urlaubern. 60 Jung denken. Mit positiver Einstellung und Aktivität kann man die Alterung verlangsamen. Das Gehirn verliert geringfügig an Fähigkeiten, entwickelt andere Potenziale. Es muss jedoch trainiert werden. Dazu eignen sich unter anderem Gedächtnis-Trainingsprogramme, die den Markt der Computerspiele erobern. 70 19,16 Botox22. Das „Wundermittel“ ist beliebter als je zuvor: 1,1 Milliarden US-$ setzte US-Hersteller Allergan 2007 um – mit einer Steigerungsrate von mehr als 25 Prozent. 2009 ist die Zahl der Faltenbehandlungen mit Botox und Füllsubstanzen in Deutschland laut der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland e.V. um 50 Prozent auf fast 146.000 gestiegen. Botox wird aus dem Bakterium Clostridium botulinum gewonnen – einem starken Gift, 1 Million Mal giftiger als Arsen. Botox wirkt nur im Gesicht Falten glättend, wo die Muskeln direkt mit der Haut verbunden sind. 1. SÜDDEUTSCHE (SZ) 2011; 2. TNS EMNID 2005, BD. ÖKOL. LEBENSMITTELWIRTSCHAFT E.V.; 3. STATISTA 2011; 4. UNIV. JENA, DATEN V. 2007; 5. BD. D. VEGETARIER, 2010; 6. AID INFODIENST ERNÄHRG., LANDW., VERBR.-SCHUTZ E.V.; 7. AID INFODIENST ERNÄHRG., LANDW., VERBR.-SCHUTZ E.V./FORUM TRINKWASSER E.V.; 8. TRENDSTUDIE TIMESCOUT 2009, TFACTORY HAMBURG; 9. DSSV E.V. – AGV DT. FITNESS- U. GESUNDHEITS-ANLG.; 10. DT. WELLNESS VERBAND; 11. 1A KRANKENVERS./EVONIK/INST. F. QUAL. U. WIRTSCHAFTL. I. GESUNDINNOVATION+TECHNIK, ZAHLEN VON 2003; 14. FORSCH.-GEM. URLAUB U. REISEN E.V., REISEANALYSE RA 2006; 15. AAL-DT/VDI/VDE INNOVATION+TECHNIK, ZAHLEN VON 2000; 16. WDR 2010; 17. FR 2010; 18. ORGANIC MONITOR 2010; 19. STAT. BUNDESAMT, 2009; 20. STATISTA 2007/SPIEGEL 2009; 21. DT GES. F. GYN. U. GEBURTSH.; 22. SZ 2008/GES. F. ÄSTH. CHIRURGIE DT. E.V.; 23. DT. GES. F. ÄSTH.-PLAST. CHIRURGIE 2009; 24. STATISTA 2009; 25. STAT. BA – GESUNDHEITSAUSGABEN BIS 2008; 26. STAT. BA; 27. SPIEGEL 2009/GEK RP. 21-24_Innenklapper_Alter_CS4.indd 22-23 Tele-Medizin13. Automatisierte Messungen und drahtlose Dokumentation können den Arztbesuch ersparen. Der Kontakt zum Hausarzt besteht über WLAN, Bluetooth, Zigbee und RFID. Allein der Markt für „HerzrhythmusManagementsysteme“ beläuft sich in Amerika auf 5 Milliarden US-$ pro Jahr und wächst jährlich um zehn Prozent. Unterm Messer23. Der größte Teil der Schönheits-Patienten ist zwischen 20 und 29 Jahren, der zweitgrößte zwischen 40 und 49 Jahren alt. Jeder 20. Deutsche zwischen 40 und 49 hat sich bereits einer Schönheitsoperation unterzogen. 80 Prozent der Patienten sind Frauen. Die Kosten liegen im Durchschnitt bei 2.000 €. Milliarden € wurden 2008 in Deutschland von der Pflegeversicherung ausgegeben25. 1. Lidstraffung Millionen Männer 3. Fettabsaugung 4. Faltenunterspritzung 5. Botox-Behandlung 6. Brustverkleinerung 7. Nasenkorrektur 8. Bauchdeckenstraffung 9. Hals-, Stirn-, Facelifting 10. Lippenkorrektur HEITSW./BUNDESZENT. F. GESUNDHEITL. AUFKLÄRG; 12. DT. GOLF VERBAND E.V., 2009; 13. AAL-DT/VDI/VDE 2010, ZAHLEN AUS 2009; 28. ROLLATOREN.EU; 29. SPIEGEL 2010/FOCUS 1998; 30. GEO 2010/BIOSTATIS Viagra24. 35 Millionen Männer in 120 Ländern haben in den ersten zehn Jahren Viagra geschluckt, illegale Präparate kommen noch dazu. Hersteller Pfizer machte 2009 mit dem Erektionsmittel einen Jahresumsatz von 1,89 Milliarden US-$. 2013 läuft das Patent aus, Generika werden den Markt überschwemmen, die Preise fallen. Krankheitskosten26. Den Löwenanteil der Krankenkosten produziert die Altersgruppe der 65- bis 85-Jährigen mit 96,8 Milliarden € 2008, gefolgt von den 45- bis 64-Jährigen. > =85 <15 15 – 29 Krankheits30 – 44 kosten nach Altersgruppen 2008 65 – 84 gesamt: 254,28 Milliarden € 45 – 64 Betreut wohnen oder zu Hause?15 Nach einer Umfrage in den USA entschieden sich die meisten für zu Hause, nämlich: Reiseintensität der Generation 60+14 80 % 84% 75 60 40 % 0% 1972 2005 1972 2005 60 – 69 Jahre 70+ Jahre 50% der über 85-Jährigen benötigen Hilfe im täglichen Leben Hüften27. 2002 bekamen in Deutschland 108.000 Menschen eine künstliche Hüfte, 2009 waren es schon 209.000. Wann eine gebraucht wird, ist medizinisch schwer zu beantworten. Studien zeigen: Patienten sind immer weniger bereit, Einschränkungen zu ertragen. Sport treiben können oder sich fit fühlen – das sind Gründe, warum künstliche Hüften mehr und mehr gefragt sind. Unsterblichkeit29. Ende der 1990er-Jahre gelang es Zellbiologen, das Enzym Telomerase künstlich herzustellen. In den Telomeren, den Endstücken der Chromosomen, tickt die Uhr menschlicher Zellen. Mit jeder Zellteilung verkürzen sie sich, der Verlust der Telomere lässt Zellen schließlich absterben. Telomerase fügt den Chromosomen neue Telomere hinzu. 2009 wurden die Entdecker der Telomerase mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. 92% der 55- bis 64-Jährigen der 65- bis 74-Jährigen 41 33 80 Top Ten der Schönheits-OPs 200923 2. Brustvergrößerung 2,25 Beim Altern hilft heute auch der Computer mit. Der Kontakt zum Hausarzt verläuft über WLAN und Bluetooth Stütze vom Designer. Bisher waren Stützstrümpfe gegen Thrombose oder Krampfadern ein typisches Seniorenprodukt. Wolfgang Joop ernannte sie 2009 zum Modeartikel. Die Strümpfe seiner Kollektion „Hurt and Heal“ sind feiner gestrickt und machen schöne, schlanke Beine. Wellness Die Menschheit wird immer älter – und fitter. Wellness-Urlaube sind Bestseller und sorgen wie Fitnessstudios und Spas dafür, dass Körper und Seele jung bleiben. Regelmäßige Bewegung, aber auch geistige Betätigung, versprechen schließlich Anti-AgeExperten, verzögern den Alterungsprozess. Wasser 7. Der 75-jährige Mann braucht circa 20 Prozent weniger Energie als der 25-jährige. Er benötigt aber gleich viel, wenn nicht mehr, Vitamine und Mineralstoffe. Wichtigster Bestandteil der Ernährung: Wasser. Empfehlung: täglich 2,25 Liter. FOTOS HINTERGRUND: CORINNA HOLTHUSEN/PHOTOSELECTION, FOTOS: THINKSTOCK, JALAG, ISTOCKPHOTO (2), GETTY IMAGES (2), STILLSONLINE, PIXELIO (2), SHUTTERSTOCK (2), PICTURE ALLIANCE, ARCO IMAGES, F1ONLINE, ZOONAR, CORBIS, LAIF, KLAPPERGRAFIK: PICFOUR 74 % Die Suche nach dem ewigen Leben Functional Food3. Probiotische Joghurts waren die Wegbereiter von Lebensmitteln mit Gesundheitseffekt. Es folgten ACEDrinks, Omega-3-Brot und -Eier sowie angereicherte Margarine. Der deutsche Markt für Functional Food hatte 2009 ein Volumen von 4,52 Milliarden €, 1999 waren es noch 1,9 Milliarden €. 29,7 Prozent betrug das Umsatzwachstum 2005/2006 allein bei Speisesalz mit Fluorid und Folsäure. 95% der über 75-Jährigen 90 100 Rollator28. Wo heute Fahrradständer stehen, gibt es in ein paar Jahren Abstellplätze für Rollatoren, heißt es beim Deutschen Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien. 2008 wurden in Deutschland 320.000 der Gehhilfen verkauft, 2010 an die 500.000. Der erste Rollator kam Anfang der 90er-Jahre aus Schweden nach Deutschland. Mittlerweile kommt Konkurrenz aus Asien. Ewiges Leben 30. Kryonik bezeichnet die Konservierung eines Körpers in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad, Blut wird durch Frostschutzmittel ersetzt. So findet keine Verwesung statt, und Leichen können Jahrhunderte überdauern. In dieser Zeit, so hoffen Kryoniker, entwickelt sich die Wissenschaft so weit, dass die konservierten Menschen wiederbelebt werden können. Seit 1967 gibt es die Kryonik in den USA, in Deutschland ist das Verfahren nicht erlaubt, es gibt aber jedes Jahr etwa 15 Anfragen zur Vermittlung an US-Unternehmen. Kosten: 120.000 €. 14.03.11 15:41 Intelligente Technik für alte Tage Lange wurde die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen für die alternde Gesellschaft vernachlässigt. Das wird sich jetzt ändern – dank „Ambient Assisted Living“ (AAL). Die übergreifende Initiative entwickelt einen Markt, der in Deutschland eine Million Arbeitsplätze schaffen kann TEXT KLAUS JOPP DIE TÜRSCHWELLE wird zur Stolperfalle, der Lieb- MAX ist ein wichtiges Instrument, um Produkte für eine alternde Gesellschaft zu schaffen beziehungsweise zu verbessern. Das gilt nicht nur für Automobile, sondern für den gesamten Alltag. „Wer Assistenzprodukte entwickeln will, braucht nicht nur technisches Know-how, sondern sollte auch die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Anwender kennen“, konstatiert Prof. Dr. Frank Wallhoff, der den bundesweit einzigen Studiengang „Assistive Technologien“ an der Jade Hochschule in Oldenburg leitet. Konkret geht es dabei um die Bedürfnisse älterer und behinderter Personen, die möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden führen wollen. Dieser Bereich, inzwischen oft als AAL (Ambient Assisted Living) bezeichnet, wird immer wichtiger, wie der vierte Kongress zu diesem Thema mit über 800 Teilnehmern Anfang 2011 in Berlin gezeigt hat. „Ziel von AAL ist es, das Leben im Alter so komfortabel und sicher wie möglich zu gestalten, was aus technischer Sicht kein Problem darstellt“, erklärt Dr. FOTOS: MARC STEINMETZ/VISUM, THE NEW YORK TIMES/REDUX/LAIF (2) Fahrkartenkauf unter „ExtremeAging“-Bedingungen. Der Alterssimulationsanzug hilft, die Behinderungen alter Menschen nachzustellen: steife Gelenke, Einschränkungen des Bewegungsapparats, von Sehvermögen und Gehör. So kann getestet werden, ob Geräte auch altentauglich sind lingsjoghurt steht unerreichbar hoch im Supermarktregal, selbst das Einschenken von einem simplen Glas Wasser verursacht eine mittelschwere Überschwemmung – Alltag im Alter über 80. Genau diese Erfahrungen vermittelt MAX, der modulare Alterssimulationsanzug extra. Manschetten, Gewichte, Schienen schränken die Beweglichkeit massiv ein, Brille und Gehörschutz tun ein Übriges – wer MAX anlegt, altert binnen Minuten um Jahrzehnte. Altern bedeutet mehr als Falten im Gesicht und graue Haare: Gelenke, die steif werden, Fingerspitzen, die kein Gefühl mehr haben, Hände, die nicht mehr kraftvoll zugreifen. All diese Einschränkungen simuliert MAX, der auf Initiative der AutoUni, der Audi AG und der Volkswagen-Konzernforschung von der Technischen Universität Chemnitz entwickelt wurde und mehrere Stufen der Beeinträchtigung realisieren kann. Der demografische Wandel verlangt von Unternehmen neue Strategien – einerseits im Umgang mit ihren Kundengruppen, andererseits mit ihrer eigenen Belegschaft. 20_Evonik_01-11_DE 20 11.03.11 13:15 G E S TA LT E N 25 Zahnaufsatz Familie INFOGRAFIKEN: DIETER DUNEKA AAL: computergestütztes Altern Mess- und Ladestation Mobile Verbindung über Internet-Protokoll(IP)Netzwerk mit der Möglichkeit für Videokontakt Sozialdienst Ärztliche Überwachung Hans Heinz Zimmer, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e.V. (VDE), der zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den Kongress ausgerichtet hat. Alltagshelfer für alte Menschen Deutschlands Anstrengungen in Sachen AAL haben auch handfeste wirtschaftliche Gründe: So hat die Gesellschaft für Konsumforschung schon 2004 ermittelt, dass Menschen der Generation 50 plus über ein jährliches Nettoeinkommen von 643 Milliarden € verfügen – mehr als die 30- bis 50-Jährigen. Das Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen sieht ein Potenzial von bis zu 1 Million Arbeitsplätze, wenn die Bedürfnisse und Kaufkraftmöglichkeiten der Älteren verstärkt beachtet werden. Bei rund einem Drittel dieser Gruppe besteht Interesse an wohnbegleitenden Dienstleistungen wie Notruf, Pflege, Putz- und Haushaltshilfe, Mahlzeiten und Einkauf. Laut dem Marktforschungsunternehmen Datamonitor wird der Markt für AAL allein in den USA und Europa von derzeit 3 Milliarden US-$ auf bis zu 7,7 Milliarden US-$ 2012 zulegen. Gestützt werden diese Prognosen durch weitere Umfragen: So gaben in den USA 84 Prozent der 55- bis 64-Jährigen, 92 Prozent der 65bis 74-Jährigen und 95 Prozent der über 74-Jährigen an, dass sie zu Hause bleiben wollen. Ähnliche Ergebnisse darf man auch für Deutschland erwarten. Zugleich nimmt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen kontinuierlich zu: Für 2010 erwartete das Statistische Bundesamt Deutschland 2,4 Millionen, für 2030 prognostiziert es bereits 3,4 Millionen – mehr als zwei Drittel dieser Menschen werden zu Hause ver- Zentraler Server zur Datenspeicherung Blutdruckmesser am Armgelenk Gürtel enthält: •Bewegungssensor •Pumpe für subkutane „On-Demand“Versorgung mit Apomorphin Dauermedikation via Zahnkappe: In der Mess- und Ladestation wird die Zahnkappe kontrolliert und mit den Medikamenten gefüllt, dann wird die Kappe über einen Zahn gestülpt und gibt die Wirkstoffe genau dosiert an die Mundschleimhaut ab. Damit wird sichergestellt, dass auch vergessliche chronisch Kranke zuverlässig mit ihren Arzneien versorgt werden sorgt. Vor diesem Hintergrund werden technische Entwicklungen immer wichtiger, die das Leben oder die Pflege in den eigenen vier Wänden unterstützen. Ein Beispiel für diesen Trend ist eine innovative Unterwäsche, die in der Lage ist, sämtliche Vitalparameter des Trägers zu erfassen. Elektrokardiogramm, Puls, Atmung, Körpertemperatur werden mit eingenähten Sensoren gemessen, ein spezieller Beschleunigungssensor warnt zudem bei Stürzen. Die Daten werden drahtlos per Mobilfunk übertragen und laufen in einem Callcenter oder einem Hausnotrufsystem auf. „Unsere Zielsetzung dabei war ein System, das wie ein normales Unterhemd benutzt werden kann, deshalb kann unser Produkt sogar in der Waschmaschine gewaschen werden, ohne dass die Elektronik ausgebaut werden muss“, erklärt Carsten Linti, im Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf (ITV) für Forschung und Entwicklung im Bereich Smart Textiles zuständig. Ein anderes Beispiel ist SensFloor, ein sensitiver Bodenbelag. Das System der Future-Shape GmbH aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn in Bayern basiert auf einer textilen Unterlage mit integrierten Funkmodulen und Näherungssensoren. Die Sensorsignale werden von einem Empfänger ausgewertet, und so wird ein Aktivitätsprofil erstellt. Auf diese Art und Weise können Stürze erkannt werden, zudem lässt sich das Licht anschalten, wenn eine Person aus dem Bett aufsteht. Gefährliche Geräte wie Herdplatten oder Bügeleisen können abgeschaltet werden, sobald die letzte Person das Haus verlassen hat. Keine Frage, AAL steht vor einer großen Zukunft, und „Deutschland ist aufgrund seiner Systemkompetenz auf dem Weg zum Innovationsführer“, so VDE-Fachmann Zimmer. Intelligentes Überwachungssystem für behinderte und kranke Menschen, die lieber in ihrem Zuhause als in einer Pflegeeinrichtung leben möchten: Über Sensoren am Gürtel werden die Vitalfunktionen aufgezeichnet und weitergeleitet, bei Auffälligkeiten werden sofort Notfallmaßnahmen eingeleitet Evonik-Magazin 1 | 2011 25_Evonik_01-11_DE 25 09.03.11 13:06 26 E N T W I C K E L N Willkommen im Jahr der Chemie! 100 Jahre nachdem Prof. Dr. Marie Curie 1911 den Nobelpreis für Chemie erhielt, feiert die Welt das Internationale Jahr der Chemie 2011. Mit Tausenden von Veranstaltungen wird eine Wissenschaft geehrt, die Lösungen für die großen Menschheitsprobleme anzubieten hat TEXT KIRSTIN RUGE Evonik-Magazin 1 | 2011 26_Evonik_01-11_DE 26 07.03.11 10:08 E N T W I C K E L N 27 AM 7. NOVEMBER 1911 lief eine sensationelle FOTO: PLAINPICTURE/FOGSTOCK Nachricht über die Ticker: Zum ersten Mal erhielt eine Frau den Nobelpreis für Chemie. Für Madame Marie Curie, von Haus aus Physikerin, war es bereits die zweite Ehrung. Acht Jahre zuvor hatte sie den Nobelpreis für Physik erhalten. Jetzt gewann sie die begehrte Auszeichnung für die Entdeckung der Elemente Radium und Polonium, welches nach dem Geburtsland der Forscherin benannt wurde. Dass das Internationale Jahr der Chemie genau 100 Jahre nach diesem historischen Ereignis gefeiert wird, ist kein Zufall: Die Initiatoren UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) und IUPAC (Internationale Union für Reine und Angewandte Chemie) gedenken damit nicht nur der Verdienste einer herausragenden Wissenschaftlerin. Sie setzen auch einen starken Akzent auf die zunehmende Bedeutung von Frauen für die an Komplexität kaum zu überbietende Wissenschaft. Mit welcher Dynamik die Chemikerinnen ihre Chance ergreifen und sich weltweit vernetzen, bewies das Event „Women Sharing a Chemical Moment in Time“. Am 18. Januar trafen Forscherinnen in 37 Ländern rund um den Globus zu „Networking Breakfasts“ zusammen – mehr als eine Woche vor der offiziellen feierlichen Auftaktveranstaltung des Internationalen Jahres der Chemie am Hauptsitz der UNESCO in Paris. Schwerpunkt: Wasser Die Eile ist angemessen. Angesichts drängender Menschheitsprobleme wie Bevölkerungswachstum, Klimawandel oder Ressourcenverbrauch ist es höchste Zeit, dass die Chemiewelt im Laufe „ihres“ Jahres enger zusammenrückt. Die gemeinsame Botschaft: Ohne Chemie kann der Übergang in eine für die gesamte Mensch- heit nachhaltige Zukunft nicht gelingen. Bewusst haben die Organisatoren einen Schwerpunkt auf das Thema Wasser gesetzt. Dabei nehmen sie jene mit, die von der Problematik am stärksten betroffen sein werden: die kommenden Generationen. Mit zwei einfach zusammengesetzten Experimentier-Sets stellen UNESCO und IUPAC Lehrern und Schülern in einem „globalen Experiment“ weltweit die notwendigen Mittel zur Verfügung, um Wasser auf Eigenschaften wie Säurewert (ph-Wert) und Salzgehalt zu prüfen oder verschiedene Filter- und Reinigungsmethoden zu testen. Auch in Deutschland, einem Land, das weder unter Wasserknappheit noch -verschmutzung zu leiden hat, wird gleichwohl die Neugier auf das Lebenselixier geweckt: Unter der Webadresse www.h2o-machs-bunt.de richtet der Fonds der Chemischen Industrie (FCI) einen Schülerwettbewerb aus, der mit attraktiven Preisen zum Mitmachen einlädt. Riesiges Spektrum Ein Blick auf das Spektrum der Veranstaltungen, Workshops und Konferenzen, die im Rahmen des Internationalen Jahres der Chemie abgehalten werden, zeigt zwei Tendenzen: Auf der einen Seite steht der globale Wissenstransfer, um durch die Chemie rasch Lösungen zu finden, von denen die gesamte Menschheit profitieren kann. Als Beispiele seien der Durchbruch bei der Wasserstofftechnologie genannt, die Entwicklung von Speichern, welche die schwankenden Energieerträge von Sonne und Wind zwischenspeichern können, oder die Bereitstellung von leichtgewichtigen und dabei fast unzerstörbaren Werkstoffen für evolutionäre Modelle der Auto- und Flugzeugindustrie. Auf der anderen Seite wird jedoch erkennbar, dass jede Nation das Internationale Jahr der Chemie auf ihre Weise zelebriert, Evonik-Magazin 1 | 2011 27_Evonik_01-11_DE 27 07.03.11 10:08 28 E N T W I C K E L N Wenn Chemie zum Event wird und Themen zu Stars … Rohstoffnutzung CHEM-MED – der smarte Umgang mit Rohstoffen ist eine der großen Aufgaben innovativer Chemie. In der Lombardei gibt es dazu eine Messe mit umfassendem Konferenzprogramm: Gezeigt und erörtert werden sowohl neue Technologien zur Erschließung chemischer und chemo-pharmazeutischer Rohstoffe und das dazu nötige chemische Equipment als auch die unterstützende Spezial-Software. 05. – 07. 10. 2011, Mailand, Italien Madame Curie um die Angebote der Wissenschaft für die speziellen Bedürfnisse ihrer Bevölkerung zu nutzen. So richten die Chinesen vom 10. bis zum 13. April erstmals eine internationale Konferenz zum Thema „Saubere Energie“ aus, während allen politischen Unruhen zum Trotz im Dezember nach Tunesien zur „Third Maghreb Conference on Desalination and Water Treatment“ geladen wird. Wie vielfältig die Themen sind, steht im Internet unter www.chemistry2011.org. FOTO: PLAINPICTURE/FOGSTOCK „Chemie – unser Leben, unsere Zukunft“ In der modernen Welt entsteht kaum ein Material, eine Tablette oder ein Lebensmittel ohne Chemie. Mit dem UN-Jahr wollen die Vereinten Nationen und die IUPAC mehr Menschen für einen Forschungszweig begeistern, der wie kein zweiter zur nachhaltigen Entwicklung des Planeten beitragen kann. Als Motto haben sie deshalb „Chemie – unser Leben, unsere Zukunft“ gewählt. Prof. Dr. Nicole J. Moreau sprach in ihrem im Internet veröffentlichten Grußwort die Vorurteile an, mit denen die Menschen der westlichen Welt der Chemie begegnen. „In der veröffentlichten Meinung der westlichen Welt wird Chemie oft mit Krebserkrankungen oder einer Schwächung der Umwelt assoziiert“, schreibt die Präsidentin der IUPAC. „Wir müssen deshalb klar und deutlich machen, dass die Chemie von essenzieller Bedeutung ist, um beängstigende Menschheitsprobleme zu lösen – sei es in Hinsicht auf die Energieversorgung, die Themen der nachhaltigen Entwicklung, die Gesundheitsvorsorge, die Materialentwicklung oder die Lebensmittelproduktion.“ Die IUPAC hat 2011 einen ganz besonderen Grund zum Feiern: Nicht nur Madame Curie erhielt vor 100 Jahren ihren Nobelpreis, 1911 wurde auch die Vorläuferorganisation der heutigen IUPAC gegründet, Das Paris der Marie Curie – eine geführte Tour, in Zusammenarbeit mit der École supérieure de physique et de chimie industrielles de la ville de Paris (ESPCI); 01.05.–30.11.2011, Paris, Frankreich Maria-Sklodowska-Curie-Feiern in Polen – die Lebensleistung der Nobelpreisträgerin wird mit vielen Veranstaltungen geehrt. Krönender Abschluss: 25.11.2011, Warschau, Polen Marie-Curie-Feier im Hotel Metropole – zum Abschluss des IYC trifft man sich dort, wo 1911 die erste Solvay-Konferenz stattfand; 01.12.2011, Brüssel, Belgien Saubere Energie Erste Internationale Clean-Energy-Konferenz – zur Diskussion: Wie lassen sich Sonnenenergie und Biokraftstoffe umweltverträglich speichern und nutzen? 10.–13.04.2011, Dalian, China Erneuerbare und nachhaltige Energie aus Bio-Ressourcen – Ernteabfälle, Hausmüll, Abwasser: Das Alltagsleben der Menschen birgt eine Vielzahl von Energiequellen, 27.–29.09.2011, Kuala Lumpur, Malaysia Elektrochemische Grenzen für Umwelt und Energiegewinnung – was ist machbar, wo stößt die Entwicklung an Grenzen? 11. – 15.06.2011, Niigata, Japan Evonik-Magazin 1 | 2011 28_Evonik_01-11_DE 28 07.03.11 10:08 Gesundes Wasser Innovative Materialien Wasser in der Chemie – Schüler und Schülerinnen auf der ganzen Welt experimentieren während des Internationalen Jahres der Chemie mit der rätselhaftesten und lebenswichtigsten chemischen Verbindung des Planeten. Hintergrund: Je stärker die Weltbevölkerung wächst, desto schwieriger ist es, alle Menschen mit gesundem Trinkwasser zu versorgen. Sponsoren des globalen Experiments sind UNESCO und IUPAC. Sie stellen weltweit Experimentier-Sets zur Verfügung – mehr unter www.chemistry2011.org Zehnte Internationale Konferenz der Materialchemie (MC 10) – das Spektrum reicht von der Biomimetik bis zur Wasserstoffspeicherung, von intermetallischen Komponenten bis zu supramolekularen Systemen, von Flüssigkristallen bis zu elektroniktauglichen Nanoteilchen. Die Konferenz gilt als Spitzenereignis des UN-Jahres. Vier Tage treffen Wissenschaftler aus Industrie und universitärer Forschung zusammen und konzipieren gemeinsam jene revolutionären Werkstoffe, die das 21. Jahrhundert zwingend benötigt. 04.–07.07.2011, Manchester, Großbritannien Intelligente Kunststoffe Nachhaltigkeit 19. Internationale POLYCHAR-Konferenz – das Forum gibt Studenten der Werkstoffchemie die Chance, sich mit etablierten Materialarchitekten über die jüngsten Entwicklungen und Technologien auf dem Feld polymerer Materialien auszutauschen. 20.–24.03.2011, Kathmandu, Nepal Kunststoffe und Kunststoffkomponenten – elfter UNESCO/IUPAC-Workshop – Synthese, Analyse und Anwendungsmöglichkeiten neuartiger Kunststoffe stehen im Mittelpunkt des Workshops. 26.–29.04.2011, Stellenbosch, Südafrika GDCh-Wissenschaftsforum Chemie 2011 „Chemie schafft Zukunft“ – unter diesem Motto steht das Wissenschaftsforum Chemie 2011, das von der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) ausgerichtet wird. Symposien, Workshops und Plenarvorträge werden den wissenschaftlichen Fokus auf Nachhaltigkeit und Wasser richten, um dem Anspruch gerecht zu werden. 04.–07.09.2011, Bremen, Deutschland Wasserstoffspeicherung 151. Faradaysche Diskussion: Wasserstoff-Speicher-Materialien – Wasserstoff gilt als einer der großen Hoffnungsträger einer nachhaltigen Energieversorgung. Wie Chemiker des explosiven Elements Herr werden können, welche Membranen und Materialien gebraucht werden, wird im April Diskussionsgegenstand sein. 18.–20.04.2011, Didcot, Großbritannien 29_Evonik_01-11_DE 29 Miniaturisierung Colloquium Spectroscopicum Internationale XXXVII – seit seiner Gründung im Jahr 1949 schafft das Colloquium Spectroscopicum Internationale (CSI) die analytischen Grundlagen, ohne die Miniaturisierung, einer der ganz großen industriellen Produkttrends, nicht denkbar wäre. 28.08.–02.09.2011, Rio de Janeiro, Brasilien 07.03.11 10:09 30 E N T W I C K E L N … können alle mitmachen – vom Nobelpreisträger bis zur Schülerin ALGERIEN CHINA Chemische Prozesse und Umweltschutz – elftes internationales Symposium – zentrale Frage: Wie vereinbart man chemische Herstellungsverfahren mit Umweltschutz? 12. – 14.04. 2011, Kasdi Merbah University, Ouargla, Algerien Chemie vor neuen Herausforderungen – internationales Symposium – Auftakt zu einer weltumspannenden, mit hochkarätigen Köpfen besetzten Reihe von Symposien zur Weiterentwicklung der chemischen Wissenschaften. 02. – 05. 09. 2011, Peking, China ARGENTINIEN 17. Argentinischer Kongress für Physikalische und Anorganische Chemie – interdisziplinärer Austausch zwischen Physikern, Chemikern und Biologen. 03. – 06. 05. 2011, Córdoba, Argentinien AUSTRALIEN PACIA-Nationalkonferenz – hier trifft sich die australische Chemie- und Kunststoffindustrie, Politiker und Nichtregierungsorganisationen sind willkommen. Juni 2011, Melbourne, Australien der Internationale Verband der chemischen Gesellschaften (IACS). In der Bundesrepublik wirds bunt S U M M A RY • Das Internationale Jahr der Chemie wird rund um den Globus zelebriert mit vielen Konferenzen und Events. • Informationen über Inhalte und Teilnehmer der Veranstaltungen gibt es im Internet. BELGIEN Internationales-Jahr-der-ChemieAbschlussfeier – Abschluss des UN-Jahres und zugleich Podium junger Wissenschaftler, die eine interdisziplinäre Debatte um nachhaltige Zukunftsperspektiven eröffnen. 01. 12. 2011, Brüssel, Belgien BOSNIEN-HERZEGOWINA Die chemische Fakultät öffnet ihre Pforten – spannende und klassische Experimente aus allen chemischen Sparten für Schüler und Schülerinnen. 10.–15. 05. 2011, Universität Sarajevo, Bosnien-Herzegowina BRASILIEN FOTO: PLAINPICTURE/FOGSTOCK In Deutschland koordiniert das „Forum Chemie“ die Aktivitäten des Internationalen Jahres der Chemie. Zu dessen Auftakt hielt Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, MdB, am 9. Februar in Berlin die Eröffnungsrede. Was geplant ist, wer mitmacht und welche Verbände, Partner und Organisationen das deutsche Jahr der Chemie unterstützen, lässt sich unter der Webadresse www.ijc2011.de abrufen. Die Mischung der Themen ist bunt: Kinder dürfte die „Zaubervorlesung“ (9. Juni, Augsburg) interessieren, Teenager der Workshop „Chemie – schnell und einfach erforschbar gemacht“ (22. Oktober, Stuttgart), Studenten und Manager der Vortrag „Innovationsstandort Deutschland aus Sicht der Chemie“ (1. Oktober, Stuttgart). In Bremen startet Anfang September die Wanderausstellung „Nachhaltige Chemie“, die der Verband der Chemischen Industrie (VCI) gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gestaltet hat. Und wer einen der produktivsten Wirtschaftszweige kennenlernen möchte, sollte sich den 24. September merken. An diesem Tag öffnen viele deutsche chemische Produktionsstandorte ihre Türen und machen die Faszination, die von der Chemie ausgeht, für uns alle hautnah erlebbar. Colloquium Spectroscopicum Internationale XXXVII – die neuesten Verfahren auf dem Gebiet der Spektroskopie und Spektrometrie. 28. 08. – 02. 09. 2011, Rio de Janeiro, Brasilien DEUTSCHLAND IFCC WorldLab Berlin 2011 – auf Einladung der International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (IFCC) werden rund 10.000 klinische Chemiker und Labormedizinspezialisten erwartet. 15. – 19. 05. 2011, Berlin, Deutschland FINNLAND ChemBio Finland 2011 – Treffpunkt der Fachwelt aus dem baltischen Raum: Workshops, Präsentationen, Messe rund um die neuesten Erkenntnisse der Biotechnologie. 22. – 24. 03. 2011, Helsinki, Finnland FRANKREICH Moderne Chemiegeschichte – Symposium der Historikerkonferenz – Fortschritte bei Archivierung, Präsentationsformen, Quellensicherung – all dies behandelt die Commission on the History of Modern Chemistry (CHMC). 21. – 24. 06. 2011, Paris, Frankreich GROSSBRITANNIEN Makrozyklische und Supramolekulare Chemie – sechstes internationales Symposium, Chemie an der Schnittstelle zu Nanotechnologie, Biologie und den Materialwissenschaften. 03. – 07. 07. 2011, University of Sussex, Brighton, Großbritannien Evonik-Magazin 1 | 2011 30_Evonik_01-11_DE 30 07.03.11 10:09 E N T W I C K E L N 31 INDIEN MEXIKO RUSSLAND THAILAND Chemspec India – auf einem der dynamischsten Chemiemärkte der Welt hat sich diese Messe innerhalb von sechs Jahren zur Attraktion entwickelt. 14. – 15. 04. 2011, Mumbai, Indien Internationaler Kongress der Industriellen Chemie 2011 – welche Trends bergen welche Risiken? Welches Selbstverständnis hat die chemische Industrie im 21. Jahrhundert? 05. – 08. 04. 2011, Monterrey, Mexiko 19. Mendelejew-Kongress – der nach dem Vater des Periodensystems benannte Kongress ist den Themen Bildung, neue Technologien und Fortschritte in der Forschung gewidmet. 25. – 30. 09. 2011, Wolgograd, Russland 14. Asiatischer Chemie-Kongress 2011 – die größte Zusammenkunft der asiatischen Chemiebranche, 28 chemische Gesellschaften haben ein breit gefächertes Programm zusammengestellt. 05. – 08. 09. 2011, Bangkok, Thailand NIGERIA SCHWEDEN TSCHECHIEN IYC 2011 Feierlichkeiten in Nigeria – die Uyo-Universität lädt zur fünftägigen Feier des Internationalen Jahres der Chemie ein – Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit. 21. – 25. 03.2011, Uyo, Nigeria Nordische Konferenz der Chemielehrer – Get-together von Pädagogen aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden. 28. – 29. 10.2011, Stockholm, Schweden Leitfähige Polymere – 75. Prager Makromolekül-Treffen – wie lässt sich diese neue Kunststoffklasse synthetisieren und charakterisieren, und welche überraschenden Einsatzfelder gibt es? 10. – 14. 06. 2011, Prag, Tschechien PERU Chemspec Europe 2011 – nach ihrem Umzug von Berlin nach Genf treffen sich Aussteller und Fachpublikum in der Mitte Europas auf einer schlank und effektiv konzipierten Chemie-Messe. 15. – 16. 06. 2011, Genf, Schweiz ITALIEN CHEM-MED, Konferenz und Messe – vom Rohstoff über die Spezialsoftware bis zur chemischen Produktionsstraße: Hier treffen Praktiker und Hersteller zusammen. 05. – 07. 10. 2011, Mailand, Italien JORDANIEN Sechste Internationale Chemiekonferenz Jordanien – richtet sich sowohl an die Fachwelt als auch an die interessierte Öffentlichkeit aus dem arabischen Raum. 19. – 21. 04. 2011, Irbid, Jordanien KENIA 14. Symposium des Netzwerks zur Erforschung natürlicher Ressourcen – die Biodiversität Afrikas als Basis für die Entwicklung neuer Medikamente und nachhaltiger Produkte. 08. – 12. 08. 2011, Nairobi, Kenia MALAYSIA Fünfter Internationaler Chemieund Umwelt-Kongress – Agrarwissenschaftler diskutieren mit Umweltschutzorganisationen über Chancen und Risiken chemischer Produktionsprozesse. 27. – 29. 05. 2011, Kuching, Malaysia MAROKKO Internationales Symposium Heterozyklische Chemie – neue Perspektiven für die Nutzung von Heterozyklen für nachhaltige chemische Produkte. 27. – 28. 10. 2011, Fes, Marokko 31_Evonik_01-11_DE 31 Erster Internationaler Jugendkongress Chemie – Chemie für die kommenden Generationen – wie bindet man sie ein? 15. – 18. 11. 2011, Lima, Peru PORTUGAL Chemie-Olympiade – ChemieOlympiaden finden in mehreren Ländern statt. In Portugal können sich Schüler am 02.04. qualifizieren, am 07. 05. 2011 geht es um die Goldmedaillen. Aveiro, Portugal PUERTO RICO Weltkongress der IUPAC – ihr Kommen zugesagt haben die Nobelpreisträger Prof. Dr. Aaron Ciechanover, Prof. Dr. Richard Ernst, Prof. Dr. Robert Grubbs, Prof. Dr. Roald Hoffmann, Prof. Dr. Mario Molina, Prof. Dr. Ada E. Yonath. 30. 07. – 07. 08. 2011, San Juan, Puerto Rico SCHWEIZ SERBIEN EUROanalysis 16 – Herausforderungen für die moderne analytische Chemie – ob Theorie, Methodik oder Anwendung – präsentiert werden die aktuellen Trends der analytischen Chemie. 11. – 15. 09. 2011, Belgrad, Serbien SPANIEN EQUIPLAST – rund 1.100 Aussteller und 55.000 Fachbesucher werden sich diese Fachmesse rund um Rohstoffe, Produktionsmittel und Dienstleistungen nicht entgehen lassen. 14. – 18. 11. 2011, Barcelona, Spanien TÜRKEI 59. Internationaler Kongress der Gesellschaft für Arzneipflanzen und Naturstoff-Forschung – Biotechnologen, Mikrobiologen, Phytochemiker, Pharmazeutiker, Ärzte, Chemiker und Unternehmer sind herzlich willkommen. 04. – 09. 09. 2011, Antalya, Türkei USA ACS Herbsttreffen 2011 – zweimal jährlich organisiert die Amerikanische Chemische Gesellschaft (ACS) angesehene wissenschaftliche Konferenzen – verbunden mit einem spannenden Ausstellungsprogramm. 28. 08. – 01. 09. 2011, Denver, Colorado, USA Weiterführende Informationen in der iPad-App Alle weiteren Termine finden Sie unter www.chemistry2011.org 07.03.11 10:09 32 W I S S E N Wettlauf der Schatzgräber Seltene Erden sind wichtige Rohstoffe der Hightech-Industrie, unentbehrlich für Handy, Solaranlage und Elektroauto. Sie sind teuer, rar – und werden zu großen Teilen von China kontrolliert. Um die Abhängigkeit zu verringern, ist eine Schatzsuche nach den begehrten Metallen ausgebrochen – in alten und neuen Bergwerken bis hin zu den Recyclinghöfen TEXT KLAUS JOPP Evonik-Magazin 1 | 2011 32_Evonik_01-11_DE 32 07.03.11 14:34 W I S S E N 33 Schimmernder Schatz im Berg: Wismuterze werden aufgeschmolzen, und das reine Metall wird in Barren gegossen, die jeder Hersteller mit seinem „Brandzeichen“ versieht Revolution in der Kühltechnik: Das Schwermetall Wismut ist in Wismuttellurid enthalten, dessen thermoelektrische Eigenschaften die Entwicklung neuer Kühlaggregate ermöglichen Evonik-Magazin 1 | 2011 33_Evonik_01-11_DE 33 07.03.11 14:34 Schatzkammer: Alexander Hofmann, Mitglied des Verwaltungsrats der SMH Schweizerischen Metallhandels AG, vor den „gehorteten“ Metallen in einem unterirdischen Stollen bei Zürich IRGENDWO UNWEIT VON ZÜRICH liegt der tenen Erden nochmals einzuschränken. Dabei werden diese dringend benötigten Rohstoffe zu 97 Prozent im Reich der Mitte gefördert – obwohl nur gut ein Drittel der Vorkommen in China liegt. Seine marktbeherrschende Position hat sich das Land durch eine jahrelange Niedrigpreisstrategie verschafft, mit der Wettbewerber wie Australien aus dem Markt gedrängt wurden. Schatz – tief im Berg verborgen. Auf einer Fläche von rund 20 Fußballfeldern lagern hier große private Kunstsammlungen aus aller Welt. Noch weiter im Berg hinter einer Tresortür aus einem Meter Stahl befindet sich noch ein ganz anderes Sammelsurium, das mit Kunst nichts zu tun hat: meterhohe ordentliche Stapel aus Fässern, Eimern und Kisten – insgesamt 64 Tonnen. Unter den schmucklosen Verpackungen verbergen sich Werte der besonderen Art: Hier hortet die SMH Schweizerische Metallhandels AG Stoffe, die Begehrlichkeiten rund um den Globus wecken, weil sie für viele Hightech-Anwendungen unverzichtbar sind. Ohne Indium keine Touchscreens, Flachbildschirme oder Dünnschicht-Fotovoltaik, ohne Lithium keine wiederaufladbaren Batterien für Computer, Kameras und Elektroautos, ohne Neodym keine Hochleistungsdauermagnete für Elektromotoren – die Liste der gefragten Metalle ist lang. Die Seltene Erde Europium wird in Form von Europiumoxid als roter Leuchtstoff in Farbkathodenstrahlröhren eingesetzt. Zudem dient sie als Neutronenfänger in Kernreaktoren und als Dotierung in Energiesparlampen und Plasmafernsehern. Zurzeit gibt es keinen Ersatzstoff Dazu zählen auch die „Metalle der Seltenen Erden“, ein Sammelbegriff für insgesamt 17 Elemente. Sie sind zum Synonym für den Rohstoffhunger der Industriestaaten geworden, werden immer mehr zum Zankapfel zwischen Lieferanten und Abnehmern. Alexander Hofmann, der als Mitglied im Verwaltungsrat der Metallhandelsgesellschaft den Schlüssel zum Schatz besitzt, darf auf gute Geschäfte hoffen –besonders nach der Entscheidung der Volksrepublik China, die Ausfuhr der Sel- Begehrt in der Halbleitertechnik: Bis 2030 soll die Nachfrage nach Gallium auf das Vierfache steigen 58 Ce 63 Eu Die Seltene Erde Zer wird zum Bearbeiten praktisch aller Gläser und Linsen, aber auch zum chemisch-mechanischen Polieren in der Halbleitertechnik verwendet. In Legierungen erhöht es Härte und Festigkeit. Auch in Autoabgaskatalysatoren ist Zer enthalten Im 19. Jahrhundert, als die meisten der „Erden“, nämlich die Oxide dieser Elemente, und schließlich auch die Metalle selbst entdeckt wurden, hielt man sie in der Tat für äußerst selten – daher die Bezeichnung. Spätere Erkenntnisse belegen, dass einige von ihnen in der Erdkruste immerhin stärker als Blei vertreten sind. Doch leider sind die Minerale, die sie in relativ konzentrierter Form enthalten, tatsächlich rar gesät. Daher bleibt es schwierig, genügend große, wirtschaftlich abbaubare Lagerstätten zu finden. Ein großer Teil der weltweit geförderten Seltenen Erden wird als Katalysatoren eingesetzt, vor allem in Automobilen sowie in der chemischen Industrie und der Rohölverarbeitung. Ein anderer geht in die Metallurgie, unter anderem als Legierungszusatz bei Stahl. Wachsende Bedeutung haben Seltene Erden als Bestandteil von Permanentmagneten und Batterien. Weitere wichtige Anwendungen sind Leuchtstoffe für Bildschirme und Lampen sowie Poliermittel für die Glasindustrie. Die Kommission der Europäischen Union (EU) hat die Brisanz der Situation erkannt und im Juni 2010 von 41 Evonik-Magazin 1 | 2011 34_Evonik_01-11_DE 34 07.03.11 14:34 W I S S E N 35 Glänzendes Geschäft: Silber (hier als Granulat) wird wegen seiner Leitfähigkeit zur Herstellung von Kontakten, Elektroden und Elektronikbauteilen gebraucht Alte Erzminen stehen vor ihrem Comeback analysierten Mineralien und Metallen 14 als kritisch eingestuft. Hierzu gehören unter anderem Antimon, Kobalt, Gallium, Wolfram und die Seltenen Erden. In ihren geologischen Lagerstätten kommen diese häufig gemeinsam vor, Fachleute nennen das „vergesellschaftet“. So werden bei der Kupferproduktion häufig auch Gold, Silber und eine Reihe weiterer rarer Metalle gewonnen, Kobalt, das unter anderem für Lithium-Ionen-Batterien gebraucht wird, ist stets mit Nickel vergesellschaftet. FOTOS DIESE UND VORHERIGE SEITE: MARKUS BERTSCHI Das Element Neodym gehört ebenfalls zu den Seltenen Erden. Haupteinsatzgebiet sind starke Magnete für Kernspintomografen, Mikromotoren, Festplatten, Windkraftanlagen, Antriebe für Elektro- und Hybridfahrzeuge, Linearmotoren in CNC-Maschinen, Lautsprecher und Kopfhörer Nach einer Studie, die das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, und das IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin, im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie bereits 2009 vorgestellt hat, wird zum Beispiel die Nachfrage nach Gallium im Jahr 2030 das Sechsfache der 2006 produzierten Menge betragen. Gallium wird für Dünnschicht-Fotovoltaikmodule, Hochleistungs-Mikrochips und weiße Leuchtdioden benötigt. „Eine Reihe von Zukunftstechnologien ist auf bestimmte seltene Metalle so stark angewiesen, dass ihr massenhafter Ausbau durch Rohstoffengpässe bedroht ist“, warnt Lorenz Erdmann, Experte für seltene Metalle am IZT. Zu den betroffenen Hightech-Gebieten gehören Brennstoffzellen, Hybrid- und Elektrofahrzeuge, Elektrooptik, Dünnschicht-Fotovoltaik und Mikroelektronik. „Das von den Herstellern von Elektroantrieben dringend benötigte Metall Neodym wird im Jahr 2030 circa 3,8-mal mehr nachgefragt sein, als es die Minenproduktion heute hergibt“, so Erdmann. Weltweit ist die Suche nach den kostbaren Metallen intensiviert worden, überall werden alte Minen reaktiviert und neue Vorkommen erkundet. Beispiel Mountain Pass in Kalifornien: Hier hatte der damalige Besitzer, ein Ölkonzern, die unrentabel gewordene Mine für Seltene Erden 2002 geschlossen. Der jetzige Eigner, das Bergbauunternehmen Molycorp Minerals, will sie bis 2012 als modernste Abbaustätte der Welt wieder in Betrieb nehmen. Die zunächst geplante Förderung von knapp 20.000 Tonnen könnte rund ein Sechstel des gesamten Bedarfs abdecken, eine weitere Steigerung der Produktion bis auf 40.000 Tonnen ist anvisiert. Auch die australische Gesellschaft Global Advanced Metals plant ein Comeback: Im westaustralischen Wodgina hat das Unternehmen die weltweit größte Tantalmine wieder eröffnet, die 2008 geschlossen worden war, weil die Nachfrage im Zuge der Weltwirtschaftskrise zusammenbrach und die Demokratische Republik Kongo den Markt mit Billigangeboten überschwemmte. Bei voller Auslastung kann Wodgina rund 600 Tonnen Erz pro Jahr fördern, fast ein Drittel des Weltbedarfs. 60 Nd 39 Y Das Seltenerdmetall Yttrium verbessert die Beständigkeit von Legierungen, ist in Zündkerzen und Dauermagneten, in Farbbildröhren und in Lasern (Yttrium-Aluminium-Granat/ YAG) enthalten und wird bei der Herstellung von Speichermedien und in der Mikrowellentechnik benötigt Sogar in der so rohstoffarmen Bundesrepublik denkt man an Schatzsuche. Im Zuge von Explorationstätigkeiten der DDR auf Uran wurde Mitte der 1970er-Jahre ein Vorkommen an Seltenen Erden im Bereich von Storkwitz entdeckt. In einer Tiefe von 170 bis 900 Evonik-Magazin 1 | 2011 35_Evonik_01-11_DE 35 07.03.11 14:34 36 W I S S E N Millionen Mobiltelefone als Rohstofflager Unsere geliebten Handys sind – chemisch betrachtet – eine komplexe Mischung verschiedener Elemente. In einem einzigen Mobiltelefon sind oft mehr als 40 chemische Grundstoffe verbaut – vom Wasserstoff über Fluor und Chlor bis hin zu über 30 verschiedenen Metallen. Wie bei vielen modernen Elektronikprodukten kommen die meisten dieser Elemente im einzelnen Gerät nur in sehr geringen Konzentrationen vor. Durch die massenhafte Anwendung kommen aber beträchtliche Stoffmengen zusammen. 2008 wurden weltweit knapp 1,3 Milliarden Telefone verkauft, die insgesamt rund 31 Tonnen Gold, 325 Tonnen Silber, 12 Tonnen Palladium und 4.900 Tonnen Kobalt enthielten. In Zukunft wird es darauf ankommen, intelligente Recyclingprozesse zu etablieren, die die Stoffströme in sinnvolle Mengen zusammenführen und eine Rückgewinnung der Metalle ermöglichen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die neue Wertstofftonne, in der die Deutschen ab 2015 auch Elektroschrott sammeln sollen. Städte werden zu Bergwerken der Zukunft Metern, so die Untersuchungsergebnisse, gibt es interessante Konzentrationen der gesuchten Metalle Yttrium, Lanthan, Zer, Praseodym und Neodym. Die Deutsche Rohstoff AG (DRAG, Heidelberg), die die Schürfrechte besitzt, schätzt die vorhandenen Ressourcen auf 41.600 Tonnen Seltene Erden und 8.700 Tonnen Niob. „Wir prüfen, unter welchen Bedingungen der Abbau wirtschaftlich sein könnte“, sagt Dr. Thomas Gutschlag, Finanzvorstand der DRAG. FOTO: MAURITIUS IMAGES Tantal ist ein seltenes Metall und wichtiger Rohstoff für kleine Kondensatoren (Elkos/Elektrolytkondensatoren), die in der Fahrzeugelektronik, in Laptops, Mobiltelefonen und Digitalkameras unentbehrlich sind. Als Bestandteil von Superlegierungen kommt es auch in der Luftfahrt zum Einsatz Doch viele der schon angeschobenen Projekte brauchen ihre Zeit und sind kein schnelles Mittel gegen drohende Versorgungsengpässe. Bis zu den Seltenen Erden „made in Germany“ würden etwa noch mindestens fünf Jahre vergehen. Deshalb sucht Deutschland, als Technologieführer auf vielen Gebieten besonders gefährdet, händeringend nach Alternativen. Eine derartige Möglichkeit ist das „Graben der anderen Art“ im eigenen Land. So hat die Bundesregierung beschlossen, einen „Rohstoffatlas“ zu erstellen. Damit soll erkundet werden, welche wertvollen Metalle und sonstigen Materialien sich in der deutschen Infrastruktur befinden. Dazu zählen nicht nur Tausende Tonnen an Kupfer und Stahl, sondern auch seltenere Stoffe, die – wenn auch in kleineren Mengen – in Gebäuden, Brücken und sonstiger Bausubstanz enthalten sind. Ist der Atlas einmal erstellt, ließen sich diese Wertstoffe bei Abriss, Renovierung oder Modernisierung deutlich gezielter nutzen. „Unse- re Städte werden zu den Bergwerken der Zukunft“, heißt das Motto aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Dieses könnte noch konsequenter umgesetzt werden, wenn schon bei der Planung von Gebäuden und Straßen über ein wirtschaftliches Recycling zumindest der besonders wertvollen Ingredienzien nachgedacht würde. Aus Sorge um die Hochtechnologie-Substanzen hat das Ministerium zudem die Gründung einer deutschen Rohstoffagentur angekündigt. Ihr Auftrag soll lauten, weltweit nach neuen Rohstoffvorkommen zu fahnden und „rohstoffwirtschaftliche Länder-Partnerschaften“ zu entwickeln. Doch auch die Recycling-Fähigkeiten müssen verbessert werden – „wir brauchen mehr Intelligenz in der schwarzen Tonne“, fordert Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, MdB. Den Ruf gehört hat die Loser Chemie GmbH aus dem sächsischen Hainichen, die eigentlich auf Wasserchemie spezialisiert ist. Das Unternehmen mit 30 Mitarbeitern hat nun ein universell verwendbares physikalisch-chemisches Verfahren für sämtlichen Fotovoltaikschrott entwickelt, der nicht auf Silizium basiert. Dazu zählen vor allem Dünnschichtmodule, in denen das äußerst rare Metall Indium verarbeitet ist. Der gleiche Ansatz soll nun auch auf das Recycling von Seltenen Erden übertragen werden. 73 Ta 49 In Das rare Metall Indium wird vor allem zur Produktion von Flachbildschirmen und Touchscreens verwendet. Ein weiteres wichtiges Feld sind Dünnschicht-Solarmodule, deren Nachfrage ständig wächst. Das Recycling des äußerst knappen Rohstoffs erlangt damit immer größere Bedeutung „Ein Problem bei den kritischen Rohstoffen ist, dass sie in den Abfallprodukten nur in geringen Mengen vorkommen“, erklärt Dr. Wolfram Palitzsch, tech- Evonik-Magazin 1 | 2011 36_Evonik_01-11_DE 36 14.03.11 12:11 Fundgrube Elektronikschrott: Monitore, Computer, Handys sollen künftig intensiv recycelt werden. Forschungsprojekte suchen nach wirtschaftlichen Lösungen für die Rückgewinnung nischer Leiter bei Loser. Deshalb sei es notwendig, nicht nur einzelne Stoffe zu isolieren, sondern alle wichtigen Bestandteile gleichzeitig zu recyceln. Deshalb verfolgen die Sachsen diesen Gedanken auch bei Leuchtstoffen in Energiesparlampen, die häufig Seltene Erden wie Europium, Gadolinium und Thulium enthalten. Bisher wird beim Lampenrecycling insbesondere das Glas zurückgewonnen, dieses Vorgehen will Loser nun auf alle Materialien ausdehnen – also auch auf die Leuchtstoffe. Schatzkarte Deutschland Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gab im August 2010 bekannt, dass es einen „Rohstoffatlas“ der Bundesrepublik plant. Weil Ressourcen immer knapper werden, soll auf diese Weise ermittelt werden, welche wertvollen Metalle und sonstigen Materialien in der Infrastruktur enthalten sind. Dazu zählen unter anderem Gebäude, Brücken und Fernleitungen. Zusammengerechnet sind hier Zehntausende Tonnen zum Beispiel an Stahl und Kupfer verbaut. Auf Grundlage des Atlas könnten bei Abrissund Renovierungsarbeiten wertvolle Materialien gez gezielt gesammelt und wie wiederverwertet werden. Zu Zudem will die Bundesre regierung dafür sorgen, dass schon bei der Planung von Bauvorhaben stärker mitbedacht wird, wie sich ein späteres Recycling effekt gestalten ließe. effektiv Tonnenweise Bauteile: Elektroschrott muss häufig noch von Hand zerlegt und sortiert werden 31 Ga Gallium, ebenfalls ein seltenes Hightech-Metall, ist für viele Leuchtdioden essenziell. Vor allem die Verbindung Galliumarsenid wird auch für elektronische Hochfrequenzbauteile benötigt und für hocheffiziente Solarzellen, zum Beispiel zur Stromversorgung von Satelliten Flensburg Schleswig Eckernförde Rendsburg Sassnitz Burg Kiel Stralsund Heide Neumünster Itzehoe NordenSchortens Wilhelmshaven Rostock Lübeck Bad Oldsloe Elmshorn Bremerhaven Pinneberg Wismar Güstrow Norderstedt Ahrensburg Hamburg Anklam Schwerin Neubrandenburg Buxtehude Waren Nordenham Parchim Varel Leer Winsen Bucholz Bad Zwischenahn Neustrelitz Prenzlau Lüneburg Oldenburg Papenburg Bremen Soltau Delmenhorst Wittenberge Verden Uelzen EberswaldeCloppenburg Walsrode Salzwedel Finow Vechta Meppen Rathenow Falkensee Stendal Celle Nienburg Lingen Brandenburg Wolfsburg Nordhorn Wunstorf Bramsche Fürstenwalde Berlin Minden Rheine Hannover Potsdam Osnabrück Frankfurt Burg Gronau Braunschweig (an der Oder) Melle Hildesheim Wolfenbüttel Luckenwalde Ahaus Salzgitter Eisenhüttenstadt Magdeburg Bielefeld Hameln Emmerich Coesfeld Bad Harzburg Osterwieck Münster Lübben Guben Detmold Wittenberg Halberstadt Bocholt Haltern Gütersloh Holzminden Dessau Hamm Cottbus Wernigerode Finsterwalde Bernberg Wesel Forst Paderborn Lippstadt Osterode Dortmund Dinslaken Göttingen Eisleben Essen Moers Marsberg Spremberg Halle Menden Delitzsch Nordhausen Münden Krefeld Duisburg Lauchhammer Hagen Arnsberg Mönchen- Düsseldorf Sondershausen Korbach Hoyerswerda Wuppertal Leipzig gladbach Kassel Weissenfels Mühlhausen Lennestadt Meissen Görlitz Remscheid Solingen Döbeln Eschwege Bautzen Leverkusen Borna Zeitz Dresden Köln Weimar BergischGotha Bad Hersfeld Siegen gladbach Chemnitz Marburg Freiberg Jena Düren Eisenach Erfur Gera Aachen Rudolstadt Alsfeld Bonn Greiz Zwickau Monschau Giessen Suhl Saalfeld Aue Neuwied Fulda Wetzlar Plauen Mayen Koblenz Friedberg Prüm Hof Bad Homburg Coburg Daun Wiesbaden Frankfurt am Main Selb Kulmbach Hanau Offenbach Schweinfurt Aschaffenburg Bingen Mainz Bayreuth Bamberg Würzburg Darmstadt Trie Emden St Wendel Saarbrücken Worms Ludwigshafen Pirmasens Kitzingen Wertheim Weiden Amberg Mannheim Kaiserslautern Landau Ansbach Neumarkt Ludwigsburg Stuttgar Tübingen Pappenheim Ingolstadt Aalen Heidenheim Augsburg Biberach Memmingen München Waldkraiburg Landsberg Weingarten Schaffhausen Passau Landshut Ulm Rotweil Villingen-Schwenningen Cham Regensburg Straubing Donauwörth Reutlingen Lahr Schwandorf Roth Heilbronn Pforzheim BadenBaden Offenburg Nürnberg Fürth Heidelberg Karlsruhe Kempten Rosenheim FOTO: CNIMAGING (2) (OBEN) PICTURE-ALLIANCE (UNTEN) Husum Cuxhaven Bereits in großem Stil „gräbt“ das belgische Unternehmen Umicore in unseren Hinterlassenschaften, insbesondere in Elektronikschrott jeder Art. In Hoboken, einem Stadtteil von Antwerpen, betreibt Umicore eine der weltweit bedeutendsten Recycling-Anlagen für die Abfälle der Computer-Gesellschaft. Insgesamt 17 verschiedene Metalle werden daraus gewonnen, darunter sieben Edelmetalle wie Gold, Silber und Platin. Noch in diesem Jahr soll auch die Wiederverwertung von Lithium-Ionen-Akkus angeschoben werden. Zwar sind die notwendigen metallurgischen Prozeduren aufwendig, aber das ist die bergmännische Gewinnung auch: Für ein Gramm Gold muss in vielen Minen rund eine Tonne Gestein aus großer Tiefe gefördert, zermahlen und aufbereitet werden, alternativ reicht auch die Ausschlachtung von einigen Personalcomputern (PCs), die besonders auf Leiterplatten und in Steckern das begehrte Metall enthalten. Zusätzlich fal- Evonik-Magazin 1 | 2011 37_Evonik_01-11_DE 37 07.03.11 14:34 38 W I S S E N Im Orbit: Das Element Promethium gehört zu den Seltenerdmetallen und ist radioaktiv. Es wird auch in der Raumfahrt verwendet Am Ohr: Samarium dient als Bestandteil von Legierungen für Dauermagneten in Kopfhörern und kleinen Motoren Viele Metalle lassen sich ersetzen Kobalt entwickelt – Samarium ist zwar auch eine Seltene Erde, aber die Lieferungen kommen nicht nur aus China. Schon seit 2009 kommen die AlternativMagnete in Waschmaschinen zum Einsatz. Inzwischen haben die Toshiba-Ingenieure den Samarium-Anteil deutlich senken können. Magnete, aber auch Polierpasten ohne Zer oder Vielschicht-Keramikkondensatoren ohne Palladium – für viele gestern unverzichtbare Zutaten gibt es heute oder morgen andere. len etwas Silber, Palladium, Kupfer und Zinn ab. Pro Gerät sind es zwar nur wenige Milligramm, aber allein in der EU entstehen jedes Jahr einige Millionen Tonnen an ausgedienter Elektronik. Noch einen Schritt weiter geht Friedrich Scholte-Reh. Der Leiter des Abfallwirtschaftsamtes beim Zollernalbkreis lässt auf der Kreismülldeponie Hechingen untersuchen, welche Wertstoffe im Müll stecken. Erstmals in Deutschland soll bis Oktober 2012 ermittelt werden, welche Beiträge durch das sogenannte Urban Mining beziehungsweise Landfill-Mining zur Rohstoffversorgung geleistet werden können. Die Projektdurchführung liegt beim Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der Justus-Liebig-Universität Gießen. Prof. Dr. Stefan Gäth schätzt den wirtschaftlichen Wert der Metalle, die in der Deponie zu finden sind, auf über 30 Millionen €. Allerdings stehen diesem Gewinn auch erhebliche Kosten bei der Schatzsuche entgegen. FOTOS: NASA, FOTOLIA Das Alkalimetall Lithium wird für die Herstellung von Keramik und Glas, wiederaufladbare Batterien und Schmierfette verwendet. Vor allem die Nachfrage für Batterien ist stark gestiegen und wird von der bevorstehenden Elektromobilität weiter enorm beflügelt Sammeln und Zurückgewinnen ist eine Option, Ersetzen eine andere. Auf diesen Weg baut vor allem Japan, das von den Lieferbeschränkungen der Chinesen besonders betroffen ist. Bereits vor zehn Jahren hat zum Beispiel der Technologiekonzern Toshiba damit begonnen, nach Alternativen zu forschen. So sind in vielen Elektromotoren die Seltenerdmetalle Neodym und Dysprosium für die benötigten lang anhaltenden magnetischen Kräfte verantwortlich. Toshiba hat Magnete auf Basis von Samarium und 78 Pt 3 Li Platin zählt zu den seltenen und teuren Edelmetallen. Größtes technisches Einsatzgebiet sind Autoabgaskatalysatoren. Auch in Brennstoffzellen sowie bei großindustriellen Chemieund Raffinerieprozessen ist Platin als Katalysator unverzichtbar, zudem wird es in Elektronikbauteilen verwendet Einen einzigen Königsweg aus der Rohstoffkrise gibt es nicht – viele Pfade müssen zum Ziel führen. Alexander Hofmann muss sich dennoch keine Sorgen machen: Auch wenn sich neue Lösungsansätze abzeichnen, seine Vorräte werden eher an Wert gewinnen. Denn die Nachfrage nach Metallen aller Art wird weiter steigen, solange die Menschheit immer noch wächst. S U M M A RY • Seltene Erden und andere Metalle sind unverzichtbar für die Herstellung von Computern, Handys, Elektroautos. • Ihre Verfügbarkeit ist stark begrenzt durch rare Vorkommen und politische Barrieren. Spekulanten sorgen für zusätzliche Preisausschläge. • Weltweit wird versucht, Ersatzstoffe für die kostbaren Metalle zu finden oder sie durch neue Recyclingverfahren aus Elektroschrott und Mülldeponien zu bergen. Evonik-Magazin 1 | 2011 38_Evonik_01-11_DE 38 11.03.11 13:37 W I S S E N 39 NE LT E E S 83 Bi So wertvoll wie Gold und Silber 79 Au Rare Metalle, unter ihnen auch die Seltenen Erden, werden in immer größeren Mengen nachgefragt. So wurden im Jahr 2006 für Dünnschicht-Fotovoltaik, Hochleistungs-Mikrochips und weiße Leuchtdioden weltweit etwa 28 Tonnen an Gallium benötigt, 2030 sollen es nur für diese drei Zukunftstechnologien schon über 600 Tonnen sein. Stark wachsender Bedarf besteht auch bei Germanium für Glasfaserkabel und Infrarottechnik oder für Indium, das in Bildschirmen und Dünnschicht-Solarzellen eingesetzt wird. Viel gefragt werden in der Zukunft unter anderen auch die Elemente Neodym (Magnete), Platin (Brennstoffzellen, Katalyse) und Tantal (Mikrokondensatoren, Superlegierungen). Das Periodensystem der Elemente In dieser Darstellung sind alle chemischen Elemente nach ihrer Kernladung (Ordnungszahl) und bestimmten Eigenschaften der Atome angeordnet. Die Systematik wurde 1869 durch den russischen Chemiker Dmitri Mendelejew entwickelt. 78 Pt 58 Ce 77 Ir 21 Sc 39 Y 57 La 59 Pr 60 Nd 61 Pm LE 3 Li 27 Co 28 Ni 62 Sm 31 Ga SELTENE ERDEN 63 Eu 75 Re 64 Gd 65 Tb 68 Er 73 Ta 69 Tm 66 Dy 70 Yb 41 Nb 71 Lu 42 Mo 49 In 47 Ag Serie 46 Pd 1 H 3 Li 4 Be 11 Na 12 Mg 19 K 20 Ca 21 Sc 22 Ti 23 V 24 Cr 25 Mn 26 Fe 27 Co 28 Ni 29 Cu 37 Rb 38 Sr 39 Y 40 Zr 41 Nb 42 Mo 43 Tc 44 Ru 45 Rh 46 Pd 55 Cs 56 Ba 57 – 71 72 Hf 73 Ta 74 W 75 Re 76 Os 77 Ir 87 Fr 88 Ra 89 – 103 104 Rf 105 Db 106 Sg 107 Bh 108 Hs 109 Mt 44 Ru 45 Rh 2 He Symbol Sonstige Metalle Halbmetalle Halogene Edelgase Sonstige Nichtmetalle Alkalimetalle Erdalkalimetalle Übergangsmetalle Lanthanoide Actinoide 32 Ge 67 Ho 72 Hf Ordnungszahl 1 H M E TA L 5 B 6 C 7 N 8 O 9 F 10 Ne 13 Al 14 Si 15 P 16 S 17 Cl 18 Ar 30 Zn 31 Ga 32 Ge 33 As 34 Se 35 Br 36 Kr 47 Ag 48 Cd 49 In 50 Sn 51 Sb 52 Te 53 I 54 Xe 78 Pt 79 Au 80 Hg 81 Tl 82 Pb 83 Bi 84 Po 85 At 86 Rn 110 Ds 111 Rg 112 Cn 113 Uut 114 Uuq 115 Uup 116 Uuh 117 Uus 118 Uuo Innere Übergangsmetalle (Lanthanoide und Actinoide) 57 La 58 Ce 59 Pr 60 Nd 61 Pm 62 Sm 63 Eu 64 Gd 65 Tb 66 Dy 67 Ho 68 Er 69 Tm 70 Yb 71 Lu 89 Ac 90 Th 91 Pa 92 U 93 Np 94 Pu 95 Am 96 Cm 97 Bk 98 Cf 99 Es 100 Fm 101 Md 102 No 103 Lr QUELLE: PERIODENSYSTEM.INFO; INFOGRAFIK: PICFOUR. FOTOS: JUMK.DE, GETTY IMAGES, ALCHEMIST-HP Beryllium Rohstoffe der Hightech-Gesellschaft Seltene Metalle, darunter speziell die Seltenen Erden, sind unverzichtbar für den technischen Fortschritt. Doch schon die eindeutige Begriffsbestimmung ist schwierig – was heißt selten? Dafür gibt es verschiedene Kriterien wie Preis oder Preisanstieg, geringe Reichweite der Reserven oder aber auch eine lokale Häufung von Vorkommen beziehungsweise von Abbauaktivitäten (wie zum Beispiel bei den Seltenen Erden in China). Abgesehen von den bereits beschriebenen Metallen, die besonders gesucht sind, haben weitere Stoffe eine strategische Bedeutung. Dazu gehören Beryllium und Magnesium. Beryllium ist als Bestandteil von Legierungen mit Kupfer, Aluminium, Nickel oder Eisen begehrt, weil es Härte, Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit stark verbessert, Magnesium ist ein Hoffnungsträger im Leichtbau für Flug- und Fahrzeuge. Große Bedeutung hat auch das Mineral Flussspat (Kalziumfluorid), das in der Metallindustrie und für die Gewinnung von Fluor gebraucht wird. Kalziumfluorid Magnesium 39_Evonik_01-11_DE 39 07.03.11 14:34 40 E R K E N N E N Die guten Geister sammeln sich Corporate Responsibility gelebt und wahr gemacht. Welches Öl ist in der Creme? Wie ernähren wir Hühner ökologisch verträglicher? Und warum müssen Azubis Ernährungsplanung lernen? Drei Momente, die sich zu einem Bild zusammenfügen WER DEN BEGRIFF „corporate responsibility“ googelt, wird mit fast 9 Millionen Aufrufen überschwemmt. Es gibt kaum ein größeres Unternehmen oder eine Bank ohne ein Programm, eine Richtlinie oder Absichtserklärung zum Thema unternehmerische Verant wortung im Netz: Selbst das Spaßimperium Walt Disney hat Micky Maus und den notorisch geizigen Onkel Dagobert zur Corporate Responsibility (CR) verpflichtet. Doch die Absichtserklärungen sind keine Garantie, dass CR auch gelebt und im Alltag berücksichtigt wird. Unternehmerische Verantwortung gegenüber Kunden, Mitarbeitern und der Gesellschaft in einer Unternehmenskultur zu verankern ist ein mühsamer Prozess, der auf allen Ebenen ansetzen muss, wenn CR zu einem Erfolgsfaktor werden soll. Dr. Otto Schulz, Vice President der Unternehmensberatung A.T. Kearney, schildert die Auswirkungen von CR-Strategien auf Unternehmenswert und Kapitalbeschaffung. Wie sorgfältig das Thema bei der Evonik Industries AG angegangen wird, zeigen drei Beispiele aus dem Konzern. Herr Dr. Schulz, Sie haben sich in zwei Studien mit der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die sich verpflichtet haben, einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten, beschäftigt. Was unterscheidet diese Unternehmen von Wettbewerbern ohne diesen Fokus? Dr. Otto Schulz: Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen gehen grundsätzlich weniger Risiken ein. Sie berücksichtigen bei der Wahl ihrer Geschäftsfelder Zukunftstrends wie Rohstoffknappheit oder steigende Energiekosten und entwickeln daraus ihre Wettbewerbsvorteile. In der Chemieindustrie erhalten unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten Themen wie Gebäudedämmung oder Gewichtsreduzierung im Automobilbau eine ganz neue Bedeutung. Andere Geschäftsfelder sind Katalysatoren, LED-Lampen oder Lithium-IonenBatterien für Elektroautos. Firmen, die rechtzeitig in diese Bereiche investiert haben, stehen besser da. Welchen Bewertungsmaßstab haben Sie Ihren Studien zugrunde gelegt? Wir haben die Aktienkurse von Unternehmen, die im Dow Jones Sustainability Index gelistet sind, mit den Kursen ihrer Wettbewerber verglichen und festgestellt, dass Firmen mit nachhaltiger Strategie die Finanzkrise besser und schneller überstanden haben. Orientierung an Nachhaltigkeit zahlt sich Ihrer Studie zufolge auch bei den Kapitalkosten aus. Es hat sich in der Tat gezeigt, dass Firmen, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, von wenigen Ausnahmen abgesehen niedrigere Finanzierungskosten haben. Deutliche Differenzen gibt es bei Strom-Erzeugern, bei Chemiekonzernen und Airlines. Bei Chemiefirmen beträgt der Unterschied 0,9 Prozent. Wie muss ein Unternehmen aufgestellt sein, damit es einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann? Für die Bewertung einer Nachhaltigkeitsstrategie haben wir verschiedene Exzellenzstufen eingeführt. Die erste Stufe ist erreicht, wenn eine Firma das, was sie auch bisher hergestellt hat, so durchführt, dass sie einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann: beispielsweise Energieverluste durch bessere Dämmung der Hallen minimiert. Wenn die Rohstoffpreise oder Stromkosten steigen, haben diese Unternehmen einen Vorteil gegenüber weniger sparsamen Wettbewerbern. Was muss dann passieren? In der nächsten Stufe wird mit Umstellungen begonnen. Es werden etwa Wärmepumpen eingebaut, um die Bürogebäude zu klimatisieren. Dann stellt die Firma zwar immer noch die gleichen Produkte her, aber sie hat schon die Struktur verändert. In der dritten Stufe geht es darum, mit der Verpflichtung zur Nachhaltigkeit einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Beispielsweise kann ein Autobauer seine Fahrzeuge auf besonders effiziente Weise produzieren. Aber richtig interessant wird es, wenn er besonders sparsame Autos herstellt oder sogar Hybrid- und Elektroautos fertigt, die genau den entscheidenden Makrotrend treffen. Müssen nicht auch die Lieferanten diese Verpflichtung übernehmen? Das ist ein ganz wichtiger Punkt. In den Wertschöpfungsketten ist es ganz wichtig, dass eine Firma auch FOTOS: INGO RAPPERS, PLAINPICTURE TEXT CARLA SCHACHT Evonik-Magazin 1 | 2011 40_Evonik_01-11_DE 40 09.03.11 10:12 E R K E N N E N 41 Peter Becker, Salesmanager und SustainabilityKoordinator im Bereich Personal Care: „Mehr Transparenz über Herkunft und Umwelteinfluss“ das gesamte Netzwerk auf Nachhaltigkeit ausrichtet. Typischerweise wird heute auch ein Unternehmen, das in der Mitte steht, für die Nachhaltigkeit der Kette verantwortlich gemacht. Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei der Umsetzung einer auf Nachhaltigkeit zielenden Strategie? Die Mitarbeiter sind oft viel stärker auf Nachhaltigkeit eingestimmt als die Unternehmensführung. Die meisten leben zu Hause danach: Müll trennen, vernünftig essen und leben. Nachhaltigkeit ist ein gutes Instrument, um Mitarbeiter an ein Unternehmen zu binden, und auch, um neue Mitarbeiter zu rekrutieren. Gerade qualifizierte Absolventen suchen sich gerne Arbeitgeber aus, die in diesem Bereich interessante Stellen anbieten. Über die Verpflichtung zur nachhaltigen Betriebsführung wird auch Instrumenten wie dem betrieblichen Vorschlagswesen neues Leben eingehaucht, weil die Mitarbeiter auf allen Stufen an der Umsetzung beteiligt werden können. Außerdem stärkt der Fokus auf Nachhaltigkeit die Loyalität und trägt dazu bei, Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden. Gerade dieser Aspekt wird im Kampf um Talente immer wichtiger. Auf die Palme getrieben Nachhaltigkeit darf nicht an den Werkstoren aufhören. Deshalb werden auch die Lieferanten der Evonik Industries AG unter die Lupe genommen – wie das Beispiel Personal Care zeigt Aufgeklärte Verbraucher sind neugierig. Sie wollen alles genau wissen, wo die Pizza herkommt, die sie im Supermarkt gekauft haben, der Jogginganzug, der MP3-Player oder die Banane. Sie wollen einfach nur erfahren, welche Rohstoffe in ihrem Duschgel enthalten sind und in welchem Ausmaß die Umwelt durch die Produkte und den Fertigungsprozess belastet wurde. Genau diese Fragen treiben bei Evonik auch Mitarbeiter wie Peter Becker um, den Salesmanager und Sustainability-Koordinator im Bereich Personal Evonik-Magazin 1 | 2011 41_Evonik_01-11_DE 41 09.03.11 10:12 42 E R K E N N E N Care. Dieser Bereich liefert die Grundstoffe für die Kosmetik- und Körperpflegeindustrie: „Wir wollen unseren Kunden mehr Transparenz über Ursprung, Herstellung und Umwelteinfluss liefern“, beschreibt er seinen Auftrag: „Hierbei sind Kenntnisse über die verwendete Technologie und umweltschonendere Anwendungsmöglichkeiten während der Produk tion von Kosmetika besonders wichtig.“ Innovative Technologien zur Ressourcenschonung Kunden von Personal Care sind große Markenartikler der Körperpflegebranche, aber auch kleine Spezialisten, die sich auf Naturprodukte in diesem Markt spezialisiert haben. Da trifft Becker auf unterschiedliche Gewichtungen des Begriffs Nachhaltigkeit: „Manchen Herstellern ist die nachhaltige Produktion der verwendeten Rohstoffe besonders wichtig, anderen die Produktsicherheit und Leistung, bei der Babypflege trifft beides zusammen.“ Um den Erwartungen der industriellen Kunden gerecht zu werden, wurden nicht nur die internen Produktionsprozesse von Evonik auf den Prüfstand gestellt, sondern vor allem die Lieferanten zur Einhaltung der Corporate-Responsibility-Grundsätze des Konzerns verpflichtet: „Ebenso wie wir uns zu einem verantwortungsbewussten und fairen Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und der Öffentlichkeit verpflichten, erwarten wir von unseren Lieferanten, dass sie diese Grundsätze teilen. Dazu gehört die Einhaltung von anerkannten Mindeststandards, wie sie im Globalen Pakt der Vereinten Nationen (UN) und in den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), einer Sonderorganisation der UN, entwickelt und festgelegt wurden.“ Die Konsequenzen daraus sind unmissverständlich: „Genügen Lieferanten diesen Anforderungen nicht, so erwartet Evonik als Voraussetzung für die Aufnahme beziehungsweise Fortführung der Geschäftsbeziehungen mit dem betreffenden Lieferanten eine kontinuierliche Behebung der festgestellten Missstände.“ Das ist nicht immer ganz einfach: Ein heikles Thema im Personal-Care-Bereich ist beispielsweise Palmöl, das zu den begehrtesten Rohstoffen überhaupt gehört. Palmöl kann überall eingesetzt werden: in Bodylotions, in Eiscreme, aber auch als Rohstoff für die Biospritherstellung. Die vielseitige Verwendbarkeit hat verheerende Folgen: In Indonesien, dem weltweit „Die Ökobilanz bringt es an den Tag“ Dr. Michael Binder (Senior Manager Regulatory Affairs für die Geschäftsgebiete Methionine und Bioproducts) vor dem Foto der Methionin-Anlage in Antwerpen: „Ein Kilo DL-Methionin kann rund 66 Kilo Fischmehl ersetzen – und zwei Kilo BIOLYS etwa 35 Kilo Sojamehl“ Evonik-Magazin 1 | 2011 42_Evonik_01-11_DE 42 11.03.11 11:55 FOTOS: INGO RAPPERS, KARSTEN BOOTMANN E R K E N N E N 43 größten Palmöl-Lieferanten, werden unaufhörlich große Waldflächen zugunsten von illegalen PalmPlantagen gerodet, um den Grundstoff zu erhalten. Vor allem illegale Brandrodungen zerstören nicht nur die für den Klimaschutz wichtigen Regenwälder, sondern tragen durch hohe CO2-Emissionen erheblich zum Klimawandel bei. Dem Öl sieht man es allerdings nicht an, ob es aus legaler oder illegaler Rodung stammt. Evonik ist schon deshalb dem Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) beigetreten, einer Organisation, die sich darum kümmert, dass nur ausgewiesene Flächen legal abgeholzt und dann auch wieder aufgeforstet werden. Bei Personal Care basieren 84 Prozent der Produkte ganz oder teilweise auf nachwachsenden Rohstoffen. Dazu gehören neben Palmöl vor allem die Öle von Sonnenblumen und Raps. „Unser Ziel ist es, diesen Anteil im Hinblick auf die weltweite Verknappung der Ressourcen nicht blind zu erhöhen, sondern innovative Technologien zu nutzen, um verantwortlich zu handeln“, erklärt Becker. Deshalb wird auch nach intelligenten biologischen Verfahren geforscht, mit denen – wie bei Fermentation und enzymatischer Veresterung – die Grundstoffe nachhaltig und äußerst verträglich für die Konsumenten hergestellt werden können. So werden Ceramide – ein wichtiger Grundstoff für die Herstellung von Anti-Aging-Produkten – durch Fermentation gewonnen. Das dürfte auch den aufgeklärten Konsumenten gefallen: Sie wollen nicht nur ein gutes Gewissen haben, sondern auch entspannt aussehen. Futter für die Welt Produkte, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern, müssen nicht neu sein, um als Stars auf der CR-Bühne ins Rampenlicht zu rücken. Wie der Tierfutterzusatz Methionin zeigt „Wir wollen bei Evonik, dass Corporate Responsibility einen Beitrag zum Geschäft leistet, dass wir Produkte entwickeln, die einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten“, sagt Gerald Breyer, CR-Koordinator im Unternehmen. Evonik hat hier schon hervorragende Vorarbeit geleistet – bei einigen Produkten seit Jahrzehnten wie zum Beispiel Methionin. Die Aminosäure wird bereits seit den 1950er-Jahren Tierfutter zugesetzt, um Nährstoffmängel in der Tierfütterung auszugleichen. Unter dem Blickwinkel Nachhaltigkeit erhalten die von Evonik hergestellten Aminosäuren, zu denen neben DL-Methionin auch L-Lysin, L-Tryptophan und L-Threonin gehören, eine völlig neue Aktualität. Diese essenziellen Aminosäuren können einen Beitrag leisten, den weltweit drohenden Nahrungsmangel zu lindern, und haben gleichzeitig auch einen ökologischen Vorteil. Die Weltbevölkerung wird bis zum Jahr 2050 nach den Prognosen der UN auf mehr als 9 Milliarden Menschen anwachsen. Um sie auch künftig mit hochwertigen Nahrungsmitteln versorgen zu können und die Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, erhält die Zusammensetzung des Tierfutters eine besondere Bedeutung. Weniger Treibhausgase Futtermittel wie Weizen, Gerste und Soja haben eine mehr oder minder gegebene Aminosäurezusammensetzung, die aber für die Tiere nicht optimal ausbalanciert ist. Das führt dazu, dass der Stickstoff in der Tiernahrung nicht vollständig verwertet wird. Der überschüssige Stickstoff, der sich in den tierischen Ausscheidungen wiederfindet, wird in klimaschädliche Gase umgewandelt und belastet so die Umwelt. Es darf nicht vergessen werden, dass Tierhaltung einen nicht unwesentlichen Teil zur anthropogenen Emission von Treibhausgasen beiträgt. Wenn aber der Aminosäuremix durch richtig dosierten Zusatz der essenziellen Aminosäuren DL-Methionin, L-Lysin, L-Threonin und L-Tryptophan im Tierfutter verbessert wird, kann ein positiver Beitrag zur Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase geleistet werden. Aber auch bei der Herstellung der Aminosäuren wird Energie verbraucht, und es entstehen Treibhausgase. Für eine faire Bewertung muss deshalb die gesamte Kette von der Herstellung bis zum Verbleib im Tier betrachtet werden. „Genau das kann eine Ökobilanz leisten, die Evonik in Zusammenarbeit mit unabhängigen Instituten wie dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) oder dem TÜV Rheinland erstellt hat“, erklärt Dr. Michael Binder, Senior Manager Regulatory Affairs für die Geschäftsgebiete Methionine und Bioproducts in Hanau. Die Ökobilanz förderte erstaunliche Ergebnisse zutage: Wird statt Soja oder Fischmehl die Aminosäure DLMethionin dem Futter aus Weizen und Gerste beigemischt, um die Proteindefizite auszugleichen, sinkt der Ausstoß von Treibhausgasen beträchtlich. Für Evonik-Magazin 1 | 2011 43_Evonik_01-11_DE 43 11.03.11 11:55 44 E R K E N N E N eine Tonne CO2, die während der Herstellung von DL-Methionin freigesetzt wird, werden insgesamt 23 Tonnen über den gesamten Produktlebenszyklus eingespart. Die Überdüngung von Ackerflächen (Eutrophierung) nimmt ab: Die Abgabe von Ammoniak wird um den Faktor 26, die von Nitrat um den Faktor sieben gesenkt. Binder macht noch eine Rechnung auf: „Ein Kilo DL-Methionin kann rund 66 Kilo Fischmehl ersetzen – und zwei Kilo BIOLYS etwa 35 Kilo Sojamehl.“ So lassen sich durch die jährlich weltweit von allen Herstellern produzierten 750.000 Tonnen Methionin rund 15 Millionen Hektar Ackerland einsparen und zusätzlich für die Erzeugung von Brotgetreide und anderen Feldfrüchten für die menschliche Ernährung nutzen. Fleischkonsum in China nimmt stark zu Die Bedeutung der Aminosäuren wird in Zukunft noch wachsen: Der Konsum von Fleisch- und Milchprodukten wird deutlich zunehmen. Der Fleischverbrauch wird von 37 Kilo pro Kopf im Jahr 2000 auf mehr als 52 Kilo im Jahr 2050 steigen, prognostiziert die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der UN. Allein in China soll der Verzehr bis 2016 um 42 Prozent zunehmen. Durch den Zusatz von Aminosäuren kann verhindert werden, dass der Bedarf an Futtermitteln in dem Maße steigt, wie der Fleischgenuss zunimmt. Wenn auch Zuchtfische in Aquakulturen mit den essenziellen Aminosäuren versorgt werden, kann auch der Überfischung der Meere entgegenwirkt und der natürliche Fischbestand entlastet werden. Evonik Industries, das als einziges Unternehmen welt weit alle vier bedeutenden essenziellen Aminosäuren herstellt, hat sich auf die stark wachsende Nachfrage nach Geflügel- und Schweinefleisch sowie Fisch aus Aquakultur in Asien vorbereitet: Seit Oktober 2010 wird der Bau einer weiteren DL-Methionin-Anlage in Singapur geplant, die ab 2014 mit einer Kapazität von jährlich 150.000 Tonnen den Betrieb aufnehmen soll. Einschließlich der Produktion aus den bestehenden Werken in Wesseling, Antwerpen und Mobile (Alabama, USA) würde sich die Gesamt menge auf 580.000 Tonnen belaufen. Gute Aussichten für die Welt – und auch für Evonik Industries, der einen Beitrag zur gesunden Ernährung von Menschen und Tieren leistet. „Vernetzung wird gefördert“ Renate Lenßen ist zuständig für das Projekt Corporate Responsibility in der Ausbildung. Bis Herbst 2011 sollen alle Azubis der Standorte von Evonik an praktischen Beispielen und Seminaren erfahren, was unternehmerische Verantwortung bedeutet und wie sie im Alltag am Arbeitsplatz und zu Hause gelebt wird Evonik-Magazin 1 | 2011 44_Evonik_01-11_DE 44 11.03.11 11:55 E R K E N N E N 45 Fit fürs Leben FOTOS: INGO RAPPERS, EVONIK INDUSTRIES Als einer der ersten deutschen Konzerne hat Evonik Corporate Responsibility in die Ausbildung integriert – das hilft den Azubis auch im täglichen Leben „Wir können gar nicht früh genug damit anfangen, unseren künftigen Mitarbeitern zu vermitteln, was unternehmerische Verantwortung – Corporate Responsibility – bedeutet“, erklärte Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor von Evonik Ralf Blauth zum Start der Pilotphase für das Projekt „CR in der Ausbildung“ im März 2010. Im Industriepark Wolfgang (IPW) und im Ausbildungszentrum Goldschmidtstraße in Essen fanden fünf Projekte statt, die das Thema CR für die Auszubildenden anschaulich aufbereiten. Zwar wurden auch schon vorher Inhalte wie Gesundheit, Arbeitssicherheit und Energie-Effizienz, die zum CR-Spektrum gehören, in der Ausbildung der jungen Menschen behandelt, doch „mit dem Projekt ‚CR in der Ausbildung‘ ist es gelungen, die Einzelaspekte mit dem strategischen Thema CR zu verknüpfen. Unternehmerische Verantwortung ist nun fester Bestandteil der betrieblichen Ausbildungspläne der beteiligten Standorte“, erklärt Renate Lenßen, die für die Integration von CR in der Ausbildung zuständig ist. Die konkrete Umsetzung des Themas „CR in der Ausbildung“ demonstrieren die praktischen Projekte: Die angehenden Chemikanten des Ausbildungszentrums Goldschmidtstraße in Essen entwickelten einen neuen Kühlwasserkreislauf in den Laboren. Ihnen war aufgefallen, dass ständig Frischwasser verschwendet wurde, weil es nach der Kühlung ins Abwasser geleitet wurde, obwohl es nie mit den Chemikalien in Verbindung gekommen war. Wenn es gelänge, dieses Kühlwasser aufzufangen und wiederzuverwenden, wird weniger verbraucht. Das Ergebnis ihrer Arbeit können sie sich jetzt anschauen: Ein Kühlwasserkreislauf wurde nach ihren Vorschlägen eingerichtet. Wie die Azubis CR-Inhalte in ihr Leben integrieren können, zeigen die Projekte im IPW in Hanau. Unter dem Titel „Fit for IPW“ erhalten die jungen Leute sogar handfeste Ratschläge zur gesunden Ernährung. „Das Projekt wurde zwar bereits 2005 entwickelt“, sagt Sebastian Petry, Ausbilder in Hanau, „aber im Kontext von CR angepasst und weiterentwickelt.“ Jetzt ist ein Seminartag der Ernährung und gesunden Lebens- führung gewidmet. Drei weitere Seminartage behandeln die Themen „Ergonomie am Arbeitsplatz“, „Drogen und Sucht“ sowie „Stress und Bewegung“. Mitverantwortung und soziale Kompetenz Die Beschäftigung mit CR-Themen schärft auch die Aufmerksamkeit der jungen Leute für ihre Umwelt. Das wird beim Patenschaftsmodell des IPW deutlich. Dieses Mentorennetzwerk wurde auf Vorschlag der Azubis eingerichtet. Die Auszubildenden hatten beobachtet, dass viele Praktikanten Mühe haben, sich auf dem weitläufigen Gelände zurechtzufinden. Den Schnupperlehrlingen – zumeist Schülerinnen und Schüler – werden Auszubildende zugeordnet, die ihnen den Zugang erleichtern. Der Service kommt nicht nur bei den jungen Besuchern an, wie Corinna Schmidt, Ausbilderin in Hanau, beobachtete: „Dadurch lernen die Azubis frühzeitig, Mitverantwortung für Kollegen zu übernehmen, und entwickeln ein tiefes Verständnis für soziale Kompetenz.“ Nach den erfolgreichen Projekten in der Pilotphase startete im Februar 2011 der Rollout auf alle deutschen Standorte. In einem gemeinsamen Projekt werden die Jugendlichen auch in die Erarbeitung neuer CR-Ausbildungsmodule einbezogen. So entwickeln kleine Gruppen von Azubis aus allen Ausbildungsstätten des Konzerns zusammen die Eckpunkte für ein Seminar zum Thema „soziale Netzwerke im Internet“. Später sollen alle Azubis von Evonik für den korrekten Umgang mit Facebook und Co. sensibilisiert werden. Für Renate Lenßen hat dieses Projekt eine besondere Bedeutung, weil „wir nicht nur ein gesellschaftlich diskutiertes Thema aufgreifen, sondern weil auch die Vernetzung von Ausbildern und Azubis gefördert wird“. Auch Vorstandsmitglied Ralf Blauth ist mit der Verankerung von CR-Inhalten in der Ausbildung sehr zufrieden. „Unsere Auszubildenden lernen durch ihr eigenes Tun, dass verantwortungsvolles Handeln sowohl für sie selbst als auch für das Unternehmen und die Gesellschaft Mehrwert schafft.“ S U M M A RY • Unternehmen mit einer Verpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung haben niedrigere Kapitalkosten. • Firmen, die einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten wollen, müssen nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch Lieferanten und Kunden darauf verpflichten. Evonik-Magazin 1 | 2011 45_Evonik_01-11_DE 45 11.03.11 11:55 FOTOS: XXX Heilen mit der Wolke: Im Projekt „SMS for Life“ wird in Afrika mithilfe von Cloud-Computing-Services, SMS-Diensten und intuitiven Websites die Versorgung von Malaria-Patienten mit den lebenswichtigen Medikamenten gesteuert, und so werden Hunderte Menschenleben gerettet. Das Foto entstand im Malaria-Center in Kollé in Mali 46_Evonik_01-11_DE 46 07.03.11 11:08 E N T D E C K E N 47 Wolkenschieber Vernetzung übers Internet kann viel Gutes bewirken. Daher ist Cloud-Computing der wichtigste IT-Trend des Jahres 2011. Doch viele befällt auch Höhenangst – sie fürchten, die Sicherheit über Daten und Prozesse zu verlieren TEXT ANDREAS BRANNASCH FOTOS: DIGITALVISION, GIORGIA FIORIO/CONTRASTO/LAIF „DER SCHAUSPIELER GEORGE CLOONEY hat sich bei einem Auslandsaufenthalt im Sudan mit Malaria infiziert.“ Diese Meldung sorgte im Januar für Rauschen im Blätterwald. Clooney war mit seiner Erkrankung bewusst an die Öffentlichkeit gegangen: „Meine Heilung zeigt doch, was man mit richtigen Medikamenten alles erreichen kann. Die schlimmen Zustände in Afrika könnten deutlich verbessert und die Sterberate erheblich gesenkt werden“, erklärte der Star. Einen besonderen Weg, um die Malaria in Tansania zu bekämpfen, unterstützte der Konzern IBM mit der Bereitstellung von Cloud-Computing-Services: Mobilfunkanbieter Vodafone und Pharmariese Novartis sorgten in dem Pilotprojekt „SMS for Life“ für eine nachfragegerechte Lieferung und Lagerung von Medikamenten in Krankenstationen und Hospitälern. Mit der Hilfe von Mobiltelefonen, SMS-Services und intuitiven Webseiten verbesserte man die Versorgung von über 1 Million Menschen mit Antimalariamedikamenten um das Dreifache – und konnte so das Leben Hunderter retten. Ebenfalls per Vernetzung via Internet unterstützen sogenannte „Bürgerwissenschaftler“ die etablierte Forschung. Im weltumspannenden Galaxy-ZooTeam sind über 300.000 Nutzer als freiwillige Helfer registriert. Für ein Projekt der University of Oxford, Großbritannien, sichteten sie Aufnahmen von Millionen von Galaxien und teilten diese in die Kategorien kugel- oder spiralförmig ein. Einige entdeckten dabei bislang unbekannte, besonders aktive kleine Galaxien. Der Name dieser 250 Glücksfunde: Green Peas, grüne Erbsen. Um die Mitarbeit der Laien zu ermöglichen, nimmt Galaxy Zoo einen Cloud-ComputingService von Amazon in Anspruch. Am Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien, USA, forschen über 4.000 Wissenschaftler, Ingenieure und Studenten unter anderem zu neuen Energiesystemen, Nanotechnologie und Umweltanalytik. Die Berkeley Labs haben sich für Google Apps als Cloud-Lösung entschieden, um die Zusammenarbeit der Wissenschaftler zu optimieren und um Kosten zu senken. Chief Information Officer (CIO) Dr. Rosio Alvarez erklärt: „Jetzt können mehrere Wissenschaftler zeitgleich ein Dokument zu einem Forschungsprojekt nutzen und ihren Input liefern. Früher haben wir unzählige Kopien erstellt, die dann umständlich abgeglichen werden mussten. Forscher aus aller Welt können nun als vollwertige Mitarbeiter an unseren Projekten beteiligt werden und kooperieren.“ Leben in der Wolke Laut einer aktuellen Umfrage des Branchenverbands BITKOM in der ITK-Branche ist Cloud-Computing der wichtigste IT-Trend des Jahres 2011. Das Prinzip ist simpel: Dank immer schnellerer Web-Verbindungen werden immer weniger Informationen und Programme auf den einzelnen Computern am Arbeitsplatz gespeichert. Software, Betriebssysteme, Anwendungen, Rechner- und Speicherkapazität sowie Netze und Server werden im Internet bereitgestellt, der Zugriff ist mit jedem Rechner oder Smartphone von jedem Ort der Welt möglich – uns umgibt quasi eine digitale Wolke. Die Vorteile klingen überzeugend: Die IT-Kosten werden gesenkt, eigene Großrechner und Server werden ebenso überflüssig wie teure Büro-Software und gigantische Datenbestände auf Festplatten. In einem Rechenzentrum ließen sich nach Berechnungen Evonik-Magazin 1 | 2011 47_Evonik_01-11_DE 47 07.03.11 11:08 48 E N T D E C K E N You, too, can Zoo. Im „Galaxy Zoo Team“ der University of Oxford sichten 300.000 „Bürgerwissenschaftler“ Aufnahmen von Millionen von Galaxien – dank Cloud-Vernetzung im Internet „Forschung nur auf internen Servern“ Dr. Peter Nagler ist promovierter Chemiker und leitet bei Evonik Innovationsmanagement Chemie & Creavis (IMC), dazu gehört auch das Intellectual Property Management (IPM), eine Abteilung zur Sicherung, Entwicklung, strategischen Nutzung und Kommerzialisierung geistigen Eigentums im Konzern Herr Dr. Nagler, nutzt die Evonik Industries AG bereits Cloud-Computing? Dr. Peter Nagler: Wir setzen intern Private-CloudTechnologien zur Virtualisierung von Servern und Storage im Bereich unseres eigenen Rechenzentrums ein. Und wie verhält es sich mit externen Lösungen? Externes Cloud-Computing wird bisher nur sehr begrenzt in Anspruch genommen. Sobald die sicherheits- und datenschutzrechtlichen Herausforderungen gelöst sind, werden wir prüfen, ob sich Vorteile für Evonik erzielen lassen. Dies gilt allerdings derzeit nicht für die Abteilung IPM. Weil Ihnen hier das Risiko zu hoch erscheint? Richtig, das würde unseren Know-how-Schutzbemühungen für technische Innovationen widersprechen, und deshalb ist IPM für derartige Netzwerke tabu. Die Speicherung elektronischer Daten und von Forschungsberichten in diesem sensiblen Bereich erfolgt auf internen Servern, die separat über unsere eigene IT geschützt werden. Der Zugang erfolgt verschlüsselt unter Einhaltung eines restriktiven Berechtigungskonzepts. Gilt das auch für Patente? Die Daten einer Patenterstanmeldung werden nahezu ausschließlich in elektronischer Form mit SSLVerschlüsselung und elektronischer Signatur über das Europäische Patentamt hinterlegt. von IBM bis zu 80 Prozent der Fläche und 60 Prozent der Stromkosten durch Cloud-Computing einsparen. Im gleichen Maße würden die Umsätze der externen Dienstleister wachsen: Nach einer Studie der Experton Group für den Branchenverband BITKOM soll der Umsatz mit Cloud-Computing von 1,9 Milliarden € im Jahr 2011 auf 8,2 Milliarden € im Jahr 2015 steigen. Das Umsatzwachstum liegt bei über 40 Prozent pro Jahr. In fünf Jahren könnten etwa 10 Prozent der gesamten ITAusgaben auf Cloud-Computing entfallen. Immer häufiger begegnet einem bereits Werbung zu diesem Thema: Microsoft lädt seine Kunden per Fernsehspot in die Cloud ein. HP Utility Services fragt: „Würden Sie eine Kuh kaufen, wenn Sie nur ein Glas Milch brauchen? Dosieren Sie Ihre IT-Ausgaben exakt nach Ihren Anforderungen.“ IBM wiederum setzt auf Sympathiegewinn und antwortet in seiner Anzeige auf die Frage „Wie sicher ist Cloud-Computing?“ zum Beispiel mit dem Hinweis auf das Projekt „SMS for Life“. Privat oder öffentlich Die Angebote der Cloud-Dienstleister sind unterschiedlich: Bei einer „Private Cloud“ befinden sich Anbieter und Nutzer noch im selben Unternehmen, die Verantwortlichkeit für Datenkontrolle und Sicherheit verbleiben ebenfalls dort. Der Autobauer Daimler kündigte kürzlich an, 180.000 PersonalcomputerArbeitsplätze in eine „Private Cloud“ verlagern zu wollen, um mobile Arbeitsplätze zu ermöglichen. Dagegen kann eine „Public Cloud“ von beliebigen Personen und Unternehmen genutzt werden. Jeder kennt das Karten-Tool „Google Maps“, mit dem sich Routen berechnen lassen. Um eine Wegbeschrei- Evonik-Magazin 1 | 2011 48_Evonik_01-11_DE 48 07.03.11 11:08 E N T D E C K E N 49 FOTOS: EVONIK INDUSTRIES, NASA, DIGITALVISION Glossar bung auszugeben oder auch nur auf Satellitenaufnahmen rein- und rauszoomen zu können, sind aufwendige Rechenoperationen nötig. Die laufen aber nicht auf dem eigenen Rechner ab, sondern in den riesigen Server-Parks von Google. Dort sind sämtliche Kartendaten der Erdoberfläche gespeichert, denn deren gigantischer Datenumfang würde nicht einmal ansatzweise auf einen Heimcomputer passen. Sämtliche Arbeit macht also fremde Hardware, die Berechnungen laufen in der Wolke ab. Häufig setzen Unternehmen Cloud-Computing ergänzend zur existierenden IT im täglichen Geschäft ein, um bestehende Lastspitzen gezielt abzufedern. Ein anderes klassisches Beispiel stellt eine mittelständische Unternehmensberatung dar, die unerwartet schnell expandiert ist. Da die meisten Mitarbeiter nur unregelmäßig im Büro sind, ist es erfolgskritisch, dass jedem alle Informationen zur Verfügung stehen. Aufgrund der heterogenen IT-Landschaft und einer Vielzahl verschiedener CRM-Tools läuft die Weitergabe von Information in der Regel alles andere als optimal. Eine Vereinheitlichung der IT-Systeme und der Betrieb eines einheitlichen CRM- und BI-Systems würde eine hohe Anfangsinvestition voraussetzen. Die Einführung einer Cloud-basierten Lösung bietet eine Möglichkeit, dem Problem zu begegnen. Besonders interessant ist das Mieten von Ressourcen für Start-ups oder Entwickler ohne eigene Infrastruktur. Dann wird Cloud-Computing zu einem Mittel, Business ohne eigenes Risiko zu ermöglichen: Die Investitionen für Software-Lizenzen und Server werden gespart, und trotzdem ist eine ortsunabhängige Vernetzung möglich. Auch die Reduktion von Entwicklungszeiten ist ein häufiges Argument für Cloud-Com- BI Business Intelligence. Systematische Analyse von Daten BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. CRM Customer-Relationship-Management. Kunden-Beziehungs-Management oder Kundenpflege. Wird zunehmend über Cloud-Lösungen angeboten DLD Digital Life Design, Konferenz-Netzwerk des Burda Verlags GNU Gnu is not Unix. Freies Betriebssystem ohne beschränkende Lizenzen oder geheime Quelltexte HP Hewlett-Packard Company. Hersteller von Hardware wie Computer, Drucker, Monitore, Server und so weiter. Anbieter von Cloud-Services IBM International Business Machines Corporation. Anbieter von Hardware, Software, Dienstleistungen, Beratung und Cloud-Services IT Informationstechnologie. Oberbegriff für Informations- und Datenverarbeitung ITK Informations- und Telekommunikationstechnologie SMS Short Message Service. Kurze Textnachrichten von maximal 160 Zeichen zwischen Mobiltelefonen, geeigneten Festnetztelefonen sowie bestimmten Internetdiensten TMT Technologie, Medien und Telekommunikation WPA Wi-Fi Protected Access. Eine Verschlüsselungsart im Bereich von Drahtlosnetzwerken (WLAN) puting. Entwickler testen ihre neuen Applikationen auf Service-Plattformen und kommen durch den kurzfristigen Zugriff auf nahezu unbegrenzte Ressourcen schneller zu fertigen Produkten. Höhenangst und Platzregen Die größten Player im Markt sind Technologiekonzerne wie Amazon, Google, IBM, Microsoft und Salesforce. Sie stellen die immensen Kapazitäten von mehreren Hunderttausend Netzwerkrechnern auch externen Nutzern zur Verfügung. Doch manche Unternehmen beschleicht trotz der unbestrittenen Vorteile Höhenangst. Ihnen ist die Auslagerung sensibler Daten nicht geheuer, sie befürchten Kontrollverlust und mangelnde Datensicherheit sowie fehlende Garantien bei der Verfügbarkeit von Rechnerkapazitäten und der Erreichbarkeit eigener Daten bei externen Serverproblemen. „Cloud-Computing scheint in Deutschland noch unter einem Vertrauensdefizit zu leiden“, sagt Robert Horndasch, Partner im Bereich TMT beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte. „Die Skepsis im Hinblick auf Datensicherheit und Prozesskontrolle überwiegt bei vielen.“ Evonik-Magazin 1 | 2011 49_Evonik_01-11_DE 49 07.03.11 11:08 Wissen im Internet – eine Chronologie 1992 Die erste Audio- sowie Video-Übertragung findet im Internet statt. 1984, 2. August An der Universität Karlsruhe wird die erste deutsche E-Mail empfangen. Im selben Jahr wird das Domain Name System (DNS) implementiert. 1989, März Prof. Dr. h. c. mult. Sir Timothy John Berners-Lee schreibt am Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (CERN) das Papier „Information Management: a Proposal“ – ein Entwurf für die Entwicklung des World Wide Web (WWW). 1990 Das Internet wird für die kommerzielle Nutzung freigegeben und ist daher auch außerhalb der amerikanischen Streitkräfte und von Universitäten zugänglich. 1994 Die Zahl der kommerziellen Nutzer des Internets übersteigt erstmals die der wissenschaftlichen Nutzer. Es gibt rund 3 Millionen InternetRechner. 1995 Microsoft Internet Explorer Versionen 1.0, 1.5 und 2.0 Das Deutsch-EnglischOnlinewörterbuch Leo startet auf einem Rechner des Instituts für Informatik an der Technischen Universität München. 1996 Der Nachrichtenticker Heise online startet. Er ist heute der meistbesuchte deutschsprachige IT-Newsticker und gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen News-Portalen. 1998 Im September geht eine Internet-Suchmaschine unter dem Namen Google online, ihr Vorläufer BackRub startete bereits 1996. Heute zeigen übereinstimmende Statistiken Google mit Marktanteilen von mehr als 80 Prozent aller weltweiten Suchanfragen als Marktführer. 2001 Die im März gegründete Universalenzyklopädie Wikipedia in deutscher Sprache ist mit rund 1,2 Millionen Artikeln die zweitgrößte nach der englischen, die über 3,5 Millionen Artikel enthält (Stand 2/2011). Der Name Wikipedia setzt sich zusammen aus „Wiki“, dem hawaiischen Wort für „schnell“ und „Encyclopedia“, dem englischen Wort für „Enzyklopädie“. 2006 Erste Erwähnung des Begriffs Cloud-Computing Gründung von Wikileaks Im Netz ist wenig geheim, und die Garantien für Sicherheitsmaßnahmen fallen bisweilen „wolkig“ aus. Rechtlich erfolgt die Bereitstellung von Nutzung von Clouds im Rahmen eines Schuldvertrags, aus dem sich viele juristische Fragen ergeben können: Haftung und Gewährleistung und der Schutz von Urheber- und Patentrechten sowie von Ergebnissen kapitalintensiver Forschung und Entwicklung scheinen noch nicht befriedigend gelöst. Hacken und Knacken Besonders viele deutsche Unternehmen halten teures Wissen beim Cloud-Computing für gefährdet. Zuletzt sorgte der Rauswurf der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks von Amazons Servern für Zweifel. Eine Sprecherin der amerikanischen Electronic Frontier Foundation (EFF) betonte: „Jedes Unternehmen muss wissen: Wer seine Daten an Dritte auslagert, unterwirft sich deren Geschäftsbedingungen“, – und auch den Rechtsgrundlagen des jeweiligen Landes, in dem der Service-Anbieter seinen Sitz habe. Prominente Unterstützung erhalten Skeptiker durch Internet-Legende Richard Stallman, den Vater des Open-Source-GNU-Projekts. Aus Anlass der Präsentation des Cloud-basierten Google-Betriebssystems Chrome OS sagte er im Dezember letzten Jahres der britischen Tageszeitung „The Guardian“: „Es geht darum, einem Dritten die eigenen Daten anzuvertrauen und die Rechenarbeit zu überlassen – und damit auch die Kontrolle. Der Begriff ‚Careless Computing‘ wäre vielleicht treffender.“ Für Privatpersonen, die Clouds von InternetUnternehmen wie Google, Apple oder Facebook für ihre Mail-Accounts, Musik-Downloads oder Foto- Evonik-Magazin 1 | 2011 50_Evonik_01-11_DE 50 11.03.11 11:54 E N T D E C K E N 51 Wolkenlücken Wie ein Philosoph eine Talkrunde von IT-Spezialisten mit seiner Sicht auf Clouds belebt Am Lawrence Berkeley National Laboratory forschen 4.000 Wissenschaftler und Studenten zu Energiesystemen – in der Cloud S U M M A RY • Cloud-Computing ist die Idee, Rechenkapazitäten, Datenspeicher und Softwareprogramme über ein Netzwerk zur Verfügung zu stellen. • Der Zugriff ist mit jedem Rechner oder Smartphone von jedem Ort der Welt möglich, eine digitale „Wolke“ umgibt uns. • Die Cloud bietet Perspektiven für die Forschung, Teile der Wirtschaft und im sozialen Bereich. 51_Evonik_01-11_DE 51 FOTOS: DIGITALVISION, PICTURE-ALLIANCE (2), PLAINPICTURE, JIM RAKETE/PHOTOSELECTION archive nutzen, ist außerdem interessant, dass diese Daten für die US-Regierung per Gesetz viel leichter zugänglich sind als auf dem Computer gespeicherte Dokumente, für die eine richterliche Anordnung vorliegen muss. Der strengere deutsche Datenschutz verliert in der globalen Wolke seine Wirkung. Und dass Facebook-Chef Mark Zuckerberg kein großer Fan von Privatsphäre ist, sollte auch jeder wissen. Die „Financial Times“ Deutschland zitiert Martin Schweinoch, Fachanwalt für IT-Recht in der Kanzlei SKW Schwarz: „Alle Beteiligten betreten Neuland. Die Technik ist schneller als Recht und die Juristen.“ Das zeigte ein deutscher IT-Experte. Er hatte das WLAN-Passwort seines Nachbarn mit dessen Erlaubnis binnen 20 Minuten geknackt. Bei der rechenintensiven Attacke half ihm der Cloud-Computing-Service von Amazon. Beim Passwort-Knacken hatte der von Amazon angemietete Dienst namens WPACracker 70 Millionen Wörter aus dem Wörterbuch durchprobiert – und war dabei Hunderte Male schneller als ein herkömmlicher Quad-Core-Prozessor. Die Rechnung für die Vermietung der gigantischen Rechnerkapazität von gleichzeitig 400 Computern: 2 US-$. „Die Geschichte der Wolken – 99 Meditationen“. Dieses Buch von Dichter und Schriftsteller Dr. Hans Magnus Enzensberger war Anlass für die Veranstalter, den Autor im Januar zum Digital-Kongress DLD nach München einzuladen. Auf dem Podium gesteht der vielseitige Intellektuelle: „Ich bin ein sehr analoger Mensch. Für mich lautet die spannende Frage: Wie können wir die sehr verschiedenen analogen und digitalen Codes in unserem alltäglichen Leben in Einklang bringen?“ Es sei sehr ungewöhnlich, dass ausgerechnet in der ITSprache, in der sonst ein für Laien unverständliches Kauderwelsch vorherrsche, ein so poetischer Begriff wie „Wolke“ für ein technologisches Konzept gewählt würde. „Das finde ich genial, aber auch sehr mutig. Denn Wolken sind unbeständig, sie verändern ständig ihre Form – man kann sich nicht auf sie verlassen. Und es gibt Menschen, denen ist beim Gedanken an Cloud-Computing etwas unbehaglich. Sie denken daran, dass Wolken Löcher haben, Löcher, aus denen womöglich Daten regnen könnten.“ Die IT-Branche müsse zuerst Vertrauen aufbauen, um hier erfolgreich sein zu können. Jedes kleine Kind habe es schon erlebt: Wolken seien gut für die Vorstellungskraft. „Sie regen die Fantasie an. Und sie sind gut gegen schwermütige Gedanken – oft besser als ein Therapeut.“ Und beides sei schließlich auch gut für IT-Experten. Hans Magnus Enzensberger findet den der Poesie entliehenen Begriff der Wolke als Bezeichnung für Datennetzwerke „genial“ 07.03.11 11:08 52 L E B E N Im Rausch der Daten Tom Schimmeck traf Prof. Dr. Peter Steenkiste. Gesucht: ein neues Herz fürs Internet ILLUSTRATION PETER PICHLER „WIR HABEN ein großes Projekt am Wickel“, meint Peter Steenkiste. Der Professor für Informatik, Elektro- und Computertechnik an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (Pennsylvania, USA) ist „Principal Investigator“ bei einem Projekt des Future Internet Architecture Program, finanziert von der US-amerikanischen National Science Foundation. Es gehe darum, dem Internet „einen neuen Kern einzupflanzen“, sagt Steenkiste. Eine Art Herztransplantation fürs weltweite Netzwerk. Die Infrastruktur des Netzes, sagen Experten, werde kaum die nächsten zehn Jahre durchstehen. Der Hauptgrund: die Springflut der Daten. Noch 1994 tröpfelten gerade einmal 0,02 Petabyte (20 Billionen Bytes) im Monat durch das Internet. 2010 waren es wohl über 20 Exabyte (20 Trillionen Bytes). Als Peter Steenkiste 1982 seinen Ingenieursabschluss machte, zeigten Computermonitore noch grün flackernde Buchstaben. Per Modem wählte man sich ins Netz ein. „Die Leistung der Verbindungen hat sich enorm verändert, die Technologie des Internets dramatisch verbessert“, sagt der Mann mit dem grauen Bart. Doch Tempo ist nicht alles: „Es macht einen Unterschied für die Nutzer und lässt auch mehr Nutzer teilhaben. Aber es ändert nicht das Fundament, die Protokolle.“ Genau das ist der Job der InternetReformer: ein Fundament zu gießen, auf dem sich die globalen Datenströme noch effizienter, verlässlicher und auch sicherer bewegen können. „Das Internet steht unter enormem Druck.“ Längst sind nicht mehr nur Abermillionen Computer verbunden, sondern auch Sensoren und Gerätschaften aller Art. Alles wird vernetzt, von der Kamera bis zum Kühlschrank. „Aber es ist schwer, all die neuen Möglichkeiten in das System zu integrieren.“ Und der Boom geht weiter. An die 2 Milliarden Menschen benutzen bereits das Internet. Nicht nur in der reichsten Welt. Das stärkste Wachstum fand in den letzten zehn Jahren in Afrika (+2.300 Prozent), Nahost (+1.800 Prozent), Mittel- und Südamerika (+1.000 Prozent) und Asien (+600 Prozent) statt. Bis 2014, schätzt der Netzwerkkonzern Cisco Systems, wird sich der Datenstrom erneut verdreifachen. Vor allem, weil immer mehr datenschwere Videos über das Netz fließen. 2014, so die Prognose, werden sie über 90 Prozent des Datenverkehrs ausmachen, man würde mehr als zwei Jahre brauchen, um die Bewegtbilder, die binnen nur einer Sekunde durch die globalen Internet-Protokoll(IP)-Netze fließen, zu betrachten. 2014 soll der monatliche Internetfluss ein Gesamtvolumen erreichen, das 16 Milliarden DVDs, 21 Billionen Songs im MP3-Format oder 400 Billiarden SMSNachrichten entspricht. War solch rasantes Wachstum vor 25 Jahren vorhersehbar? „Ich glaubte an den Erfolg des Internets“, erzählt Steenkiste, der 1987 in Stanford promoviert wurde, „aber das hat keiner erwartet. Noch faszinierender ist die Frage, wie das Netz in 20 Jahren aussehen wird.“ Die Welt braucht eine Verbesserung der Funktionalität: „Die wissenschaftliche Herausforderung lautet: Wie schaffe ich das alles, ohne dem Netzwerk noch mehr Komplexität aufzuladen?“ Der Kern ist nämlich schlicht: „Ein sehr einfaches Protokoll, das nur sieht: Da sind ein Paket, ein Absender und eine Adresse.“ Und dann versucht es, dieses Paket abzuliefern. Dieses IP gibt dabei keine Garantien. „Es macht es, so gut es kann, sehr minimal.“ Was muss geschehen? Das Internet drehe sich bis heute um Hosts, weiß der Professor, also um Rechner, die Daten aller Art anbieten. „In Zukunft muss sich das Internet um die Inhalte zentrieren. Bei modernen Diensten wie einer Suchmaschine ist es gleichgültig, wo der Host steht. „Die Frage ist also: Wie finden wir ein ähnlich minimalistisches Interface, das für Inhalte und Dienste funktioniert?“ „Es muss schlicht und elegant bleiben. Und doch alle Funktionen unterstützen. Denn alles andere baut darauf auf.“ Steenkiste wird mit Kollegen von Carnegie Mellon, der Boston University und der University of Wisconsin die nächsten drei Jahre an einer Lösung werkeln. 2012 soll ein erster Prototyp laufen. Eine enorme Verantwortung? „Ach“, sagt der Computerfreak, „es ist ein toller Job. Es bringt Spaß.“ Evonik-Magazin 1 | 2011 52_Evonik_01-11_DE 52 11.03.11 11:41 Evonik global Einmal um die Welt gereist, zu internationalen Evonik-Standorten 54 Russland CyPlus GmbH: Innovative Technik von Evonik Industries macht die Goldsuche in Nishni Nowgorod effizienter Interview: Frank Harenburg, Geschäftsführer der CyPlus GmbH über die Produktionsanlage für Natriumcyanid und den russischen Goldmarkt 55 Südkorea HPPO: Wie aus einem Problemmarkt neue Anwendungsbereiche mit Wachstumschancen entstehen 56 China ROHACELL: Im ersten Passagierjet aus chinesischer Entwicklung fliegt ein Hartschaumstoff von Evonik mit Die MD-11 war vor mehr als 20 Jahren der erste Passagierjet, bei dem ROHACELL eingesetzt wurde 57 Taiwan PLEXIGLAS: Die schöne Insel ist ein wichtiger Standort für Evonik Industries und die Region – wie drei Gemeinschaftsunternehmen zeigen 58 Niederlande Ubiflex: Innovation fürs Dach – wie Dachdeckern die Arbeit erleichtert werden kann Jubiläum am Himmel U S A Vor über 20 Jahren absolvierte ROHACELL in den USA den Jungfernflug im zivilen Flugzeugbau FOTO: ALEXANDRA VOSDING, ILLUSTRATION: PICFOUR 58 Kompakt Brasilien: Großer Auftritt für DEGAROUTE Indonesien: Neue Aufgaben für PT Evonik Indonesia Südkorea: Vierjahresvertrag mit Hankook Tire China: Bewährte Partnerschaft mit der Jushi Group D er 10. Januar 1990 war ein besonderer Tag für den Flugzeugbauer McDonnell Douglas. Am Flughafen von Long Beach, Kalifornien (USA), hob zum ersten Mal die neu entwickelte MD-11 ab. Auch in Deutschland wurde der Start mit Spannung verfolgt. Mit an Bord war erstmals ROHACELL als Teil eines zivilen Passagierjets. Die Abdeckung an den Flügelklappen war aus ROHACELL gefertigt worden. Zuvor hatte die US-amerikanische Federal Aviation Administration (FAA) drei Jahre lang Material und Produktionsprozess akribisch geprüft. Erst danach gab es die Zulassung. Heute ist das Material aus dem zivilen Flugzeugbau nicht mehr wegzudenken. Rumpfsegmente, Druckschotts, Flügelteile – selbst bei den kritischen Teilen eines Flugzeugs hat sich Hartschaumstoff bewährt und durchgesetzt. Der Start der MD-11 vor über 20 Jahren öffnete die Tür für eine Zukunft über den Wolken. Evonik-Magazin 1 | 2011 53_Evonik_01-11_DE 53 11.03.11 11:43 54 G L O B A L Glänzende Geschäfte R U S S L A N D Im wirtschaftlichen Mittelpunkt Russlands setzt sich eine Technologie von Evonik Industries durch, die eine effiziente und sichere Goldextraktion ermöglicht W enn Moskau Russlands Herz ist, dann ist Sankt Petersburg der Kopf und Nischni Nowgorod die Tasche.“ Die russische Volksweisheit kennt Nischni Nowgorod, die fünftgrößte Stadt des Landes, schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Handelsdrehscheibe. Zu Sowjetzeiten war die Stadt unter anderem die Heimat eines gigantischen Chemiekombinats, heute ist sie eine der wichtigsten Handels- und Industriestädte der Russischen Föderation. Hier, rund 400 Kilometer östlich von Moskau, wo die Oka in die Wolga mündet, entsteht nun auch eine neue Drehscheibe für ein wichtiges Produkt der Evonik Industries AG. Denn Ende 2011 wird hier das russische Unternehmen Korund Cyan eine der modernsten Produktionsanlagen der Welt für Natriumcyanid in Betrieb nehmen. Zum Einsatz kommt dabei das innovative Verfahren der CyPlus GmbH, eines 100-prozentigen Tochterunternehmens der Evonik Industries AG. „Dank jahrelanger Optimierung ist die CyPlusTechnologie heute spitze in Sachen Anlagensicherheit und Kosteneffizienz“, erklärt Frank Harenburg, Geschäftsführer der CyPlus GmbH. FOTO: GETTY IMAGES Kunden rund um den Globus Gebaut wird die Anlage von einem deutschen Lizenznehmer, der EPC Engineering Consulting GmbH im thüringischen Rudolstadt. Bereits Ende 2010 hat der Gouverneur der Region Nischni Nowgorod den Grundstein zum Bau gelegt, derzeit wird die Anlage bis ins kleinste technische Detail konfiguriert. Gleichzeitig wird die ergänzende Anlage geplant, die den Ausgangsstoff für die Natriumcyanid-Produktion, Cyanwasserstoff, liefern wird. Auch diese wird in Lizenz gebaut, basiert auf einer Technologie von Evonik, und die gezielte Kombination der beiden Anlagen trägt zur überlegenen Effizienz bei. Ab Ende 2011 wird die Anlage von Korund Cyan rund 40.000 Tonnen Natriumcyanid jährlich produzieren kön- Begehrtes Edelmetall: Die Nachfrage nach Gold steigt – und damit auch die Exploration von Golderzen, bei denen das Metall nur mit Einsatz moderner Technologie erschlossen werden kann nen. Diese Chemikalie, von der weltweit nur rund 600.000 Tonnen jährlich hergestellt werden, wird größtenteils im Edelmetallbergbau eingesetzt. Hier dient sie dazu, gebundenes Gold – aber auch Silber – aus dem Gestein zu lösen. „Laugen“ sagen die Fachleute dazu. Das Gold im Erz ist häufig unsichtbar und chemisch zum Beispiel mit Schwefel verbunden. Stark verdünnte Natriumcyanidlösung löst das Gold aus dieser chemischen Verbindung. Mithilfe von Aktivkohle und einer anschließenden Elektrolyse gewinnen moderne Bergbauunternehmen so das begehrte Edelmetall sogar aus Erz, das nur ein Gramm Gold pro Tonne enthält. Anschließend kann das als sehr giftig eingestufte Natriumcyanid im Prozess wiederverwendet oder verhältnismäßig einfach unschädlich gemacht werden. Evonik selbst hat in Wesseling und Antwerpen Anlagen zur Produktion von Natriumcyanid. Der Konzern ist damit das einzige Unternehmen, das mehr als eine solche Anlage betreibt, und zählt zu den Top-fünf-Produzenten weltweit. Die Kunden liegen rund um den Globus verteilt. Die größten Goldproduzenten sind China, Australien, die USA, Kanada und Südafrika. Silber kommt vor allem aus Mexiko und Peru. Russland gehört ebenfalls zu den Top Ten der Goldproduzenten. Hier werden pro Jahr knapp 180 Tonnen gefördert, rund acht Prozent der weltweiten Fördermenge von gut 2.300 Tonnen jährlich. Weil die Goldreserven im russischen Riesenreich weit verstreut zu finden sind, stellt Nischni Nowgorod einen guten Kompromiss dar: nah genug an den Kunden, direkt an der Rohstoffversorgung mit Erdgas und mitten in einem Logistik-Netz, das bis in die tiefsten Winkel der Russischen Föderation reicht. Manchmal lohnt es sich, den Volksweisheiten zu glauben. Evonik-Magazin 1 | 2011 54_Evonik_01-11_DE 54 11.03.11 13:33 Kompromisslos sicher FOTO: PLAINPICTURE R U S S L A N D Frank Harenburg, Geschäftsführer der CyPlus GmbH, über die Natriumcyanid-Anlage, den Goldmarkt und die CyPlus-Marktposition Polyurethan ist einer der beliebtesten Kunststoffe und überall im Einsatz – in der Couch, im Auto, im Haus. Dank des neuen Verfahrens von Evonik fallen bei der Herstellung fast keine Nebenprodukte an Bislang hat die Evonik Industries AG Natriumcyanid nur selbst produziert. Warum nicht in Nischni Nowgorod? Der russische Markt ist weit ausgedehnt. Der Aufbau einer eigenen Logistik hätte zu viel Zeit in Anspruch genommen. Darum haben wir uns für die Lizenzvergabe an einen starken russischen Partner entschieden. Wir begleiten Planung, Bau und Inbetriebnahme der Anlage und trainieren sogar die Betriebsmannschaft. Natriumcyanid ist nicht ungefährlich. Wie gewährleisten Sie die Sicherheit für Mensch und Natur? Unsere Kunden und wir beherrschen das Material, wie unsere zahlreichen Selbstverpflichtungen, Sicherheitsprüfungen und -schulungen vor Ort zeigen. Durch unser neues SLS-Verpackungssystem (Solid-to-Liquid-System) kommen unsere Kunden praktisch nicht mehr mit dem Produkt direkt in Kontakt. Für die sichere Abwasserbehandlung bieten wir entsprechende Technologien mit an. Was erwarten Sie vom Markt für Gold und Natriumcyanid? FOTO: EVONIK INDUSTRIES Gold ist sehr stark nachgefragt, und der Cyanidbedarf wächst sehr robust. Aber die Förderung und Erschließung neuer Vorkommen werden schwieriger und teurer. Technologien für noch effizientere Golderzaufbereitung sind also gefragt. Das sind gute Nachrichten für CyPlus, das seinen Kunden maßgeschneiderte Problemlösungen anbietet. Frank Harenburg, Geschäftsführer der CyPlus GmbH: „Technologien für effiziente Golderzaufbereitung sind gefragt“ Ein Markt entsteht S Ü D K O R E A Die weltweit erste HPPO-Anlage in Südkorea bewährt sich im Alltag – und sorgt auch anderswo in Asien für Interesse A m Anfang mancher Erfolgsgeschichte steht oft ein Problem. So war es auch mit dem Wasserstoffperoxid-Geschäft der Evonik Industries AG. Der Konzern ist damit seit mehr als sechs Jahrzehnten erfolgreich und heute der zweitgrößte Hersteller weltweit. Die Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff (kurz HP – für hydrogen peroxide) wird beim Bleichen von Papier und Zellstoff eingesetzt. 600.000 Tonnen im Jahr produziert Evonik, aber das Wachstum des Papiermarktes lässt allmählich nach – auch wegen sinkender Zeitungsauflagen. So grübelten die Entwickler bei Evonik, was man noch mit H2O2 (so die chemische Formel) anfangen könnte – und wurden fündig: Seither wird Wasserstoffperoxid im eigens mit dem Ingenieurunternehmen Uhde entwickelten HPPO-Verfahren eingesetzt, um Propylenoxid (PO) herzustellen, einen wichtigen Grundstoff für die Kunststoff industrie. Schon 2008 hat Evonik zusammen mit der südkoreanischen SKC die erste großindustrielle Anlage in Ulsan in Betrieb genommen. Die neue Technologie bietet wirtschaftliche Vorteile und ist besonders umweltfreundlich. Anders als bei anderen Verfahren entstehen beim HPPO-Verfahren keine Nebenprodukte in nennenswerter Menge – außer Wasser. Das H2O2 gibt ein Sauerstoffatom an das Propylen ab, übrig bleibt H2O. Dazu beliefert Evonik die Anlage aus der Nachbarschaft mit HP. Der Verbund zahlt sich aber auch für Evonik aus. Für jede Tonne PO liefert Evonik circa 700 Kilogramm HP. „Die typi- sche Größe für eine HPPO-Anlage liegt bei circa 300.000 Jahrestonnen“, erklärt Tibor Kovacs vom technischen Marketing. „Das sind dann also mehr als 200.000 Jahrestonnen Wasserstoffperoxid, die Evonik einem solchen Werk liefern kann.“ Mit drei solcher Anlagen hätte Evonik demnach schon das gesamte Volumen seines heutigen Bleich-Geschäftes eingeholt. Dass sich das Verfahren etablieren wird, davon geht man bei Evonik aus. Starkes Interesse Das indische Unternehmen Gujarat Alkalies and Chemicals Limited (GACL) plant bereits eine HPPO-Anlage im westindischen Gujarat, die von einer HP-Anlage von Evonik „über den Zaun“ versorgt wird. „Die Nachfrage nach Propylenoxid hier und anderswo in Asien scheint geradezu zu explodieren“, sagt Kovacs. Kein Wunder: Propylenoxid wird vor allem für die Produktion von Polyurethan benötigt, einem heiß begehrten AllroundKunststoff. Isolierschäume im Kühlschrank, Möbelpolster, Matratzen und fast der gesamte Innenraum moderner Autos – Polyurethan steckt in fast allem, was heute vor allem in Asien hergestellt wird. Derweil wird in vielen PO-Anlagen Asiens noch das wenig effiziente Chlorhydrin-Verfahren eingesetzt, das in den nächsten Jahren durch neue Verfahren ersetzt werden muss. Interessenten aus anderen asiatischen Industrieländern haben die Anlage in Südkorea besichtigt und starkes Interesse angemeldet. Evonik-Magazin 1 | 2011 55_Evonik_01-11_DE 55 07.03.11 11:20 56 G L O B A L FOTO: PHOTOSHOT Erster chinesischer Passagierjet C919 für den Heimatmarkt: Gegenwind für Airbus und Boeing und Auftrieb für ROHACELL als wichtiges Baumaterial im modernen Flugzeugbau Macht Chinesen Flügel C H I N A Die Volksrepublik will den riesigen Binnenmarkt mit Passagierflugzeugen aus eigener Produktion versorgen. ROHACELL von Evonik Industries ist mit an Bord C hina steigt auf. Die Welt staunt nicht schlecht über die riesigen Sprünge, die das Reich der Mitte jüngst im zivilen Flugzeugbau gemacht hat. Jetzt folgt die erste zivile Passagiermaschine, die sich mit den Platzhirschen des zivilen Flugzeugbaus Airbus und Boeing durchaus messen kann. Mit an Bord: der Hartschaumstoff ROHACELL der Evonik Industries AG. Im Prototyp des ersten großen chinesischen Passagierflugzeugs, der C919, hat das Material erfolgreich seine herausragenden Eigenschaften – Gewichtsreduzierung, Belastbarkeit und Verlässlichkeit – bewiesen. Im Kabinendruckschott verbessert ROHACELL beispielsweise die Steifigkeit und Knickfestigkeit des Bauteils. In fünf Jahren soll die C919 ihren regulären Flugdienst antreten. Damit will China die Vormachtstellung von Boeing und Airbus angreifen, die den Weltmarkt bislang unter sich aufteilen. Die C919 gilt als direkte Konkurrenz zu den Kurzstrecken-Jets Airbus A320 und der Boeing 737. Sie soll je nach Version zwischen 150 und 200 Passagiere befördern können und auch in der Reichweite mit der Konkurrenz gleichziehen. Made for China Für den Weltmarkt ist die Maschine dennoch zunächst nicht gedacht. Vor allem der riesige und stetig wachsende heimische Markt steht für die Chinesen im Fokus. Fachkreise sprechen von 3.000 bis 4.000 Jets, die das Reich der Mitte in den kommenden 20 Jahren benötigt. Bei seinem Staatsbesuch in den USA Mitte Januar bescherte Chinas Präsident Hu Jintao dem amerikanischen Flugzeugbauer Boeing einen Auftrag für 200 Flugzeuge vom Typ B737 und B777 in Höhe von rund 14 Milliarden €. Gleichwohl zeigt die C919, dass künftig in der zivilen Luftfahrtindustrie mit China gerechnet werden muss. Der chinesische Flugzeugbauer Commercial Aircraft Corporation of China (COMAC) setzt auf modernste und etablierte Technik wie hocheffiziente Triebwerke von General Electric – und auch Verbundwerkstoffe auf Basis von ROHACELL, das sich im Flugzeugbau seit Jahrzehnten bewährt hat und immer weitere Anwendungen findet. Bei der Konstruktion des chinesischen Jets zahlte sich die große Erfahrung von Evonik Industries im Flugzeugbau aus. Innerhalb von nur fünf Monaten konnte nach chinesischen Vorgaben das hochwertige und gebrauchsfertige Formteil aus ROHACELL für den Prototyp gefertigt werden. Die schnelle Fertigstellung und die Eigenschaften von ROHACELL haben überzeugt. COMAC, die ihren C919-Prototyp Ende 2010 auf der Airshow China im südchinesischen Zhuhai zeigte, wird auch künftig auf ROHACELL und Evonik als Partner bauen. Bereits im chinesischen Regionaljet ARJ21-700 wird das Material erfolgreich in Flügelteilen eingesetzt. So beflügelt also ROHACELL die chinesische Flugindustrie. Evonik-Magazin 1 | 2011 56_Evonik_01-11_DE 56 11.03.11 13:34 G L O B A L 57 Powerhouse vor der Küste TA I WA N steht oft im Schatten des Wirtschaftswunders in der Volksrepublik China. Dabei trägt Taiwan gehörig zum Wirtschaftsboom der Region bei ie Kleinen gehen im Spiel der Großen oft unter: Darunter leidet manchmal auch der Inselstaat Taiwan. Im Vergleich zum riesigen Nachbarn, der Volksrepublik China, ist das ehemalige Formosa wahrlich ein Zwerg. Wirtschaftlich aber braucht sich die „schöne Insel“ („ilha formosa“ nannten sie portugiesische Seefahrer im 16. Jahrhundert) keinesfalls zu verstecken. Dr. Gerard Berote, President der Evonik Degussa Taiwan Ltd., erklärt vielmehr: „In der Greater China Region erzielten wir einen Umsatz von rund 1,2 Milliarden € im vergangenen Jahr. Davon entfiel fast ein Viertel – nämlich etwa 290 Millionen – auf Taiwan.“ Worauf basiert die überproportionale Bedeutung des kleinen Inselstaats? Genaugenommen auf drei Unternehmen an drei Standorten: wie das Beteiligungsunternehmen Evonik Forhouse Optical Polymers Corporation in T’aichung. Es steht für eine Erfolgsgeschichte in Sachen Polymethylmethacrylat (PMMA), besser bekannt als PLEXIGLAS. Das deutschtaiwanesische Beteiligungsunternehmen produziert Optical Grade PMMA, lupenreines PLEXIGLAS, aus dem die Lichtleiterplatten für moderne LCD-Flachbildschirme für Computer, Handys und Fernseher hergestellt werden. Sie sorgen für lichtstarkes und gleichmäßiges Bildvergnügen und bescheren dem Konzern seit Jahren immense Umsatzzuwächse. In zwei Ausbaustufen soll die Kapazität für die Herstellung des Materials bis 2012 auf 80.000 Tonnen pro Jahr verdoppelt werden. Kieselsäure aus dem Pfirsichgarten Mit Lichtleitern hat auch der zweite Standort zu tun: In der Hauptstadt Taipeh produziert die Evonik Industries AG ebenfalls in einem deutsch-taiwanesischen Gemeinschaftsunternehmen Linsen aus Silica-Glas. Die Kooperation basiert auf einer Technologie, die von Evonik in Italien entwickelt wurde. Die sogenannte SIVARA Sol-Gel-Technologie erlaubt es, auch FOTO: THINKSTOCK D Leichtlaufreifen mit ULTRASIL von Evonik sind auch in Asien sehr gefragt, wegen ihrer guten Eigenschaften bei Abrieb und Nässe – und weil sie beim Spritsparen helfen winzig kleine Strukturen aus gegossenem Glas zu produzieren. Die Standardlinsen des Gemeinschafts unternehmens sind gerade einmal zwischen drei und fünf Millimetern groß und halten auch extrem hohen Temperaturen stand. Rund 20 Millionen solcher Linsen kann Evonik jedes Jahr herstellen. Innerhalb der kommenden zwei bis drei Jahre sollen es rund 150 Millionen pro Jahr werden. Denn das Evonik Cristal Materials Corporation benannte Beteiligungsunternehmen erzielt rund die Hälfte seines Umsatzes im Solarmarkt – mit Linsen für die konzentrierte Fotovoltaik. Dabei wird das Sonnenlicht mit Linsen auf besonders leistungsstarke Solarzellen gebündelt. Der Markt liegt nicht nur in Asien, sondern auch in Europa, wo im sonnenverwöhnten Mittelmeerraum konzentrierte Fotovoltaik Erfolg versprechend eingesetzt wird. Zum Aufbau weiterer Forschungs- und Entwicklungskompetenz in der Licht- und Elektronik industrie startet Evonik in Taiwan auch das Advanced Project House „Light & Elec tronics“, das im April 2011 seine Arbeit aufnimmt. Die dritte Erfolgsgeschichte aus Taiwan spielt in T’aoyüan, im Nordwesten der Insel. Der „Pfirsichgarten“, wie der chinesische Name sagt, ist seit 35 Jahren die Heimat der taiwanesischen Produktionsanlage für gefällte Kieselsäure. Heute werden hier vor allem die Reifenkieselsäuren der Marke ULTRASIL sowie Spezialsilikate für biowissenschaftliche und chemische Anwendungen produziert, rund 30.000 Tonnen davon jährlich. Die Reifenkieselsäuren sind vor allem für die Produktion von Leichtlaufreifen bestimmt, die bei gleicher Rutschfestigkeit und gleicher Abriebfestigkeit den Rollwiderstand und damit den Treibstoffverbrauch von Autos senken. Neue Gesetze in Südkorea und Japan, die solche SpritsparReifen begünstigen, sind nur einer von vielen Gründen, warum noch 2011 mit dem Kapazitätsausbau auf 50.000 Jahrestonnen begonnen wird. Kein Wunder also, dass die rund 200 Beschäftigten, die derzeit in Taiwan für Evonik Industries arbeiten, keinen Grund sehen, sich vor dem großen Nachbarn zu verstecken. Evonik-Magazin 1 | 2011 57_Evonik_01-11_DE 57 07.03.11 11:34 58 G L O B A L KOMPAKT Bleifreie Dächer N I E D E R L A N D E Die Alternative zur Bleiisolierung von Dächern kommt aus den Niederlanden – und aus der Produktpalette von Evonik Industries D as Gewerbe der Dachdecker war jahrhundertelang eine ganz eigene Kunst. Nicht zuletzt, weil sich nicht jeder Bauherr traute, auch wirklich aufs Dach zu steigen, um den Männern bei der Arbeit über die Schulter zu schauen, waren Dachdecker oft ihre eigenen Herren. Die Redewendung „das kannst du halten wie ein Dachdecker“, soll daher rühren. Doch eine uralte Tradition im Dachdecken scheint – angestoßen von der Baumittelindustrie – nun bald ein Ende zu finden, und das ist auch gut so: Das Blei, mit dem seit jeher etwa Kanten von Schornsteinen und vieles mehr auf dem Dach abgedichtet wurden, wird endlich abgelöst durch ein neues und modernes Eindeckmaterial, das deutlich mehr kann als die bisher eingepassten Bleche. Gemeinsam mit den beiden niederländischen Unternehmen Bitufa Waterproofing B.V. aus Wapenveld und Ubbink B.V. aus Doesburg hat die Evonik Industries AG ein umwelt- und gesundheitsschonendes Ersatzprodukt entwickelt. Ubiflex, wie die Innovation getauft wurde, ist 100 Prozent bleifrei, lässt sich aber genauso formen, hämmern und kleben wie die bislang verwendeten Bleimatten. Basis des Materials ist eine mit VESTOPLAST, einem Produkt von Evonik, modifizierte Bitumenbahn, die mit einem dehnbaren Aluminiumträger kombiniert wird. Umweltschonend und leicht Das Ergebnis: Bei der Herstellung des Eindeckmaterials wird die Umwelt deutlich weniger belastet, und die um 70 Prozent leichteren Rollen können deutlich länger verarbeitet werden. Auf dem fertigen Dach werden zudem die übrigen Materialien am Bau geschont: Aluminium, Zink und Kupfer in den Regenwasser-Ableitungssystemen etwa werden vom ausgespülten Blei im Regenwasser stark angegriffen und sollten künftig dank Ubiflex ebenfalls länger halten. Neues Standbein Indonesien PT Evonik Indonesia ist ab sofort die umfassende Vermarktungsplattform für das gesamte Produktspektrum der Evonik Industries AG für Indonesien. Um näher am schnell wachsenden indonesischen Markt zu sein, wurde der seit Langem erfolgreiche Wasserstoffperoxidhersteller unter dem Dach von Evonik zum Konzernstandbein im größten südostasiatischen Inselstaat ausgebaut. Läuft rund Südkorea Mit einem Vierjahresvertrag sichert sich der weltweit siebtgrößte Reifenhersteller, die südkoreanische Hankook Tire, die Belieferung mit hochdispersiblen Kieselsäuren der Evonik Industries AG. Damit soll in Asien und Europa die Silica-Silan-Technologie für moderne Leichtlaufreifen vorangetrieben werden. Der Absatz von Kieselsäure wird sich innerhalb der Vertragslaufzeit verdoppeln. Bewährte Partnerschaft China Die Jushi Group, Chinas größter Glasfaserhersteller, hat mit dem Geschäftsbereich Inorganic Materials der Evonik Industries AG einen langfristigen Liefervertrag für DYNASYLAN abgeschlossen. Nach der Verleihung des „Supplier of Excellence Award“ an Evonik im vergangenen Jahr bestärkt der Glasfasergigant so ein weiteres Mal die Partnerschaft im chinesischen Wachstumsmarkt. FOTO: PR Hingucker Bleifreie Zukunft für Dachdecker: Ubiflex, die mit dem Evonik-Produkt VESTOPLAST modifizierte Bitumenplatte, hat viele gute Eigenschaften: Sie ist leicht, flexibel und umweltfreundlich Brasilien Auf der Fachmesse TranspoQuip in São Paulo präsentierte die Evonik Industries AG zusammen mit über 200 Ausstellern aus 20 Ländern ihre Lösungen für bessere Verkehrsinfrastruktur, ein wichtiges Thema im aufstrebenden Brasilien, das noch immer unter veralteten Straßen und Transportwegen leidet. DEGAROUTE, die Kaltplastikharze von Evonik für erstklassige Fahrbahnmarkierungen, stießen auf reges Interesse. Evonik-Magazin 1 | 2011 58_Evonik_01-11_DE 58 11.03.11 13:33 F I N D E N 59 Bestellen Sie kostenlos weitere Informationen zu den Produkten von Evonik mit der Postkarte links, oder schauen Sie einfach im Internet unter www.evonik.com Auf einen Blick Hier finden Sie, sortiert nach ihrer Erwähnung im Heft, alle Entwicklungen und Produkte der Evonik Industries AG, die in diesem Heft besprochen werden Tierfuttermittel wie DL-Methionin sind ein Schlüssel zur Nachhaltigkeit Vom Winde geweht, Seite 7, sowie Jubiläum am Himmel, Seite 53, und Macht Chinesen Flügel, Seite 56 ROHACELL® heißt der feinporige Hartschaum aus Polymethacrylimid (PMI), den Evonik Industries für die Produktion von hochwertigen und leichtgewichtigen Verbundteilen anbietet. Besonders Sandwich-Leichtbaukonstruktionen im Automobil- und Flugzeugbau, aber auch im Schienenverkehr, in der Medizintechnik und in Sportgeräten werden aus dem genauso verlässlichen wie leichten Material gefertigt. Anwendung: Leichtbau und Isolation Link: www.rohacell.com Lithium-Ionen-Batterien und SEPARION® von Li-Tec Verbaut wurden im Wind Explorer vier Batterieblöcke mit jeweils 14 Batteriezellen mit einer Gesamtleistung von acht Kilowattstunden. Die Batterie ist eine Sonderanfertigung, gleicht den Serientypen jedoch mit ihrer patentierten SeparatorTechnik, die die Batterie vor Überhitzung schützt. Die dazu verwendete keramisch beschichtete Membran trägt den Markennamen SEPARION®. Link: http://nano.evonik.de/sites/nanotechnology/ de/technologie/anwendung/separion Die Suche nach dem ewigen Leben, Seite 21 Polymer EUDRAGIT® hat die Aufgabe, über einen festgelegten Zeitraum kontrolliert Nikotin freizusetzen. Es dient als Matrixgerüst, in das der Wirkstoff eingebettet ist, und sorgt dafür, dass die im Pflaster enthaltene Menge an Nikotin gleichmäßig über 16 beziehungsweise 24 Stunden freigesetzt wird. Anwendung: Nikotinpflaster Link: www.eudragit.com FOTO: SHUTTERSTOCK Die guten Geister sammeln sich, Seite 42 DL-Methionin ist eine essenzielle Aminosäure und wird als Futtermittelergänzung in der Tiernahrung eingesetzt. Aminosäuren sind lebensnotwendig, weil aus ihnen sämtliche Eiweiße aufgebaut sind. Anwendung: Futtermitteladditive Link: http://feed-additives.evonik.com Biolys® versorgt mit der essenziellen Aminosäure L-Lysin. Es wird durch Fermentation hergestellt und enthält zudem wertvolle Nebenprodukte aus der Gärung. Evonik ist das einzige Unternehmen weltweit, das alle vier wichtigen Aminosäuren für die Tiernahrung aus einer Hand anbietet: DL-Methionin, L-Lysin, L-Threonin und L-Tryptophan. Anwendung: Futtermitteladditive Link: www.biolys.com Powerhouse vor der Küste, Seite 57 PLEXIGLAS® ist der Name für Polymethylmethacrylat (PMMA). Der Markenname ist längst zum allgemeinsprachlichen Begriff geworden für den transparenten Kunststoff, der seit über 75 Jahren überall im Alltag herkömmliches Glas mit seinen überlegenen Eigenschaften etwa in Sachen Robustheit, Lichtleitfähigkeit und Leichtigkeit übertrifft. Anwendung: Displays, Verglasungen, Optik, Solarenergiegewinnung und mehr. Link: www.plexiglas.de ULTRASIL® ist die Produktbezeichnung für eine Reihe von gefällten Kieselsäuren, die Evonik Industries speziell für die Produktion von Hochleistungsreifen anbietet. Diese Gummikieselsäure erhöht die Griffigkeit moderner Reifen und verringert gleichzeitig den Rollwiderstand. Das Ergebnis: spritsparende Reifen, die auch bei Nässe sicher sind. Anwendung: Reifenindustrie Link: http://ultrasil.evonik.de Bleifreie Dächer, Seite 58 VESTOPLAST® ist eine Produktlinie mit 17 einzelnen Produkten. Sie werden vor allem in der Herstellung von Klebemitteln und Versiegelungen verwendet und auf die unterschiedlichsten physikalischen Anforderungen zugeschnitten. Sie kommen aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften besonders auch in Heißklebeanwendungen zum Einsatz. Anwendung: Klebemittel Link: www.vestoplast.com Bewährte Partnerschaft, Seite 58 Dynasylan® ist der Markenname, unter dem Evonik Industries verschiedene Silan-Produktfamilien anbietet. Ihre chemische Struktur ermöglicht Silanen eine Bindung mit organischen und anorganischen Molekülen. Dank dieser besonderen Struktur sind Silane in den verschiedensten Märkten und Anwendungen einfach unverzichtbar – von Klebstoffen bis hin zu Pharmazeutika. Anwendung: Lacke, Kleb- und Dichtstoffe, Kunststoffe, Glasfaser oder Pharmazeutika Link: www.dynasylan.de Hingucker, Seite 58 DEGAROUTE® heißt das breite Spektrum spezieller Kaltplastikharze, die Evonik Industries weltweit zur Herstellung langlebiger und umweltfreundlicher Markierungsmassen anbietet. Zum Einsatz kommen sie auf Straßen, Rad- und Fußwegen, aber auch als Signalflächen in Stadien und auf Betriebsgeländen. Die Harze zeichnen sich vor allem durch ihre Anwendungsvielfalt und ihre leichte Verarbeitung aus und lassen sich mit lokal verfügbaren Füllstoffen und Additiven verarbeiten. Anwendung: Markierungsmassen Link: www.degaroute.com Evonik-Magazin 1 | 2011 59_Evonik_01-11_DE 59 11.03.11 09:56 www.evonik.de Schöne Kombinationen gibt’s in Dortmund nicht nur auf dem Spielfeld. Wir stehen hinter dem BVB. 60_Evonik_01-11_DE 60 14.03.11 17:16