- Evonik Industries

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Evonik-Magazin
Evonik-Magazin
CHANCEN FRÜHER BEGREIFEN
1|2011
1| 2011
Die besten Jahre
Die Babyboomer werden erwachsen. Und schaffen einen
neuen Megamarkt – mit ihrem Wunsch, gut zu altern
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14.03.11 17:34
www.evonik.de
Ungewöhnliche Kunststofflösungen
sind für uns nichts Ungewöhnliches.
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14.03.11 17:16
EDITORIAL 3
Ungewohnte Perspektiven
Warum die Chemie wahrlich allen Grund zum Feiern hat.
Mit ihrem „Internationalen Jahr 2011“ tut sie es über den ganzen Erdball
FOTO: CHRISTIAN SCHLÜTER/EVONIK INDUSTRIES
Liebe Leserinnen und Leser!
„Chemie – unser Leben, unsere Zukunft“ lautet das Motto des Internationalen Jahres der Chemie, das die Vereinten Nationen (UN) weltweit
für 2011 ausgerufen haben. Rund um den ganzen Erdball werden Hunderte
Veranstaltungen organisiert, um die Menschen auf die Errungenschaften
der Chemie aufmerksam zu machen.
Dies sollte gut gelingen, denn die viel zitierte „grüne Chemie“ hat
Dr. Klaus Engel, Vorsitzender
des Vorstandes der Evonik Industries AG
heute Schlagzeilen-Qualität. Es spricht sich herum: Wenn wir
unsere Klimaziele erreichen wollen, kann dies ohne Entwicklungen
„Erst die schöpferische
Kraft der Chemie schafft
die Voraussetzungen
für den nachhaltigen
Lebensstil der Zukunft“
der Chemie nicht gelingen.
Ob Solarzellen oder Stromspeicher, Wärmedämmung oder Batterien für
E-Mobilität – die neuen, klima- und ressourcenschonenden Technologien
basieren allesamt auf Entwicklungen der Chemie. Dass wir aus Sonnenkraft
Elektrizität gewinnen können – ohne Chemie undenkbar. Das Gleiche gilt
für die Batterie als Schlüsseltechnologie für die schadstoffarme E-Mobilität.
Für viele mag dies noch ungewohnte Perspektiven eröffnen. Auch
engagierte Chemiekritiker nehmen nach und nach zur Kenntnis, dass die
Chemie eines der wichtigsten Instrumente ist, wenn wir auf der Welt
wirklich etwas bewegen wollen. Denn vor allem anderen kann Chemie
einen wesentlichen Beitrag leisten, wenn die Ernährung der Weltbevölkerung gelingen soll und die Versorgung mit sauberem Wasser.
In diesem Evonik-Magazin finden Sie ab Seite 26 einen großen Überblick über
die Aktivitäten im „Internationalen Jahr der Chemie“. Und wie die Evonik
Industries AG es mit der Nachhaltigkeit hält, zeigen wir an konkreten Beispielen im Beitrag „Gute Geister“ ab Seite 40. Viel Vergnügen beim Lesen!
Herzlichst,
Evonik-Magazin 1 | 2011
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14.04.11 09:14
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Lange leben, aber
nicht alt werden
Wer auch im dritten
Lebensabschnitt
noch attraktiv und fit
sein will, muss
schon früh anfangen –
maßvoll leben,
vernünftig essen und
ein inspirierendes
soziales Umfeld
pflegen SEITE 12
Rar, teuer – und (noch) unersetzlich: Seltenerdmetalle
IMPRESSUM
Herausgeber:
Evonik Industries AG
Christian Kullmann
Rellinghauser Straße 1–11
45128 Essen
Objektleitung/
Leitung Interne
Kommunikation
und Konzernmedien:
Stefan Haver
Chefredaktion:
Urs Schnabel (V.i.S.d.P.)
Art Direction:
Wolf Dammann
SEITE 32
Wie Evonik Corporate Responsibility lebt
Redaktion:
Michael Hopp (Leitung),
Christiane Oppermann
Dokumentation:
Kerstin Weber,
Tilman Baucken; Hamburg
Chef vom Dienst:
Stefan Glowa
Gestaltung:
Teresa Nunes (Leitung),
Anja Giese, Heike Hentschel/
Redaktion 4
Fotoredaktion:
Ulrich Thiessen
Schlussredaktion:
Wilm Steinhäuser
SEITE 40
Verlag und Anschrift der
Redaktion:
Hoffmann und Campe
Verlag GmbH,
ein Unternehmen der
GANSKE VERLAGSGRUPPE
Harvestehuder Weg 42
20149 Hamburg
Telefon +49 40 44188-457
Telefax +49 40 44188-236
E-Mail [email protected]
Evonik-Magazin 1 | 2011
4_Evonik_01-11_DE 4
11.03.11 12:24
I N H A LT 5
EDITORIAL
Evonik
3 Ungewohnte Perspektiven
global
Einmal um die Welt gereist, zu internationalen Evonik-Standorten
Warum die Chemie allen Grund zum Feiern hat
54 Russland
CyPlus GmbH: Innovative Technik von
Evonik Industries macht die Goldsuche
in Nishni Nowgorod effizienter
Interview: Frank Harenburg,
Geschäftsführer der CyPlus GmbH
über die Produktionsanlage
für Natriumcyanid und den russischen
Goldmarkt
INFORMIEREN
55 Südkorea
HPPO: Wie aus einem Problemmarkt
neue Anwendungsbereiche
mit Wachstumschancen entstehen
56 China
ROHACELL: Im ersten Passagierjet aus
chinesischer Entwicklung fliegt
ein Hartschaumstoff von Evonik mit
6 Auf den ersten Blick
Die MD-11
war vor mehr
als 20 Jahren
der erste
Passagierjet,
bei dem
ROHACELL
eingesetzt
wurde
57 Taiwan
Weltkarte: alter Norden, junger Süden – die Weltbevölkerung altert
in rasantem Tempo
PLEXIGLAS: Die schöne Insel
ist ein wichtiger Standort für Evonik
Industries und die Region – wie drei
Gemeinschaftsunternehmen zeigen
58 Niederlande
Ubiflex: Innovation fürs Dach –
wie Dachdeckern die Arbeit erleichtert
werden kann
Jubiläum am Himmel
U S A Vor über 20 Jahren absolvierte ROHACELL in den USA den Jungfernflug
im zivilen Flugzeugbau
58 Meldungen
FOTO: ALEXANDRA VOSDING, ILLUSTRATION: PICFOUR
Drei Minuten mit: Prof. Albert Speer jr. entwarf die Fußball-Stadien für die
WM 2022 in Katar mit einer avantgardistischen Klimatisierung
Brasilien: Großer Auftritt für
DEGAROUTE
Indonesien: Neue Aufgaben für
PT Evonik Indonesia
Südkorea: Vierjahresvertrag
mit Hankook Tire
China: Bewährte Partnerschaft
mit der Jushi Group
D
er 10. Januar 1990 war ein besonderer
Tag für den Flugzeugbauer McDonnell
Douglas. Am Flughafen von Long Beach,
Kalifornien (USA), hob zum ersten Mal die
neu entwickelte MD-11 ab. Auch in
Deutschland wurde der Start mit Spannung
verfolgt. Mit an Bord war erstmals
ROHACELL als Teil eines zivilen Passagierjets. Die Abdeckung an den Flügelklappen
war aus ROHACELL gefertigt worden.
Zuvor hatte die US-amerikanische Federal
Aviation Administration (FAA) drei Jahre
lang Material und Produktionsprozess
akribisch geprüft. Erst danach gab es die
Zulassung. Heute ist das Material aus dem
zivilen Flugzeugbau nicht mehr wegzudenken. Rumpfsegmente, Druckschotts, Flügelteile – selbst bei den kritischen Teilen
eines Flugzeugs hat sich Hartschaumstoff
bewährt und durchgesetzt. Der Start der
MD-11 vor über 20 Jahren öffnete die Tür
für eine Zukunft über den Wolken.
Evonik-Magazin 1 | 2011
53_Evonik_01-11_DE 53
Diskutieren: Wie sympathisch ist die Chemie? Antworten von
Dr. Silvana Koch-Mehrin, Prof. Manfred Güllner,
Prof. Dr.Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herrmann, Marc-Oliver Voigt
und Dr. Rainer Grießhammer
GESTALTEN
12 When I'm 64
Den Jungbrunnen gibt es nicht, aber viele Einsichten in den Alterungsprozess. Sport, vernünftige Ernährung und eine positive Lebenseinstellung
helfen, die unverkennbaren Zeichen des Alterns hinauszuzögern.
Den Wunsch nach einem langen Leben bei guter Gesundheit unterstützen
Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft
ENTWICKELN
26 Celebrate Chemistry!
Mit Tausenden Veranstaltungen wird weltweit das Jahr der Chemie gefeiert –
einen Überblick über die wichtigsten Events gibt es im Heft und im Internet
WISSEN
32 Wettlauf der Schatzgräber
Seltene Erden stecken in allen Hightech-Geräten – deshalb wird nach
Wegen gesucht, die kostbaren Rohstoffe zu recyceln
ERKENNEN
07.03.11 09:52
GLOBAL
53 Einmal um
die Welt zu
internationalen
Standorten
USA: Seit 20 Jahren fliegt
ROHACELL in modernen
Passagierjets mit
Russland: Wie CyPlus
modernen Goldgräbern hilft
Russland: „Kompromisslos
sicher“ – Interview mit dem
CyPlus-Chef
Südkorea: Erfolgreiche
Produktweiterentwicklung
China: Evonik ist beim
ersten chinesischen
Passagierjet mit an Bord
Taiwan: Kleine Insel –
großer Markt
Niederlande: Neues
fürs Dach
FINDEN
40 Die guten Geister sammeln sich
Wie Evonik Corporate Responsibility im Alltag lebt und in Produktentwicklung und Ausbildung integriert
59 Auf einen Blick
Index der im Heft genannten
Produkte
ENTDECKEN
46 Wolkenschieber
Cloud-Computing ist der wichtigste Informationstechnologie-Trend
des Jahres. Doch viele befällt Höhenangst – sie fürchten, die Kontrolle über
Daten und Prozesse zu verlieren
LEBEN
52 Im Rausch der Daten
Celebrate Chemistry
Geschäftsführung:
Dr. Kai Laakmann,
Dr. Andreas Siefke,
Bernd Ziesemer
Objektleitung:
Dr. Ingo Kohlschein
Herstellung:
Claude Hellweg (Leitung),
Oliver Lupp
SEITE 26
Litho: PX2, Hamburg
Druck: Neef+Stumme
premium printing, Wittingen
Copyright: © 2011 by
Evonik Industries AG, Essen.
Nachdruck nur mit
Genehmigung des Verlages.
Der Inhalt gibt nicht in
jedem Fall die Meinung des
Herausgebers wieder
Tom Schimmeck über ein neues Herz für das explosionsartig
wachsende Internet
Kontakt:
Fragen oder Anregungen
zum Inhalt des Magazins:
Telefon
+49 201 177-3340,
Telefax
+49 201 177-3013,
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Fragen zum Versand
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+49 40 68879-139
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+49 40 68879-199
E-Mail
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Biolys®, DEGAROUTE®,
Dynasylan®, EUDRAGIT®,
PLEXIGLAS®, ROHACELL®,
SEPARION®, SiVARA™,
ULTRASIL® und VESTOPLAST®
sind geschützte Marken der
Evonik Industries AG oder ihrer
Tochterunternehmen. Sie
sind im Text in Großbuchstaben
geschrieben
Diese Ausgabe des
Evonik-Magazins finden
Sie auch online
unter www.evonik.de
und als
iPad-app
im App-Store
FOTOS: CORINNA HOLTHUSEN/
PHOTOSELECTION (3), MARKUS
BERTSCHI, INGO RAPPERS, KARSTEN
BOOTMANN, PLAINPICTURE/
FOGSTOCK
TITELFOTOS: CORINNA HOLTHUSEN/
PHOTOSELECTION
Evonik-Magazin 1 | 2011
5_Evonik_01-11_DE 5
11.03.11 12:24
6 INFORMIEREN
Drei Minuten mit ...
Zitat des Monats
Prof. Albert Speer jr.
Der Weltbaumeister
Albert Speer jr. ist
Städteplaner und
Architekt und baut die
Fußballstadien für
Katar 2022
„Zukunft und Wohlstand können wir
nur mit Innovation
und Technologie
sichern. Doch etwas
muss dazukommen:
das Vertrauen
der Menschen“
Ralf Blauth, Arbeitsdirektor und
Vorstand Evonik Industries AG
Evonik in Zahlen
24.000
Mehr als
Patente
und Anmeldungen hält
die Evonik Industries AG.
300
Hochschulen in aller
Rund
Welt kooperieren mit Evonik.
100.000 € spendet
Evonik für die Einrichtung der
Johannes-Rau-Bibliothek im
Schoeler Schlösschen in Berlin.
In dem 1765 errichteten Gebäude
werden 8.000 Bände aus der
privaten Bibliothek des früheren
Landesvaters von NordrheinWestfalen zu finden sein.
FOTO: DIETER SCHWER
Borussia-TV-Spot von Evonik
„Geht doch!“
Werbeauftritt mit Kultfaktor
FOTO: KNSK
Prof. Albert Speer jr. ist Baumeister in vierter Generation.
Während der Großvater noch Villen für rheinland-pfälzische
Zuckerbarone entwarf, der Vater als Hitlers Baumeister den
Umbau Berlins in die Welthauptstadt Germania plante, konzipiert der Junior Masterpläne für Metropolen und Megaevents in
aller Welt. Die Bewerbung Münchens als Austragungsort
der Winterolympiade stammt ebenso aus seiner Feder wie die
Planung von Fußballstadien für die Weltmeisterschaft (WM)
2022 in Katar. Speer wehrt jeden Versuch ab, Verbindungen zu
seinem Vater und dessen Großmannssucht herzustellen.
„Stadtplanung zielt nicht aufs Große, sondern auf das Komplexe.
Und nicht auf das Autoritäre, sondern auf das Integrale“,
doziert der Architekt: „Städte sind demokratischer Natur.“ Das
gelte auch, wenn die Auftraggeber Diktatoren sind.
Größten Wert legt Speer, der sich aus der Geschäftsführung
zurückgezogen hat und jetzt Politiker und Staatschefs berät,
auf Nachhaltigkeit. Doch was bedeutet dieses Gebot in der Stadtentwicklung? Ist es Schönheit, Magie oder Funktionalität? „Wir
bauen Städte, die auch formal von hoher Qualität sind“, sagt er
und fügt hinzu: „Stadtplaner müssen Zeit haben, Städte müssen
sich entwickeln. Ich fürchte, man hat immer weniger Geduld.“
Die Arbeiten des 76-jährigen Visionärs für Katar setzen
in jedem Fall Meilensteine für die Planung künftiger internationaler Großveranstaltungen. Wind und Sonne werden zur
Klimatisierung der Sportstätten genutzt, um die Arenen im
heißen Wüstenstaat auf europäisches Sommerklima zu kühlen.
Nach dem Ende der WM werden die Gebäude abgebaut oder
passend zur Bevölkerung des Emirats verkleinert.
Die Masterpläne der Megaevents nutzt Speer gern für
die Arbeit am großen Ganzen. „Städte entwickeln sich am
besten, wenn die bürokratischen Hemmnisse überwindbar
werden. Wenn alle an einem Strang ziehen und Energien
freigesetzt werden. Die Events beschleunigen Prozesse und
politische Entscheidungen.“ CHRISTIANE OPPERMANN
Pünktlich zum Revierderby am
4. Februar 2011 gegen Schalke
04 ging die Evonik Industries
AG mit einem Werbespot on air.
Der Trikotsponsor von Borussia
Dortmund unterstreicht damit
seine Verbundenheit mit
Jetzt schon Kult:
dem Bundesliga-Tabellenführer.
Borussia-Spot
„Was der BVB und sein
zwölfter Mann von Spieltag zu Spieltag leisten, ist schlicht unglaublich“,
erklärt Markus Langer, Leiter Konzernmarketing und PR bei Evonik, die
Idee, den Fernsehspot dem Fußball-Engagement zu widmen.
Der BVB spielt bisher eine überragende Saison und liegt fast uneinholbar an der Tabellenspitze. Markus Langer: „Das Sponsoring beim BVB ist ein
unverzichtbarer Baustein in der Marketingstrategie von Evonik, um eine hohe
Bekanntheit und Sympathie für die Marke aufzubauen.“ Das Unternehmen ist
seit 2007 Partner des BVB und unterstützt den Verein nicht nur finanziell,
sondern auch mit humorvollen Anzeigen, die unter den Fans Kultstatus genießen. Jetzt profitiert Evonik vom derzeit besonders wertvollen BorussiaFaktor: Die junge Dortmunder Mannschaft zeichnet sich aus durch starkes
Teamplay, einen modern arbeitenden Trainer, ein sehr enges Verhältnis zu
den Fans, Verankerung in der Region bei gleichzeitigem Streben nach Spitzenleistung und eine vorbildliche Integration internationaler Leistungsträger.
Die Marktforschung liefert eindeutige Belege für diesen Zusammenhang. So geben inzwischen 60 Prozent der Finanz- und Wirtschaftsentscheider an, dass ihnen Evonik als BVB-Sponsor bekannt ist
(2008: 34 Prozent). In der breiteren Öffentlichkeit liegt der Wert bei
41 Prozent (2008: 24 Prozent). Außerdem: Wer Evonik durch
den BVB kennt, beurteilt Evonik als deutlich sympathischer als Menschen,
denen die Verbindung nicht bekannt ist.
Evonik-Magazin 1 | 2011
6_Evonik_01-11_DE 6
11.03.11 11:53
Kleines Auto mit
großem Potenzial:
Mit Windkraft,
Solarzellen und einem
Lenkdrachen steuerten
die Extremsportler
Dirk Gion und Stefan
Simmerer den Wind
Explorer quer durch den
australischen Kontinent
Evonik auf Rekordkurs
Vom Winde geweht
Exklusivbericht von der Pionierfahrt des
Wind Explorer. 5.000 Kilometer
durch Australien. Bei Stromkosten von 10 €
Schon seit über einer Stunde reiht
sich Gigant an Gigant. Die Stämme
der mächtigen Eukalypten können
auch mehrere Männer kaum
umfassen. Bis zu 90 Meter in den
sternenklaren Nachthimmel
ragend sind sie stumme Zeugen
aus scheinbar anderen Zeiten.
Kängurus kreuzen im Minutentakt
die Fahrbahn. Und mittendrin der
Wind Explorer. Wie ein Marienkäfer aus der Zukunft schnurrt er
zwischen den uralten Riesen und
Australiens Wappentieren über
den immer noch warmen Asphalt.
Immer geradeaus. In Albany
südlich von Perth beginnt das
Leichtbau-Elektromobil seine Reise; rund 5.000 Kilometer quer
durch Australien, vom Indischen
Ozean bis nach Sydney am Pazifik.
Was am 26. Januar als Pionierfahrt begann, endete zweieinhalb
Wochen später als großer Erfolg.
„Für uns ist ein Traum in Erfüllung
gegangen“, erklärten die beiden
deutschen Extremsportler Dirk
Gion und Stefan Simmerer. Die
beiden Piloten stellten auf der
Gesamtstrecke neue Bestmarken
auf: Erstmals durchquerte ein
nahezu ausschließlich mit Wind
und Lithium-Ionen-Batterien
angetriebenes Fahrzeug den
australischen Kontinent. Dabei
legten sie mit 493,5 Kilometern
von Eucla bis nach Ceduna die
längste nur mit Windkraft zurückgelegte Gesamtstrecke zurück.
Und das alles ressourceneffizient
und fast klimaneutral.
Batterie wird nie leer
Ihr Wind Explorer wird durch
Lithium-Ionen-Batterien angetrieben, die – wann immer die Windverhältnisse es erlauben – durch
eine mobile Windkraftanlage wieder aufgeladen werden. Nur in
Ausnahmefällen wurde auf Strom
aus herkömmlichen Quellen
zurückgegriffen. So kam der 200
Kilogramm leichte Wind Explorer
für die fast 5.000 Kilometer auf
eine Stromrechnung von gerade
einmal 10 €.
Möglich wurde das Projekt
dank Partnern aus der deutschen
Wirtschaft. So sorgte die Evonik
Industries AG unter anderem für
die Leichtbau-Karosserie sowie
die leistungsstarke Lithium-IonenBatterie. Das Batteriepaket mit
einer Energie von acht Kilowattstunden ermöglichte dem Wind
Explorer bei anspruchsvollen
60 Grad in der Sonne Reichweiten
von rund 400 Kilometern. „Das
Team um Dirk Gion und Stefan
Simmerer hat Großartiges geleistet. Hier zeigt sich, wozu Pioniergeist und deutsche Hochtechnologie fähig sind“, gratulierte
Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender von Evonik.
Das Besondere am Wind
Explorer: Ist die Batterie leer, können die Piloten die Akkus je nach
Windsituation über eine mobile
Windkraftanlage oder über das
herkömmliche Stromnetz aufladen.
Zusätzlich zum Windstrom kann
der Wind Explorer mit Lenkdrachen angetrieben werden. Für die
FOTOS: KARSTEN BOOTMANN
INFORMIEREN 7
deutsche Industrie bieten solche
Pionierprojekte eine gute Möglichkeit, eigene Technologien zu testen
und damit ihren Know-howVorsprung auszubauen. Insbesondere der Wettbewerb in der Automobilbranche, die zunehmend
auf Hybrid- und Elektrofahrzeuge
setzt, ist umkämpft. Neue Leichtbau-Werkstoffe wie das im Wind
Explorer verbaute ROHACELL und
intelligente Reifentechnologien,
die den Rollwiderstand minimieren, sind hochbegehrt. Doch das
Rennen um die E-Mobilität wird
vor allem über die Batteriekompetenz entschieden. „Hier wollen
wir mit unserem Tochterunternehmen Li-Tec zum europäischen
Marktführer für Batteriezellen aufsteigen“, sagte Evonik-Chef
Dr. Engel. VOLKER SCHMITT
Aufbau der mobilen Windkraftanlage, um
die Batterie mit Windenergie zu laden
Evonik-Magazin 1 | 2011
7_Evonik_01-11_DE 7
07.03.11 09:51
8 INFORMIEREN
Alter Norden, junger Süden
Die Weltbevölkerung altert in rasantem Tempo. Schon heute
ist jeder zehnte Erdenbewohner über 60 Jahre alt
Momentaufnahme 2009: Alter Weltbevölkerung
Die Farben der einzelnen Staaten auf der Weltkarte
spiegeln das mediane Alter (Mittelwert) wider,
das die Einwohner jedes Landes in zwei gleich
große Gruppen teilt: Die eine Hälfte ist jünger, die
andere älter. So hat Niger die jüngste Population
mit einem Median von 15 Jahren, Japan und
Deutschland haben die älteste. Russland, China und
die USA liegen eher im Mittelfeld, jung und
dynamisch sind Schwellenländer wie Indien und
Brasilien. Für die grafische Darstellung sind
die Median-Alter in Gruppen zusammengefasst.
40,1– 45
20,1– 25
35,1– 40
15,1– 20
30,1– 35
0 – 15
25,1– 30
Ohne Angaben
USA 2050:
397,1 Millionen
106,8 Millionen 60+
Jeder 6. US-Bürger ist heute
über 60, bei einer Geburtenrate
von 2 Kindern pro Frau
wird die Bevölkerung wachsen
Gesamtpopulation im Jahr 2050
Eine Figur steht für
10 Millionen Einwohner
Anteil der über 60-Jährigen im Jahr 2050
Eine Figur steht für
10 Millionen über 60-Jährige
Immer mehr 100-Jährige
Langes Leben wird für viele Menschen künftig Realität
werden – das zeigt die Zahl der 100-Jährigen.
Weltweit wird es 2050 rund 3,2 Millionen Superalte geben
QUELLE: WORLD POPULATION AGEING 2009; INFOGRAFIKEN: PICFOUR
Land
USA
Indien
Großbritannien
Frankreich
Deutschland
Russland
Italien
Kanada
Mexiko
Brasilien
Türkei
China
Indonesien
Südafrika
Ägypten
Über 100-Jährige
im Jahr 2000
Über 100-Jährige
im Jahr 2050
75.400
3.200
9.800
8.500
7.200
4.700
4.500
3.500
2.800
1.700
1.200
12.200
300
200
0
473.400
141.600
95.400
119.500
114.700
50.800
70.000
44.700
29.700
56.300
11.900
470.700
13.400
8.100
3.500
MEXIKO 2050:
146,7 Millionen
35,8 Millionen 60+
Eine rasche Alterung steht Mexiko
bevor: War im Jahr 2000 erst
jeder 15. über 60, so wird 2050
jeder 4. zu dieser Gruppe gehören
BRASILIEN 2050:
247,2 Millionen 58,3 Millionen 60+
Die Rentnergeneration wird sich bis zur Mitte
des Jahrhunderts verdreifachen. Die Geburtenrate
sorgt für weiteres Bevölkerungswachstum
Evonik-Magazin 1 | 2011
8_Evonik_01-11_DE 8
09.03.11 14:59
INFORMIEREN 9
DEUTSCHLAND 2050:
70,8 Millionen 27 Millionen 60+
RUSSLAND 2050:
104,3 Millionen 38,8 Millionen 60+
Schrumpfende Bevölkerung und steigendes Lebensalter macht
Deutschland zu einer Pensionärsgesellschaft. Der Anteil der über
60-Jährigen nimmt von 23 auf mehr als 38 Prozent zu
Die russische Gesellschaft wird um ein Drittel abnehmen,
waren von den 145 Millionen Russen 2000 nur 18,5 Prozent über 60, so werden es 2050 rund 37 Prozent sein
JAPAN 2050
109,2 Millionen 46,2 Millionen 60+
Heute schon das Land mit
den ältesten Einwohnern – und
keine Verjüngung in Sicht:
mit einem Anteil von 42 Prozent
werden die Ü-60-Jährigen die
Gesellschaft dominieren
CHINA 2050:
1,46 Milliarden 436,5 Millionen 60+
Die Volksrepublik wird sicher das Land mit den
meisten Einwohnern über 60 und moderatem
Bevölkerungswachstum bei einer Geburtenrate
von knapp 2 Kindern pro Frau
SÜDAFRIKA 2050
47,3 Millionen
6,5 Millionen 60+
Der Anteil der Ü-60Jährigen wird von
7,1 Prozent 2009 auf
13,7 Prozent 2050
steigen, die Geburtenrate
von 2,9 auf 2,1 sinken.
INDONESIEN 2050
311,3 Millionen
69,4 Millionen 60+
Der Inselstaat gehört zu den
jungen, dynamischen Ländern,
deren Rentnergeneration nur
langsam steigt von 7,6 Prozent
2000 auf 22,3 Prozent
Mitte des Jahrhunderts
INDIEN:
1,57 Milliarden 323,4 Millionen 60+
In dem heute schon bevölkerungsreichen Land werden die
Einwohnerzahlen bis 2050 um 50 Prozent zunehmen, die Geburtenrate wird von 3 im Jahr 2000 auf 2,1 Kinder pro Frau fallen
Evonik-Magazin 1 | 2011
9_Evonik_01-11_DE 9
09.03.11 14:59
Wie sympathisch ist die Chemie?
Wohl kaum eine andere Industrie löst so widersprüchliche Gefühle und kontroverse
Debatten aus wie die Chemieindustrie. Europaweit hält sich die Anzahl derer, die diese
Industrie positiv sehen, in etwa die Waage mit jenen, die sie mit Argusaugen betrachten.
In Deutschland sind immerhin noch circa 35 Prozent der Bürger der Chemie gegenüber
eher negativ eingestellt. Das von der UNESCO einberufene „Internationale Jahr
der Chemie“ bietet nun die Gelegenheit, den maßgeblichen Anteil der Chemie an der
Lösung der Zukunftsfragen darzustellen und damit das Meinungsklima zu verändern.
Lesen Sie die Statements von fünf Experten, wie weit dies gelingen kann
„Grüner Meinungsterror“
„Das Image hat sich gewandelt“
1
Ich finde Chemie faszinierend, weil das ganze Leben Chemie ist. Meine
FOTO: ARGUM/FALK HELLER
Prof. Manfred
Güllner,
Geschäftsführer des
Forsa-Instituts
Kinder haben schon an „Science-Mania“-Kursen in den Ferien teilgenommen,
in denen sie Elefanten-Kaugummi und eine Rakete gebaut haben. Toll!
2
1
Die Chemieindustrie hat bei den
3
besseres Image als
die Energiewirtschaft,
Ganz klar in den Schulen: Die
meisten Schüler hassen Chemie, weil
ihnen der Stoff langweilig präsentiert
die Finanzdienstleister, die Mineralölindustrie
wird. Chemieunterricht ist heute oft so
oder die Werbeagenturen. Ein höheres Ansehen
spannend wie das Auswendiglernen
haben zurzeit die Unternehmen der Tele-
von Telefonbüchern.
kommunikationsbranche, die Autoindustrie, die
Ende der 1990er-Jahre war das Bild der
4
Chemie bei den Bürgern schlechter,
Deshalb brauchen wir motiviertes
Entsorgungswirtschaft und das Handwerk.
der politischen Diskussion. Der Nutzen der
für die Chemie auch als berufliche
FOTO: PR
terror“ in einem Teil der Medien und
industrie für Deutschland.
schulische Angebote, um die Jugend
Das Image der Chemie ist stark beeinträchtigt durch einen „grünen Meinungs-
Chemie ist eine Schlüssel-
Lehrpersonal und auch außer-
vor fünf Jahren jedoch deutlich besser als heute.
3
Flüssen verbunden. Dieses Image hat sich gewandelt – Chemie wird heute
mehr als spannende und wichtige Wissenschaft wahrgenommen.
Bürgern derzeit ein
2
Früher hat man mit Chemie eher Gestank und tote Fische in vergifteten
Perspektive zu begeistern.
Chemie für den Menschen gerät dadurch
in den Hintergrund.
4
Wichtig wäre, wenn die einzelnen
Unternehmen der Branche Vertrauen bei
den Menschen gewinnen würden.
Dazu sind „Tage der offenen Tür“ geeignet.
Dr. Silvana
Koch-Mehrin,
Vizepräsidentin des
Europäischen
Parlaments
Evonik-Magazin 1 | 2011
10_Evonik_01-11_DE 10
09.03.11 12:09
D I S K U T I E R E N 11
2
„Risiken überzeichnet“
Marc-Oliver Voigt,
Chefredakteur des
Magazins „Pressesprecher“ aus dem Fachverlag Helios Media
1
Was soll ein
1
Mit der Popularität
Herzblut-Chemiker
eines „weichen“
thisch, unabdingbar
FOTO: PR
anderes sagen als:
hochgradig sympa-
4
Wo gibt es
noch
Defizite?
Was
wäre
zu tun?
„Größere Offenheit“
Prof. Dr. Dr. h.c. mult.
Wolfgang A. Herrmann, Präsident
der TU München
FOTO: ECKERT/HEDDERGOTT
3
Inwieweit hat
sich das Image
verbessert?
Wirtschaftszweigs wie
der Sportartikel-
FOTO: DDP IMAGES/DADP
1
Wie sympathisch
ist die
Chemie?
Dr. Rainer Grießhammer, Geschäftsführer
des Freiburger Öko-Instituts e.V.
für unser tägliches Leben, Innovationsmotor für
industrie wird sich die Chemie wohl nie messen
Wirtschaft und Gesellschaft, Problemlöser
können. Als Arbeitgeber mit Zukunft besitzt
für das tägliche Leben von Milliarden
sie jedoch ihre ganz eigene sympathische Aus-
Menschen – und schließlich wissenschaftlich
strahlung.
„Es gibt noch Probleme“
hochanspruchsvoll.
2
1
2
Unbestritten, das Image war gerade in den
1970er- und 1980er-Jahren negativ belas-
Einst galten Chemieunternehmen als
notorische Umweltsünder, heute
wird das differenzierter gesehen. Ihre größere
Den meisten Menschen ist nicht bewusst,
dass die meisten Produkte mit Chemie
verbunden sind. Bei Hightech-Anwendungen
tet, aber keine andere Industrie konnte dies mit
Offenheit hat die Glaubwürdigkeit der
in der Fotovoltaik hat die Chemieindustrie
so viel Innovationen, Selbstkritik, Aufwand und
Chemie deutlich erhöht.
sicher ein gutes Image, bei der Agro-Gentechnik
unter permanenter Beobachtung ganz weit-
3
Nach wie vor ist zu wenig darüber
eher ein schlechtes.
bekannt, welchen Beitrag die Chemie
2
gehend revidieren. Heute ist das Image insoweit
verändert, als dass den Menschen wieder klar
geworden ist: Ohne chemische Industrie sind
die Zukunftsfragen Energie und Ernährung
nicht zu lösen.
3
Vielleicht ist in der Öffentlichkeit in einigen
Kreisen noch zu wenig verbreitet, wie
weit die Chemie unser tägliches Leben bestimmt
und oft genug erträglich macht, verlängert,
mobil macht und vieles mehr.
4
Wie alle hoch technisierten wissenschaftsintensiven Industrien hat die Chemie das
zu brennenden Themen wie dem Klima-
Gegenüber den 80er-Jahren hat sich
das Image der Chemie natürlich zu Recht
schutz leistet. Das lässt sie schnell in
geändert: Damals gab es viele Störfälle,
den Kreis derer aufrücken, die verdächtigt
Problemchemikalien wie die Ozon zerstörenden
werden, nichts zu tun.
FCKW oder das Holzschutzmittel Pentachlor-
4
Kommunikation ist ein Weg zum
phenol und allgemein eine hohe Umwelt-
Erfolg, intensivere Aufklärungsarbeit
und Gesundheitsbelastung durch Chemikalien –
entscheidend. Zum platten Greenwashing
selbst die Muttermilch war mit Chemikalien
sollte das Anpreisen der eigenen
hoch belastet!
Leistungen und Beiträge dabei allerdings
3
nicht verkommen.
Die großen Probleme gibt es heute vor
allem noch in den Entwicklungs- und
Schwellenländern – mit problematischen
Problem, dass in der öffentlichen Meinung die
Pestiziden, mit großen Umweltproblemen beim
Risiken einseitig überzeichnet werden. Hier
Rohstoffabbau oder der Aufarbeitung von
helfen nur permanente, intensive und ehrliche
Elektroschrott. Aber auch hierzulande gibt es
Aufklärung, Transparenz, Dialogbereitschaft.
noch einige Probleme, zum Beispiel bei
Die Chemie muss als Wissenschaft wie als
Weichmachern in Kinderspielzeug oder die
Industrie durchgängig sprechfähig in die Gesell-
regelmäßigen Futtermittelskandale.
schaft hinein werden. Und: Wir müssen durch
eine motivierende Lehrerbildung möglichst viele
junge Menschen an die Naturwissenschaften
heranführen, intellektuell, aber auch emotional.
4
Die Aufarbeitung bei den Altchemikalien
nach dem Chemikaliengesetz REACH
wird noch einige Jahre Dauereinsatz benötigen.
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12 G E S TA LT E N
When I’m 64 (and more)
Lange leben, aber nicht alt sein. Die über 60-Jährigen
machen mobil – gegen Vorurteile und Vergänglichkeit
TEXT CHRISTIANE OPPERMANN
Leichtathletin
Ruth Frith: Ihre Sportlerlaufbahn begann
sie mit 74 Jahren, mit 100
wurde sie Siegerin bei
den Senioren-Wettspielen
Evonik-Magazin 1 | 2011
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07.03.11 15:04
G E S TA LT E N 13
RUTH FRITH IST WELTREKORDHALTERIN im
Kugelstoßen, im Hammerwerfen und im Diskuswerfen. Doch nicht die Distanzen, die die Athletin
vorweisen kann, sind bemerkenswert, sondern das
Lebensalter, in dem Frith bei den World Masters Games
im Oktober 2009 in Sydney (Australien) angetreten ist.
100 Jahre zählte die rüstige Australierin, als sie
sich erfolgreich an der Altersgruppe der über
80-Jährigen orientierte. Auch im Oktober 2010
ging sie wieder an den Start. Begonnen hat sie
mit dem Wettkampfsport erst mit 74 Jahren,
in einem Alter, in dem viele Frauen schon zum Rollator greifen müssen. Frith kann den Wirbel um ihre
Person nicht verstehen: „Warum geht es eigentlich immer nur um mein Alter? Ich kann doch nichts
dafür, dass ich 100 Jahre alt bin. Das ist einfach passiert.“ Wichtiger ist ihr, dass sie mit ihrem Enthusiasmus ein Vorbild für andere sein will, ungeachtet ihres
Alters ihre Neigungen auszuleben.
FOTO: REUTERS
Altern als Befreiung
Noch nie zuvor in der Geschichte haben Menschen die
Chance gehabt, so lange, so gut und selbstbestimmt
zu leben. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts lag die
durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland bei 46 Jahren für Männer und bei 52 Jahren für
Frauen; Männer und Frauen, die 50 Jahre später zur
Welt kamen, leben im Schnitt 76 beziehungsweise 80
Jahre. Jedes zweite Kind, das heute geboren wird, hat
gute Chancen, den nächsten Jahrhundertwechsel und
die erste Dekade zu überleben.
„Als moderne Gesellschaft waren wir bemerkenswert erfolgreich dabei, den frühen Tod abzuschaffen.
Aber wir zahlen den Preis dafür mit dem steigenden
Bevölkerungsanteil älterer Menschen“, sagt Prof. Dr.
Richard Faragher, Biologe von der University of Brighton, Großbritannien. „Mitte des Jahrhunderts wird es
mehr alte als junge Menschen in der Welt geben – zum
ersten Mal überhaupt.“ Die Babys von heute werden
in einer Gesellschaft alternder Menschen aufwachsen. Das Durchschnittsalter wird bei 51 Jahren liegen.
Ein Albtraum.
Sicherlich, wenn die Vorurteile weiter gepflegt
werden, die das letzte Drittel menschlicher Lebenszeit mit hohen sozialen Kosten und persönlichem
Leid, mit Behinderung, Einsamkeit und Einschränkung assoziieren. So wie es in den 60er-Jahren des
vergangenen Jahrhunderts auch die damals noch jungen Beatles intonierten: „Will you still need me, will
you still feed me, when I’m 64?“
Aber das wird sich bald ändern, prophezeit Claudius Seidl, Feuilletonchef der „Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung“ und Autor des Buches „Schöne junge Welt“: „Der kulturelle und soziale Schrecken einer
alternden Gesellschaft wird nicht so groß, wir werden es gar nicht so sehr merken. Wir sind auch jetzt
schon eine sehr alte Gesellschaft, ohne dass man den
Eindruck hat, dass überall der Kalk bröckeln würde.“
Alter nicht als Bürde, sondern als Befreiung zu
begreifen ist der Kampf, den die Generation der
über 60-Jährigen gerade führt. „Sehr viel früher als
bei uns gab es da in den USA diese strahlenden Bilder von der Generation der Babyboomer, die ja älter
als bei uns sind. Die Jahrgänge von Meryl Streep, Bill
Clinton und Hillary Clinton – alle über 60 – wurden
als jugendlich und tatkräftig dargestellt, lange bevor
es bei uns üblich war, grauhaarige Models auf großen Leinwänden zu zeigen“, sagt die Wirtschafts-
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07.03.11 15:04
Alte und junge
Demonstranten gegen
den Bahnhofsbau in
Stuttgart, Moderator
Dr. Heiner Geißler
(81): Dem Ex-CDUGeneralsekretär
und Attac-Mitglied
gelang es, die Gegner
an einen Tisch zu
bringen und den
Konflikt zu deeskalieren
Aktiv, fit und äußerst kapriziös
„Der Schrecken
einer alternden
Gesellschaft wird
nicht so groß“
FOTOS: PICTURE-ALLIANCE (3)
Claudius Seidl
journalistin und Buchautorin Elisabeth Niejahr.
„Das Alter an sich, das Geburtsjahr wird weniger relevant werden. Es wird wichtiger sein, was die Menschen daraus machen.“
Die Babyboomer sind in die Jahre gekommen, aber
sie denken nicht daran, sich in die Rolle der bescheidenen Alten, wie noch ihre Eltern und Großeltern,
zu fügen. Die Nachkriegskinder haben sich bisher in
ihrem Leben nicht sonderlich einschränken müssen,
warum sollten sie im Ruhestand damit anfangen?
Die Generation 50+ ist aktiv, fit und hat genügend Geld, um sich ihr Leben jenseits der Schallgrenze komfortabel einzurichten. Sie verfügen zusammen über ein jährliches Nettoeinkommen von 643
Milliarden € – mehr als die Generation ihrer Kinder.
Sie geben mehr Geld aus für modische Kleidung als
ihre Nachkommen. Best Ager, wie die jungen Senioren gerne genannt werden, sind wesentliche Stützen
des Kulturbetriebs – ohne das Publikum jenseits der
50 müssten viele Theater und Konzertsäle schließen.
Und selbst der Boom bei Kreuzfahrten wurde durch
die Reiselust der jungen Alten ausgelöst: Rund zwei
Drittel der Passagen auf komfortablen Flussdampfern
und schwimmenden Vergnügungspalästen auf großer
Fahrt werden von gut situierten Rentnern gebucht.
Die neuen Ruheständler sind vielseitig interessiert, experimentierfreudig und äußerst kapriziös.
Sie wollen ihr Leben genießen, mitmachen und dabei
sein, aber nicht an ihr Alter erinnert werden. Den
Kampf gegen den unvermeidlichen Abbau – welke
Haut, schmerzende Knochen und Impotenz – führen
sie jeder für sich hochdiszipliniert und mit allen Mitteln. Anders als die Generation ihrer Eltern und Großeltern sind sie damit nicht mehr allein, sondern erfah-
ren Unterstützung auf breiter Front von Wirtschaft
und Wissenschaft.
Den Jungbrunnen, die Immunisierung gegen die
fortschreitende Alterung von Körper und Geist im
Laufe eines Lebens, haben Forschung und Wissenschaft zwar noch immer nicht gefunden, wohl aber
eine Reihe von Mosaiksteinen, die Einblick verschafft
in den Prozess des Alterns – und damit auch Chancen
zur Entschleunigung des Vorgangs eröffnet.
Alle wollen lange leben, aber keiner
will alt aussehen
Als Erste Hilfe gegen sichtbare Alterszeichen wird zur
Antifaltencreme gegriffen. Die Wirkstoffkombinationen werden immer exotischer: Retinol, Hyaluronsäure, Kaviarextrakt, Kollagen, Seiden- oder Goldpartikel, Vitamine, Hormonersatzstoffe. 65 Prozent
aller Frauen ab 18 Jahren benutzen diese Produkte.
Aber auch die Männer setzen auf die Wirkung aus
Tube und Tiegel: 35 Prozent verwenden Antifaltenpräparate und geben beim Einkauf ihrer Beautyprodukte im Schnitt sogar noch zehn Prozent mehr aus als
die Frauen. Insgesamt werden jährlich zwischen 156
und 180 € pro Kopf der Bevölkerung in Cremes und
Lotionen investiert, um Falten und andere sichtbare
Alterszeichen zu bekämpfen. Firmen, die rechtzeitig
auf den Anti-Aging-Zug gesprungen sind, erfahren
prächtige Umsatzsprünge: Die kleine Aachener Firma
Babor verzeichnete sogar ein Wachstum von 47 Prozent dank ihrer Serie für die jungen Alten.
Wenn sich die Furchen auf der Stirn und das
Gekräusel um die Lippen nicht mehr wegcremen lassen, müssen drastischere Mittel ran. Dann kommt
bei vielen Botulinumtoxin (Botox) ins Spiel. Das
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Altern mit Stars Über 60
Dylan 69
und Sternen Bob
Sir Mick Jagger 67
Sir Paul McCartney 68
Keith Richards 67
Dame Helen Mirren 65
Sigourney Weaver 61
Über 70
Vanessa Redgrave 74
Bruno Ganz 70
Götz George 72
Sir Anthony Hopkins 73
Elke Sommer 70
Robert Redford 74
Über 80
Clint Eastwood 80
Sir Sean Connery 80
Doris Day 87
Joachim „Blacky“ Fuchsberger 84
Harry Belafonte 84
Armin Mueller-Stahl 80
Neue Karriere
jenseits der
Altersschallgrenze:
Die Tänzerin und
Schauspielerin
Eveline Hall ist mit
65 Jahren ein sehr
gefragtes Model auf
dem Catwalk – der
bisher nur den
Jungen gehörte
Über 90
Margot Hielscher 91
Zsa Zsa Gabor 94
Johannes (Jopi) Heesters 107
Kirk Douglas 94
Artur „Atze“ Brauner 92
Prof. Dr. h.c. mult.
Marcel Reich-Ranicki 90
FOTOS: FACE TO FACE, PICTURE-ALLIANCE (4), GETTY
IMAGES, DAVIDS, INTERTOPICS, SCHNEIDER PRESS
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16 G E S TA LT E N
Psychoanalytikerin
und Buchautorin
Dr. Margarete Mitscherlich (93) in einer
selbstironischen Fotomontage, die sie als
Patientin auf der Couch
und als Analytikerin im
Sessel zeigt, über das
Altern: „Ich halte es für
eine Zumutung, dass
Menschen nicht nur alt
werden, sondern auch
noch sterben müssen“
Jung bleiben um jeden Preis
Nervengift wird in die Muskeln gespritzt, deren
Bewegung die Falten verursacht. Kombiniert mit
einem Füllmaterial aus künstlichen oder körpereigenen Substanzen sorgt die partielle Lähmung des
Muskelgewebes dafür, dass die Furchen ausgebügelt sind.
FOTO: BREUELBILD
Spritzen, liften, straffen
„Jung halten ein
gesunder
Lebensstil, gutes
Essen, Sport –
biologisches
Anti-Aging“
Prof. Dr. Dr. med. habil.
Werner L. Mang
Der Siegeszug des hochgefährlichen Wurstgifts
begann in den USA und schwappte in den vergangenen Jahren nach Europa über: 5,5 Millionen Frauen
in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien liebäugeln Marktforschungsberichten
zufolge mit einer Behandlung des Toxins. 100.000-mal
wurde bereits 2008 in Deutschland Botox gespritzt.
Der größte Anbieter ist der amerikanische Pharmakonzern Allergan. Sein Vorstandsvorsitzender
David Pyott erklärt, dass Botox „ein internationaler Blockbuster ist, der knapp 30 Prozent unseres
Gesamtumsatzes von 4,4 Milliarden US-$ ausmacht.
Wir haben auch dank Botox seit 1998 ein jährliches
Umsatzwachstum von 18 Prozent erreicht.“ In den
attraktiven Wachstumsmarkt ist auch die deutsche
Firma Merz, die sich seit Jahrzehnten einen Namen
mit Vitaminpillen für Frauen („Merz Spezial Dragees“) gemacht hat, eingestiegen: Sie vertreibt Botox
unter dem Namen Xeomin.
Gut für Unternehmen, Ärzte und Kosmetikerinnen, ärgerlich für die Verbraucher ist, dass die Schönheit aus der Giftspritze nur begrenzt hält, nach drei bis
sechs Monaten lässt die Wirkung nach, wird die nächste Behandlung fällig. In Hamburg und Berlin werden
deshalb schon Botox-Flatrates angeboten: Ein Jahr faltenfrei kostet um die 500 €.
„Wir brauchen einen anderen Begriff der Ästhetik,
65-jährige Frauen können nicht an den glatten Gesichtern der 25-Jährigen gemessen werden“, forderte die
ehemalige Schauspielerin, Ärztin und Buchautorin Dr.
Marianne Koch in einer Talkrunde bei Sandra Maischberger und demonstrierte mit perfektem Make-up
und dynamisch-roter Föhnwelle, dass man auch mit 79
Jahren glatter als eine Mittfünfzigerin aussehen kann.
Doch nicht immer ist der externe Druck der Auslöser
für eine Schönheits-OP.
Die Babyboomer wollen nicht, „dass mit 40 oder
mit 35 die Sache vorbei ist. Sie wollen die Rechte der
Jugend auf Aktivität, Attraktivität auch in einem Alter
in Anspruch nehmen, in dem das die vorangegangenen Generationen längst aufgegeben haben“, deutet
Autorin Niejahr den Lebenshunger der No-Ager.
Die französische Schriftstellerin und Feministin
Benoîte Groult spricht vielen Frauen aus der Seele: „Es
hieß also etwas tun, um diesem hinterlistigen Älterwerden entgegenzutreten. Ich wollte mir einen neuen Kopf leisten. Ich habe entdeckt, dass ich mir selbst
mein kostbarstes Gut bin und dass ich dieses unanständig teure Geschenk verdient habe: ein Lifting.“
Deshalb suchen auch viele Best Ager den Schönheitschirurgen auf, um sich die Altersringe in Gesicht
und am Hals wegschnippeln und den Speck, den das
allzu gute Leben auf Bauch, Hüften und Oberschenkel
gedeihen ließ, absaugen zu lassen. Die Radikalkuren
haben ihren Preis: Bei Deutschlands prominentestem
Schönheitschirurgen Prof. Dr. Dr. med. habil. Werner
L. Mang kostet schon eine Botox-Behandlung 400 € –
pro Zone; das komplette Facelifting schlägt mit bis zu
10.000 € zu Buche – Anästhesie, Assistenz und Krankenhausaufenthalt nicht inbegriffen.
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G E S TA LT E N 17
Der Schönheitschirurg, der sich offensichtlich keine
Sorgen um Patienten machen muss, kann es sich leisten, den Erneuerungswahn einer auf Jugend fixierten
Gesellschaft zu bremsen: „Der chirurgische Eingriff
muss das letzte Glied in der Kette sein, um zu erreichen, dass der Mensch sich in seiner Haut rundum
wohlfühlt. Jung halten erst ein gesunder Lebensstil,
gutes Essen, Sport – biologisches Anti-Aging.“
FOTOS OBEN: SERGE COHEN/AGENTUR FOCUS, GETTY IMAGES
Essen für ein langes Leben
Dass wahre Schönheit von innen kommt, ist keine
neue Erkenntnis. Aber ein mühsamer Weg, der, lange bevor sich die ersten Spuren des Alters abzeichnen, begonnen werden muss. Seit Jahrzehnten verheißen immer neue Schönheitsrezepte und Diäten ewige
Jugend. Der Amerikaner Prof. Dr. Linus C. Pauling
empfahl bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts
hohe Dosen von Vitamin C nicht nur gegen Schnupfen, sondern gegen Gebrechen und Krankheiten aller
Art und damit zur Prävention von Alterserscheinungen. Zu seiner Zeit wurde der zweifache Nobelpreisträger noch von vielen als Scharlatan belächelt.
Dass Vitamine eine wichtige Rolle im Kampf gegen
Alterserscheinungen spielen, bestreitet heute keiner
mehr. Neben Vitamin C werden auch B, E, A, Mineralien und Antioxidantien empfohlen. Kombipräparate sind noch immer der Renner unter den Nahrungsergänzungsmitteln und haben nun noch Verstärkung
bekommen durch Probiotika, die vor einigen Jahren begonnen haben, die Theken der Supermärkte
zu erobern. Dieses Functional Food enthält nützliche
Mikroorganismen, die den menschlichen Darm besiedeln und die Immunabwehr unterstützen. Sie werden
bisher vor allem bei der Herstellung von Joghurts ver-
wendet. Ihre Wirkung ist zwar bei Wissenschaftlern
umstritten, bei gesundheitsbewussten Konsumenten kommen sie dennoch gut an. Der Lebensmittelhandel, der nach den ständigen Preiskämpfen bei normalen Produkten mit minimalen Margen auskommen
muss, hofft, dass sich mit Mikroorganismen angereicherte Nahrungsmittel schnell vermehren, weil sich
an ihnen mehr verdienen lässt.
Wer allerdings die Gesundheitskost-, Diät- und Bioszene eine Weile beobachtet, wird sich bald fragen, was
er noch essen sollte für ein langes Leben. Mal ist es kalt
gepresstes Olivenöl, dann Rotwein aus dem Bordeaux,
der Arteriosklerose und damit Herzinfarkt und Schlaganfall verhindern soll, mal ist es ein mediterranes Menü
mit Tomaten, Oliven, Knoblauch, Nudeln und Schafskäse, mal japanische Kost mit rohem Fisch, Klebreis und
gebratenem Tofu, die ein langes Leben verheißen soll.
Körnerbrot, Gemüse und Obst sowieso. Doch nicht nur,
was gegessen werden soll, ist umstritten, sondern auch,
wie viel. Drei oder fünf Portionen pro Tag?
Wer sich Rat bei den Hochbetagten holt, ist nicht
minder verwirrt. Viele der über 100-Jährigen haben
nie eine Diät gemacht. Die Frau, die nachweislich
das höchste jemals erreichte Alter hatte, die Französin Jeanne Calment, die im Alter von 122 Jahren,
5 Monaten und 14 Tagen 1997 gestorben ist, hat gern
ein Gläschen Rotwein genossen und bis zum ihrem
119. Lebensjahr auch geraucht. Die Athletin Ruth
Frith erzählt gern, dass sie nie Gemüse esse, weil sie
den Geschmack nicht mag.
Dafür setzt die alte Dame auf Sport. Dass körperliche Betätigung und geistige Beweglichkeit die Lebenszeit ohne schwere körperliche Gebrechen verlängern,
ist unbestritten. Als Jane Fonda Ende der 70er-Jah-
FOTO: SIPA PRESS
Ex-US-Präsident Jimmy
Carter erfuhr erst nach
dem offiziellen Abschied
von der Macht weltweite
Anerkennung wegen
seines Engagements für
Menschenrechte
„Ich wollte
mir einen neuen
Kopf leisten“
Benoîte Groult
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18 G E S TA LT E N
Senior auf großer
Fahrt: Anthony
Smith (84) will mit
drei Gefährten im
Alter von 56 bis 61
Jahren in einem
Plastik-GasRöhren-Floß den
Atlantik
überqueren
re Hausfrauen in hautengen Tops und Leggings
zu Hochleistungsgymnastik animierte, begann der
Boom der Aerobic-Kurse, und als Arnold Schwarzenegger seinen von Bizepstraining und Gewichtestemmen gestählten Körper und Waschbrettbauch präsentierte, folgten ihm Millionen Männer und Frauen in
Fitnessstudios und Krafträume.
„Wie wichtig
eine Position
ist, lässt sich an
der Lebenserwartung
ablesen“
Prof. Dr. Sir
Michael Marmot
Mitmachen, einmischen, moderieren
Der Erhalt der eigenen Beweglichkeit ist den Best
Agern wichtig. Und das gilt in jeder Beziehung. Auch
wenn das offizielle Rentenalter erreicht ist, denken
viele nicht an Rückzug und Abstinenz. Oft beginnt
gerade im Ruhestand eine neue Karriere, entwickelt
sich eine neue Lebensaufgabe, denn die Pensionäre
können ohne Angst um Job und Status befreiter aufschlagen und ihre Interessen ausleben.
Viele Ingenieure, Techniker und Maschinenbauer
engagieren sich in der Entwicklungshilfe; als SeniorExperten helfen sie in Dritte-Welt-Staaten Brunnen,
Schulen und Fabriken zu bauen und zu betreiben.
Pensionierte Mediziner arbeiten bei Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen in Krisengebieten oder
in Krankenstationen in unterentwickelten Regionen.
Tausende Ruheständler übernehmen Ehrenämter in
ihren Gemeinden. Sie betreuen Jugendliche, arbeiten in Sportvereinen, organisieren Altennachmittage
oder das soziale Leben in ihren Gemeinden.
Sie sind zur Stelle, wenn sie gefragt und gebraucht
werden. Das gilt erst recht für Politiker, auch – oder
gerade – nachdem sie ihre Mandate abgegeben haben.
So wirbt der ehemalige Bremer Bürgermeister Dr.
Henning Scherf für neue Formen des Zusammenlebens im Alter und für Selbstbestimmung der Senioren.
Als sich in der baden-württembergischen Landeshauptstadt über das Milliarden-Projekt Stuttgart 21
die Fronten zwischen Bahnhofbefürwortern und Gegnern verhärtet hatten, wurde nicht ein aktiver Politiker, Konfliktforscher oder Sozialpsychologe zum
Mediator bestellt, sondern ein Mann, der die 80 überschritten hatte: Dr. Heiner Geißler, ehemaliger CDUGeneralsekretär und als Ruheständler Mitglied bei den
Globalisierungsgegnern Attac. Dem krisenerprobten Politiker gelang das Kunststück, die verfahrene
Lage zwischen Bahn-Management, Anwohnern und
Demonstranten zu entspannen.
Der frühere US-Präsident Jimmy Carter errang die
Anerkennung, einer der bedeutendsten Politiker der
USA zu sein, erst nach dem Auszug aus dem Weißen
Haus durch sein unermüdliches Engagement für Menschenrechte und als Mediator und Sonderbotschafter bei internationalen Konflikten und humanitären
Katastrophen. Er ist der einzige Präsident in der USGeschichte, der erst nach dem Ende seiner Amtszeit
mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Zu
den Vorbildern erfolgreicher Alter zählt für viele jüngere Best Ager auch die Grande Dame der Psychoanalyse Dr. Margarete Mitscherlich. Die 93-Jährige schreibt
noch immer Bücher und mischt sich gerne und klug ein.
Sie hält „es für eine Zumutung, dass Menschen nicht
nur alt werden, sondern auch noch sterben müssen“.
Vielleicht liegt in Engagement, Teilnahme und vielfältigen Interessen auch der eigentliche Schlüssel zu
einem Jungbrunnen, der Abschied und Rückzug aus
dem Leben um Jahre hinauszögern kann. Der britische
Epidemiologe Prof. Dr. Sir Michael Marmot behauptet gar, dass der gesellschaftliche Status darüber entscheidet, wie alt ein Mensch werden kann: „Wie wich-
FOTOS: PR, ACTION PRESS
Neustart für die zweite Karriere
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09.03.11 11:26
Reparatur und Instandhaltung
Ab in die Röhre…
Bildgebende Diagnosemethoden haben gerade bei
älteren Menschen Konjunktur: Selbst in der Altersgruppe
der über 80-Jährigen wird fast jeder Zehnte zur
Magnetresonanztomografie (MRT) und jeder Sechste
zur Computertomografie (CT) geschickt.
QUELLE: BARMER GEK ARZTREPORT 2011, ZAHLEN AUS 2009
20–24 Jahre
MRT
CT
80–84 Jahre
4,8% 8,4%
2,1% 16,9%
...und ins Ersatzteillager
67.689
209.000
Herzschrittmacherimplantationen 2008
künstliche Hüftgelenke
2009
380.000
175.000
künstliche Kniegelenke 2009
Koronarstents 2007
QUELLE: BARMER GEK STUDIE 2010
Zielgruppen für Herz-Operationen
Von den 67.689 Patienten,
die 2008 einen Herzschrittmacher
erhielten, waren 53,4 Prozent
zwischen 60 und 79 Jahre alt und
40,5 Prozent 80 Jahre und älter
(siehe Grafik). Außerdem
werden pro Jahr noch rund
380.000 Stents eingesetzt und
65.000 Bypässe gelegt – vorwiegend bei über 60-Jährigen.
0,6
0–20 Jahre
40–59 Jahre
0,3
5,2
über
80 Jahre
40,5
%
60–79 Jahre
QUELLE: BQS INSTITUT FÜR QUALITÄT UND
PATIENTENSICHERHEIT, ZAHLEN AUS 2008
53,4
Teure Gesundheit
Die höchsten Kosten im Gesundheitswesen entfallen auf über 80-jährige
Männer: Durchschnittlich 939 € kostete die ambulante medizinische
Versorgung eines Kranken dieses Alters. Frauen sind aus Sicht der Krankenkassen mit durchschnittlich 812, 50 € pro Kopf und Jahr am teuersten
in der Dekade zwischen 70 und 79 Jahren.
Männer
S U M M A RY
• Noch nie zuvor in der Geschichte gab es so viele
Menschen über 60 Jahre, die gesund und sicher alt
werden können.
• Wirtschaft und Wissenschaft helfen, den altersbedingten Abbauprozess hinauszuzögern.
• Den jungen Alten bieten sich oft völlig neue
Aufgaben und Ehrenämter.
20–39 Jahre
Frauen
867,00 €
627,50 €
699,50 €
60–69 Jahre
939,00 €
812,50 €
70–79 Jahre
790,00 €
>80 Jahre
ILLUSTRATIONEN: SHUTTERSTOCK (2), PICFOUR (3)
tig die Position in der gesellschaftlichen Hackordnung
ist, lässt sich unter anderem an der Lebenserwartung
ablesen. Wir wissen aus unseren Untersuchungen des
britischen öffentlichen Dienstes – einer Institution,
die absolut brillant darin ist, Menschen in ein hierarchisches System zu sortieren –, dass die Lebenserwartungen höher gestellter Beamter, also etwa von Bürovorstehern, im Schnitt 4,4 Jahre über jener einfacher
Beamter wie Büroboten oder Sachbearbeitern liegt.“
Nach Marmots These muss also nicht der stressgeplagte Topmanager früher sterben, sondern der
Sachbearbeiter, von dem fälschlicherweise gern behauptet wird, dass er eine ruhige Kugel schiebe.
Selbstbestimmtes Leben als Überlebensstrategie
scheint so falsch nicht. Auch viele der über100-Jährigen konnten ihr Jahrhundert in einer Gesellschaftsstruktur verbringen, die sie achtete und schätzte. Ihr
Platz im Dorf, in ihrem Kreis war ihnen immer sicher.
Respekt und Anerkennung fordert auch die australische Sportlerin Frith ein: „Wenn Sie alte Menschen
auf dem Sportplatz sehen, machen Sie sich nicht über
krumme Beine und welke Knie lustig, sondern freuen
Sie sich mit ihnen, dass sie antreten. Sagen Sie ihnen:
‚Macht weiter, das tut euch gut.‘“
QUELLE: BARMER GEK ARZTREPORT 2011, ZAHLEN AUS 2009
Evonik-Magazin 1 | 2011
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11.03.11 11:51
Der soziale und der medizinische Fortschritt ermöglichen, dass wir immer länger gesund
und „jung“ bleiben. Ganze Industrien kümmern sich darum, immer mehr Menschen
an dieser großen Verwandlung teilhaben zu lassen. Genau genommen beginnt unser Kampf
um das ewige Leben schon in der frühen Kindheit
Biologisch wertvoll2. 74 Prozent
der Deutschen kaufen Bio-Lebensmittel – längst auch im Supermarkt:
2005 stieg der Bio-Umsatz
des konventionellen Handels um
25 Prozent, der Umsatz des
Naturkostfachhandels dagegen
„nur“ um zehn Prozent.
1
Ernährung
Das Leben verlängern und gesund bleiben –
mithilfe der richtigen Ernährung: Fett- und
zuckerarm soll das Anti-Age-Food sein, viel
Obst und Gemüse enthalten, wenig Alkohol
und Koffein, viel Wasser. Viele 100-Jährige
leben auf Sardinien, ihr Geheimnis: kalorienarme Nahrung, viel Obst und Gemüse.
Muttermilch . Sie legt den Grundstein
für ein langes Leben und nimmt
Einfluss auf zentrale Körperfunktionen.
Muttermilch hilft Säuglingen,
Bakterien und Viren abzuwehren,
verändert die Aktivität ganzer
Gengruppen und beeinflusst die
Intelligenz. Mit einfachem Rezept:
90 Prozent Wasser, circa sechs
Prozent Laktose, außerdem andere
Zucker, Lipide und Proteine.
Und: Muttermilch enthält ein
komplexes Sortiment aus etwa
200 verschiedenen Zuckerketten.
Power aus der Dose
Energie und Konzentration
auf dem Lauf ins lange
Leben versprechen Red
Bull und Kombucha, mit
denen Dietrich Mateschitz
weltweit erfolgreich ist.
Mit seinem Formel-EinsTeam Red Bull Racing fuhr
er letztes Jahr an die Spitze.
Vegetarier nach Alter4
10 –19
20 –29
30 –39
40 – 49
50 –59
60 – 69
70 –79
0%
Suchtpflaster11. 2009 rauchten in Deutschland circa 30 Prozent der Erwachsenen. Die
meisten haben schon versucht, aufzuhören. Hilfsmittel wie Nikotinkaugummis, -pflaster oder
-lutschtabletten geben das Nikotin langsamer
und geringer ab, lindern Entzugserscheinungen.
Das Polymer EUDRAGIT der Evonik Industries
AG ist in vielen Nikotinpflastern enthalten.
20 %
40 %
Fleischlos5. Nach Angaben
des Vegetarierbundes
werden jede Woche circa 4.000
Menschen zu Vegetariern.
2010 ernährten sich etwa
acht Prozent der Deutschen
vegetarisch. Der typische
Vegetarier ist weiblich, jung,
überdurchschnittlich gebildet
und lebt in einer Großstadt. Nach einer Studie haben Vegetarier ein verringertes
Krebsrisiko – und leben länger.
Golf 12. Nach Fitness,
Tourismus, Glücksspiel
ist Golf in Deutschland
das am viertschnellsten
wachsende Freizeitsegment.
Etwa 42 Prozent aller deutschen
Golfer sind älter als 55 Jahre.
Nahrungsergänzung 6. Der europäische Markt für
Nahrungsergänzungsmittel hat ein Volumen von rund
6 Milliarden € Jahresumsatz (2007). Fast jeder dritte Deutsche nimmt Nahrungsergänzungsmittel. Typische
Inhaltsstoffe: Mineralstoffe, Vitamine, Vitaminoide oder
Fettsäuren. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
sind aber nur jodiertes Speisesalz und Folsäure sinnvoll –
alle anderen Nährstoffe seien in einer vollwertigen Ernährung bereits enthalten. Für Schwangere, Heranwachsende,
Leistungssportler, chronisch Kranke, Veganer oder Senioren
sind Nahrungsergänzungsmittel aber hilfreich.
0
Schönheit
Etwa mit 25 Jahren geht es los: Die
ersten Falten bilden sich, die Anzeichen
des Alterns. Unaufhaltsam scheint es,
und eine ganze Industrie hat den Kampf
dagegen aufgenommen: mit AntiAging-Cremes bis hin zu Schönheitsoperationen und Botoxbehandlungen.
Medizin
Die Anti-Aging-Medizin agiert auf verschiedenen Feldern: mit neuen Gelenken gegen den Verschleiß, mit mehr und besseren
Präparaten gegen Alterserscheinungen wie
Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Potenzprobleme und mit künstlichen Hormonen
für die ursprüngliche Leistungsfähigkeit.
10
Fitness8. Die Fitnessszene ist die
Anzahl der Mitglieder
größte Freizeitkultur Deutschlands.
von Fitnessstudios in
Millionen9
24 Prozent der 11- bis 39-Jährigen fühlen sich zugehörig, 30 Prozent der 20bis 29-Jährigen. Fast 60 Prozent der Be4,38
3
fragten meinen, Fitness sei „in“. Mit Fit200
ness assoziierte Werte wie Belastbarkeit,
Leistungsfähigkeit und körperliche Attraktivität nehmen in den westlichen Gesellschaft einen
i
höh
St ll
t ein
i als
l je
j zuvor. Die
Di
ten
höheren
Stellenwert
20
p der Jogger g
Gruppe
greift am ehesten zu Produkten
M
Ad
, gefolgt
g
gt von Nike
i und
d Puma..
der Marke
Adidas,
Von der Geburt bis zur Bahre sind wir damit
beschäftigt, unser Leben zu verlängern. Noch nie
wussten wir so gut wie heute, wie das gehen kann
65%
19
Mehr Lebenszeit . Für Deutsche, die
zwischen 2004 und 2006 geboren
wurden, errechnete das Statistische Bundesamt noch ein durchschnittliches
Lebensalter von 76,64 für Jungen und
82,08 Jahre für Mädchen. Für 2009 Geborene beträgt die geschätzte durchschnittliche Lebenserwartung bei Jungen schon
77,33 Jahre und bei Mädchen 82,53 Jahre.
20
Wellness10. Der Markt der Wellnessreisen wuchs zwischen
2004 und 2009 durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr.
Im Jahr 2009 gaben die Deutschen mehr als 1 Milliarde € für
Wellness-Reisen aus, drei von vier finden im Inland
statt. Der Urlaub wird aber auch für die Suche nach dem Sinn
des Lebens genutzt: Religiöse Pilgerfahrten, Kunst- und
Kulturreisen oder naturnahe Urlaube – im Zentrum stehen neue
Erfahrungen sowie die Beschäftigung mit sich selbst.
9
200
7,07
30
Anti-Aging16. 65 Prozent der Frauen
ab 18 Jahren greifen nach einer
Studie der Gesellschaft für Konsumforschung zu einer Anti-Aging-Creme,
35 Prozent der Männer benutzen sie.
Wer einmal eine Anti-Aging-Creme
gekauft hat, bleibt dabei. Zwischen
156 und 180 € gibt jeder Deutsche
jährlich für diese Produkte aus.
Diäten . 82 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren
haben einer Umfrage zufolge bereits eine Diät gemacht.
Diätische Lebensmittel im Wert von 729,4 Millionen € wurden 2007 in Deutschland
produziert.
Im Jahr 2006 galten 25 Prozent der USBevölkerung als fettleibig
und verursachten 147 Milliarden
US-$ Krankheitskosten.
Wirkstoffe17. Nur
fünf Stoffe wirken
laut der Gesellschaft
für Dermopharmazie
nachweislich in Cremes:
Vitamin A, Vitamin-A-Derivate wie
Retinol und Retinaldehyd, Vitamin C,
Alpha-Liponsäure, einige Aminosäureketten, insbesondere Pentapeptide.
40
Naturkosmetik18. Deutschland ist der größte europäische Markt für Kosmetik – besonders „grüne“ Kosmetik ist gefragt: In Deutschland hat der Naturkosmetik-Markt einen
Anteil von 5,2 Prozent am Gesamtmarkt,
in Großbritannien dagegen nur 2 Prozent.
Der Trend kommt lokalen Herstellern
zugute: In Deutschland sind 90 Prozent
der Naturkosmetik deutschen Ursprungs.
21
Hormone . Mit zunehmendem Alter erzeugt
der Körper weniger Hormone. Sinkt ihre Produktion unter bestimmte Werte, kann es zu nachlassender Leistungsfähigkeit kommen. Deshalb
werden Hormone vielfach als Anti-Aging-Produkte verschrieben. Doch laut der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
lässt sich nicht nachweisen, dass sie positiv wirken
und natürliche Alterungsprozesse verlangsamen.
50
Reisen 60+14. Mit Zuwächsen bis zu
80 Prozent gegenüber 1972 trugen
Senioren maßgeblich zum Wachstum des
deutschen Reisemarktes bei. Sie stellen
heute 29 Prozent aller Urlaubsreisenden.
Kommende Senioren werden noch
reisefreudiger sein. Ihre große Reiseerfahrung, ihre finanziellen Möglichkeiten und ihr Gesundheitszustand machen
sie zu den gefragtesten Urlaubern.
60
Jung denken. Mit positiver
Einstellung und Aktivität kann
man die Alterung verlangsamen. Das Gehirn verliert geringfügig an Fähigkeiten, entwickelt andere Potenziale. Es
muss jedoch trainiert werden.
Dazu eignen sich unter anderem Gedächtnis-Trainingsprogramme, die den Markt der
Computerspiele erobern.
70
19,16
Botox22. Das „Wundermittel“ ist
beliebter als je zuvor: 1,1 Milliarden US-$ setzte US-Hersteller
Allergan 2007 um – mit einer
Steigerungsrate von mehr als 25
Prozent. 2009 ist die Zahl der
Faltenbehandlungen mit Botox und
Füllsubstanzen in Deutschland laut
der Gesellschaft für Ästhetische
Chirurgie Deutschland e.V. um
50 Prozent auf fast 146.000 gestiegen. Botox wird aus dem Bakterium
Clostridium botulinum gewonnen –
einem starken Gift, 1 Million Mal
giftiger als Arsen. Botox wirkt nur im
Gesicht Falten glättend, wo die
Muskeln direkt mit der Haut verbunden sind.
1. SÜDDEUTSCHE (SZ) 2011; 2. TNS EMNID 2005, BD. ÖKOL. LEBENSMITTELWIRTSCHAFT E.V.; 3. STATISTA 2011; 4. UNIV. JENA, DATEN V. 2007; 5. BD. D. VEGETARIER, 2010; 6. AID INFODIENST ERNÄHRG., LANDW., VERBR.-SCHUTZ E.V.; 7. AID INFODIENST ERNÄHRG., LANDW., VERBR.-SCHUTZ E.V./FORUM TRINKWASSER E.V.; 8. TRENDSTUDIE TIMESCOUT 2009, TFACTORY HAMBURG; 9. DSSV E.V. – AGV DT. FITNESS- U. GESUNDHEITS-ANLG.; 10. DT. WELLNESS VERBAND; 11. 1A KRANKENVERS./EVONIK/INST. F. QUAL. U. WIRTSCHAFTL. I. GESUNDINNOVATION+TECHNIK, ZAHLEN VON 2003; 14. FORSCH.-GEM. URLAUB U. REISEN E.V., REISEANALYSE RA 2006; 15. AAL-DT/VDI/VDE INNOVATION+TECHNIK, ZAHLEN VON 2000; 16. WDR 2010; 17. FR 2010; 18. ORGANIC MONITOR 2010; 19. STAT. BUNDESAMT, 2009; 20. STATISTA 2007/SPIEGEL 2009; 21. DT GES. F. GYN. U. GEBURTSH.; 22. SZ 2008/GES. F. ÄSTH. CHIRURGIE DT. E.V.; 23. DT. GES. F. ÄSTH.-PLAST. CHIRURGIE 2009; 24. STATISTA 2009; 25. STAT. BA – GESUNDHEITSAUSGABEN BIS 2008; 26. STAT. BA; 27. SPIEGEL 2009/GEK RP.
21-24_Innenklapper_Alter_CS4.indd 22-23
Tele-Medizin13. Automatisierte
Messungen und drahtlose Dokumentation können den Arztbesuch ersparen. Der Kontakt
zum Hausarzt besteht über WLAN,
Bluetooth, Zigbee und RFID. Allein der Markt für „HerzrhythmusManagementsysteme“ beläuft
sich in Amerika auf 5 Milliarden
US-$ pro Jahr und wächst jährlich um zehn Prozent.
Unterm Messer23.
Der größte Teil der Schönheits-Patienten ist
zwischen 20 und 29
Jahren, der zweitgrößte
zwischen 40 und 49 Jahren alt. Jeder 20. Deutsche
zwischen 40 und 49 hat
sich bereits einer Schönheitsoperation unterzogen.
80 Prozent der Patienten
sind Frauen. Die Kosten
liegen im Durchschnitt bei
2.000 €.
Milliarden € wurden 2008 in Deutschland
von der Pflegeversicherung ausgegeben25.
1. Lidstraffung
Millionen Männer
3. Fettabsaugung
4. Faltenunterspritzung
5. Botox-Behandlung
6. Brustverkleinerung
7. Nasenkorrektur
8. Bauchdeckenstraffung
9. Hals-, Stirn-, Facelifting
10. Lippenkorrektur
HEITSW./BUNDESZENT. F. GESUNDHEITL. AUFKLÄRG; 12. DT. GOLF VERBAND E.V., 2009; 13. AAL-DT/VDI/VDE
2010, ZAHLEN AUS 2009; 28. ROLLATOREN.EU; 29. SPIEGEL 2010/FOCUS 1998; 30. GEO 2010/BIOSTATIS
Viagra24. 35 Millionen Männer
in 120 Ländern haben in
den ersten zehn Jahren Viagra
geschluckt, illegale Präparate kommen noch dazu. Hersteller Pfizer machte 2009 mit dem
Erektionsmittel einen Jahresumsatz von 1,89 Milliarden US-$.
2013 läuft das Patent aus, Generika werden den Markt überschwemmen, die Preise fallen.
Krankheitskosten26. Den Löwenanteil
der Krankenkosten produziert die
Altersgruppe der 65- bis 85-Jährigen
mit 96,8 Milliarden € 2008, gefolgt
von den 45- bis 64-Jährigen.
>
=85
<15
15 – 29
Krankheits30 – 44
kosten nach Altersgruppen 2008
65 – 84 gesamt: 254,28
Milliarden €
45 – 64
Betreut wohnen oder zu Hause?15 Nach
einer Umfrage in den USA entschieden sich
die meisten für zu Hause, nämlich:
Reiseintensität der Generation 60+14
80 %
84%
75
60
40 %
0%
1972 2005
1972 2005
60 – 69 Jahre
70+ Jahre
50%
der über 85-Jährigen benötigen
Hilfe im täglichen Leben
Hüften27. 2002 bekamen in Deutschland
108.000 Menschen eine künstliche Hüfte,
2009 waren es schon 209.000. Wann eine
gebraucht wird, ist medizinisch schwer
zu beantworten. Studien zeigen: Patienten
sind immer weniger bereit, Einschränkungen
zu ertragen. Sport treiben können oder sich
fit fühlen – das sind Gründe, warum künstliche Hüften mehr und mehr gefragt sind.
Unsterblichkeit29. Ende der 1990er-Jahre
gelang es Zellbiologen, das Enzym
Telomerase künstlich herzustellen. In
den Telomeren, den Endstücken der
Chromosomen, tickt die Uhr menschlicher
Zellen. Mit jeder Zellteilung verkürzen
sie sich, der Verlust der Telomere lässt Zellen
schließlich absterben. Telomerase fügt
den Chromosomen neue Telomere hinzu.
2009 wurden die Entdecker der Telomerase
mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
92%
der 55- bis 64-Jährigen
der 65- bis 74-Jährigen
41
33
80
Top Ten der
Schönheits-OPs 200923
2. Brustvergrößerung
2,25
Beim Altern hilft heute auch der Computer mit.
Der Kontakt zum Hausarzt verläuft über WLAN und Bluetooth
Stütze vom Designer. Bisher waren
Stützstrümpfe gegen Thrombose oder
Krampfadern ein typisches Seniorenprodukt. Wolfgang Joop ernannte sie 2009
zum Modeartikel. Die Strümpfe seiner
Kollektion „Hurt and Heal“ sind feiner gestrickt und machen schöne, schlanke Beine.
Wellness
Die Menschheit wird immer älter – und
fitter. Wellness-Urlaube sind Bestseller und
sorgen wie Fitnessstudios und Spas dafür,
dass Körper und Seele jung bleiben. Regelmäßige Bewegung, aber auch geistige Betätigung, versprechen schließlich Anti-AgeExperten, verzögern den Alterungsprozess.
Wasser 7. Der 75-jährige
Mann braucht circa 20 Prozent
weniger Energie als der
25-jährige. Er benötigt aber
gleich viel, wenn nicht
mehr, Vitamine und Mineralstoffe. Wichtigster Bestandteil der Ernährung: Wasser.
Empfehlung: täglich 2,25 Liter.
FOTOS HINTERGRUND: CORINNA HOLTHUSEN/PHOTOSELECTION, FOTOS: THINKSTOCK, JALAG,
ISTOCKPHOTO (2), GETTY IMAGES (2), STILLSONLINE, PIXELIO (2), SHUTTERSTOCK (2), PICTURE
ALLIANCE, ARCO IMAGES, F1ONLINE, ZOONAR, CORBIS, LAIF, KLAPPERGRAFIK: PICFOUR
74
%
Die Suche nach dem ewigen Leben
Functional Food3. Probiotische Joghurts
waren die Wegbereiter von Lebensmitteln
mit Gesundheitseffekt. Es folgten ACEDrinks, Omega-3-Brot und -Eier sowie angereicherte Margarine. Der deutsche Markt
für Functional Food hatte 2009 ein Volumen von 4,52 Milliarden €, 1999 waren es
noch 1,9 Milliarden €. 29,7 Prozent betrug
das Umsatzwachstum 2005/2006 allein
bei Speisesalz mit Fluorid und Folsäure.
95%
der über 75-Jährigen
90
100
Rollator28. Wo heute Fahrradständer stehen, gibt es in ein paar Jahren Abstellplätze
für Rollatoren, heißt es beim Deutschen
Industrieverband für optische, medizinische
und mechatronische Technologien. 2008
wurden in Deutschland 320.000 der Gehhilfen verkauft, 2010 an die 500.000. Der
erste Rollator kam Anfang der 90er-Jahre aus Schweden nach
Deutschland. Mittlerweile kommt Konkurrenz aus Asien.
Ewiges Leben 30. Kryonik bezeichnet die Konservierung eines
Körpers in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad, Blut wird
durch Frostschutzmittel ersetzt. So findet keine Verwesung statt,
und Leichen können Jahrhunderte überdauern. In dieser Zeit,
so hoffen Kryoniker, entwickelt sich die Wissenschaft so weit,
dass die konservierten Menschen wiederbelebt werden können.
Seit 1967 gibt es die Kryonik in den USA, in Deutschland ist
das Verfahren nicht erlaubt, es gibt aber jedes Jahr etwa 15 Anfragen zur Vermittlung an US-Unternehmen. Kosten: 120.000 €.
14.03.11 15:41
Der soziale und der medizinische Fortschritt ermöglichen, dass wir immer länger gesund
und „jung“ bleiben. Ganze Industrien kümmern sich darum, immer mehr Menschen
an dieser großen Verwandlung teilhaben zu lassen. Genau genommen beginnt unser Kampf
um das ewige Leben schon in der frühen Kindheit
Biologisch wertvoll2. 74 Prozent
der Deutschen kaufen Bio-Lebensmittel – längst auch im Supermarkt:
2005 stieg der Bio-Umsatz
des konventionellen Handels um
25 Prozent, der Umsatz des
Naturkostfachhandels dagegen
„nur“ um zehn Prozent.
1
Ernährung
Das Leben verlängern und gesund bleiben –
mithilfe der richtigen Ernährung: Fett- und
zuckerarm soll das Anti-Age-Food sein, viel
Obst und Gemüse enthalten, wenig Alkohol
und Koffein, viel Wasser. Viele 100-Jährige
leben auf Sardinien, ihr Geheimnis: kalorienarme Nahrung, viel Obst und Gemüse.
Muttermilch . Sie legt den Grundstein
für ein langes Leben und nimmt
Einfluss auf zentrale Körperfunktionen.
Muttermilch hilft Säuglingen,
Bakterien und Viren abzuwehren,
verändert die Aktivität ganzer
Gengruppen und beeinflusst die
Intelligenz. Mit einfachem Rezept:
90 Prozent Wasser, circa sechs
Prozent Laktose, außerdem andere
Zucker, Lipide und Proteine.
Und: Muttermilch enthält ein
komplexes Sortiment aus etwa
200 verschiedenen Zuckerketten.
Power aus der Dose
Energie und Konzentration
auf dem Lauf ins lange
Leben versprechen Red
Bull und Kombucha, mit
denen Dietrich Mateschitz
weltweit erfolgreich ist.
Mit seinem Formel-EinsTeam Red Bull Racing fuhr
er letztes Jahr an die Spitze.
Vegetarier nach Alter4
10 –19
20 –29
30 –39
40 – 49
50 –59
60 – 69
70 –79
0%
Suchtpflaster11. 2009 rauchten in Deutschland circa 30 Prozent der Erwachsenen. Die
meisten haben schon versucht, aufzuhören. Hilfsmittel wie Nikotinkaugummis, -pflaster oder
-lutschtabletten geben das Nikotin langsamer
und geringer ab, lindern Entzugserscheinungen.
Das Polymer EUDRAGIT der Evonik Industries
AG ist in vielen Nikotinpflastern enthalten.
20 %
40 %
Fleischlos5. Nach Angaben
des Vegetarierbundes
werden jede Woche circa 4.000
Menschen zu Vegetariern.
2010 ernährten sich etwa
acht Prozent der Deutschen
vegetarisch. Der typische
Vegetarier ist weiblich, jung,
überdurchschnittlich gebildet
und lebt in einer Großstadt. Nach einer Studie haben Vegetarier ein verringertes
Krebsrisiko – und leben länger.
Golf 12. Nach Fitness,
Tourismus, Glücksspiel
ist Golf in Deutschland
das am viertschnellsten
wachsende Freizeitsegment.
Etwa 42 Prozent aller deutschen
Golfer sind älter als 55 Jahre.
Nahrungsergänzung 6. Der europäische Markt für
Nahrungsergänzungsmittel hat ein Volumen von rund
6 Milliarden € Jahresumsatz (2007). Fast jeder dritte Deutsche nimmt Nahrungsergänzungsmittel. Typische
Inhaltsstoffe: Mineralstoffe, Vitamine, Vitaminoide oder
Fettsäuren. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
sind aber nur jodiertes Speisesalz und Folsäure sinnvoll –
alle anderen Nährstoffe seien in einer vollwertigen Ernährung bereits enthalten. Für Schwangere, Heranwachsende,
Leistungssportler, chronisch Kranke, Veganer oder Senioren
sind Nahrungsergänzungsmittel aber hilfreich.
0
Schönheit
Etwa mit 25 Jahren geht es los: Die
ersten Falten bilden sich, die Anzeichen
des Alterns. Unaufhaltsam scheint es,
und eine ganze Industrie hat den Kampf
dagegen aufgenommen: mit AntiAging-Cremes bis hin zu Schönheitsoperationen und Botoxbehandlungen.
Medizin
Die Anti-Aging-Medizin agiert auf verschiedenen Feldern: mit neuen Gelenken gegen den Verschleiß, mit mehr und besseren
Präparaten gegen Alterserscheinungen wie
Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Potenzprobleme und mit künstlichen Hormonen
für die ursprüngliche Leistungsfähigkeit.
10
Fitness8. Die Fitnessszene ist die
Anzahl der Mitglieder
größte Freizeitkultur Deutschlands.
von Fitnessstudios in
Millionen9
24 Prozent der 11- bis 39-Jährigen fühlen sich zugehörig, 30 Prozent der 20bis 29-Jährigen. Fast 60 Prozent der Be4,38
3
fragten meinen, Fitness sei „in“. Mit Fit200
ness assoziierte Werte wie Belastbarkeit,
Leistungsfähigkeit und körperliche Attraktivität nehmen in den westlichen Gesellschaft einen
i
höh
St ll
t ein
i als
l je
j zuvor. Die
Di
ten
höheren
Stellenwert
20
p der Jogger g
Gruppe
greift am ehesten zu Produkten
M
Ad
, gefolgt
g
gt von Nike
i und
d Puma..
der Marke
Adidas,
Von der Geburt bis zur Bahre sind wir damit
beschäftigt, unser Leben zu verlängern. Noch nie
wussten wir so gut wie heute, wie das gehen kann
65%
19
Mehr Lebenszeit . Für Deutsche, die
zwischen 2004 und 2006 geboren
wurden, errechnete das Statistische Bundesamt noch ein durchschnittliches
Lebensalter von 76,64 für Jungen und
82,08 Jahre für Mädchen. Für 2009 Geborene beträgt die geschätzte durchschnittliche Lebenserwartung bei Jungen schon
77,33 Jahre und bei Mädchen 82,53 Jahre.
20
Wellness10. Der Markt der Wellnessreisen wuchs zwischen
2004 und 2009 durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr.
Im Jahr 2009 gaben die Deutschen mehr als 1 Milliarde € für
Wellness-Reisen aus, drei von vier finden im Inland
statt. Der Urlaub wird aber auch für die Suche nach dem Sinn
des Lebens genutzt: Religiöse Pilgerfahrten, Kunst- und
Kulturreisen oder naturnahe Urlaube – im Zentrum stehen neue
Erfahrungen sowie die Beschäftigung mit sich selbst.
9
200
7,07
30
Anti-Aging16. 65 Prozent der Frauen
ab 18 Jahren greifen nach einer
Studie der Gesellschaft für Konsumforschung zu einer Anti-Aging-Creme,
35 Prozent der Männer benutzen sie.
Wer einmal eine Anti-Aging-Creme
gekauft hat, bleibt dabei. Zwischen
156 und 180 € gibt jeder Deutsche
jährlich für diese Produkte aus.
Diäten . 82 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren
haben einer Umfrage zufolge bereits eine Diät gemacht.
Diätische Lebensmittel im Wert von 729,4 Millionen € wurden 2007 in Deutschland
produziert.
Im Jahr 2006 galten 25 Prozent der USBevölkerung als fettleibig
und verursachten 147 Milliarden
US-$ Krankheitskosten.
Wirkstoffe17. Nur
fünf Stoffe wirken
laut der Gesellschaft
für Dermopharmazie
nachweislich in Cremes:
Vitamin A, Vitamin-A-Derivate wie
Retinol und Retinaldehyd, Vitamin C,
Alpha-Liponsäure, einige Aminosäureketten, insbesondere Pentapeptide.
40
Naturkosmetik18. Deutschland ist der größte europäische Markt für Kosmetik – besonders „grüne“ Kosmetik ist gefragt: In Deutschland hat der Naturkosmetik-Markt einen
Anteil von 5,2 Prozent am Gesamtmarkt,
in Großbritannien dagegen nur 2 Prozent.
Der Trend kommt lokalen Herstellern
zugute: In Deutschland sind 90 Prozent
der Naturkosmetik deutschen Ursprungs.
21
Hormone . Mit zunehmendem Alter erzeugt
der Körper weniger Hormone. Sinkt ihre Produktion unter bestimmte Werte, kann es zu nachlassender Leistungsfähigkeit kommen. Deshalb
werden Hormone vielfach als Anti-Aging-Produkte verschrieben. Doch laut der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
lässt sich nicht nachweisen, dass sie positiv wirken
und natürliche Alterungsprozesse verlangsamen.
50
Reisen 60+14. Mit Zuwächsen bis zu
80 Prozent gegenüber 1972 trugen
Senioren maßgeblich zum Wachstum des
deutschen Reisemarktes bei. Sie stellen
heute 29 Prozent aller Urlaubsreisenden.
Kommende Senioren werden noch
reisefreudiger sein. Ihre große Reiseerfahrung, ihre finanziellen Möglichkeiten und ihr Gesundheitszustand machen
sie zu den gefragtesten Urlaubern.
60
Jung denken. Mit positiver
Einstellung und Aktivität kann
man die Alterung verlangsamen. Das Gehirn verliert geringfügig an Fähigkeiten, entwickelt andere Potenziale. Es
muss jedoch trainiert werden.
Dazu eignen sich unter anderem Gedächtnis-Trainingsprogramme, die den Markt der
Computerspiele erobern.
70
19,16
Botox22. Das „Wundermittel“ ist
beliebter als je zuvor: 1,1 Milliarden US-$ setzte US-Hersteller
Allergan 2007 um – mit einer
Steigerungsrate von mehr als 25
Prozent. 2009 ist die Zahl der
Faltenbehandlungen mit Botox und
Füllsubstanzen in Deutschland laut
der Gesellschaft für Ästhetische
Chirurgie Deutschland e.V. um
50 Prozent auf fast 146.000 gestiegen. Botox wird aus dem Bakterium
Clostridium botulinum gewonnen –
einem starken Gift, 1 Million Mal
giftiger als Arsen. Botox wirkt nur im
Gesicht Falten glättend, wo die
Muskeln direkt mit der Haut verbunden sind.
1. SÜDDEUTSCHE (SZ) 2011; 2. TNS EMNID 2005, BD. ÖKOL. LEBENSMITTELWIRTSCHAFT E.V.; 3. STATISTA 2011; 4. UNIV. JENA, DATEN V. 2007; 5. BD. D. VEGETARIER, 2010; 6. AID INFODIENST ERNÄHRG., LANDW., VERBR.-SCHUTZ E.V.; 7. AID INFODIENST ERNÄHRG., LANDW., VERBR.-SCHUTZ E.V./FORUM TRINKWASSER E.V.; 8. TRENDSTUDIE TIMESCOUT 2009, TFACTORY HAMBURG; 9. DSSV E.V. – AGV DT. FITNESS- U. GESUNDHEITS-ANLG.; 10. DT. WELLNESS VERBAND; 11. 1A KRANKENVERS./EVONIK/INST. F. QUAL. U. WIRTSCHAFTL. I. GESUNDINNOVATION+TECHNIK, ZAHLEN VON 2003; 14. FORSCH.-GEM. URLAUB U. REISEN E.V., REISEANALYSE RA 2006; 15. AAL-DT/VDI/VDE INNOVATION+TECHNIK, ZAHLEN VON 2000; 16. WDR 2010; 17. FR 2010; 18. ORGANIC MONITOR 2010; 19. STAT. BUNDESAMT, 2009; 20. STATISTA 2007/SPIEGEL 2009; 21. DT GES. F. GYN. U. GEBURTSH.; 22. SZ 2008/GES. F. ÄSTH. CHIRURGIE DT. E.V.; 23. DT. GES. F. ÄSTH.-PLAST. CHIRURGIE 2009; 24. STATISTA 2009; 25. STAT. BA – GESUNDHEITSAUSGABEN BIS 2008; 26. STAT. BA; 27. SPIEGEL 2009/GEK RP.
21-24_Innenklapper_Alter_CS4.indd 22-23
Tele-Medizin13. Automatisierte
Messungen und drahtlose Dokumentation können den Arztbesuch ersparen. Der Kontakt
zum Hausarzt besteht über WLAN,
Bluetooth, Zigbee und RFID. Allein der Markt für „HerzrhythmusManagementsysteme“ beläuft
sich in Amerika auf 5 Milliarden
US-$ pro Jahr und wächst jährlich um zehn Prozent.
Unterm Messer23.
Der größte Teil der Schönheits-Patienten ist
zwischen 20 und 29
Jahren, der zweitgrößte
zwischen 40 und 49 Jahren alt. Jeder 20. Deutsche
zwischen 40 und 49 hat
sich bereits einer Schönheitsoperation unterzogen.
80 Prozent der Patienten
sind Frauen. Die Kosten
liegen im Durchschnitt bei
2.000 €.
Milliarden € wurden 2008 in Deutschland
von der Pflegeversicherung ausgegeben25.
1. Lidstraffung
Millionen Männer
3. Fettabsaugung
4. Faltenunterspritzung
5. Botox-Behandlung
6. Brustverkleinerung
7. Nasenkorrektur
8. Bauchdeckenstraffung
9. Hals-, Stirn-, Facelifting
10. Lippenkorrektur
HEITSW./BUNDESZENT. F. GESUNDHEITL. AUFKLÄRG; 12. DT. GOLF VERBAND E.V., 2009; 13. AAL-DT/VDI/VDE
2010, ZAHLEN AUS 2009; 28. ROLLATOREN.EU; 29. SPIEGEL 2010/FOCUS 1998; 30. GEO 2010/BIOSTATIS
Viagra24. 35 Millionen Männer
in 120 Ländern haben in
den ersten zehn Jahren Viagra
geschluckt, illegale Präparate kommen noch dazu. Hersteller Pfizer machte 2009 mit dem
Erektionsmittel einen Jahresumsatz von 1,89 Milliarden US-$.
2013 läuft das Patent aus, Generika werden den Markt überschwemmen, die Preise fallen.
Krankheitskosten26. Den Löwenanteil
der Krankenkosten produziert die
Altersgruppe der 65- bis 85-Jährigen
mit 96,8 Milliarden € 2008, gefolgt
von den 45- bis 64-Jährigen.
>
=85
<15
15 – 29
Krankheits30 – 44
kosten nach Altersgruppen 2008
65 – 84 gesamt: 254,28
Milliarden €
45 – 64
Betreut wohnen oder zu Hause?15 Nach
einer Umfrage in den USA entschieden sich
die meisten für zu Hause, nämlich:
Reiseintensität der Generation 60+14
80 %
84%
75
60
40 %
0%
1972 2005
1972 2005
60 – 69 Jahre
70+ Jahre
50%
der über 85-Jährigen benötigen
Hilfe im täglichen Leben
Hüften27. 2002 bekamen in Deutschland
108.000 Menschen eine künstliche Hüfte,
2009 waren es schon 209.000. Wann eine
gebraucht wird, ist medizinisch schwer
zu beantworten. Studien zeigen: Patienten
sind immer weniger bereit, Einschränkungen
zu ertragen. Sport treiben können oder sich
fit fühlen – das sind Gründe, warum künstliche Hüften mehr und mehr gefragt sind.
Unsterblichkeit29. Ende der 1990er-Jahre
gelang es Zellbiologen, das Enzym
Telomerase künstlich herzustellen. In
den Telomeren, den Endstücken der
Chromosomen, tickt die Uhr menschlicher
Zellen. Mit jeder Zellteilung verkürzen
sie sich, der Verlust der Telomere lässt Zellen
schließlich absterben. Telomerase fügt
den Chromosomen neue Telomere hinzu.
2009 wurden die Entdecker der Telomerase
mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
92%
der 55- bis 64-Jährigen
der 65- bis 74-Jährigen
41
33
80
Top Ten der
Schönheits-OPs 200923
2. Brustvergrößerung
2,25
Beim Altern hilft heute auch der Computer mit.
Der Kontakt zum Hausarzt verläuft über WLAN und Bluetooth
Stütze vom Designer. Bisher waren
Stützstrümpfe gegen Thrombose oder
Krampfadern ein typisches Seniorenprodukt. Wolfgang Joop ernannte sie 2009
zum Modeartikel. Die Strümpfe seiner
Kollektion „Hurt and Heal“ sind feiner gestrickt und machen schöne, schlanke Beine.
Wellness
Die Menschheit wird immer älter – und
fitter. Wellness-Urlaube sind Bestseller und
sorgen wie Fitnessstudios und Spas dafür,
dass Körper und Seele jung bleiben. Regelmäßige Bewegung, aber auch geistige Betätigung, versprechen schließlich Anti-AgeExperten, verzögern den Alterungsprozess.
Wasser 7. Der 75-jährige
Mann braucht circa 20 Prozent
weniger Energie als der
25-jährige. Er benötigt aber
gleich viel, wenn nicht
mehr, Vitamine und Mineralstoffe. Wichtigster Bestandteil der Ernährung: Wasser.
Empfehlung: täglich 2,25 Liter.
FOTOS HINTERGRUND: CORINNA HOLTHUSEN/PHOTOSELECTION, FOTOS: THINKSTOCK, JALAG,
ISTOCKPHOTO (2), GETTY IMAGES (2), STILLSONLINE, PIXELIO (2), SHUTTERSTOCK (2), PICTURE
ALLIANCE, ARCO IMAGES, F1ONLINE, ZOONAR, CORBIS, LAIF, KLAPPERGRAFIK: PICFOUR
74
%
Die Suche nach dem ewigen Leben
Functional Food3. Probiotische Joghurts
waren die Wegbereiter von Lebensmitteln
mit Gesundheitseffekt. Es folgten ACEDrinks, Omega-3-Brot und -Eier sowie angereicherte Margarine. Der deutsche Markt
für Functional Food hatte 2009 ein Volumen von 4,52 Milliarden €, 1999 waren es
noch 1,9 Milliarden €. 29,7 Prozent betrug
das Umsatzwachstum 2005/2006 allein
bei Speisesalz mit Fluorid und Folsäure.
95%
der über 75-Jährigen
90
100
Rollator28. Wo heute Fahrradständer stehen, gibt es in ein paar Jahren Abstellplätze
für Rollatoren, heißt es beim Deutschen
Industrieverband für optische, medizinische
und mechatronische Technologien. 2008
wurden in Deutschland 320.000 der Gehhilfen verkauft, 2010 an die 500.000. Der
erste Rollator kam Anfang der 90er-Jahre aus Schweden nach
Deutschland. Mittlerweile kommt Konkurrenz aus Asien.
Ewiges Leben 30. Kryonik bezeichnet die Konservierung eines
Körpers in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad, Blut wird
durch Frostschutzmittel ersetzt. So findet keine Verwesung statt,
und Leichen können Jahrhunderte überdauern. In dieser Zeit,
so hoffen Kryoniker, entwickelt sich die Wissenschaft so weit,
dass die konservierten Menschen wiederbelebt werden können.
Seit 1967 gibt es die Kryonik in den USA, in Deutschland ist
das Verfahren nicht erlaubt, es gibt aber jedes Jahr etwa 15 Anfragen zur Vermittlung an US-Unternehmen. Kosten: 120.000 €.
14.03.11 15:41
Intelligente Technik für alte Tage
Lange wurde die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen für die
alternde Gesellschaft vernachlässigt. Das wird sich jetzt ändern – dank
„Ambient Assisted Living“ (AAL). Die übergreifende Initiative entwickelt einen Markt,
der in Deutschland eine Million Arbeitsplätze schaffen kann
TEXT KLAUS JOPP
DIE TÜRSCHWELLE wird zur Stolperfalle, der Lieb-
MAX ist ein wichtiges Instrument, um Produkte für
eine alternde Gesellschaft zu schaffen beziehungsweise zu verbessern. Das gilt nicht nur für Automobile,
sondern für den gesamten Alltag. „Wer Assistenzprodukte entwickeln will, braucht nicht nur technisches
Know-how, sondern sollte auch die Bedürfnisse und
Möglichkeiten der Anwender kennen“, konstatiert
Prof. Dr. Frank Wallhoff, der den bundesweit einzigen Studiengang „Assistive Technologien“ an der
Jade Hochschule in Oldenburg leitet. Konkret geht es
dabei um die Bedürfnisse älterer und behinderter Personen, die möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben
in den eigenen vier Wänden führen wollen. Dieser
Bereich, inzwischen oft als AAL (Ambient Assisted
Living) bezeichnet, wird immer wichtiger, wie der
vierte Kongress zu diesem Thema mit über 800 Teilnehmern Anfang 2011 in Berlin gezeigt hat.
„Ziel von AAL ist es, das Leben im Alter so komfortabel und sicher wie möglich zu gestalten, was aus
technischer Sicht kein Problem darstellt“, erklärt Dr.
FOTOS: MARC STEINMETZ/VISUM,
THE NEW YORK TIMES/REDUX/LAIF (2)
Fahrkartenkauf
unter „ExtremeAging“-Bedingungen.
Der Alterssimulationsanzug hilft,
die Behinderungen
alter Menschen
nachzustellen: steife
Gelenke, Einschränkungen des Bewegungsapparats,
von Sehvermögen
und Gehör. So kann
getestet werden, ob
Geräte auch
altentauglich sind
lingsjoghurt steht unerreichbar hoch im Supermarktregal, selbst das Einschenken von einem simplen Glas
Wasser verursacht eine mittelschwere Überschwemmung – Alltag im Alter über 80. Genau diese Erfahrungen
vermittelt MAX, der modulare Alterssimulationsanzug
extra. Manschetten, Gewichte, Schienen schränken die
Beweglichkeit massiv ein, Brille und Gehörschutz tun ein
Übriges – wer MAX anlegt, altert binnen Minuten um
Jahrzehnte. Altern bedeutet mehr als Falten im Gesicht
und graue Haare: Gelenke, die steif werden, Fingerspitzen, die kein Gefühl mehr haben, Hände, die nicht mehr
kraftvoll zugreifen. All diese Einschränkungen simuliert MAX, der auf Initiative der AutoUni, der Audi AG
und der Volkswagen-Konzernforschung von der Technischen Universität Chemnitz entwickelt wurde und mehrere Stufen der Beeinträchtigung realisieren kann. Der
demografische Wandel verlangt von Unternehmen neue
Strategien – einerseits im Umgang mit ihren Kundengruppen, andererseits mit ihrer eigenen Belegschaft.
20_Evonik_01-11_DE 20
11.03.11 13:15
G E S TA LT E N 25
Zahnaufsatz
Familie
INFOGRAFIKEN:
DIETER DUNEKA
AAL: computergestütztes Altern
Mess- und
Ladestation
Mobile Verbindung über
Internet-Protokoll(IP)Netzwerk mit der Möglichkeit
für Videokontakt
Sozialdienst
Ärztliche
Überwachung
Hans Heinz Zimmer, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e.V. (VDE), der zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den
Kongress ausgerichtet hat.
Alltagshelfer für alte Menschen
Deutschlands Anstrengungen in Sachen AAL haben
auch handfeste wirtschaftliche Gründe: So hat die
Gesellschaft für Konsumforschung schon 2004 ermittelt, dass Menschen der Generation 50 plus über ein
jährliches Nettoeinkommen von 643 Milliarden € verfügen – mehr als die 30- bis 50-Jährigen. Das Institut
für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen sieht
ein Potenzial von bis zu 1 Million Arbeitsplätze, wenn
die Bedürfnisse und Kaufkraftmöglichkeiten der Älteren verstärkt beachtet werden. Bei rund einem Drittel
dieser Gruppe besteht Interesse an wohnbegleitenden
Dienstleistungen wie Notruf, Pflege, Putz- und Haushaltshilfe, Mahlzeiten und Einkauf.
Laut dem Marktforschungsunternehmen Datamonitor wird der Markt für AAL allein in den USA und
Europa von derzeit 3 Milliarden US-$ auf bis zu 7,7 Milliarden US-$ 2012 zulegen. Gestützt werden diese Prognosen durch weitere Umfragen: So gaben in den USA
84 Prozent der 55- bis 64-Jährigen, 92 Prozent der 65bis 74-Jährigen und 95 Prozent der über 74-Jährigen
an, dass sie zu Hause bleiben wollen.
Ähnliche Ergebnisse darf man auch für Deutschland
erwarten. Zugleich nimmt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen kontinuierlich zu: Für 2010 erwartete
das Statistische Bundesamt Deutschland 2,4 Millionen,
für 2030 prognostiziert es bereits 3,4 Millionen – mehr
als zwei Drittel dieser Menschen werden zu Hause ver-
Zentraler
Server zur
Datenspeicherung
Blutdruckmesser am
Armgelenk
Gürtel enthält:
•Bewegungssensor
•Pumpe für
subkutane
„On-Demand“Versorgung mit
Apomorphin
Dauermedikation via Zahnkappe:
In der Mess- und Ladestation
wird die Zahnkappe kontrolliert
und mit den Medikamenten
gefüllt, dann wird die Kappe über
einen Zahn gestülpt und gibt
die Wirkstoffe genau dosiert an
die Mundschleimhaut ab.
Damit wird sichergestellt, dass
auch vergessliche chronisch
Kranke zuverlässig mit ihren
Arzneien versorgt werden
sorgt. Vor diesem Hintergrund werden technische Entwicklungen immer wichtiger, die das Leben oder die
Pflege in den eigenen vier Wänden unterstützen.
Ein Beispiel für diesen Trend ist eine innovative Unterwäsche, die in der Lage ist, sämtliche Vitalparameter des Trägers zu erfassen. Elektrokardiogramm, Puls, Atmung, Körpertemperatur werden
mit eingenähten Sensoren gemessen, ein spezieller
Beschleunigungssensor warnt zudem bei Stürzen. Die
Daten werden drahtlos per Mobilfunk übertragen und
laufen in einem Callcenter oder einem Hausnotrufsystem auf. „Unsere Zielsetzung dabei war ein System, das wie ein normales Unterhemd benutzt werden kann, deshalb kann unser Produkt sogar in der
Waschmaschine gewaschen werden, ohne dass die
Elektronik ausgebaut werden muss“, erklärt Carsten
Linti, im Institut für Textil- und Verfahrenstechnik
Denkendorf (ITV) für Forschung und Entwicklung
im Bereich Smart Textiles zuständig.
Ein anderes Beispiel ist SensFloor, ein sensitiver
Bodenbelag. Das System der Future-Shape GmbH aus
Höhenkirchen-Siegertsbrunn in Bayern basiert auf
einer textilen Unterlage mit integrierten Funkmodulen und Näherungssensoren. Die Sensorsignale werden von einem Empfänger ausgewertet, und so wird
ein Aktivitätsprofil erstellt. Auf diese Art und Weise
können Stürze erkannt werden, zudem lässt sich das
Licht anschalten, wenn eine Person aus dem Bett aufsteht. Gefährliche Geräte wie Herdplatten oder Bügeleisen können abgeschaltet werden, sobald die letzte Person das Haus verlassen hat. Keine Frage, AAL
steht vor einer großen Zukunft, und „Deutschland ist
aufgrund seiner Systemkompetenz auf dem Weg zum
Innovationsführer“, so VDE-Fachmann Zimmer.
Intelligentes
Überwachungssystem
für behinderte und
kranke Menschen,
die lieber in ihrem
Zuhause als in einer
Pflegeeinrichtung
leben möchten: Über
Sensoren am Gürtel
werden die Vitalfunktionen aufgezeichnet
und weitergeleitet,
bei Auffälligkeiten
werden sofort
Notfallmaßnahmen
eingeleitet
Evonik-Magazin 1 | 2011
25_Evonik_01-11_DE 25
09.03.11 13:06
26 E N T W I C K E L N
Willkommen im Jahr der Chemie!
100 Jahre nachdem Prof. Dr. Marie Curie 1911 den Nobelpreis für Chemie erhielt, feiert
die Welt das Internationale Jahr der Chemie 2011. Mit Tausenden von Veranstaltungen wird eine
Wissenschaft geehrt, die Lösungen für die großen Menschheitsprobleme anzubieten hat
TEXT KIRSTIN RUGE
Evonik-Magazin 1 | 2011
26_Evonik_01-11_DE 26
07.03.11 10:08
E N T W I C K E L N 27
AM 7. NOVEMBER 1911 lief eine sensationelle
FOTO: PLAINPICTURE/FOGSTOCK
Nachricht über die Ticker: Zum ersten Mal erhielt eine
Frau den Nobelpreis für Chemie. Für Madame Marie
Curie, von Haus aus Physikerin, war es bereits die zweite Ehrung. Acht Jahre zuvor hatte sie den Nobelpreis für
Physik erhalten. Jetzt gewann sie die begehrte Auszeichnung für die Entdeckung der Elemente Radium und
Polonium, welches nach dem Geburtsland der Forscherin benannt wurde. Dass das Internationale Jahr der Chemie genau 100 Jahre nach diesem historischen Ereignis
gefeiert wird, ist kein Zufall: Die Initiatoren UNESCO
(Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) und IUPAC (Internationale Union
für Reine und Angewandte Chemie) gedenken damit
nicht nur der Verdienste einer herausragenden Wissenschaftlerin. Sie setzen auch einen starken Akzent auf die
zunehmende Bedeutung von Frauen für die an Komplexität kaum zu überbietende Wissenschaft. Mit welcher
Dynamik die Chemikerinnen ihre Chance ergreifen und
sich weltweit vernetzen, bewies das Event „Women Sharing a Chemical Moment in Time“. Am 18. Januar trafen Forscherinnen in 37 Ländern rund um den Globus
zu „Networking Breakfasts“ zusammen – mehr als eine
Woche vor der offiziellen feierlichen Auftaktveranstaltung des Internationalen Jahres der Chemie am Hauptsitz der UNESCO in Paris.
Schwerpunkt: Wasser
Die Eile ist angemessen. Angesichts drängender
Menschheitsprobleme wie Bevölkerungswachstum,
Klimawandel oder Ressourcenverbrauch ist es höchste
Zeit, dass die Chemiewelt im Laufe „ihres“ Jahres enger
zusammenrückt. Die gemeinsame Botschaft: Ohne Chemie kann der Übergang in eine für die gesamte Mensch-
heit nachhaltige Zukunft nicht gelingen. Bewusst haben
die Organisatoren einen Schwerpunkt auf das Thema
Wasser gesetzt. Dabei nehmen sie jene mit, die von der
Problematik am stärksten betroffen sein werden: die
kommenden Generationen. Mit zwei einfach zusammengesetzten Experimentier-Sets stellen UNESCO und
IUPAC Lehrern und Schülern in einem „globalen Experiment“ weltweit die notwendigen Mittel zur Verfügung,
um Wasser auf Eigenschaften wie Säurewert (ph-Wert)
und Salzgehalt zu prüfen oder verschiedene Filter- und
Reinigungsmethoden zu testen. Auch in Deutschland,
einem Land, das weder unter Wasserknappheit noch
-verschmutzung zu leiden hat, wird gleichwohl die Neugier auf das Lebenselixier geweckt: Unter der Webadresse www.h2o-machs-bunt.de richtet der Fonds der
Chemischen Industrie (FCI) einen Schülerwettbewerb
aus, der mit attraktiven Preisen zum Mitmachen einlädt.
Riesiges Spektrum
Ein Blick auf das Spektrum der Veranstaltungen, Workshops und Konferenzen, die im Rahmen des Internationalen Jahres der Chemie abgehalten werden, zeigt
zwei Tendenzen: Auf der einen Seite steht der globale Wissenstransfer, um durch die Chemie rasch Lösungen zu finden, von denen die gesamte Menschheit profitieren kann. Als Beispiele seien der Durchbruch bei der
Wasserstofftechnologie genannt, die Entwicklung von
Speichern, welche die schwankenden Energieerträge
von Sonne und Wind zwischenspeichern können, oder
die Bereitstellung von leichtgewichtigen und dabei fast
unzerstörbaren Werkstoffen für evolutionäre Modelle
der Auto- und Flugzeugindustrie. Auf der anderen Seite wird jedoch erkennbar, dass jede Nation das Internationale Jahr der Chemie auf ihre Weise zelebriert,
Evonik-Magazin 1 | 2011
27_Evonik_01-11_DE 27
07.03.11 10:08
28 E N T W I C K E L N
Wenn Chemie zum
Event wird und
Themen zu Stars …
Rohstoffnutzung
CHEM-MED – der smarte Umgang mit
Rohstoffen ist eine der großen Aufgaben innovativer
Chemie. In der Lombardei gibt es dazu eine
Messe mit umfassendem Konferenzprogramm:
Gezeigt und erörtert werden sowohl neue Technologien
zur Erschließung chemischer und chemo-pharmazeutischer
Rohstoffe und das dazu nötige chemische Equipment
als auch die unterstützende Spezial-Software.
05. – 07. 10. 2011,
Mailand, Italien
Madame
Curie
um die Angebote der Wissenschaft für die speziellen Bedürfnisse ihrer Bevölkerung zu nutzen. So richten die Chinesen vom 10. bis zum 13. April erstmals eine
internationale Konferenz zum Thema „Saubere Energie“ aus, während allen politischen Unruhen zum Trotz
im Dezember nach Tunesien zur „Third Maghreb Conference on Desalination and Water Treatment“ geladen
wird. Wie vielfältig die Themen sind, steht im Internet
unter www.chemistry2011.org.
FOTO: PLAINPICTURE/FOGSTOCK
„Chemie – unser Leben, unsere Zukunft“
In der modernen Welt entsteht kaum ein Material, eine
Tablette oder ein Lebensmittel ohne Chemie. Mit dem
UN-Jahr wollen die Vereinten Nationen und die IUPAC
mehr Menschen für einen Forschungszweig begeistern,
der wie kein zweiter zur nachhaltigen Entwicklung des
Planeten beitragen kann. Als Motto haben sie deshalb
„Chemie – unser Leben, unsere Zukunft“ gewählt. Prof.
Dr. Nicole J. Moreau sprach in ihrem im Internet veröffentlichten Grußwort die Vorurteile an, mit denen die
Menschen der westlichen Welt der Chemie begegnen.
„In der veröffentlichten Meinung der westlichen Welt
wird Chemie oft mit Krebserkrankungen oder einer
Schwächung der Umwelt assoziiert“, schreibt die Präsidentin der IUPAC. „Wir müssen deshalb klar und deutlich
machen, dass die Chemie von essenzieller Bedeutung
ist, um beängstigende Menschheitsprobleme zu lösen –
sei es in Hinsicht auf die Energieversorgung, die Themen
der nachhaltigen Entwicklung, die Gesundheitsvorsorge, die Materialentwicklung oder die Lebensmittelproduktion.“ Die IUPAC hat 2011 einen ganz besonderen
Grund zum Feiern: Nicht nur Madame Curie erhielt vor
100 Jahren ihren Nobelpreis, 1911 wurde auch die Vorläuferorganisation der heutigen IUPAC gegründet,
Das Paris der Marie Curie – eine geführte Tour, in
Zusammenarbeit mit der École supérieure de physique
et de chimie industrielles de la ville de Paris (ESPCI);
01.05.–30.11.2011, Paris, Frankreich
Maria-Sklodowska-Curie-Feiern in Polen – die
Lebensleistung der Nobelpreisträgerin wird mit
vielen Veranstaltungen geehrt. Krönender Abschluss:
25.11.2011, Warschau, Polen
Marie-Curie-Feier im Hotel Metropole – zum Abschluss des IYC trifft man sich dort, wo 1911
die erste Solvay-Konferenz stattfand;
01.12.2011, Brüssel, Belgien
Saubere Energie
Erste Internationale Clean-Energy-Konferenz –
zur Diskussion: Wie lassen sich Sonnenenergie und
Biokraftstoffe umweltverträglich speichern und nutzen?
10.–13.04.2011, Dalian, China
Erneuerbare und nachhaltige Energie aus Bio-Ressourcen – Ernteabfälle, Hausmüll, Abwasser: Das Alltagsleben
der Menschen birgt eine Vielzahl von Energiequellen,
27.–29.09.2011, Kuala Lumpur, Malaysia
Elektrochemische Grenzen für Umwelt und
Energiegewinnung – was ist machbar, wo
stößt die Entwicklung an Grenzen?
11. – 15.06.2011,
Niigata, Japan
Evonik-Magazin 1 | 2011
28_Evonik_01-11_DE 28
07.03.11 10:08
Gesundes
Wasser
Innovative
Materialien
Wasser in der Chemie – Schüler und Schülerinnen
auf der ganzen Welt experimentieren während des
Internationalen Jahres der Chemie
mit der rätselhaftesten und lebenswichtigsten chemischen
Verbindung des Planeten. Hintergrund: Je
stärker die Weltbevölkerung wächst, desto schwieriger
ist es, alle Menschen mit gesundem
Trinkwasser zu versorgen. Sponsoren des globalen
Experiments sind UNESCO und IUPAC.
Sie stellen weltweit Experimentier-Sets
zur Verfügung – mehr unter
www.chemistry2011.org
Zehnte Internationale Konferenz der Materialchemie (MC 10) – das Spektrum reicht von der
Biomimetik bis zur Wasserstoffspeicherung, von
intermetallischen Komponenten bis zu supramolekularen
Systemen, von Flüssigkristallen bis zu elektroniktauglichen
Nanoteilchen. Die Konferenz gilt als Spitzenereignis
des UN-Jahres. Vier Tage treffen Wissenschaftler aus Industrie und universitärer Forschung zusammen und konzipieren gemeinsam jene revolutionären Werkstoffe,
die das 21. Jahrhundert zwingend benötigt.
04.–07.07.2011, Manchester,
Großbritannien
Intelligente
Kunststoffe
Nachhaltigkeit
19. Internationale POLYCHAR-Konferenz –
das Forum gibt Studenten der Werkstoffchemie
die Chance, sich mit etablierten Materialarchitekten über
die jüngsten Entwicklungen und Technologien auf
dem Feld polymerer Materialien auszutauschen.
20.–24.03.2011, Kathmandu, Nepal
Kunststoffe und Kunststoffkomponenten – elfter
UNESCO/IUPAC-Workshop – Synthese, Analyse und
Anwendungsmöglichkeiten neuartiger Kunststoffe
stehen im Mittelpunkt des Workshops.
26.–29.04.2011,
Stellenbosch, Südafrika
GDCh-Wissenschaftsforum Chemie 2011
„Chemie schafft Zukunft“ – unter diesem Motto
steht das Wissenschaftsforum Chemie 2011,
das von der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh)
ausgerichtet wird. Symposien, Workshops und
Plenarvorträge werden den wissenschaftlichen Fokus
auf Nachhaltigkeit und Wasser richten, um dem
Anspruch gerecht zu werden.
04.–07.09.2011,
Bremen, Deutschland
Wasserstoffspeicherung
151. Faradaysche Diskussion:
Wasserstoff-Speicher-Materialien – Wasserstoff
gilt als einer der großen Hoffnungsträger einer
nachhaltigen Energieversorgung. Wie Chemiker des
explosiven Elements Herr werden können, welche
Membranen und Materialien gebraucht werden, wird
im April Diskussionsgegenstand sein.
18.–20.04.2011, Didcot,
Großbritannien
29_Evonik_01-11_DE 29
Miniaturisierung
Colloquium Spectroscopicum
Internationale XXXVII – seit seiner Gründung
im Jahr 1949 schafft das Colloquium
Spectroscopicum Internationale (CSI) die analytischen
Grundlagen, ohne die Miniaturisierung, einer
der ganz großen industriellen Produkttrends, nicht
denkbar wäre.
28.08.–02.09.2011,
Rio de Janeiro, Brasilien
07.03.11 10:09
30 E N T W I C K E L N
… können alle
mitmachen – vom
Nobelpreisträger
bis zur Schülerin
ALGERIEN
CHINA
Chemische Prozesse und Umweltschutz – elftes internationales
Symposium – zentrale Frage: Wie
vereinbart man chemische Herstellungsverfahren mit Umweltschutz?
12. – 14.04. 2011,
Kasdi Merbah University,
Ouargla, Algerien
Chemie vor neuen Herausforderungen – internationales
Symposium – Auftakt zu einer
weltumspannenden, mit hochkarätigen Köpfen besetzten Reihe von
Symposien zur Weiterentwicklung
der chemischen Wissenschaften.
02. – 05. 09. 2011,
Peking, China
ARGENTINIEN
17. Argentinischer Kongress für
Physikalische und Anorganische
Chemie – interdisziplinärer
Austausch zwischen Physikern,
Chemikern und Biologen.
03. – 06. 05. 2011,
Córdoba, Argentinien
AUSTRALIEN
PACIA-Nationalkonferenz –
hier trifft sich die australische
Chemie- und Kunststoffindustrie, Politiker und Nichtregierungsorganisationen sind willkommen.
Juni 2011,
Melbourne, Australien
der Internationale Verband der chemischen Gesellschaften (IACS).
In der Bundesrepublik wirds bunt
S U M M A RY
• Das Internationale Jahr der Chemie wird rund um
den Globus zelebriert mit vielen Konferenzen und Events.
• Informationen über Inhalte und Teilnehmer der
Veranstaltungen gibt es im Internet.
BELGIEN
Internationales-Jahr-der-ChemieAbschlussfeier – Abschluss des
UN-Jahres und zugleich Podium junger Wissenschaftler, die eine interdisziplinäre Debatte um nachhaltige
Zukunftsperspektiven eröffnen.
01. 12. 2011,
Brüssel, Belgien
BOSNIEN-HERZEGOWINA
Die chemische Fakultät öffnet
ihre Pforten – spannende und
klassische Experimente aus
allen chemischen Sparten für
Schüler und Schülerinnen.
10.–15. 05. 2011,
Universität Sarajevo,
Bosnien-Herzegowina
BRASILIEN
FOTO: PLAINPICTURE/FOGSTOCK
In Deutschland koordiniert das „Forum Chemie“ die
Aktivitäten des Internationalen Jahres der Chemie.
Zu dessen Auftakt hielt Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel, MdB, am 9. Februar in Berlin die Eröffnungsrede. Was geplant ist, wer mitmacht und welche Verbände, Partner und Organisationen das deutsche Jahr der
Chemie unterstützen, lässt sich unter der Webadresse
www.ijc2011.de abrufen. Die Mischung der Themen
ist bunt: Kinder dürfte die „Zaubervorlesung“ (9. Juni,
Augsburg) interessieren, Teenager der Workshop
„Chemie – schnell und einfach erforschbar gemacht“
(22. Oktober, Stuttgart), Studenten und Manager der
Vortrag „Innovationsstandort Deutschland aus Sicht
der Chemie“ (1. Oktober, Stuttgart). In Bremen startet
Anfang September die Wanderausstellung „Nachhaltige Chemie“, die der Verband der Chemischen Industrie
(VCI) gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung
Umwelt (DBU) gestaltet hat. Und wer einen der produktivsten Wirtschaftszweige kennenlernen möchte, sollte
sich den 24. September merken. An diesem Tag öffnen
viele deutsche chemische Produktionsstandorte ihre
Türen und machen die Faszination, die von der Chemie
ausgeht, für uns alle hautnah erlebbar.
Colloquium Spectroscopicum
Internationale XXXVII –
die neuesten Verfahren auf dem
Gebiet der Spektroskopie und
Spektrometrie.
28. 08. – 02. 09. 2011,
Rio de Janeiro, Brasilien
DEUTSCHLAND
IFCC WorldLab Berlin 2011 –
auf Einladung der International
Federation of Clinical Chemistry
and Laboratory Medicine (IFCC)
werden rund 10.000 klinische
Chemiker und Labormedizinspezialisten erwartet.
15. – 19. 05. 2011,
Berlin, Deutschland
FINNLAND
ChemBio Finland 2011 –
Treffpunkt der Fachwelt aus dem
baltischen Raum: Workshops,
Präsentationen, Messe rund um
die neuesten Erkenntnisse der
Biotechnologie.
22. – 24. 03. 2011,
Helsinki, Finnland
FRANKREICH
Moderne Chemiegeschichte –
Symposium der Historikerkonferenz – Fortschritte bei Archivierung,
Präsentationsformen, Quellensicherung – all dies behandelt die
Commission on the History of
Modern Chemistry (CHMC).
21. – 24. 06. 2011,
Paris, Frankreich
GROSSBRITANNIEN
Makrozyklische und Supramolekulare Chemie – sechstes internationales Symposium, Chemie an der
Schnittstelle zu Nanotechnologie,
Biologie und den Materialwissenschaften.
03. – 07. 07. 2011,
University of Sussex, Brighton,
Großbritannien
Evonik-Magazin 1 | 2011
30_Evonik_01-11_DE 30
07.03.11 10:09
E N T W I C K E L N 31
INDIEN
MEXIKO
RUSSLAND
THAILAND
Chemspec India – auf einem
der dynamischsten Chemiemärkte
der Welt hat sich diese Messe
innerhalb von sechs Jahren zur
Attraktion entwickelt.
14. – 15. 04. 2011,
Mumbai, Indien
Internationaler Kongress der
Industriellen Chemie 2011 –
welche Trends bergen welche
Risiken? Welches Selbstverständnis
hat die chemische Industrie im
21. Jahrhundert?
05. – 08. 04. 2011,
Monterrey, Mexiko
19. Mendelejew-Kongress –
der nach dem Vater des Periodensystems benannte Kongress
ist den Themen Bildung, neue
Technologien und Fortschritte
in der Forschung gewidmet.
25. – 30. 09. 2011,
Wolgograd, Russland
14. Asiatischer Chemie-Kongress
2011 – die größte Zusammenkunft
der asiatischen Chemiebranche,
28 chemische Gesellschaften haben
ein breit gefächertes Programm
zusammengestellt.
05. – 08. 09. 2011,
Bangkok, Thailand
NIGERIA
SCHWEDEN
TSCHECHIEN
IYC 2011 Feierlichkeiten in
Nigeria – die Uyo-Universität
lädt zur fünftägigen Feier
des Internationalen Jahres der
Chemie ein – Schwerpunkt
Öffentlichkeitsarbeit.
21. – 25. 03.2011,
Uyo, Nigeria
Nordische Konferenz der
Chemielehrer – Get-together
von Pädagogen aus Dänemark,
Finnland, Island, Norwegen
und Schweden.
28. – 29. 10.2011,
Stockholm, Schweden
Leitfähige Polymere –
75. Prager Makromolekül-Treffen
– wie lässt sich diese neue Kunststoffklasse synthetisieren und
charakterisieren, und welche überraschenden Einsatzfelder gibt es?
10. – 14. 06. 2011,
Prag, Tschechien
PERU
Chemspec Europe 2011 –
nach ihrem Umzug von Berlin nach
Genf treffen sich Aussteller und
Fachpublikum in der Mitte Europas
auf einer schlank und effektiv
konzipierten Chemie-Messe.
15. – 16. 06. 2011,
Genf, Schweiz
ITALIEN
CHEM-MED, Konferenz und
Messe – vom Rohstoff über die
Spezialsoftware bis zur chemischen
Produktionsstraße: Hier treffen
Praktiker und Hersteller zusammen.
05. – 07. 10. 2011,
Mailand, Italien
JORDANIEN
Sechste Internationale Chemiekonferenz Jordanien – richtet
sich sowohl an die Fachwelt als auch
an die interessierte Öffentlichkeit
aus dem arabischen Raum.
19. – 21. 04. 2011,
Irbid, Jordanien
KENIA
14. Symposium des Netzwerks
zur Erforschung natürlicher
Ressourcen – die Biodiversität
Afrikas als Basis für die Entwicklung neuer Medikamente und nachhaltiger Produkte.
08. – 12. 08. 2011,
Nairobi, Kenia
MALAYSIA
Fünfter Internationaler Chemieund Umwelt-Kongress – Agrarwissenschaftler diskutieren mit
Umweltschutzorganisationen
über Chancen und Risiken chemischer Produktionsprozesse.
27. – 29. 05. 2011,
Kuching, Malaysia
MAROKKO
Internationales Symposium
Heterozyklische Chemie –
neue Perspektiven für die Nutzung
von Heterozyklen für nachhaltige
chemische Produkte.
27. – 28. 10. 2011,
Fes, Marokko
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Erster Internationaler Jugendkongress Chemie – Chemie
für die kommenden Generationen –
wie bindet man sie ein?
15. – 18. 11. 2011,
Lima, Peru
PORTUGAL
Chemie-Olympiade – ChemieOlympiaden finden in mehreren
Ländern statt. In Portugal
können sich Schüler am 02.04.
qualifizieren, am
07. 05. 2011
geht es um die Goldmedaillen.
Aveiro, Portugal
PUERTO RICO
Weltkongress der IUPAC –
ihr Kommen zugesagt haben
die Nobelpreisträger Prof. Dr. Aaron
Ciechanover, Prof. Dr. Richard Ernst,
Prof. Dr. Robert Grubbs, Prof.
Dr. Roald Hoffmann, Prof. Dr. Mario
Molina, Prof. Dr. Ada E. Yonath.
30. 07. – 07. 08. 2011,
San Juan, Puerto Rico
SCHWEIZ
SERBIEN
EUROanalysis 16 – Herausforderungen für die moderne analytische
Chemie – ob Theorie, Methodik
oder Anwendung – präsentiert
werden die aktuellen Trends der
analytischen Chemie.
11. – 15. 09. 2011,
Belgrad, Serbien
SPANIEN
EQUIPLAST – rund
1.100 Aussteller und
55.000 Fachbesucher werden
sich diese Fachmesse rund
um Rohstoffe, Produktionsmittel
und Dienstleistungen
nicht entgehen lassen.
14. – 18. 11. 2011,
Barcelona, Spanien
TÜRKEI
59. Internationaler Kongress
der Gesellschaft für Arzneipflanzen und Naturstoff-Forschung –
Biotechnologen, Mikrobiologen,
Phytochemiker, Pharmazeutiker,
Ärzte, Chemiker und Unternehmer
sind herzlich willkommen.
04. – 09. 09. 2011,
Antalya, Türkei
USA
ACS Herbsttreffen 2011 –
zweimal jährlich organisiert die
Amerikanische Chemische
Gesellschaft (ACS) angesehene
wissenschaftliche Konferenzen –
verbunden mit einem spannenden
Ausstellungsprogramm.
28. 08. – 01. 09. 2011,
Denver, Colorado, USA
Weiterführende
Informationen in
der iPad-App
Alle weiteren
Termine finden Sie unter
www.chemistry2011.org
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32 W I S S E N
Wettlauf der Schatzgräber
Seltene Erden sind wichtige Rohstoffe der Hightech-Industrie,
unentbehrlich für Handy, Solaranlage und Elektroauto.
Sie sind teuer, rar – und werden zu großen Teilen von China
kontrolliert. Um die Abhängigkeit zu verringern, ist eine
Schatzsuche nach den begehrten Metallen ausgebrochen – in
alten und neuen Bergwerken bis hin zu den Recyclinghöfen
TEXT KLAUS JOPP
Evonik-Magazin 1 | 2011
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07.03.11 14:34
W I S S E N 33
Schimmernder Schatz im Berg:
Wismuterze werden aufgeschmolzen,
und das reine Metall wird in
Barren gegossen, die jeder Hersteller
mit seinem „Brandzeichen“ versieht
Revolution in der Kühltechnik:
Das Schwermetall Wismut ist
in Wismuttellurid enthalten,
dessen thermoelektrische
Eigenschaften die Entwicklung
neuer Kühlaggregate
ermöglichen
Evonik-Magazin 1 | 2011
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Schatzkammer: Alexander Hofmann, Mitglied des Verwaltungsrats der SMH Schweizerischen
Metallhandels AG, vor den „gehorteten“ Metallen in einem unterirdischen Stollen bei Zürich
IRGENDWO UNWEIT VON ZÜRICH liegt der
tenen Erden nochmals einzuschränken. Dabei werden
diese dringend benötigten Rohstoffe zu 97 Prozent im
Reich der Mitte gefördert – obwohl nur gut ein Drittel der Vorkommen in China liegt. Seine marktbeherrschende Position hat sich das Land durch eine jahrelange
Niedrigpreisstrategie verschafft, mit der Wettbewerber
wie Australien aus dem Markt gedrängt wurden.
Schatz – tief im Berg verborgen. Auf einer Fläche
von rund 20 Fußballfeldern lagern hier große private Kunstsammlungen aus aller Welt. Noch weiter im
Berg hinter einer Tresortür aus einem Meter Stahl
befindet sich noch ein ganz anderes Sammelsurium,
das mit Kunst nichts zu tun hat: meterhohe ordentliche Stapel aus Fässern, Eimern und Kisten – insgesamt
64 Tonnen. Unter den schmucklosen Verpackungen
verbergen sich Werte der besonderen Art: Hier hortet die SMH Schweizerische Metallhandels AG Stoffe, die Begehrlichkeiten rund um den Globus wecken,
weil sie für viele Hightech-Anwendungen unverzichtbar sind. Ohne Indium keine Touchscreens, Flachbildschirme oder Dünnschicht-Fotovoltaik, ohne Lithium
keine wiederaufladbaren Batterien für Computer,
Kameras und Elektroautos, ohne Neodym keine Hochleistungsdauermagnete für Elektromotoren – die Liste der gefragten Metalle ist lang.
Die Seltene Erde Europium wird in Form von Europiumoxid
als roter Leuchtstoff in Farbkathodenstrahlröhren eingesetzt.
Zudem dient sie als Neutronenfänger in Kernreaktoren und
als Dotierung in Energiesparlampen und Plasmafernsehern.
Zurzeit gibt es keinen Ersatzstoff
Dazu zählen auch die „Metalle der Seltenen Erden“, ein
Sammelbegriff für insgesamt 17 Elemente. Sie sind zum
Synonym für den Rohstoffhunger der Industriestaaten
geworden, werden immer mehr zum Zankapfel zwischen Lieferanten und Abnehmern. Alexander Hofmann, der als Mitglied im Verwaltungsrat der Metallhandelsgesellschaft den Schlüssel zum Schatz besitzt,
darf auf gute Geschäfte hoffen –besonders nach der Entscheidung der Volksrepublik China, die Ausfuhr der Sel-
Begehrt in der Halbleitertechnik: Bis 2030 soll die
Nachfrage nach Gallium auf das Vierfache steigen
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Die Seltene Erde Zer wird zum Bearbeiten praktisch aller
Gläser und Linsen, aber auch zum chemisch-mechanischen
Polieren in der Halbleitertechnik verwendet.
In Legierungen erhöht es Härte und Festigkeit.
Auch in Autoabgaskatalysatoren ist Zer enthalten
Im 19. Jahrhundert, als die meisten der „Erden“, nämlich die Oxide dieser Elemente, und schließlich auch
die Metalle selbst entdeckt wurden, hielt man sie in
der Tat für äußerst selten – daher die Bezeichnung.
Spätere Erkenntnisse belegen, dass einige von ihnen in
der Erdkruste immerhin stärker als Blei vertreten sind.
Doch leider sind die Minerale, die sie in relativ konzentrierter Form enthalten, tatsächlich rar gesät. Daher
bleibt es schwierig, genügend große, wirtschaftlich
abbaubare Lagerstätten zu finden. Ein großer Teil der
weltweit geförderten Seltenen Erden wird als Katalysatoren eingesetzt, vor allem in Automobilen sowie in
der chemischen Industrie und der Rohölverarbeitung.
Ein anderer geht in die Metallurgie, unter anderem als
Legierungszusatz bei Stahl. Wachsende Bedeutung
haben Seltene Erden als Bestandteil von Permanentmagneten und Batterien. Weitere wichtige Anwendungen sind Leuchtstoffe für Bildschirme und Lampen
sowie Poliermittel für die Glasindustrie.
Die Kommission der Europäischen Union (EU) hat die
Brisanz der Situation erkannt und im Juni 2010 von 41
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Glänzendes Geschäft: Silber (hier als Granulat) wird wegen seiner Leitfähigkeit
zur Herstellung von Kontakten, Elektroden und Elektronikbauteilen gebraucht
Alte Erzminen stehen vor ihrem Comeback
analysierten Mineralien und Metallen 14 als kritisch eingestuft. Hierzu gehören unter anderem Antimon, Kobalt,
Gallium, Wolfram und die Seltenen Erden. In ihren geologischen Lagerstätten kommen diese häufig gemeinsam vor, Fachleute nennen das „vergesellschaftet“. So
werden bei der Kupferproduktion häufig auch Gold,
Silber und eine Reihe weiterer rarer Metalle gewonnen,
Kobalt, das unter anderem für Lithium-Ionen-Batterien
gebraucht wird, ist stets mit Nickel vergesellschaftet.
FOTOS DIESE UND VORHERIGE SEITE: MARKUS BERTSCHI
Das Element Neodym gehört ebenfalls zu den Seltenen Erden.
Haupteinsatzgebiet sind starke Magnete für Kernspintomografen, Mikromotoren, Festplatten, Windkraftanlagen,
Antriebe für Elektro- und Hybridfahrzeuge, Linearmotoren
in CNC-Maschinen, Lautsprecher und Kopfhörer
Nach einer Studie, die das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, und das
IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin, im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie bereits 2009
vorgestellt hat, wird zum Beispiel die Nachfrage nach
Gallium im Jahr 2030 das Sechsfache der 2006 produzierten Menge betragen. Gallium wird für Dünnschicht-Fotovoltaikmodule, Hochleistungs-Mikrochips und weiße Leuchtdioden benötigt. „Eine Reihe
von Zukunftstechnologien ist auf bestimmte seltene
Metalle so stark angewiesen, dass ihr massenhafter
Ausbau durch Rohstoffengpässe bedroht ist“, warnt
Lorenz Erdmann, Experte für seltene Metalle am
IZT. Zu den betroffenen Hightech-Gebieten gehören
Brennstoffzellen, Hybrid- und Elektrofahrzeuge, Elektrooptik, Dünnschicht-Fotovoltaik und Mikroelektronik. „Das von den Herstellern von Elektroantrieben
dringend benötigte Metall Neodym wird im Jahr 2030
circa 3,8-mal mehr nachgefragt sein, als es die Minenproduktion heute hergibt“, so Erdmann.
Weltweit ist die Suche nach den kostbaren Metallen
intensiviert worden, überall werden alte Minen reaktiviert und neue Vorkommen erkundet. Beispiel Mountain Pass in Kalifornien: Hier hatte der damalige Besitzer, ein Ölkonzern, die unrentabel gewordene Mine
für Seltene Erden 2002 geschlossen. Der jetzige Eigner, das Bergbauunternehmen Molycorp Minerals, will
sie bis 2012 als modernste Abbaustätte der Welt wieder
in Betrieb nehmen. Die zunächst geplante Förderung
von knapp 20.000 Tonnen könnte rund ein Sechstel
des gesamten Bedarfs abdecken, eine weitere Steigerung der Produktion bis auf 40.000 Tonnen ist anvisiert. Auch die australische Gesellschaft Global Advanced Metals plant ein Comeback: Im westaustralischen
Wodgina hat das Unternehmen die weltweit größte Tantalmine wieder eröffnet, die 2008 geschlossen worden
war, weil die Nachfrage im Zuge der Weltwirtschaftskrise zusammenbrach und die Demokratische Republik
Kongo den Markt mit Billigangeboten überschwemmte.
Bei voller Auslastung kann Wodgina rund 600 Tonnen
Erz pro Jahr fördern, fast ein Drittel des Weltbedarfs.
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Das Seltenerdmetall Yttrium verbessert die Beständigkeit von
Legierungen, ist in Zündkerzen und Dauermagneten, in
Farbbildröhren und in Lasern (Yttrium-Aluminium-Granat/
YAG) enthalten und wird bei der Herstellung von
Speichermedien und in der Mikrowellentechnik benötigt
Sogar in der so rohstoffarmen Bundesrepublik denkt
man an Schatzsuche. Im Zuge von Explorationstätigkeiten der DDR auf Uran wurde Mitte der 1970er-Jahre ein Vorkommen an Seltenen Erden im Bereich von
Storkwitz entdeckt. In einer Tiefe von 170 bis 900
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Millionen Mobiltelefone als Rohstofflager
Unsere geliebten Handys sind – chemisch
betrachtet – eine komplexe Mischung
verschiedener Elemente. In einem einzigen
Mobiltelefon sind oft mehr als 40 chemische
Grundstoffe verbaut – vom Wasserstoff
über Fluor und Chlor bis hin zu über 30 verschiedenen Metallen. Wie bei vielen modernen
Elektronikprodukten kommen die meisten
dieser Elemente im einzelnen Gerät nur
in sehr geringen Konzentrationen vor. Durch
die massenhafte Anwendung kommen
aber beträchtliche Stoffmengen zusammen.
2008 wurden weltweit knapp 1,3 Milliarden
Telefone verkauft, die insgesamt rund
31 Tonnen Gold, 325 Tonnen Silber, 12 Tonnen
Palladium und 4.900 Tonnen Kobalt enthielten.
In Zukunft wird es darauf ankommen,
intelligente Recyclingprozesse zu etablieren,
die die Stoffströme in sinnvolle Mengen
zusammenführen und eine Rückgewinnung
der Metalle ermöglichen. Eine wichtige
Voraussetzung dafür ist die neue Wertstofftonne, in der die Deutschen ab 2015 auch
Elektroschrott sammeln sollen.
Städte werden zu Bergwerken der Zukunft
Metern, so die Untersuchungsergebnisse, gibt es
interessante Konzentrationen der gesuchten Metalle
Yttrium, Lanthan, Zer, Praseodym und Neodym. Die
Deutsche Rohstoff AG (DRAG, Heidelberg), die die
Schürfrechte besitzt, schätzt die vorhandenen Ressourcen auf 41.600 Tonnen Seltene Erden und 8.700
Tonnen Niob. „Wir prüfen, unter welchen Bedingungen der Abbau wirtschaftlich sein könnte“, sagt Dr.
Thomas Gutschlag, Finanzvorstand der DRAG.
FOTO: MAURITIUS IMAGES
Tantal ist ein seltenes Metall und wichtiger Rohstoff für
kleine Kondensatoren (Elkos/Elektrolytkondensatoren), die
in der Fahrzeugelektronik, in Laptops, Mobiltelefonen und
Digitalkameras unentbehrlich sind. Als Bestandteil von
Superlegierungen kommt es auch in der Luftfahrt zum Einsatz
Doch viele der schon angeschobenen Projekte brauchen ihre Zeit und sind kein schnelles Mittel gegen
drohende Versorgungsengpässe. Bis zu den Seltenen
Erden „made in Germany“ würden etwa noch mindestens fünf Jahre vergehen. Deshalb sucht Deutschland,
als Technologieführer auf vielen Gebieten besonders
gefährdet, händeringend nach Alternativen.
Eine derartige Möglichkeit ist das „Graben der
anderen Art“ im eigenen Land. So hat die Bundesregierung beschlossen, einen „Rohstoffatlas“ zu erstellen. Damit soll erkundet werden, welche wertvollen
Metalle und sonstigen Materialien sich in der deutschen Infrastruktur befinden. Dazu zählen nicht nur
Tausende Tonnen an Kupfer und Stahl, sondern auch
seltenere Stoffe, die – wenn auch in kleineren Mengen – in Gebäuden, Brücken und sonstiger Bausubstanz enthalten sind. Ist der Atlas einmal erstellt, ließen sich diese Wertstoffe bei Abriss, Renovierung
oder Modernisierung deutlich gezielter nutzen. „Unse-
re Städte werden zu den Bergwerken der Zukunft“,
heißt das Motto aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Dieses könnte noch konsequenter umgesetzt werden, wenn schon bei der Planung von Gebäuden und
Straßen über ein wirtschaftliches Recycling zumindest
der besonders wertvollen Ingredienzien nachgedacht
würde. Aus Sorge um die Hochtechnologie-Substanzen hat das Ministerium zudem die Gründung einer
deutschen Rohstoffagentur angekündigt. Ihr Auftrag
soll lauten, weltweit nach neuen Rohstoffvorkommen
zu fahnden und „rohstoffwirtschaftliche Länder-Partnerschaften“ zu entwickeln.
Doch auch die Recycling-Fähigkeiten müssen verbessert werden – „wir brauchen mehr Intelligenz in der
schwarzen Tonne“, fordert Wirtschaftsminister Rainer
Brüderle, MdB. Den Ruf gehört hat die Loser Chemie
GmbH aus dem sächsischen Hainichen, die eigentlich
auf Wasserchemie spezialisiert ist. Das Unternehmen
mit 30 Mitarbeitern hat nun ein universell verwendbares physikalisch-chemisches Verfahren für sämtlichen
Fotovoltaikschrott entwickelt, der nicht auf Silizium
basiert. Dazu zählen vor allem Dünnschichtmodule,
in denen das äußerst rare Metall Indium verarbeitet ist.
Der gleiche Ansatz soll nun auch auf das Recycling von
Seltenen Erden übertragen werden.
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Ta
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In
Das rare Metall Indium wird vor allem zur Produktion von
Flachbildschirmen und Touchscreens verwendet. Ein
weiteres wichtiges Feld sind Dünnschicht-Solarmodule, deren
Nachfrage ständig wächst. Das Recycling des äußerst
knappen Rohstoffs erlangt damit immer größere Bedeutung
„Ein Problem bei den kritischen Rohstoffen ist, dass
sie in den Abfallprodukten nur in geringen Mengen
vorkommen“, erklärt Dr. Wolfram Palitzsch, tech-
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Fundgrube Elektronikschrott: Monitore, Computer, Handys sollen künftig intensiv recycelt werden.
Forschungsprojekte suchen nach wirtschaftlichen Lösungen für die Rückgewinnung
nischer Leiter bei Loser. Deshalb sei es notwendig,
nicht nur einzelne Stoffe zu isolieren, sondern alle
wichtigen Bestandteile gleichzeitig zu recyceln. Deshalb verfolgen die Sachsen diesen Gedanken auch bei
Leuchtstoffen in Energiesparlampen, die häufig Seltene Erden wie Europium, Gadolinium und Thulium
enthalten. Bisher wird beim Lampenrecycling insbesondere das Glas zurückgewonnen, dieses Vorgehen
will Loser nun auf alle Materialien ausdehnen – also
auch auf die Leuchtstoffe.
Schatzkarte Deutschland
Das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie gab im August 2010 bekannt, dass es
einen „Rohstoffatlas“ der Bundesrepublik plant.
Weil Ressourcen immer knapper werden, soll auf
diese Weise ermittelt werden, welche wertvollen Metalle und sonstigen Materialien in der
Infrastruktur enthalten sind. Dazu zählen unter
anderem Gebäude, Brücken und Fernleitungen.
Zusammengerechnet sind hier Zehntausende
Tonnen zum Beispiel an Stahl und Kupfer verbaut.
Auf Grundlage des Atlas könnten bei Abrissund Renovierungsarbeiten wertvolle Materialien
gez
gezielt gesammelt und
wie
wiederverwertet werden.
Zu
Zudem will die Bundesre
regierung dafür sorgen, dass
schon bei der Planung
von Bauvorhaben stärker
mitbedacht wird, wie
sich ein späteres Recycling
effekt gestalten ließe.
effektiv
Tonnenweise Bauteile: Elektroschrott muss
häufig noch von Hand zerlegt und sortiert werden
31
Ga
Gallium, ebenfalls ein seltenes Hightech-Metall, ist für
viele Leuchtdioden essenziell. Vor allem die Verbindung
Galliumarsenid wird auch für elektronische Hochfrequenzbauteile benötigt und für hocheffiziente Solarzellen, zum
Beispiel zur Stromversorgung von Satelliten
Flensburg
Schleswig
Eckernförde
Rendsburg
Sassnitz
Burg
Kiel
Stralsund
Heide
Neumünster
Itzehoe
NordenSchortens
Wilhelmshaven
Rostock
Lübeck
Bad Oldsloe
Elmshorn
Bremerhaven Pinneberg
Wismar
Güstrow
Norderstedt
Ahrensburg
Hamburg
Anklam
Schwerin
Neubrandenburg
Buxtehude
Waren
Nordenham
Parchim
Varel
Leer
Winsen
Bucholz
Bad Zwischenahn
Neustrelitz
Prenzlau
Lüneburg
Oldenburg
Papenburg
Bremen
Soltau
Delmenhorst
Wittenberge
Verden
Uelzen
EberswaldeCloppenburg
Walsrode
Salzwedel
Finow
Vechta
Meppen
Rathenow Falkensee
Stendal
Celle
Nienburg
Lingen
Brandenburg
Wolfsburg
Nordhorn
Wunstorf
Bramsche
Fürstenwalde
Berlin
Minden
Rheine
Hannover
Potsdam
Osnabrück
Frankfurt
Burg
Gronau
Braunschweig
(an der Oder)
Melle
Hildesheim
Wolfenbüttel
Luckenwalde
Ahaus
Salzgitter
Eisenhüttenstadt
Magdeburg
Bielefeld Hameln
Emmerich Coesfeld
Bad Harzburg
Osterwieck
Münster
Lübben
Guben
Detmold
Wittenberg
Halberstadt
Bocholt Haltern
Gütersloh
Holzminden
Dessau
Hamm
Cottbus
Wernigerode
Finsterwalde
Bernberg
Wesel
Forst
Paderborn
Lippstadt
Osterode
Dortmund
Dinslaken
Göttingen
Eisleben
Essen
Moers
Marsberg
Spremberg
Halle
Menden
Delitzsch
Nordhausen
Münden
Krefeld
Duisburg
Lauchhammer
Hagen
Arnsberg
Mönchen- Düsseldorf
Sondershausen
Korbach
Hoyerswerda
Wuppertal
Leipzig
gladbach
Kassel
Weissenfels
Mühlhausen
Lennestadt
Meissen
Görlitz
Remscheid
Solingen
Döbeln
Eschwege
Bautzen
Leverkusen
Borna
Zeitz
Dresden
Köln
Weimar
BergischGotha
Bad Hersfeld
Siegen
gladbach
Chemnitz
Marburg
Freiberg
Jena
Düren
Eisenach
Erfur
Gera
Aachen
Rudolstadt
Alsfeld
Bonn
Greiz
Zwickau
Monschau
Giessen
Suhl
Saalfeld
Aue
Neuwied
Fulda
Wetzlar
Plauen
Mayen
Koblenz
Friedberg
Prüm
Hof
Bad Homburg
Coburg
Daun
Wiesbaden
Frankfurt am Main
Selb
Kulmbach
Hanau
Offenbach
Schweinfurt
Aschaffenburg
Bingen Mainz
Bayreuth
Bamberg
Würzburg
Darmstadt
Trie
Emden
St Wendel
Saarbrücken
Worms
Ludwigshafen
Pirmasens
Kitzingen
Wertheim
Weiden
Amberg
Mannheim
Kaiserslautern
Landau
Ansbach
Neumarkt
Ludwigsburg
Stuttgar
Tübingen
Pappenheim
Ingolstadt
Aalen
Heidenheim
Augsburg
Biberach
Memmingen
München
Waldkraiburg
Landsberg
Weingarten
Schaffhausen
Passau
Landshut
Ulm
Rotweil
Villingen-Schwenningen
Cham
Regensburg
Straubing
Donauwörth
Reutlingen
Lahr
Schwandorf
Roth
Heilbronn
Pforzheim
BadenBaden
Offenburg
Nürnberg
Fürth
Heidelberg
Karlsruhe
Kempten
Rosenheim
FOTO: CNIMAGING (2) (OBEN) PICTURE-ALLIANCE (UNTEN)
Husum
Cuxhaven
Bereits in großem Stil „gräbt“ das belgische Unternehmen Umicore in unseren Hinterlassenschaften, insbesondere in Elektronikschrott jeder Art. In Hoboken,
einem Stadtteil von Antwerpen, betreibt Umicore
eine der weltweit bedeutendsten Recycling-Anlagen
für die Abfälle der Computer-Gesellschaft. Insgesamt
17 verschiedene Metalle werden daraus gewonnen,
darunter sieben Edelmetalle wie Gold, Silber und Platin. Noch in diesem Jahr soll auch die Wiederverwertung von Lithium-Ionen-Akkus angeschoben werden.
Zwar sind die notwendigen metallurgischen Prozeduren aufwendig, aber das ist die bergmännische Gewinnung auch: Für ein Gramm Gold muss in vielen Minen
rund eine Tonne Gestein aus großer Tiefe gefördert,
zermahlen und aufbereitet werden, alternativ reicht
auch die Ausschlachtung von einigen Personalcomputern (PCs), die besonders auf Leiterplatten und in Steckern das begehrte Metall enthalten. Zusätzlich fal-
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Im Orbit: Das Element Promethium gehört zu den Seltenerdmetallen
und ist radioaktiv. Es wird auch in der Raumfahrt verwendet
Am Ohr: Samarium dient als Bestandteil von Legierungen
für Dauermagneten in Kopfhörern und kleinen Motoren
Viele Metalle lassen sich ersetzen
Kobalt entwickelt – Samarium ist zwar auch eine Seltene Erde, aber die Lieferungen kommen nicht nur
aus China. Schon seit 2009 kommen die AlternativMagnete in Waschmaschinen zum Einsatz. Inzwischen
haben die Toshiba-Ingenieure den Samarium-Anteil
deutlich senken können. Magnete, aber auch Polierpasten ohne Zer oder Vielschicht-Keramikkondensatoren ohne Palladium – für viele gestern unverzichtbare Zutaten gibt es heute oder morgen andere.
len etwas Silber, Palladium, Kupfer und Zinn ab. Pro
Gerät sind es zwar nur wenige Milligramm, aber allein
in der EU entstehen jedes Jahr einige Millionen Tonnen
an ausgedienter Elektronik.
Noch einen Schritt weiter geht Friedrich Scholte-Reh. Der Leiter des Abfallwirtschaftsamtes beim
Zollernalbkreis lässt auf der Kreismülldeponie Hechingen untersuchen, welche Wertstoffe im Müll stecken.
Erstmals in Deutschland soll bis Oktober 2012 ermittelt
werden, welche Beiträge durch das sogenannte Urban
Mining beziehungsweise Landfill-Mining zur Rohstoffversorgung geleistet werden können. Die Projektdurchführung liegt beim Institut für Landschaftsökologie und
Ressourcenmanagement der Justus-Liebig-Universität
Gießen. Prof. Dr. Stefan Gäth schätzt den wirtschaftlichen
Wert der Metalle, die in der Deponie zu finden sind, auf
über 30 Millionen €. Allerdings stehen diesem Gewinn
auch erhebliche Kosten bei der Schatzsuche entgegen.
FOTOS: NASA, FOTOLIA
Das Alkalimetall Lithium wird für die Herstellung von
Keramik und Glas, wiederaufladbare Batterien und
Schmierfette verwendet. Vor allem die Nachfrage für
Batterien ist stark gestiegen und wird von der bevorstehenden Elektromobilität weiter enorm beflügelt
Sammeln und Zurückgewinnen ist eine Option, Ersetzen eine andere. Auf diesen Weg baut vor allem Japan,
das von den Lieferbeschränkungen der Chinesen
besonders betroffen ist. Bereits vor zehn Jahren hat
zum Beispiel der Technologiekonzern Toshiba damit
begonnen, nach Alternativen zu forschen.
So sind in vielen Elektromotoren die Seltenerdmetalle Neodym und Dysprosium für die benötigten
lang anhaltenden magnetischen Kräfte verantwortlich. Toshiba hat Magnete auf Basis von Samarium und
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Platin zählt zu den seltenen und teuren Edelmetallen. Größtes
technisches Einsatzgebiet sind Autoabgaskatalysatoren.
Auch in Brennstoffzellen sowie bei großindustriellen Chemieund Raffinerieprozessen ist Platin als Katalysator unverzichtbar, zudem wird es in Elektronikbauteilen verwendet
Einen einzigen Königsweg aus der Rohstoffkrise gibt
es nicht – viele Pfade müssen zum Ziel führen. Alexander Hofmann muss sich dennoch keine Sorgen machen:
Auch wenn sich neue Lösungsansätze abzeichnen, seine Vorräte werden eher an Wert gewinnen. Denn die
Nachfrage nach Metallen aller Art wird weiter steigen,
solange die Menschheit immer noch wächst.
S U M M A RY
• Seltene Erden und andere Metalle sind unverzichtbar für
die Herstellung von Computern, Handys, Elektroautos.
• Ihre Verfügbarkeit ist stark begrenzt durch rare
Vorkommen und politische Barrieren. Spekulanten sorgen
für zusätzliche Preisausschläge.
• Weltweit wird versucht, Ersatzstoffe für die
kostbaren Metalle zu finden oder sie
durch neue Recyclingverfahren aus Elektroschrott und Mülldeponien zu bergen.
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So wertvoll wie Gold und Silber
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Rare Metalle, unter ihnen auch die Seltenen Erden,
werden in immer größeren Mengen nachgefragt.
So wurden im Jahr 2006 für Dünnschicht-Fotovoltaik,
Hochleistungs-Mikrochips und weiße Leuchtdioden
weltweit etwa 28 Tonnen an Gallium benötigt, 2030 sollen
es nur für diese drei Zukunftstechnologien schon über
600 Tonnen sein.
Stark wachsender Bedarf besteht auch bei Germanium
für Glasfaserkabel und Infrarottechnik oder für Indium,
das in Bildschirmen und Dünnschicht-Solarzellen eingesetzt
wird. Viel gefragt werden in der Zukunft unter anderen
auch die Elemente Neodym (Magnete), Platin (Brennstoffzellen, Katalyse) und Tantal (Mikrokondensatoren,
Superlegierungen).
Das Periodensystem der
Elemente
In dieser Darstellung
sind alle chemischen
Elemente nach
ihrer Kernladung
(Ordnungszahl)
und bestimmten
Eigenschaften der
Atome angeordnet.
Die Systematik
wurde 1869 durch
den russischen
Chemiker Dmitri
Mendelejew
entwickelt.
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Symbol
Sonstige Metalle
Halbmetalle
Halogene
Edelgase
Sonstige Nichtmetalle
Alkalimetalle
Erdalkalimetalle
Übergangsmetalle
Lanthanoide
Actinoide
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Ordnungszahl
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Innere Übergangsmetalle (Lanthanoide und Actinoide)
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102
No
103
Lr
QUELLE: PERIODENSYSTEM.INFO; INFOGRAFIK: PICFOUR.
FOTOS: JUMK.DE, GETTY IMAGES, ALCHEMIST-HP
Beryllium
Rohstoffe der Hightech-Gesellschaft
Seltene Metalle, darunter speziell die Seltenen
Erden, sind unverzichtbar für den technischen
Fortschritt. Doch schon die eindeutige Begriffsbestimmung ist schwierig – was heißt selten?
Dafür gibt es verschiedene Kriterien wie Preis
oder Preisanstieg, geringe Reichweite der
Reserven oder aber auch eine lokale Häufung
von Vorkommen beziehungsweise von Abbauaktivitäten (wie zum Beispiel bei den Seltenen Erden in China). Abgesehen von den bereits beschriebenen Metallen, die besonders
gesucht sind, haben weitere Stoffe eine strategische Bedeutung. Dazu gehören Beryllium und
Magnesium. Beryllium ist als Bestandteil von
Legierungen mit Kupfer, Aluminium, Nickel oder
Eisen begehrt, weil es Härte, Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit stark verbessert, Magnesium ist ein Hoffnungsträger im Leichtbau für
Flug- und Fahrzeuge. Große Bedeutung hat auch
das Mineral Flussspat (Kalziumfluorid), das in
der Metallindustrie und für die Gewinnung von
Fluor gebraucht wird.
Kalziumfluorid
Magnesium
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07.03.11 14:34
40 E R K E N N E N
Die guten Geister sammeln sich
Corporate Responsibility gelebt und wahr gemacht. Welches Öl
ist in der Creme? Wie ernähren wir Hühner ökologisch
verträglicher? Und warum müssen Azubis Ernährungsplanung lernen?
Drei Momente, die sich zu einem Bild zusammenfügen
WER DEN BEGRIFF „corporate responsibility“
googelt, wird mit fast 9 Millionen Aufrufen überschwemmt. Es gibt kaum ein größeres Unternehmen
oder eine Bank ohne ein Programm, eine Richtlinie
oder Absichtserklärung zum Thema unternehmerische Verant wortung im Netz: Selbst das Spaßimperium
Walt Disney hat Micky Maus und den notorisch geizigen Onkel Dagobert zur Corporate Responsibility (CR)
verpflichtet. Doch die Absichtserklärungen sind keine
Garantie, dass CR auch gelebt und im Alltag berücksichtigt wird. Unternehmerische Verantwortung gegenüber Kunden, Mitarbeitern und der Gesellschaft in einer
Unternehmenskultur zu verankern ist ein mühsamer
Prozess, der auf allen Ebenen ansetzen muss, wenn CR
zu einem Erfolgsfaktor werden soll. Dr. Otto Schulz,
Vice President der Unternehmensberatung A.T. Kearney, schildert die Auswirkungen von CR-Strategien auf
Unternehmenswert und Kapitalbeschaffung. Wie sorgfältig das Thema bei der Evonik Industries AG angegangen wird, zeigen drei Beispiele aus dem Konzern.
Herr Dr. Schulz, Sie haben sich in zwei Studien
mit der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen,
die sich verpflichtet haben, einen Beitrag zur
nachhaltigen Entwicklung zu leisten, beschäftigt.
Was unterscheidet diese Unternehmen von Wettbewerbern ohne diesen Fokus?
Dr. Otto Schulz: Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen gehen grundsätzlich weniger Risiken ein. Sie
berücksichtigen bei der Wahl ihrer Geschäftsfelder
Zukunftstrends wie Rohstoffknappheit oder steigende Energiekosten und entwickeln daraus ihre Wettbewerbsvorteile. In der Chemieindustrie erhalten unter
Nachhaltigkeitsgesichtspunkten Themen wie Gebäudedämmung oder Gewichtsreduzierung im Automobilbau eine ganz neue Bedeutung. Andere Geschäftsfelder
sind Katalysatoren, LED-Lampen oder Lithium-IonenBatterien für Elektroautos. Firmen, die rechtzeitig in
diese Bereiche investiert haben, stehen besser da.
Welchen Bewertungsmaßstab haben Sie Ihren
Studien zugrunde gelegt?
Wir haben die Aktienkurse von Unternehmen, die
im Dow Jones Sustainability Index gelistet sind, mit
den Kursen ihrer Wettbewerber verglichen und festgestellt, dass Firmen mit nachhaltiger Strategie die
Finanzkrise besser und schneller überstanden haben.
Orientierung an Nachhaltigkeit zahlt sich Ihrer Studie
zufolge auch bei den Kapitalkosten aus.
Es hat sich in der Tat gezeigt, dass Firmen, die einen
Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, von wenigen Ausnahmen abgesehen niedrigere Finanzierungskosten
haben. Deutliche Differenzen gibt es bei Strom-Erzeugern, bei Chemiekonzernen und Airlines. Bei Chemiefirmen beträgt der Unterschied 0,9 Prozent.
Wie muss ein Unternehmen aufgestellt sein, damit es
einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann?
Für die Bewertung einer Nachhaltigkeitsstrategie haben wir verschiedene Exzellenzstufen eingeführt. Die
erste Stufe ist erreicht, wenn eine Firma das, was sie
auch bisher hergestellt hat, so durchführt, dass sie einen
Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann: beispielsweise Energieverluste durch bessere Dämmung der Hallen minimiert. Wenn die Rohstoffpreise oder Stromkosten steigen, haben diese Unternehmen einen Vorteil
gegenüber weniger sparsamen Wettbewerbern.
Was muss dann passieren?
In der nächsten Stufe wird mit Umstellungen begonnen. Es werden etwa Wärmepumpen eingebaut, um
die Bürogebäude zu klimatisieren. Dann stellt die Firma zwar immer noch die gleichen Produkte her, aber
sie hat schon die Struktur verändert. In der dritten Stufe geht es darum, mit der Verpflichtung zur Nachhaltigkeit einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Beispielsweise kann ein Autobauer seine Fahrzeuge auf
besonders effiziente Weise produzieren. Aber richtig
interessant wird es, wenn er besonders sparsame Autos
herstellt oder sogar Hybrid- und Elektroautos fertigt,
die genau den entscheidenden Makrotrend treffen.
Müssen nicht auch die Lieferanten diese Verpflichtung
übernehmen?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. In den Wertschöpfungsketten ist es ganz wichtig, dass eine Firma auch
FOTOS: INGO RAPPERS, PLAINPICTURE
TEXT CARLA SCHACHT
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09.03.11 10:12
E R K E N N E N 41
Peter Becker,
Salesmanager und
SustainabilityKoordinator im
Bereich Personal Care:
„Mehr Transparenz
über Herkunft
und Umwelteinfluss“
das gesamte Netzwerk auf Nachhaltigkeit ausrichtet.
Typischerweise wird heute auch ein Unternehmen,
das in der Mitte steht, für die Nachhaltigkeit der Kette verantwortlich gemacht.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei der Umsetzung einer auf Nachhaltigkeit zielenden Strategie?
Die Mitarbeiter sind oft viel stärker auf Nachhaltigkeit
eingestimmt als die Unternehmensführung. Die meisten leben zu Hause danach: Müll trennen, vernünftig
essen und leben. Nachhaltigkeit ist ein gutes Instrument, um Mitarbeiter an ein Unternehmen zu binden, und auch, um neue Mitarbeiter zu rekrutieren.
Gerade qualifizierte Absolventen suchen sich gerne
Arbeitgeber aus, die in diesem Bereich interessante
Stellen anbieten. Über die Verpflichtung zur nachhaltigen Betriebsführung wird auch Instrumenten wie
dem betrieblichen Vorschlagswesen neues Leben
eingehaucht, weil die Mitarbeiter auf allen Stufen an
der Umsetzung beteiligt werden können. Außerdem
stärkt der Fokus auf Nachhaltigkeit die Loyalität und
trägt dazu bei, Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden. Gerade dieser Aspekt wird im
Kampf um Talente immer wichtiger.
Auf die Palme getrieben
Nachhaltigkeit darf nicht an den Werkstoren aufhören. Deshalb werden auch die Lieferanten
der Evonik Industries AG unter die Lupe genommen – wie das Beispiel Personal Care zeigt
Aufgeklärte Verbraucher sind neugierig. Sie wollen
alles genau wissen, wo die Pizza herkommt, die sie
im Supermarkt gekauft haben, der Jogginganzug, der
MP3-Player oder die Banane. Sie wollen einfach nur
erfahren, welche Rohstoffe in ihrem Duschgel enthalten sind und in welchem Ausmaß die Umwelt durch die
Produkte und den Fertigungsprozess belastet wurde.
Genau diese Fragen treiben bei Evonik auch Mitarbeiter wie Peter Becker um, den Salesmanager und
Sustainability-Koordinator im Bereich Personal
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42 E R K E N N E N
Care. Dieser Bereich liefert die Grundstoffe für die
Kosmetik- und Körperpflegeindustrie: „Wir wollen
unseren Kunden mehr Transparenz über Ursprung,
Herstellung und Umwelteinfluss liefern“, beschreibt
er seinen Auftrag: „Hierbei sind Kenntnisse über die
verwendete Technologie und umweltschonendere
Anwendungsmöglichkeiten während der Produk tion
von Kosmetika besonders wichtig.“
Innovative Technologien zur
Ressourcenschonung
Kunden von Personal Care sind große Markenartikler
der Körperpflegebranche, aber auch kleine Spezialisten, die sich auf Naturprodukte in diesem Markt spezialisiert haben. Da trifft Becker auf unterschiedliche
Gewichtungen des Begriffs Nachhaltigkeit: „Manchen
Herstellern ist die nachhaltige Produktion der verwendeten Rohstoffe besonders wichtig, anderen die
Produktsicherheit und Leistung, bei der Babypflege
trifft beides zusammen.“
Um den Erwartungen der industriellen Kunden
gerecht zu werden, wurden nicht nur die internen
Produktionsprozesse von Evonik auf den Prüfstand
gestellt, sondern vor allem die Lieferanten zur Einhaltung der Corporate-Responsibility-Grundsätze des
Konzerns verpflichtet: „Ebenso wie wir uns zu einem
verantwortungsbewussten und fairen Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und der
Öffentlichkeit verpflichten, erwarten wir von unseren
Lieferanten, dass sie diese Grundsätze teilen. Dazu
gehört die Einhaltung von anerkannten Mindeststandards, wie sie im Globalen Pakt der Vereinten Nationen (UN) und in den Standards der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO), einer Sonderorganisation
der UN, entwickelt und festgelegt wurden.“ Die Konsequenzen daraus sind unmissverständlich: „Genügen
Lieferanten diesen Anforderungen nicht, so erwartet
Evonik als Voraussetzung für die Aufnahme beziehungsweise Fortführung der Geschäftsbeziehungen
mit dem betreffenden Lieferanten eine kontinuierliche Behebung der festgestellten Missstände.“
Das ist nicht immer ganz einfach: Ein heikles Thema im Personal-Care-Bereich ist beispielsweise Palmöl, das zu den begehrtesten Rohstoffen überhaupt
gehört. Palmöl kann überall eingesetzt werden: in
Bodylotions, in Eiscreme, aber auch als Rohstoff für die
Biospritherstellung. Die vielseitige Verwendbarkeit
hat verheerende Folgen: In Indonesien, dem weltweit
„Die Ökobilanz bringt
es an den Tag“
Dr. Michael Binder (Senior Manager Regulatory Affairs
für die Geschäftsgebiete Methionine und Bioproducts) vor
dem Foto der Methionin-Anlage in Antwerpen: „Ein
Kilo DL-Methionin kann rund 66 Kilo Fischmehl ersetzen –
und zwei Kilo BIOLYS etwa 35 Kilo Sojamehl“
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FOTOS: INGO RAPPERS, KARSTEN BOOTMANN
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größten Palmöl-Lieferanten, werden unaufhörlich
große Waldflächen zugunsten von illegalen PalmPlantagen gerodet, um den Grundstoff zu erhalten. Vor
allem illegale Brandrodungen zerstören nicht nur die
für den Klimaschutz wichtigen Regenwälder, sondern
tragen durch hohe CO2-Emissionen erheblich zum Klimawandel bei. Dem Öl sieht man es allerdings nicht an,
ob es aus legaler oder illegaler Rodung stammt.
Evonik ist schon deshalb dem Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) beigetreten, einer Organisation, die sich darum kümmert, dass nur ausgewiesene Flächen legal abgeholzt und dann auch wieder
aufgeforstet werden. Bei Personal Care basieren 84
Prozent der Produkte ganz oder teilweise auf nachwachsenden Rohstoffen. Dazu gehören neben Palmöl
vor allem die Öle von Sonnenblumen und Raps. „Unser
Ziel ist es, diesen Anteil im Hinblick auf die weltweite
Verknappung der Ressourcen nicht blind zu erhöhen,
sondern innovative Technologien zu nutzen, um verantwortlich zu handeln“, erklärt Becker.
Deshalb wird auch nach intelligenten biologischen
Verfahren geforscht, mit denen – wie bei Fermentation und enzymatischer Veresterung – die Grundstoffe nachhaltig und äußerst verträglich für die Konsumenten hergestellt werden können. So werden
Ceramide – ein wichtiger Grundstoff für die Herstellung von Anti-Aging-Produkten – durch Fermentation gewonnen. Das dürfte auch den aufgeklärten
Konsumenten gefallen: Sie wollen nicht nur ein gutes
Gewissen haben, sondern auch entspannt aussehen.
Futter für die Welt
Produkte, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit
liefern, müssen nicht neu sein, um als Stars
auf der CR-Bühne ins Rampenlicht zu rücken.
Wie der Tierfutterzusatz Methionin zeigt
„Wir wollen bei Evonik, dass Corporate Responsibility einen Beitrag zum Geschäft leistet, dass wir Produkte entwickeln, die einen Beitrag zur nachhaltigen
Entwicklung leisten“, sagt Gerald Breyer, CR-Koordinator im Unternehmen. Evonik hat hier schon hervorragende Vorarbeit geleistet – bei einigen Produkten seit Jahrzehnten wie zum Beispiel Methionin. Die
Aminosäure wird bereits seit den 1950er-Jahren Tierfutter zugesetzt, um Nährstoffmängel in der Tierfütterung auszugleichen.
Unter dem Blickwinkel Nachhaltigkeit erhalten die
von Evonik hergestellten Aminosäuren, zu denen
neben DL-Methionin auch L-Lysin, L-Tryptophan und
L-Threonin gehören, eine völlig neue Aktualität. Diese
essenziellen Aminosäuren können einen Beitrag leisten, den weltweit drohenden Nahrungsmangel zu lindern, und haben gleichzeitig auch einen ökologischen
Vorteil. Die Weltbevölkerung wird bis zum Jahr 2050
nach den Prognosen der UN auf mehr als 9 Milliarden Menschen anwachsen. Um sie auch künftig mit
hochwertigen Nahrungsmitteln versorgen zu können
und die Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, erhält die Zusammensetzung des Tierfutters eine
besondere Bedeutung.
Weniger Treibhausgase
Futtermittel wie Weizen, Gerste und Soja haben eine
mehr oder minder gegebene Aminosäurezusammensetzung, die aber für die Tiere nicht optimal ausbalanciert ist. Das führt dazu, dass der Stickstoff in der
Tiernahrung nicht vollständig verwertet wird. Der
überschüssige Stickstoff, der sich in den tierischen
Ausscheidungen wiederfindet, wird in klimaschädliche Gase umgewandelt und belastet so die Umwelt. Es
darf nicht vergessen werden, dass Tierhaltung einen
nicht unwesentlichen Teil zur anthropogenen Emission von Treibhausgasen beiträgt. Wenn aber der
Aminosäuremix durch richtig dosierten Zusatz der
essenziellen Aminosäuren DL-Methionin, L-Lysin,
L-Threonin und L-Tryptophan im Tierfutter verbessert wird, kann ein positiver Beitrag zur Reduzierung
klimaschädlicher Treibhausgase geleistet werden.
Aber auch bei der Herstellung der Aminosäuren
wird Energie verbraucht, und es entstehen Treibhausgase. Für eine faire Bewertung muss deshalb die
gesamte Kette von der Herstellung bis zum Verbleib
im Tier betrachtet werden. „Genau das kann eine Ökobilanz leisten, die Evonik in Zusammenarbeit mit unabhängigen Instituten wie dem Institut für Energie- und
Umweltforschung Heidelberg (ifeu) oder dem TÜV
Rheinland erstellt hat“, erklärt Dr. Michael Binder,
Senior Manager Regulatory Affairs für die Geschäftsgebiete Methionine und Bioproducts in Hanau. Die
Ökobilanz förderte erstaunliche Ergebnisse zutage:
Wird statt Soja oder Fischmehl die Aminosäure DLMethionin dem Futter aus Weizen und Gerste beigemischt, um die Proteindefizite auszugleichen, sinkt
der Ausstoß von Treibhausgasen beträchtlich. Für
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eine Tonne CO2, die während der Herstellung von
DL-Methionin freigesetzt wird, werden insgesamt 23
Tonnen über den gesamten Produktlebenszyklus eingespart. Die Überdüngung von Ackerflächen (Eutrophierung) nimmt ab: Die Abgabe von Ammoniak wird
um den Faktor 26, die von Nitrat um den Faktor sieben gesenkt.
Binder macht noch eine Rechnung auf: „Ein Kilo
DL-Methionin kann rund 66 Kilo Fischmehl ersetzen –
und zwei Kilo BIOLYS etwa 35 Kilo Sojamehl.“ So lassen sich durch die jährlich weltweit von allen Herstellern produzierten 750.000 Tonnen Methionin rund
15 Millionen Hektar Ackerland einsparen und zusätzlich für die Erzeugung von Brotgetreide und anderen Feldfrüchten für die menschliche Ernährung
nutzen.
Fleischkonsum in China nimmt stark zu
Die Bedeutung der Aminosäuren wird in Zukunft noch
wachsen: Der Konsum von Fleisch- und Milchprodukten wird deutlich zunehmen. Der Fleischverbrauch
wird von 37 Kilo pro Kopf im Jahr 2000 auf mehr
als 52 Kilo im Jahr 2050 steigen, prognostiziert die
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO)
der UN. Allein in China soll der Verzehr bis 2016 um
42 Prozent zunehmen. Durch den Zusatz von Aminosäuren kann verhindert werden, dass der Bedarf
an Futtermitteln in dem Maße steigt, wie der Fleischgenuss zunimmt. Wenn auch Zuchtfische in Aquakulturen mit den essenziellen Aminosäuren versorgt
werden, kann auch der Überfischung der Meere entgegenwirkt und der natürliche Fischbestand entlastet werden.
Evonik Industries, das als einziges Unternehmen
welt weit alle vier bedeutenden essenziellen Aminosäuren herstellt, hat sich auf die stark wachsende Nachfrage nach Geflügel- und Schweinefleisch sowie Fisch
aus Aquakultur in Asien vorbereitet: Seit Oktober 2010
wird der Bau einer weiteren DL-Methionin-Anlage in
Singapur geplant, die ab 2014 mit einer Kapazität von
jährlich 150.000 Tonnen den Betrieb aufnehmen soll.
Einschließlich der Produktion aus den bestehenden Werken in Wesseling, Antwerpen und Mobile
(Alabama, USA) würde sich die Gesamt menge auf
580.000 Tonnen belaufen. Gute Aussichten für die
Welt – und auch für Evonik Industries, der einen Beitrag zur gesunden Ernährung von Menschen und Tieren leistet.
„Vernetzung wird gefördert“
Renate Lenßen ist zuständig für das Projekt Corporate Responsibility
in der Ausbildung. Bis Herbst 2011 sollen alle Azubis der Standorte von
Evonik an praktischen Beispielen und Seminaren erfahren, was
unternehmerische Verantwortung bedeutet und wie sie im Alltag am
Arbeitsplatz und zu Hause gelebt wird
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Fit fürs Leben
FOTOS: INGO RAPPERS, EVONIK INDUSTRIES
Als einer der ersten deutschen Konzerne hat
Evonik Corporate Responsibility in die
Ausbildung integriert – das hilft den Azubis auch
im täglichen Leben
„Wir können gar nicht früh genug damit anfangen,
unseren künftigen Mitarbeitern zu vermitteln, was
unternehmerische Verantwortung – Corporate Responsibility – bedeutet“, erklärte Vorstandsmitglied
und Arbeitsdirektor von Evonik Ralf Blauth zum Start
der Pilotphase für das Projekt „CR in der Ausbildung“
im März 2010. Im Industriepark Wolfgang (IPW) und
im Ausbildungszentrum Goldschmidtstraße in Essen
fanden fünf Projekte statt, die das Thema CR für die
Auszubildenden anschaulich aufbereiten.
Zwar wurden auch schon vorher Inhalte wie Gesundheit, Arbeitssicherheit und Energie-Effizienz, die
zum CR-Spektrum gehören, in der Ausbildung der
jungen Menschen behandelt, doch „mit dem Projekt
‚CR in der Ausbildung‘ ist es gelungen, die Einzelaspekte mit dem strategischen Thema CR zu verknüpfen. Unternehmerische Verantwortung ist nun fester
Bestandteil der betrieblichen Ausbildungspläne der
beteiligten Standorte“, erklärt Renate Lenßen, die für
die Integration von CR in der Ausbildung zuständig ist.
Die konkrete Umsetzung des Themas „CR in der
Ausbildung“ demonstrieren die praktischen Projekte:
Die angehenden Chemikanten des Ausbildungszentrums Goldschmidtstraße in Essen entwickelten einen
neuen Kühlwasserkreislauf in den Laboren. Ihnen war
aufgefallen, dass ständig Frischwasser verschwendet
wurde, weil es nach der Kühlung ins Abwasser geleitet
wurde, obwohl es nie mit den Chemikalien in Verbindung gekommen war. Wenn es gelänge, dieses Kühlwasser aufzufangen und wiederzuverwenden, wird
weniger verbraucht. Das Ergebnis ihrer Arbeit können sie sich jetzt anschauen: Ein Kühlwasserkreislauf
wurde nach ihren Vorschlägen eingerichtet.
Wie die Azubis CR-Inhalte in ihr Leben integrieren
können, zeigen die Projekte im IPW in Hanau. Unter
dem Titel „Fit for IPW“ erhalten die jungen Leute sogar
handfeste Ratschläge zur gesunden Ernährung. „Das
Projekt wurde zwar bereits 2005 entwickelt“, sagt
Sebastian Petry, Ausbilder in Hanau, „aber im Kontext von CR angepasst und weiterentwickelt.“ Jetzt ist
ein Seminartag der Ernährung und gesunden Lebens-
führung gewidmet. Drei weitere Seminartage behandeln die Themen „Ergonomie am Arbeitsplatz“, „Drogen und Sucht“ sowie „Stress und Bewegung“.
Mitverantwortung und soziale Kompetenz
Die Beschäftigung mit CR-Themen schärft auch die
Aufmerksamkeit der jungen Leute für ihre Umwelt.
Das wird beim Patenschaftsmodell des IPW deutlich. Dieses Mentorennetzwerk wurde auf Vorschlag
der Azubis eingerichtet. Die Auszubildenden hatten beobachtet, dass viele Praktikanten Mühe haben,
sich auf dem weitläufigen Gelände zurechtzufinden. Den Schnupperlehrlingen – zumeist Schülerinnen und Schüler – werden Auszubildende zugeordnet, die ihnen den Zugang erleichtern. Der Service
kommt nicht nur bei den jungen Besuchern an, wie
Corinna Schmidt, Ausbilderin in Hanau, beobachtete:
„Dadurch lernen die Azubis frühzeitig, Mitverantwortung für Kollegen zu übernehmen, und entwickeln ein
tiefes Verständnis für soziale Kompetenz.“
Nach den erfolgreichen Projekten in der Pilotphase
startete im Februar 2011 der Rollout auf alle deutschen Standorte. In einem gemeinsamen Projekt werden die Jugendlichen auch in die Erarbeitung neuer
CR-Ausbildungsmodule einbezogen. So entwickeln
kleine Gruppen von Azubis aus allen Ausbildungsstätten des Konzerns zusammen die Eckpunkte für ein
Seminar zum Thema „soziale Netzwerke im Internet“.
Später sollen alle Azubis von Evonik für den korrekten
Umgang mit Facebook und Co. sensibilisiert werden.
Für Renate Lenßen hat dieses Projekt eine besondere Bedeutung, weil „wir nicht nur ein gesellschaftlich diskutiertes Thema aufgreifen, sondern
weil auch die Vernetzung von Ausbildern und Azubis gefördert wird“.
Auch Vorstandsmitglied Ralf Blauth ist mit der
Verankerung von CR-Inhalten in der Ausbildung sehr
zufrieden. „Unsere Auszubildenden lernen durch
ihr eigenes Tun, dass verantwortungsvolles Handeln
sowohl für sie selbst als auch für das Unternehmen und
die Gesellschaft Mehrwert schafft.“
S U M M A RY
• Unternehmen mit einer Verpflichtung zur nachhaltigen
Entwicklung haben niedrigere Kapitalkosten.
• Firmen, die einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung
leisten wollen, müssen nicht nur die Mitarbeiter, sondern
auch Lieferanten und Kunden darauf verpflichten.
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FOTOS: XXX
Heilen mit der Wolke: Im Projekt „SMS for Life“ wird in Afrika mithilfe von Cloud-Computing-Services, SMS-Diensten und intuitiven Websites
die Versorgung von Malaria-Patienten mit den lebenswichtigen Medikamenten gesteuert, und so werden Hunderte Menschenleben gerettet.
Das Foto entstand im Malaria-Center in Kollé in Mali
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Wolkenschieber
Vernetzung übers Internet kann viel Gutes bewirken. Daher ist Cloud-Computing
der wichtigste IT-Trend des Jahres 2011. Doch viele befällt auch
Höhenangst – sie fürchten, die Sicherheit über Daten und Prozesse zu verlieren
TEXT ANDREAS BRANNASCH
FOTOS: DIGITALVISION, GIORGIA FIORIO/CONTRASTO/LAIF
„DER SCHAUSPIELER GEORGE CLOONEY hat
sich bei einem Auslandsaufenthalt im Sudan mit Malaria infiziert.“ Diese Meldung sorgte im Januar für Rauschen im Blätterwald. Clooney war mit seiner Erkrankung bewusst an die Öffentlichkeit gegangen: „Meine
Heilung zeigt doch, was man mit richtigen Medikamenten alles erreichen kann. Die schlimmen Zustände
in Afrika könnten deutlich verbessert und die Sterberate erheblich gesenkt werden“, erklärte der Star.
Einen besonderen Weg, um die Malaria in Tansania zu bekämpfen, unterstützte der Konzern IBM mit
der Bereitstellung von Cloud-Computing-Services:
Mobilfunkanbieter Vodafone und Pharmariese Novartis sorgten in dem Pilotprojekt „SMS for Life“ für eine
nachfragegerechte Lieferung und Lagerung von Medikamenten in Krankenstationen und Hospitälern. Mit
der Hilfe von Mobiltelefonen, SMS-Services und intuitiven Webseiten verbesserte man die Versorgung von
über 1 Million Menschen mit Antimalariamedikamenten um das Dreifache – und konnte so das Leben Hunderter retten.
Ebenfalls per Vernetzung via Internet unterstützen sogenannte „Bürgerwissenschaftler“ die etablierte Forschung. Im weltumspannenden Galaxy-ZooTeam sind über 300.000 Nutzer als freiwillige Helfer
registriert. Für ein Projekt der University of Oxford,
Großbritannien, sichteten sie Aufnahmen von Millionen von Galaxien und teilten diese in die Kategorien
kugel- oder spiralförmig ein. Einige entdeckten dabei
bislang unbekannte, besonders aktive kleine Galaxien. Der Name dieser 250 Glücksfunde: Green Peas,
grüne Erbsen. Um die Mitarbeit der Laien zu ermöglichen, nimmt Galaxy Zoo einen Cloud-ComputingService von Amazon in Anspruch.
Am Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien, USA, forschen über 4.000 Wissenschaftler,
Ingenieure und Studenten unter anderem zu neuen
Energiesystemen, Nanotechnologie und Umweltanalytik. Die Berkeley Labs haben sich für Google Apps als
Cloud-Lösung entschieden, um die Zusammenarbeit
der Wissenschaftler zu optimieren und um Kosten zu
senken. Chief Information Officer (CIO) Dr. Rosio
Alvarez erklärt: „Jetzt können mehrere Wissenschaftler zeitgleich ein Dokument zu einem Forschungsprojekt nutzen und ihren Input liefern. Früher haben wir
unzählige Kopien erstellt, die dann umständlich abgeglichen werden mussten. Forscher aus aller Welt können nun als vollwertige Mitarbeiter an unseren Projekten beteiligt werden und kooperieren.“
Leben in der Wolke
Laut einer aktuellen Umfrage des Branchenverbands
BITKOM in der ITK-Branche ist Cloud-Computing der
wichtigste IT-Trend des Jahres 2011. Das Prinzip ist
simpel: Dank immer schnellerer Web-Verbindungen
werden immer weniger Informationen und Programme auf den einzelnen Computern am Arbeitsplatz
gespeichert. Software, Betriebssysteme, Anwendungen, Rechner- und Speicherkapazität sowie Netze und
Server werden im Internet bereitgestellt, der Zugriff
ist mit jedem Rechner oder Smartphone von jedem
Ort der Welt möglich – uns umgibt quasi eine digitale Wolke.
Die Vorteile klingen überzeugend: Die IT-Kosten
werden gesenkt, eigene Großrechner und Server werden ebenso überflüssig wie teure Büro-Software und
gigantische Datenbestände auf Festplatten. In einem
Rechenzentrum ließen sich nach Berechnungen
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You, too, can Zoo.
Im „Galaxy Zoo
Team“ der University of Oxford
sichten 300.000
„Bürgerwissenschaftler“ Aufnahmen von Millionen
von Galaxien – dank
Cloud-Vernetzung
im Internet
„Forschung nur
auf internen Servern“
Dr. Peter Nagler ist promovierter
Chemiker und leitet bei Evonik
Innovationsmanagement Chemie &
Creavis (IMC), dazu gehört auch
das Intellectual Property Management
(IPM), eine Abteilung zur Sicherung,
Entwicklung, strategischen
Nutzung und Kommerzialisierung
geistigen Eigentums im Konzern
Herr Dr. Nagler, nutzt die Evonik Industries AG bereits
Cloud-Computing?
Dr. Peter Nagler: Wir setzen intern Private-CloudTechnologien zur Virtualisierung von Servern und Storage
im Bereich unseres eigenen Rechenzentrums ein.
Und wie verhält es sich mit externen Lösungen?
Externes Cloud-Computing wird bisher nur sehr begrenzt
in Anspruch genommen. Sobald die sicherheits- und datenschutzrechtlichen Herausforderungen gelöst sind, werden
wir prüfen, ob sich Vorteile für Evonik erzielen lassen. Dies
gilt allerdings derzeit nicht für die Abteilung IPM.
Weil Ihnen hier das Risiko zu hoch erscheint?
Richtig, das würde unseren Know-how-Schutzbemühungen
für technische Innovationen widersprechen, und deshalb
ist IPM für derartige Netzwerke tabu. Die Speicherung elektronischer Daten und von Forschungsberichten in diesem
sensiblen Bereich erfolgt auf internen Servern, die separat
über unsere eigene IT geschützt werden. Der Zugang
erfolgt verschlüsselt unter Einhaltung eines restriktiven
Berechtigungskonzepts.
Gilt das auch für Patente?
Die Daten einer Patenterstanmeldung werden nahezu
ausschließlich in elektronischer Form mit SSLVerschlüsselung und elektronischer Signatur über das
Europäische Patentamt hinterlegt.
von IBM bis zu 80 Prozent der Fläche und 60 Prozent der Stromkosten durch Cloud-Computing einsparen.
Im gleichen Maße würden die Umsätze der externen
Dienstleister wachsen: Nach einer Studie der Experton Group für den Branchenverband BITKOM soll der
Umsatz mit Cloud-Computing von 1,9 Milliarden € im
Jahr 2011 auf 8,2 Milliarden € im Jahr 2015 steigen. Das
Umsatzwachstum liegt bei über 40 Prozent pro Jahr. In
fünf Jahren könnten etwa 10 Prozent der gesamten ITAusgaben auf Cloud-Computing entfallen.
Immer häufiger begegnet einem bereits Werbung
zu diesem Thema: Microsoft lädt seine Kunden per
Fernsehspot in die Cloud ein. HP Utility Services fragt:
„Würden Sie eine Kuh kaufen, wenn Sie nur ein Glas
Milch brauchen? Dosieren Sie Ihre IT-Ausgaben exakt
nach Ihren Anforderungen.“ IBM wiederum setzt auf
Sympathiegewinn und antwortet in seiner Anzeige auf
die Frage „Wie sicher ist Cloud-Computing?“ zum Beispiel mit dem Hinweis auf das Projekt „SMS for Life“.
Privat oder öffentlich
Die Angebote der Cloud-Dienstleister sind unterschiedlich: Bei einer „Private Cloud“ befinden sich
Anbieter und Nutzer noch im selben Unternehmen,
die Verantwortlichkeit für Datenkontrolle und Sicherheit verbleiben ebenfalls dort. Der Autobauer Daimler kündigte kürzlich an, 180.000 PersonalcomputerArbeitsplätze in eine „Private Cloud“ verlagern zu
wollen, um mobile Arbeitsplätze zu ermöglichen.
Dagegen kann eine „Public Cloud“ von beliebigen
Personen und Unternehmen genutzt werden. Jeder
kennt das Karten-Tool „Google Maps“, mit dem sich
Routen berechnen lassen. Um eine Wegbeschrei-
Evonik-Magazin 1 | 2011
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07.03.11 11:08
E N T D E C K E N 49
FOTOS: EVONIK INDUSTRIES, NASA, DIGITALVISION
Glossar
bung auszugeben oder auch nur auf Satellitenaufnahmen rein- und rauszoomen zu können, sind aufwendige Rechenoperationen nötig. Die laufen aber nicht
auf dem eigenen Rechner ab, sondern in den riesigen Server-Parks von Google. Dort sind sämtliche
Kartendaten der Erdoberfläche gespeichert, denn
deren gigantischer Datenumfang würde nicht einmal
ansatzweise auf einen Heimcomputer passen. Sämtliche Arbeit macht also fremde Hardware, die Berechnungen laufen in der Wolke ab.
Häufig setzen Unternehmen Cloud-Computing
ergänzend zur existierenden IT im täglichen Geschäft
ein, um bestehende Lastspitzen gezielt abzufedern.
Ein anderes klassisches Beispiel stellt eine mittelständische Unternehmensberatung dar, die unerwartet
schnell expandiert ist. Da die meisten Mitarbeiter nur
unregelmäßig im Büro sind, ist es erfolgskritisch, dass
jedem alle Informationen zur Verfügung stehen. Aufgrund der heterogenen IT-Landschaft und einer Vielzahl verschiedener CRM-Tools läuft die Weitergabe
von Information in der Regel alles andere als optimal.
Eine Vereinheitlichung der IT-Systeme und der
Betrieb eines einheitlichen CRM- und BI-Systems
würde eine hohe Anfangsinvestition voraussetzen.
Die Einführung einer Cloud-basierten Lösung bietet
eine Möglichkeit, dem Problem zu begegnen. Besonders interessant ist das Mieten von Ressourcen für
Start-ups oder Entwickler ohne eigene Infrastruktur.
Dann wird Cloud-Computing zu einem Mittel, Business ohne eigenes Risiko zu ermöglichen: Die Investitionen für Software-Lizenzen und Server werden
gespart, und trotzdem ist eine ortsunabhängige Vernetzung möglich. Auch die Reduktion von Entwicklungszeiten ist ein häufiges Argument für Cloud-Com-
BI
Business Intelligence. Systematische Analyse von Daten
BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und
neue Medien e.V.
CRM
Customer-Relationship-Management. Kunden-Beziehungs-Management
oder Kundenpflege. Wird zunehmend über Cloud-Lösungen angeboten
DLD
Digital Life Design, Konferenz-Netzwerk des Burda Verlags
GNU
Gnu is not Unix. Freies Betriebssystem ohne beschränkende Lizenzen
oder geheime Quelltexte
HP
Hewlett-Packard Company. Hersteller von Hardware wie Computer,
Drucker, Monitore, Server und so weiter. Anbieter von Cloud-Services
IBM
International Business Machines Corporation. Anbieter von Hardware,
Software, Dienstleistungen, Beratung und Cloud-Services
IT
Informationstechnologie. Oberbegriff für Informations- und Datenverarbeitung
ITK
Informations- und Telekommunikationstechnologie
SMS
Short Message Service. Kurze Textnachrichten von maximal
160 Zeichen zwischen Mobiltelefonen, geeigneten
Festnetztelefonen sowie bestimmten Internetdiensten
TMT
Technologie, Medien und Telekommunikation
WPA
Wi-Fi Protected Access. Eine Verschlüsselungsart im Bereich von
Drahtlosnetzwerken (WLAN)
puting. Entwickler testen ihre neuen Applikationen
auf Service-Plattformen und kommen durch den kurzfristigen Zugriff auf nahezu unbegrenzte Ressourcen
schneller zu fertigen Produkten.
Höhenangst und Platzregen
Die größten Player im Markt sind Technologiekonzerne wie Amazon, Google, IBM, Microsoft und
Salesforce. Sie stellen die immensen Kapazitäten von
mehreren Hunderttausend Netzwerkrechnern auch
externen Nutzern zur Verfügung.
Doch manche Unternehmen beschleicht trotz der
unbestrittenen Vorteile Höhenangst. Ihnen ist die Auslagerung sensibler Daten nicht geheuer, sie befürchten
Kontrollverlust und mangelnde Datensicherheit sowie
fehlende Garantien bei der Verfügbarkeit von Rechnerkapazitäten und der Erreichbarkeit eigener Daten
bei externen Serverproblemen.
„Cloud-Computing scheint in Deutschland noch
unter einem Vertrauensdefizit zu leiden“, sagt Robert
Horndasch, Partner im Bereich TMT beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte. „Die Skepsis im Hinblick auf Datensicherheit
und Prozesskontrolle überwiegt bei vielen.“
Evonik-Magazin 1 | 2011
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07.03.11 11:08
Wissen im Internet – eine Chronologie
1992
Die erste Audio- sowie
Video-Übertragung
findet im Internet statt.
1984, 2. August
An der Universität
Karlsruhe wird die erste
deutsche E-Mail empfangen. Im selben Jahr wird
das Domain Name System
(DNS) implementiert.
1989, März
Prof. Dr. h. c. mult. Sir
Timothy John Berners-Lee
schreibt am Conseil Européen pour la Recherche
Nucléaire (CERN)
das Papier „Information
Management: a Proposal“ – ein Entwurf für die
Entwicklung des World
Wide Web (WWW).
1990
Das Internet wird für die
kommerzielle Nutzung
freigegeben und ist
daher auch außerhalb
der amerikanischen
Streitkräfte und von Universitäten zugänglich.
1994
Die Zahl der kommerziellen Nutzer des Internets übersteigt erstmals
die der wissenschaftlichen Nutzer. Es gibt rund
3 Millionen InternetRechner.
1995
Microsoft Internet
Explorer Versionen
1.0, 1.5 und 2.0
Das Deutsch-EnglischOnlinewörterbuch Leo
startet auf einem Rechner
des Instituts für Informatik
an der Technischen
Universität München.
1996
Der Nachrichtenticker
Heise online startet.
Er ist heute der meistbesuchte deutschsprachige IT-Newsticker
und gehört zu den
erfolgreichsten
deutschsprachigen
News-Portalen.
1998
Im September geht eine
Internet-Suchmaschine
unter dem Namen
Google online, ihr Vorläufer BackRub startete
bereits 1996. Heute
zeigen übereinstimmende
Statistiken Google
mit Marktanteilen von
mehr als 80 Prozent aller
weltweiten Suchanfragen
als Marktführer.
2001
Die im März gegründete Universalenzyklopädie Wikipedia in deutscher Sprache ist mit rund
1,2 Millionen Artikeln
die zweitgrößte nach der
englischen, die über 3,5
Millionen Artikel enthält (Stand 2/2011). Der
Name Wikipedia setzt sich
zusammen aus „Wiki“,
dem hawaiischen Wort für
„schnell“ und „Encyclopedia“, dem englischen Wort
für „Enzyklopädie“.
2006
Erste Erwähnung des Begriffs Cloud-Computing
Gründung von
Wikileaks
Im Netz ist wenig geheim, und die Garantien für
Sicherheitsmaßnahmen fallen bisweilen „wolkig“ aus.
Rechtlich erfolgt die Bereitstellung von Nutzung von
Clouds im Rahmen eines Schuldvertrags, aus dem sich
viele juristische Fragen ergeben können: Haftung und
Gewährleistung und der Schutz von Urheber- und
Patentrechten sowie von Ergebnissen kapitalintensiver Forschung und Entwicklung scheinen noch nicht
befriedigend gelöst.
Hacken und Knacken
Besonders viele deutsche Unternehmen halten teures
Wissen beim Cloud-Computing für gefährdet. Zuletzt
sorgte der Rauswurf der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks von Amazons Servern für Zweifel.
Eine Sprecherin der amerikanischen Electronic Frontier Foundation (EFF) betonte: „Jedes Unternehmen
muss wissen: Wer seine Daten an Dritte auslagert,
unterwirft sich deren Geschäftsbedingungen“, – und
auch den Rechtsgrundlagen des jeweiligen Landes, in
dem der Service-Anbieter seinen Sitz habe.
Prominente Unterstützung erhalten Skeptiker
durch Internet-Legende Richard Stallman, den Vater
des Open-Source-GNU-Projekts. Aus Anlass der Präsentation des Cloud-basierten Google-Betriebssystems Chrome OS sagte er im Dezember letzten Jahres der britischen Tageszeitung „The Guardian“: „Es
geht darum, einem Dritten die eigenen Daten anzuvertrauen und die Rechenarbeit zu überlassen – und
damit auch die Kontrolle. Der Begriff ‚Careless Computing‘ wäre vielleicht treffender.“
Für Privatpersonen, die Clouds von InternetUnternehmen wie Google, Apple oder Facebook für
ihre Mail-Accounts, Musik-Downloads oder Foto-
Evonik-Magazin 1 | 2011
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11.03.11 11:54
E N T D E C K E N 51
Wolkenlücken
Wie ein Philosoph eine Talkrunde von IT-Spezialisten
mit seiner Sicht auf Clouds belebt
Am Lawrence
Berkeley National
Laboratory forschen
4.000 Wissenschaftler und
Studenten zu
Energiesystemen –
in der Cloud
S U M M A RY
• Cloud-Computing ist die Idee, Rechenkapazitäten,
Datenspeicher und Softwareprogramme über ein
Netzwerk zur Verfügung zu stellen.
• Der Zugriff ist mit jedem Rechner oder Smartphone
von jedem Ort der Welt möglich, eine digitale „Wolke“
umgibt uns.
• Die Cloud bietet Perspektiven für die Forschung, Teile
der Wirtschaft und im sozialen Bereich.
51_Evonik_01-11_DE 51
FOTOS: DIGITALVISION, PICTURE-ALLIANCE (2), PLAINPICTURE, JIM RAKETE/PHOTOSELECTION
archive nutzen, ist außerdem interessant, dass diese
Daten für die US-Regierung per Gesetz viel leichter
zugänglich sind als auf dem Computer gespeicherte
Dokumente, für die eine richterliche Anordnung vorliegen muss. Der strengere deutsche Datenschutz verliert in der globalen Wolke seine Wirkung. Und dass
Facebook-Chef Mark Zuckerberg kein großer Fan von
Privatsphäre ist, sollte auch jeder wissen. Die „Financial Times“ Deutschland zitiert Martin Schweinoch,
Fachanwalt für IT-Recht in der Kanzlei SKW Schwarz:
„Alle Beteiligten betreten Neuland. Die Technik ist
schneller als Recht und die Juristen.“
Das zeigte ein deutscher IT-Experte. Er hatte das
WLAN-Passwort seines Nachbarn mit dessen Erlaubnis binnen 20 Minuten geknackt. Bei der rechenintensiven Attacke half ihm der Cloud-Computing-Service
von Amazon. Beim Passwort-Knacken hatte der von
Amazon angemietete Dienst namens WPACracker
70 Millionen Wörter aus dem Wörterbuch durchprobiert – und war dabei Hunderte Male schneller als ein
herkömmlicher Quad-Core-Prozessor. Die Rechnung
für die Vermietung der gigantischen Rechnerkapazität
von gleichzeitig 400 Computern: 2 US-$.
„Die Geschichte der Wolken – 99 Meditationen“.
Dieses Buch von Dichter und Schriftsteller
Dr. Hans Magnus Enzensberger war Anlass für
die Veranstalter, den Autor im Januar zum Digital-Kongress DLD nach München einzuladen. Auf
dem Podium gesteht der vielseitige Intellektuelle:
„Ich bin ein sehr analoger Mensch. Für mich lautet
die spannende Frage: Wie können wir die sehr
verschiedenen analogen und digitalen Codes in unserem alltäglichen
Leben in Einklang bringen?“
Es sei sehr ungewöhnlich, dass ausgerechnet in der ITSprache, in der sonst ein für Laien unverständliches Kauderwelsch vorherrsche, ein so poetischer Begriff wie „Wolke“
für ein technologisches Konzept gewählt würde. „Das finde ich
genial, aber auch sehr mutig. Denn Wolken sind unbeständig,
sie verändern ständig ihre Form – man kann sich nicht auf sie
verlassen. Und es gibt Menschen, denen ist beim Gedanken
an Cloud-Computing etwas unbehaglich. Sie denken daran, dass
Wolken Löcher haben, Löcher, aus denen womöglich Daten
regnen könnten.“ Die IT-Branche müsse zuerst Vertrauen aufbauen, um hier erfolgreich sein zu können.
Jedes kleine Kind habe es schon erlebt: Wolken seien gut
für die Vorstellungskraft. „Sie regen die Fantasie an. Und
sie sind gut gegen schwermütige Gedanken – oft besser als ein
Therapeut.“ Und beides sei schließlich auch gut für IT-Experten.
Hans Magnus Enzensberger findet den der Poesie entliehenen Begriff
der Wolke als Bezeichnung für Datennetzwerke „genial“
07.03.11 11:08
52 L E B E N
Im Rausch der Daten
Tom Schimmeck traf Prof. Dr. Peter Steenkiste.
Gesucht: ein neues Herz fürs Internet
ILLUSTRATION PETER PICHLER
„WIR HABEN ein großes Projekt am
Wickel“, meint Peter Steenkiste. Der Professor für Informatik, Elektro- und Computertechnik an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (Pennsylvania, USA) ist
„Principal Investigator“ bei einem Projekt
des Future Internet Architecture Program,
finanziert von der US-amerikanischen National Science Foundation. Es gehe darum,
dem Internet „einen neuen Kern einzupflanzen“, sagt Steenkiste. Eine Art Herztransplantation fürs weltweite Netzwerk.
Die Infrastruktur des Netzes, sagen Experten, werde kaum die nächsten zehn Jahre
durchstehen. Der Hauptgrund: die Springflut der Daten. Noch 1994 tröpfelten gerade einmal 0,02 Petabyte (20 Billionen Bytes)
im Monat durch das Internet. 2010 waren es
wohl über 20 Exabyte (20 Trillionen Bytes).
Als Peter Steenkiste 1982 seinen Ingenieursabschluss machte, zeigten Computermonitore noch grün flackernde Buchstaben. Per Modem wählte man sich ins
Netz ein. „Die Leistung der Verbindungen
hat sich enorm verändert, die Technologie
des Internets dramatisch verbessert“, sagt
der Mann mit dem grauen Bart. Doch Tempo ist nicht alles: „Es macht einen Unterschied für die Nutzer und lässt auch mehr
Nutzer teilhaben. Aber es ändert nicht das
Fundament, die Protokolle.“
Genau das ist der Job der InternetReformer: ein Fundament zu gießen, auf
dem sich die globalen Datenströme noch
effizienter, verlässlicher und auch sicherer
bewegen können. „Das Internet steht unter
enormem Druck.“ Längst sind nicht mehr
nur Abermillionen Computer verbunden,
sondern auch Sensoren und Gerätschaften aller Art. Alles wird vernetzt, von der
Kamera bis zum Kühlschrank. „Aber es ist
schwer, all die neuen Möglichkeiten in das
System zu integrieren.“
Und der Boom geht weiter. An die 2 Milliarden Menschen benutzen bereits das Internet. Nicht nur in der reichsten Welt. Das
stärkste Wachstum fand in den letzten zehn
Jahren in Afrika (+2.300 Prozent), Nahost
(+1.800 Prozent), Mittel- und Südamerika
(+1.000 Prozent) und Asien (+600 Prozent)
statt. Bis 2014, schätzt der Netzwerkkonzern Cisco Systems, wird sich der Datenstrom erneut verdreifachen. Vor allem, weil
immer mehr datenschwere Videos über das
Netz fließen. 2014, so die Prognose, werden sie über 90 Prozent des Datenverkehrs
ausmachen, man würde mehr als zwei Jahre brauchen, um die Bewegtbilder, die binnen nur einer Sekunde durch die globalen
Internet-Protokoll(IP)-Netze fließen, zu
betrachten. 2014 soll der monatliche Internetfluss ein Gesamtvolumen erreichen,
das 16 Milliarden DVDs, 21 Billionen Songs
im MP3-Format oder 400 Billiarden SMSNachrichten entspricht.
War solch rasantes Wachstum vor 25
Jahren vorhersehbar? „Ich glaubte an den
Erfolg des Internets“, erzählt Steenkiste, der
1987 in Stanford promoviert wurde, „aber
das hat keiner erwartet. Noch faszinierender ist die Frage, wie das Netz in 20 Jahren
aussehen wird.“
Die Welt braucht eine Verbesserung
der Funktionalität: „Die wissenschaftliche Herausforderung lautet: Wie schaffe ich das alles, ohne dem Netzwerk noch
mehr Komplexität aufzuladen?“ Der Kern
ist nämlich schlicht: „Ein sehr einfaches
Protokoll, das nur sieht: Da sind ein Paket,
ein Absender und eine Adresse.“ Und dann
versucht es, dieses Paket abzuliefern. Dieses IP gibt dabei keine Garantien. „Es macht
es, so gut es kann, sehr minimal.“
Was muss geschehen? Das Internet drehe sich bis heute um Hosts, weiß der Professor, also um Rechner, die Daten aller Art
anbieten. „In Zukunft muss sich das Internet um die Inhalte zentrieren. Bei modernen Diensten wie einer Suchmaschine ist
es gleichgültig, wo der Host steht. „Die Frage ist also: Wie finden wir ein ähnlich minimalistisches Interface, das für Inhalte und
Dienste funktioniert?“ „Es muss schlicht und
elegant bleiben. Und doch alle Funktionen
unterstützen. Denn alles andere baut darauf
auf.“ Steenkiste wird mit Kollegen von Carnegie Mellon, der Boston University und der
University of Wisconsin die nächsten drei
Jahre an einer Lösung werkeln. 2012 soll ein
erster Prototyp laufen. Eine enorme Verantwortung? „Ach“, sagt der Computerfreak,
„es ist ein toller Job. Es bringt Spaß.“
Evonik-Magazin 1 | 2011
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11.03.11 11:41
Evonik
global
Einmal um die Welt gereist, zu internationalen Evonik-Standorten
54 Russland
CyPlus GmbH: Innovative Technik von
Evonik Industries macht die Goldsuche
in Nishni Nowgorod effizienter
Interview: Frank Harenburg,
Geschäftsführer der CyPlus GmbH
über die Produktionsanlage
für Natriumcyanid und den russischen
Goldmarkt
55 Südkorea
HPPO: Wie aus einem Problemmarkt
neue Anwendungsbereiche
mit Wachstumschancen entstehen
56 China
ROHACELL: Im ersten Passagierjet aus
chinesischer Entwicklung fliegt
ein Hartschaumstoff von Evonik mit
Die MD-11
war vor mehr
als 20 Jahren
der erste
Passagierjet,
bei dem
ROHACELL
eingesetzt
wurde
57 Taiwan
PLEXIGLAS: Die schöne Insel
ist ein wichtiger Standort für Evonik
Industries und die Region – wie drei
Gemeinschaftsunternehmen zeigen
58 Niederlande
Ubiflex: Innovation fürs Dach –
wie Dachdeckern die Arbeit erleichtert
werden kann
Jubiläum am Himmel
U S A Vor über 20 Jahren absolvierte ROHACELL in den USA den Jungfernflug
im zivilen Flugzeugbau
FOTO: ALEXANDRA VOSDING, ILLUSTRATION: PICFOUR
58 Kompakt
Brasilien: Großer Auftritt für
DEGAROUTE
Indonesien: Neue Aufgaben für
PT Evonik Indonesia
Südkorea: Vierjahresvertrag
mit Hankook Tire
China: Bewährte Partnerschaft
mit der Jushi Group
D
er 10. Januar 1990 war ein besonderer
Tag für den Flugzeugbauer McDonnell
Douglas. Am Flughafen von Long Beach,
Kalifornien (USA), hob zum ersten Mal die
neu entwickelte MD-11 ab. Auch in
Deutschland wurde der Start mit Spannung
verfolgt. Mit an Bord war erstmals
ROHACELL als Teil eines zivilen Passagierjets. Die Abdeckung an den Flügelklappen
war aus ROHACELL gefertigt worden.
Zuvor hatte die US-amerikanische Federal
Aviation Administration (FAA) drei Jahre
lang Material und Produktionsprozess
akribisch geprüft. Erst danach gab es die
Zulassung. Heute ist das Material aus dem
zivilen Flugzeugbau nicht mehr wegzudenken. Rumpfsegmente, Druckschotts, Flügelteile – selbst bei den kritischen Teilen
eines Flugzeugs hat sich Hartschaumstoff
bewährt und durchgesetzt. Der Start der
MD-11 vor über 20 Jahren öffnete die Tür
für eine Zukunft über den Wolken.
Evonik-Magazin 1 | 2011
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11.03.11 11:43
54 G L O B A L
Glänzende Geschäfte
R U S S L A N D Im wirtschaftlichen Mittelpunkt Russlands setzt sich eine Technologie von Evonik Industries
durch, die eine effiziente und sichere Goldextraktion ermöglicht
W
enn Moskau Russlands Herz ist,
dann ist Sankt Petersburg der Kopf
und Nischni Nowgorod die Tasche.“ Die
russische Volksweisheit kennt Nischni
Nowgorod, die fünftgrößte Stadt des
Landes, schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Handelsdrehscheibe. Zu Sowjetzeiten war die Stadt unter anderem die
Heimat eines gigantischen Chemiekombinats, heute ist sie eine der wichtigsten
Handels- und Industriestädte der Russischen Föderation.
Hier, rund 400 Kilometer östlich von
Moskau, wo die Oka in die Wolga mündet,
entsteht nun auch eine neue Drehscheibe
für ein wichtiges Produkt der Evonik
Industries AG. Denn Ende 2011 wird hier
das russische Unternehmen Korund Cyan
eine der modernsten Produktionsanlagen
der Welt für Natriumcyanid in Betrieb
nehmen. Zum Einsatz kommt dabei das
innovative Verfahren der CyPlus GmbH,
eines 100-prozentigen Tochterunternehmens der Evonik Industries AG. „Dank
jahrelanger Optimierung ist die CyPlusTechnologie heute spitze in Sachen Anlagensicherheit und Kosteneffizienz“,
erklärt Frank Harenburg, Geschäftsführer
der CyPlus GmbH.
FOTO: GETTY IMAGES
Kunden rund um den Globus
Gebaut wird die Anlage von einem deutschen Lizenznehmer, der EPC Engineering
Consulting GmbH im thüringischen
Rudolstadt. Bereits Ende 2010 hat der
Gouverneur der Region Nischni Nowgorod den Grundstein zum Bau gelegt,
derzeit wird die Anlage bis ins kleinste
technische Detail konfiguriert. Gleichzeitig wird die ergänzende Anlage geplant,
die den Ausgangsstoff für die Natriumcyanid-Produktion, Cyanwasserstoff,
liefern wird. Auch diese wird in Lizenz
gebaut, basiert auf einer Technologie von
Evonik, und die gezielte Kombination
der beiden Anlagen trägt zur überlegenen
Effizienz bei. Ab Ende 2011 wird die Anlage von Korund Cyan rund 40.000 Tonnen
Natriumcyanid jährlich produzieren kön-
Begehrtes Edelmetall: Die Nachfrage nach Gold steigt – und damit auch die Exploration von Golderzen,
bei denen das Metall nur mit Einsatz moderner Technologie erschlossen werden kann
nen. Diese Chemikalie, von der weltweit
nur rund 600.000 Tonnen jährlich hergestellt werden, wird größtenteils im Edelmetallbergbau eingesetzt. Hier dient sie
dazu, gebundenes Gold – aber auch Silber – aus dem Gestein zu lösen. „Laugen“
sagen die Fachleute dazu. Das Gold im Erz
ist häufig unsichtbar und chemisch zum
Beispiel mit Schwefel verbunden. Stark
verdünnte Natriumcyanidlösung löst das
Gold aus dieser chemischen Verbindung.
Mithilfe von Aktivkohle und einer
anschließenden Elektrolyse gewinnen
moderne Bergbauunternehmen so das
begehrte Edelmetall sogar aus Erz, das nur
ein Gramm Gold pro Tonne enthält.
Anschließend kann das als sehr giftig eingestufte Natriumcyanid im Prozess wiederverwendet oder verhältnismäßig einfach unschädlich gemacht werden.
Evonik selbst hat in Wesseling und
Antwerpen Anlagen zur Produktion von
Natriumcyanid. Der Konzern ist damit das
einzige Unternehmen, das mehr als eine
solche Anlage betreibt, und zählt zu den
Top-fünf-Produzenten weltweit. Die Kunden liegen rund um den Globus verteilt.
Die größten Goldproduzenten sind China,
Australien, die USA, Kanada und Südafrika. Silber kommt vor allem aus Mexiko
und Peru. Russland gehört ebenfalls zu den
Top Ten der Goldproduzenten. Hier werden pro Jahr knapp 180 Tonnen gefördert,
rund acht Prozent der weltweiten Fördermenge von gut 2.300 Tonnen jährlich.
Weil die Goldreserven im russischen
Riesenreich weit verstreut zu finden sind,
stellt Nischni Nowgorod einen guten
Kompromiss dar: nah genug an den Kunden, direkt an der Rohstoffversorgung mit
Erdgas und mitten in einem Logistik-Netz,
das bis in die tiefsten Winkel der Russischen Föderation reicht. Manchmal lohnt es
sich, den Volksweisheiten zu glauben.
Evonik-Magazin 1 | 2011
54_Evonik_01-11_DE 54
11.03.11 13:33
Kompromisslos
sicher
FOTO: PLAINPICTURE
R U S S L A N D Frank Harenburg,
Geschäftsführer der CyPlus GmbH, über
die Natriumcyanid-Anlage, den
Goldmarkt und die CyPlus-Marktposition
Polyurethan ist einer der beliebtesten Kunststoffe und überall im Einsatz – in der Couch, im Auto, im
Haus. Dank des neuen Verfahrens von Evonik fallen bei der Herstellung fast keine Nebenprodukte an
Bislang hat die Evonik Industries AG
Natriumcyanid nur selbst produziert.
Warum nicht in Nischni Nowgorod?
Der russische Markt ist weit ausgedehnt.
Der Aufbau einer eigenen Logistik hätte
zu viel Zeit in Anspruch genommen. Darum haben wir uns für die Lizenzvergabe
an einen starken russischen Partner
entschieden. Wir begleiten Planung, Bau
und Inbetriebnahme der Anlage und
trainieren sogar die Betriebsmannschaft.
Natriumcyanid ist nicht ungefährlich.
Wie gewährleisten Sie die Sicherheit für
Mensch und Natur?
Unsere Kunden und wir beherrschen
das Material, wie unsere zahlreichen
Selbstverpflichtungen, Sicherheitsprüfungen und -schulungen vor Ort zeigen.
Durch unser neues SLS-Verpackungssystem (Solid-to-Liquid-System) kommen
unsere Kunden praktisch nicht mehr mit
dem Produkt direkt in Kontakt. Für die
sichere Abwasserbehandlung bieten wir
entsprechende Technologien mit an.
Was erwarten Sie vom Markt für Gold und
Natriumcyanid?
FOTO: EVONIK INDUSTRIES
Gold ist sehr stark nachgefragt, und der
Cyanidbedarf wächst sehr robust.
Aber die Förderung und Erschließung
neuer Vorkommen werden schwieriger
und teurer. Technologien für noch
effizientere Golderzaufbereitung sind
also gefragt. Das sind gute Nachrichten für
CyPlus, das seinen Kunden maßgeschneiderte Problemlösungen anbietet.
Frank Harenburg,
Geschäftsführer
der CyPlus GmbH:
„Technologien
für effiziente
Golderzaufbereitung
sind gefragt“
Ein Markt entsteht
S Ü D K O R E A Die weltweit erste HPPO-Anlage in Südkorea bewährt sich
im Alltag – und sorgt auch anderswo in Asien für Interesse
A
m Anfang mancher Erfolgsgeschichte
steht oft ein Problem. So war es auch
mit dem Wasserstoffperoxid-Geschäft der
Evonik Industries AG. Der Konzern ist damit seit mehr als sechs Jahrzehnten erfolgreich und heute der zweitgrößte Hersteller
weltweit. Die Verbindung aus Wasserstoff
und Sauerstoff (kurz HP – für hydrogen
peroxide) wird beim Bleichen von Papier
und Zellstoff eingesetzt. 600.000 Tonnen
im Jahr produziert Evonik, aber das Wachstum des Papiermarktes lässt allmählich
nach – auch wegen sinkender Zeitungsauflagen. So grübelten die Entwickler bei
Evonik, was man noch mit H2O2 (so die
chemische Formel) anfangen könnte –
und wurden fündig: Seither wird Wasserstoffperoxid im eigens mit dem Ingenieurunternehmen Uhde entwickelten
HPPO-Verfahren eingesetzt, um Propylenoxid (PO) herzustellen, einen wichtigen
Grundstoff für die Kunststoff industrie.
Schon 2008 hat Evonik zusammen mit der
südkoreanischen SKC die erste großindustrielle Anlage in Ulsan in Betrieb genommen. Die neue Technologie bietet wirtschaftliche Vorteile und ist besonders
umweltfreundlich. Anders als bei anderen
Verfahren entstehen beim HPPO-Verfahren keine Nebenprodukte in nennenswerter Menge – außer Wasser. Das H2O2
gibt ein Sauerstoffatom an das Propylen ab,
übrig bleibt H2O. Dazu beliefert Evonik die
Anlage aus der Nachbarschaft mit HP.
Der Verbund zahlt sich aber auch für
Evonik aus. Für jede Tonne PO liefert
Evonik circa 700 Kilogramm HP. „Die typi-
sche Größe für eine HPPO-Anlage liegt bei
circa 300.000 Jahrestonnen“, erklärt Tibor
Kovacs vom technischen Marketing.
„Das sind dann also mehr als 200.000 Jahrestonnen Wasserstoffperoxid, die
Evonik einem solchen Werk liefern kann.“
Mit drei solcher Anlagen hätte Evonik
demnach schon das gesamte Volumen
seines heutigen Bleich-Geschäftes eingeholt. Dass sich das Verfahren etablieren
wird, davon geht man bei Evonik aus.
Starkes Interesse
Das indische Unternehmen Gujarat Alkalies and Chemicals Limited (GACL) plant
bereits eine HPPO-Anlage im westindischen Gujarat, die von einer HP-Anlage
von Evonik „über den Zaun“ versorgt wird.
„Die Nachfrage nach Propylenoxid hier
und anderswo in Asien scheint geradezu
zu explodieren“, sagt Kovacs. Kein
Wunder: Propylenoxid wird vor allem
für die Produktion von Polyurethan
benötigt, einem heiß begehrten AllroundKunststoff. Isolierschäume im Kühlschrank, Möbelpolster, Matratzen und
fast der gesamte Innenraum moderner
Autos – Polyurethan steckt in fast allem,
was heute vor allem in Asien hergestellt
wird. Derweil wird in vielen PO-Anlagen
Asiens noch das wenig effiziente Chlorhydrin-Verfahren eingesetzt, das in
den nächsten Jahren durch neue Verfahren
ersetzt werden muss. Interessenten
aus anderen asiatischen Industrieländern
haben die Anlage in Südkorea besichtigt
und starkes Interesse angemeldet.
Evonik-Magazin 1 | 2011
55_Evonik_01-11_DE 55
07.03.11 11:20
56 G L O B A L
FOTO: PHOTOSHOT
Erster
chinesischer
Passagierjet
C919 für den
Heimatmarkt:
Gegenwind für
Airbus und
Boeing und
Auftrieb für
ROHACELL als
wichtiges
Baumaterial im
modernen
Flugzeugbau
Macht Chinesen Flügel
C H I N A Die Volksrepublik will den riesigen Binnenmarkt mit Passagierflugzeugen aus
eigener Produktion versorgen. ROHACELL von Evonik Industries ist mit an Bord
C
hina steigt auf. Die Welt staunt nicht
schlecht über die riesigen Sprünge,
die das Reich der Mitte jüngst im zivilen
Flugzeugbau gemacht hat. Jetzt folgt
die erste zivile Passagiermaschine, die sich
mit den Platzhirschen des zivilen
Flugzeugbaus Airbus und Boeing durchaus messen kann.
Mit an Bord: der Hartschaumstoff
ROHACELL der Evonik Industries AG. Im
Prototyp des ersten großen chinesischen
Passagierflugzeugs, der C919, hat das
Material erfolgreich seine herausragenden
Eigenschaften – Gewichtsreduzierung,
Belastbarkeit und Verlässlichkeit – bewiesen. Im Kabinendruckschott verbessert
ROHACELL beispielsweise die Steifigkeit
und Knickfestigkeit des Bauteils.
In fünf Jahren soll die C919 ihren
regulären Flugdienst antreten. Damit will
China die Vormachtstellung von Boeing
und Airbus angreifen, die den Weltmarkt
bislang unter sich aufteilen. Die C919 gilt
als direkte Konkurrenz zu den Kurzstrecken-Jets Airbus A320 und der Boeing
737. Sie soll je nach Version zwischen
150 und 200 Passagiere befördern
können und auch in der Reichweite mit
der Konkurrenz gleichziehen.
Made for China
Für den Weltmarkt ist die Maschine
dennoch zunächst nicht gedacht. Vor allem
der riesige und stetig wachsende heimische Markt steht für die Chinesen im
Fokus. Fachkreise sprechen von 3.000 bis
4.000 Jets, die das Reich der Mitte in
den kommenden 20 Jahren benötigt. Bei
seinem Staatsbesuch in den USA Mitte
Januar bescherte Chinas Präsident Hu
Jintao dem amerikanischen Flugzeugbauer
Boeing einen Auftrag für 200 Flugzeuge
vom Typ B737 und B777 in Höhe von
rund 14 Milliarden €.
Gleichwohl zeigt die C919, dass
künftig in der zivilen Luftfahrtindustrie
mit China gerechnet werden muss. Der
chinesische Flugzeugbauer Commercial
Aircraft Corporation of China (COMAC)
setzt auf modernste und etablierte Technik
wie hocheffiziente Triebwerke
von General Electric – und auch Verbundwerkstoffe auf Basis von ROHACELL,
das sich im Flugzeugbau seit Jahrzehnten
bewährt hat und immer weitere Anwendungen findet.
Bei der Konstruktion des chinesischen
Jets zahlte sich die große Erfahrung
von Evonik Industries im Flugzeugbau
aus. Innerhalb von nur fünf Monaten
konnte nach chinesischen Vorgaben das
hochwertige und gebrauchsfertige Formteil aus ROHACELL für den Prototyp
gefertigt werden. Die schnelle Fertigstellung und die Eigenschaften von
ROHACELL haben überzeugt. COMAC,
die ihren C919-Prototyp Ende 2010 auf
der Airshow China im südchinesischen
Zhuhai zeigte, wird auch künftig auf
ROHACELL und Evonik als Partner bauen.
Bereits im chinesischen Regionaljet
ARJ21-700 wird das Material erfolgreich
in Flügelteilen eingesetzt. So beflügelt
also ROHACELL die chinesische
Flugindustrie.
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Powerhouse vor der Küste
TA I WA N steht oft im Schatten des Wirtschaftswunders in der Volksrepublik China.
Dabei trägt Taiwan gehörig zum Wirtschaftsboom der Region bei
ie Kleinen gehen im Spiel der
Großen oft unter: Darunter leidet
manchmal auch der Inselstaat Taiwan.
Im Vergleich zum riesigen Nachbarn, der
Volksrepublik China, ist das ehemalige
Formosa wahrlich ein Zwerg. Wirtschaftlich aber braucht sich die „schöne Insel“
(„ilha formosa“ nannten sie portugiesische
Seefahrer im 16. Jahrhundert) keinesfalls
zu verstecken. Dr. Gerard Berote, President der Evonik Degussa Taiwan Ltd.,
erklärt vielmehr: „In der Greater China
Region erzielten wir einen Umsatz von
rund 1,2 Milliarden € im vergangenen
Jahr. Davon entfiel fast ein Viertel – nämlich etwa 290 Millionen – auf Taiwan.“
Worauf basiert die überproportionale
Bedeutung des kleinen Inselstaats?
Genaugenommen auf drei Unternehmen an drei Standorten: wie
das Beteiligungsunternehmen Evonik
Forhouse Optical Polymers Corporation in T’aichung. Es steht für
eine Erfolgsgeschichte in Sachen Polymethylmethacrylat (PMMA), besser
bekannt als PLEXIGLAS. Das deutschtaiwanesische Beteiligungsunternehmen
produziert Optical Grade PMMA, lupenreines PLEXIGLAS, aus dem die Lichtleiterplatten für moderne LCD-Flachbildschirme für Computer, Handys und Fernseher hergestellt werden. Sie sorgen für
lichtstarkes und gleichmäßiges Bildvergnügen und bescheren dem Konzern seit Jahren immense Umsatzzuwächse. In zwei
Ausbaustufen soll die Kapazität für die Herstellung des Materials bis 2012 auf 80.000
Tonnen pro Jahr verdoppelt werden.
Kieselsäure aus dem Pfirsichgarten
Mit Lichtleitern hat auch der zweite
Standort zu tun: In der Hauptstadt Taipeh
produziert die Evonik Industries AG ebenfalls in einem deutsch-taiwanesischen
Gemeinschaftsunternehmen Linsen aus
Silica-Glas. Die Kooperation basiert auf
einer Technologie, die von Evonik in Italien entwickelt wurde. Die sogenannte SIVARA Sol-Gel-Technologie erlaubt es, auch
FOTO: THINKSTOCK
D
Leichtlaufreifen mit ULTRASIL von Evonik sind auch in Asien sehr gefragt, wegen ihrer guten
Eigenschaften bei Abrieb und Nässe – und weil sie beim Spritsparen helfen
winzig kleine Strukturen aus gegossenem
Glas zu produzieren. Die Standardlinsen
des Gemeinschafts unternehmens sind
gerade einmal zwischen drei und fünf Millimetern groß und halten auch extrem
hohen Temperaturen stand. Rund 20 Millionen solcher Linsen kann Evonik jedes
Jahr herstellen. Innerhalb der kommenden
zwei bis drei Jahre sollen es rund 150 Millionen pro Jahr werden. Denn das Evonik
Cristal Materials Corporation benannte
Beteiligungsunternehmen erzielt rund die
Hälfte seines Umsatzes im Solarmarkt – mit
Linsen für die konzentrierte Fotovoltaik.
Dabei wird das Sonnenlicht mit Linsen auf
besonders leistungsstarke Solarzellen
gebündelt. Der Markt liegt nicht nur in Asien, sondern auch in Europa, wo im sonnenverwöhnten Mittelmeerraum konzentrierte Fotovoltaik Erfolg versprechend
eingesetzt wird. Zum Aufbau weiterer Forschungs- und Entwicklungskompetenz in
der Licht- und Elektronik industrie startet
Evonik in Taiwan auch das Advanced Project House „Light & Elec tronics“, das im
April 2011 seine Arbeit aufnimmt.
Die dritte Erfolgsgeschichte aus Taiwan
spielt in T’aoyüan, im Nordwesten der
Insel. Der „Pfirsichgarten“, wie der chinesische Name sagt, ist seit 35 Jahren die
Heimat der taiwanesischen Produktionsanlage für gefällte Kieselsäure. Heute
werden hier vor allem die Reifenkieselsäuren der Marke ULTRASIL sowie Spezialsilikate für biowissenschaftliche und
chemische Anwendungen produziert,
rund 30.000 Tonnen davon jährlich. Die
Reifenkieselsäuren sind vor allem für die
Produktion von Leichtlaufreifen bestimmt,
die bei gleicher Rutschfestigkeit und
gleicher Abriebfestigkeit den Rollwiderstand und damit den Treibstoffverbrauch
von Autos senken. Neue Gesetze in Südkorea und Japan, die solche SpritsparReifen begünstigen, sind nur einer von
vielen Gründen, warum noch 2011 mit
dem Kapazitätsausbau auf 50.000 Jahrestonnen begonnen wird. Kein Wunder
also, dass die rund 200 Beschäftigten, die
derzeit in Taiwan für Evonik Industries
arbeiten, keinen Grund sehen, sich vor
dem großen Nachbarn zu verstecken.
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KOMPAKT
Bleifreie Dächer
N I E D E R L A N D E Die Alternative zur Bleiisolierung von Dächern kommt aus den
Niederlanden – und aus der Produktpalette von Evonik Industries
D
as Gewerbe der Dachdecker war
jahrhundertelang eine ganz eigene
Kunst. Nicht zuletzt, weil sich nicht
jeder Bauherr traute, auch wirklich aufs
Dach zu steigen, um den Männern bei
der Arbeit über die Schulter zu schauen,
waren Dachdecker oft ihre eigenen
Herren.
Die Redewendung „das kannst du
halten wie ein Dachdecker“, soll daher
rühren. Doch eine uralte Tradition im
Dachdecken scheint – angestoßen von der
Baumittelindustrie – nun bald ein Ende
zu finden, und das ist auch gut so: Das Blei,
mit dem seit jeher etwa Kanten von
Schornsteinen und vieles mehr auf dem
Dach abgedichtet wurden, wird endlich
abgelöst durch ein neues und modernes
Eindeckmaterial, das deutlich mehr kann
als die bisher eingepassten Bleche.
Gemeinsam mit den beiden niederländischen Unternehmen Bitufa Waterproofing B.V. aus Wapenveld und Ubbink B.V.
aus Doesburg hat die Evonik Industries AG
ein umwelt- und gesundheitsschonendes
Ersatzprodukt entwickelt.
Ubiflex, wie die Innovation getauft wurde, ist 100 Prozent bleifrei, lässt sich aber
genauso formen, hämmern und kleben wie
die bislang verwendeten Bleimatten.
Basis des Materials ist eine mit VESTOPLAST, einem Produkt von Evonik, modifizierte Bitumenbahn, die mit einem dehnbaren Aluminiumträger kombiniert wird.
Umweltschonend und leicht
Das Ergebnis: Bei der Herstellung des
Eindeckmaterials wird die Umwelt deutlich
weniger belastet, und die um 70 Prozent
leichteren Rollen können deutlich länger
verarbeitet werden.
Auf dem fertigen Dach werden zudem
die übrigen Materialien am Bau geschont:
Aluminium, Zink und Kupfer in den Regenwasser-Ableitungssystemen etwa werden
vom ausgespülten Blei im Regenwasser
stark angegriffen und sollten künftig dank
Ubiflex ebenfalls länger halten.
Neues Standbein
Indonesien PT Evonik Indonesia
ist ab sofort die umfassende Vermarktungsplattform für das gesamte
Produktspektrum der Evonik Industries AG für Indonesien. Um näher am
schnell wachsenden indonesischen
Markt zu sein, wurde der seit Langem
erfolgreiche Wasserstoffperoxidhersteller unter dem Dach von Evonik
zum Konzernstandbein im größten
südostasiatischen Inselstaat ausgebaut.
Läuft rund
Südkorea Mit einem Vierjahresvertrag sichert sich der weltweit
siebtgrößte Reifenhersteller,
die südkoreanische Hankook Tire, die
Belieferung mit hochdispersiblen
Kieselsäuren der Evonik Industries
AG. Damit soll in Asien und Europa
die Silica-Silan-Technologie für moderne Leichtlaufreifen vorangetrieben
werden. Der Absatz von Kieselsäure
wird sich innerhalb der Vertragslaufzeit verdoppeln.
Bewährte Partnerschaft
China Die Jushi Group, Chinas
größter Glasfaserhersteller, hat mit
dem Geschäftsbereich Inorganic
Materials der Evonik Industries AG
einen langfristigen Liefervertrag
für DYNASYLAN abgeschlossen.
Nach der Verleihung des „Supplier
of Excellence Award“ an Evonik im
vergangenen Jahr bestärkt der
Glasfasergigant so ein weiteres Mal
die Partnerschaft im chinesischen
Wachstumsmarkt.
FOTO: PR
Hingucker
Bleifreie Zukunft für Dachdecker: Ubiflex, die mit dem Evonik-Produkt VESTOPLAST modifizierte
Bitumenplatte, hat viele gute Eigenschaften: Sie ist leicht, flexibel und umweltfreundlich
Brasilien Auf der Fachmesse TranspoQuip in São Paulo präsentierte die
Evonik Industries AG zusammen mit
über 200 Ausstellern aus 20 Ländern
ihre Lösungen für bessere Verkehrsinfrastruktur, ein wichtiges Thema im
aufstrebenden Brasilien, das noch immer unter veralteten Straßen und Transportwegen leidet. DEGAROUTE, die
Kaltplastikharze von Evonik für erstklassige Fahrbahnmarkierungen, stießen auf reges Interesse.
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Bestellen Sie kostenlos weitere Informationen zu den Produkten von Evonik mit der Postkarte links, oder schauen Sie einfach im Internet unter www.evonik.com
Auf einen Blick
Hier finden Sie, sortiert nach ihrer Erwähnung im Heft,
alle Entwicklungen und Produkte der Evonik Industries AG,
die in diesem Heft besprochen werden
Tierfuttermittel
wie DL-Methionin
sind ein Schlüssel
zur Nachhaltigkeit
Vom Winde geweht, Seite 7, sowie
Jubiläum am Himmel, Seite 53,
und Macht Chinesen Flügel, Seite 56
ROHACELL® heißt der feinporige Hartschaum
aus Polymethacrylimid (PMI), den Evonik Industries
für die Produktion von hochwertigen und leichtgewichtigen Verbundteilen anbietet. Besonders Sandwich-Leichtbaukonstruktionen im Automobil- und
Flugzeugbau, aber auch im Schienenverkehr, in der
Medizintechnik und in Sportgeräten werden aus dem
genauso verlässlichen wie leichten Material gefertigt.
Anwendung: Leichtbau und Isolation
Link: www.rohacell.com
Lithium-Ionen-Batterien und SEPARION®
von Li-Tec Verbaut wurden im Wind Explorer vier
Batterieblöcke mit jeweils 14 Batteriezellen mit
einer Gesamtleistung von acht Kilowattstunden. Die
Batterie ist eine Sonderanfertigung, gleicht den
Serientypen jedoch mit ihrer patentierten SeparatorTechnik, die die Batterie vor Überhitzung schützt. Die
dazu verwendete keramisch beschichtete Membran
trägt den Markennamen SEPARION®.
Link: http://nano.evonik.de/sites/nanotechnology/
de/technologie/anwendung/separion
Die Suche nach dem ewigen Leben, Seite 21
Polymer EUDRAGIT® hat die Aufgabe, über einen
festgelegten Zeitraum kontrolliert Nikotin freizusetzen. Es dient als Matrixgerüst, in das der
Wirkstoff eingebettet ist, und sorgt dafür, dass die im
Pflaster enthaltene Menge an Nikotin gleichmäßig
über 16 beziehungsweise 24 Stunden freigesetzt wird.
Anwendung: Nikotinpflaster
Link: www.eudragit.com
FOTO: SHUTTERSTOCK
Die guten Geister sammeln sich, Seite 42
DL-Methionin ist eine essenzielle Aminosäure und
wird als Futtermittelergänzung in der Tiernahrung
eingesetzt. Aminosäuren sind lebensnotwendig, weil
aus ihnen sämtliche Eiweiße aufgebaut sind.
Anwendung: Futtermitteladditive
Link: http://feed-additives.evonik.com
Biolys® versorgt mit der essenziellen Aminosäure
L-Lysin. Es wird durch Fermentation hergestellt
und enthält zudem wertvolle Nebenprodukte aus
der Gärung. Evonik ist das einzige Unternehmen
weltweit, das alle vier wichtigen Aminosäuren für
die Tiernahrung aus einer Hand anbietet:
DL-Methionin, L-Lysin, L-Threonin und L-Tryptophan.
Anwendung: Futtermitteladditive
Link: www.biolys.com
Powerhouse vor der Küste, Seite 57
PLEXIGLAS® ist der Name für Polymethylmethacrylat (PMMA). Der Markenname ist längst zum allgemeinsprachlichen Begriff geworden für den
transparenten Kunststoff, der seit über 75 Jahren
überall im Alltag herkömmliches Glas mit seinen überlegenen Eigenschaften etwa in Sachen Robustheit,
Lichtleitfähigkeit und Leichtigkeit übertrifft.
Anwendung: Displays, Verglasungen, Optik,
Solarenergiegewinnung und mehr.
Link: www.plexiglas.de
ULTRASIL® ist die Produktbezeichnung für eine
Reihe von gefällten Kieselsäuren, die Evonik Industries
speziell für die Produktion von Hochleistungsreifen
anbietet. Diese Gummikieselsäure erhöht die Griffigkeit moderner Reifen und verringert gleichzeitig
den Rollwiderstand. Das Ergebnis: spritsparende Reifen, die auch bei Nässe sicher sind.
Anwendung: Reifenindustrie
Link: http://ultrasil.evonik.de
Bleifreie Dächer, Seite 58
VESTOPLAST® ist eine Produktlinie mit 17 einzelnen Produkten. Sie werden vor allem in der
Herstellung von Klebemitteln und Versiegelungen
verwendet und auf die unterschiedlichsten
physikalischen Anforderungen zugeschnitten.
Sie kommen aufgrund ihrer besonderen
Eigenschaften besonders auch in Heißklebeanwendungen zum Einsatz.
Anwendung: Klebemittel
Link: www.vestoplast.com
Bewährte Partnerschaft, Seite 58
Dynasylan® ist der Markenname, unter dem
Evonik Industries verschiedene Silan-Produktfamilien
anbietet. Ihre chemische Struktur ermöglicht
Silanen eine Bindung mit organischen und anorganischen Molekülen. Dank dieser besonderen
Struktur sind Silane in den verschiedensten Märkten
und Anwendungen einfach unverzichtbar – von
Klebstoffen bis hin zu Pharmazeutika.
Anwendung: Lacke, Kleb- und Dichtstoffe,
Kunststoffe, Glasfaser oder Pharmazeutika
Link: www.dynasylan.de
Hingucker, Seite 58
DEGAROUTE® heißt das breite Spektrum
spezieller Kaltplastikharze, die Evonik Industries
weltweit zur Herstellung langlebiger und
umweltfreundlicher Markierungsmassen anbietet.
Zum Einsatz kommen sie auf Straßen, Rad- und
Fußwegen, aber auch als Signalflächen in Stadien und
auf Betriebsgeländen. Die Harze zeichnen sich vor
allem durch ihre Anwendungsvielfalt und ihre leichte
Verarbeitung aus und lassen sich mit lokal
verfügbaren Füllstoffen und Additiven verarbeiten.
Anwendung: Markierungsmassen
Link: www.degaroute.com
Evonik-Magazin 1 | 2011
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11.03.11 09:56
www.evonik.de
Schöne Kombinationen gibt’s in
Dortmund nicht nur auf dem Spielfeld.
Wir stehen hinter dem BVB.
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14.03.11 17:16
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